eJournals Forum Modernes Theater 32/1

Forum Modernes Theater
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2196-3517
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FMTh-2021-0011
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Der postsouveräne Körper ist ein Körper, der sich seiner sozialen Konfiguration entzieht, indem er sich im ontogenetischen Modus fortlaufend materialisiert. Der Beitrag folgt am Beispiel der zeitgenössischen Performancepraxis des ‚physical dialog‘ (Lepkoff) und den performancephilosophischen Ausführungen des Theaters der Versammlung (Holkenbrink) der Spur, dass Emotionen eine soziale und kulturelle Praxis sind. Diese Praxis schreibt sich in einem Prozess der Materialisierung in die Körper ein, und seine Rekonstruktion ist womöglich heteronormativitätskritisch als queere Subversion zu fassen. Materialisierung wird dabei mit Bezug zu vitalistisch (neu-)materialistischen Philosophien (Nietzsche/Deleuze/Guattari) – Soma Studies – sowie im Rekurs auf die queere Phänomenologie Sara Ahmeds als De-Somatisierung skizziert. Es wird gefragt: Ist der postsouveräne Körper ein queerer Körper? Und, wenn ja, lässt sich im Modus des Rückbezugs auf eine noch nicht gedeutete Physikalität ein postsouveräner Körper machen?
2021
321 Balme

Der postsouveräne Körper

2021
Bettina Wuttig
Der postsouveräne Körper Bettina Wuttig (Marburg) Der postsouveräne Körper ist ein Körper, der sich seiner sozialen Konfiguration entzieht, indem er sich im ontogenetischen Modus 1 fortlaufend materialisiert. Der Beitrag folgt am Beispiel der zeitgenössischen Performancepraxis des ‚ physical dialog ‘ (Lepkoff) und den performancephilosophischen Ausführungen des Theaters der Versammlung (Holkenbrink) der Spur, dass Emotionen eine soziale und kulturelle Praxis sind. Diese Praxis schreibt sich in einem Prozess der Materialisierung in die Körper ein, und seine Rekonstruktion ist womöglich heteronormativitätskritisch als queere Subversion zu fassen. Materialisierung wird dabei mit Bezug zu vitalistisch (neu-)materialistischen Philosophien (Nietzsche/ Deleuze/ Guattari) - Soma Studies 2 - sowie im Rekurs auf die queere Phänomenologie Sara Ahmeds als De-Somatisierung skizziert. Es wird gefragt: Ist der postsouveräne Körper ein queerer Körper? Und, wenn ja, lässt sich im Modus des Rückbezugs auf eine noch nicht gedeutete Physikalität ein postsouveräner Körper machen? Einleitung [. . .] ein Gleiten hin zu anderen, gegenwärtigen Möglichkeiten, die keine Regressionen, sondern schöpferische Involutionen sind, die von einer Unmenschlichkeit, die am Körper selbst erlebt wird, zeugen, widernatürliche Hochzeiten außerhalb des programmierten Körpers. 3 Dieser Beitrag lotet aus, inwieweit Heteronormativitätskritik durch die ästhetische Erfahrung der Bewegungsimprovisation verkörpert werden kann. Ausgangspunkt sind Überlegungen zum postsouveränen Körper. Der postsouveräne Körper ist ein Körper, 4 der sich den biopolitischen Zugriffen entzieht, obwohl Körper allzeit in soziale Prozesse des Werdens eingebunden sind. Ein Körper vor seiner sozialen Konfiguration existiert zwar nicht, man kann sich ihm dennoch über ästhetische Erfahrungen annähern. Der postsouveräne Körper ist mehr als ein Fluchtpunkt der Sehnsucht des Denkens, er ist eine asymptotische Bewegung der Widerständigkeit - eine Form der De-Somatisierung von Herrschaftsverhältnissen. Die Frage, die dieser Beitrag adressiert, ist, wie Emotionen als soziale und kulturelle Praxis sich in einem Prozess der Materialisierung in den Körper einschreiben, in den Körper einwachsen, 5 bzw. mit welchen Denksystemen und Praktiken diese Prozesse des Einwachsens zurückverfolgt und durchkreuzt werden können. Ziel ist, zu zeigen, wie im Rahmen zweier unterschiedlicher Bewegungsimprovisationen hegemoniale Normen von Geschlechtlichkeit durchbrochen werden können, und diese Praxis damit zu einer queeren Subversion werden kann. Um diese Fragen zu beantworten, soll (muss) ein Denken des postsouveränen Körpers möglich werden. Dieses Denken interessiert sich dafür, wie Körper sich in Sprechweisen und Praktiken (auch Orientierungen) zu bestimmten Körpern materialisieren. Es handelt sich hierbei um ein Somatisch-Werden von sozialen Situationen, um eine Archivierung des Sozialen in den Körpern, der Leiberinnerung und -erfahrung. Die Verschränkung des Sozialen mit dem Körper auf diese Weise zu begrei- Forum Modernes Theater, 32/ 1 (2021), 114 - 128. Gunter Narr Verlag Tübingen DOI 10.2357/ FMTh-2021-0011 fen, wird im Anschluss an eine kritische Lesart der Neurowissenschaften zur Körpergedächtnisbildung möglich. 6 Soziale Erfahrungen werden in meinem Verständnis nur dann begreifbar, wenn man ihre postkoloniale, gender- und klassenbezogene Einbindung in Machtverhältnisse sieht. Wie genau wächst in Körper ein, was sie umgibt? Wie kann Kritik aus der Sicht des postsouveränen Körpers gedacht werden? Welche Erfahrungsqualitäten können mit dem postsouveränen Körper assoziiert werden? Welche politische Kraft kann die Perspektive des postsouveränen Körpers entfalten? Der Beitrag nimmt zunächst Sara Ahmeds Ausführungen zu The Cultural Politics of Emotions 7 wie auch ihre queere Phänomenologie der Orientierungen 8 zum Ausgangspunkt einer leibbezogenen und phänomenologischen Heteronormativitätskritik. Im Weiteren wird mit Hilfe Judith Butlers und Michel Foucaults Kritik des autonomen (souveränen) Subjekts bzw. den Ausführungen zum postsouveränen Subjekt (Butler) der Boden für das Denken des postsouveränen Körpers bereitet. Der postsouveräne Körper ist Ergebnis der Zusammenführung von Ahmeds Phänomenologie der „ Einspurungen “ 9 von Orientierungen mit der poststrukturalistischen Kritik am autonomen Subjekt und des (vitalistischen) Neuen Materialismus 10 (Butler, Nietzsche, Deleuze/ Guattari), wie ich ihn im Rahmen der Soma Studies erarbeitet habe. Im nächsten Schritt wird in die Soma Studies eingeführt, und daraufhin die Zusammenführung der soeben erwähnten Denksysteme vorgenommen. Der Topos des postsouveränen Körpers wird letztlich via der performance-philosophischen Ausführungen zu Nietzsche on Stage/ Klick-Movement-Improvisation 11 , die in einen direkten Bezug zu Friedrich Nietzsches Leibgenealogie und Gilles Deleuze ‘ und Félix Guattaris „ o. K. (organloser Körper) “ 12 gesetzt werden, konkretisiert. Der Beitrag schließt mit einer autoethnografischen Tanzdokumentation des ‚ physical dialogue ‘ (Lepkoff) als weiteres Beispiel einer Annäherung an den postsouveränen Körper. In beiden Praktiken wird der postsouveräne Körper als Gegenspieler eines Subjekts, in welchen (orientierungsgebende) Emotionen einwachsen (Somatisierung), in Augenschein genommen. Die Frage der möglichen politischen Kraft des postsouveränen Körpers wird hier wieder aufgegriffen. Ist der postsouveräne Körper ein solcher, der sich in anderen Räumen de-somatisieren kann? 13 Körpereindrücke in (queeren) Orientierungen Norms are a matter of impressions, of how bodies are ‚ impressed upon ‘ by the world, as a world made up of others. In other words, such impressions are effects of labour; how bodies work and are worked upon shapes the surfaces of bodies. 