eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 48/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FLuL-2019-0010
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2019
481 Gnutzmann Küster Schramm

Götz SCHWAB, Sabine HOFFMAN, Almut SCHÖN (Hrsg.): Interaktion im Fremdsprachenunterricht. Beiträge aus der empirischen Forschung. Münster: LIT 2017, 196 Seiten [29,90 €]

2019
Marta García García
Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 135 48 (2019) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2019-0010 und lobt die Methodenvielfalt der Lehrkräfte. Birgit F ÜREDER dokumentiert die heterogenen Ergebnisse ihrer Untersuchung hinsichtlich des theoretisch-methodischen Zugangs und des Umgangs mit Verbalperiphrasen in didaktischen Grammatiken und legt damit „eine vergleichende Analyse von ausgewählten Grammatiken für Französisch, Italienisch und Spanisch“ vor. Sie gibt zudem Empfehlungen für die unterrichtliche Behandlung. Im dritten Teil finden sich exemplarische Studien an der Schnittstelle von Fachdidaktik und einer fachwissenschaftlichen Disziplin, jedoch weniger zur Schnittstelle, als im Vorwort angekündigt (S. 14). Das bedeutet, dass sich mit wenigen Ausnahmen, z.B. H EYDER , eher fachdidaktische Herangehensweisen finden, die aufgrund thematischer Ähnlichkeit auf fachwissenschaftliche Erkenntnisse rekurrieren. Dies soll nicht kritisiert werden, spiegelt jedoch die klassische einseitige Beziehung zwischen Fachdidaktik und Fachwissenschaften wider und setzt nur bedingt „den in Teil I und II postulierten Dialog in die Forschungsrealität“ (S. 16) um. Teilweise irritiert zudem das abweichende Layout bezüglich Absätzen und Abständen (z.B. S. 224). Systematische Kooperationen zwischen Fachdidaktik und Fachwissenschaft sind zweifelsohne sinnvoll und wünschenswert, auch „im Hinblick auf eine Verbesserung der Lehrer/ innenbildung“ (Klappentext). Die ersten Beiträge des Bandes und einzelne im weiteren Verlauf tragen auch dazu bei, die geforderte „Grundsatzdebatte“ (S. 12) zu führen, um einen echten Dialog herbeizuführen. In einigen Beiträgen tritt jedoch die im Vorwort monierte „pragmatische Form der Zusammenarbeit wegen der Ähnlichkeit der Inhalte“ (ebd.) zu Tage und es werden eben doch „exemplarisch einzelne Felder“ (ebd.) benannt. Der Qualität der Einzelbeiträge tut dies keinen Abbruch, wenn sie nicht mit dem Anspruch eines solchen tatsächlichen Dialoges zwischen den Disziplinen gelesen werden. Somit sei der ganze Band hier zur Lektüre empfohlen. Es bleibt jedoch das Desiderat bestehen, eine systematische, beidseitig ausgerichtete Zusammenarbeit weiterhin anzustoßen. Paderborn C ORINNA K OCH Götz S CHWAB , Sabine H OFFMAN , Almut S CHÖN (Hrsg.): Interaktion im Fremdsprachenunterricht. Beiträge aus der empirischen Forschung. Münster: LIT 2017, 196 Seiten [29,90 €] Ausgehend von der Grundannahme, dass jeder Unterricht, besonders aber der Fremdsprachenunterricht, durch und in der Interaktion hervorgebracht wird und daher die Erkenntnisse der Unterrichtsinteraktionsforschung zentral für das Verständnis der dort stattfindenden Lehr- Lernprozesse sind, widmet sich der vorliegende Sammelband dem Gegenstand des classroom discourse aus einer interaktionalen Perspektive. In ihrer Einleitung umreißen die Herausgeber die Ansätze zur Erforschung des Unterrichtsdiskurses mit einem besonderen Augenmerk auf die (multimodale) Konversationsanalyse. Der Überblick dient als Einführung in die theoretischen und methodologischen Hintergründe der neun Beiträge, die folglich kurz kommentiert werden sollen. Der Aufsatz von Betül Ç IMENLI und Olcay S ERT beschäftigt sich mit dem Unterricht von Türkisch als Fremdsprache in einer universitären Einrichtung der Türkei. Mit konversationsanalytischen Werkzeugen und vor dem konzeptuellen Hintergrund des Unterschieds zwischen sog. formfokussierten und bedeutungsfokussierten „Unterrichtskontexten“ (vgl. S EEDHOUSE 2004) 1 wird eine zur Förderung freien Sprechens konzipierte Sequenz analysiert, in der mini- 1 Paul S EEDHOUSE : The interactional architecture of the language classroom. A conversation analysis perspective. Malden, Mass.: Blackwell 2004. 