eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 51/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.24053/FLuL-2022-0012
2022
511 Gnutzmann Küster Schramm

Christine E. POTEAU (ed.): Effects of Service Learning in Foreign and Second Language Courses. London: Routledge 2021, 170 Seiten [96,00 £]

2022
Daniela Elsen
Heike Niesen
142 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2022-0012 51 • Heft 1 Christine E. P OTEAU (ed.): Effects of Service Learning in Foreign and Second Language Courses. London: Routledge 2021, 170 Seiten [96,00 £]. „Lerne und tue Gutes“, das ist die zentrale Idee von Service Learning (SL). Bereits seit den 1960er Jahren haben Colleges und Universitäten in den USA die Implementierung von SL als vielversprechende Lehr- und Lernform vorangetrieben, die fachspezifische Inhalte (Learning) mit ehrenamtlichem Engagement (Service) verbindet. Im deutschen Sprachraum findet das Konzept seit Anfang der 2000er Jahre Verbreitung an (Hoch-)Schulen. Studierende arbeiten kostenfrei in Projekten mit Kooperationspartnern, oft gemeinnützigen Organisationen, und entwickeln im Rahmen dieser sozial motivierten berufspraktischen Tätigkeit (über-)fachliche und persönlichkeitsbildende Kompetenzen. Der vorliegende Band widmet sich SL-Projekten, in denen Studierende unterschiedlichster Fachdisziplinen ihre sprachlichen und interkulturellen Kompetenzen in der gemeinnützigen Arbeit nutzen und erweitern. Zu Beginn versucht sich die Herausgeberin an einer Systematisierung der SL-Projekte mit sprachlichem Schwerpunkt. Dabei werden einerseits vier Subkategorien von SL unterschieden: Anwaltschaft („Advocacy SL“), indirektes SL („Indirect SL“), projektbasiertes SL („Projectbased SL“) und forschungsbasiertes SL („Research-based SL“). Andererseits werden zwei Hauptkategorien benannt - direktes und indirektes SL, die sich hinsichtlich des vorhandenen physischen Kontaktes der Studierenden zu den Hilfsbedürftigen bzw. den Mitarbeitern der gemeinnützigen Organisationen unterscheiden. Diese Einteilung entbehrt einer gewissen Logik, da indirektes SL sowohl als Hauptals auch Unterkategorie genannt wird und letztlich alle im Band beschriebenen Projekte eine gewisse Forschungsorientierung und natürlich Verantwortungsübernahme im Sinne einer Anwaltschaft aufweisen. Entsprechend arbiträr erscheint die Reihenfolge, nach der die Beiträge im Buch angeordnet sind. In Kapitel 2 untersucht Joe T ERANTINO die Entwicklung des Angstniveaus von 18 Studierenden in den USA in Bezug auf die Nutzung der Fremdsprache Spanisch während eines 15wöchigen Konversationskurses mit SL als obligatorischem Bestandteil. Ziel war es, mit Hilfe eines Mixed-Methods-Ansatzes (Angstinventar, Interviews, Reflexionsjournals), die Angstentwicklung der Studierenden bzgl. ihrer Nutzung der zu erlernenden Fremdsprache Spanisch zu messen und Ursachen, Auswirkungen und Veränderungen dieser Angst zu dokumentieren. Die Studierenden halfen in einer ortsansässigen Suppenküche aus, in der vornehmlich spanisch sprechende Mitarbeiter*innen arbeiteten. Die Studie zeigt, dass sich die Angst der Studierenden vor der Nutzung der spanischen Sprache in der Praxis negativ auf ihre Sprachleistungen, ihre kognitiven Fähigkeiten und ihre Kommunikationsbereitschaft auswirkte. Studierenden mit erhöhter Angst nutzten anstelle des Spanischen oft die englische Sprache zur Konversation und produzierten häufiger grammatikalische Fehler. Es konnte gezeigt werden, dass die Bereitschaft der Student*innen, sich auf Spanisch zu unterhalten, während des SL-Projektes zunahm. Vor allem drei Faktoren wirkten sich der Studie zufolge angstreduzierend aus: (a) die freundliche Zugewandtheit der Muttersprachler*innen, (b) die Selbstwahrnehmung und (c) die Anwesenheit von Dozent*innen oder Kommiliton*innen. Es gelang diesem SL-Projekt, das sprachliche Selbstvertrauen der Studierenden und damit deren fremdsprachliche Kompetenzen zu fördern. Das in Kapitel 3 beschriebene SL-Projekt von Jeanette S ANCHEZ -N ARANJO richtete sich an US-amerikanische Medizinstudent*innen mit Englisch als Erst- und Spanisch als Fremdsprache. Im Rahmen eines Fachsprachenkurses sollten die Studierenden mithilfe von