eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 69/2

Tribologie und Schmierungstechnik
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2022-0008
Zur Robustheitssteigerung von nasslaufenden Fahrzeugkupplungen sind umfangreiche Kenntnisse zu den im tribologisch beanspruchten Kupplungsreibungskontakt wirkenden Schädigungsmechanismen notwendig, um geeignete Anforderungen für die Kupplungsentwicklung ableiten zu können. Zum einen sind dafür umfassende Untersuchungen auf Komponenten-, Aggregate- und Fahrzeugtestebene erforderlich, deren Ergebnisse unter anderem im Falle eines möglichen Kupplungsfehlers Aussagen zur fehlerverursachenden Kupplungskomponente liefern können. Zum anderen müssen Analysen an den Komponenten selbst durchgeführt werden, durch die eine Detektion verschleißsensitiver Bestandteile der Komponentenzusammensetzung möglich wird. In den vorliegenden Untersuchungen wurde ein durch unzulässige Wasserbeanspruchung verursachter Schädigungsmechanismus und damit verbundene molekulare Veränderung des Kupplungsöls sowie der tribologisch beanspruchten Funktionsschicht der Stahllamelle mit Elektrospray-Ionisation Massenspektrometrie (ESI-MS) und Flugzeit-Sekundärionen-Massenspektrometrie (ToF-SIMS) analysiert.
2022
692 Jungk

Analyse der durch Wasser verursachten Schädigungsmechanismen in nasslaufenden Fahrzeugkupplungen

2022
Mirjam Bäse
Astrid Lebel
Rainer Franz
Josef Prost
1 Einleitung In Allrad-Antriebssträngen werden Verteilergetriebe zum Übertragen des Drehmomentes zur Vorderbzw. Hinterachse verwendet. Die Drehmomentübertragung erfolgt bedarfsgerecht mittels einer nasslaufenden Lamellenkupplung, die als tribologisches System bestehend aus mehreren Stahl- und Belaglamellen sowie einem funktionsoptimierten Öl definiert ist. Die Kupplungsreibungskontakte und das Öl werden über die gesamte Lebensdauer einer Vielzahl von Beanspruchungen ausgesetzt. Dazu gehören Betriebsbeanspruchungen, Aus Wissenschaft und Forschung 7 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 2/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0008 Analyse der durch Wasser verursachten Schädigungsmechanismen in nasslaufenden Fahrzeugkupplungen Mirjam Bäse, Astrid Lebel, Rainer Franz, Josef Prost* Eingereicht: 22.9.2021 Nach Begutachtung angenommen: 9.3.2022 Zur Robustheitssteigerung von nasslaufenden Fahrzeugkupplungen sind umfangreiche Kenntnisse zu den im tribologisch beanspruchten Kupplungsreibungskontakt wirkenden Schädigungsmechanismen notwendig, um geeignete Anforderungen für die Kupplungsentwicklung ableiten zu können. Zum einen sind dafür umfassende Untersuchungen auf Komponenten-, Aggregate- und Fahrzeugtestebene erforderlich, deren Ergebnisse unter anderem im Falle eines möglichen Kupplungsfehlers Aussagen zur fehlerverursachenden Kupplungskomponente liefern können. Zum anderen müssen Analysen an den Komponenten selbst durchgeführt werden, durch die eine Detektion verschleißsensitiver Bestandteile der Komponentenzusammensetzung möglich wird. In den vorliegenden Untersuchungen wurde ein durch unzulässige Wasserbeanspruchung verursachter Schädigungsmechanismus und damit verbundene molekulare Veränderung des Kupplungsöls sowie der tribologisch beanspruchten Funktionsschicht der Stahllamelle mit Elektrospray-Ionisation Massenspektrometrie (ESI-MS) und Flugzeit-Sekundärionen-Massenspektrometrie (ToF-SIMS) analysiert. Schlüsselwörter nasslaufende Kupplungen, Triboschichten, Wasser, ToF-SIMS, ESI-MS Analysis of Wet Vehicle Clutch damage Mechanism Caused by Water To increase robustness of wet vehicle clutches extensive knowledge about damage mechanism within tribological stressed clutch friction contact are