14 Ahmeds queere Phänomenologie, wie sie sie insbesondere in The Cultural Politics of Emotion 15 und Queer Phenomenology, Orientations, Objects, Others 16 entwickelt, und maßgeblich von Lea Spahn für die Performance Studies und die Tanzforschung weiterentwickelt wurde, 17 ist von der Idee einer zirkulierenden Konstituierung der Subjekte in den sie umgebenden und durch sie beeinflussten Räumen geleitet. Die Frage, was ein Subjekt in einem Raum sein kann (im Sinne einer sozial anerkannten Existenz), wird hier zu einer Frage der Möglichkeit, sich im Raum auszudehnen, sich zu orientieren, mit etwas vertraut werden zu können: „ If orientation is about making the strange familiar through the extension of bodies into space, then disorientation occurs when that extension fails. “ 18 Das Sich-orientieren-Können wie auch das Scheitern der Orientierung sind episte- 115 Der postsouveräne Körper mologisch an eine leibanthropologische Dimension geknüpft. Mit Maurice Merleau- Ponty verweist Ahmed auf den Leib als notwendig eingehaust in die Umgebung: „ The here of the body does not simply refer to the body, but to where the body dwells “ . 19 Zugleich wird bei Ahmed diese anthropologische Position aufgebrochen, indem Wahrnehmungsprozesse historisiert werden. Über den Topos der Orientierung kann Ahmed freilegen, dass es (verdeckte) Denkvoraussetzungen und Wahrnehmungsgewohnheiten selbst sind, an denen die phänomenologischen Schulen (insbesondere Edmund Husserl, Martin Heidegger, Merleau-Ponty) sich orientieren. Orientieren- Können bzw. im Passivum die Orientierung versagt zu bekommen, verweisen auf eine politische Dimension, nämlich die der Normativität: „ We could say, that some spaces extend certain bodies and simply do not leave room for others. “ 20 Orientierungen werden ermöglicht oder verunmöglicht, je nachdem, ob der Raum sich durchlässig zeigt, eine*n aufnimmt oder abstößt, dort ein Ankommen ist, man sich vertraut machen kann, sich einwohnen kann (to inhabit). 21 Ahmed entwirft also eine politische Ökonomie der normativen Gestattungen, als deren Effekt „ out of place “ -Erfahrungen für bestimmte Subjekte generiert werden. 22 Ob ein Subjekt eine ‚ out of place ‘ -Erfahrung macht, hängt von seiner Positionierung im gesellschaftlichen Raum ab, ist flankiert von kulturell dominanten Narrationen. Narrationen, die insbesondere „ non-whites, immigrants, queers und other others “ 23 als Bedrohung der weißen heterosexuellen Existenz und darin im Besonderen der weißen Familie erzeugen. 24 Kulturelle Narrationen sind nicht affektneutral. Affekte spielen hier insofern eine Rolle, als dass sie die Investitionen dirigieren, welchem Objekt jemand sich zuwendet und welchem nicht. Narrationen sind in der Lage, Intentionen zu formen. Darüber hinaus sind es die Anordnungen der Objekte im Raum selbst, die sich den Körpern eindrücken; 25 die beeindruckten Körper wiederum bilden Wege und sind orientierungsleitend, weil man ihnen selbst folgt oder andere ihnen folgen. 26 Räumliche Orientierungen sind in dieser Sicht bedeutsam für die sexuelle Orientierung und die Sexualisierung der Körper im Allgemeinen. 27 So stellt Heterosexualität eine dominante Linie dar, die Körper in eine spezifische Weise ‚ führt ‘ . 28 Orientierungen des Körpers sind immer auch leibliche Orientierungen, insofern der Leib als dasjenige verstanden wird, vermittels desselben ein Individuum sich zur Welt befindet, sich spürend die jeweils sinnhaften Strukturen aneignet. „ Die Orientierungen meines Körpers formten ihn - als Leib - historisch und kulturell situiert auf spezifische Weise “ . 29 Dafür ist wiederum ausschlaggebend, was in einem jeweiligen Horizont verfügbar ist, was sich in der Nähe befindet. Das heißt, materiell-somatische Spuren befinden sich in einer dualen Verbindung zum leiblich-affektiven Erleben. Entscheidend ist, dass dieses Beeindruckt- Werden nicht politisch neutral ist, sondern einer Ontologie der sozialen Disparität von Ermöglichung und Verunmöglichung folgt. Das bedeutet, auf was jemand hin orientiert ist, und was sich in seinem*ihrem Körper und Leib überhaupt eindrücken kann, ist keine Angelegenheit einer freien Wahl, sondern folgt einer Historizität von Machtverhältnissen und sozialen Markierungen, die sich wiederum in Materialitäten, Artefakten, Werten, Denkmöglichkeiten, Begehrensformen, Wissen usw. zeigen, die die Einzelnen umgeben, den Einzelnen zugänglich sind. Ahmeds queere Phänomenologie schließt daher an eine Kritik der Differenz des mit sich selbst identisch geglaubten autonomen Subjekts an, welches das Subjekt als den sozial-räumlichen Verhältnissen vorgängig imaginiert. 30 Ahmeds Kritik am autonomen 116 Bettina Wuttig Subjekt ist zugleich eine Kritik der Heteronormativität: I would suggest that heteronormativity also affects the surfaces of bodies, which surface through impressions made by others. Compulsory heterosexuality shapes bodies by the assumption that a body must orient itself towards some objects and not others [. . .]. 31 Gleichzeitig soll hier queere Kritik, wie Ahmed sie vollzieht, als Kritik an der Machtförmigkeit von ‚ out of place ‘ -Erfahrungen in erweiterter Form begriffen werden, deren Effekte ebenso einer Veränderung im Sinne des Otherings (Said) zuzurechnen sind, die ‚ Immigranten ‘ und/ oder queers of color 32 erfahren können. ‚ Queer ‘ verstehe ich hier mit Ahmed als einen Modus, in dem die Welt „ no longer appears the right way up “ ; 33 Momente einer vitalen Erfahrung der Desorientierung, 34 Erfahrungen des ‚ out of place ‘ -Seins, die, in eine widerständige Praxis gewendet, Re-Orientierungen ermöglichen als „ places [. . .] yet to be inhabited. “ 35 Im Folgenden sollen diese Überlegungen Ahmeds zu verkörperten Normen zum Ausgangspunkt und Anstoß genommen werden, um über einen postsouveränen Körper zu reflektieren, da die von Ahmed beschriebenen Erfahrungen des ‚ out of place ‘ -Seins - so meine These - als Erfahrungen der Post- Souveränität verstanden werden können. Die Ausführungen werden im Weiteren mit einem poststrukturalistischen (vitalistischen) Materialismus zu einer phänomenologisch-neumaterialistischen Perspektive amalgamiert. Dafür soll zunächst auf die Kritik des souveränen Subjekts bei Judith Butler (und Michel Foucault) Bezug genommen werden. Kritik des souveränen Subjekts Besonders in ihren Ausführungen zur Politik des Performativen 36 koppelt Judith Butler ihre Kritik am autonomen Subjekt an den in der westlichen Philosophiegeschichte dominierenden Begriff eines souveränen Subjekts. Es handelt sich um ein „ Trugbild der Souveränität “ , 37 bestehend in der Annahme, es gäbe ein „ vorgefertigtes Subjekt “ , 38 welches die Welt betritt und seinen Platz aushandelt. Jenes Subjekt konstituiere sich jedoch zuallererst in diskursiven und performativen Praktiken. 