eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 69/5-6

Tribologie und Schmierungstechnik
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2022-0039
In dieser Arbeit wurde das Reibungsverhalten von Kettengelenken mit triboaktiv beschichteten Bolzen analysiert. Dafür wurde die nitridische Hartstoffbeschichtung (Cr,Al)N+Mo, hergestellt mittels PVD Verfahren, untersucht. Zur Schmierung kam ein mit Schwefel additiviertes Modelfett zum Einsatz. So sollen tribochemische Transferschichten erzeugt werden, die unter tribologischer Beanspruchung vom Kettenbolzen auf die Hülse übertragen werden. Als Referenz wurden außerdem Messungen an einem (Cr,Al)N-Schichtsystem sowie an unbeschichteten Proben durchgeführt. Als weitere Einflussgrößen wurden zudem verschiedene Normalkräfte, Gleitgeschwindigkeiten und Temperaturen betrachtet. Die Ermittlung der Reibmomente erfolgte mit dem am Lehrstuhl für Maschinenelemente, Getriebe und Tribologie (MEGT) entwickelten Kettengelenktribometer.
2022
695-6 Jungk

Einfluss von Beschichtungen zur triboaktiven Transferschichtbildung auf die Reibung in Kettengelenken

2022
Martin Rank
Dominik Meffert
Manuel Oehler
Oliver Koch
1 Einleitung Die Effizienz technischer Systeme wird maßgeblich durch Reibung bestimmt [1]. Daher spielt die Reibungsreduktion in mechanischen Kontakten eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Maschinenelementen. Besonders der Einsatz additivierter Schmierstoffe stellt eine kostengünstige Möglichkeit zur Reibungsreduktion in tribologischen Systemen dar [2]. Allerdings ist die Konfektionierung eines Schmierstoffes komplex und geringe Änderungen der Additivierung können starke Auswirkungen auf das tribologische Verhalten im Kontakt bewirken. Daher werden Schmierstoffe in der Regel auf das entsprechende Einsatzgebiet abgestimmt [3]. Vor allem in Kombination mit geeigneten Beschichtungen der Kontaktpartner kann das Reibungs- und Verschleißverhalten in Kontakten, speziell unter hohen tribologischen Lasten, stark verbessert werden [4]. Besonders nitridische Hartstoffschichten, die mittels Physical Vapour Aus Wissenschaft und Forschung 5 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0039 rachwissenschaft \ ltphilologie \ Sport munikationswissenche Sprachwissenment \ Altphilologie d Kommunikations- Historische Sprach- Management \ Altstik \ Bauwesen \ tschaft \ Tourismus gie \ Kulturwissenhichte \ Anglistik \ \ BWL \ Wirtschaft Einfluss von Beschichtungen zur triboaktiven Transferschichtbildung auf die Reibung in Kettengelenken Martin Rank, Dominik Meffert, Manuel Oehler, Oliver Koch* Eingereicht: 7.9.2022 Nach Begutachtung angenommen: 22.12.2022 Dieser Beitrag wurde im Rahmen der 63. Tribologie-Fachtagung 2022 der Gesellschaft für Tribologie (GfT) eingereicht. In dieser Arbeit wurde das Reibungsverhalten von Kettengelenken mit triboaktiv beschichteten Bolzen analysiert. Dafür wurde die nitridische Hartstoffbeschichtung (Cr,Al)N+Mo, hergestellt mittels PVD Verfahren, untersucht. Zur Schmierung kam ein mit Schwefel additiviertes Modelfett zum Einsatz. So sollen tribochemische Transferschichten erzeugt werden, die unter tribologischer Beanspruchung vom Kettenbolzen auf die Hülse übertragen werden. Als Referenz wurden außerdem Messungen an einem (Cr,Al)N-Schichtsystem sowie an unbeschichteten Proben durchgeführt. Als weitere Einflussgrößen wurden zudem verschiedene Normalkräfte, Gleitgeschwindigkeiten und Temperaturen betrachtet. Die Ermittlung der Reibmomente erfolgte mit dem am Lehrstuhl für Maschinenelemente, Getriebe und Tribologie (MEGT) entwickelten Kettengelenktribometer. Schlüsselwörter Ketten, Kettengetriebe, Kettengelenk, Reibung, triboaktive