eJournals Forum Modernes Theater 33/1-2

Forum Modernes Theater
0930-5874
2196-3517
Narr Verlag Tübingen
10.24053/FMTh-2022-0002
Der Beitrag unternimmt den Versuch, das Theater von René Pollesch strukturell als Komödie zu begreifen. Um dies zu tun, rücken die auffallenden kleinen Dinge und körperlichen Gesten der Schauspieler*innen wie das Gestikulieren oder Zappeln in den Vordergrund der Betrachtung, um als Elemente einer Komödienstruktur begriffen zu werden. Die Komödie ist für Pollesch ein Vehikel, über verschiedene Formen des Theaters, seine Spielweisen und Darstellungskonventionen zu sprechen. Damit verbunden ist die Frage nach einer anderen, zeitgenössischen Form von Subjektivität, die den Aporien spätmoderner Subjektivität kritisch begegnet. Polleschs Komödien antworten auf diese Herausforderungen mit dem Erspielen von Freiräumen, die durch die genuin theatrale Konfrontation von Logos, Sprache, und Körper, Physis, entstehen. Die symbolische Ordnung produziert auf diese Weise Unsinn als (neuen) Sinn, der andere Verbindungen zwischen ihren Elementen möglich erscheinen lässt.
2022
331-2 Balme

Zappeln, Glitzern, Gestikulieren: Zum Verhältnis von Komödie, Subjekt und symbolischer Ordnung im Theater René Polleschs

2022
Gerald Siegmund
Zappeln, Glitzern, Gestikulieren: Zum Verhältnis von Komödie, Subjekt und symbolischer Ordnung im Theater René Polleschs Gerald Siegmund (Gießen) Der Beitrag unternimmt den Versuch, dasTheater von René Pollesch strukturell als Komödie zu begreifen. Um dies zu tun, rücken die auffallenden kleinen Dinge und körperlichen Gesten der Schauspieler*innen wie das Gestikulieren oder Zappeln in den Vordergrund der Betrachtung, um als Elemente einer Komödienstruktur begriffen zu werden. Die Komödie ist für Pollesch ein Vehikel, über verschiedene Formen des Theaters, seine Spielweisen und Darstellungskonventionen zu sprechen. Damit verbunden ist die Frage nach einer anderen, zeitgenössischen Form von Subjektivität, die den Aporien spätmoderner Subjetivität kritisch begegnet. Polleschs Komödien antworten auf diese Herausforderungen mit dem Erspielen von Freiräumen, die durch die genuin theatrale Konfrontation von Logos, Sprache, und Körper, Physis, entstehen. Die symbolische Ordnung produziert auf diese Weise Unsinn als (neuen) Sinn, der andere Verbindungen zwischen ihren Elementen möglich erscheinen lässt. Der Schauspieler Martin Wuttke gestikuliert heftig. Immer wieder streicht er mit beiden Händen an seinem Körper entlang und beugt dabei seinen Oberkörper leicht nach vorne als wolle er überprüfen, ob sein Körper noch da sei. Seine ungehaltene Art, aus der eine leichte Verzweiflung spricht, geht seinen Mitspielerinnen schon auf die Nerven: „ Sie zappeln herum “ oder später „ Sie zappeln schon wieder herum “ , was Wuttke zurückweist: „ Ich zapple doch gar nicht, das ist nur eine nichtartikulierte Äußerung. “ 1 Ungehalten hält er sich nicht, er desartikuliert seinen Körper just in jenem Moment, indem er auf ihn aufmerksam macht, ihn artikuliert und sogar auf ihm beharrt. Doch hat er überhaupt einen Körper? Wenn ja, ist dieser nach alter christlicher Tradition nicht ein bloßes Behältnis für die Seele? Ist er ein Garant für das Selbst und die Subjektivität des Menschen, die sich im und am Körper ausdrückt? Der Chor jedenfalls weist die Forderung von der Figur Margit Carstensen scharf zurück, doch bitteschön man selbst zu sein: „ Du willst doch hier wieder nur, dass sich Subjektivität konstituiert und Personen, an denen die Erfüllung von Moral gelingen kann. “ 2 In Rene Polleschs Stück Schmeiß dein Ego weg! , das an der Berliner Volksbühne im Januar 2011 uraufgeführt wurde, 3 steht das Verhältnis von Körper und Subjekt auf dem Prüfstand. In einem Science-Fiction Szenario, das davon handelt, das die Figur Wuttke vor mehr als 200 Jahren eingefroren und nun wieder aufgetaut wurde, läuft Wuttke auf der Bühne herum und wundert sich, dass dort plötzlich eine baulich befestigte vierte Wand herumsteht, wo diese doch früher nur eine Redewendung war. Der Bühnenbildner Bert Neumann hat diese Wand als Fortsetzung der Holztäfelung des Zuschauerraums der Volksbühne auf die Bühne gestellt. Während die Figuren reden, so lässt sich dem Szenario entnehmen, reden die Schauspieler*innen auch von ihrem eigenen Tun; dem Schauspielen und dem Ort, an dem dies geschieht: der Bühne. Polleschs Text verhandelt das Verhältnis von Seele und Körper über die veristische Spielweise des bürgerlichen Theaters, das es den Zuschauern durch genaue Beobachtung hinter einer Forum Modernes Theater, 33/ 1-2, 7 - 21. Gunter Narr Verlag Tübingen DOI 10.24053/ FMTh-2022-0002 imaginären vierten Wand erlaubt, von äußeren Gesten auf das Innenleben der Figuren und deren moralischen Wahrhaftigkeit zu schließen. Das Verhältnis von inneren Seelenregungen zu deren körperlichem Ausdruck in Gesten und Mimik, die sich im Spiel der Schauspielerinnen und Schauspieler zu einer „ natürlichen Gestalt “ 4 verbinden, ist eines der Grundthemen des aufkommenden bürgerlichen Theaters im 18. Jahrhundert. Versteht sich Theater, in welcher Form auch immer, als Menschendarstellung, bleibt das Problem des 18. Jahrunderts auch für ein zeigenössisches Theater virulent. Die Frage nach der Konstitution einer Person oder einer Figur auf der Bühne, an der Moral gelingen kann, wird in Polleschs Stück, das im oben ausgeführten Sinn keine Menschen darstellt, aufgegriffen und vom Chor infrage gestellt. Ist doch der Chor keine einzelne Person und damit auch kein Subjekt, das ‚ sich ‘ ausdrückt. Immer wieder versucht Wuttkes Figur, seine Mitspielerinnen davon zu überzeugen, dass die Seele doch das Äußere des Menschen sei, dass es mithin gar keinen abgeschlossenen Innenraum der Seele geben kann, der auszudrücken wäre. Dabei stößt er auf Skepsis. „ Was ist denn mit der inneren Schönheit? “ , möchte Margit Carstensen wissen. „ Liebling, es gibt keine innere Schönheit “ , erwidert Wuttke. „ Du must doch das hier sehen. Das was vor dir steht: die Seele. Ich bin ’ s doch: die Seele “ . 5 Doch ähnlich wie Margit Carstensen, die entmutigt in ihrem bodenlangen altrosé-farbenen Kleid auf einem Sitzmöbel Platz genommen hat, sehen auch die Zuschauer*innen augenscheinlich den Körper von Wuttke, der in einem blauen Offizierskostüm steckt als sei er aus der Zeit gefallen. Das Publikum, wie es die Aufzeichnung einer Vorstellung verrät, lacht herzhaft. Warum wird aber an dieser Stelle und an vielen anderen vergleichbaren Stellen in diesem und auch in anderen Stücken von René Pollesch gelacht? Was ist so komisch an der artikulierten nichtartikulierten Verzweiflung der Figur Wuttke? Gestikulieren Mein Text unternimmt den Versuch, diese auffallenden kleinen Dinge wie das Gestikulieren oder Zappeln als Elemente des Komischen zu begreifen. 