39 Es gibt hiernach kein Macht- und Herrschaftsverhältnissen vorangehendes Subjekt. Als ‚ ontologischen Gegenspieler ‘ entwirft sie ein postsouveränes Subjekt ( „ post-sovereignity “ ) 40 und (be-) gründet dieses in der existentiellen Abhängigkeit von anderen. Innerhalb dieser Verschiebung vom Subjekt der Macht auf ein Arrangement von Praktiken 41 kommt nun aber der postsouveräne Körper dort ins Spiel, wo, nach Butler, die Praktiken, die dem Subjekt (als widerständige Praktiken) entgegengesetzt werden können, mit den Soma Studies als somatisch-leiblich rekonstruiert werden können. Butler nimmt in ihrer Postulierung des postsouveränen Subjekts Rekurs auf Michel Foucault. 42 Foucault rät: [. . .] wir sollten danach fragen [. . .], wie sich die Dinge auf der Ebene der laufenden [Hervorhebung B. W.] Unterwerfung verhalten, auf der Ebene der kontinuierlichen und ununterbrochenen Prozesse, die unsere Körper unterwerfen [subject], unsere Gesten beherrschen, unser Verhalten diktieren, usw.[. . .] wir sollten herausfinden, wie es funktioniert, dass Subjekte allmählich fortschreitend, real und materiell durch eine Vielzahl von Organismen, Kräften, Energien, Materialien, Wünschen, Gedanken usw. konstituiert werden. Wir wollten untersuchen, Unterwerfung und Subjektivierung in der Form zu fassen, in der sie auf materieller Ebene die Subjekte konstituieren. 43 Aus dieser expliziten Bezugnahme auf den Körper als unterworfen von Machtbeziehungen lassen sich folgende argumentati- 117 Der postsouveräne Körper onsleitende Annahmen ableiten: 1. die Existenz eines materiellen Körpers; 2. die Rekonstruierbarkeit dessen, wie sich materielle Körper zu Subjekten formieren; 3. die diverse Vitalität körperlicher Materialität (Kräfte, Organismen, Energien); 4. die Annahme, dass die Materialisierung des Körpers einhergeht mit der sozialen Herstellung von Emotionen und Rationalitäten als inskriptive Prozesse (Wünsche, Gedanken) und 5. dass es sich bei der materiellen Konstituierung der Subjekte um einen (immer auch somatischen) fortlaufenden Prozess handelt. 44 Wenn nun, wie ich annehme, der postsouveräne Körper ein Körper ist, der sich den Prozessen des Einschreibens, Einwachsens, Eindrückens 45 oder Einkörperns 46 in den ästhetischen Praktiken entziehen kann, wodurch genau geschieht das? Wie muss man sich diesen postsouveränen Körper genau vorstellen? Postsouveräne Körper Die Performancekünstlerin und Bildungswissenschaftlerin Carolin Bebek 47 beschreibt den Prozess, den Studierende des transdisziplinären Theaters der Versammlung durchmachen, wenn sie sich auf einen neuen Modus ästhetisch-performenden Arbeitens einlassen (welches meist freie und semi-strukturierte Improvisationen umfasst), als einen Prozess zwischen Selbstgewissheit und Unterwerfung unter das Unbekannte. Im Rekurs auf Butler benennt sie diesen Zustand post-souvereignity. 48 Sie expliziert diesen wie folgt: Post-souvereignity points to a kind of being in movement, within which it becomes possible to experience the other and oneself differently. Only a subjectivity that is capable of appreciating other foreign subjectivities, on the one hand, and its own foreign otherness on the other, can connect to this principle of movement. 49 Der über improvisatorische Bewegungspraktiken erreichbare Zustand der Post- Souveränität scheint hier das Assujettissement der Subjektivation 50 in eine subversive Krise zu stürzen. In der Klick-Performance- Struktur ‚ choreographiert ‘ das Auditorium via „ (Computer-)Befehle “ die Bewegung der Performer*innen. 51 Das heißt, die Performenden bestimmen ihre Handlungen nicht (länger) autonom. Es ist nicht zu viel gesagt, dass sich hier die Butler ‘ sche Ontologie der Machtkritik wiederfindet, bestehend in der Offenheit des Subjekts auf den anderen hin, Alterität und Dezentriertheit. 52 Denn: Ähnlich wie Butler Alterität und Ausgesetzt-Sein als ethischen Fluchtpunkt reklamiert, verweisen auch Lagaay und Holkebrink 53 auf Bebek - bezugnehmend auf die Notwendigkeit, es auszuhalten, dem anderen - als ‚ dem Fremden im Eigenen ‘ - ausgesetzt zu sein: To embark on a process in which certain ‚ foreignness ‘ with regard to particular objects and situations is responded to productively means being souvereign enough to risk one ’ s own sovereignity; being powerful enough [. . .] to embrace one ’ s own sense of powerlessnes. 54 Für Bebek bildet der Modus der Alterität oder eben derjenige der Postsouveränität überhaupt die Voraussetzung, eine Bewegungsimprovisation durchführen zu können, wie auch der Modus der improvisierten Bewegung Postsouveränität hervorbringen kann. Lagaay/ Holkenbrink schließen hier an, wenn sie assoziieren, dass in Momenten der Bewegungsimprovisation (besonders eben in solchen, wo die Bewegungsimpulse durch Zurufe des Publikums gesteuert werden), nicht ein ‚ Ich ‘ (sich bewegt) mit anderen ‚ Ichs ‘ in Kontakt tritt, sondern ‚ Es ‘ bewegt (sich). Begegnungen entstehen mehr, als dass sie absichtsvoll gemacht werden. Diesen Modus der „ absichtsvollen Absichtslosigkeit “ 55 bringen sie wiederum mit Fried- 118 Bettina Wuttig rich Nietzsches Genealogie des modernen Subjekts in Verbindung: Was den Aberglauben der Logiker betrifft: so will ich nicht müde werden, eine kleine kurze Thatsache immer wieder zu unterstreichen, welche von diesen Abergläubischen ungern zugestanden wird, - nämlich, dass ein Gedanke kommt, wenn ‚ er ‘ will, und nicht wenn ‚ ich ‘ will; sodass es eine Fälschung des Thatbestandes ist, zu sagen: das Subjekt ‚ ich ‘ ist die Bedingung des Prädikats ‚ denke ‘ . Es denkt. 56 In meiner Studie zu Geschlecht als Erinnerungstechnik 57 habe ich anhand einer poststrukturalistisch-neumaterialistischen Nietzsche-Ausdeutung gezeigt, inwieweit die Annahme des ‚ Ich denke ‘ maßgeblich für das Identitätsdenken der Moderne überhaupt ist, welches von René Descartes bis in die Transzendentalphänomenologie Husserls hineinragt. 58 Nietzsche hat in seiner Genealogie des Leibes herausgestellt, dass bereits die Annahme dieses ‚ Ich ‘ ein Trugbild ist. ‚ Ich ‘ ist dasjenige, was im Rahmen von Macht- und Herrschaftsbeziehungen dazu instituiert werden kann, das Subjekt zu einem mit sich selbst Identischen zu machen, um etwa Teil der sozialen Ordnung zu sein, die für Nietzsche eine (kontingente) Herrschaftspraxis darstellt. Identitätszwang ist hier also der eigentliche Macht- und Herrschaftsmechanismus moderner Gesellschaften. Das ‚ Es ‘ stellt bei Nietzsche einen realutopischen 59 Gegenspieler zum Identitätszwang dar, eben diese oder jener sein zu müssen. Dieses ‚ Es ‘ „ denkt nicht nur “ in dem Sinne, dass das Denken hier nicht eine dem Leib abgelöste Entität bildet, sondern es rekrutiert sich als leibliche Vernunft: „ Dein Leib und seine große Vernunft: die sagt nicht Ich, aber thut Ich “ . 