Transferschichten, Tribometer, Triboreaktion, Transverschichtbildung Influence of coatings for triboactive transfer layer formation on friction in chain joints In this work, the friction behavior of chain joints with triboactively coated pins was analyzed. For this purpose, the nitride hard coating (Cr,Al)N+Mo, produced by means of a PVD process, was investigated. A sulfur-added model grease was used for lubrication. This is to produce tribochemical transfer coatings that are transferred from the chain pin to the sleeve under tribological loading. As a reference, measurements were also carried out on a (Cr,Al)N coating system and on uncoated samples. Various normal forces, sliding speeds and temperatures were also considered as further influencing variables. The frictional torques were determined using the chain joint tribometer developed at the Chair of Machine Elements, Gears and Tribology (MEGT). Keywords Chain, Chain drives, chain joint, friction, triboactive transfer layer, tribometer, triboreaction, transfer layer formation Kurzfassung Abstract * Dipl.-Ing. Martin Rank (federführender Autor) Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-9366-4142 Dipl.-Ing. Dominik Meffert Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0001-9148-7966 Jun. Prof. Dr.-Ing. Manuel Oehler Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0001-8251-0896 Prof. Dr.-Ing. Oliver Koch Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0001-5967-0242 Technische Universität Kaiserslautern Lehrstuhl für Maschinenelemente, Getriebe und Tribologie 67663 Kaiserslautern, Gottlieb-Daimler-Str. TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 5 teten Kettenbolzen auf die Hülse übertragen. Eine wissenschaftliche Untersuchung dieses Ansatzes im System Kette wurde bisher nicht durchgeführt. Daher werden im Rahmen dieses Beitrags experimentelle Untersuchungen zur Reibung im Hülsen-Bolzen-Kontakt von Rollenketten unter Verwendung einer triboaktiven (Cr,Al,Mo)N Beschichtung der Bolzen vorgestellt. Dafür werden Reibungsmessungen mit Hilfe des am Lehrstuhl für Maschinenelemente, Getriebe und Tribologie (MEGT) entwickelten Kettengelenktribometers [13] durchgeführt. Dieses bietet die Möglichkeit der Betrachtung eines einzelnen Kettengelenks und damit die Analyse der Reibung im Gelenkkontakt. 2 Methoden Konventionelle Kettenprüfstande bilden komplette Kettengetriebe ab (Bild 2). Die Prüfketten werden in der Regel elektrisch oder mechanisch verspannt. Diese Art der Experimente erfordert daher den Einsatz vollständiger Ketten sowie entsprechenden bauformabhängigen Triebbauteilen wie Kettenrädern. Für Verschleißmessungen ist häufig eine Demontage der Prüfkette erforderlich. Reibungsmessungen sind technisch schwierig, weshalb in der Regel nur Gesamtwirkungsgrade der Getriebe zur Analyse der Systemverluste genutzt werden können. Im Kettengelenktribometer hingegen werden Experimente an Einzelgelenken von Ketten durchgeführt (Bild 3). Dies ermöglicht die detaillierte Betrachtung der verschiedenen Kontakte im System Kette. Verschleiß kann in Echtzeit gemessen werden, ohne dass eine De- und Wiedermontage der Komponenten erforderlich ist. Außerdem erlaubt der Aufbau des Tribometers die Reibungsmessung im Einzelkontakt. So können Daten erhoben werden, die in einem kompletten Kettengetriebe nur schwer und in der Regel ausschließlich mittels sekundärer Messgrößen zu erfassen sind. Zudem erlaubt das Kettengelenktribometer die Einordnung der Reibungsverluste aus den Einzelkontakten in das Gesamtsystem. Aus Wissenschaft und Forschung 6 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0039 Deposition (PVD) Verfahren hergestellt werden, bieten