necessary, to derive suitable requirements for clutch development. Therefore, on the one hand comprehensive investigations on component-, unitand vehicle test level are necessary which offer, amongst other information, learnings about the clutch component causing a possible clutch failure. On the other hand, component analyses have to be done, which make it possible detecting wear sensitive component elements of the component composition itself. Present analysis show results of damage mechanism caused by a non-permissible water impact and related molecular changes in clutch oil and tribological stressed functional steel plate surfaces. Analysis were done with electrosprayionisation mass spectrometry and time-of-flight secondary ion mass spectrometry. Keywords wet clutches, damage mechanism, water, ToF-SIMS, ESI-MS Kurzfassung Abstract * Dr. Mirjam Bäse Magna Powertrain GmbH & Co KG Industriestraße 35, 8502 Lannach, AT, MSc. Astrid Lebel Ing. Rainer Franz Dr. Josef Prostt AC2T research GmbH, Viktor Kaplan Straße 2/ 10, 2700 Wr. Neustadt, AT TuS_2_2022.qxp_TuS_2_2022 01.06.22 12: 44 Seite 7 fenden Kupplungssystemen unmittelbar zu einer Veränderung der Reibungszahl führt. Die Reibungszahl nahm außerdem infolge einer kontinuierlich wirkenden Wasserkonzentration in Abhängigkeit von der Kupplungsenergie im Vergleich zum Referenzsystem stärker ab. Dabei wurde mittels energiedispersiver Röntgenspektroskopie eine Adsorption der Elemente Zink, Calcium und Schwefel an der Oberfläche von Stahllamellen ohne Wasserkontamination nachgewiesen, welche im Fall von Wasserkontamination unterblieb [2]. Oberflächenaktive, polare Additive (z.B. sogenannte „Friction Modifier“) lagern sich in Form inverser Mizellen um die einzelnen Wassertröpfchen herum an, wodurch sich eine Wasserin-Öl-Emulsion bildet. Dadurch wird die Bildung einer reibungsmindernden Triboschicht an der aktiven Oberfläche vermindert [1]. Engelhardt et al. [3] entwickelten auf Basis von Versuchsdaten ein Modell zur Wasserschädigung von Schmierstoffen, wonach ein durch Wasser verursachter Schadensmechanismus in einem tribologischen System vor allem auf Wechselwirkungen des Wassers mit dem Basisöl und den Additiven auf molekularer Ebene, korrosive Reaktionen und den Einfluss von Wassertröpfchen auf das tribologische Verhalten in der Kontaktzone zurückgeführt werden kann. Die vorliegenden Untersuchungen hatten zum Ziel ein weitergehendes tieferes Verständnis auf molekularer Ebene zu den durch Wasser verursachten Verschleißmechanismen des Tribosystems „ölgeschmierte Lamellenreibpaarung“ mittels hochauflösender Elektrospray- Ionisation Massenspektrometrie (ESI-MS) sowie die Flugzeit-Sekundärionen-Massenspektrometrie (ToF- SIMS) zu entwickeln. ESI-MS erlaubt dabei nichtflüchtige organische Inhaltsstoffe und Abbauprodukte in Ölen mit hoher Genauigkeit über ihr Masse-Ladungsverhältnis (m/ z) nachzuweisen und auf die Struktur der detektierten Moleküle rückzuschließen [4, 5]. ToF-SIMS wird aufgrund der sehr hohen Oberflächensensitivität zur Analyse von tribologisch funktionalen Schichten von Festkörpern genutzt [6, 7]. 2 Methodik 2.1 Flugzeit-Sekundärionen-Massenspektrometrie Die ToF-SIMS wurde genutzt, um die Moleküle der tribologisch funktionalen Schicht der Stahllamellenoberfläche zu analysieren. Bei dieser Art von Analyse wird durch den Beschuss der Festkörperoberfläche mit Primärionen eine Emission von Sekundärteilchen in Form von positiv, negativ und neutral geladenen Atomen und Molekülen ausgelöst. Bei den geladenen Teilchen führt das unterschiedliche Verhältnis von Masse zu Ladung nach einer elektrostatischen Beschleunigung zu unterschiedlichen Flugzeiten in einem