eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 48/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FLuL-2019-0026
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2019
482 Gnutzmann Küster Schramm

Gabriele BLELL, Gabriela FELLMANN, Stefanie FUCHS (Hrsg.): Die Sprachlernklasse(n) im Fokus. Deutsch als Zweitsprache und Englischunterricht. Frankfurt/M.: Lang 2017 (Fremd- sprachendidaktik inhalts- und lernerorientiert, Band 34), 232 Seiten [€ 49,95]

2019
Julia Ricart Brede
DOI 10.2357/ FLuL-2019-0026 48 (2019) • Heft 2 Gabriele B LELL , Gabriela F ELLMANN , Stefanie F UCHS (Hrsg.): Die Sprachlernklasse(n) im Fokus. Deutsch als Zweitsprache und Englischunterricht. Frankfurt/ M.: Lang 2017 (Fremdsprachendidaktik inhalts- und lernerorientiert, Band 34), 232 Seiten [€ 49,95] Thematisch befasst sich der Band mit der Frage, inwiefern zwischen dem Englischunterricht und dem Unterricht in Deutsch als Zweitsprache (im Folgenden kurz: DaZ) bzw. zwischen diesen beiden Sprachlernkontexten Synergieeffekte hergestellt und nutzbar gemacht werden können. Dabei sind die Beiträge allesamt in der Praxis verortet und fokussieren sog. Sprachlernklassen 1 an Gymnasien bzw. Sprachlernklassen der Sekundarstufe. Dies ist insofern erwähnenswert, als sowohl das Gymnasium als auch der Englischunterricht häufig als Lernorte gelten, die nicht bzw. kaum für den DaZ-Erwerb zuständig seien. Dem gegenüber steht die Tatsache, dass gerade DaZ-Schüler(innen) an Gymnasien i.d.R. bereits über gute Englischkenntnisse verfügen, sodass Englisch im Umgang mit diesen Schüler(inne)n als Mittler- oder Brückensprache sowie aufgrund der Sprachverwandtschaft mit dem Deutschen für interkomprehensives Lernen nutzbar gemacht werden kann (vgl. dazu bspw. den Beitrag von F UCHS / R EINECKE ). Gegliedert ist der Band in eine Einführung, in fünf Buchteile mit je zwei bis drei Beiträgen sowie in ein Autorenverzeichnis. Die Einleitung fällt mit 21 Seiten - auch im Vergleich zu den inklusive Literaturverzeichnissen und Anhängen mit durchschnittlich 14 Seiten eher kurzen Beiträgen - recht lang aus. Sie enthält eine Einführung in die Thematik und eine Vorstellung der einzelnen Beiträge. Zwölf der insgesamt dreizehn Beiträge sind in deutscher Sprache abgefasst, ein Beitrag liegt in englischer Sprache vor. Zu allen dreizehn Beiträgen liegt ein englischsprachiges Abstract vor. Zwei Beiträgen ist im Titel der Hinweis „Kurz Angemerkt“ vorangestellt; hierbei handelt es sich um Kurzberichte über Abschlussarbeiten - im Falle des Beitrags von F UCHS um die Masterarbeit von Arnela Skrijelj, im Falle des Beitrags von B LELL um die Masterarbeit von Dorothea Stechert. Auch zwei weitere Beiträge des Bandes basieren (in Teilen) auf studentischen Abschlussarbeiten (nämlich der Beitrag von F UCHS / R EINECKE auf der Masterarbeit von Linda Reinecke sowie der Beitrag von B LELL / R ANKE auf der Masterarbeit von Sascha Ranke). Warum diese beiden Studierenden in Co-Autorenschaft treten, die anderen beiden hingegen nicht, bleibt für den Leser/ die Leserin ungeklärt. Bei allen Beiträgen handelt es sich um gelungene Beispiele für gelebte Mehrsprachigkeitsdidaktik, für Mittlerspracheneinsatz, sprachsensiblen Fachunterricht und Binnendifferenzierung. Von vielen Autor(inne)n werden hierzu konkrete Unterrichtsbeispiele vorgestellt, wobei die Arbeitsmaterialien im Text oder im Anhang häufig mit abgebildet sind (vgl. bspw. den Beitrag von S CHWEER ). Drei Beiträge thematisieren zudem die Professionalisierung von (angehenden) Lehrer(inne)n, wobei die äußerst konkreten Ausführungen zu Seminargestaltungen mittels Unterrichtsvideos im Beitrag von VON B REMEN / B LELL besonders inspirierend sind. Auf zwei sehr lesenswerte Praxisbeiträge möchte ich an dieser Stelle exemplarisch näher eingehen: F UCHS / R EINECKE präsentieren in ihrem englischsprachigen Beitrag „English as Bridge Language“ eine Fallstudie zu einer Unterrichtseinheit, die darauf abzielt, DaZ-Schü- 1 Als Sprachlernklassen werden im vorliegenden Band solche Klassen bezeichnet, die von neu zugewanderten DaZ-Schüler(inne)n bzw. von sogenannten