60 Leibliche Vernunft bedeutet weiter eine radikale „ Vorurteilslosigkeit des Leibes “ . 61 Es handelt sich dabei um eine vitalistische Kraft als radikaler Ambiguitätsraum der Existenz; ein Ort, der „ anders als das [ist], was wir beim Nennen seines Namens empfinden “ . 62 Ein Ort ‚ vor ‘ der sprachlichen Vereinheitlichung, ein leiblicher Ort, bevor das Subjekt gelernt hat, ‚ Ich ‘ zu sagen. Dieser Ort ist für Nietzsche verbunden mit einem ewigen Werden, ohne das jemals geworden sein wird; es ist der Moment einer immerwährenden Transformation: Subjekt-Vielheit ist hier gleich einem vitalen Leib „ Strom mit hundert Quellen und Zuflüssen. “ 63 Diese Metapher soll besagen, dass der Leib, ontologisch möglich, viele Bewusstseine hat, eine Vielheit ist, ein ‚ Es ‘ , das nicht klar umrissen und abgegrenzt werden kann von dem, was außerhalb seiner ist, allenfalls nur gewaltsam unter ein Dach eines einzigen ‚ Ich ‘ gebracht werden kann. 64 Kurz: Nietzsches leibliche Vernunft, Nietzsches vitale Kraft ist der postsouveräne Körper. Der postsouveräne Körper verweigert sich im Modus der Ontogenese den affektpolitischen Zumutungen. Er überrascht das Subjekt mit seinen vielfältigen Begehrensweisen, Nervenladungen, Impulsen. Der postsouveräne Körper ist mehr als das, mit was man gerechnet hat. Er scheint nicht mehr länger eingefasst in die affektpolitischen Disziplinierungen und in gängige humanistische Vorstellungen. Es zeigt sich aber nicht das Animalische, da dieses nur im Gegensatz zum Humanen verstehbar wäre - vielmehr wird an dem inkorporierten Dualismus von humanistisch und animalisch selbst gerüttelt. Der postsouveräne Körper ist verwandt mit dem Topos, den Gilles Deleuze und Félix Guattari den „ o. K. “ (organlosen Körper “ ) nennen, damit „ eine Unmenschlichkeit, die am Körper selbst erlebt wird “ meinen. 65 Gilles Deleuze und Félix Guattari knüpfen dabei an Nietzsche an, wenn sie in ihrer Schrift Tausend Plateaus (2002) das mit sich selbst identische, autonome Subjekt als eine männliche, weiße, hegemoniale Körperorganisation, einen weißen männlichen Organismus, der in den dualen Maschinen 119 Der postsouveräne Körper fabriziert wird, indem er anderen Körpern entgegengesetzt wird, verstehen. 66 ‚ Organismus ‘ steht für dasjenige, was „ in Form eines Sinns, einer Funktion und sozialen Ordnung auf den Körper ein-wirkt. “ 67 Widerständigkeit gegen die Durchdringung des Körpers - der körperpolitischen Dimension - sehen Deleuze und Guattari darin, „ sich einen organlosen Körper (o. K.) zu machen. “ 68 Sich einen o. K. zu machen, stellt dabei eine Auseinandersetzung mit den subjektivierten, unterworfenen, mit sozialem Sinn bestückten Organen dar. Der o. K. ist ein „ Grenzbereich der Freiheit “ , 69 ein Rückbezug auf die noch nicht gedeutete Physikalität. Bevor der postsouveräne Körper gleich in eine (angewandte) queere Kritik der Normativität überführt werden kann, muss die Figur der ‚ noch nicht gedeuteten Physikalität ‘ näher besprochen werden. Gemäß Nietzsche konstituiert sich das Subjekt dadurch, dass „ die Bewusstseine im Leibe erst durch das Phänomen der Sprache zu einer irrtümlichen Einheit verdichtet werden. “ 70 Der Leib ist bei Nietzsche ein plurales Chaos, physische Kraft, Intensität, Ausdehnung. Von sich aus hat er keine (z. B. vergeschlechtlichte) Be-Deutung, wenngleich er materiell gefasst ist. Souveränität ist dem Subjekt also nicht ex nihilo gegeben: „ verschiedene [. . .] Phänomene des Bewusstseins [werden] synthetisch zu einem Wesen oder Vermögen zusammen “ verdichtet, und ein „ Selbst als Ursache all dieser Phänomene “ wird nachträglich angesetzt. 71 Die Subjekt-Prädikat-Relation der Grammatik hat die Funktion einer Regel, welche die Selbstauslegung methodisch anleitet, einen Begriff von Subjekt gemäß der Menge leiblicher Zustände prädikativ als Wirkungen oder Handlungen des Subjekts vorzustellen. 72 Entscheidend nun zum Verständnis der oben in Aussicht gestellten Rekonstruktion des ‚ Prozesses ‘ der Subjektivation als somatische Praxis ist Nietzsches Idee der Materialisierung der sozialen Ordnung am Leib, innerhalb derselben das Subjekt uno actu der sozialen Ordnung hergestellt wird. Subjektivierung geht bei Nietzsche mit Erinnerungsprozessen, und zwar leiblichen Erinnerungen, einher. Es handelt sich um eine erinnerungstechnologische Produktion des Subjekts. 73 Hierfür wird gesellschaftlich notwendiges Wissen am Leib konstitutiv erinnert. Erinnerungstechnologien gehen bei Nietzsche mit Gewalt einher: Hierzu zählen physische Gewalten, bspw. Missbrauch, Versklavung, Folter, im Besonderen sprachliche Repressionen und Zu-Schreibungen, die produktiv wirken (Anrufungen). Diese Anrufungen bringen, indem sie erinnert werden, den „ Anschein als Zwang “ eines mit sich selbst identischen Subjekts hervor. „ Das Subjekt, das nicht eins ist, “ 74 ist ein sprachlich ‚ artifiziell ‘ fabriziertes, welches dazu den Einteilungen und Klassifizierungen einer Gesellschaft folgt. Deleuze und Guattari haben sich von diesen Denkbewegungen leiten lassen und sie in den Topos der „ Reterritorialisierung “ gegossen. 75 Unter Reterritorialisierung verstehen sie das Abstecken von binär codierten Bereichen, von Körpern, die symbolisch überzogen gegeneinandergesetzt werden: Denn es ist nicht, oder nicht ausschließlich, eine Frage des Organismus, der Geschichte und des Aussagesubjekts, durch die weiblich und männlich in den großen dualen Maschinen einander entgegengesetzt werden. Es ist zunächst eine Frage des Körpers - des Körpers, den man uns stiehlt, um daraus Organismen zu bilden, die man einander entgegensetzen kann. 76 Deterritorialisierung ist hier eine Art Rückeroberung des „ gestohlenen Körpers “ , 77 bspw. des noch nicht geschlechtlich codierten oder rassifizierten Körpers. Da es sich 120 Bettina Wuttig bei der ‚ Eroberung des Territoriums ‘ um eine Durchdringung des Körpers mit Bedeutungen handelt, die sich auf der leiblichen Ebene, der Ebene der Empfindungen zeigen, und zugleich die Körper selbst in ihren Handlungen, Aus- und Aufrichtungen formen (Embodiment), spreche ich in Erweiterung des Konzepts der Re- und Deterritorialisierungen von Somatisierung bzw. De-Somatisierung. Somatisierung ist die affektpolitische Aneignung des Köpers und De-Somatisierung die Rückeroberung des Körpers, das Sich-Zeigen somatischer Postsouveränität. Bei Nietzsche funktioniert Somatisierung als iterativer Angriff auf den vitalen Leib. Durch „ angewöhnte rasche Verbindungen von Gefühlen und Gedanken, die wenn sie blitzschnell hintereinander erfolgen nicht mehr als einzelne Complexe sondern als Einheiten wahrgenommen werden, “ 78 wird der (postsouveräne) Leib 79 zu einer Ich-sagenden und Ich-denkenden Einheit fabriziert. Schmerzen und Verletzungen (machtvolle Zuschreibungen) sind dabei die Katalysatoren für die Bildung von Erinnerungen als Erfahrungen, und zwar als eine habitualisierte Deutung der leiblichen Impulse innerhalb derselben. 