Flugrohr. Aufgrund dieser Flugzeitunterschiede können die Sekundärteilchen in einem Detektor unterschieden und in der Folge Aus Wissenschaft und Forschung 8 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 2/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0008 wie z. B. Energie- und Leistungseinträge in definierten Schlupfzuständen, aber auch System- und Umwelteinflüsse, wie z. B. Verschleiß weiterer Systemkomponenten, Betriebsmittel, Wasser oder sonstige Kontaminationen, die mit dem Kupplungsreibkontakt wechselwirken. Infolge der Komplexität des Systems ist es oft eine Herausforderung im Falle einer tribologisch begründeten Fehlfunktion der Kupplung im Fahrzeugeinsatz diese mit den durch äußeren Einflussfaktoren veränderten Eigenschaften der tribologisch beanspruchten Lamellen und dem Öl eindeutig zu korrelieren. Das ist insbesondere der Fall, wenn nicht sichtbare Veränderungen auf molekularer Ebene ursächlich für die Kupplungsfehlfunktion sind. Erschwert wird die Fehleranalyse in der Praxis zusätzlich dadurch, dass in den meisten Fällen nur eine geringe und nicht repräsentative Anzahl an negativ beurteilten Versuchsmustern aus auffälligen Aggregaten und positiv beurteilten Referenzmustern zur Verfügung steht, welche darüber hinaus vergleichbaren Betriebsbeanspruchungen ausgesetzt waren. Allerdings ist ein tiefergehendes Verständnis zu den wirkenden Mechanismen im Reibkontakt unbedingt notwendig, um geeignete Anforderungen in einer Tribosystementwicklung zur Robustheitssteigerung von Lamellen und Öl entsprechend der zu erwartenden Beanspruchung zu berücksichtigen. Im hier analysierten Fall war aus einer Vielzahl an vorangegangenen Untersuchungen auf Komponenten-, Aggregate- und Fahrzeugtestebene bekannt, dass eine unzulässige Wasserbeanspruchung ursächlich für einige repräsentative und auffällige Kupplungssysteme im Fahrzeug war, wobei die Wasserwirkung im System zu einer Ölschädigung und in Folge zu einer Geräuschauffälligkeit der Kupplung sowie erhöhtem Stahllamellenabtragsverschleiß geführt hat. Eine Möglichkeit die Wasserkonzentration im Öl nachzuweisen ist durch die indirekte Karl-Fischer-Analyse gegeben. Das Ergebnis zur Höhe der Wassermenge, die während des Betriebes auf das Öl eingewirkt hat ist mit dieser Art der Analysemethode in vielen Fällen allerdings nicht repräsentativ, da äußere Einflüsse, wie z. B. die auf die Ölprobe wirkenden Temperaturwechselintervalle, die Ölprobenlagerung, der Transport der Ölprobe zum Analyselabor oder aber die Ölprobenhandhabung bekanntlich ausgehend vom Zeitpunkt der Fehlerauffälligkeit bis zum Zeitpunkt der Analyse zu einem Ausdampfen des Wassers aus dem Öl führen können. Damit wird Wasser als ursächlicher Einflussparameter auf Ölschädigung in vielen Fällen bei der Fehleranalyse vernachlässigt. Hinzu kommt, dass der durch das Wasser resultierende Verschleißmechanismus auf molekularer Ebene bisher wenig erforscht ist und lediglich einzelne Arbeiten die negative Wirkung von Wasser auf das Geräuschverhalten von nasslaufenden Kupplungen unter gezielter Wasserzugabe nachgewiesen haben: In [1] wurde festgestellt, dass die Zugabe von Wasser in nasslau- TuS_2_2022.qxp_TuS_2_2022 01.06.22 12: 44 Seite 8 analysiert werden. Ein Vorteil dieser Art der Massentrennung, insbesondere gegenüber weiteren oberflächensensitiven Analysemethoden, ist die parallele Detektion aller ausgelösten Teilchenspezies. Die ToF SIMS bietet eine hohe Massenauflösung (m/ Δm≥ 10.000) und somit eine Nachweisgrenze im ppm Bereich, wodurch prinzipiell keine Einschränkung des detektierbaren Massenbereichs besteht. Die analysierten Teilchenkonzentrationen können allerdings nur unter Verwendung von Standards quantifiziert werden. 