6 Die Komödie ist für Pollesch ein Vehikel, über das bürgerliche Theater und seine Spielweisen und Darstellungskonventionen zu sprechen. Damit verbunden ist die Frage nach einer anderen, zeitgenössischen Form von Subjektivität, ist doch die alte längst zum Ort neoliberaler Ökonomisierung geworden. Die Flexibilisierung von Arbeitsverhältnisen in der Spätmoderne 7 hin zur Projektarbeit und die damit einhergehende Notwendigkeit zur permanenten Selbstoptimierung und Selbstdarstellung, um den eigenen Marktwert zu steigern, machen den Typus der Kunstschaffenden als Kreativsubjekt zum Modell allgemeiner Subjektivität. Will sich Theater nach wie vor als Instanz verstehen, die gesellschaftliche Entwicklungen kritisch reflektiert, wirft dies die Frage auf, welchen Umgang Theater mit diesem neuen Subjekttypus pflegen kann, ohne dessen Widersprüche zwischen dem Versprechen von Selbstverwirklichung und seiner gesellschaftlich prekären Realität blind zu reproduzieren. War für Walter Benjamin bekanntlich das barocke Trauerspiel die allegorische Wiederholung und das Ende der antiken Tragödie als „ Parodie “ 8 , so ist Polleschs Theater die Wiederholung bürgerlicher Theaterkonventionen wie jene der vierten Wand, des Vorhangs oder des veristischen Spiels unter anderen historischen Vorzeichen. Bei ihm wiederholt sich die Geschichte frei nach Karl Marx als Farce: Alles Bühnenbild ist offensichtlich Kulisse, alle Kostüme sind aus dem Fundus, alle Gefühle offensichtlich gespielt oder hergestellte Theatereffekte. Der Chor 8 Gerald Siegmund aus Schmeiß dein Ego weg! schminkt sich seine Tränen einfach auf, respektive er produziert sie durch das für die Zuschauer*innen sichtbare Auftragen einer tränenauslösenden Flüssigkeit. Echte Dialoge gibt es nicht und psychologisch motivierte Charaktere sucht man vergebens. Diese Verbindung zwischen der Form der Komödie, derer sich Pollesch bedient, und den Fragen zeitgenössischer Subjektivität ist, so meine These, keine zufällige. Vielmehr benutzt Pollesch die Komödie, weil sie eine bewusste Antwort darstellt auf die Fragen, die aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen in Bezug auf das Subjekt aufwerfen. Mit ihrer Verwechslungssgtruktur erscheinen die Komödie als Selbstreflexion des thetralen ‚ Als-ob ‘ und ihre Subjekte damit als substanzlose Leerstellen. In Polleschs Arbeiten verbinden sich die Aporien von Subjektivität mit der Selbstreflexion der Arbeit mit und am Theater und seinen Konventionen. Auf die Herausforderungen aktueller symbolischer Orndungen antworten Polleschs Komödien mit dem Erspielen von Freiräumen, die durch die genuin theatrale Konfrontation von Logos, Sprache, und Körper, Material, entstehen. Die symbolische Ordnung produziert auf diese Weise Unsinn als (neuen) Sinn, der andere Verbindungen zwischen ihren Elementen möglich erscheinen lässt. Mit seinem Theater entwirft Pollesch mithin eine Vorstellung von Subjektivität, die bei allen tragischen Aporien, die sein Theater ausstellt, prinzipiell komisch strukturiert ist. Ich greife mit dieser These auf einen früheren Text zurück, den ich 2004 auf dem Kongress der Gesellschaft für Theaterwissenschaft in Wien gehalten habe. 9 Darin wurden Polleschs Texte mit den Boulevardkomödien oder Farcen des französischen Autors Georges Feydeau verglichen und deren Komik im Verhältnis von Körper und Sprache auf der Bühne zu lokalisieren versucht. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Untersuchungen zur Komik in Polleschs Theater analysiere ich hier eine Vielzahl von Verfahrensweisen, die komische Wirkungen auslösen. Von eingespielten Vidoeclips über das Austellen von Gesten bis hin zum Wörtlichnehmen von Sprache dienen sie zunächst dazu, das Geschehen zu unterbrechen. Was all diese Verfahren verbindet ist die Produktion von komischen Objekten, die ich als Effekte einer komischen Struktur lese und die es aus psychoanalytischer Sicht zu beschreiben gilt. Komik entzündet sich dabei an sowohl merkwürdigen als auch lächerlichen Gesten und Objekten, die wie das Zappeln der Figur Wuttke ohne Sinn und Verstand die Bühne bevölkern, um andere Ordungen aufscheinen zu lassen. Stand der Forschung Pollesch als Komödienautor und Komödienregisseur zu betrachten, hat in der Forschung bislang kaum Widerhall gefunden. Polleschs Theater wird häufig als Diskurs- oder Poptheater begriffen. Arbeiten seine Stücke doch mit Zitaten aus der Populärkultur, etwa durch die Einspielung von bekannten Popmusiktiteln in den sogenannten Clips: kurze unmotivierte Unterbrechungen des Geschehens, die das Format des Videoclips oder des Werbefilms für die Bühne adaptieren. Polleschs Texte greifen aktuelle theoretische Diskurse auf zum Zustand des Kapitalismus und den Veränderungen von Subjektivität, die er produziert. In Schmeiß dein Ego weg! wurden Gedanken und Zitate aus Jean-Luc Nancys Körperphilosophie in corpus und singuläre plural sein verwendet, die mal als direktes Zitat, mal als assoziativer Raum in einen von Pollesch geschriebenen Text einfließen. Der theoretische Diskurs, den er, wie zu zeigen sein wird, mit den Mitteln des Theaters und eben nicht nur der Literatur fortsetzt, wirft, wie der Kritiker Dietrich Diederichsen schon 2002 bemerkt hat, die Frage nach dem Ort und 9 Zum Verhältnis von Komödie, Subjekt und symbolischer Ordnung im Theater René Polleschs dem Ursprung der Rede auf, weil die „ ganz fremde und künstliche Sprache akademischer Texte “ 10 von den Schauspielern nicht verkörpert werden kann. Der Widerstand, der das Sprechen theoretischer Texte auslöst, kann auch als Widerstand in der Aneignung und im Ausagieren der verhandelten Gedanken verstanden werden. Für Diederichsen reflektiert Polleschs Theater in Formund Inhalt denÜbergang von einer Disziplinarzu einer Kontrollgesellschaft im späten 20. Jahrhundert: „ von der Dominanz fordistischer zu postfordistischer Produktion, von Repression zu Zwangspartizipation, von sedierter Passivierung durch Konsum und Massenkultur zu aktivierender Überidentifikation mit McJob und interaktiver Massenkultur, von Rollenspielenmüssen zu Authentischseinmüssen “ . 11 Doch die Form der Kritik, die Pollesch übt, verweigert, wie Achim Geisenhanslüke 12 oder Tim Schuster 13 bemerken, einen übergeordneten objektiven Standpunkt, von dem aus aktuelle gesellschaftliche Verhältnisse kritisiert werden könnten. Geisenhanslüke betont daher die affirmative Natur der Kritik, mit denen Polleschs Texte eine Abkehr von den Utopien von 1968, wie etwa der Forderung nach Selbstverwirklichung, vollziehen. 14 Neben der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Widersprüchen stellt für die Forschung die Selbstreflexion des Theaters einen weiteren Schwerpunkt dar. Birgit Lengers untersucht in ihrem Aufsatz den Einsatz von Medien in Polleschs Theater und stellt die These auf, dass sich in Polleschs medialen Grenzüberschreitungen das Theater selbst reflektiert. 15 Bettine Menke betrachtet Polleschs Theater als Dekonstruktion des bürgerlichen Theaterapparates, die die geschlossenen Räume und Figuren der Guckkastenbühne aufbricht. 16 Patrick Primavesi betont in seinen Texten immer wieder die konfligierenden Wirklichkeiten, die sich in Polleschs Stücken kreuzen und die in Folge die Grenze zwischen Theater und Wirklichkeit aufzulösen beginnen. 17 Im Anschluss an Brechts Lehrstück sieht er Polleschs Arbeit seit 2009 als eine Rückkehr zum und eine Arbeit am Chor, um das Potential eines „ kollektiven Agierens “ jenseits neoliberaler Ideologien auszuloten. 18 In allen Ansätzen liegt der Schritt zur Komödie - als Form der Kritik, als Dekonstruktion von bürgerlichen Subjektivität - nahe, wird jedoch von den Autorinnen und Autoren nur zögerlich gemacht. 