eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 70/3

Tribologie und Schmierungstechnik
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2023-0013
Im Rahmen dieses Beitrags wird ein Vorgehensmodell zur experimentellen Bestimmung von Verschleißkoeffizienten mittels eines Zwei-Scheiben-Tribometers vorgestellt. Mithilfe dieses Vorgehensmodells lassen sich beliebige Slide-to-Roll Ratios (SRR) einstellen, um somit neben reinen Gleitkontakten auch Wälzkontakte abbilden zu können. Die Verschleißkoeffizienten wurden zum einen mittels taktiler Oberflächenmessung und zum anderen mittels gravimetrischer Messung berechnet. Beide Methoden weisen eine sehr gute Übereinstimmung auf. Die vorgestellten Tribometerversuche orientieren sich an einem Anwendungsbeispiel aus dem Bereich der Wälzlagertechnik. Abschließend wird die experimentell gemessene Verschleißtiefe der Prüfscheiben mit einer numerischen Verschleißsimulation abgeglichen.
2023
703 Jungk

Experimentelle Ermittlung von Verschleißkoeffizienten ölgeschmierter Kontakte an einem Zwei-Scheiben-Tribometer

2023
Andreas Winkler
Marcel Bartz
Sandro Wartzack
setzung von Verschleißteilen verursacht. Vor dem Hintergrund beschränkter Ressourcen ist es erstrebenswert die Reibung zu minimieren und damit den Energieverbrauch zu senken. Eine Möglichkeit dies umzusetzen ist der Einsatz niedrigviskoser Schmierstoffe im Maschinenbau. Ein Einsatz niedrigviskoser Schmierstoffe führt jedoch zu geringeren Schmierfilmdicken und damit zu einem vermehrten Betrieb von Maschinenelementen im Misch- oder Grenzreibungsgebiet, was wiederum in einer Zunahme des Verschleißes in tribologisch hoch beanspruchten Systemen führt. Da Verschleiß zu katastrophalen Ausfällen und Betriebsstörungen führen kann, die sich sowohl negativ auf die Produktivität und Kosten als auch die Nachhaltigkeit auswirken, bietet die zuver- Aus Wissenschaft und Forschung 14 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0013 1 Einleitung Etwa 20 % des weltweiten Energieverbrauchs lässt sich nach Untersuchungen von H OLMBERG et al. [1] auf die Überwindung von Reibung zurückführen. Weitere drei Prozent werden durch den Austausch oder die Instand- Experimentelle Ermittlung von Verschleißkoeffizienten ölgeschmierter Kontakte an einem Zwei-Scheiben- Tribometer Andreas Winkler, Marcel Bartz, Sandro Wartzack* Eingereicht: 27.03.2023 Nach Begutachtung angenommen: 20.06.2023 Im Rahmen dieses Beitrags wird ein Vorgehensmodell zur experimentellen Bestimmung von Verschleißkoeffizienten mittels eines Zwei-Scheiben- Tribometers vorgestellt. Mithilfe dieses Vorgehensmodells lassen sich beliebige Slide-to-Roll Ratios (SRR) einstellen, um somit neben reinen Gleitkontakten auch Wälzkontakte abbilden zu können. Die Verschleißkoeffizienten wurden zum einen mittels taktiler Oberflächenmessung und zum anderen mittels gravimetrischer Messung berechnet. Beide Methoden weisen eine sehr gute Übereinstimmung auf. Die vorgestellten Tribometerversuche orientieren sich an einem Anwendungsbeispiel aus dem Bereich der Wälzlagertechnik. Abschließend wird die experimentell gemessene Verschleißtiefe der Prüfscheiben mit einer numerischen Verschleißsimulation abgeglichen. Schlüsselwörter Tribologie, Mischreibung, Grenzreibung, Zwei-Scheiben-Tribometer, Verschleißkoeffizient, Verschleißmodellierung Experimental determination of wear coefficients of oil-lubricated contacts by means of a two-disc-tribometer This paper presents a procedure