80 Zusammengenommen heißt dies: Physiologische Impulse werden über Gedächtnispraktiken in einer habituellen präreflexiven Verknüpfung von Empfindungen mit Gefühlen und deren Deutungen zu einer wahrnehmungspraktischen Einheit verdichtet. Das heißt, das wahrnehmende Subjekt nimmt etwas wahr, was ihm als determinierte, verkörperte und sich verkörpernde Realität erscheint. Diese besteht aber in Wirklichkeit aus einer habitualisierten Verkettung von Empfindungen, Emotionen und der Deutungen beider. Darüber wird ein leiblicher, ontologischer Möglichkeitsraum geschlossen, der in der Ambiguität der Deutungen von körperlichen bzw. leiblichen Impulsen besteht. Im Verlauf der Subjektwerdung wird der (begehrens-)offene Leib erinnerungstechnologisch eingeengt; der postsouveräne Körper muss autonomes Subjekt werden. Affekttheoretisch gesprochen heißt das so viel wie: Gefühle und Bedeutungen, die jeweils an gesellschaftliche Kontexte geknüpft sind, und die sich mit bestimmten Körperempfindungen verknüpfen, affizieren konstitutiv das Subjekt. 81 Genauer: Erst über die Verschränkung von Empfindungen (bspw. ‚ hell ‘ ) und die gesellschaftlich hergestellten Bedeutungen dieser Empfindungen wird eine spezifische Emotion, z. B. Freude, erzeugt, die eine Empfindung zu einer Frage der Zuwendung zu oder Abwendung von einem bestimmten Objekt macht. 82 Anhand der sozialen Konfiguration der Emotionen, die mit ‚ hell ‘ einhergehen, wird gesellschaftliche Realität zu einer gespürten Realität des Subjekts. Daraus kann man schließen, dass der Leib als Scharnier zwischen Individuum und sozialer Ordnung fungiert, und zwar dergestalt, dass sich Ordnungen aus den wiederholten Orientierungen ergeben, von denen Subjekte sich leiten lassen. In der Form eines dualistischen Entgegensetzens der Körper und deren Anordnungen in einem hierarchisierenden Verhältnis (als Tun ohne Täter), als Wege, die entstehen, indem man sie geht, ist Geschlecht als präformative Kategorie nicht nur Effekt einer diskursiven oder praxeologischen Hervorbringung, sondern Geschlecht wird an einem materiellen Leib, genauer an den Körpern erinnerungstechnologisch materialisiert. 83 Geschlecht wird also nicht nur eingeübt, performt, diskursiv hervorgebracht, sondern Geschlecht, genauer vergeschlechtlichte Bedeutungsspuren, müssen erinnert werden. Sie werden „ embodied “ , 84 wenn man so will, da sich diese Erinnerung - lebenswissenschaftlich betrachtet - über ein implizites Leibgedächtnis vollzieht. 85 Der postsouveräne Körper zeigt sich als Ort, der sich dieser Erinnerungstechnik entzieht. Hier besteht agency in 121 Der postsouveräne Körper einer aktiven Vergesslichkeit. Es stellt sich ein Zustand ein, der „ anders als das [ist], was wir beim Nennen seines Namens empfinden “ , 86 ein Zeit-Raum (Moment), in dem das Subjekt (noch nicht) orientiert ist, ein Moment der vitalen Desorientierung, wo die Empfindung nicht kongruent ist mit der gewohnten Bezeichnung der Empfindung und die Sprachkonvention nicht zur Empfindung passt. Der postsouveräne Körper dehnt sich nicht in vertrauter Weise in den Raum aus, er bekommt nicht das Vertraute zu greifen. Er wird in seinen gewöhnlichen Schemata des auf die Welt hin Orientiert- Seins irritiert. Der postsouveräne Körper muss sich in seinem Scheitern an der Kontrolle überraschen lassen. Seine Welt zerfällt in die Einheiten von Empfindung (Körpereindruck), Affekt und Rationalität. Als auf diese Weise desintegrierter Körper kann die eingedrückte Spur, die vom Körper nachgezeichnete Linie aus der Deckung treten. Sie löst sich nicht nur aus dem leiblichen Empfinden heraus, sondern vom materiellen Körper ab. Diesen Prozess bezeichne ich als De-Somatisierung. Im Folgenden soll an einem weiteren Beispiel, der Bewegungsimprovisation ‚ physical dialogue ‘ (Daniel Lepkoff) verdeutlicht werden, wie diese De-Somatisierung als Zugewinn an Freiheit durch ein[en] Rückbezug auf die noch nicht gedeutete Physikalität und eine Reflexion der sich am Leib konfigurierenden Politik der Gefühle ‚ funktioniert ‘ . ‚ physical dialogue ‘ 87 Erste Situation: Daniel Lepkoff leitet eine Bewegungsimprovisation an. Die rund 30 Teilnehmer*innen werden zunächst eingeladen, durch den Raum zu gehen. Lepkoff schlägt vor, den Boden nicht als Objekt wahrzunehmen, sondern als Subjekt. Er ergänzt, dass dies nicht bedeutet, sich selbst mit dem Boden und den anderen, der Umgebung, dem Raum zu verbinden, da alles bereits verbunden ist. Es sei lediglich die Sprache, die Grammatik, die ein Konzept des Getrenntseins unterstellt. Lepkoff lädt dann ein, der Bewegung der Aufmerksamkeit zu folgen. Wahrnehmen heißt lernen, der Bewegung der Aufmerksamkeit zu folgen. Dafür ist es nötig, sprachlich vermittelte Konzepte loszulassen: „ To let go of concepts. “ Eine neue Erfahrung lässt sich nur dann machen, wenn man einen Schritt zurücktritt - von dem allzu Bekannten, weiß Lepkoff. Er sagt: „ to step back from the all too familiar - to deconstruct the familiar concepts means to take them away! “ Für Lepkoff ist die dekonstruktive Wahrnehmungsarbeit die Voraussetzung für Wahrnehmungserweiterung. Wahrnehmungserweiterung ist die Voraussetzung für Begegnungen. Begegnungen im Sinne von Instant Composition Performances, die nicht lediglich Altes reproduzieren sollen, sondern die Frische des Augenblicks einfangen. Zweite Situation: Körperarbeit zur Förderung der propriozeptiven Durchlässigkeit: Wir sollen paarweise zusammengehen. ‚ A ‘ darf einfach locker durchlässig, doch in sattem Kontakt mit dem Boden stehen. ‚ B ‘ reibt ‚ A ‘ mit der Hand und/ oder dem Arm ab. Dabei soll nicht nur die Körperoberfläche abgerieben werden, sondern ‚ B ‘ soll ‚ A ‘ mehr in den Körper hinein abreiben, bis tief ins Gewebe „ eindringen/ durchdringen “ (engl.: penetrate). ‚ A ‘ hat nun die Aufgabe, dort Spannung aufzubauen, wo die Penetration stattfindet (nur so viel als nötig) und dagegenzuhalten. Dann werden die Rollen getauscht. Am Ende der Bewegungseinheit (zur Mittagspause) gibt es eine Besprechungsrunde. Hier gibt es die Gelegenheit für alle zu sagen, was sie bewegt. Einige der Teilnehmer*innen äußern, sie hätten mit der Aufgabe, in das Gewebe des/ der anderen einzudringen, Schwierigkeiten gehabt. Sie 122 Bettina Wuttig äußerten Angst, die Grenzen des/ der anderen zu überschreiten. Viele assoziierten sowohl mit dem Wort als auch der Handlung des ins Gewebe Hineingehens eine sexuelle Handlung. Dritte Situation: Lepkoff und ich sprechen hinterher in der Pause über die Situation. Er stellt fest, dass soziale, emotionale und sexuelle Konzepte häufig Emotionen hervorrufen, die