136 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2019-0010 48 (2019) • Heft 1 male, aber häufige Wechsel des Unterrichtsfokus stattfinden. In diesen Momenten ist die Aufmerksamkeit der Lehrkraft kurz auf die sprachliche Korrektheit gerichtet, ohne den größeren, kommunikationsorientierten Rahmen zu verlassen. Wenn die Lernenden ebenfalls auf diesen „mode-switching“ (S. 17) reagieren (z.B. durch die Übernahme der Korrekturen der Lehrkraft), werden, so argumentieren die Autoren, besondere Lerngelegenheiten („space for language learning“, S. 30) geschaffen. Der Beitrag von Diana F EICK widmet sich den wenig beforschten Gruppenarbeits- und Aushandlungsprozessen. Aus der Interaktions- und Partizipationsanalyse eines umfangreichen Datenkorpus videografierter DaF-Gruppendiskussionen kann die Autorin vier Interaktionsstile (dominante und passive Kollaboration sowie dominante und passive Nicht-Kollaboration) ermitteln, die die diskursive Umsetzung der vier Partizipationstypen (kooperative, nichtkooperative sowie selektive Partizipation und kooperative Nicht-Partizipation) darstellen. Dabei wird das innovative Konzept der Gruppenautonomie als Erweiterung des traditionell eher individualistischen Verständnisses von Lernendenautonomie beleuchtet: Gruppenautonomie entfaltet sich, wenn kooperative Partizipation durch kollaborative Interaktion umgesetzt wird (S. 43). Gegenstand des Beitrags von Sabine H OFFMANN und Götz S CHWAB ist die multimodale Dimension des fremdsprachlichen Unterrichtsgesprächs in zwei unterschiedlichen Settings (eine DaF-Gymnasialklasse in Italien und eine Englischklasse einer deutschen Realschule). Die Ergebnisse der Analyse von vier Unterrichtssequenzen (je zwei aus jedem Kontext) zeigen eine „kulturübergreifende“ Führung eines „klar strukturierten Unterrichtsdiskurs[es]“ (S. 73) mit deutlicher Verteilung und Akzeptanz der Rederechte sowie die Etablierung einer Solidarität zwischen den Lernenden durch Lächeln und Blickkontakte. Als signifikanter und womöglich kulturspezifisch bedingter Unterschied zwischen beiden Kontexten findet sich dagegen der Rückgriff auf fast ausschließlich verbale Ressourcen seitens der Lehrerin in Italien gegenüber dem Zusammenspiel diverser Modalitäten in der Lehrer-Lerner-Interaktion in Deutschland, was in diesem Fall dazu führt, dass die Distanz zwischen dem Lehrenden und den Lernenden weniger ausgeprägt zu sein scheint. Einen anderen Blick auf die Kooperationsprozesse in der Gruppeninteraktion werfen Makiko H OSHII und Nicole S CHUMACHER in ihrem Beitrag, in dem sie aus einer soziokulturellen Perspektive die zwischen japanischen DaF-Lernenden in Tokio und angehenden DaF- Lehrenden in Berlin per Videokonferenz stattfindende Interaktion untersuchen. Der Fokus der Analyse ist auf Sequenzen der Bedeutungsaushandlung sowie der Wortsuche gerichtet. Den Autorinnen gelingt es offenzulegen, wie die Teilnehmenden äußerst kooperativ miteinander umgehen und durch gemeinsame Lösungen für Verständnisprobleme sowie ko-konstruierte Äußerungen eine lernförderliche Umgebung schaffen. Anhand dieser Ergebnisse entfaltet sich die Videokonferenz als Ort sowohl der authentischen Kommunikation (für die Sprachlernenden) als auch der „Sensibilisierung für die spracherwerbsförderliche Unterstützung“ (S. 89) für die angehenden Sprachlehrkräfte. Ebenfalls mit dem Ziel der Sensibilisierung der Lehrkräfte für fachdidaktische Fragestellungen beschäftigt sich Holger L IMBERG mit komplexen Arbeitsaufträgen (S. 94) im Englischunterricht der Grundschule. Anhand eines dem Primary English Classroom Corpus (L IMBERG 2016) 2 entnommenen Beispiels werden die typischen Handlungsformen beim Ertei- 2 Holger L IMBERG (2016): „Das Primary English Classroom Corpus (PECC): Englischunterricht in der Grundschule dokumentieren, analysieren und verstehen lernen“. In: Holger L IMBERG , Olaf J ÄKEL (Hrsg.): Unterrichtsforschung im Fach Englisch. Empirische Erkenntnisse und praxisorientierte Anwendung. Frankfurt/ M.: Lang, 63-96. Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 137 48 (2019) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2019-0010 len von Arbeitsaufträgen abgeleitet (S. 108f.): Positionierung der Lehrkraft im vorderen Bereich der Klasse, diskursive Abgrenzung zur vorherigen Phase, Ankündigung der Aufgabe, Handlungsaufforderung, Modellieren einiger Äußerungen, Verweis auf konkrete Unterrichtsmaterialien sowie der gezielte Einsatz der deutschen Sprache. Übersetzungen ins Deutsche werden häufig durch die Mitwirkung eines Schülers ausgeführt. Die Zielführung dieser letzten Punkte wird vom Autor infrage gestellt, da die Schüler in der Regel bei dem Versuch überfordert sind, „etwas kompakt und verständlich zu paraphrasieren“ (S. 107). Kristian M ORTENSEN und Spencer H AZEL untersuchen in ihrem Beitrag besondere Momente der Unterrichtspartizipation, nämlich solche, in denen eine sog. transgression of the moral order, ein Bruch der in einem bestimmten Klassenraum gültigen, normativen Erwartungen stattfindet. Die Autoren konzentrieren sich im Kontext des Dänischen als Fremdsprache zum einen auf Beispiele, in denen die Zuweisung der Redebeiträge nicht respektiert wird, und zum anderen auf Sequenzen, in denen der Rückgriff auf die L1 eines Lernenden durch die Lehrkraft als (im konversationsanalytischen Sinne) reparaturbedürftig behandelt wird. In beiden Fällen werden die Sanktionierungen seitens der Lehrkraft mit Humor abgetönt und seitens der Lernenden mit Lachen angenommen. Die detaillierte Analyse gibt insofern Aufschluss darüber, welche „intricacies of conduct“ im Fremdsprachenunterricht als „socially appropriate or inappropriate“ markiert werden (S. 128). Das kollaborative Schreiben im Tandem ist der Gegenstand des Beitrags von Linda P ELCHAT . In der Einzelfallstudie, die im Rahmen des Französischunterrichts der gymnasialen Oberstufe in Deutschland verortet ist, untersucht sie die Durchführung einer Schreibaufgabe bei zwei 17-jährigen Schülern des 5. Lehrjahrs Französisch und geht auf Fragen bzgl. des Inhalts (Was thematisieren die Schüler? ), der Zusammenarbeit (Wie interagieren sie? ) sowie der Vorgehensweise (Wie bearbeiten die Schüler die Aufgabe? ) ein. Die hohe Anzahl an language related episodes, die darüber hinaus von den Schülern meistens erfolgreich gelöst werden, deutet auf eine „intensive und reflektierte Auseinandersetzung mit Sprache und Textproduktion“ (S. 147) hin. Das kollaborative Schreibsetting lässt sich somit als „potentiell lernförderlich“ (S. 146) kennzeichnen, wenngleich in diesem besonderen Fall die Rolle der symmetrischen Partnerkonstellation nicht zu unterschätzen ist. Reinhold S CHMITT und Eva-Maria P UTZIER beschäftigen sich in ihrem Beitrag mit „Unterricht als gemeinsame[r] Herstellung der Beteiligten“, wobei Unterricht als „raumbasiertes Unternehmen“ (S. 151) konzeptualisiert wird. Die Analyse wird unter dem von den Autoren entwickelten theoretischen Rahmen der De-facto-Didaktik durchgeführt, einem Ansatz, der das faktische Handeln der Lehrpersonen ohne evaluative Rückschlüsse rekonstruiert. Im ausgewählten Beispiel werden die Unterstützungsaktivitäten des Lehrers einer 11. Englischklasse in einer berufsbildenden Schule Schritt für Schritt dokumentiert. In der Analyse kommt die gelungene Nutzung des Raumes durch den Lehrer besonders zur Geltung, z.B. indem er die Frontposition an der Tafel verlässt, sich dem hilfebedürftigen Schüler nähert und mit unterstützender Mimik und Gestik die "körperlich-räumliche Orientierung" (S. 161) auf den Schüler unterstreicht. Diese Ergebnisse bewegen die Autoren dazu, eine Thematisierung der Positionierung im Klassenraum in der Lehrerausbildung zu fordern. Almut S CHÖN widmet sich dem DaF-Spracherwerb an einer deutschen Hochschule und untersucht diesen aus der Perspektive