80 % der Sekundärionen stammen aus der obersten Atomlage des Festkörpers, wodurch diese Methode eine hohe Oberflächensensitivität aufweist und als quasi-zerstörungsfrei betrachtet wird. Mittels Ionensputtern ist es außerdem möglich Tiefenprofile der Probenoberfläche zu erstellen. In einer vorangegangenen Arbeit der Autoren wurde die Leistungsfähigkeit von ToF-SIMS zur Analyse von Verschleißmechanismen in nasslaufenden Fahrzeugkupplungen gezeigt [8]. 2.2 Elektrospray-Ionisation mit hochauflösender Massenspektrometrie Die Elektrospray-Ionisation Massenspektrometrie (ESI- MS) wurde für die Analyse der Referenz- und Gebrauchtöle verwendet, wobei hierbei eine minimale Ölmenge von weniger als 1 ml ausreichend ist. Als Detektor wird der hochauflösende Orbitrap-Detektor (m/ Δm 60.000, Massengenauigkeit besser 3 ppm) verwendet. Diese Hochauflösung und damit genaue Bestimmung des Masse-zu-Ladungs-Verhältnisses erlauben eine präzise Zuordnung zu vorkommenden Molekülen. Vor der Messung wurden die Ölproben in einer Methanol-Chloroform-Mischung gelöst (volumetrisches Verhältnis 3: 7, Verdünnungsfaktor 1: 1000). Mittels ESI werden durch Anlegen einer elektrischen Spannung und dem „Versprühen“ der Mischung die Moleküle der Probe ionisiert und das Lösemittel verdampft. Diese Ionen werden in der hochauflösenden MS analysiert, wodurch eine Detektion verschiedener Molekülgruppen im positiven und negativen Messmodus möglich wird. 3 Resultate 3.1 Ergebnisse der ToF-SIMS-Analyse In Bäse et al. 2019 [8] wurden bereits Kennwerte zur Beschreibung von tribologisch funktionalen Schichten anhand von ToF-SIMS-Analysen an der Stahllamellenoberfläche herausgearbeitet. Dazu zählen: - die Tiefe, in der das Maximum des Signalverlaufes eines Additivelementes bzw. einer Additivelementverbindung als Funktion der Sputtertiefe detektiert wurde (nachfolgend bezeichnet als „Tiefe der Triboschicht“) - der Flächenanteil unter dem Signalverlauf eines Additivelementes bzw. einer Additivelementverbindung als Funktion der Sputtertiefe über einer definierten Schnittlinie (nachfolgend bezeichnet als „Dicke der Triboschicht“) Eine der stärksten Korrelationen zwischen Wasserbeanspruchung und Ausprägung der funktionalen Schicht der Stahllamellenoberfläche konnte u.a. im Kalziumsignal identifiziert werden, dessen Verlauf beispielhaft in Bild 1 in Relation zur Sputtertiefe (Primary Ion Dose Density, PIDD) dargestellt ist [8]. Kalzium war dabei auch ein Bestandteil des in dem ATF Öl verwendeten Aus Wissenschaft und Forschung 9 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 2/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0008 Bild 1: Kennwerte der tribologischen Funktionsschicht am Beispiel des Ca + Signals [1] TuS_2_2022.qxp_TuS_2_2022 01.06.22 12: 44 Seite 9 scher Additivkomponenten von Ölproben aus Fahrzeug- und Komponententests mit dem gleichen Ausgangstribosystem sowie mit zulässiger und unzulässiger Wasserbeanspruchung zu korrelieren. Damit sollten Rückschlüsse auf eine durch Wasser verursachte chemische Veränderungen auf molekularer Ebene gezogen werden, wodurch es möglich werden sollte die durch unzulässige Wasserbeanspruchung veränderten Additivelementtypen zu identifizieren. Die detaillierte Beschreibung der Vorgehensweise wurde in Franz et al. 2020 [9] bereits vorgestellt. Die ESI-MS-Resultate der unterschiedlichen Proben aus Fahrzeugen und Komponententests waren miteinander vergleichbar, da die Ölsumpftemperaturen und Kupplungsbeanspruchungen in allen Fällen ähnlich waren. Damit war es möglich, die gemessenen m/ z-Intensitäten spezifischer Additivkomponenten in Abhängigkeit der Reibarbeit als signifikanten