19 Für Bettine Menke zitiert Pollesch in seinen Inszenierungen „ klamottige Komödien “ 20 . Patrick Primavesi bezeichnet Polleschs Stücke eher beiläufig als „ Kollektivkomödien “ 21 und spricht dem Chor zu, „ (komische) Funken “ 22 im zeitgenössischen Theater schlagen zu können. Unklar bleibt jedoch in allen Fällen, worin diese Komik strukturell begründet liegt, wie sie in den Inszenierungen konkret ausgelöst wird und wozu sie gerade in der Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Diskursen dient. Diesem Desiderat möchte ich in meinem Text ein Stück weit Abhilfe schaffen. Welche Art von Subjektivität entwirft René Pollesch jenseits des engagierten und sich selbst verwirklichenden Subjekts? Und was hat das Theater damit zu tun? Das Drama, so viel hat uns die eingangs kurz zitierte Szene mit Martin Wuttke gezeigt, spielt sich am Körper ab. Oder, um es präziser zu fassen, am Verhältnis von Sprache und Körper, der nicht in der Sprache aufgehen will. Diese Diskrepanz von Sehen und Hören, Bild und Text ist strukturell ebenso charakteristisch für die Arbeit am Theater wie für das menschliche Subjekt. Komik resultiert aus dem Missverhältnis von Logos und Physis, die voneinander abhängen und sich doch gegenseitig ausschließen. Farce als Füllsel Ab Mitte der 2000 Jahre tritt bei Pollesch das bürgerliche Theater auf. Von den möblierten 10 Gerald Siegmund Interieurs der Bouelvardkomödien in L ’ Affaire Martin! 23 , das den Salon der schlesischen Junkerfamilie Von Henckel zu Donnersmarck darstellen soll, dem üppigen Blumenvorhang in Ein Chor irrt sich gewaltig 24 , der den Hintergrund für eine Liebeskomödie abgibt, bis hin zum veritablen Auftritt der vierten Wand in Schmeiß den Ego weg! zitiert Pollesch Formen und Versatzstücke unterschiedlicher Theterkonventionen, von denen zunächst einmal jeder Sinn abgefallen zu sein scheint. „ Mit Boulevardtheater beschäftigen wir uns in letzter Zeit tatsächlich “ , so Pollesch in einem Interview aus dem Jahr 2006. „ Komödien von Feydeau oder Labiche sind Formate, mit denen man rumspielen kann, die man auch als Ersatz für eine Inszenierung benutzen kann. Ein Vehikel für das, was wir zu sagen haben. “ 25 Hinzu kommt die Auseinandersetzung mit Brechts Theater ebenfalls als stummes Zitat. Für Kill your Darlings! Streets of Berladelphia 26 hat Bert Neumann den Wagen der Marketenderin aus Brechts Mutter Courage-Inszenierung nachgebaut, während auf einem halbhohen Brechtvorhang der Titel von Brechts Lehrstück Fatzer eingeblendet wird. Am Züricher Schauspielhaus lässt er 2016 in Bühne frei für Mick Lev č ik 27 in Casper Nehers Bühnenbild für Brechts Inszenierung der Antigone von Sophokles aus dem Jahr 1947 spielen. Das Wort Farce kommt eigentlich aus der Küche: Es kommt vom Lateinischen „ farcire “ - was mit hineinstopfen übersetzt werden kann - , und bezeichnet ein Fleischfüllsel, mit dem etwa eine Gans gestopft wird. Zugleich bedeutet es „ Posse “ : „ Die Bedeutungsentwicklung “ , weiß das etymologische Wörterbuch des Duden, „ erklärt sich dadurch, daß Possenspiele oft zwischen die einzelnen Akte eines ernsten Schauspiels eingeschoben wurden, um mit ihren komischen, burlesken Einfällen die Zwischenpausen ‚ auszufüllen ‘ . “ 28 Die Farce ist demnach etwas, das dazwischenkommt. Etwas, ein Köper, der mit etwas anderem gefüllt wird. Diese Füllsel, die Farcen also, trennen aber auch das, was sie verbinden und ausfüllen. Ausgehend von dieser Definition kann man Polleschs Rede vom Boulevard als Vehikel auch als Struktur der Farce verstehen: Pollesch füllt das Boulevardtheater mit etwas ihm Äußerlichen und Fremden, eben der Farce als einer parasitären Form. Man kann Polleschs Stücke desweiteren auch als komische Zwischenspiele des etablierten Theaterbetriebs betrachten, Stücke, die die Spielpläne füllen, den gewohnten Ablauf durch die Art und Weise zu proben, zu arbeiten und mit dem Text umzugehen aber gehörig stören oder wie Patrick Primavesi betont, unterbrechen. 29 Sie besetzen, wie die Beispiele zeigen, alte Bühnenbilder des Boulevards und nisten sich in ihnen wie ein Fremdkörper ein. Polleschs Theater arbeitet parasitär, nicht originär. Es propft sich auf bestehende Strukturen und Formen des Theaters auf, um diese zu ver-rücken, von ihrem Platz zu schieben. Damit füllt und unterbricht es das Theater selbst, indem es seine Gattungen aufgreift und transformiert. Die Farce ist nicht nur etwas, das dazwischen geschoben wird. Gleichzeitig arbeitet eine gute Farce ständig auch mit Ereignissen, die dazwischenkommen. Durch Auftritte von Personen zur falschen Zeit am falschen Ort müssen Pläne verschoben und Notlügen erdacht werden, die die eigentliche Handlung verschieben und auf Abwege führen. Allein die Bühnen der Salonkomödien ermöglichen ein solches Spiel mit Auf- und Abtritten: Die fast schon sprichwörtliche Tür auf-Tür zu-Mechanik der Farcen wiederholt sich in Schmeiß dein Ego weg! mithilfe der beiden Durchbrüche durch die vierte Wand, durch die die Figuren im Kreis rein und raus laufen können, wobei sie dies auch noch selbst thematisieren. „ Aber sie sehen mich doch gar nicht! “ , ruft Wuttke Carstensen zu, die gerade wie- 11 Zum Verhältnis von Komödie, Subjekt und symbolischer Ordnung im Theater René Polleschs der hinter der vierten Wand verschwunden ist. Bettine Menke zeichnet in ihrer Analyse von Schmeiß dein Ego weg! detailliert nach, wie durch das Spiel mit der Vorder- und Rückseite der vierten Wand der Auftritt der Figuren auf der Szene ständig verschoben und suspendiert wird. Durch das Verweben von Außen und Innen, hinter und vor der Wand, vermögen sich die Figuren nie als solche abzuschließen. Ihr Potential, das als Voraussetzung der Figuren im Off liegen muss, aus dem heraus sie sich ablösen, indem sie auftreten und sichtbar werden, dringt mit auf die Bühne. Das Abwesende wird als Anwesendes auf die Bühne geholt mit dem Resultat, dass diese sich spaltet, verschiebt, uneigentlich wird. Die Versuchsanordnung des Stücks hält eine zusätzliche Komplikation bereit. Denn das eigentliche Geschehen, das für die Zuschauer*innen hinter der vierten Wand liegen soll, bleibt ihm vom Zuschauerraum aus gesehen unzugänglich. Die vierte Wand versperrt den Zuschauer*innen den Blick auf die eigentliche Bühne. Gespielt wird in Umkehrung dessen, was die vierte Wand im 18. Jahrhundert einmal leisten sollte, eigentlich auf dem Proszenium, d. h. also vor der vierten Wand, einem Bereich, der die Bühne mit dem Zuschauerraum verbindet. Das eigentliche psychologisch-emotionale Spiel der Schauspieler*innen, dessen Beobachtung die vierte Wand doch ermöglichen soll, findet hinter der vierten Wand statt. Um es in die Sichtbarkeit des Bühnenraums zurückzuholen, hängt über der Wand in einem alten üppigen Bilderrahmen eine Leinwand, auf die das Geschehen mit Hilfe einer Kamera aus dem Off projiziert wird. Die Projektion eines seelischen Innenraums nach außen wird hier also wörtlich genommen und in ein anderes Medium, den Video- Film, ausgelagert, das Bilder von emotional agierenden Schauspieler*innen produziert. Wie Menke bemerkt, 30 löst Pollesch damit das Bild von den auf dem Proszenium sichtbar agierenden und sprechenden Körpern ab; er trennt das Körperbild von seiner Physis und seinem Sprechen und etabliert auf diese Wiese wiederum im Wortsinn einen Körper, der außerhalb von sich - im Bild nämlich - ist. Zwischen Sprache, Körper und Bild fügt Pollesch Abwesenheiten ein, die, so möchte ich behaupten, Auslöser für die Komik der Inszenierungen sind. Die Szene spielt nicht nur im Hier und Jetzt, sondern auch im Damals und Dann sowie im Dort - hinter der Bühne, in einem anderen Medium. 