model for the experimental determination of wear coefficients by means of a two-disk tribometer. The approach presented allows any slide-to-roll ratios (SRR) to be set in order to be able to reproduce rolling-sliding contacts in addition to pure sliding contacts. The wear coefficients were calculated by means of tactile surface measurement on the one hand and gravimetric measurement on the other. Both methods show very good agreement. The tribometer tests presented are based on an application example from the field of roller bearing technology. Finally, the experimentally measured wear depths of the test discs are compared with a numerical wear simulation. Keywords tribology, mixed lubrication, boundary lubrication, two-disc-tribometer, wear coefficient, wear modelling Kurzfassung Abstract * Andreas Winkler, M.Sc. (federführender Autor) ORCID-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-8346-3566 Dr.-Ing. Marcel Bartz ORCID-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-9894-600X Prof. Dr.-Ing. Sandro Wartzack ORCID-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-0244-5033 Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Lehrstuhl für Konstruktionstechnik (KTmfk) Martensstraße 9, 91058 Erlangen lässige Vorhersage und Berechnung von Verschleiß ein großes Potenzial hinsichtlich der ressourcen- und energieeffizienten Auslegung von Maschinenelementen. Der vorliegende Beitrag stellt ein Vorgehensmodell zur experimentellen Bestimmung von Verschleißkoeffizienten am Zwei-Scheiben-Tribometer vor, um das Verschleißverhalten von Maschinenelementen untersuchen und optimieren zu können und damit einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Auslegung von Maschinenelementen leisten zu können. Der Vorteil der Bestimmung von Verschleißkoeffizienten mit einem Zwei-Scheiben-Tribometer liegt in der Variabilität der kinematischen Verhältnisse. Dadurch lassen sich eine Vielzahl technischer Systeme besser abbilden als es beispielsweise Stift-Scheibe-Tribometer ermöglichen, welche lediglich eine reine Gleitbewegung zwischen Grund- und Gegenkörper erlauben. 2 Stand der Forschung Zur Berechnung des Verschleißes gibt es unterschiedliche Berechnungsmodelle, die sich hinsichtlich der zugrundeliegenden Verschleißmechanismen und Eingangsgrößen unterscheiden. Das wohl aufgrund seiner einfach zu bestimmenden Parameter am meisten angewendete Verschleißmodell geht auf A RCHARD [2, 3] zurück und setzt eine direkte Proportionalität des Verschleißvolumens von der Normalkraft F N und dem Gleitweg s voraus: (1) Der Proportionalitätsfaktor k wird in diesem Zusammen- = ∙ ∙ hang als Verschleißkoeffizient bzw. Verschleißrate bezeichnet und ist eine Systemgröße, welche nicht allein von der Materialpaarung abhängig ist, sondern vielmehr als eine Funktion der gesamten Systemstruktur und des Belastungskollektivs aufzufassen ist [4]. Auch weitere in der Literatur verbreitete Verschleißmodelle, wie jenes von Fleischer [5] oder Kragelski [6] benötigen empirische Parameter, welche experimentell zu bestimmen sind. Aufgrund eines fehlenden standardisierten Vorgehens zur experimentellen Bestimmung von Verschleißkoeffizienten durch Modellversuche, können diese allerdings je nach gewähltem experimentellen Verfahren und Versuchsaufbau bedingt durch unrealistische Kontaktgeometrien oder kinematische Verhältnisse um mehrere Größenordnungen von der eigentlich zu untersuchenden Anwendung abweichen [7]. Oftmals wird der