die Möglichkeiten eines physikalischen Dialogs einengen: Traurigkeit zum Beispiel. ‚ Traurigkeit ‘ entsteht häufig in der Arbeit mit dem Körper. Er schlägt vor, die alltäglichen Bedeutungen, die Gefühle zu haben scheinen, zu dekonstruieren und darüber hinaus die Körperempfindung (sensation) nicht in der gewohnten Weise als eine bestimmte Emotion zu interpretieren, sondern beständig zu fragen: „ Is it really. . .? “ Ist das wirklich Traurigkeit, was ich da fühle? Es ist ein Druck in der Brust, o. k. Dann spüre den Druck in der Brust, und wohin will es sich bewegen? Bewege Dich von dieser Empfindung aus (engl. move from that sensation! ) 88 Diese Dokumentation (m)einer Workshoperfahrung kann ebenso als paradigmatisch für eine Deterritorialisierung des Körpers genommen werden wie die von Holkenbrink und Bebek beschriebene Klick-Performance. Der im ‚ physical dialogue ‘ explizierte Aufruf, alltägliche Bedeutungen, die Gefühle zu haben scheinen, zu dekonstruieren und die Körperempfindung (sensation) nicht in der gewohnten Weise als eine bestimmte Emotion zu interpretieren, sondern beständig zu befragen, scheint es zu ermöglichen, dass das Subjekt an die (emotionale) Kapazitätsgrenze der ihm eingekörperten Norm gerät. Als solche ist der ‚ physical dialogue ‘ eine Bewegungspraxis, die nicht den sozialen, nicht den emotionalen Körper adressiert, sondern den Versuch unternimmt, die physikalischen Gesetze wie z. B. die Schwerkraft oder die propriozeptive und kinästhetische Wahrnehmung (des Raumes) zum Ausgangspunkt der ästhetisch-aisthetischen Begegnung zu machen. In der ersten Situation betrifft das die Arbeit mit dem grammatikalischen Artefakt, der Raum sei getrennt von einem Ich. Die Idee, dass Raum (m)Ich bewegt ( „ feel how you are moved by the space “ ) 89 bzw. ‚ Es ‘ bewegt (it moves), ist für viele realiter zunächst eine Form vitaler Desorientierung. 90 Dies ergibt Sinn vor dem Hintergrund, dass das Zum-Raum-Sein 91 für viele insbesondere männlich, heterosexuell und weiß positionierte Menschen postindustrieller Gesellschaften unvertraut sein mag; haben sie (wir) doch gelernt, dass sie (wir) als souveräne Subjekte den Raum unterwerfen bzw. diesen gestalten und hervorbringen können. 92 In der zweiten Situation, der Aufforderung, den Körper der*des anderen zu penetrieren, zeigt sich, wie sehr heterosexuelle Normen und Sprechweisen die Assoziation des Begriffs ‚ penetrate ‘ mit Heterosexualität bestimmen. Die Körper scheinen in ihrer Oberfläche und Tiefe davon durchzogen zu sein. Denn: Auch hier geraten die Tanzschüler*innen an emotionale Kapazitätsgrenzen der ihnen ein-gedrückten normativen Orientierungen. Die Scham, die sich hier zeigt, bei der Aufforderung das Gewebe des*der anderen zu penetrieren, verweist auf einen Bruch mit den einverleibten Normen. 93 Dieser besteht darin, sich nicht ohne weiteres eine heteronormativ-männlich konnotierte Handlung, in diesem Fall die des Penetrierens, aneignen zu können oder zu wollen. Und dies, obgleich Lepkoff keine sexualisierte Intention in die Übung legt (zumindest war das für mich auf keinerlei Ebenen spürbar). Lepkoffs Einladungen, den eigenen Körper anders wahrzunehmen, sich anderem zu überlassen, macht nicht nur die Effekte der Bearbeitung der Körper sichtbar und spürbar ( „ effects of labour “ , 123 Der postsouveräne Körper um an Ahmed zu erinnern). Lepkoffs Einladungen erzeugen vielmehr das Gefühl, nicht ‚ Herr der Lage ‘ zu sein. Das Unbehagen, die Hemmungen, die Scham, verweisen darauf, dass der postsouveräne Körper hervortritt, dessen Regungen, Kräfte, Intensitäten nicht dermaßen programmiert und gestohlen sind, in welchen wohl aber begriffliche Normen eingeschrieben sind. Die Sexualisierung der Körper, scheint uno actu des souveränen Subjekts in eine Krise zu geraten: Ein-Gedrücktes wird als Irritation spürbar. In der dritten Situation lockt Lepkoffs Frage: „ Is it really. . .? “ den postsouveränen Körper hervor. Sie lädt dazu ein, den in den Körper eingeschriebenen Text auf sein Alphabet hin zu befragen, den Text zurückzuverfolgen, wo er noch kein Text (Ich) war, sondern Subjekt - Vielheit - Empfindung ohne Zuschreibung. Diese Zurückverfolgung ist nötig, um den „ Ort, der anders als das [ist], was wir beim Nennen seines Namens empfinden, “ 94 zu betreten. „ Is it really? “ ist hier ein Aufruf zur Nicht-Souveränität, Post-Souveränität, den die Untersuchung des Ortes, an dem die Physis noch nicht interpretiert ist, mit sich bringt. Dieser Ort ist zugleich ein solcher, an dem die Interpretation absichtsvoll desavouiert wird. Dadurch wird der somatische Impuls selbst zum*zur Dramaturg*in. Statt der Sinnkonstruktion ‚ Traurigkeit ‘ , samt der habituellen Verknüpfung mit den Empfindungen und damit der Reproduktion einer affektiven Linie und Orientierung, kann dadurch eine Deterritorialisierung bzw. eine De-Somatisierung erfolgen. Der Körper tanzt sich dorthin, wo ‚ er ‘ oder ‚ es ‘ will, und nicht dorthin, wo ein Autor-Schöpfer sich den Weg bereits ausgedacht hat. Hier zeigt sich agency körperlicher Materialität. Damit geht auch eine Transformation auf der leiblichen Ebene einher. In diesem Fall: die Transformation des Affekts Traurigkeit. Da Affekte immer auch politisch konfiguriert sind, sind es die am körperlichen Leib geronnenen politischen Affekte selbst, die hier transformiert werden können. Gelingt also dieser Moment, überwindet man die Angst, nicht souverän zu sein, 95 so stellt sich eine Krise der gewöhnlichen Orientierungen, der Berührungsweisen ein. Diese Krise der räumlichen Orientierungen ist bedeutsam für die sexuelle Orientierung und die Sexualisierung der Körper im Allgemeinen, wenn davon ausgegangen wird, dass Heterosexualität eine dominante Linie darstellt, die die Körper in spezifische Weise führt. Es steht hier also eine Norm zur Disposition, die darin besteht, wie wir uns den anderen Körpern auf sozial anerkannte Weise nähern (können). Kurz: Die Krise führt in einen Horizont der Erwägung neuer, unsicherer Berührungsmöglichkeiten. Dieser Beitrag hat Überlegungen zum postsouveränen Körper angestellt, und diesen als Körper im fortlaufenden Werden begriffen, der sich durch seine Eigensinnigkeit den affektpolitischen Bedingungen entzieht. Diese affektpolitischen Bedingungen zeigen sich wiederum in (hetero-)normativen Bedingungen der Orientierungen und den Orientierungen selbst. An semantische Konventionen gekoppelt, schreiben sie sich über somatische (Bewegungs-)Praktiken in Körper ein und formen deren Materialität. Am Beispiel zweier Bewegungsimprovisationen konnte ich zeigen, dass in ästhetischen Erfahrungen eine Annäherung an den postsouveränen Körper stattfinden kann. Ästhetische Erfahrungen, die das postsouveräne Subjekt einladen, hervorzutreten, indem sie den Raum dafür öffnen, dass das Subjekt bewegt wird, statt, dass es Bewegungsvorgaben bekommt, können