einflussnehmenden Parameter darzustellen. Weitere einflussnehmende Unterschiede wie z. B. der durch höheren Stahllamellenabtragsverschleiß bedingte Eisengehalt Öle in den Aggregaten mit unzulässig hoher Wasserbeanspruchung konnten als Einflussparameter in der Interpretation der m/ z-Intensitäten ausgeschlossen werden, da der Eisengehalt in den Komponententests mit unzulässiger Wasserbeanspruchung sehr gering war und dennoch ähnliche Tendenzen in den entsprechenden m/ z-Intensitäten im Komponententest und im Aggregatebetrieb mit unzulässiger Wasserbeanspruchung festgestellt werden konnten. Aus der Analyse gingen basierend auf diesen Ausgangspunkt der Bewertung definierte m/ z-Intensitäten von Additivkomponenten hervor, die eine Korrelation zwischen der gemessenen Intensität und dem Kupplungsenergieeintrag des Tribosystems sowie der zulässigen und unzulässigen Wasserbeanspruchung zeigten. In Bild 3 ist eine solche Korrelation beispielhaft für eine m/ z-Intensität von 314,34 dargestellt. Die drei Proben aus voneinander unabhängigen Fahrzeugen, welche einer zulässigen Wasserbeanspruchung ausgesetzt waren, zeigen tendenziell niedrigere Intensitäten als die Proben mit unzulässiger Wasserbeanspruchung, und steigen linear ab- Aus Wissenschaft und Forschung 10 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 2/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0008 Additiv-Performance Package, welches in den Verteilergetrieben zur Anwendung kam. In einem der in den Fahrzeugen betriebenen Aggregate hatte nachweislich eine unzulässige Wasserbeanspruchung auf das Tribosystem gewirkt. Ein Aggregat in einem anderen Fahrzeug mit dem gleichen Ausgangstribosystem wurde mit einer zulässigen Wasserbeanspruchung betrieben. Die „Tiefe der Triboschicht“ liegt dabei in einer geringeren Sputtertiefe bei der mit unzulässiger Wasserbeanspruchung betriebenen Stahllamellenoberfläche verglichen zur Stahllamellenoberfläche, die einer zulässigen Wasserbeanspruchung im Öl ausgesetzt waren. Ebenso ist die „Dicke der Triboschicht“ bei der Stahllamellenoberfläche mit unzulässiger Wasserbeanspruchung geringer als die „Dicke der Triboschicht“ bei der Stahllamellenoberfläche mit zulässiger Wasserbeanspruchung. Eine solche Differenzierung konnte außerdem bei den Additivbestandteilen Bor (ausschließlich Auffälligkeiten in der „Dicke der Triboschicht“), Magnesium, Phosphor, CaPO 2 und CaO 2 festgestellt werden. [8] Die gleichen Tendenzen wurden ebenso mittels ToF- SIMS-Analyse nach Komponententestversuchen im Tribometer in der Stahllamellenoberflächen ohne bzw. mit unzulässiger Wasserbeanspruchung während eines Dauerlauftests beobachtet. Bild 2 zeigt schraffiert den Vergleich von einem Referenzkomponententest mit einem Komponententest, bei welchem wiederholt Wasser in definiert hoher Dosierung hinzugefügt wurde. Im Vergleich dazu sieht man einen deutlich stärkeren Kalziumabbau im Realsystem, weshalb hier von einer unzulässig hohen Wasserbeanspruchung auszugehen ist. Ebenso war es möglich die Erkenntnisse mit der Analyse eines anderen Produktes auf ein weiteres Tribosystem zu übertragen, welches im Aggregateversuch einer unzulässigen Wasserbeanspruchung ausgesetzt war [8]. 