Verschleißkoeffizient aufgrund der Verfügbarkeit und Universalität an Modellprüfständen ermittelt. Viele der Prüfstände und Tribometer weisen dabei ein reines Gleiten auf, wie ein Stift-Scheibe-Tribometer, ein Vier-Kugel- Apparat oder ein Block-auf-Ring-Tribometer [8]. Die Kontaktgeometrien und insbesondere auch die kinematischen Verhältnisse lassen sich damit jedoch zum Beispiel für Wälzkontakte nicht variabel bzw. realitätsnah genug abbilden. Mit der Definition des Schlupfs bzw. des Slide-to-Roll Ratio (SRR) [9]: (2) folgt mit u 1 als Geschwindigkeit des Grund- und u 2 als Geschwindigkeit des Gegenkörpers bei reinem Gleiten damit stets ein Wert von |SRR| = 200 %. = 2 ∙ − + Aus Wissenschaft und Forschung 15 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0013 Bild 1: S TRIBECK -Kurve mit Verschleißspektrum und Reibungsanteilen nach [4] tert, welches sich durch eine große Variabilität hinsichtlich der Kinematik auszeichnet. 3 Experimentelles Vorgehen zur Bestimmung von Verschleißkoeffizienten Um das Vorliegen reinen Gleitens zu umgehen und damit ein beliebiges Slide-to-Roll Ratio einstellen zu können, wird als Versuchsaufbau zur Bestimmung von Verschleißkoeffizienten im Rahmen dieses Beitrags ein Zwei-Scheiben-Tribometer der Fa. Optimol gewählt, siehe Bild 2. Dieses verfügt über zwei unabhängig voneinander angetriebene Spindeln mit einem Drehzahlbereich von 0 - 3000 min -1 , welche mit einer Normalkraft zwischen 10 - 5000 N aneinandergepresst werden können. Damit sind Flächenpressungen bis ca. 5 GPa realisierbar. Die Schmierung kann in Form einer Ölumlaufschmierung oder eines Öltauchbads umgesetzt werden, wobei das Öl auf bis zu 130 °C erwärmt werden kann. Weiterhin kann anhand der vorhandenen Sensorik das Reibungsmoment aufgezeichnet werden. Eine elektrische Widerstandsmessung ermöglicht Rückschlüsse auf den Schmierungszustand. Zudem verfügt das Tribometer über eine kapazitive Schmierfilmhöhenmessung und eine in-situ Verschleißmessung mittels Radionuklidtechnik. Die Auswertung des Verschleißvolumens nach Beendigung des Testlaufs zur Berechnung eines Verschleißkoeffizienten nach Gl. (1) wird anhand von zwei Methoden er- Aus Wissenschaft und Forschung 16 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0013 Neben dem Schlupf bzw. den kinematischen Verhältnissen hat auch der Schmierungszustand, wie in Bild 1 anhand der S TRIBECK -Kurve verdeutlicht, einen großen Einfluss auf den auftretenden Verschleiß eines tribologischen Systems. Dabei wird der Schmierfilmhöhenparameter λ verwendet, um den Schmierungszustand zu charakterisieren und ist definiert als das Verhältnis der minimalen Schmierfilmhöhe h min zum äquivalenten Mittenrauwert σ eq [10]: (3) Mit zunehmendem Schmierfilmhöhenparameter λ nimmt der Anteil der Festkörperreibung ab, bis schließlich bei einem Wert von etwa λ = 3 reine Fluidreibung und damit auch kein mechanischer Verschleiß mehr vorliegt. In Abhängigkeit des Schmierungszustands, der Kinematik und einer Vielzahl weiterer Systemeigenschaften sowie des Beanspruchungskollektivs kann der Verschleißkoeffizient Größenordnungen zwischen 10 -10 mm 3 / Nm und 10 -2 mm 3 / Nm umspannen [4, 11]. Demzufolge ist es von entscheidender Bedeutung in Modellversuchen sowohl den Schmierungszustand, als auch die kinematischen Verhältnisse möglichst anwendungsnah abbilden zu können. In dem folgenden Abschnitt wird daher ein Vorgehensmodell zur Bestimmung von Verschleißkoeffizienten an einem Zwei-Scheiben-Tribometers