des situierten Lernens. Durch die Analyse einer Sequenz zur Einführung von geschichtsgeprägten Wörtern (z.B. Trümmerfrauen) wird zum einen paradigmatisch gezeigt, wie die Wortschatzerklärungen in der Interaktion ko-konstruiert werden. Zum anderen wird auf die Künstlichkeit der Trennung zwischen Sprache als Lerngegenstand und Sprache als „Vehikel“, zwischen formfokussierten und bedeutungsfokussierten Unterrichtssequenzen hingewiesen, denn „[g]erade der Erwerb von Wortschatz […] ver- 138 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2019-0011 48 (2019) • Heft 1 weist auf grundsätzliche Fragen zum Verhältnis von Form und Bedeutung, Interaktion und Kognition“ (S. 184). In diesem Sammelband wird aus einer beeindruckenden Vielfalt von Perspektiven und Kontexten, von der Grundschule bis zur Universität, von Dänisch bis Türkisch, vom „klassischen“ Unterrichtsgespräch bis zur Videokonferenz die Einzigartigkeit des Fremdsprachenunterrichts als institutionelle Interaktion (vgl. S EEDHOUSE 2004: 187) beleuchtet. Bei allen Differenzen hinsichtlich des Fokus und der Methodologie gelingt es den Autoren und Herausgebern, ein gemeinsames Bild über das komplexe Zusammenspiel von sprachlichen und multimodalen Ressourcen im fremdsprachlichen Klassenzimmer mit mikroskopischen Detail zu vermitteln und fremdsprachenunterrichtliches Handeln (d.h. „doing“ lehren und lernen) als ein ko-konstruiertes Unterfangen darzustellen. Jedoch ist anzumerken, dass, obwohl viele Beiträge sich auf die Relevanz der gewonnenen Ergebnisse für die Lehrerbildung beziehen, dieser Aspekt nur in Form allgemeiner Empfehlungen ausgeführt wird. So bleibt die Anwendung der Unterrichtsinteraktionsforschung im Rahmen von fachdidaktischen Seminaren weiterhin ein Desiderat. Göttingen M ARTA G ARCÍA G ARCÍA Dominik R UMLICH : Evaluating Bilingual Education in Germany. CLIL Students’ General English Proficiency, EFL Self-Concept and Interest. Frankfurt/ M.: Lang 2016. 582 Seiten [73,80 €]. In seiner Dissertation Evaluating Bilingual Education in Germany untersucht Dominik R UMLICH , ob und wenn ja, inwiefern sich Schülerinnen und Schüler aus CLIL-Klassen nordrhein-westfälischer Gymnasien von Lernenden ohne CLIL im Hinblick auf Fremdsprachenkompetenz und ausgewählte individuelle Variablen unterscheiden. Das immerhin 411 Textseiten umfassende Werk richtet sich an die internationale ‚CLIL-Community‘ und ist daher auf Englisch verfasst. Nach einem Inhalts-, Abbildungs- und Tabellenverzeichnis folgt ein umfangreiches und informatives Glossar mit Erläuterungen zentraler statistischer und fachdidaktischer Begriffe und Konzepte. In seiner Einleitung (Kapitel 1) liefert R UMLICH eine gelungene Skizze der Bedeutung und Geschichte von CLIL vor dem Hintergrund der bildungspolitischen Entwicklung in Europa sowie eine knappe Bestandsaufnahme der CLIL-Forschung in Deutschland. Dem konstatierten Mangel an Langzeitstudien in CLIL-Programmen der Sekundarstufe möchte er mit seiner im Rahmen des Forschungsprojekts DENOCS („Development of North-Rhine Westphalian CLIL Students“) angesiedelten Untersuchung begegnen. In seiner quasi-experimentellen zweijährigen Langzeitstudie vergleicht R UMLICH Gymnasien in Nordrhein-Westfalen mit CLIL-Zweig und Nicht-CLIL-Zweig sowie mit Klassen von Gymnasien ohne CLIL am Ende der Klassenstufen 6 und 8 bzgl. der allgemeinen Sprachkompetenz in der Fremdsprache Englisch, den affektiv-motivationalen Dispositionen ‚Selbstkonzept‘ und ‚Interesse‘ in Bezug auf das Englischlernen sowie weiteren individuellen Einflussfaktoren. In Kapitel 2 skizziert R UMLICH die Genese von CLIL-Unterrichtsverfahren in Deutschland und liefert eine differenzierte Definition von CLIL unter Einbezug europäischer und nordamerikanischer Ansätze. Im Zentrum des Kapitels steht eine Beschreibung des konzeptionellen, institutionellen und curricularen Rahmens von CLIL-Verfahren in Deutschland mit einem sehr detaillierten Fokus auf CLIL-Zweige in der Sekundarstufe in Nordrhein-Westfalen.