sich aufgrund der geringen Schichtdicken und damit guter Form- und Maßtoleranz bei gleichzeitig hoher Härte an [5]. Diese Schichten können bereits bei Prozesstemperaturen unter 200 °C abgeschieden werden. Thermische Gefügeveränderungen im Grundkörper während des Beschichtungsprozess können so unterbunden werden. Durch die Einbettung triboaktiver Elemente wie Molybdän und gezielter Additivierung von Schmierstoffen mit Schwefel konnten in Modelversuchen mittels Stift-Scheibe-Tribometer eine signifikante Reibungsreduktion bei hohen Belastungen in tribologischen Systemen nachgewiesen werden [6]. Dies wird auf tribochemische Reaktionen zurückgeführt. Zunehmender Verschleiß sorgt dafür, dass das eingebettete Molybdän freigelegt und über längere Zeit für Reaktionen bereitgestellt wird. Durch Reibungsenergie im Kontakt und die Bereitstellung von Schwefel im Schmierstoff werden chemische Reaktionen angeregt und es kommt zu Bildung von Molybdändisulfid [7]. Auch konnte gezeigt werden, dass sowohl (Cr,Al)N-Beschichtungen wie auch triboaktive (Cr,Al,Mo)N-Beschichtungen das Verschleißverhalten von Ketten stark verbessern. Allerdings wurden bisher keine wissenschaftlichen Analysen zum Reibungsverhalten an Ketten mit diesen Schichtsystemen durchgeführt. Das günstigere Verschleißverhalten zeigt jedoch, dass der Einsatz geeigneter tribologischer Systeme auch in Kettengetrieben eine Optimierungsmöglichkeit darstellt [8]. Dort treten vor allem im Kontakt zwischen Kettenbolzen und -Hülse hohe Kontaktkräfte unter oszillierenden Relativbewegungen beim Ein- und Auslauf auf die Kettenräder sowie durch Schwingungen im Leertrum auf (Bild 1) [9]. Vor allem in den Randbereichen des Kontakts werden starke lokale Pressungsüberhöhungen beobachtet [10]. Zwischen 28 % und 45 % der gesamten Verlustleistung von Kettengetrieben sind auf den Hülsen-Bolzen-Kontakt im Kettengelenk zurückzuführen [11]. Neben Führungs- und Spannelementen wird die Verlustleistung von Kettengetrieben daher maßgeblich durch die Reibung im Kettengelenk bestimmt [12]. Eine Optimierung dieses Kontakts führt folglich zur Effizienzsteigerung von Ketten. Da sich die Beschichtung der Hülseninnenkontur jedoch als technisch-wirtschaftlich schwierig darstellt, ist ein Ansatz zur Reduktion der Reibung im Kontakt die Erzeugung einer tribochemischen Transferschicht. Diese wird unter tribologischer Beanspruchung vom beschich- Bild 1: Schematische Darstellung der Kontaktsituation im Kettengelenk Bild 2: Elektrischer Kettenverspannprüfstand des MEGT [13] TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 6 Eine gezielte Optimierung der verschiedenen Kontaktstellen wird möglich. Durch den Einsatz einzelner Gelenke reduziert sich zudem der Materialaufwand im Vergleich zu konventionellen Aggregatsversuchen an Kettengetrieben signifikant. Der Aufbau kompletter Ketten ist nicht notwendig, wodurch besonders prototypische Experimente kosten- und zeiteffizient realisiert werden können. Die Menge der zu fertigenden Komponenten reduziert sich von einigen hundert auf einzelne Kettenglieder. Dennoch werden reale Komponenten verwendet. Die Untersuchungen sind folglich deutlich praxisnäher als typische Modellversuche wie beispielsweise mittels Stift-Scheibe-Tribometer. Der modulare Aufbau erlaubt den Verbau verschiedener Kettenbaugrößen ohne einen Mehraufwand durch die Montage baugrößenspezifischer Komponenten wie Kettenräder. Die maximal montierbare Kettenteilung p, die auf dem Kettengelenktribometer untersucht werden kann, liegt bei p = 1 “. Auch bei der Belastung des Gelenks ergeben sich neue Freiheitsgerade verglichen mit klassischen Kettenprüfständen. Mithilfe von Mehrkörpersimulationen können