eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 50/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FLuL-2021-0012
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2021
501 Gnutzmann Küster Schramm

David GERLACH: Zur Professionalisierung der Professionalisierenden. Was machen Lehrerbildner*innen im sprachdidaktischen Vorbereitungsdienst? Tübingen: Narr 2020, 427 Seiten [78,00 € Paperback – 62

2021
Michael G. Legutke
134 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2021-0012 50 (2021) • Heft 1 dings ist dies im Sinne der Repräsentativität positiv zu bewerten, da damit eben auch weniger bekannte Projekte zur Sprache kommen. Die Sammelleistung der Autor*innen, die teilweise in den Kommentaren zur schlechten Vergleichbarkeit bzw. schwierigen Datenlage höflich durchklingt, verdient Anerkennung - wünschenswert wären allerdings noch etwas klarere Kriterien, warum es bestimmte Projekte in die Auswahl geschafft haben. Neben der umfassenden Darstellung der Projekte und der großen Zahl an Referenztheorien leidet teilweise die Tiefe bzw. erscheinen manche Zusammenhänge stark verkürzt. Zitate werden dann, bei Unkenntnis der Originaltexte, leicht missverständlich oder unterstreichen den Punkt der Autor*innen nicht angemessen. Angesichts der unterschiedlichen Schwerpunkte wird jede*r Leser*in hier eigenes Vorwissen ergänzen oder eben auch eingehender lesen. Für interessierte Forschende und Praktiker*innen in der Planung neuer Bildungsumgebungen bietet der Band jedenfalls genug weiterführenden Lesestoff, und das sogar in mehreren Sprachen. Essen J UDITH P URKARTHOFER David G ERLACH : Zur Professionalisierung der Professionalisierenden. Was machen Lehrerbildner*innen im sprachdidaktischen Vorbereitungsdienst? Tübingen: Narr 2020, 427 Seiten [78,00 € Paperback - 62,40 € E-Book] Auch wenn sich in den letzten 20 Jahren - parallel zur internationalen Entwicklung - ein zunehmendes Interesse der fremdsprachendidaktischen Forschung an der Lehrperson und ihrer Professionalisierung zeigt, fällt ein Defizit in diesem Forschungsfeld auf: Die Praxis universitärer und postuniversitärer Lehrerbildung, die handelnden Lehrpersonen, die von ihnen inszenierten Lehr- und Lernformen in Verbindung mit den fachdidaktischen Inhalten und anvisierten Kompetenzen zukünftiger Lehrkräfte, sind nach wie vor so gut wie nicht erforscht. Besonders der sogenannte Vorbereitungsdienst, eine Schlüsselphase der Lehrerbildung in Deutschland, in die alle Bundesländer seit Jahrzehnten erhebliche Mittel investieren, wurde von der bildungswissenschaftlichen und der fremdsprachendidaktischen Forschung weitgehend ignoriert. Diesem weißen Fleck wendet sich G ERLACH s Studie zu, indem sie die Personen in den Blick nimmt, die als Fachleiter*innen bzw. Ausbilder*innen die Professionalisierung der Lehrer*innen im Vorbereitungsdienst (LiV) verantworten. Das allgemeine Erkenntnisinteresse der Studie wird wie folgt formuliert „Was machen Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildner im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte? “ (S. 16) und im Laufe der Argumentation durch vier Forschungsfragen geschärft: „(1) Wie werden Lehrkräfte zu Lehrerbildner*innen? (2) Wie nehmen Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte ihre Position und Tätigkeit wahr? (3) Wie strukturieren“ sie „ihre Handlungspraxis? (4) Inwiefern zeigen sich in der Ausbildungspraxis der Lehrerbilder*innen Wissensstrukturen und Konzepte im Sinne einer Ausbildungsdidaktik? “ (S. 158) Theoretisch fundiert G ERLACH seine Studie, indem er unterschiedliche Bestimmungsansätze zur Professionalität und zur Professionalisierung schulischer Lehrkräfte zusammenführt. Im Kapitel 2 fokussiert er zunächst die schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung, indem er die drei aktuell dominierenden Ansätze und die sie stützende Forschung erörtert, nämlich den strukturtheoretischen, den kompetenztheoretischen und den berufsbiographischen Bestimmungsansatz. Als besonders produktiv für die Studie, d.h. für den Versuch, die Handlungspraxis von Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte, ihre Orientierungen und ausbildungsdidaktischen Überzeugungen beschreibbar zu Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 135 50 (2021) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2021-0012 machen, erweist sich nach G ERLACH das Konzept des Habitus in der B OURDIEU ’schen Tradition, dessen Reichweite er überzeugend erörtert. Die zweite theoretische Rahmung der Studie erfolgt in Hinsicht auf die fremdsprachendidaktische Professionsforschung (Kapitel 3). G ERLACH bündelt hier parallel zu den schulpädagogischen Bestimmungsansätzen die in der Fremdsprachenforschung relevant gesetzten Forschungsgegenstände und prüft, ob und in welcher Weise sie „eine Relevanz für die Fremdsprachenlehrerprofessionalität bzw. -professionalisierung zeigen“ (S. 45). Er erörtert Forschungen zu domänenspezifischem Professionswissen, zu Subjektiven Theorien und zur Reflexivität sowie Forschungsprojekte, die Interventionen betrachten oder den Designprinzipien der Aktionsforschung folgen. Auch wenn es dem Verfasser nicht darum geht, im Detail eine fremdsprachendidaktische Professionstheorie zu skizzieren, lassen sich aus der Zusammenschau der Forschungsergebnisse mögliche Annahmen über die Konstrukte Fremdsprachenlehrerprofessionalität bzw. -professionalisierung gewinnen, die in der Komplexität des Fremdsprachenlehrer*innenhandelns, seiner Reflexion und der Diffusität fremdsprachendidaktischen Wissens gründen. Die Argumentation ist stringent und gut nachvollziehbar. Die Annahmen und möglichen Folgen für die Fremdsprachenlehrerbildung werden am Schluss des Kapitels in einer Tabelle prägnant zusammengefasst (S. 77). Die dritte Rahmung der Studie erfolgt im Kapitel 4, das dem Vorbereitungsdienst als zweiter Phase der Lehrerbildung gewidmet ist. Neben der Schilderung entscheidender Formalia gilt die Aufmerksamkeit den beteiligten Personen (Ausbilder*innen und Mentor*innen). G ERLACH referiert hier auch die wenigen Studien zum Vorbereitungsdienst und wendet sich dann den noch spärlicheren Forschungen zu den Ausbilder*innen zu. Mit einem anregenden Exkurs, der die internationale Forschung zu den teacher educators berücksichtigt, erweitert er die Perspektive und unterstreicht damit die Relevanz seiner Studie. Wie bereits die vorangegangenen Kapitel schließt auch dieses mit einem prägnanten Zwischenfazit. Im fünften Kapitel werden der Forschungskontext, nämlich der hessische Vorbereitungsdienst, seine Strukturen, seine Beschaffenheit und sein Personal skizziert und damit zugleich der Forschungsgegenstand eingegrenzt. G ERLACH betont dabei den explorativen Charakter seiner Studie, die eine „Annäherung an die Professionalität der Professionalisierenden“ (S. 146) ermöglichen soll. Geht es ihm doch darum, „überhaupt Einblicke in die Handlungspraxis und die Ausbildungsgegenstände der fremdsprachendidaktisch ausbildenden Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst zu gewinnen, ohne gleich Wirkungsforschung zu betreiben“ (ebd.). Das Kapitel schließt mit der Bestimmung der schon zu Anfang genannten Forschungsfragen. Das sechste Kapitel ist der Methodologie und der Erörterung der gegenstandsangemessenen Verfahren der Datenerhebung und -analyse vorbehalten. Erörtert werden der Zugang zum Feld, forschungsethische Fragen sowie das Sampling. Forschungspartner*innen sind 11 Ausbilder*innen angehender Fremdsprachenlehrkräfte mit einem breiten Erfahrungsspektrum in der Tätigkeit. Sie vertreten unterschiedliche Schulformen und unterschiedliche Sprachen (Englisch 7, Französisch 3 und Spanisch 1). Ausführlich erörtert werden ferner Grenzen und Möglichkeiten des narrativ-episodischen und berufsbiographischen Interviews. Schließlich begründet G ERLACH sehr überzeugend und eng am Forschungsgegenstand orientiert seine Entscheidung, die Daten mit Hilfe der Dokumentarischen Methode auszuwerten. Die Verfahrensschritte werden prägnant und gut nachvollziehbar erläutert. Mit 160 Seiten bilden die Kapitel 7 bis 9 das Herzstück dieser Studie. Sie beinhalten die Rekonstruktion drei maximalkontrastiver Fälle (Kapitel 7), eine Annäherung an die Alltagspraxis der Ausbilder*innen mit Hilfe eines kontrastiven Fallvergleichs und den Versuch einer Typenbildung (Kapitel 8) sowie schließlich eine Exploration von Elementen einer Ausbildungsdidaktik, wie sie sich aus den Äußerungen der Forschungspartner*innen rekonstruieren 136 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2021-0013 50 (2021) • Heft 1 lassen. Was die Rekonstruktion und die Präsentation der Ergebnisse interessant und besonders lesenswert macht, ist der Umstand, dass sie konsequent datengeleitet erfolgen. Eine geschickte Auswahl von Zitaten aus den Daten und mehrere tabellarische Übersichten bieten den Leser*innen einen höchst lebendigen Einblick in eine bisher kaum erforschte Praxis. Erst im Kapitel 10, einer zusammenfassenden Erörterung der Ergebnisse, kehrt der Autor zu den zuvor diskutierten Theorien und Bestimmungsansätzen zurück, die er nun mit den Ergebnissen der Datenanalyse verschränkt, indem er nach Merkmalen der Ausbildungspraxis und der Ausbildungsdidaktik gliedert. Schließlich versucht er eine vorsichtige Annäherung an einen beruflichen Habitus von Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst. Nach einer selbstkritischen Reflexion des eignen Forschungsprozesses (Kapitel 11) schließt G ERLACH die Studie mit einer Reihe bedenkenswerter Implikationen für die fremdsprachendidaktische Lehrerbildung und Professionsforschung. Die Implikationen für die Praxis werden als strukturelle und inhaltliche Empfehlungen formuliert. Die Praxis müsse auf dem Hintergrund der geringen Strukturiertheit der Domäne Fremdsprachendidaktik einen stärkeren Fokus auf die „Diagnose und Förderung von Reflexionskompetenz bzw. das Schaffen entsprechender Reflexionsgelegenheiten“ (S. 380) legen und damit die Kontextsensibilität der LiV fördern. Ferner erscheint eine systematische Professionalisierung der Professionalisierenden dringend geboten. Schließlich legt die Studie eine strukturelle Flexibilisierung des Vorbereitungsdienstes nahe, „der mittels einer größeren Autonomie qualifizierten Ausbildungspersonals individuelle Beratung mit einer größeren Zahl an Ausbildungs- und Beratungsmöglichkeiten verknüpft“ (S. 380). Was die Publikation auszeichnet, ist das durchgängig erfolgreiche Bestreben des Autors, angesichts der komplexen Zusammenhänge, der vielfältigen theoretischen Bezüge und der Kontextbedingungen der Studie den Text insgesamt kohärent und leserfreundlich zu gestalten. Dazu tragen nicht zuletzt die prägnanten Zwischenfazits der Rahmenkapitel 3, 4 und 5 und die Zusammenfassungen der einzelnen Fallanalysen (Kap. 7) sowie die Zusammenfassung der Fallvergleiche (Kap. 8) bei. Die sehr gelungene Form der Darstellung macht die Studie damit nicht nur für Vertreter*innen der fremdsprachendidaktischen Professionsforschung lesenswert. Vielmehr dürfte sie sich auch jenen Personen mit großem Gewinn erschließen, die nicht unbedingt die theoretischen und forschungsbasierten Traditionslinien zur Professionalität und zur Professionalisierung im Detail nachverfolgen wollen und deshalb gerne auf die Zusammenfassungen zurückgreifen, um sich vor allem in die luzide rekonstruierte Praxis und das Selbstverständnis der Lehrerbildner*innen zu vertiefen. Schließlich können Forscher*innen, die sich für die Aufbereitung und Analyse gewonnener Daten mit Hilfe der Dokumentarischen Methode entschieden haben, G ERLACH s Studie mit Gewinn als Referenzarbeit lesen. Schade ist, dass die Publikation keinen Index bereitstellt, der einem produktiven und selektiven Umgang mit dieser vorzüglichen Studie sicher förderlich wäre. Gießen M ICHAEL K. L EGUTKE Robert J. L OWE , Luke L AWRENCE (Hrsg.): Duoethnography in English Language Teaching. Research, Reflection and Classroom Application. Bristol: Multilingual Matters 2020, 240 Seiten [44,95 €] Während sich die deutschsprachige Fremdsprachendidaktik gerade zaghaft dem Ansatz der Autoethnographie öffnet, der in den letzten zehn Jahren spürbaren Aufwind innerhalb der Applied Linguisticsbzw. TESOL-Forschung gewonnen hat, ist man international mit der