zunächst in eine Orientierungskrise führen. Die Krise ist wiederum dasjenige, was die normativen Muster der Orientierung erst spürbar werden lässt. In zunächst dem Subjekt ‚ uneigenen ‘ Bewegungen, Berührungen und Orientierungen als dasjenige, was das Subjekt konstituiert, weil es an den Rand 124 Bettina Wuttig dessen, was man sein kann, verschoben wurde, kann Nicht-Normatives und daher eventuell ‚ Fremdes ‘ im Transformationsprozess als ‚ Eigenes ‘ leiblich erfahren werden, Eingespurtes ausgespurt werden. Transformationsprozesse betreffen aber immer auch die körperliche Materialität (nicht nur die Ebene der leiblichen Erfahrung). Somatisierung und De-Somatisierung bedeutet, dass sich die in den Körper eingeschriebenen, eingewachsenen oder eingedrückten Spuren ablösen können (z. B. führen diese Übungen häufig zu dem Sich-lösen von faszialen Anspannungen, Veränderung der Wirbelstellung usw.). Es handelt sich hier also um messbare Veränderungen (insofern man eine solche Messung vornehmen möchte). Postsouveräne Körper sind prozessuale, bewegte Körper, die sich dem Stillstand ihrer Identifizierbarkeit entziehen. 96 Eine solche Orientierungskrise kann im Sinne einer verkörperten Kritik der Heteronormativität verstanden werden. Aus der Sicht des vitalistischen Materialismus bedeutet eine Krise, die hegemonialen habituellen Verknüpfungen von Körperempfindung, Gefühl, und Überzeugung/ Deutung der Empfindungen und des Gefühls zu verstören. Das ist der Modus der Desintegration, des Aufbrechens der in den Körper eingeschriebenen ‚ Identität ‘ . Desintegration ist leiblich-somatisch zu verstehen. Der Organismus stellt hier selbst eine eigenaktive Kraft dar. Diese eigenaktive Kraft entspricht dem postsouveränen Körper - ewig werden, ohne dass jemals geworden sein wird. Anmerkungen 1 Erin Manning, Politics of Touch. Sense, Movement, Sovereignity, Minnesota 2007. 2 Bettina Wuttig, Das traumatisierte Subjekt. Geschlecht - Körper - Soziale Praxis. Eine gendertheoretische Begründung der Soma Studies, Bielefeld 2016. 3 Gilles Deleuze und Fèlix Guattari, Tausend Plateaus: Kapitalismus und Schizophrenie, Berlin 2002. 4 Wenn ich hier von ‚ Körper ‘ spreche anstelle von bspw. Leib, dann deswegen, weil ich mich begrifflich an den poststrukturalistischen und vitalistischen Diskursen sowie der anglistischen phänomenologischen Literatur anlehne, die von Körpern bzw. ‚ bodies ‘ im Englischen sprechen. Sara Ahmed spricht bspw. von ‚ bodies ‘ , meint aber ‚ lived bodies ‘ : dasjenige, was im Deutschsprachigen mit ‚ Leib ‘ beziffert wird und auf den belebten, von innen heraus gespürten Körper verweist, wie ihre Ausführungen im Anschluss an die Phänomenologie Merleau- Pontys deutlich machen. Die Soma Studies, und damit das Denksystem, auf das ich hier Bezug nehme, adressieren den Körper in seiner somatischen vitalen Materialität und dem leiblichen Empfinden und gehen davon aus, dass es eine Entsprechung gibt, zwischen Prozessen der Inkorporation und dem leiblichen Empfinden als Erfahrung der somatischen Dimension. Ich spreche synonym von Körper und Leib, ähnlich wie Nietzsche das tut, wenn beide Dimensionen in ihrem dualen Aufeinander-verwiesen-Sein gemeint sind. Nur, wenn die Körper-Leib-Unterscheidung argumentativ virulent wird, führe ich diese dezidiert in den Diskurs ein. 5 Ich danke der AG Gender der Gesellschaft für Theaterwissenschaft für kritische Diskussionen zum Begriff der Einschreibung und den Vorschlag, den Begriff des Einwachsens für eine treffendere Repräsentation des Organischen zu verwenden. 6 Wuttig, Das traumatisierte Subjekt, S. 274. 7 Sara Ahmed, The Cultural Politics of Emotion, Edinburgh 2014. 8 Sara Ahmed, Queer Phenomenology: Orientations, Objects, Others, Durham 2006. 9 Ebd. 10 Es gibt verschiedene Spielarten des Neuen Materialismus: Während bei Rosi Braidotti ein posthumanistischer Feminismus im Vordergrund steht, entwirft beispielsweise Karen Barad eine quantenphysikalisch informierte Wissenschaftskritik. Der hier vertre- 125 Der postsouveräne Körper tene Zugang ist nietzscheanisch-deleuzianisch, zudem von Elisabeth Grosz inspiriert, und bezieht sich auf die vitale Dimension von Körpern, die als gegeben und durch soziale Prozesse werdend verstanden wird. (Wuttig, Das traumatisierte Subjekt, S. 21). 11 Alice Lagaay und Jörg Holkenbrink, „ Performance in Philosophy/ Philosophy in Performance: How Performative Practices Can Enhance and Challenge the Teaching of Theory “ , in: Alice Lagaay und Anna Seitz (Hg.), Wissen Formen. Performative Akte zwischen Bildung, Wissenschaft und Kunst. Erkundungen mit dem Theater der Versammlung, Bielefeld 2018, S. 27 - 37; Carolin Bebek, „ Vom Inneren und vom Äußeren - eine Bildungswissenschaftlerin und Performerin wandert zwischen den Welten “ , in: Lagaay und Seitz (Hg.): Wissen Formen, S. 37 - 51. 12 Deleuze und Guattari, Tausend Plateaus, S. 372. 13 Im Anschluss an und in Erweiterung des Konzepts der De- und Reterritorialisierung bei Deleuze und Guattari siehe Wuttig, Das traumatisierte Subjekt. 14 Ahmed, Queer Phenomenology, S. 244. 15 Ahmed, The Cultural Politics of Emotion. 16 Ahmed, Queer Phenomenology. 17 Lea Spahn, „ Des/ Orientierung - ein leibliches somatisches Moment in (k)einer Beratungssituation “ , in: Bettina Wuttig und Barbara Wolf (Hg.), Körper Beratung. Beratungshandeln im Spannungsfeld von Körper, Leib und Normativität, Bielefeld 2019, S. 291 - 311. 18 Ahmed, Queer Phenomenology, S. 244. 19 Ebd., S. 8. 20 Ebd., S. 11. 21 Ebd., S. 12. 22 Ebd. 23 Ahmed, The Cultural Politics of Emotion, S. 144. 24 Archille Mbembe, Kritik der schwarzen Vernunft, Berlin 2014. 25 Ahmed, The Cultural Politics of Emotion, S. 145. 26 Eva Georg hält in ihren Ausdeutungen Ahmeds fest: „ Das was uns ‚ nahe ‘ und ‚ präsent ‘ ist, ist nicht zufällig, wir gehen Wege nicht ‚ einfach so ‘ , vielmehr sind uns bestimmte Objekte und bestimmte Wege ‚ nahe ‘ , aufgrund von vorherigen Wegen, die wir bereits gegangen sind, aufgrund von Wahrnehmungen, die niemals neutral sind. Wir werden orientiert. Doch erst der Blick auf dieses Wie der Orientierung erlaubt es zu untersuchen, wie Leben in einige Richtungen gelenkt wird, ‚ mehr als in andere, schon allein dadurch, dass wir einfach dem folgen, was als ‚ gegeben ‘ erscheint ‘ (Ahmed 2006: 21; Übersetzung E. G.). “ (Eva Georg, „ Glücksversprechen oder: Causes of pain are far from random. Beratung als Orientierung. Beratung als Normierung. Eine queer-phänomenologische Perspektive “ , in: Wuttig und Wolf (Hg.), Körper Beratung, S. 197 - 218, hier S. 201). 27 Ahmed, Queer Phenomenology, S. 67. 28 Ebd., S. 71. 29 Spahn, „ Des/ Orientierung “ , S. 313. 30 Vgl. hierzu auch Georg, „ Glücksversprechen oder: Causes of pain are far from random “ . 31 Ahmed, The Cultural Politics of Emotion, S. 145. 32 José Esteban Muñoz, Disidentifications. Queers of Colour and the Performance of Politics, Minneapolis 1999. 