realistische Lasten, die auf ein Gelenk während des Umlaufs im Kettengetriebe wirken, berechnet werden. Dies ermöglicht den direkten Vergleich zwischen konventionellen Kettenprüfstanden bzw. realen Getrieben und dem Kettengelenktribometer. Darüber hinaus ist aber auch die Abbildung fiktiver Lastkollektive, wie beispielsweise symmetrischer Schwenkbewegungen bei dauerhaft konstanten Zugkräften, möglich. Die Auflösung der kinematischen Randbedingungen, die vom Trieblayout und damit dem Gesamtsystem des Kettengetriebes bestimmt werden, erlaubt eine vollständig freie Definition von Lastkollektiven. Komplexe Relativbewegungen und wechselnde Belastungen, wie sie in Kettengetrieben mit mehreren Kettenrädern zu beobachten sind können, genauso wie vereinfachte Bedingungen, aufgebracht werden. Anhand parametrischer Untersuchungen verschiedener Einflussgrößen, die in kompletten Kettengetrieben nicht direkt abbildbar sind, kann ein größeres Verständnis für die tribologischen Bedingungen im Kontakt gewonnen werden. Zudem wurde der Prüf- Aus Wissenschaft und Forschung 7 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0039 Bild 3: Aufbau einer Drehmomentmesszelle des Kettengelenktribometers inklusive Heizgerät zur Reibmomentmessung in Kettengelenken Drehmoment M L a g e r 1 L a g e r 2 P rü fg e le n k L a g e r 3 L a g e r 4 Δ M Reib Bild 4: Schematische Darstellung der Sensorkonfiguration zur Drehmomentmessung TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 7 Dadurch stellen sich zwischen den Umkehrpunkten der Schwenkbewegung konstante Gleitgeschwindigkeiten im Gelenk ein. Zudem wird eine konstante Zugkraft aufgebracht, um eine definierte Berechnung des Reibwerts zu gewährleisten. Anhand des gemessenen Reibmomentes M reib , der Normalkraft F N und dem Bolzenradius r berechnet sich der Reibkoeffizient μ: (I) Der oszillierende Schwenkwinkel führt zu einer Richtungsumkehr des Reibmomentes. Dabei bildet sich bei jedem Abwinkelvorgang über dessen Dauer t Gleit ein Plateau des Reibmomentes aus (Bild 6). Dieses baut sich zu Beginn des Abwinkelvorgangs auf und konvergiert gegen einen quasi-konstanten Wert, der nach etwa der halben Schwenkbewegung erreicht wird. Eine Auswertung des Reibkoeffizienten über die zweite Hälfte einer Schwenkbewegung bietet sich daher an. Die Auswertung der gesamten Messstrecke über die einzelnen Zeitsegmente t i bietet die Möglichkeit der statistischen Ab- Aus Wissenschaft und Forschung 8 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0039 aufbau um eine Heizapparatur erweitert, die eine Erwärmung des Kettengelenks im Trockenlauf, aber auch unter Fett- oder Feststoffschmierung auf bis zu 90 °C ermöglicht. Der Aufbau des Kettengelenktribometers erlaubt die unmittelbare Messung des am Kettengelenk abfallenden Reibmomentes. Die direkte Messung des Reibmoments führt dazu, dass sonstige Systemverluste, wie sie z.B. aus der Lagerreibung resultieren, vollständig kompensiert werden. Das Drehmoment wird mit Messwellen, die sich zwischen den Lagern und dem Kettengelenk befinden, erfasst (Bild 4). Die Differenz der gemessen Drehmomente beider Sensoren entspricht dem im Kettengelenk abfallenden Reibmoment. Der Abwinkelvorgang im Kettengelenk beim Auf- und Ablauf auf die Kettenräder ist ein dynamischer Prozess. Die Gleitgeschwindigkeiten sind daher nicht konstant. Um die Reibung im Kettengelenk dennoch zu bewerten, wird ein vereinfachtes Lastkollektiv angewendet. Als Schwenkwinkel α wird ein Dreieckverlauf vorgegeben (Bild 5). Bild 6: Auswertungsbereich der Reibungsmessung Bild 5: Zeitlicher Verlauf von Schwenkwinkel und Reibkoeffizient bei Reibungsmessung bildung der Gelenkreibung. Zur Ermittlung