31 Die Frage, die sich nun stellt, ist, warum Polleschs Trennung von Sprache und Körper Komik erzeugt. Darum geht es nun im nächsten Abschnitt. Nicht Eins In einem Interview aus dem Jahr 2002 versucht René Pollesch der komischen Wirkung seiner Stücke selbst auf die Spur zu kommen. So vermutet er, dass das Publikum deshalb lacht, weil „ die Themen “ , die er in seinen Texten anspricht, „ kollidieren. Dass die Schnitte so unrealistisch sind, die Anschlüsse so merkwürdig. Es gibt natürlich Effekte, die der Text produziert. In dieser Absurdität, die Komik erzeugt. Und diese unvermittelten Ausbrüche. Wenn man es nicht gewohnt ist: Jemand redet, dann schreit er, dann redet er einfach weiter, das ist “ , so Pollesch, „ einfach komisch. “ 32 Pollesch führt den komischen Effekt seiner Texte und Inszenierungen auf die Schnitte zurück, also auf modernistische Verfahren technologischer Medien, wie sie Benjamin für den Film oder den Rundfunk reklamiert hat. 33 Im Gegensatz zum populären Film jedoch, der die Schnitte zugunsten der Illusion einer einheitlichen Narration verdeckt, macht Pollesch seine Schnitte zum Thema. 34 Die slowenische Philosophin Alenka Zupan č i č weißt in ihrem Buch Der Geist der 12 Gerald Siegmund Komödie darauf hin, dass die Komödie von „ allen Arten von Kurzschlüssen “ 35 lebe. Am deutlichsten werde dies, so Zupan č i č , wenn eine Person für eine andere gehalten wird, nur weil sie zufällig zugegen ist. Diese Kurzschlüsse oder, um Polleschs Begriff aufzugreifen, diese Schnitte durch die Logik einer Handlung oder die Stringenz einer Figur, werden in Polleschs Theater nicht durch ein veristisches Spiel überspielt, sondern geradezu ausgestellt. Das einzige, was die Episoden verbindet, ist der Schnitt oder der Riss, der durch die Logik der sprachlichen Ordnung hindurchgeht. Das, was im bürgerlichen Theater wie im Leben, als konsistente Ursache-Wirkung Kausalität erscheint, erscheint plötzlich als unsinnig und widersprüchlich. Damit zeigt der Schnitt, der Kurzschlüsse produziert, auch deutlich an, dass der Logos selbst inkonsistent ist, eine notwendige Setzung zur Verständigung, eine Ordnung, die aber prinzipiell auch anders aussehen könnte. Die Einsicht in die Inkonsistenz der Ordnung erzeugt Komik. Doch was taucht im Schnitt auf, wenn wir die Farce vorhin als materielles Füllsel bezeichnet haben? Der Kurzschluss produziert „ Funken “ 36 , Ideen oder Einfälle, aber in Polleschs Theater vor allem auch konkrete Objekte. Martin Wuttke weist darauf hin, wenn er sein Zappeln als eine „ nichtartikulierte Äußerung “ bezeichnet, die, so betont es auch der Schauspieler Fabian Hinrichs in dem Stück Ich schau dir in die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang 37 , ihre eigene Lesbarkeit durchstreicht. Diese paradoxe Formulierung (wie kann eine Äußerung nicht artikuliert sein? ) markiert eine Äußerung, die sinnlos ist, die ihre Lesbarkeit im Moment des Ausführens wieder durchstreicht. Damit wird die Autorität des Sinns und des Verstehens suspendiert. An deren Stelle tritt, das, was Alenka Zupan č i č das „ komische Surplus-Objekt “ 38 nennt. Etwas Materielles, ein Objekt, fügt sich dazwischen und vertritt den Sinn, der abwesend gemacht und suspendiert wurde. „ Während der Suspendierung ist der Andere nicht einfach von der Szene abwesend; er ist abwesend als der symbolische Rahmen des Sinns, aber sozusagen sehr präsent als ein Surplus-Objekt des Unsinns. “ 39 Das komische Objekt vertritt den Sinn, der auf eine andere Art und Wese, als Unsinn nämlich, Sinn ergibt. Wenn Pollesch betont, „ mit seinen Texten noch nicht fertig zu sein “ , wenn er mit ihnen auf die Probe kommt, unterstreicht er auch, dass es für ihn kein letztgültiges Wissen oder einen Sinn gibt, den er inszenieren könnte. Die Arbeit am Text und am Theater erweist sich mithin als Frage sowohl im Hinblick auf die Aporien zeitgenössischer Subjektivität im Konsumkapitalismus als auch auf die Widersprüche und Zwänge der eigenen Arbeit am Theater und dessen Ausbeutungsmechanismen. Polleschs Inszenierungen sind voller solcher komischer Objekte, die zugleich ihre eigene Ursache und Wirkung sind. Sie verbinden das Unlogische im Logos und machen es auf diese Weise überhaupt erst sichtbar. In ihrer wirkungsvollen Zweckfreiheit sind sie perfekte ästhetische Objekte. Sie glitzern wie die Diskokugeln aus Scheinwerfern in dem Stück Ich schau Dir in die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang. In ihrer Lächerlichkeit zeigen sie auf sich selber und damit auf die Abwesenheit des Sinns, von dem sie doch wie der Schauspieler Fabian Hinrichs halbnackt von der Diskokugel abhängen. Sie supplementieren das vermeintlich Ganze, das Eine, Authentische und Selbst-Identische und markieren damit gleichzeitig dessen Gespaltenheit. Polleschs Theater ist deshalb so komisch, weil in ihm ständig kleine Füllsel als Vermittler auftreten, die das vermeintlich Natürliche, Einheitliche aufspalten und von sich trennen. Für unsere Zwecke lassen sich grob vier solcher Objekte benennen. Da sind zum 13 Zum Verhältnis von Komödie, Subjekt und symbolischer Ordnung im Theater René Polleschs einen die Gesten wie das sinnlose „ Zappeln “ oder das ständige Zeigen auf den eigenen Körper. Dazu gehören auch die unvermittelten Schreie der Darsteller*innen, die aber vor allem Polleschs frühe Stücke auszeichneten und schon seit Längerem wieder von der Bühne abgetreten sind. Zweitens lassen sich auch die sogenannten Clips, die plötzlich eine andere Wirklichkeit in das Geschehen einfügen, als derartige Vermittler verstehen. Drittens ergeht sich Polleschs Theater im Einsatz von sinnfreien Objekten wie etwa dem völlig funktionslosen Krakenkostüm, in dem Fabian Hinrichs am Ende von Kill your Darlings! Streets of Berladelphia minutenlang über die Bühne rollt. Mit diesen Objekten, die auf der Bühne ihre eigene komische Wirklichkeit entfalten, produziert gerade Hinrichs ständig wunderbare Theatereffekte, von der die Discokugel, an der er schwingt wie Tarzan an der Liane, nur ein Beispiel ist. Eine Tischtennisplatte wird hereingerollt, Kostümteile werden unmotiviert an- und wieder ausgezogen. Jens Roselt reiht Hinrichs daher in die großen Theatervirtuosen des 19. Jahrhunderts ein, indem er ihn als „ Rampensau “ bezeichnet. 