SL- Aktivitäten ihre fachspezifischen Sprachkenntnisse in Spanisch verbessern und interkulturelle Kompetenzen erhöhen. Das SL-Programm umfasste zwei Hauptkomponenten: 15 Stunden gemeinnützige Arbeit (Medikamente verteilen sowie Unterstützung in der Kinder- und Jugendhilfe) sowie das Schreiben von Reflexionspapieren („reaction/ reflection papers“, S. 36), die Besprechungen 143 51 • Heft 1 DOI 10.24053/ FLuL-2022-0012 neben Aufzeichnungen aus der teilnehmenden Beobachtung der Forschenden als Datengrundlage für die Untersuchung dienten. Die Ergebnisse der Studie sind wenig überraschend: Das SL-Programm half den Studierenden dabei, Verantwortung in der Gemeinschaft zu übernehmen und eine Verbindung zwischen ihrem praktischen Tun und ihrem theoretischen Wissen herzustellen. Manche stellten zudem während des Programms fest, dass sie ein höheres spanisches Sprachniveau benötigten, um mit Patienten adäquat kommunizieren zu können. Schließlich bemerkten einige der Student*innen durch die praktischen Erfahrungen, dass sie vor dem praktischen Einsatz ein falsches Bild von der spanischsprechenden Gemeinschaft hatten. In Kapitel 4 wendet sich der Fokus vom Ertrag der Studierenden zum Gewinn der Gemeinschaft. Die Autorin des Kapitels konzentriert sich hier auf drei ausgewählte SL-Programme. Mithilfe einer anonymisierten Online-Befragung sollten die Leiter*innen der kooperierenden Organisationen angeben, wie sie die potenziellen Auswirkungen von SL auf ihre Gemeinde einschätzten. Die Umfrageergebnisse zeigen einen positiven Einfluss der jeweiligen SL- Programme auf die verschiedenen Organisationen. Die Befragten gaben an, dass die Dienste, welche die Student*innen für ihre Gemeinschaft leisteten, diese positiv beeinflussten. Aus diesem Grund würden sie SL-Programme nicht nur selbst gerne weiterführen, sondern auch anderen Organisationen empfehlen. Die Tatsache, dass lediglich drei Personen an der Befragung teilgenommen haben, stellt nicht nur die Reliabilität, sondern auch die Relevanz dieser Ergebnisse in Frage. In Kapitel 5 beleuchten Jennifer S HANNAHAN et al. im Kontext zweier English for Academic Purposes-Kurse einer US-amerikanischen Universität das Potenzial von „diologue journals“ (DJs) für die studentische Genese einer kritischen Bewusstheit ihrer SL-Aktivitäten sowie für die Entwicklung ihrer schriftsprachlichen Kompetenzen. Das in zwei achtwöchigen Kursen erhobene Datenmaterial umfasste die DJs 13 internationaler Studierender, ein abschließendes Essay, Post-Einzelinterviews sowie eine Fokusgruppendiskussion. Die Kodierung des Datenmaterials erfolgte hinsichtlich der Kategorien „kritische Perspektiven“, „Rolle der Studierenden als Teilnehmende einer globalen community“ sowie „Reflexionen der Entwicklung ihrer Schreibkompetenzen“. Im Ergebnis verweisen die Autor*innen auf die Entwicklung von rein deskriptiven Texten hin zu solchen, die nach Ansicht der Autor*innen ein vertieftes Reflexionsverständnis sowie ein erhöhtes kritisches Bewusstsein erkennen lassen. Die Entwicklung wird zurückgeführt auf die Verwendung zahlreicher diskursiver Strategien der Dozierenden im schriftlichen Dialog der DJs. Kapitel 6 fragt nach der Auswirkung synchron-online durchgeführten SLs auf die professionellen Kompetenzen einer angehenden TESOL-Lehrkraft sowie auf die zielsprachlichen Kompetenzen eines Lernenden. In einem Zeitraum von zehn Wochen wurden Unterrichtsstunden zur Vermittlung grammatikalischer Strukturen des Englischen videographiert. Im Zuge der deskriptiven Fallanalyse wurden neben Unterrichtsbeobachtungen schriftliche Reflexionen sowie ein Abschlussbericht seitens der angehenden Lehrkraft sowie eine WhatsApp Korrespondenz mit dem Lernenden ausgewertet. Die Autorin Marcella F ARINA kommt zu dem Schluss, dass sich die Kernelemente traditionellen SL wie Respekt, Reziprozität, Relevanz und Reflexion auch im online durchgeführten Unterricht finden. Bezüglich der Reziprozität wird herausgestellt, dass der „mutual sense of service“ (S. 125) darin bestünde, dass die angehende Lehrkraft den Zugang zu Lernenden zu würdigen wisse, und umgekehrt der Lernende den Zugang zu fremdsprachlichen Instruktionen. Eine solche Perspektive überzeugt wenig