Seiteneinsteiger(inne)n mit dem Ziel des intensivierten Deutscherwerbs besucht werden (vgl. B LELL / F ELLMANN / F UCHS im vorliegenden Band, S. 9). B u c h b e s p r e c h u n g e n • R e z e n s i o n s a rti k e l Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 127 48 (2019) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2019-0026 ler(inne)n eines Gymnasiums an die Verwendung der sog. „Sieben Siebe“ des EuroComGerm- Konzeptes 2 heranzuführen und so rezeptive Mehrsprachigkeitskompetenz aufzubauen bzw. das Englische beim Erschließen von deutschsprachigen Texten zu nutzen. Insbesondere zur Vorbereitung der Schüler(innen) auf den Umgang mit Fachtexten im Regelunterricht scheint diese Methode äußerst vielversprechend. B AUER präsentiert und reflektiert in ihrem Beitrag mit dem Titel „Formen der Differenzierung im Englischunterricht einer Sprachlernklasse - Reflexionen und Umsetzungsmöglichkeiten“ einen Unterrichtswurf für den Englischunterricht in einer Sprachlernklasse, der nach dem Prinzip „themengleich aber aufgabendifferenziert“ (S. 101) angelegt ist und der damit ein überzeugendes Beispiel für eine gelungene Binnendifferenzierung darstellt. Zwar bezeichnet B AUER die vorgenommene Differenzierung in der abschließenden Reflexion als „unerlässlich und letztlich alternativlos, wenn Unterricht in einer Lerngruppe mit so vielfältiger Heterogenität gelingen […] soll“ (S. 107), doch räumt sie gleichzeitig ein, dass „der Aufwand der Vorbereitung für diese eine Doppelstunde […] den Vorbereitungsaufwand einer regulären Doppelstunde im Englischunterricht erheblich [überstieg]“ (S. 108). Auffällig ist ferner, dass viele Autor(inn)en in ihren Beiträgen zu bedenken geben, dass den Schüler(inne)n der Sprachlernklassen das für ein binnendifferenziertes und die verschiedenen (Erst- und Fremd-)Sprachen einbeziehendes Arbeiten notwendige selbstregulierte und selbstständige Lernen häufig recht schwer gefallen sei (vgl. bspw. F ELLMANN / T ERHORST , S. 74; B AUER , S. 107f.; S CHOFELD , S. 124 sowie F UCHS , S. 144f.). Zudem seien kooperative oder offene Lernformen von den Schüler(inne)n oftmals mit der Frage: „Wann lernen wir (endlich) richtig? “ kommentiert worden (vgl. bspw. F ELLMANN / T ERHORST , S. 74). Die Reserve gegenüber offenen, selbstbestimmten Lernformen kann in kulturell unterschiedlich geprägten Unterrichts- und Lernstilen begründet liegen; sie weist aber auch auf die hohe Lernbereitschaft und den empfundenen Druck hin, unter dem die Schüler(innen) stehen, um den Leistungserwartungen im (gymnasialen) Regelunterricht gerecht zu werden. Wie damit umgegangen werden kann und ob es gelingt, die Schüler(innen) an derartige Lernformen heranzuführen, ist eine wichtige Frage für die Unterrichtspraxis. Die starke Fokussierung auf die unterrichtliche Praxis erfolgt in den Beiträgen überwiegend zu Ungunsten einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Bei einem Gros der Beiträge handelt es sich um detaillierte und reflektierte Einblicke in die Unterrichtspraxis, nicht jedoch um fachwissenschaftliche Auseinandersetzungen oder (unterrichts-)empirische Untersuchungen. Damit kommt der Band einerseits dem Desiderat nach, konkrete Umsetzungen für die unterrichtliche Praxis bereitzustellen. Andererseits wäre die wissenschaftliche Begleitung dieser Umsetzungen (bspw. mittels Feld- oder Aktionsforschung) ebenfalls wünschenswert gewesen. Einige wenige Beiträge des Bandes (F UCHS / R EINECKE , B LELL / R ANKE sowie F ELLMANN / K IER - MEIER / N EUMANN ) schaffen diesen Spagat allerdings sogar zu leisten. Zu bemängeln ist an einigen Stellen ein terminologisch etwas unsauberer Sprachgebrauch. So ist im Kontext der Sprachlernklassen häufiger von „DaF“ (und damit von „Deutsch als Fremdsprache“) anstelle von „DaZ“ („Deutsch als Zweitsprache“) die Rede (vgl. bspw. S. 83, 130, 151ff.). Auch wenn der DaZ-Spracherwerb an Schulen unterrichtlich gesteuert wird, handelt es sich dabei aufgrund der erfolgten Migration und der kommunikativen Relevanz der zu erlernenden Sprache für den Alltag lange noch nicht um DaF-Unterricht. Besonders augenfällig ist diese fälschliche Zuschreibung im Beitrag von F UCHS / R EINECKE ; hier ist bereits in der Überschrift von „German as Foreign [sic] Language Acquisition“ zu lesen. 