40 Viertens, entstehen komische Objekte auch dadurch, dass Sprache wörtlich genommen wird. Auf dem daraus resultierenden Effekt baut die ganze Inszenierung von Schmeiß dein Ego weg! auf. Denn die vierte Wand, die für ihrem Erfinder Denis Diderot eine Metapher, eine Redewendung war, tritt hier plötzlich als materielles Objekt auf. Aus der figürlichen Rede, der Rede im übertragenen Sinn, entsteht, wenn die Rede konkret auf die Bühne übertragen wird, ein komisches Objekt, das die Redewendung und das, was damit ‚ eigentlich ‘ gemeint ist, über sich hinausführt. In L ’ Affaire Martin! , das vom Verschwinden des ‚ Anderen ‘ im hegemonialen Diskurs des vermeintlich Eigenen handelt, verschwindet Martin Wuttke tatsächlich in der Kulisse. Auf die Vorder- und Rückseite seines Kostüms sind Teile der Bühnenrückwand aufgezeichnet, die sich, stellt er sich an die entsprechenden Stellen vor die Wand, perfekt in die Dekoration einpassen. In Kill your Darlings! wird der Chor der Turnerinnen und Turner stets als Netzwerk bezeichnet, auf dessen Trikots Geldscheine aufgedruckt sind. Auch hier ist das Netzwerk ursprünglich lediglich eine Metapher für neoliberale Arbeitsweisen, es wird jedoch im Chor der Turnerinnen und Turner materialisiert und dadurch komisch. Das Abstrakte wird konkret und streicht dadurch die Reinheit der Idee durch. „ Der Kapitalismus “ , so Hinrichs, „ tritt heute als Netzwerk auf. Er hatte sich lange versteckt, um sich einer orientierungslos gewordenen Kritik zu entziehen, man wusste lange nicht, wo der Kapitalismus hin ist, den man kritisieren konnte [ … ]. Gott sei Dank wissen wir Linken jetzt wieder wie er aussieht. “ 41 Vor diesem fleischgewordenen Netzwerk-Kapitalismus, der aus ein paar harmlosen Turner*innen besteht, muss nun wirklich niemand Angst haben. Mehr noch: Was unterscheidet ihn eigentlich vom alt-linken Kollektiv? Das Surplus der aufgedruckten Geldscheine etwa? Wie die Turner*innen, die ein Chor sind, der ein Netzwerk darstellt, von einem linken Kollektiv zu unterscheiden sind, ist auf der Bühne augenscheinlich nicht auszumachen. So wirkt das komische Objekt verändernd zurück auf den Logos und unsere Vorstellungen von ihm. An dieser Stelle kommen wir der Komik und ihrem Verhältnis zur Subjektivität einen Schritt näher. Polleschs Verfahren der Wörtlichkeit überprüfen die Sprache, den Diskurs, den Logos am Körper und am konkreten Material. Im Abstand zwischen dem, was der Text sagt und entwirft, und dem konkreten Vorgang auf der Bühne, wird deren Inkompatibilität augenfällig. Der Sinn bricht sich am Material, das doch bezeichnet werden soll und doch nie letztgültig bezeichnet werden kann. Die Physis zappelt und ist uneindeutig, nichtartikuliert, 14 Gerald Siegmund und doch sichtbar vorhanden. Die bedeutungsvolle Überdeterminierung der Subjekte im zeitgenössischen Kapitalismus, der ihnen grenzenlosen Konsum und grenzenlose Selbstverwirklichung durch narzisstische Selbstoptimierung verspricht, trifft am Körper auf ihre Grenze. Nie deckt er sich mit dem, was der Diskurs will. Er ermüdet, zappelt undefiniert herum oder ist bereits schon wieder ein anderer. In der Verschiebung und Trennung von Körper und Sprache entstehen Freiräume des Denkens und des Imaginierens. Bringt das realistische oder psychologische Theater Körper und Sprache zur Deckung, um so die Referenz einer aus der Lebenswelt wiedererkennbaren Figur zu erzeugen, verweigert Pollesch diese Identifizierung. Aus theaterwissenschaftlicher Sicht resultiert aus der Abwesenheit eines sich selbst präsenten Subjekts Komik, die jedoch nicht nur aus dem Aufschub des Sinns folgt. Vielmehr entsteht die Komik hier aus dem Widerspruch zwischen Semiotik und Phänomenologie. Denn auch wenn der Text unermüdlich behauptet, dass der Geist außen sei, der Körper offen und unabgeschlossen, singulär plural wie es die Umschreibungen von Jean-Luc Nancys Theorie in Schmeiß dein Ego weg! vorsagt, so sehen wir doch auf der Bühne durchaus abgeschlossene Körper, die gemütlich ihren Platz auf dem Sofa einnehmen. Polleschs Theater kostet diese Widersprüche aus. Obwohl man angeblich mit einem ökonomisierten neoliberalen Netzwerk keine befriedigenden Beziehungen eingehen kann, ( „ Du Netzwerk behauptest, du könntest Beziehungen führen. Aber das kannst du ja nicht. Das sind alles unpersönliche Beziehungen. “ 42 ) zeigen uns Fabian Hinrichs und der Turner*innen-Chor für die Dauer der Aufführung auf lustvolle Weise, dass es augenscheinlich doch geht. Vorsichtig tragen sie Hinrichs über ihren Köpfen über die Bühne, nähern sich ihm immer wieder an und rutschen mit ihm zusammen wie spielende Kinder auf der nassen Bühne herum. Obwohl er, als „ Linke “ , wie er im Text behauptet, 43 unmöglich mit dem Netzwerk ins Bett gehen kann, tut er genau das. Roland Barthes hat in Anlehnung an Brechts Theater aus diesem Befund der Nicht-Identität von Sinn und Material, den er als wesentlich für das Theater betrachtet, sein Verständnis von Theatralität abgeleitet. Aus dem Spalt zwischen Körper und Sprache, die voneinander abhängen und sich gegenseitig ausschließen, resultieren sinnliche Umschreibungen, die sowohl die Sprache als auch den Körper transformieren. 44 Polleschs Texte brauchen die Bühne, weil sie die Theorie am Körper überprüfen und umschreiben. „ Geht einmal Euren Phrasen nach, bis zu dem Punkt wo sie verkörpert werden “ , sagt Mercier im dritten Akt von Georg Büchners Revolutionsdrama Dantons Tod. 45 In Polleschs Theater erzeugen die verkörpeten Phrasen der Theorie vor allem Widersinn und Lachen. Subjektivität Die Selbstunterbrechung des Theaters ist auch eine Unterbrechung des Selbst. „ Es geht um eine andere Subjektivität, die da verhandelt wird “ , sagt René Pollesch. „ Wenn sie [die Figuren, G. S.] psychologisiert werden, ist das Verrat an den Texten. “ 46 Sprache versteht Pollesch als etwas Übersubjektives, „ die von den Subjekten nicht verinnerlicht werden kann “ 47 . Dennoch hängen auch seine Schauspielerinnen und Schauspieler an der Sprache, an den „ Thesen “ , den der Regisseur seinen Schauspieler*innen „ zur Stellungnahme “ gibt, wie es Benjamin in Bezug auf das epische Theater formuliert hat, eine hellsichtige Formulierung, die auf Pollesch genauso zutrifft wie auf Brecht. 48 „ Das eigene Selbst bleibt völlig unausgedrückt “ sagt Sophie Rois in L ’ Affaire Martin! . 15 Zum Verhältnis von Komödie, Subjekt und symbolischer Ordnung im Theater René Polleschs Wie könnte es auch anders sein, da die Körper der Schauspielrinnen und Schauspieler ständig mit anderen Namen belegt werden, die eine kohärente Illusion des Selbst einer Figur auf der Bühne zunichte macht. Martin Wuttke ist mal der Praktikant, der in der Wand verschwindet, dann wieder ein Schimpanse aus einem Naturfilm der britischen Primaten-Forscherin Jane Goodall. Der Name Miss Petersen in Schmeiß dein Ego weg! bezeichnet zunächst eine Einzelperson, die Figur der Schauspielerin Christine Groß, wandert aber dann zum Chor, der den singulär pluralen Körper von Miss Petersen darstellen soll. Ein Körper zwei Namen, zwei Körper, ein Name: Aus diesem für die Verwechslungskomödie typischen Verfahren wird ersichtlich, dass die Physis aus dem Logos herausgefallen ist, von dem sie abhängt. In meiner Formulierung klingt Hans- Thies Lehmanns bekannte Definition des Subjekts der Tragödie an. Und in der Tat muss geklärt werden, in welcher Hinsicht das Subjekt der Tragödie sich vom Subjekt der Komödie unterscheidet wenn doch beide mit dem Austritt aus dem Logos in Erscheinung treten. Die Tragödie ‚ gebiert ‘ das Subjekt aus der Erfahrung der Anhängigkeit, der Angewiesenheit, der Ungewißheit und Zweideutigkeit dessen, was ihm zugesprochen wird. Darin, daß sie dergestalt das Subjekt als Ort einer Frage ohne Antwort, nicht als wie immer geartete Position, bestimmt, korrespondiert sie dem Grundzug der Subjekttheorie, die besagt: ‚ Was ich im Sprechen suche, ist die Antwort des anderen. Was mich als Subjekt konstituiert, ist meine Frage. ‘ 49 Das Subjekt als Frage, das Hans-Thies Lehmann hier mit einem Verweis auf Jacques Lacans Subjekttheorie entwirft, kann „ über die Bedeutung seines Tuns nicht selbst [ … ] verfügen “ 50 . Die Bedeutung seines Tuns und damit seine Bedeutung ist ihm entzogen, liegt im Schweigen der Götter, deren Willen sich in dunklen Orakelsprüchen verbirgt und sich erst nachträglich offenbart haben wird, wenn es bereits zu spät ist. Das tragische Subjekt, so Lehmann, wird, kaum, dass es aus dem Logos heraus geboren wird, schon wieder durchgestrichen. 