eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 5/2

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
10.24053/VvAa-2020-0012
Die Festlegung von Sujets durch die Sequenzierung von Rollsiegelabrollungen ist für die Interpretation des jeweiligen ikonographischen Zeugnisses ein grundlegender Schritt. Die Wahrnehmung der Abbildungen wird maßgeblich durch ihre Anordnung bestimmt. Diese erfolgt vielfach intuitiv, indem die Abrollende/der Abrollende die Abrollung so zuschneidet, wie sie/er die Motivanordnung auf den ersten Blick wahrnimmt. Dieser Beitrag beschreibt mit kata- und anaphorischen Elementen sowie der sich am Zentrum ausrichtenden Anordnung der Symbole wesentliche Kompositionsmerkmale, die es bei einer Sequenzierung wahrzunehmen und zu bedenken gilt.
2020
52 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Rollsiegel sequenzieren

2020
Daniel Schmitz
Thomas Wagner
David O’Neill
10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Rollsiegel sequenzieren Segmente erschließen - Sujets erkennen - Kultur entdecken Daniel Schmitz (orcid.org/ 0000-0002-7194-1698) / Thomas Wagner (orcid.org/ 0000-0002-4076-5134) Die Festlegung von Sujets durch die Sequenzierung von Rollsiegelabrollungen ist für die Interpretation des jeweiligen ikonographischen Zeugnisses ein grundlegender Schritt. Die Wahrnehmung der Abbildungen wird maßgeblich durch ihre Anordnung bestimmt. Diese erfolgt vielfach intuitiv, indem die Abrollende/ der Abrollende die Abrollung so zuschneidet, wie sie/ er die Motivanordnung auf den ersten Blick wahrnimmt. Dieser Beitrag beschreibt mit kata- und anaphorischen Elementen sowie der sich am Zentrum ausrichtenden Anordnung der Symbole wesentliche Kompositionsmerkmale, die es bei einer Sequenzierung wahrzunehmen und zu bedenken gilt. 1 Einleitung Die vorderasiatischen Völker bildeten im Laufe ihrer Kulturgeschichte unterschiedliche Artefakte und Objekte aus. Von Reliefs über Stelen bis hin zu Kleinkunstgegenständen entstanden Formen, von denen frühe Zeugnisse in der biblischen Welt seit dem Natufium nachgewiesen sind. 1 Waren es anfänglich hauptsächlich Figurinen, die aus Knochen, Zähnen, Perlen und Muscheln gebildet wurden, sind ab dem Chalkolithikum (4500-3600 v. Chr.) auch Siegel belegt. Zunächst waren es Stempelsiegel, die verwendet wurden. In Steine oder Knochen wurden Motive graviert, die vor allem in Ton abgedrückt wurden. Der Abdruck bildete ein Flachrelief. Diese Technik wurde vor allem in Südmesopotamien in den anschließenden Jahrhunderten so weiterentwickelt, dass zylinderförmige Steine rundherum graviert wurden und das Bild - anders als beim Stempelsiegel - erst beim Abdruck vollends sichtbar wurde. „Die Kunst, Rollsiegel zu schneiden, nimmt im südlichen Zweistromland, soweit unsere Kenntnisse heute reichen, ihren Anfang in der Periode, die wir nach den betreffenden Grabungsschichten in Warka mit dem Namen Uruk IV/ VI bezeichnen. […] Das Siegelhandwerk der beiden Jahrhunderte etwas zwischen 3300 und 3100 v. Chr. steht als eine fertig ausgebildete Kunst da, im Gegensatz zur Schrift, bei der wir 1 Vgl. Schroer/ Keel, IPIAO 1, 37-45. Kritisch betrachtet von Hershman/ Misch-Brandl, Dawn, 12. Rollsiegel sequenzieren 23 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 in dieser Zeit eine Anfangsstufe erkennen können.“ 2 Mit den Rollsiegeln schufen die Künstler des ausgehenden 4. Jt.s v. Chr. eine Kunstform, die für den den Vorderen Orient bis in die Epoche achämenidischer Herrschaft typisch wurde. Erst unter persischer Vorherrschaft verlor sie derart an Bedeutung, dass sie auf späteren Kulturstufen auch der vorderasiatischen Welt nicht mehr verwendet wurde. Rollsiegel haben ihren ‚Sitz in der Kultur‘ zunächst im Wirtschaftsleben. Dies wird an einem Text aus dem 21. Jh. v. Chr. deutlich: „Das Siegel (mit) der Inschrift des Kaufmanns Ur-DUN ist verloren gegangen. Auf das Wort der Versammlung hin blies der Herold auf den Straßen das Horn, (damit) niemand irgendeinen Anspruch gegen ihn (=den Kaufmann) habe(n kann). Lu-Su´ena, der General, Lugalmelam, der Statthalte (und) Tempelverwalter, Zuzu, der Meister, Sidu, der Schreiber, Allu, der Hausverwalter, Bansagen, der Kultsänger, Ullia, der Bürgermeister (und) der Herold sind Zeugen.“ 3 Der im Text beschriebene Verlust des Siegels wurde öffentlich bekannt gemacht, damit das Siegel nicht missbraucht werden konnte. Rollsiegel wurden im Wirtschaftsleben dazu gebraucht, den Wert oder die Menge einer Ware zu bestätigen. Wurde ein Siegel in Ton gedrückt, mit dem ein Tonkrug verschlossen wurde, bezeugte der Siegelgeber, dass die versprochene Ware in gehandelter Menge im Krug war. Die individualisierten Siegel dienten also der Bestätigung und waren in Verbindung mit dem guten Ruf des Handelnden ein Qualitätsmerkmal für die Ware. Rollsiegel besaßen jedoch nicht nur eine wirtschaftliche Funktion, sondern dienten auch als Schutzmittel gegen den Einfluss dämonischer Mächte auf das menschliche Leben. Derartige apotropäische Wirkungen 4 gingen sowohl von den Steinen, aus denen sie geschnitten wurden, 5 als auch von den eingravierten Bildern aus. Die eingravierten Bilder sind anders als bei Stempelsiegeln nicht ein einzelnes Motiv, dessen Charakter durch den Symbolgehalt dieses Motives erkennbar ist. Stattdessen bieten Rollsiegel Bildsequenzen, in denen verschiedene Motive miteinander kombiniert sind. Rollsiegel bieten also ein Sujet, das vom Betrachter gedeutet werden muss. Dabei ist wesentlich auf die Kombination der einzelnen Motive zu achten, die mehr als die Summe der Einzelmotive ist: „Gerade darin unterscheidet sich die Ikonik von der Interpretationsmethode Panofskys, daß sie nämlich den eigentlichen Gehalt des Bildes nicht im ‚symbolischen Wert‘ eines 2 Moortgat, Rollsiegel, 3. 