3.2 Ergebnisse der ESI-MS-Analyse Ziel der ESI-MS Untersuchung war es, Korrelationen zwischen dem Fehlverhalten der Kupplung und der Intensität von Masse-Ladungsverhältnissen (m/ z) spezifi- Bild 2: Kennwertvergleich der tribologischen Funktionsschicht im Fahrzeug und im Komponententester am Beispiel des Ca + Signals [1] TuS_2_2022.qxp_TuS_2_2022 01.06.22 12: 44 Seite 10 hängig vom Kupplungsenergieeintrag geringfügig an (vgl. hell eingefärbter Bereich in Bild 3). Die Intensitäten aus Ölanalysen von Proben aus voneinander unabhängigen Komponententests und Fahrzeugen, die einer unzulässig hohen Wasserbeanspruchung ausgesetzt waren, sind bei den definierten Energieeinträgen stets größer (vgl. dunkel eingefärbter Bereich in Bild 3), als die Intensitäten von Ölproben mit zulässiger Wasserbeanspruchung. Weiterhin lässt sich feststellen, dass im Vergleich der Analyseergebnisse von Ölproben mit unzulässiger Wasserbeanspruchung kein linearer Zusammenhang in Bezug zum Kupplungsenergieeintrag gegeben ist. Hingegen kann bei den Proben mit zulässigen Wassereintrag ein solcher linearer Zusammenhang festgestellt werden. 4 Diskussion Infolge der in Kapitel 3 gezeigten Erkenntnisse wurde nachfolgende Hypothese zu den beobachteten Unterschieden in den ESI-MS-Resultaten bei den Gebrauchtölproben mit zulässiger und unzulässiger Wasserbeanspruchung entwickelt: In Bild 4 ist eine Reaktionsgleichung skizziert, aus der eine Umwandlung von detektierten Molekülen (Edukte) in detektierte Moleküle (Produkte) möglich erscheint, die infolge von Wasser- und Temperatureinfluss entstehen. Eine solche Temperatureinwirkung kann beispielsweise durch den durch die Fahrzeugkupplung verursachten Energie- und Leistungseintrag entstehen. Die vorliegende Hypothese beschränkt sich auf die Stoffklasse der Talgamine. In Tabelle 1 sind folgende Kenngrößen zusammengefasst: - Edukte mit chemischen Summenformeln und zugehörigen Molekülmassen, welche in folgenden Proben mit vergleichbarer Intensität detektiert wurden: • im Frischöl • in Gebrauchtölproben mit zulässiger und unzulässiger Wasserbeanspruchung - Produkte mit chemischen Summenformeln und zugehörigen Molekülmassen, welche in folgenden Proben detektiert wurden und infolge einer chemischen Reaktion wie in Bild 4 dargestellt entstehen können: • im Frischöl in geringerer Intensität • in Gebrauchtölen mit zulässiger Wasserbeanspruchung mit geringer Intensität • in Gebrauchtölen mit unzulässiger Wasserbeanspruchung mit hoher Intensität - Für Edukte und Produkte: • theoretische Molekülmassen, die eindeutig einer chemischen Verbindung zugeordnet werden können • die in der MS detektierten Molekülmassen, und die zugehörige mögliche chemische Verbindung Aus Wissenschaft und Forschung 11 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 2/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0008 Bild 3: Darstellung der Intensitäten bei m/ z 314,34 Bild 4: Reaktionsgleichung anhand des Beispiels Talgamin TuS_2_2022.qxp_TuS_2_2022 01.06.22 12: 44 Seite 11 chemische Änderung ist nicht reversibel, weshalb zusätzlich zu den Erkenntnissen aus Untersuchungen auf Komponenten-, Aggregate- und Fahrzeugebene auch auf molekularer Ebene von einer Ölschädigung gesprochen werden kann. Darüber hinaus wurden Veränderungen der tribologischen Funktionsschicht der Stahllamellen anhand der Kennwerte „Tiefe der Triboschicht“ und „Dicke der Triboschicht“ mittels ToF-SIMS nachgewiesen. Naheliegend ist dabei weiterhin, dass die Stahllamellen infolge der veränderten tribologischen Funktionsschicht einen erhöhten Abtragsverschleiß aufwiesen [8]. In weiterführenden, nicht im vorliegenden Paper beschriebenen Aggregateversuchen war es möglich Gebrauchtlamellen, welche mit gleichem Schadensmechanismus typisiert werden konnten, mit Frischöl in einem Kupplungslauf ohne Fehlerverhalten dauerhaft zu betreiben. Deshalb wird davon ausgegangen, dass sich die veränderten tribologischen Funktionsschicht der Stahllamellen bei Einwirkung von Frischöl und Energieeintrag quasi regenerieren und der zur Veränderung der tribologischen Funktionsschicht der Stahllamellen führende Prozess somit reversibel ist. Diese Hypothese soll in weiterführenden Analysen untersucht werden. Die Erkenntnisse ermöglichen es geeignete Anforderungen zur Robustheitssteigerung des tribologisch beanspruchten Systems „ölgeschmierte Lamellenkupplung“ in zukünftige Entwicklungen einfließen zu lassen. 