51 Sein Schmerz dient als Signifkant für etwas, das ihm unzugänglich und entzogen bleiben muss. Doch wie verhält es sich mit dem komischen Subjekt, das, obwohl es doch als theatrales Subjekt ebenso aus dem Logos herausgefallen sein muss, wie die Figuren aus einem Comic-Strip völlig schmerzfrei agiert? Der österreichische Kulturwissenschaftler Robert Pfaller wirft aus triebökonomischer Sicht einen in unserem Zusammenhang erhellenden Blick auf die Gattungsunterscheidung zwischen Tragödie und Komödie. 52 Während sich die/ der Zuschauer*in in der Tragödie mit dem tragischen Held*in identifizieren muss, damit die kathartische Wirkung eintritt, unterbleibt in der Komödie die Identifizierung und weicht einer gewissen Distanz, aus der heraus das Geschehen betrachtet wird. An die Stelle des Pathos tritt das Lachen. „ Die Tragödie hingegen “ , so Pfaller, „ vertritt grundsätzlich die Auffassung, dass die Akteure mit ihren Absichten, Gefühlen und Überzeugungen im Recht wären gegen das Existierende, das Darrgestellte, den Augenschein, das Offensichtliche. “ 53 Die Komödie dagegen glaubt dem Augenscheinlichen: Im Verhältnis zu Verwechslung und Augenschein reduziert die Komödie also den Charakter immer auf den Effekt einer Struktur - jeder wird für den gehalten, dessen Platz er einnimmt (z. B. für einen authentischen Geliebten). Sie thematisiert damit eine illusorische ‚ Überbestimmung ‘ der Subjekte: ihr seid viel verwechselbarer, als ihr euch gerne einbildet. Die Komödie ist insofern ‚ strukturalistisch ‘ : Sie gibt der symbolischen Struktur, der Ordnung der Plätze, recht gegen das Imaginäre, das Selbstbild des Individuums. 54 16 Gerald Siegmund Auch Polleschs Figuren glauben dem Augenscheinlichen: Sie zögern keinen Moment das zu sein, was man ihnen zuschreibt. Da alle ohnehin in ihrer Verwechselbarkeit gleich sind, kann auch keine Identifizierung mit einer bestimmten Figur erfolgen. Stattdessen vermag die distanzierte Einsicht in die strukturelle Abhängigkeit des Subjekts eine lustvolle Reflexion auf eben diese Struktur auszulösen. Die Zuschauer*innen identifizieren sich mithin nicht mit dem Held*in, sondern mit der Struktur der Verwechslung, deren Spiel sie zugleich durchschauen. Sie lachen über die „ symbolische Kohärenz “ , die augenscheinlich Unsinn produziert. Das tragische Subjekt scheitert letztlich an seinem eigenen Narzissmus, der im Glauben lebt, sich den Logos und damit der Totalität eines Sinns wieder einverleiben zu können, was ihm aber qua Menschsein nicht gelingen kann. Das komische Subjekt dagegen straft den Logos Lügen und freut sich daran. Was die andere Art von Subjektivität betrifft, um die es Pollesch zu tun ist, lässt sich Folgendes sagen: Wenn die symbolische Ordnung, die gesellschaftlichen Normen und ihre Artikulationen dem Subjekt ständig versprechen oder ihm gar auf subtile Art und Weise befehlen, im Konsum, im Einsatz seiner Kreativität durch Selbstoptimierung, es selbst sein zu können, schadet es nichts, sich daran zu erinnern, dass wir alle im Hinblick auf die symbolische Ordnung verwechselbar sind. Die symbolische Ordnung interessiert sich nicht für unser Selbst, im Hinblick auf die Norm haben wir kein Selbst. Haben wir das einmal begriffen, setzt die eigentliche Arbeit der Subjektivierung ein. Denn das Subjekt kann sich mit der Ordnung auseinandersetzen, weil es von sich absehen kann und weiß, dass es nur der Effekt und nicht der Sinn des Logos ist. Es gewinnt Sinn gerade aus dem Abstand zum Logos, von dem es doch abhängt, ohne jedoch mit ihm identisch zu sein. Eben dies führt uns die komische Spaltung von Sprache und Körper in Polleschs Theater vor. Schließlich steht auch Wuttkes Praktikantenkörper in L ’ Affaire Martin! so sehr er sich auch an die Kulisse drückt, immer von ihr ab, er geht nicht restlos illusionär in ihr auf. Als Subjekte sind wir alle der symbolischen Ordnung unterworfen, subjectus. Im Gegensatz zum tragischen Subjekt zerbrechen die komischen Subjekte nicht an der ausbleibenden Antwort des Logos. Sie stehlen der Ordnung etwas von der ihnen durch den Akt der Unterwerfung geraubten Lust zurück und gewinnen dadurch eine abständige Eigenständigkeit von sich und den Strukturen, die sie hervorbringen jenseits der narzisstischen Vorstellung von Individualität und Unverwechselbarkeit. An dieser Stelle ist der literaturwissenschaftlichen Rede vom fehlenden transzendentalen Standpunkt der Kritik in Polleschs Theater aus theaterwissenschaftlicher Sicht nachzutragen, dass es in Polleschs Theater sehr wohl eine außenstehende Instanz gibt, die der Zuschauer nämlich, die aus der räumlichen Distanz des Parketts heraus den Geschehnissen auf der Bühne folgen. Diese Distanz ist wichtig für die Entfaltung der Komik. Denn sie ermöglicht den Zuschauer*innrn eine Position, von der aus die Verwechslungen und Aporien der Stücke eingesehen und verlacht werden können. Komisch werden die Szene und ihre Subjekte dann, wenn die Illusion der Einheit durch das Erscheinen der Vermittler, der Signifikanten, durchbrochen wird. An der Präsenz der komischen Objekte entzündet sich eine Lust, die als Kern oder Keimzelle für ein anderes Genießen fungieren kann, das Bühne und Zuschauerraum über das Lachen hinweg anders verbindet. Die Objekte manifestieren eine andere Logik, die als Unsinn Sinn macht. Wie die Schauspieler*innen in der Arbeit am Theater gewinnen auch die Zuschauer*innen durch ihren distanzierten Blick aus dem Zuschauerraum 17 Zum Verhältnis von Komödie, Subjekt und symbolischer Ordnung im Theater René Polleschs heraus auf die Bühne Freiheiten des Handelns und Denkens zurück. Gestus und Komik „ Gesten “ , so schreibt Walter Benjamin über Brechts episches Theater, „ erhalten wir umso mehr, je häufiger wir eine Handlung unterbrechen. “ 55 Gibt man Walter Benjamin Recht, ist René Polleschs Theater ein erstklassiger Gesten-Produzent und damit episches Theater. Es ist aber auch, nachdem was ich ausgeführt habe, unzweifelhaft ein Theater der Komik. Auf Polleschs Verbindung zu Brecht in Bezug auf das Aufgreifen neuer Medien- und Produktionstechniken, die zu einer anderen, seriellen Dramaturgie führen, hat nicht zuletzt Patrick Primavesi wiederholt hingewiesen. 