2 Vgl. auch Britta H UFEISEN , Nicole M ARX (Hrsg.): EuroComGerm - Die sieben Siebe. Germanische Sprachen lesen lernen. Aachen: Shaker ²2014. 128 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2019-0027 48 (2019) • Heft 2 Fazit: Der Band ist insbesondere für (angehende) Lehrer(innen), aber auch für Sprachdidaktiker(innen) und Erziehungswissenschaftler(innen) lesenswert. Die Beiträge sind sprachlich allesamt gut lesbar und inhaltlich inspirierend - zeigen sie doch, dass eine Binnendifferenzierung in der Praxis ebenso möglich ist wie die Umsetzung mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze - und das auch bzw. gerade in Sprachlernklassen und mit DaZ-Schüler(inne)n. Eventuell hätte die Fokussierung auf die unterrichtspraktische Umsetzung (und eben nicht auf die Beforschung unterrichtlicher Praxis) für potenzielle Käufer(innen) bzw. Leser(innen) bereits über einen entsprechend gewählten Untertitel auf dem Buchcover deutlich gemacht werden können. Passau J ULIA R ICART B REDE Ulrike E DER , Friederike K LIPPEL (Hrsg.): Sprachenunterricht im Kontext gesellschaftlicher und politischer Ereignisse und Entwicklungen. Historische Vignetten. Münster: Waxmann 2017 (Münchener Arbeiten zur Fremdsprachenforschung, Bd. 36), 201 Seiten [39,90 €] Der hier vorgestellte Sammelband geht auf die Arbeit der historischen Sektion während des 26. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung im Jahr 2015 in Ludwigsburg zurück. Er greift einen bislang weitgehend vernachlässigten Fokus der historischen Forschung zum Fremdsprachenunterricht auf, indem er primär gesellschaftliche, wirtschaftliche, technische und politische Kontexte, die das Lehren und Lernen von Fremdsprachen bedingen, sowie die Motive von Einzelnen und Gruppen, Fremdsprachen zu lernen, thematisiert. Die vorliegenden Vignetten historischer Forschung zum Fremdsprachenlehren und -lernen zeigen eingängig, dass es lohnt, sich mit der Vielfalt historischer Kontexte des Sprachenlernens in der Welt zu befassen und auf diese Weise auch in ihren Konstanten und Brüchen die gesellschaftliche Bedingtheit des Sprachenlernens nachzuvollziehen. Der Sammelband enthält Beiträge, die sich auf die Zeit vom 16. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts beziehen und sowohl spezifische Einblicke in die (institutionalisierte) Fremdsprachenvermittlung als auch breitere, sprachen- und länderübergreifende Analysen zu individuellen Motiven und gesellschaftlichen Bedingungen und Herausforderungen bieten. Annette H ASENEDER zeigt in ihrem Beitrag Grundzüge der Mobilität und des Fremdsprachenlernens im Europa der frühen Neuzeit auf. Zunächst skizziert sie die international durch Konflikte geprägte Lage im Europa des 16. Jahrhunderts sowie die Bedeutung von Exil und Migration in dieser Zeit. Im Mittelpunkt des Beitrags stehen die Analyse zum Fremdsprachenlernen in England sowie Einblicke in den Englischunterricht im Exil, etwa in den Schulen der Mary Ward. Die Autorin macht deutlich, dass die Frühe Neuzeit im Kontext des kulturellen Wandels und der Migration eine europaweite Neubewertung der modernen Fremdsprachen mit sich brachte. Walter K UHFUSS stellt in seinem Beitrag Französischunterricht für Reisen in Kriegs- und Friedenszeiten vor, wie ihn der Straßburger Sprachlehrer Daniel Martin während des Dreißigjährigen Krieges konzipierte. Der Autor zeigt auf, dass ein von Martin herausgegebenes Gesprächsbuch nicht nur das sprachliche und landeskundliche Rüstzeug für den Aufenthalt in Straßburg, für die Reise ins französischsprachige Ausland sowie für eine Vielzahl von Berufen bot. Es war zudem dem Militär und für die Kriegsführung nützlich, diente zugleich aber auch als Grundlage einer kritischen Diskussion des Krieges und der professionellen Reflexion über das Handeln als Sprachlehrer und gesellschaftliche Aufgaben des Unterrichts. Stefan Michael N EWERKLA beschreibt die Entstehungsgeschichte des institutionalisierten