hinsichtlich des eigentlichen Anliegens von SL (s.o.). Weiterhin wird hervorgehoben, dass die Synchronität des Onlineformats der Förderung authentischen Sprachgebrauchs und der Einübung lehrkraftseitiger Handlungsmuster ebenso zuträglich sei wie Präsenzpraktika. Zwar adressiert die Autorin die eingeschränkte Aussagekraft der Untersuchung aufgrund der geringen Anzahl 144 Besprechungen DOI 10.24053/ FLuL-2022-0013 51 • Heft 1 der Teilnehmenden, gleichwohl werden aber weitreichende Schlüsse aus der Untersuchung gezogen. In Kapitel 7 stellt Emauele O CCHIPINTO ein study-abroad Programm für US-amerikanische Studierende vor. Durch gemeinnützige Arbeit in Italien soll ein vollständiges "Eintauchen" in die italienische Umgebung ermöglicht sowie die Entwicklung kultureller und sprachlicher Kompetenzen gefördert werden. Gerahmt werden die vierwöchigen Aufenthalte von Interviews zur Erfassung der mündlichen Sprachkompetenzen der Studierenden. Neben Sprachunterricht erhalten die Studierenden in praktischen SL-Aktivitäten die Möglichkeit, in lebensweltlichen Situationen unter Verwendung des Italienischen sprachhandelnd tätig zu sein. Kern der studentischen Auseinandersetzungen mit ihren Erfahrungen stellen die Verfassung eines „cultural journals“ sowie eines „community-based learning journals“ dar, beide angereichert mit Reflexionsimpulsen zur Förderung einer „reflective intercultural competence (RIC)“ (S. 140). Die Textauszüge werden den RIC Kategorien „contact, culture shock, superficial understanding, deep understanding, and social acting“ (S. 140) zugeordnet, die eine Entwicklung von anfänglicher Distanzierung zur Zielkultur hin zu aktiver Mitgestaltung selbiger illustrieren. Der Autor resümiert, dass sich die Mehrheit der Studierenden den letzten beiden Kategorien zuordnen lässt. Weitere, positive Resultate seien eine gesteigerte Sprachkompetenz der Studierenden sowie deren Motivation, ihre universitären Italienischstudien weiter zu verfolgen. Der Band bestätigt bereits vorhandene Erkenntnisse: SL ist ein geeigneter Lehr-/ Lernansatz, um Erfahrungen aus der außerschulischen Welt für die eigene Professionalisierung zu sammeln und gleichzeitig einen Nutzen für die Gemeinschaft zu erzielen. Bzgl. der Frage, wie SL für Studierende sprachlicher Fächer effektiv gestaltet werden kann, liefert der Band bestenfalls Anregungen, leider jedoch weder nachahmenswerte Projektideen noch fundierte Antworten. Wenngleich durchaus davon auszugehen ist, dass SL einen Mehrwert auch für diesen Zweck bieten kann, lässt sich diese Schlussfolgerung nicht aus den hier vereinten Projekten und Studien ableiten. Einerseits ist die Qualität einiger Studien im Hinblick auf das Forschungsdesign sehr niedrig, andererseits sind die Projekte im Rahmen sehr unterschiedlicher Studienfächer entstanden, in denen das Lernen von Fremdsprachen und der Erwerb interkultureller Kompetenzen eine sichtbar andere Bedeutung einnimmt als dies in Studienfächern mit sprachlich/ kulturellem Schwerpunkt der Fall ist. Einschränkend kommt hinzu, dass viele Beiträge die Darstellung der Genese verwendeter Begrifflichkeiten und Konzepte missen lassen, ebenso wie eine kohärente Darlegung theoretischer Hintergründe. Frankfurt, M. D ANIELA E LSNER , H EIKE N IESEN Gisela M AYR : Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit. Eine unterrichtsempirische Studie zur Modellierung mehrsprachiger kommunikativer Kompetenz in der Sekundarstufe II. Tübingen: Narr Francke Attempto 2020, 476 Seiten [78,00 €] Die vorliegende Dissertationsstudie untersucht mithilfe von mehrsprachigen Unterrichtsmodulen, wie sich mehrsprachige kommunikative Kompetenz (MKK) entwickelt und welche Lernprozesse hierbei stattfinden (S. 17). Die explorativ-interpretativ angelegte Studie ist in Südtirol angesiedelt. Für die Unterrichtsplanung wird die komplexe Kompetenzaufgabe nach Hallet für mehrsprachigen Unterricht adaptiert. Die mehrsprachigen Kompetenzaufgaben als solche stehen jedoch nicht im Fokus der Untersuchung, sondern vielmehr die Erfassung und Definition von Kompetenzbereichen und die Formulierung von Deskriptoren (S. 131). In Teil I des Buchs werden zunächst bildungspolitische Dokumente, der Gemeinsame