3 Text aus Neumann, TUAT.NF 1, 17f. 4 Zu den Rollsiegeln als Amulette vgl. Salje, Siegelverwendungen. 5 Vgl. Schuster-Brandis, Steine, 17-47. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 24 Daniel Schmitz / Thomas Wagner zugrundeliegenden allgemeinen und auch sonst in anderen Medien formulierbaren Prinzips erblickt, sondern vielmehr - gegebenenfalls - im Bild als einem Sehangebot, das alle mitgebrachten Seherwartungen oder auch alle sprachlich mitzuteilenden Ereignisvorstellungen im Ausdruck einer anschaulichen und nur der Anschauung möglichen Evidenz übersteigt.“ 6 Eine solche spezifische Kombination wird erst duch eine Analyse der im Bild vorfindlichen Segmente (Teilfelder eines Bildes), ihrer Ausgestaltung und wechselseitigen Bezüge sichtbar. Wesentlich für die Deutung der Teilfelder ist ihre Anordnung. Während dies bei Bildern, die auf eine Fläche aufgebracht werden, eindeutig ist, ist sie bei Rollsiegeln zunächst zu bestimmen. Die Abrollung der Siegel bestimmt demnach darüber, welche Sujet der Betrachter zu sehen bekommt. Oder aus einer anderen Perspektive betrachtet: Der Betrachter wird zum Komponisten, da er das Ergebnis durch das Abrollen je nach Ausgangspunkt beeinflusst. Dies wird in der heutigen wissenschaftlichen Praxis jedoch kaum sichtbar, da die in die Rollsiegel eingravierten Bilder zumeist über geschnittene Abrollungen oder über Umzeichnungen der Abrollungen wahrgenommen werden. Das Sujet wird vorab bestimmt, so dass ein wesentlicher Schritt in der Interpretation dieser Bilder bei der Deutung ausfällt. Im Folgenden werden Merkmale benannt, nach denen eine Sequenzierung von Rollsiegeln und damit eine Festlegung des Sujets möglich wird. 2 Sequenzierung Die Grundlage altorientalischer Bilder ist eine Zentrum-Peripherie-Raumformation, die sich durch die Vermischung von Orthogonalität und Sphärik ergibt. 7 Im Zentrum des Bildes wird das Wesentliche abgebildet. Um dieses zu erwirken, werden zwei unterschiedliche Segmentanordnungsprinzipien verfolgt. Zum einen können sich innerhalb des Sujets anaphorische Elemente finden, die auf das Bildzentrum verweisen, zum anderen kataphorische Elemente, die das Bildzentrum zur Peripherie hin abgrenzen. Die Bestimmung der Funktion der im Sujet verbundenen Motive ist Aufgabe der Sequenzierung von Rollsiegelabrollungen. 2.1 Kataphorische Elemente Als kataphorische Elemente können zwei grundsätzlich verschiedene Elemente von Rollsiegelabbildungen erkannt werden. Zum einen weisen Bilder Aspekte auf, die vom Bildzentrum wegweisen, zum anderen sind auf vielen Rollsiegeln Szenentrenner eingraviert, durch die eine Festlegung des Bildzentrums erfolgt. 6 Imdahl, Schriften 3, 432. 7 Vgl. Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 25-38. Rollsiegel sequenzieren 25 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 Im folgenden ersten Beispiel sind zunächst kataphorische Elemente zu beobachten, mit denen das Bildzentrum nach außen abgegrenzt wird. Das Rollsiegel VR 1993.6 stammt aus der Sammlung des Museums BIBEL + ORIENT, Fribourg. Datiert wird es in die neuassyrische Zeit, genauer in die Zeit zwischen 900 und 700 v. Chr. In den Publikationen des Siegels ist die Sequenz so geschnitten wird, dass das Bildzentrum vordefi niert wird. 8 Dabei werden in der Umzeichnung des Siegels überlappende Elemente ausgespart, so dass die Sequenz zumindest nach hinten klar abgegrenzt erscheint: Abb. 1: Umzeichnung des Siegels VR 1993.6. © Sammlung BIBEL + ORIENT, Fribourg. Abb. 2: Abrollung des Siegels VR 1993.6. © Sammlung BIBEL + ORIENT, Fribourg. 8 Zum Siegel siehe https: / / bit.ly/ 3i8TjHS sowie Keel-Leu/ Teissier, Rollsiegel, 179.441. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Das Sujet wird durch den Schlangenkörper bestimmt. Dabei ragen der Kopf der Schlange sowie ihre beiden Extremitäten soweit aus der Szene hinaus, dass sie oberhalb und unterhalb des Schwanzendes abgebildet werden. Auf diese Weise entsteht beim Abrollen der Eindruck des Zyklischen, da die Sequenz nicht durch einen vertikalen Schnitt abgrenzbar ist. Dies wird an einer Mehrfachabrollung sichtbar: Abb. 3: Mehrfachabrollung des Siegels VR 1993.6. Der Szenenbeginn bzw. das Ende kann mittels kataphorischer Elemente abgegrenzt werden. Als solche dienen der nach links weisende Schlangenkopf, die ausgestreckten Extremitäten sowie der achstrahlige Stern und die Mondsichel im oberen und das Auge und einzelne Keile im unteren Bildfeld. Während der Schlangenkopf und die Extremitäten vor der Frontseite der auf der Schlange stehenden Person platziert sind, sind Stern, Mondsichel, Auge und Keile in seinem Rücken zu sehen. Die kataphorischen Elemente grenzen das Bildzentrum nach außen hin ab. Im Zentrum der Darstellung ist ein in einen Fransenschlitzrock gekleideter Gott zu sehen, der in seiner Rechten ein Doppelblitzbündel hält, mit dem er den Schlangendrachen bekämpft. Das Rollsiegel stellt also eine Chaoskampfszene dar, in der das Handeln der abgebildeten Gottheit im Zentrum der Darstellung steht. Die Szene, die auf VR 1993.6 zu sehen ist, enthält durch die eingravierten Überschnitte Aspekte, die auch Rollsiegel aufweisen, die keine szenische Trennung zulassen. Das Sujet ist bei solchen Siegeln so komponiert, dass an den Stellen, an denen eine Trennung möglich wäre, verbindende Elemente eingefügt sind. Solche Sujets finden sich vor allem bei Tierdarstellungen, deren Symbole nicht auf mythische Erzählungen verweisen, die ihrerseits szenisch gestaltet sind. Ein Beispiel für ein solches Rollsiegel ist das Siegel MNB 1167. Es wurde wohl zum Versiegeln von Handelsware geschaffen, da es für eine fortlaufende Abrollung angelegt ist. Das Siegel weist zudem eine weitere Besonderheit auf. Die unten abgebildete Abrollung scheint auf den ersten Blick eine Mehrfachabrollung zu sein. Auf den