erläu- = ℎ = ℎ + EHD Bild 2: (a) Aufbau des Zwei-Scheiben-Tribometers; (b) Schematische Illustration des Kontakts zweier Prüfscheiben Parameter Wert Scheiben-Werkstoff 100Cr6 Geometrie Scheibe 1 Ø 45 mm; Balligkeit: 50 mm Geometrie Scheibe 2 Ø 45 mm; Balligkeit: ∞ mm Schmierstoff PAO 6 (rein + additiviert) Öltemperatur 80 °C mittlet: Zum einen wird das Oberflächenprofil der Scheiben an vier gleichmäßig über dem Umfang verteilten Positionen vor und nach der Prüfung mit dem Tastschnittmessgerät Form Talysurf ® PGI NOVUS gemessen. Durch die Erstellung eines Differenzprofils kann die Verschleißquerschnittsfläche A w,i der i-ten Messung bestimmt werden. Anschließend wird der Mittelwert aller gemessenen Verschleißquerschnittsflächen gebildet: (4) Somit kann aus der mittleren Verschleißquerschnittsfläche A w , dem Durchmesser der Prüfscheiben D disc , der Normalkraft F N und dem Gleitweg s das Verschleißvolumen W V sowie der Verschleißkoeffizient k berechnet werden: (5) Zum anderen wird das Verschleißvolumen gravimetrisch bestimmt, indem die Scheiben vor und nach dem Test mit der Analysewaage Kern ® ALJ 500-4A gewogen werden und der Mittelwert über alle drei Wiederholversuche gebildet wird: (6) (7) Auf diese Weise kann der Verschleißkoeffizient ebenfalls aus der Massendifferenz und der Dichte des Scheibenmaterials ρ berechnet werden: (8) 4 Exemplarische Verschleißuntersuchungen In dem vorliegenden Abschnitt werden exemplarisch Verschleißuntersuchungen am Zwei-Scheiben-Tribometer sowohl mit einem unadditivierten als auch einem additivierten Schmierstoff erläutert. 4.1 Versuchsparameter Die experimentellen Verschleißuntersuchungen des vorliegenden Abschnitts orientieren sich an einem Anwendungsbeispiel aus dem Bereich der Wälzlagertech- = 1 ∙ , = ∙ = ∙ ∙ ! " ∙ # ! $%&$ = 1 ∙ # ! $%&$, # = 1 ∙ # , = ∙ = # ! $%&$ − # ' ∙ ∙ nik mit dem Ziel einen Verschleißkoeffizienten für die numerische Verschleißsimulation eines Axial-Zylinderrollenlagers nach W INKLER et al. [12 - 14] durchzuführen. Die Prüfscheiben wurden aus dem Wälzlagerstahl 100Cr6 hergestellt und hatten die in Tabelle 1 aufgeführten Eigenschaften. Eine Scheibe war zylindrisch, die andere Scheibe war ballig mit einem Radius von 50 mm. Als Schmierstoff wurde ein PAO 6 sowohl in reiner als auch additivierter Form verwendet, welches während der Versuche auf 80 °C temperiert wurde. 4.2 Testläufe mit reinem PAO 6 Zunächst wurden drei Wiederholversuche mit einem reinen PAO 6 durchgeführt, welche jeweils eine Versuchsdauer von 72 Stunden aufwiesen. Die Scheiben wiesen einen quadratischen Mittenrauwert R q zwischen 0,029 μm und 0,032 μm auf. Die Normalkraft betrug 500 N und die Drehzahlen der Master- und Slave-Spindel wurden auf 30 min -1 bzw. 10 min -1 eingestellt. Dies resultiert in einer maximalen HERTZschen Pressung von etwa 1,4 GPa und einem relativ hohen Slide-to- Roll Ratio von SRR = 100 %, um den Verschleißprozess zu beschleunigen. Außerdem betrug der Schmierfilmhöhenparameter λ = 0,18, wobei die minimale Schmierfilmhöhe h min nach H AMROCK [10] für elliptische Kontakte abgeschätzt wurde. Der Mittenrauwert der Mantelflächen der Prüfscheiben wurde zur Berechnung des Schmierfilmhöhenparameters mithilfe des Tastschnittmessgeräts Form Talysurf ® PGI NOVUS gemessen. Nach Beendigung der drei Prüfläufe zeigten sich jeweils die in Bild 3 und Bild 4 exemplarisch für eine ballige und eine zylindrische Scheibe dargestellten Differenzprofile nach der