56 Ich möchte zum Schluss zumindest kurz die Verbindung von Gestus als kritischer Haltung zum komischen Objekt ziehen, das, so Alenka Zupan č i č , eine enge Verbindung zum Lacanschen objet a aufweist. 57 Ich stelle damit das komisches Objekt, das Lacansche objet a und den Brecht ’ schen Gestus in eine Reihe, um der Auseinandersetzung Polleschs mit Brecht die Komik nachzutragen, die die Kritik sowohl bei Pollesch als auch bei Brecht gerne vergisst. Komik und die damit verbundenen Lust erscheinen dadurch auch als grundlegend für Brechts Theater jenseits seiner didaktischen Ausprägungen, die René Pollesch bewusst ablehnt. 58 Die Komödie bricht die Illusion der Zuschauer*innen, indem sie auf die Gemachtheit der Situation als Theaterspiel verweist. Die Komödie produziert durchaus im Sinne Brechts Gesten, die, wie Walter Benjamin es will, durch Unterbrechung einer vermeintlich natürlichen Situation entstehen und deren Charakteristikum es ist, dass sie wiederholbar sind. An dieser Stelle sei auch an die Herkunft des Wortes Gestus erinnert: das Sich verhalten, zur Schau stellen im Kontext der pantomimischen Gaukler*innen und Komödiant*innen. 59 Der Zitathaftigkeit des Gestus ist es nun eigen, dass er nichts Eigenes besitzt oder anders formuliert, dass er wesenhaft nichts ist. Jede Situation, in welcher die Geste in einer Konstellation mit anderen wiedergeholten Elementen auftritt, wird für Benjamin damit zu einer Versuchsanordnung, die Erkenntnis nicht einfach abgebildet, sondern zuallererst produziert. Die „ Zustände “ müssen erst einmal „ entdeckt “ 60 werden. Die Geste trägt damit einem strukturalistischen Prinzip Rechnung, dass besagt, dass der Wert eines Zeichens ganz und gar abhängt von seiner Stellung im System, seinem Umfeld also. An und für sich hat es keinen Wert. Eben dies widerfährt den Figuren in einer Komödie. Sie haben kein Innen und sind reine Äußerlichkeit. Für Robert Pfaller ist das Prinzip der Komödie - die Verwechslung, bei der jemand, der / die Schauspieler*in, erkennbar als jemand anderes erscheint - zugleich das generelle Prinzip des Theaters. 61 Damit ist auch gesagt, dass eine Komödie immer auch das Theater als Medium mitthematisiert. Den Gestus nun als Haltung zur aufgezeigten gesellschaftlichen Realität gilt es, nimmt man Benjamins Definition ernst, erst zu entdecken. Sie ist mithin in den Gesten noch nicht gegeben, sondern bleibt Potential einer anderem zukünftigen Ordnung, die es noch nicht gibt. Die Haltung ist mithin ein Auftrag. Sie inmitten all der Aporien zwischen Sprache und Körper, Logos und Physis zu finden, wird mir aufgetragen. Hans-Thies Lehmann hat auf die körperliche (stimmliche, mimische) Dimension des Gestus hingewiesen und dabei betont, dass diese die eindeutige Lesbarkeit und Veständlichkeit der sprachlichen Aussage zunichte macht. Gesellschaftliche Bedeutung, die, wie es das Konzept des Gestus will, in körperlichen Vorgängen sich artikuliert, verliert eo ipso 18 Gerald Siegmund ihre unzweideutige Lesbarkeit. Sinnlichkeit unterläuft Sinn. Der Körper ‚ sagt ‘ immer noch anderes, als er will. 62 Das epische Theater produziert wiederholbare Gesten wie das komische Theater komische Objekte produziert, die die Struktur am Laufen halten. Gestus und Objekt entstehen qua Schnitt durch das Kontinuum. Damit unterbrechen sie einerseits die herkömmliche Illusion einer geschlossenen Welt mit ihren Identifikationsangeboten. Sie fördern aber andererseits gerade aber auch eine andere Art der Illusion, die viel grundlegender ist als jene, die die Repräsentation einer geschlossenen Welt erzeugt. 63 Gestus und Objekt halten die grundlegendere Illusion aufrecht, die nötig ist, um überhaupt eine Welt aufbauen zu können, das Potential einer anderen Ordnung im Sinne einer anderen Ursache-Wirkung-Relation nutzen zu können, die im komischen Aussetzen der alten Kausalkette aufzuscheinen beginnt. Für Zupan č i č ist das objet a wie vieles andere in unserer Kultur zwar das Resultat der symbolischen Ordnung, des Anderen, zugleich aber ein ganz besonderer Punkt: „ Es ist der Punkt, an dem der Effekt tatsächlich eine ‚ offene Verbindung ‘ zu der symbolischen Struktur, die es generiert, unterhält, sodass diese von ihm abhängig, ‚ verletzbar ‘ bleibt. “ 64 Aus der Perspektive des objet a hängt die Struktur von ihm ab und wird durch sein Auftauchen sogar ‚ verletzbar ‘ , d. h. veränderbar. Indem das Objekt die Koinzidenz von Ursache und Wirkung ist, ein theatraler Evidenzeffekt der schauspielenden Rampensäue sozusagen, vermag es andere Ketten zu generieren. Diesen neuen Ursache-Wirkungsketten liegt es wiederum als fremdes Objekt zugrunde, wie es von ihnen ausgeschlossen bleiben muss, damit diese ihre illusionäre Wirkung entfalten können. Die Bedeutung der Komik für Polleschs Theater, um die es mir in meinen Text zu tun war, liegt im Sichtbarmachen der Inkonsistenz unserer symbolischen Ordnung, die Selbstverwirklichung durch Selbstausbeutung verlangt. Sein Verfahren ist dabei die Trennung von Körper und Sprache: Er produziert Schnitte, in deren Lücke komische Objekte wie Gesten, Clips, Dinge oder die körperliche Materialisation von Sprache erscheinen, die Schauspieler*innen wie Zuschauer*innen erlauben, anderen Sinn zu produzieren und aus dem Abstand zur Ordnung heraus Freiheiten zu gewinnen. Auch auf die Gefahr hin, dass die Freiheit impliziert, die Struktur bewusst zu umarmen, und trotz einer vermeintlich linken Gesinnung, so Fabian Hinrichs in Kill your Darlings, ein Netzwerk zu lieben. Anmerkungen 1 René Pollesch, Kill your Darlings. Stücke, Reinbek. b. Hamburg 2014, S. 201. 2 Ebd. 3 René Pollesch, Schmeiß dein Ego weg! (UA: 12.01.2011, Volksbühne Berlin, R: René Pollesch). 4 Vgl. Günther Heeg, Das Phantasma der natürlichen Gestalt, Frankfurt a. M./ Basel 2000. 5 Pollesch, Kill your Darlings, S. 204. 6 Der vorliegende Text ist die überarbeitete Fassung eines Vortrags, den ich im Januar 2019 auf Einladung von Eiichiro Hirata an der Keio Universität in Tokio gehaltem habe. Die japansiche Übersetzung des Vortrags ist erschienen in: Gerald Siegmund, Hiyoshi- Studien zur Germanistik 59 (2019), S. 107 - 131. 7 Der Soziologe Andreas Reckwitz verwendet den Begriff der Spätmoderne, um in seinen Studien die Veränderungen des modernen Subjektbegriffs zu beschreiben, vgl. etwa Das Ende der Illusion. Politik, Ökonomie und Kultur in der Spätmoderne, Berlin 2019, Kapitel 4; Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturewandel der Moderne, Berlin 2017. 8 Walter Benjamin, Der Ursprung des deutschen Trauerspiels. Abhandlungen. Gesam- 19 Zum Verhältnis von Komödie, Subjekt und symbolischer Ordnung im Theater René Polleschs melte Schriften Bd. I.1., Frankfurt a. M. 1991, S. 292; vgl. auch Bettine Menke, Das Trauerspiel-Buch, Bielefeld 2010, S. 53 - 68. 9 Gerald Siegmund, „ Der Skandal des Körpers. Zum Verhältnis von Körper und Sprache in der Farce von Feydeau und René Pollesch “ , in: Hilde Haider-Pregler und Monika Meister (Hg.), Komik. Ästhetik - Theorien - Strategien, Wien 2006, S. 249 - 262. 10 Dietrich Diederichsen, „ Denn Sie wissen, was sie nicht leben wollen. René Polleschs Kulturtheoretisches Theater erfindet die Serienkunst neu “ , in: Theater Heute 43/ 3 (2002), S. 56 - 63, hier S. 13. 