zweiten Blick sieht man jedoch, betrachtet man die beiden in der Abbildung zu sehenden Greife oder die horizontale Ausrichtung der Hälse der größeren Tiere, dass es sich keineswegs um eine doppelte Abrollung von einfach eingravierten Tieren handelt. Die Gravur zeigt zwei ähnliche Sze- 26 Daniel Schmitz / Thomas Wagner Rollsiegel sequenzieren 27 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 nen, die direkt nebeneinander stehen und durch die verschlungene Haltung von Hälsen und Schwänzen den iterativen Charakter des Siegels verstärken. Abb. 4: MNB 1167, Musee du Louvre, Paris. Abbildung aus Delaporte, Catalogue II, 64. Eine Trennung der Szene ist nicht möglich, da die Schwänze der beiden Tiere miteinander verschlungen sind. In dem zwischen ihnen entstehenden Raum ist ein Greif eingraviert, der das Zentrum dieses Teilfeldes darstellt. Ein zweites Teilfeld entsteht durch die verschlungenen Hälse der beiden Tiere, die im Sujet gleichwertig nebeneinander stehen. Diese Komposition besitzt keine Zentrum- Peripherie-Relation, so dass keine eindeutig bestimmbare Szene entsteht. Als kataphorisches Element können auch Szenentrenner gedeutet werden. Diese sind i. d. R. so in das Rollsiegel eingraviert, dass sie, um die Szene abgrenzen zu können, zweimal abgerollt werden müssen. Dies bedeutet, dass die gesamte Szene erst durch eine Abrollung von mehr als 360° vollständig sichtbar wird. 9 Als Szenentrenner werden häufig Bäume verwendet, da diese die gesamte Vertikale ausfüllen können. Ein Beispiel für eine Eingrenzung einer Szene durch eine Dattelpalme bietet das Siegel VR 1981.137. 10 9 Die Notwendigkeit einer Mehrfachabrollung wird auch bei https: / / bit.ly/ 35PkJzU deutlich. Es wird jedoch keine Möglichkeit einer eigenständigen Sequenzierung geboten, da der festgelegte Rahmen von einer 360°-Sequenz ausgeht. 10 Vgl. https: / / bit.ly/ 3cBOuFQ. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Abb. 5: Abrollung des Siegels VR 1981.137. © Stiftung BIBEL + ORIENT, Fribourg. In dem aus achämenidischer Zeit stammenden Siegel ist eine Dattelpalme zwischen die Rücken der beiden gefl ügelten Löwengreifen mit Pferdeohren eingraviert. Erst durch ein zweifaches Abrollen der Palme wird die zentrale Szene abgeschlossen. 2.2 Anaphorische Elemente Neben den Elementen, die die zentrale Szene nach Außen abgrenzen, fi nden sich auf Rollsiegeln nach innen weisende Aspekte, die den Betrachter zum szenischen Zentrum hinführen. Als Beispiel für ein Rollsiegel, das vermehrt anaphorische Elemente aufweist, ist ein prominentes Stück zu betrachten, das bei einer Grabung auf dem Mamilla-Areal in Jerusalem, westlich des Jaff a-Tores auf dem Boden eines Grabes gefunden wurde. Das Grab stammt 11 aus der späten Königszeit. Stilkritisch wird das Siegel der Akkad-Zeit (24.-22. Jh. v. Chr.) zugewiesen und gilt damit als das einzige Rollsiegel dieser Epoche, das bisher in Palästina/ Israel gefunden wurde. 11 Vgl. Schroer/ Keel, IPIAO 1, 348 f. mit Abb. 251. 28 Daniel Schmitz / Thomas Wagner Rollsiegel sequenzieren 29 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 Abb. 6: Rollsiegel aus der Akkad-Zeit, von der Grabungsleitung aufbewahrt. © Stiftung BIBEL + ORIENT, Fribourg. Das Siegel zeigt in seinem Zentrum die thronende Sonnengottheit Šamaš, die durch die aus ihrem Schulter-/ Oberarmbereich hervorgehenden Sonnenstrahlen als solche gekennzeichnet ist. Šamaš trägt eine Hörnerkrone, die ihn ebenfalls als Gottheit ausweist. Eingegrenzt wird die Szene zunächst durch den aus Stab, horizontaler Doppellinie und Mondsichel bestehenden Szenentrenner, der zwischen den Rücken der beiden Šamaš umgebenden Gottheiten eingraviert ist. Die beiden weiteren Gottheiten halten jeweils einen Torfl ügel in Händen, was darauf hindeutet, dass es sich hierbei um die Tore zur Unterwelt handelt, durch die Šamaš Tag für Tag am Horizont erscheint. Ist diese Beobachtung richtig, dann sind diese beiden Gottheiten Šalim und Mešarru, die Söhne der Sonnengottheit. Die anaphorischen Elemente sind nun an den Šalim und Mešarru zu beobachten. Ihre Blickrichtung zielt auf das szenische Zentrum. Zudem weisen ihre Schrittstellung und die Haltung ihrer Arme auf Šamaš hin. Die off en gehaltenen Torfl ügel verweisen ebenfalls darauf, dass zwischen ihnen das Teilfeld sichtbar wird, das im Zentrum der Darstellung steht: die thronende Sonnengottheit. „Das Thronen des Sonnengottes betont seine souveräne Herrschaft, die sich wiederum vor allem in seiner Richterrolle äußert, die er immer thronend ausübt.“ 12 Zeichen dieser Herrschaft ist der Herrscherring, den Šamaš in der rechten Hand hält. Die Ermittlung des szenischen Zentrums und damit der Komposition des Sujets ist durch die kata- und anaphorischen Elemente geleitet, auf Basis einfacher Beobachtungen möglich. Der Bezug von einer rein materiellen auf über diese 12 Schroer/ Keel, IPIAO 1, 348. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) hinausgehende, allgemeine Kultur wird dann möglich, wenn der Symbolgehalt des im Zentrum des Bildes stehenden Elements erschlossen, d. h. kontextualisiert wird. 3 Interpretation Zur Erschließung der Ikonographie des Vorderen Orients wird vielfach auf den methodischen Ansatz von Ernst Panofsky zurückgegriffen. 