Auswertung mittels Tastschnittgerät. Nach Gl. (4) und Gl. (5) kann damit direkt der Verschleißkoeffizient berechnet und über die drei Wiederholversuche gemittelt werden. Nach Auswertung und Mittelung der Verschleißflächen resultierte nach der taktilen Methode ein Verschleißkoeffizient von k = 1,21 · 10 -7 mm 3 / Nm. Nach der gravimetrischen Methode auf Grundlage von Gl. (6) - Gl. (8) ergab sich ein Verschleißkoeffizient von k = 1,22 · 10 -7 mm 3 / Nm Dies entspricht einer Abweichung von unter 0,7 %. Somit konnte gezeigt werden, dass beide Berechnungsverfahren eine sehr gute Übereinstimmung aufweisen. Aus Wissenschaft und Forschung 17 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0013 Tabelle 1: Versuchsparameter der Zwei-Scheiben-Testläufe treten von Verschleiß im hochbelasteten Kontaktzentrum verhindern konnte. Lediglich in den Randbereichen ist in Übereinstimmung mit den oben dargestellten Differenzprofilen Verschleiß zu erkennen. Ein Erklärungsansatz für dieses Verhalten liegt darin begründet, dass die dem Schmierstoff zugesetzten EP- und AW-Additive insbesondere unter hohen Drücken und Kontakttempertaturen an der Metalloberfläche tribochemische Schichten ausbilden [15 - 17]. Hingegen führten die niedrigeren Drücke am Rand des Kontaktbereichs in Kombination mit der hier vorliegenden geringen Schmierfilmhöhe zu mechanischem Verschleiß. Aufgrund des vorliegenden stark nichtlinearen Verhaltens kann jedoch in diesem Fall kein konstanter Verschleißkoeffizient berechnet werden. Vielmehr ist dieser nun als eine nichtlineare Funktion des Kontaktdrucks, der Kinematik, der zugesetzten Additive sowie einer Vielzahl weiterer Parameter zu verstehen, sodass umfangreiche weitere experimentelle Untersuchungen für das Verständnis des Verschleißverhaltens notwendig sind. Weiterhin können keine Aussagen über die tatsächlich vorhandene Temperaturverteilung im Kontaktbereich sowie die erforderliche Aktivierungstemperatur oder -energie zur Ausbildung eines schützenden Tribofilms getroffen werden. Aus Wissenschaft und Forschung 18 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0013 4.3 Testläufe mit additiviertem PAO 6 Neben der Versuchsreihe mit reinem PAO 6 wurden ebenfalls Untersuchungen mit einem vollständig additivierten PAO 6 bei einer Versuchsdauer von 96 Stunden durchgeführt. Dieses beinhaltete neben Entschäumern, Emulgatoren und Antioxidantien auch Hochdruck-Zusätze (EP: extreme pressure) auf Basis von Stickstoff- Verbindungen sowie verschleißmindernde Zusätze (AW: anti wear) auf Basis von Phosphor-Verbindungen. Die Prüfscheiben wiesen diesmal einen quadratischen Mittenrauwert R q zwischen 0,016 μm und 0,018 μm auf. Erst durch eine Reduktion der Drehzahlen auf 9 min -1 und 3 min -1 an der Masterbzw. Slave-Spindel sowie eine Erhöhung der Normalkraft auf 2000 N bei ansonsten gleichbleibenden Verhältnissen konnte Verschleiß bei einem Schmierfilmhöhenparameter von λ = 0,12 erzeugt werden. Bild 6 und Bild 7 zeigen exemplarisch das Differenzprofil an jeweils einer gemessenen Position der balligen bzw. zylindrischen Scheibe. Gut zu erkennen ist der verschleißfreie Bereich im Kontaktzentrum und die Verschleißzone am Rand des Kontaktbereichs. Anhand der in Bild 7 dargestellten Fotoaufnahmen beider Prüfscheiben wird deutlich, dass sich im Kontaktzentrum eine Triboschicht gebildet hat, welche ein Auf- Bild 3: Exemplarisches Differenzprofil einer balligen Scheibe Bild 4: Exemplarisches Differenzprofil einer