eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 69/2

Tribologie und Schmierungstechnik
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expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2022-0007
2022
692 Jungk

Diät-Cola trinken und Schmalzgebäck essen?

2022
Manfred Jungk
Editorial 1 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 2/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0007 Liebe Leserinnen und Leser, sicherlich haben wir mittlerweile alle eine Meinung in der nun allgegenwärtigen Nachhaltigkeitsdebatte. So möchte ich diese Stelle dafür nutzen, meine persönlichen Eindrücke mit Ihnen zu teilen. Nach Durchleben der Ölkrise in den 70er Jahren mit sonntäglichen Fahrverboten und der Ankündigung der in wenigen Jahrzenten versiegenden Ölquellen postulierte mein Professor für Physikalische Chemie in der Grundvorlesung, dass nicht der Rohstoff Öl das Essentielle ist, sondern die Energie. Mit Energie könne man in der Tat die biblische Prophezeiung, aus Sand Brot zu machen, umsetzen. Den Unterschied, ob diese Energie nun aus Kohle oder Erdgas erzeugt wird, erlebte ich als Kind nach der Heizungsumstellung im elterlichen Haus. Anstelle vor dem Frühstück den Kohleofen anzufachen, wurde einfach am Thermostat gedreht und es gab mehr Zeit, dem Familienleben zu frönen. Aber genug der alten Geschichten, heutzutage betätigt man sich als Hobby-Baumfäller, um mittels Kaminofen auf das o. g. Thermostat zu verzichten und die Feinstaubbelastung zu erhöhen. Ähnlich kontrovers kommentierte ich die Idee eines in die Heimat zurückkehrenden amerikanischen Kollegen, sich ein Hybrid-SUV anzuschaffen mit dem Vergleich, dies sei ein ähnlicher Ansatz wie Donuts zu essen und Diät-Cola zu trinken. Hierzu passt auch die steigende Zahl der Mountain-E-Bikes. War das Mountain Bike eigentlich zur naturverbundenen körperlichen Ertüchtigung wie das Touren-Skifahren gedacht, werden nun Steigungen mit ähnlichen elektrischen Antrieben überwunden, wie sie auch in Skiliften zu finden sind. Bei der Mobilität ist die Energiemix-Betrachtung, ob fossiler Kraftstoff oder Batterieenergie, nicht so einfach. Pauschal betrachtet war ich kein Freund der Elektromobilität, da der Bau einer Batterie weniger nachhaltig als der eines Kraftstofftankes ist. Daneben ist der Ladestrom momentan nur zu einem kleinen Teil erneuerbar. Nichtsdestotrotz hat der Verbrenner einen Wirkungsgrad von nur 40 % und unterliegt hier dem batteriebetriebenen Fahrzeug. Auch wenn Hybridkonzepte im Antriebsstrang den Verbrenner im Punktbetrieb auf 60 % Wirkungsgrad bringen, so hat dieser dann eine Dynamik wie ein Notstromaggregat. Synthetische Kraftstoffe ändern nichts am Wirkungsgrad des Verbrenners, stellen aber eine mögliche Lösung für Anwendungen dar, bei denen Elektroantriebe wegen zum Beispiel nicht vorhandener Ladeinfrastruktur ungünstig sind. Synthetische Kraftstoffe kommen auch als Energiespeicher in Frage, jedoch lohnt sich beides aufgrund hoher Energieumwandlungsverluste nur bei überschüssiger erneuerbarer Energie. Ob es in Zukunft nur Elektrofahrzeuge und mit Luft- Wärmepumpen geheizte Häuser geben wird, oder Fahrzeuge von Verbrennern angetrieben werden, deren Reichweiten nicht zu überbieten sind, und Häuser mit stromunabhängigen Öl-/ Gasheizungen geheizt werden, hängt von vielen Variablen ab. Kostenentwicklung und politische Rahmenbedingungen sind wenig vorhersehbar, aber der innovative Mix von verschiedensten Technologien wird uns weiterbringen. Möge die Nachhaltigkeitsdebatte besonders um unser Wissen zu Reibung, Verschleiß und Schmierung in sinnvolle Aktionen führen - bleiben Sie deshalb der Tribologie gewogen, Ihr Manfred Jungk Herausgeber Diät-Cola trinken und Schmalzgebäck essen? TuS_2_2022.qxp_TuS_2_2022 01.06.22 12: 44 Seite 1