13 Auf Stufe II seiner Analyse, die er die Ikonographische Analyse nennt, kommt die Kenntnis literarischer Quellen zum Tragen, um das konventionale Sujet, „das die Welt von Bildern , Anekdoten und Allegorien bildet“ 14 , zu deuten. Panofsky bezieht sich bei der Ausbildung seiner Analysemethode auf Sujets unterschiedlicher Kompositionsschemata, so dass er kein Teilfeld benennt, dessen Symbolgehalt einer derartigen ikonographischen Deutung unterzogen werden soll. Die im Alten Orient vorherrschende Zentrum-Peripherie-Formation weist jedoch ein solches Teilfeld aus, auf das der Blick des Betrachter gelenkt wird. Durch das Zentrum wird auf bestimmte Themen und Vorstellungen zumeist literarischer Quellen verwiesen, die durch den Symbolwert der das Zentrum umgebenden Elemente durch den Künstler gedeutet wird. So verbinden sie häufig Bild und Text so miteinander, dass der Text, wie er im Gedächtnis des Betrachter existiert, in eine bildliche Vorstellung übersetzt wird. Durch das Bild wird jedoch eine Fokussierung des Textes vorgenommen: „Dies setzt voraus, daß jede auch nur vorstellbare Sichtbarkeitsalternative des im Bild zu Sehenden jenen vermittelten Sinn vernichtet, daß also das zu Sehende in seiner fixierten Einansichtigkeit sich erfüllt. Darin steckt ein prinzipieller Unterschied zu aller natürlichen Wahrnehmungsvielfalt der visuellen Welt, was wiederum bedeutet, daß das im Bilde zu Sehende - wie immer es auf die außerbildliche visuelle Welt hinweist oder auch nicht - außerhalb des Bildes keine Existenz hat und insofern mit dem Bilde selbst identisch ist.“ 15 Die Ausdeutung des zentralen Elementes durch die um dieses platzierten Symbole führt zur Ausbildung einer Symbolsprache, so dass neben dem Text ein weiterer Deutungshorizont entsteht. Im Folgenden wird dieses an dem aus dem 9./ 8. Jh. v. Chr. aus Babylon stammdenden Rollsiegel VR 1981.113 verdeutlicht. 13 Zur kritischen Reflexion der Methode siehe Keel, Recht, 267-271. 14 Panofsky, Ikonographie, 223. 15 Imdahl, Ikonologie, 319. 30 Daniel Schmitz / Thomas Wagner Rollsiegel sequenzieren 31 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 Abb. 7: Rollsiegel VR 1981.113. © Stiftung BIBEL + ORIENT, Fribourg. Die Siegelabrollung zeigt zwei bärtige Figuren mit lockigem Haar, die eine Schürze und Armbänder tragen. Über ihren Köpfen ist jeweils ein Stern zu sehen. Ihre Arme weisen auf einen Schrein zwischen ihnen hin, der das Zentrum der Darstellung bildet. Innerhalb des Schreins wird ein Hybridwesen sichtbar, das einem Leser von Enūma Eliš als Mušḫuššu , Betrachtern monumentaler Bauwerke wie etwa dem Ištar-Tor in Bablyon als mythisches Wesen bekannt ist. Dieser Schlagendrache wird von Marduk besiegt und wird zu seinem Träger/ Podest. Auf den Hörnern des Schlangendrachens ist ein Beter abgebildet, der vor dem Spaten Marduks und dem Griffel des Nabûs steht. Ikonographisch ungewöhnlich an der Darstellung sind die Löwentatzen des Schlangendrachens. In dieser Form entspricht er seiner Darstellung in einem Hymnus auf Ninurta . 16 Mond- und Sternsymbol oberhalb des Schreins sowie die als Szenentrenner dienenden Plejaden, die zwischen den Rücken der beiden bärtigen Figuren eingraviert sind, weisen direkt auf die Ausgestaltung des unteren Himmels in Ee V: 1-46 hin. Für Enūma Eliš ungewöhnlich ist jedoch die Gleichstellung Marduks und Nabûs im zentralen Schrein. Diese ist im Text nicht belegt; vielmehr wird 16 Vgl. Lambert, Myths, 235. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) das zentrale Heiligtum als ein dreigeschossiges dargestellt, dessen untere Etage Eas Schrein in Apsû und dessen obere Etage Enlils himmlischem Heiligtum entspricht. Die Gleichstellung Nabûs mit Marduk verweist in die weitere Religionsgeschichte Babylons. In ihr tritt Nabû immer weiter in die Rolle Marduks ein. Ursprünglich wurde Nabû in Borsippa verehrt, tritt aber in neubabylonischer Zeit als Mitherrscher neben Marduk auf und wird dementsprechend als gleichwertig abgebildet. 17 Die auf diesem Rollsiegel dargestellte Fokussierung auf einen von zwei Gottheiten bewohnten Schrein ist nicht nur ein Zeugnis der späteren babylonischen Religionsgeschichte, sondern führt zugleich zu einer veränderten Wahrnehmung des Referenztextes. Enūma Eliš wird als Gründungslegende des babylonischen Heiligtums verstanden. Nabû tritt ursprünglich als Wesir des Himmelsgottes Anu auf, indem er in Zeiten der ersten babylonischen Dynastie mit dem diese Funktion wahrnehmenden Muduggasa’a identifiziert wird. In späterer Zeit, d. h. zwischen 1000 und 800 v. Chr., wird er dann als Sohn Marduks gleichwertig angesehen. 18 Das Rollsiegel zeugt davon, dass der in Enūma Eliš nach der Schaffung des Heiligtums erreichte Zustand nicht als dauerhaft, sondern als Beginn eines sich fortentwickelnden Kultes gelesen wurde, zu dessen Errungenschaften auch die Integration des Sohnes Marduks in das religiöse System Babylons gehörte. Die Konzentration auf das zentrale Teilfeld des Bildes ermöglicht es, die Deutung eines für die jeweilige Kultur wesentlichen Textes durch ein Bild als materielles Zeugnis dieser Kultur zu erschließen. Während schriftliche Texte aufgrund ihrer Verbreitung, ihrer proto-kanonischen Formen und der langwierigen Redaktionsprozesse nur unter größerem Aufwand fortgeschrieben werden konnten und auf diese Weise mit einer höheren Zeitverschiebung auf sich verändernde kulturelle Bedingungen reagierten, 19 sind derartige Prozesse bei der Schaffung von Bildern in kürzeren Zeitabständen möglich. Die Stärke bildlichen Ausdrucks, die Konzentration auf eine statische Konstellation, führt dazu, dass wesentliche kulturelle Prozesse und die von ihnen abhängigen Neudeutungen überkommener Vorstellungen kurzfristig abgebildet werden können. 17 Pomponio, Nabû, 100. 18 Vgl. Lambert, Myth, 275-277. 19 Zur Textgeschichte von Enūma Eliš vgl. Lambert, Recension. 32 Daniel Schmitz / Thomas Wagner Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 The Sequencing of Cylinder Seals Deducing Segments - Recognizing Subjects - Discovering-Culture translated by David O’Neill The definition of subjects through the sequencing of cylinder seal rollings is a fundamental step for the interpretation of a iconographic evidence. The perception of the images is largely determined by the arrangement of their symbols. In many cases, this is done intuitively, in that the unroller cuts the rolling in such a way as he perceives the motif arrangement at first glance. With cataand anaphoric elements as well as the arrangement of the symbols aligned with the centre, this article describes essential compositional features that need to be perceived and considered when sequencing. 