zylindrischen Scheibe 5 Potential experimentell ermittelter Verschleißkoeffizienten für die numerische Verschleißsimulation Neben der reinen Beurteilung des Verschleißverhaltens von Tribosystemen auf Basis des Verschleißkoeffizienten bzw. der Verschleißrate, kann letzterer auch dazu verwendet werden Verschleiß und davon abgeleitet die Lebensdauer von Maschinenelementen vorherzusagen. In eigenen durchgeführten Vorarbeiten [14] wurde bereits die Übertragung des experimentell am Zwei-Scheiben-Tribometer ermittelten Verschleißkoeffizienten auf die Verschleißsimulation eines im Misch- und Grenzreibungsgebiet betriebenes Axial-Zylinderrollenlagers aufgezeigt. Im Folgenden soll ein Vergleich zwischen den Modellversuchen mit reinem PAO 6 (siehe Abschnitt 4.2) und den Ergebnissen einer FEM-basierten numerischen Verschleißsimulation mit dem Verschleißmodell nach A RCHARD [2, 3] präsentiert werden. Detaillierte Informationen zu dem Aufbau und dem Ablauf der nume- Aus Wissenschaft und Forschung 19 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0013 Bild 5: Exemplarisches Differenzprofil einer balligen Scheibe Bild 6: Exemplarisches Differenzprofil einer zylindrischen Scheibe Bild 7: Fotos der Prüfscheiben des Testlaufs mit additiviertem PAO 6: (a) ballig; (b) zylindrisch Neben reinem Rollen mit SRR = 0 ist ebenso reines Gleiten mit |SRR| = 2 und eine Wälzbewegung mit gleichsinniger Rotationsbewegung bei 0 < |SRR| < 2 sowie eine Wälzbewegung mit gegenläufiger Rotationsbewegung bei 2 < |SRR| < ∞ möglich. Im Rahmen dieses Beitrags wurden Tribometerversuche mit gleichsinniger Drehbewegung bei einem Slide-to-Roll Ratio von |SRR| = 100 % durchgeführt. Zur Reduktion der Laufzeiten von Tribometerversuchen können nach F AN et al. [8] gegenläufige Rotationsbewegung dazu beitragen, den Verschleißprozess im Modellversuch bei moderaten Summengeschwindigkeiten weiter zu beschleunigen. Aufgrund der verschwindenden Summengeschwindigkeit bei |SRR| = ∞ und der daraus resultierenden Schmierfilmhöhe von Null, sollte bei geschmierten metallischen Kontakten jedoch stets eine von Null abweichende Summengeschwindigkeit gewählt werden, um ein Fressen der Scheiben durch adhäsive Kaltverschweißungen zu verhindern. Darüber hinaus weisen beide aufgezeigten Methoden zur Messung des Verschleißkoeffizienten eine sehr gute Übereinstimmung auf. Sowohl anhand der taktilen Oberflächenmessung vor und nach dem Tribometerversuch mit anschließender Bestimmung von Differenzprofilen als auch anhand der gravimetrischen Wiegung der Scheiben vor und nach dem Tribometerversuch konnte das Aus Wissenschaft und Forschung 20 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0013 rischen Verschleißsimulation können [12 - 14] (Open Access) entnommen werden. Bild 8 und Bild 9 zeigen jeweils anhand des blauen Graphen für die ballige bzw. zylindrische Scheibe den Verlauf des Verschleißprofils nach der taktilen Profilmessung gemittelt über vier am Umfang verteilte Messungen pro Prüfscheibe sowie alle drei Wiederholversuche. Der rote Graph stellt das Ergebnis der numerischen Verschleißsimulation dar, in welcher das Verschleißmodell nach A RCHARD [2, 3] implementiert wurde. Als Eingangsgröße wurde der experimentell ermittelte Verschleißkoeffizient für das reine PAO 6 aus Abschnitt 4.2 übergeben. Es zeigt sich insgesamt eine sehr gute Übereinstimmung sowohl hinsichtlich des qualitativen Profilverlaufs als auch hinsichtlich der quantitativen Werte der Verschleißtiefen. 