der Gelenkreibung erfolgt zunächst eine Abschnittsweite Berechnung der Reibkoeffizienten: (II) Um die Richtungsabhängigkeit des Reibmomentes zu eliminieren, wird der mittlere Reibkoeffizient über die Beträge der Reibung in den Segmenten berechnet: (III) Alle Messungen wurden mit einer Dauer von t = 30 s durchgeführt. Abhängig von der betrachteten Schwenkfrequenz entspricht dies 15 bis 45 Dreieckszyklen. TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 8 3 Versuchsdurchführung Die Reibungsanalysen werden an drei Bolzenvarianten durchgeführt. Alle Bolzen stammen aus der gleichen Fertigungscharge. Das Grundmaterial der Bolzen ist ein gehärter und angelassener Stahl des Typs 58CrV4 (1.8161). Die Bolzen, die zur Beschichtung bestimmt sind, durchlaufen zusätzlichen einen Gleitschleifprozess für eine Optimierung der Verbundhaftung der Beschichtung. Bei den eingesetzten Beschichtungen handelt es sich um die nidtrische Hartstoffschicht (Cr,Al)N sowie eine um Molybdän ergänzte Variante dieser ((Cr,Al,Mo)N). Bei den Prüfgelenken handelt es sich um Kettenbauteile der Bauform 10-B1 nach DIN ISO 606 [14] mit einer Teilung von p = 15,875 mm bzw. 5/ 8 “. Bei allen Versuchen wird ein Modelfett der NLGI-Klasse 1 nach DIN 51818 [15] auf teilsynthetischer Ölbasis mit einem organischen Verdicker zur Schmierung verwendet. Um tribochemische Reaktionen zu begünstigen, wurde neben Antioxidantien, Extreme Pressure und Anti-Wear Additiven zusätzlich gezielt Schwefel beigefügt. Die Reibungsmessung erfolgte, wie in Tabelle 1 beschrieben, unter Variation der Gleitgeschwindigkeit, Zugkraft und Temperatur. Außerdem wurde untersucht, ob sich Einlaufvorgänge auf die Reibung in den Gelenken auswirken. Dafür wurde ein Teil der Proben für 24 h mit einem Lastkollektiv, das einem simulierten Kettengetriebe entspricht, auf einen eingelaufenen Zustand konditioniert (Bild 7). Das Trieblayout, dass der Berechnung des Lastkollektives zugrunde liegt, entspricht einem 10 B-1 Kettengetriebe mit Zähnezahlen von 17 am Antrieb und 45 am Abtrieb. Die Antriebsdrehzahl beträgt 500 1/ min bei einem Bremsmoment von 40 Nm. Für jede Parameterkonfiguration wurden drei Einzelversuche durchgeführt. 4 Versuchsergebnisse und Diskussion Bei Untersuchungen an Kettenelementen sind häufig signifikante Messabweichungen, die maßgeblich durch fertigungsbedingte Toleranzen bedingt werden, zu beobachten [16]. So sind auch im Rahmen der hier durchgeführten Messungen gewisse Streuungen festzustellen. Der Direktvergleich der drei Einzelmessungen zeigt jedoch, dass die Wiederholgenauigkeit der Messungen hoch ist (Bild 8). Steigende Zugkräfte führen zu geringeren Reibkoeffizienten und einer höheren Reproduzierbarkeit der Einzelversuche. Der Vergleich der verschiedenen Beschichtungszustände zeigt eine signifikante Reibungsreduktion Aus Wissenschaft und Forschung 9 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0039 Bild 8: Aus Einzelversuchen ermittelte Reibkoeffizienten bei verschiedenen Zugkräften (Gelenknummer: ID1, ID2 und ID3 - Unbeschichtete Bolzen, Neuzustand, Versuchstemperatur: 70 °C, Schwenkfrequenz: 0,5 Hz) Bild 7: Verschleißlängung nach L ENAUER [17] über Zeit eines 10-B1 Kettengelenks unter Verwendung eines (Cr,Al,Mo)N-beschichteten Bolzens und einem mit Schwefel additiviertem Grundfett, belastet mit einem Lastkollektiv gemäß eines simulierten Getriebes mit Zähnezahlen 17 und 45 bei einer Antriebsdrehzahl von 500 1/ min und einem Bremsmoment von 40 Nm Parameter Beschichtung Unbeschichtet; (Cr,Al)N; (Cr,Al,Mo)N Amplitude ±10 ° Frequenz 0,5 Hz; 1 Hz; 1,5 Hz Kontaktgeschwindigkeit 0,27 mm/ s; 0,55 mm/ s; 0,83 mm/ s Zugkraft 200 N; 400 N; 600 N; 800 N; 1000 N