1 Introduction In the course of their cultural history, the peoples of the Near East formed various artifacts and objects. From reliefs to stelae to small art objects, forms were created of which early evidence has been found in the Biblical world since Natufium. 1 While initially they were mainly figurines formed from bones, teeth, pearls and shells, seals have also been documented since the Chalcolithic (4500- 3600 BC). Initially, stamp seals were used. Motifs were engraved into stones or bones, which were mainly imprinted in clay. The imprint formed a bas-relief. This technique was further developed in the following centuries, especially in southern Mesopotamia, in such a way that cylindrical stones were engraved all around and the image - in contrast to the stamp seal - only became fully visible when the offprint was made. “The art of cutting cylinder seals, as far as our knowledge is today, begins in southern Mesopotamia in the period which we, according to the relevant excavation layers in Warka, call Uruk IV/ VI. The sealing craft of the two centuries between 3300 and 3100 BC stands as a fully developed art, in contrast to the writing, in which we can recognize an initial stage in this time.” 2 With the cylinder seals, the artists of the late 4th millennium BC created an art form that became typical for the Near East up to the epoch of 1 Cf. Schroer/ Keel, IPIAO 1, 37-45. Critically evaluated by Hershman/ Misch-Brandl, Dawn, 12. 2 Moortgat, Rollsiegel, 3. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) the rule of Achaemenid. Only under Persian rule did it lose such importance that it was no longer used at later cultural levels, even in the Near East. Cylinder seals primarily have their ‘cultural seat’ in the economy. This becomes clear in a text from the 21st century BC: The seal (with) the inscription of the merchant Ur-DUN has been lost. Following the word of assembly, the herald blew the horn in the streets, (so that) no one could have any claim against him (=the merchant). Lu-Su’ena, the general, Lugalmelam, the governor (and) temple steward, Zuzu, the master, Sidu, the scribe, Allu, the steward, Bansagen, the cult singer, Ullia, the mayor (and) the herald are witnesses. 3 The loss of the seal described in the text was made public so that the seal could not be misused. Cylinder seals were used in the economy to confirm the value or the quantity of a good. If a seal was pressed in clay, with which a clay jug was closed, the seal giver testified that the promised goods were in the jug in agreed quantity. The individualized seals thus served as a confirmation and, in connection with the good reputation of the trader, were a sign of the quality of the goods. Cylinder seals did not only have an economic function, however, but also served as a means of protection against the influence of demonic powers on human life. Such apotropaic effects 4 emanated both from the stones from which they were cut 5 and from the engraved images. Unlike stamp seals, the engraved images are not a single motif, the character of which can be recognized by its symbolic content. Instead, cylinder seals offer image sequences in which different motifs are combined with each other. Cylinder seals thus offer a subject that must be interpreted by the viewer. Here it is essential to pay attention to the combination of the motifs, which is more than the sum of the individual motifs: “It is precisely in this respect that the iconography differs from Panofsky’s method of interpretation, namely that it does not see the actual content of the picture in the ‘symbolic value’ of an underlying general principle that can also be formulated in other media, but rather - where appropriate - in the picture as a seeing offer that exceeds all expectations the viewer brought along and even all the ideas of events to be communicated in language, being eidetic evidence that can only apply through visualization.” 6 Such a specific combination only becomes visible through an analysis of the segments (subfields) of the image, their design and mutual references. 3 Extracted from Neumann, TUAT.NF 1, 17f. 4 About cylinder seals and amulets cf. Salje, Siegelverwendungen. 5 Cf. Schuster-Brandis, Steine, 17-47. 6 Imdahl, Schriften 3, 432. 34 Daniel Schmitz / Thomas Wagner The Sequencing of Cylinder Seals 35 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 Essential for the interpretation of the subfields is their arrangement. While this is unambiguous in the case of images applied to a surface, it must first be determined in the case of cylinder seals. The unrolling of the seals thus determines which subject the viewer will see. Or, viewed from a different perspective: The viewer becomes a composer, since he or she influences the result by unrolling the seal differently, depending on the starting point. However, this is hardly visible in today’s scientific practice, since the images engraved into the cylinder seals are mostly perceived after having been cut or drawn. The subject is determined in advance, so that an essential step in the interpretation of these pictures is missing in the interpretation. In the following, features are named according to which a sequencing of cylinder seals and thus a definition of the subject is possible. 2 Sequencing The basis of ancient oriental paintings is a center-periphery space formation, which results from the mixing of orthogonality and sphericity. 