11 Dietrich Diederichsen, „ Laudatio auf René Pollesch zur Verleihung des Else-Lasker- Schüler-Preises 2012 “ , in: René Polesch, Kill Your Darlings. Stücke, S. 7 - 14, hier S. 12. 12 Achim Geisenhanslüke, „ Schreie und Flüstern. René Pollesch und das politische Theater in der Postmoderne “ , in: Ingrid Glicher- Holtey, Dorothea Kraus und Franziska Schößler (Hg.), Politisches Theater nach 1968. Regie, Dramatik und Organisation, Frankfurt a. M. 2006, S. 254 - 268, hier S, 264. 13 Tim Schuster, Räume, Denken. Das Theater René Polleschs und Laurent Chétouanes, Berlin 2013, S. 150. 14 Geisenhanslüke, „ Schreie und Flüstern “ , S. 255. 15 Birgit Lengers, „ Ein PS im Medienzeitalter. Mediale Mittel, Masken und Metaphern im Theater von René Pollesch “ , in: Theater für das 21. Jahrhundert, Sonderband von Text +Kritik. München 2004, S. 143 - 155. 16 Bettine Menke, „ Suspension des Auftritts. Lulu - Pollesch “ , in: Annemarie Matzke, Ulf Otto und Jens Roselt (Hg.), Auftritte. Strategien des In-Erscheinung-Tretens in Künsten und Medien, Bielefeld 2015, S. 213 - 244. 17 Patrick Primavesi, „ Theater als Teil der Wirklichkeit. René Polleschs Arbeit an der Lesbarkeit von Konflikten “ , in: Marion Tiedke und Philipp Schulte (Hg.), Die Kunst der Bühne. Positionen des zeitgenössischen Theaters, Berlin 2012, S. 96 - 109. 18 Patrick Primavesi, „ Macht es für Euch! - Zum Echo des Chores im Theater von René Pollesch “ , in: Veronika Darian et al. (Hg.), Die Praxis der/ des Echo. Zum Theater des Widerhalls. Frankfurt a. M.: 2015, S. 249 - 268, hier S. 267. 19 Auf Polleschs frühe Arbeiten Bezug nehmend, die er Anfang der 1990er Jahre im Frankfurter Theater am Turm realisiert hat, spricht der Kritiker Arnd Wesemann in einem Kurzporträt von Pollesch als „ König der Komödie “ , Arnd Wesemann, „ Der König der Komödie “ , in Frank Hörnigk (Hg.), Stück-Werk. Arbeistbuch Theater der Zeit, Berlin 1997, S. 87 - 89; vgl. zur Verbindung der frühen Arbeiten zum späten Pollesch auch Siegmund, „ Der Skandal des Körpers “ . 20 Menke, „ Suspension des Auftritts “ , S. 233. 21 Primavesi, „ Macht es für Euch! “ , S. 258. 22 Ebd, S. 267. 23 René Polesch, L ’ Affaire Martin! (UA: 11.10.2006, Volksbühne Berlin, R: René Polesch). 24 René Polesch, Ein Chor irrt sich gewaltig (UA: 02.04.2009, Prater der Volksbühne Berlin, R: René Polesch). 25 René Pollesch, Liebe ist kälter als das Kapital. Stücke, Texte, Interviews, Reinbek b. Hamburg 2009, S. 357. 26 René Polesch, Kill your Darlings! Streets of Berladelphia (UA: 18.01.2012, Volksbühne Berlin, R: René Polesch). 27 René Pollesch, Bühne frei für Mick Lev č ik (UA: 01.04.2016, Schauspielhaus Zürich, R: René Pollesch). 28 Günther Drosdowski (Hg.), Duden „ Etymologie “ . Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache, Mannheim, Wien und Zürich 1898, S. 176. 29 Patrick Primavesi, „ Schauspielen (das gab es doch mal) bei René Pollesch “ , in: Jens Roselt und Christel Weiler (Hg.), Schauspielen heute. Die Bildung des Menschen in den performativen Künsten, Bielefeld 2011, S. 157 - 176, hier S. 174. 30 Menke, „ Suspension des Auftritts “ , S. 235. 31 Der Philosoph Samuel Weber entwickelt eine Genealogie des Theaters, die sich aus der Deplatzierung, der Wanderung und der damit verbundenen Störung der etablierten Ordnung ableitet. Damit streicht das Theater das Hier und Jetzt seines Ortes und seiner Zeit ebenso durch wie die Selbstprä- 20 Gerald Siegmund senz seiner Helden, in deren Schicksal sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zur absoluten Gegenwart verdichten, Samuel Weber, Theatricality as Medium, New York 2004, S. 97 - 120. 32 Pollesch, Liebe ist kälter als der Tod, S. 318. 33 Walter Benjamin, „ Was ist das epische Theater? (1) “ , in: Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser (Hg.), Walter Benjamin: Gesammelte Schriften, Bd. II.2, Aufsätze, Essays, Vorträge, Frankfurt a. M. 1991, S. 519 - 531, hier S. 519. 34 Der Titel einer Fernsehsendung, die Pollesch 1997 für das ZDF produziert hat, lautet: „ Ich schneide schneller “ . 35 Alenka Zupan č i č , Der Geist der Komödie, Berlin 2014, S. 15. 36 Primavesi, „ Macht es für Euch! “ , S. 267. 37 René Polesch, Ich schau Dir in die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang (UA: 13.01.2010, Volksbühne Berlin, R: René Polesch). 38 Zupan č i č , Der Geist der Komödie, S. 107. 39 Ebd, S. 108. 40 Jens Roselt, „ Phänomenologie der Rampensau “ , in: Annemarie Matzke, Ulf Otto und Jens Roselt (Hg.), Auftritte. Strategien des In-Erscheinung-Tretens in Künsten und Medien, Bielefeld 2015, S. 141 - 156. 41 Polesch, Kill Your Darlings, S. 293 - 294. 42 Ebd., S. 295. 43 Ebd., S. 294. 44 Barthes entwickelt seine Vorstellung von Theatralität bereits 1954 in einem Aufsatz über das Theater des Dichters Charles Baudelaire und dessen fehlgeschlagenen dramatischen Entwürfen; zur Theatralität bei Roland Barthes vgl. Gerald Siegmund, Jérôme Bel. Dance, Theatre, and the Subject, London 2017, S. 82 - 92. 45 Georg Büchner, Dantans Tod, in: Georg Büchner Werke und Briefe, München 1985, S. 47. 46 Pollesch, Liebe ist kälter als der Tod, S. 313. 47 Ebd., S. 328. 48 Benjamin, „ Was ist das epische Theater? “ , S. 520. 49 Hans-Thies Lehmann, Theater und Mythos. Die Konstitution des Subjekts im Diskurs der antiken Tragödie, Stuttgart 1991, S. 141. 50 Ebd., S. 133. 51 Lehmanns Definition des tragischen Subjekts als einem, dem (s)ein Sinn entzogen wird, ähnelt dem, was der Philosoph Christoph Menke als ästhetische Subjektivität generell bestimmt hat. Der Entzug von Sinn, die schockhafte Erfahrung von Unterbrechung, die Suspension von Wertvorstellungen und das Aufkommen von Ambivalenz, die Lehman als tragische Erfahrung markiert, wäre dann der Kunst in ihrer ästhetischen Funktion prinzipiell eigen, vgl. Christoph Menke, Die Kraft der Kunst, Berlin 2013. 52 Robert Pfaller, „ Die Komödie der Psychoanalyse “ , in: Andrea B. Braidt, Klemens Gruber und Monika Meister (Hg.), Mit Freud. Zur Psychoanalyse in Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Sonderband der Zeitschrift Maske und Kothurn, Wien 2006, S. 37 - 54. 53 Ebd., S. 50. 54 Ebd. 55 Benjamin, „ Was ist das epische Theater? “ , S. 521. 56 Primavesi, „ Schauspielen (das gab es doch mal) “ , S. 159 - 164. 57 Zupan č i č , Der Geist der Komödie, S. 117. 58 Pollesch, Liebe ist kälter als der Tod, S. 317. 59 Der Germanist Uwe Wirth hat in seinem unveröffentlichten Vortrag „ Reiner Spaß? Komödie als Realsatire “ auf die enge Verbindung zwischen dem epischen Theater und der Komik hingewiesen. 60 Benjamin, „ Was ist das epische Theater? “ , S. 535. 61 Pfaller, „ Die Komödie der Psychonanalyse “ , S. 52. 62 Hans-Thies Lehmann, „ Fabel-Haft “ , in: Das politische Schreiben, Berlin 2002, S. 219 - 237, hier S. 226. 63 Nikolaus Müller-Schöll thematisiert das Spiel des Theaters mit der Illusion und deren Durchbrechung als Spiel mit dem Glauben an die Illusion, der notwendig ist, um dem Subjekt überhaupt einen Zugang zur Welt zu eröffnen, vgl. Nikolaus Müller- Schöll, „ (Un)Glauben. Das Spiel mit der Illusion “ , in: Forum Modernes Theater 22/ 2 (2007), S. 141 - 151. 64 Zupan č i č , Der Geist der Komödie, S. 117. 21 Zum Verhältnis von Komödie, Subjekt und symbolischer Ordnung im Theater René Polleschs