6 Danksagung Die präsentierten Ergebnisse wurden in Forschungsprojekten mit finanzieller Unterstützung seitens der beteiligten Projektpartner und des österreichischen Programms (InTribology, Nr. 872176) erarbeitet. Das COMET-Programm wird finanziert durch Mittelzuwendung seitens der österreichischen Bundesregierung, sowie der Bundesländer Niederösterreich und Vorarlberg InTribology betreffend. Aus Wissenschaft und Forschung 12 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 2/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0008 Bei den in Tabelle 1 aufgeführten Molekülen handelt es sich dabei um ethoxylierte Talgamine (ETA), die zum Beispiel als Friction Modifier in Schmierstoffen bekannt sind [10, 11, 12]. Friction Modifier sind ein notwendiger Bestandteil des Öles, um eine fehlerfreie Kupplungsfunktion zu gewährleisten. 5 Zusammenfassung Aus einer Vielzahl an vorangegangenen Untersuchungen auf Komponenten-, Aggregate- und Fahrzeugtestebene war bekannt, dass eine unzulässige Wasserbeanspruchung ursächlich für mehrere repräsentative und auffällige Kupplungssysteme im Fahrzeug war, wobei die Wasserwirkung im System zu einer Ölschädigung und in Folge zu einer Geräuschauffälligkeit der Kupplung sowie erhöhten Stahllamellenabtragsverschleiß geführt hat. Mit den hier vorgestellten Ergebnissen aus ESI-MS und ToF-SIMS Untersuchungen konnte anhand der zur Verfügung gestandenen Versuchsmuster „Stahllamellen“ und „Öl“ ein tieferes Verständnis des in Zusammenhang mit einer Wasserbeanspruchung vorherrschenden Tribosystem-Verschleißmechanismus auf molekularer Ebene erbracht werden: Eine unzulässige Wasserbeanspruchung des Kupplungsöls resultiert in der ESI-MS Untersuchung in einer auf molekularer Ebene sichtbaren Veränderung der Intensität von definierten m/ z Werten in Abhängigkeit vom Kupplungsenergieeintrag verglichen zu dem Kupplungsöl, welches einer zulässigen Wasserbeanspruchung ausgesetzt war. Beispielhaft wurde die chemische Änderung anhand eines für die Kupplungsfunktion notwendigen Talgamin-Moleküls vorgestellt und mit einer möglichen chemischen Reaktionsgleichung begründet, die infolge von Wasser- und Temperatureinwirkung zur detektierten chemischen Änderung führen kann. Die Temperatureinwirkung kann beispielsweise durch den durch die Fahrzeugkupplung verursachten Energie- und Leistungseintrag entstehen. Eine solche Formel Molekülmasse (theoretisch) Formel Molekülmasse (MS detektiert) Formel Molekülmasse (theoretisch) Formel Molekülmasse (MS detektiert) C 18 H 39 O 2 N 301,2988 C 18 H 40 O 2 N 302,30 C 16 H 35 ON 257,2719 C 16 H 36 ON 258,28 C 20 H 43 O 2 N 329,3294 C 20 H 44 O 2 N 330,34 C 18 H 39 ON 285,3032 C 18 H 40 ON 286,31 C 22 H 47 O 2 N 357,3607 C 22 H 48 O 2 N 358,37 C 22 H 43 ON 313,3345 C 22 H 44 ON 314,34 C 22 H 45 O 2 N 355,3450 C 22 H 46 O 2 N 356,35 C 22 H 41 ON 311,3188 C 22 H 42 ON 312,32 Edukt (im Frischöl und in allen untersuchten Gebrauchtölproben) Produkt (in allen untersuchten Gebrauchtölproben, in höherer Intensität bei den Gebrauchtölen mit unzulässiger Wasserbeanspruchung) M [M+H] + M [M+H] + Tabelle 1: Produkte in Relation zu deren möglicher Herkunft (Edukt) TuS_2_2022.qxp_TuS_2_2022 01.06.22 12: 44 Seite 12 7 Literatur [1] Fatima N., Impact of water contamination and system design on wet clutch tribological performance, Dissertation, Lulea University of Technology, 2014. 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