7 In the center of the picture, the essential is represented. In order to achieve this, two different segment arrangement principles are followed. On the one hand, anaphoric elements can be found within the subject that refer to the center of the picture, on the other hand, cataphoric elements occur that delimit the center of the picture towards the periphery. The determination of the function of the motifs connected within the subject is the task of the sequencing of unrolled cylinder seals. 2.1 Cataphoric Elements Two fundamentally different elements of cylinder seal images can be recognized as cataphoric elements. On the one hand, images have aspects that point away from the center of the image, on the other hand, many cylinder seals have scene separators engraved in them which determine the center of the image. In the following example, the first observation is dedicated to cataphoric elements outwardly delineating the image center. The cylinder seal VR 1993.6 comes from the collection of the Museum BIBLE + ORIENT, Fribourg. It is dated to the Neo-Assyrian period, more precisely to the period between 900 and 700 BC. In the publications of the seal, the sequence is cut in such a way that the center of the image is predefined. 8 Overlapping elements are left out in the drawing of the seal, so that the sequence appears clearly delineated at least at the back: 7 Cf. Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 25-38. 8 About the seal cf. https: / / bit.ly/ 3i8TjHS as well as Keel-Leu/ Teissier, Rollsiegel, 179-441. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Fig. 1: Drawing of the seal VR 1993.6.© Collection BIBEL + ORIENT, Fribourg. Fig. 2: Unrolled seal VR 1993.6. © Collection BIBEL + ORIENT, Fribourg. The subject is determined by the snake body. The head of the snake and its two extremities protrude beyond the scene so that they are depicted above and below the end of the tail. By this, the impression of cyclicity is created when rolling, since the sequence cannot be delimited by a vertical cut. This becomes visible in a multiple unrolling: Fig. 3: Multiple unrolling VR 1993.6. 36 Daniel Schmitz / Thomas Wagner The Sequencing of Cylinder Seals 37 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 The beginning and the end of the scene can be defined by cataphoric elements. Such elements are the snake’s head pointing to the left, the outstretched limbs as well as the eight-pointed star and the crescent moon in the upper and the eye and individual wedges in the lower field of the picture. While the snake head and the extremities are placed in front of the person standing on the snake, the star, the crescent moon, the eye and wedges in his back can be seen. The cataphoric elements outwardly delimit the center of the picture. In the center of the depiction, a god dressed in a fringed skirt can be seen, holding a double lightning bolt in his right hand, with which he fights the serpent dragon. The cylinder seal thus represents a chaos battle scene in which the action of the depicted deity is at the center of the depiction. Through the engraved overcuts, the scene visible on VR 1993.6 contains aspects that also occur on cylinder seals that do not allow scenic separation. In the case of such seals, the subject is composed in such a way that connecting elements are inserted at the points where separation would also be possible. These kinds of subjects are found primarily in depictions of animals whose symbols do not refer to mythical narratives, which in turn are scenically designed. An example of such a cylinder seal is the seal MNB 1167, which was probably created to seal trading goods, as it is designed for continuous unrolling. The seal also has another special feature. The unrolled seal shown below seems to be a multiple unrolling at first sight. At second glance, however, if you look at the two griffins in the picture or the horizontal alignment of the necks of the larger animals, you will see that it is by no means a double unrolling of single engraved animals. The engraving shows two similar scenes, standing directly next to each other, and the intertwined position of necks and tails reinforces the iterative character of the seal. Fig. 4: MNB 1167, Musee du Louvre, Paris. Depiction from Delaporte, Catalogue II, 64. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) A separation of the scene is not possible because the tails of the two animals are intertwined. A griffi n is engraved in the space created between them, which represents the center of this subfi eld. A second subfi eld is created by the intertwined necks of the two animals, which stand side by side as equals in the subject. This composition has no center-periphery relation, so that the scene created is not unambiguously determinable. Scene separators can also be interpreted as a cataphoric element. These are usually engraved in the cylinder seal in such a way that they have to be unrolled twice to delimit the scene. This means that the entire scene only becomes fully visible when unrolled more than 360°. 9 Trees are often used as scene separators because they can fi ll the entire vertical. An example of a scene delimited by a date palm is provided by the seal VR 1981.137. 10 Fig. 5: Unrolled seal VR 1981.137. © Foundation BIBEL + ORIENT, Fribourg. In the seal, which dates from the Achaemenid period, a date palm is engraved between the backs of the two winged lion griffi ns with horse ears. The central scene is only completed by unrolling the palm a second time. 2.2 Anaphoric Elements In addition to the elements that outwardly delimit the central scene, there are also inward-pointing aspects on cylinder seals that lead the viewer to the scenic 9 The necessity of a multiple unrolling is also shown to be evident at https: / / bit.ly/ 35PkJzU. It does not, however, off er the possibility of independent sequencing, since the defi ned frame assumes a 360° sequence. 