33 Ahmed, Queer Phenomenology, S. 265. 34 Ebd.; Spahn, „ Des/ Orientierung “ , S. 302. 35 Siehe hierzu insbesondere ebd. 36 Judith Butler, Hass spricht. Zur Politik des Performativen, Berlin 1998. 37 Ebd., S. 29. 38 Judith Butler, Körper von Gewicht, Frankfurt a. M. 1997, S. 165. 39 Ebd. 40 Judith Butler, Excitable Speech, New York 1997, S. 139, 145. 41 Butler, Hass spricht, S. 114. 42 Michel Foucault, Power/ Knowledge: Selected Interviews and Other Writings, 1972 - 1977, New York 1980. 43 Foucault zit. nach Butler, Hass spricht, S. 114; Hervorhebung Judith Butler. 44 In Das traumatisierte Subjekt. Geschlecht - Körper - Soziale Praxis habe ich in einer kritischen Bewegung an Butlers diskursivem Monismus gezeigt, dass Butler Materialisierung nicht als vitalen Prozess versteht, son- 126 Bettina Wuttig dern ‚ Sema ‘ und ‚ Soma ‘ in eins zu setzen scheint. Aus dieser Kritik ergibt sich - so habe ich argumentiert - unter anderem die Notwendigkeit zu einem ‚ somatic turn ‘ in den Geisteswissenschaften (S. 168). Diese Argumentation kann hier nicht wiederholt werden, ist aber implizit enthalten, wenn für den postsouveränen Körper die materialistischen Theoretiker Nietzsche und Deleuze bemüht werden. 45 Siehe auch die Arbeit Spuren von Mareike Buchmann, https: / / www.mareikebuchmann. de/ [letzter Zugriff 11. 06. 2020]. 46 Anja Gregor, Constructing Intersex. Zur Rolle von Körper, Geschlecht und Biographie in intergeschlechtlichen Erfahrungsaufschichtungen, Bielefeld 2015. 47 Bebek, „ Vom Inneren und vom Äußeren “ , S. 37 - 51. 48 Ebd., S. 40. 49 Ebd., S. 34. 50 Butler, Körper von Gewicht, S. 66. 51 Bebek, „ Vom Inneren und vom Äußeren “ , S. 40. 52 Judith Butler hält fest: „ [. . .] wir gehören uns nicht ganz selbst, da wir von Anbeginn der Existenz durch einen anderen adressiert werden, und jenes Adressiert-Werden durch den anderen in einer dem Subjekt vorgängigen Sprache stattfindet. “ (Judith Butler, Kritik der ethischen Gewalt, Frankfurt a. M. 2007, S. 46.) Und an anderer Stelle: „ Noch bevor ich ein ‚ Ich ‘ erwerbe, bin ich ein Etwas, das berührt wurde, das bewegt, gefüttert, zu Bett gebracht, angesprochen wurde, in dessen Umgebung - auch über es - gesprochen wurde “ (ebd., S. 95). Ergänzend: „ Die Bildung des Ich impliziert immer eine Adressierung durch das Du. Das Du ist immer in dem Ich enthalten, das Ich ist nichts ohne das Du “ . (Ebd., S. 92, Hervorhebungen im Original.) 53 Lagaay und Holkenbrink, „ Performance in Philosophy/ Philosophy in Performance “ . 54 Ebd., S. 35. 55 Ebd., S. 30. 56 Friedrich Wilhelm Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, Stuttgart 1988, S. 22. 57 Bettina Wuttig, „ Nietzsches Leibphilosophie als Weg zur Rekonstruktion erinnerbarer Geschlechterordnungen. Geschlecht als Erinnerungstechnik denken “ , in: Jakob Guggenheimer et. al. (Hg.), When we were gender . . . Geschlecht erinnern und vergessen. Analysen von Geschlecht und Gedächtnis in den Gender Studies, Queer Theorien und feministischen Politiken, Bielefeld 2013, S. 41 - 65; Wuttig, Das traumatisierte Subjekt. Geschlecht - Körper - Soziale Praxis. 58 Ebd., S. 48 ff. 59 Ebd., S. 295. 60 Friedrich Wilhelm Nietzsche, Kritische Studienausgabe (Z, KSA 4) in 15 Bänden, hg. Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Berlin/ New York 1980, S. 39. 61 Toyomi Iwawaki-Riebel, Nietzsches Philosophie des Wanderers. Interkulturelles Verstehen mit der Interpretation des Leibes, Würzburg 2004, S. 82. 62 Zitiert nach ebd., S. 84. 63 63 Christoph Kalb, Desintegration. Studien zu Friedrich Nietzsches Leib und Sprachphilosophie, Frankfurt a. M. 2000, S. 105. 64 „ Es gibt also im Menschen so viele ‚ Bewusstseins ‘ als es Wesen gibt, und in jedem Augenblicke seines Daseins, - die seinen Leib constituieren. “ (Nietzsche zit. nach ebd., S. 106; Hervorhebung im Original). 65 Deleuze und Guattari, Tausend Plateaus, S. 372. 66 Wuttig, Das traumatisierte Subjekt. 67 Andre Pawe, „ Wanna be oK! Über den organlosen masochistischen Körper “ , in: Paradigma. Zeitschrift für Menschen und Diskurse 3 (2011), S. 33 - 48, hier S. 34. 68 Deleuze, Guattari, Tausend Plateaus, S. 772. 69 Pawe, „ Wanna be oK! “ , S. 34. 70 Friedrich Nietzsche, Der Wille zur Macht, Frankfurt 1992, S. 443. 71 Kalb, Desintegration, S. 106. 72 Ebd. 73 Wuttig, Das traumatisierte Subjekt, S. 163. 74 Julia Kristeva, Fremde sind wir uns selbst, Frankfurt a. M. 1990. 75 Deleuze, Guattari, Tausend Plateaus, S. 376. 76 Ebd. 77 Ebd. 78 Kalb, Desintegration, S. 105. 79 Nietzsche unterscheidet nicht zwischen Körper und Leib; der Körper ist immer auch der 127 Der postsouveräne Körper empfindungsfähige Leib und umgekehrt - s. o. (vgl. Wuttig, Das traumatisierte Subjekt). 80 Ebd., S. 163. 81 Ebd. 82 Ahmed macht dies am Beispiel eines Kindes deutlich, das Angst vor einem Bären hat. Sie setzt diese Angst in den Kontext gesellschaftlich produzierter und historisch tradierter Narrative (über Bären), auf die das Kind unbewusst reagiert. „ What does she see when she sees the bear? We have an image of the bear as an animal to be feared, as an image that is shaped by cultural histories and memories. “ (Ahmed, The Cultural Politics of Emotion, S. 7; Hervorhebung im Original). 83 Siehe Wuttig, Das traumatisierte Subjekt. Geschlecht - Körper - Soziale Praxis. 84 Sigrid Schmitz und Nina Degele, „ Embodying - ein dynamischer Ansatz für Körper und Geschlecht in Bewegung “ , in: Dies. et al. (Hg.), Gendered Bodies in Motion, Opladen 2010, S. 13 - 39. 85 Siehe Wuttig, Das traumatisierte Subjekt. 86 Iwawaki-Riebel, Nietzsches Philosophie des Wanderers, S. 82. 87 Es handelt sich hier um eine Dokumentation (m)einer autoethnografischen Tanzforschung, wie ich sie in ähnlicher Weise bereits 2016 veröffentlicht habe (Wuttig, Das traumatisierte Subjekt, S. 374). 88 Daniel Lepkoff, persönliches Gespräch, März 2008, Open Space Theater, Köln, Übersetzung B. W. 89 Diese Aussage ist meinen Feldnotizen vom 23. März 2008 entnommen (vgl. Wuttig, Das traumatisierte Subjekt). 90 Diese Aussage ist meinen Feldnotizen vom 23. März 2008 entnommen (vgl. Wuttig, Das traumatisierte Subjekt). 91 Maurice Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, Berlin 1966, S. 169. 92 Diane Torr in Gabriel Baur, Venuz Boyz, 2002; Eske Wollrad, Getilgtes Wissen, überschriebene Spuren. Weiße Subjektivierungen und antirassistische Bildungsarbeit, Bielefeld 2010, S. 141 - 163. 93 Hilge Landweer, Scham und Macht, Tübingen 1999; Bettina Wuttig, Der Fall des Traumas: zur somatischen Dimension geschlechtlicher Subjektivierungen. Eine Schrift in die Einführung der Soma Studies, Marburg 2014. 94 Friedrich Nietzsche zit. nach Iwawaki-Riebel, Nietzsches Philosophie des Wanderers. 95 Lagaay und Holkenbrink, „ Performance in Philosophy/ Philosophy in Performance “ , S. 34. 96 Manning, Politics of Touch. 128 Bettina Wuttig