6 Zusammenfassung und Ausblick Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die im Rahmen dieses Beitrags aufgezeigte Methode zur experimentellen Bestimmung von Verschleißkoeffizienten mittels eines Zwei-Scheiben-Tribometers geeignet ist kinematische Verhältnisse sehr variabel abzubilden und dabei ein beliebiges Slide-to-Roll Ratio einzustellen. Bild 8: Vergleich der Verschleißprofile von Experiment und Simulation (ballige Scheibe) Bild 9: Vergleich der Verschleißprofile von Experiment und Simulation (zylindrische Scheibe) Verschleißvolumen zuverlässig und übereinstimmend berechnet werden. Das Vorgehensmodell zur experimentellen Bestimmung von Verschleißkoeffizienten erweist sich demzufolge als gut geeignet, um den Verschleiß in Maschinenelementen auf Modellebene zu untersuchen und den ermittelten Verschleißkoeffizienten in der numerischen Verschleißsimulation zu nutzen. Damit kann vor dem Hintergrund der Ressourcen- und Energieeffizienz dazu beigetragen werden verschleißärmere Maschinenelemente auszulegen. Literatur [1] HOLMBERG, K.; ERDEMIR, A.: Influence of tribology on global energy consumption, costs and emissions. Friction. Bd. 5 (2017) Nr. 3, S. 263-284. [2] ARCHARD, J. F.: Contact and Rubbing of Flat Surfaces. Journal of Applied Physics. Bd. 24 (1953) Nr. 8, S. 981- 988. [3] ARCHARD, J. F.; HIRST, W.: The wear of metals under unlubricated conditions. Proceedings of the Royal Society of London. Series A. Mathematical, Physical and Engineering Sciences. Bd. 236 (1956) Nr. 1206, S. 397-410. [4] CZICHOS, H.; HABIG, K.-H.: Tribologie-Handbuch. Tribometrie, Tribomaterialien, Tribotechnik. 4. Auflage. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2015. [5] FLEISCHER, G.: Verschleiß und Zuverlässigkeit. Berlin: VEB, 1980. [6] KRAGELSKI, I. W.: Reibung und Verschleiß. München: Carl Hanser, 1971. [7] YANG, L. J.: A test methodology for the determination of wear coefficient. Wear. Bd. 259 (2005) Nr. 7-12, S. 1453- 1461. [8] FAN, J.; SPIKES, H.: New Test for Mild Lubricated Wear in Rolling-Sliding Contacts. Tribology Transactions. Bd. 50 (2007) Nr. 2, S. 145-153. [9] GHOSH, M. K.; MAJUMDAR, B. C.; SARANGI, M.: Fundamentals of Fluid Film Lubrication. New York: McGraw-Hill, 2014. [10] HAMROCK, B. J.; SCHMID, S. R.; JACOBSON, B. O.: Fundamentals of Fluid Film Lubrication. 2. Auflage. New York: Marcel Dekker, 2004. [11] BAYER, R. G.: Wear Analysis for Engineers. New York: HNB Publishing, 2002. [12] WINKLER, A.; MARIAN, M.; TREMMEL, S.; WARTZ- ACK, S.: Numerical Modeling of Wear in a Thrust Roller Bearing under Mixed Elastohydrodynamic Lubrication. Lubricants. Bd. 8 (2020) Nr. 5, S. 58/ 1-58/ 21. [13] WINKLER, A.; BARTZ, M.; WARTZACK, S.: Verschleißsimulation grenz- und mischreibungsbehafteter Wälzkontakte. Tribologie und Schmierungstechnik. Bd. 68 (2021) Nr. 5, S. 14-23. [14] WINKLER, A.; BARTZ, M.; WARTZACK, S.: Numerical Wear Modeling in the Mixed and Boundary Lubrication Regime. Lubricants. Bd. 10 (2022) Nr. 12, S. 334/ 1-334/ 19. [15] BARTZ, W. J.: Einführung in die Tribologie und Schmierungstechnik. Tribologie, Schmierstoffe, Anwendungen. Renningen: Expert, 2010. [16] SCHULZ, J.; HOLWEGER, W.: Wechselwirkung von Additiven mit Metalloberflächen. Renningen: Expert, 2010. [17] WANG, Q. J.; ZHU, D.: Interfacial Mechanics. Theories and Methods for Contact and Lubrication. Boca Raton: CRC Press, 2020. Aus Wissenschaft und Forschung 21 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0013