10 Cf. https: / / bit.ly/ 3cBOuFQ. 38 Daniel Schmitz / Thomas Wagner The Sequencing of Cylinder Seals 39 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 center. As an example of a cylinder seal that has more anaphoric elements, a prominent piece is to be considered, which was found in an excavation on the Mamilla site in Jerusalem, west of the Jaff a Gate on the ground of a grave. The grave dates from the late royal era. 11 In terms of style, the seal is attributed to the Akkadian period (24th-22nd century BC) and is thus considered the only cylinder seal of this epoch that has been found in Palestine/ Israel to date. Fig. 6: Cylinder seal from the Akkadian period, kept by the site director. © Foundation BIBEL + ORIENT, Fribourg. In its center, the seal shows the enthroned sun deity Šamaš, who is characterized as such by the sunrays emerging from her shoulder/ upper arm area. Šamaš wears a crown of horns, which also identifi es him as a deity. The scene is initially delimited by the scene divider consisting of a staff , a horizontal double line and the crescent moon, which is engraved between the backs of the two deities surrounding Šamaš. The other two deities each hold a gate wing in their hands, suggesting that these are the gates to the underworld through which Šamaš appears on the horizon day after day. If this observation is correct, then these two deities are Šalim and Mešarru, the sons of the sun god. The anaphoric elements can now be observed on Šalim and Mešarru. Their direction of view points towards the scenic center. In addition, their foot position and the position of their arms point to Šamaš. The open wings of the gate also refer to the fact that between them the central subfi eld becomes visible: the enthroned sun god. “The throne of the sun god emphasizes his sovereign rule, which in turn is expressed above all in his role as judge, which he always 11 Cf. Schroer/ Keel, IPIAO 1, 348 f., Img. 251. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) exercises in an enthroned manner.” 12 The sign of this dominion is the ring of rulers that Šamaš holds in his right hand. The determination of the scenic center and thus the composition of the subject is based on simple observations, guided by the cataphoric and anaphoric elements. The reference from a purely material culture to a general culture that goes beyond it becomes possible when the symbolic content of the element at the center of the picture is made accessible, meaning it is contextualized. 3 Interpretation The methodological approach of Ernst Panofsky is often used to explore the iconography of the Near East. 13 At stage II of his analysis, which he calls the Iconographic Analysis , knowledge of literary sources comes into play in order to understand and interpret the conventional subject “which forms the world of images , anecdotes and allegories ”. 14 In the development of his method of analysis, Panofsky refers to subjects of different compositional schemes, so he does not name any subfield whose symbolic content is to be subjected to such an iconographic interpretation. The center-periphery formation predominating in the Ancient Near East, however, reveals such a subfield and directs the observer’s view to it. Through the center, reference is made to certain themes and ideas, mostly from literary sources, which are interpreted by the artist through the symbolic value of the elements surrounding the center. Thus, they often combine image and text in such a way that the text, as it exists in the observer’s memory, is translated into a pictorial idea. The image, however, sharpens the text: “This presupposes that every conceivable alternative of what is to be seen in the picture destroys the meaning conveyed by the picture, in other words that what is to be seen fulfills itself in its own revelation. There is a fundamental difference between this and all natural perceptual diversity of the visual world, which in turn means that what is to be seen in the picture - however it may or may not point to the extra-pictorial visual world - has no existence outside the picture and is thus identical with the picture itself.” 15 The interpretation of the central element by the symbols placed around it leads to the formation of a symbolic language, so that a further interpretation horizon is created in addition to the text. In the following, this is illustrated by the cylinder seal VR 1981.113, which originates from Babylon in the 9th/ 8th century BC. 12 Schroer/ Keel, IPIAO 1, 348. 13 For a critical reflection of the method cf. Keel, Recht, 267-71. 14 Panofsky, Ikonographie, 223. 15 Imdahl, Ikonologie, 319. 40 Daniel Schmitz / Thomas Wagner The Sequencing of Cylinder Seals 41 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 Fig. 7: Cylinder seal VR 1981.113. © Foundation BIBEL + ORIENT, Fribourg. Unrolled, the seal shows two bearded figures with curly hair wearing an apron and bracelets. A star can be seen above their heads. Their arms point to a shrine between them, which forms the center of the representation. Within the shrine a hybrid creature becomes visible, known to a reader of Enūma Eliš as Mušḫuššu , to viewers of monumental buildings such as the Ištar Gate in Babylon as a mythical creature. This serpent dragon is defeated by Marduk and becomes his carrier/ pedestal. On top of the horns of the serpent dragon, there is a praying figure who stands in front of Marduk’s spade and the stylus of Nabû. The lion paws of the serpent dragon are iconographically unusual. In this form, it corresponds to its representation in a Hymn on Ninurta . 