Temperatur ~21 °C; 35 °C; 70 °C; 90 °C Probenzustand Neu; Eingelaufen Tabelle 1: Versuchsparameter Reibungsmessung TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 9 der Kontaktgeschwindigkeit auf die Reibung zu beobachten (Bild 10). Bei allen Varianten führen höhere Schwenkfrequenzen und somit höhere Kontaktgeschwindigkeiten zu niedrigeren Reibkoeffizienten. Abgesehen von den unterschiedlichen Reibungsniveaus weisen alle Beschichtungen dieselbe Charakteristik innerhalb der Versuchsreihen auf. Die Reibwertdifferenzen zwischen den verschiedenen Geschwindigkeiten verhalten sich normalkraftunabhängig. Außerdem bewegen sich die Standardabweichungen innerhalb der Versuchsreihen in denselben Größenordnungen. Die Schwenkfrequenz hat folglich keinen Einfluss auf die Stabilität der Messung. Temperaturerhöhungen im Prüfgelenk führen ebenfalls zu einer geringen Reduktion der Reibung (Bild 11). Diese ist jedoch nicht signifikant. Lediglich bei den unbeschichteten Bolzen bewirkt eine Temperaturerhöhung von 35 °C auf 70 °C eine erkennbare Reibungsreduktion. Bei den beiden Versuchsreihen mit beschichteten Bolzen ist dieser Effekt deutlich schwächer ausgeprägt. Die Standardabweichungen innerhalb der einzelnen Versuchsreihen übersteigen die Differenz der Reibkoeffizienten bei verschiedenen Temperaturen. Signifikante Änderungen des Reibungsverhalten sind durch Einlaufvorgänge zu beobachten (Bild 12). Alle Beschichtungsvarianten zeigen einen Reibungsanstieg nach der in Kapitel 3 beschriebenen Konditionierung. Die Paarung mit der (Cr,Al)N Referenzbeschichtung der Bolzen weist allerdings ein wesentlich stabileres Verhalten als die beiden anderen Varianten auf. Bei diesen ist nur ein minimaler Reibungsanstieg zu beobachten. Bei den unbeschichteten und den mit (Cr,Al,Mo)N beschichteten Bolzen steigen die Reibwerte vor allem bei niedrigen Zugkräften und Schwenkfrequenzen deutlich an. Bei hohen Lasten scheinen sich die Reibwerte beim Aus Wissenschaft und Forschung 10 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0039 bei den Versuchen mit beschichteten Bolzen (Bild 9). Vor allem bei niedrigen Normalkräften liegt die Reibung der (Cr,Al,)N-Referenzbeschichtung bis zu 25 % unterhalb der Reibung im unbeschichteten Kettengelenk. Mit Einsatz der (Cr,Al,Mo)N Beschichtung stellt sich sogar eine Reduktion von bis zu 35 % ein. Mit steigender Normalkraft nimmt die Reibung in den unbeschichteten Gelenken stark ab, sodass diese bei 1000 N geringer ausfällt als bei den beiden beschichteten Varianten. Bei den beiden Versuchsreihen mit beschichteten Bolzen stellt sich eine vergleichbare Charakteristik ein. Die Reibungsunterschiede zwischen den beiden Varianten scheinen sich konstant über den gesamten untersuchten Normalkraftbereich zu verhalten. Bis 800 N ist eine Abnahme der Reibkoeffizienten zu beobachten, die für höhere Normalkräfte wieder ansteigen. Auch ist ein Einfluss Bild 9: Reibkoeffizienten der verschiedenen Beschichtungen bei zunehmender Normalkraft (Proben im Neuzustand, Versuchstemperatur: ~ 21 °C, Schwenkfrequenz: 0,5 Hz) 0 0,05 0,1 0,15 0,2 0,25 0,3 Reibkoeffizient μ 0,5 Hz 1,0 Hz 1,5 Hz Normalkraft F / N a) b) c) z 2 5 3 Bild 10: Reibkoeffizienten bei verschiedenen Schwenkfrequenzen und zunehmender Normalkraft der Gelenke mit Bolzen a) ohne Beschichtung, b) (Cr,Al)N Referenzbeschichtung und c) (Cr,Al,Mo)N-Beschichtung (Proben im Neuzustand, Versuchstemperatur: ~ 21 °C) TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 10 Einlauf den Werten im Neuzustand jedoch leicht anzunähren. Die niedrigsten Reibwerte nach dem Einlauf werden bei den Referenzbeschichtungen beobachtet. Der starke Reibungsanstieg bei den Gelenken mit (Cr,Al,Mo)N-Beschichtung könnte auf eine eher geringe Verschleißfestigkeit der Beschichtung zurückzuführen sein. Das Reibungsverhalten scheint sich dem der unbeschichteten Gelenke anzugleichen. Möglicherweise beinflusst Verschleiß die tribologischen Eigenschaften des Kontaktes negativ. Auch könnte ein Additivverbrauch des Schmierstoffs negative Einflüsse auf die Reibung bewirken. Durch tribochemische Reaktion von Aus Wissenschaft und Forschung 11 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0039 0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.3 Reibkoeffizient μ Normalkraft F / N 21 °C 35 °C 70 °C 90 °C 0 a) b) c) Bild 11: Reibkoeffizienten bei verschiedenen Versuchstemperaturen und zunehmender Normalkraft der Gelenke mit Bolzen a) ohne Beschichtung, b) (Cr,Al)N-Referenzbeschichtung und c) (Cr,Al,Mo)N-Beschichtung (Proben im Neuzustand, Schwenkfrequenz: 1,5Hz) Bild 12: Vergleich der Reibkoeffizienten von eingelaufenen und neuwertigen Proben bei verschiedenen Schwenkfrequenzen und Normalkräften der Gelenke mit Bolzen a) ohne Beschichtung, b) (Cr,Al)N-Referenzbeschichtung und c) (Cr,Al,Mo)N Beschichtung (Versuchstemperatur: ~ 21 °C) TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 11 Literatur [1] K. Holmberg, R. Siilasto, T. Laitinen, P. Andersson und A. Jäsberg, „Global energy consumption due to friction in paper machines,“ Tribology International, Bd. 62, p. 58- 77, 2013. [2] R. I. 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Um fundierte Aussagen über mögliche Verschleißeinflüsse treffen zu können, sind weitere chemische Analysen und Untersuchungen der Oberflächeneigenschaften der Kontaktpartner notwendig. 5 Zusammenfassung In diesem Beitrag wurden die Einflüsse der triboaktiven (Cr,Al,Mo)N-Beschichtung in Wechselwirkung mit einem mit Schwefel additivierten Modelfett auf die Reibung in Kettengelnken untersucht. Es wurde eine Messmethodik vorgestellt, mit der Reibwerte, trotz hoher Bauteiltoleranzen, stabil ermittelt werden. Es wurde gezeigt, dass sich sowohl eine (Cr,Al)Nals auch die (Cr,Al,Mo)N-Beschichtung der Bolzen positiv auf die Reibung im Kettengelenk auswirkt. Die niedrigsten Reibwerte werden bei den Proben mit (Cr,Al,Mo)N- Beschichtungen im Neuzustand beobachtet. Die Referenzbeschichtung weist jedoch nach dem Einlauf eine stabileres Reibungsverhalten als die (Cr,Al,Mo)N-Beschichtung und die unbeschichtete Paarung auf. Dies könnte ein Indiz für eine höhere Verschleißbeständigkeit des Gelenks mit Referenzbeschichtung sein. Zur Bestätigung dieser These sind jedoch weitere Untersuchungen notwendig. Bei allen Varianten führen höhere Normallasten zu einer Reduktion der Reibung. Allerdings steigt die Gelenkreibung bei den beiden beschichteten Paarungen ab 800 N wieder leicht an. Im Rahmen der gemessenen Grenzen bewirken höhere Gleitgeschwindigkeiten eine Reibungsreduktion bei allen drei Gelenkvarianten. Auch eine Temperaturerhöhung führt, vor allem im unbeschichteten Kontakt, zu leicht abfallenden Reibwerten. Die beobachteten Temperatureinflüsse weisen jedoch keine signifikante Ausprägung auf. Danksagung Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Förderung im Rahmen des Projekts „Analyse der Transferschichtbildung in initialgeschmierten, beschichteten Antriebsketten“ (SA 898/ 31-1). Zudem bedanken sich die Autoren bei der Firma Fuchs Lubricants Germany für die Herstellung des verwendeten Schmierstoffs sowie bei der Firma Wippermann jr. GmbH für die Bereitstellung der Ketten. Weiterer Dank gilt dem Lehrstuhl und Institut für Oberflächentechnik im Maschinenbau (IOT) der RWTH Aachen für die Beschichtung der Prüfkörper. TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 12