16 The moon and star symbol above the shrine as well as the Pleiades, which serve as scene separators and are engraved between the backs of the two bearded figures, point directly to the decoration of the lower sky in Ee V: 1-46. What is unusual for Enūma Eliš , however, is the equality of Marduk and Nabû in the central shrine. This is not documented in the text; rather, the central shrine is depicted as a three-story building, the lower floor of which corresponds to Eas Shrine in Apsû and the upper floor to Enlil’s heavenly shrine. The equation of 16 Cf. Lambert, Myths, 235. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Nabû with Marduk refers to the further religious history of Babylon. In this history, Nabû continues to assume the role of Marduk. Nabû was originally worshipped in Borsippa, but in the Neo-Babylonian period he appeared as a co-ruler alongside Marduk and is thus portrayed as having equal status. 17 The focus on a shrine inhabited by two deities depicted on this cylinder seal is not only a testimony to the later Babylonian history of religion, but also leads to a changed perception of the reference text. Enūma Eliš is understood to be the founding legend of the Babylonian shrine. Nabû originally appears as a vizier of the heavenly god Anu, being identified with the Muduggasa’a who performed this function during the first Babylonian dynasty. In later times, between 1000 and 800 BC, he is considered to be the son of Marduk. 18 The cylinder seal testifies that the state reached in Enūma Eliš after the creation of the sanctuary was not read as being permanent, but as the beginning of an evolving cult whose achievements included the integration of the son of Marduk into the religious system of Babylon. Concentrating on the central subfield of the image enables the observer to deduce the interpretation of a text essential to the respective culture from an image serving as a material testimony to that culture. While written texts could only be updated with greater effort due to their spread, their proto-canonical forms and the lengthy editorial processes involved, and thus reacted to changing cultural conditions with a greater time lag, 19 such processes are quicker to implement through the creation of images. The strength of pictorial expression, being the concentration on a static constellation, ensures that essential cultural processes and the reinterpretations of outdated ideas that depend on them can be depicted at short notice. Keywords Anaphoric elements, cataphoric elements, sequencing, sujet, center-periphery space formation Bibliography Bachmann, Manuel: Die strukturalistische Artefakt- und Kunstanalyse. Exposition der Grundlagen anhand der vorderorientalischen, ägyptischen und griechischen Kunst (OBO 148), Fribourg/ Göttingen 1996. 17 Pomponio, Nabû, 100. 18 Cf. Lambert, Myth, 275-7. 19 For the textual history of Enūma Eliš cf. Lambert, Recension. 42 Daniel Schmitz / Thomas Wagner The Sequencing of Cylinder Seals 43 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 Delaporte, Louis Joseph: Catalogue des cylindres sceaux et pierres gravées de style oriental, Vol. 2: Acquisitions, Paris 1923. Hershman, Debby/ Misch-Brandl, Osnat: The Dawn of Civilization. 1.5 million - 5,500 years ago, in: Dayagi-Mendels, Michal/ Rozenberg, Silvia (Hg.): Chronicles of the Land. Archaeology in The Israel Museum Jerusalem, Jerusalem 3 2013, 10-35. Imdahl, Max: Ikonik, in: Boehm, Gottfried (Hg.): Was ist ein Bild (Bild und Text), München 2 1995, 300-324. Imdahl, Max: Giotto. Zur Frage der ikonischen Sinnstruktur, in: Imdahl, Max: Gesammelte Schriften. Band 3: Reflexion - Theorie - Methode, hg. v. Gottfried Boehm, Frankfurt a. M. 1996, 424-463. Keel, Othmar: Das Recht der Bilder gesehen zu werden. Drei Fallstudien zur Methode der Interpretation altorientalischer Bilder (OBO 122), Fribourg/ Göttingen 1992. Keel-Leu, Hildi/ Teissier, Beatrice: Die vorderasiatischen Rollsiegel der Sammlung ‚Bibel+Orient‘ der Universität Freiburg Schweiz (OBO 200), Fribourg/ Göttingen 2004. Lambert, Wilfred G.: The Assyrian Recension of Enūma Eliš, in: Waetzold, Hartmut/ Hauptmann, Harald (Hg.): Assyrien im Wandel der Zeiten. XXXIX e Rencontre Assyriologique Internationale, Heidelberg 6.-10. Juli 1992 (Heidelberger Studien zum Alten Orient 6), Heidelberg 1997, 77-79. Lambert, Wilfred G.: Babylonian Creation Myths (Mesopotamian Civilizations 16), Winona Lake, IN 2013. Moortgat, Anton: Vorderasiatische Rollsiegel. Ein Beitrag zur Geschichte der Steinschneidekunst, Berlin 3 1988. Neumann, Hans: Sumerische und akkadische Texte des 3. Jt. v. Chr., in: Janowski, Bernd/ Wilhelm, Gernot (Hg.): Texte zum Rechts- und Wirtschaftsleben (TUAT.NF 1), Gütersloh 2004. Panofsky, Erwin: Ikonographie und Ikonologie, in: Kaemmerling, Ekkehard (Hg.): Ikonograpie und Ikonologie. Theorien, Entwicklung, Probleme (Bildende Kunst als Zeichensystem 1), Köln 6 1994, 207-225. Pomponio, Francesco: Nabû. Il culto e la figura di in dio del Pantheon babilonese ed assiro, Rom 1978. Salje, B.: Siegelverwendungen im privaten Bereich. ‚Schmuck - Amulett - Grabbeigabe‘, in: Klengel-Brandt, E. (Hg.): Mit sieben Siegeln versehen. Das Siegel in Wirtschaft und Kunst des Alten Orients, Mainz 1997, 125-137. Schroer, Silvia/ Keel, Othmar: Die Ikonographie Palästinas/ Israels und der Alte Orient. Eine Religionsgeschichte in Bildern, Band 1: Vom ausgehenden Mesolithikum bis zur Frühbronzezeit (IPIAO 1), Fribourg 2005. Schuster-Brandis, Anais: Steine als Schutz- und Heilmittel. Untersuchungen zu ihrer Verwendung in der Beschwörungskunst Mesopotamiens im 1. Jt. v. Chr. (AOAT 46), Münster 2008. https: / / bit.ly/ 3cBOuFQ. Letzter Aufruf am 28.09.2020. https: / / bit.ly/ 3i8TjHS. Letzter Aufruf am 27.09.2020.