eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 25/49

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
10.24053/ZNT-2022-0002
2022
2549 Dronsch Strecker Vogel

Frauenbeschneidung in der Antike und ihr motivisches Vorkommen im Neuen Testament und frühen Judentum

2022
Heidrun E. Mader
Zum Thema Frauenbeschneidung in der Antike und ihr motivisches Vorkommen im Neuen Testament und frühen Judentum Heidrun E. Mader Zeitschrift für Neues Testament 25. Jahrgang (2022) Heft 49 Dieser Beitrag argumentiert, dass das Motiv der ägyptischen Frauenbeschneidung in Texten des frühen Juden- und Christentums zum Proselytismus (Konversion vom Paganismus zum Judentum) eine Rolle spielte. Die beiden Ägypterinnen Hagar in Gal 4,21-31 und Aseneth im frühjüdischen Roman Joseph und Aseneth repräsentieren als Frauen , die nach ägyptischer Sitte beschnitten sind, männlich beschnittene Proselytengemeinden. Dass diese Gender-Oszillation der beiden Texte sich durch das Beschneidungsmotiv ausgerechnet am Geschlecht festmacht, ist interessant. Auf metaphorischer Ebene kann das weibliche Geschlecht eine Gruppe von Menschen männlichen Geschlechts repräsentieren. Für die antiken Autoren des Galaterbriefs und des frühjüdischen Romans war diese Oszillation problemlos denkbar, selbst wenn in ihrer religiösen Tradition dezidiert nur männliche Säuglinge beschnitten wurden bzw. im Proselytentum nur männliche Konvertiten, so dass Shaye Cohen der Frage „Why aren’t Jewish Women circumcised? “ 2005 ein ganzes Buch widmete. Dabei geht es Cohen freilich um die Frage der Geschlechtergleichheit in religiöser Praxis und keineswegs darum, Frauenbeschneidung als Ritual zu propagieren. Bedeutet die Oszillation des Geschlechts, dass in der Antike Gendergrenzen offener gesehen wurden als bei uns? Immerhin sind für paulinische Gemeinden in Christus „männlich“ und „weiblich“ als Kategorien DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002 28 Heidrun E. Mader irrelevant; 1 phrygische Christen sprachen von einer weiblichen Christus, 2 und in paganer Kunst waren Hermaphroditen stark präsent. Sexuelle Orientierung oszillierte im Liebesleben der griechisch-römischen Gesellschaften in allen Schattierungen. 3 Andererseits kommen polemische Texte gegen Homosexualität 4 sowie gegen in der ekklēsia sprechende bzw. lehrende Frauen 5 ebenfalls nicht zu kurz. Diese Diskrepanz im Befund lehrt erneut, bei der Rekonstruktion der Historie mit offenen Kategorien zu arbeiten und mit multiplen Perspektiven zu rechnen. Die Entdeckung des Motivs der ägyptischen Frauenbeschneidung in der eigenen religiösen Tradition soll erstens Anlass geben, Frauenbeschneidung im Kontext der ägyptischen Antike und ihrer Rezeption aufzusuchen und anhand der Quellen darzulegen. Zweitens soll sie Anlass geben, die bis in die heutige Zeit breit praktizierte Menschenrechtsverletzung der Beschneidung weiblicher Genitalien zu thematisieren, sie der Tabuisierung zu entziehen, in der sie sich geschützt ausbreitet, und so auf diese akute weltweite Not von Frauen nicht nur aufmerksam zu machen, sondern auch Lösungen für sie zu finden. Aktuell kommt es zu folgenden horrenden Zahlen dieser Menschenrechtsverletzung; wegen beachtlicher Dunkelziffern sind sie nur schwer zu präzisieren: Nach aktuellen Schätzungen der WHO leben über 200 Millionen Mädchen und Frauen mit Genitalverstümmelung weltweit. Es ist davon auszugehen, dass 30 Millionen jährlich hinzukommen. 6 In Deutschland selbst schätzt die Organisation Terre de Femmes die Zahl beschnittener Mädchen und Frauen auf 70.218. Weitere 17.600 Mädchen sind gefährdet, beschnitten zu werden. 7 Diese schockierenden Zahlen machen den dringenden Handlungsbedarf überdeutlich, die Menschenrechtsverletzung der Frauenbeschneidung als solche 1 Gal 3,28. Genauso wie die Kategorien „jüdisch“ und „griechisch“, die Paulus in demselben Brief auch mit „beschnitten“ und „unbeschnitten“ übersetzen kann. Mit anderen Worten: Gleich zwei geschlechtsbezogene Merkmale sind irrelevant in Christus. 2 Epiphanius, Panarion 49,3,1. 3 Bernadette J. Brooten, Liebe zwischen Frauen. Weibliche Homoerotik in hellenistischrömischer Zeit und im frühen Christentum (übers. von Gerlinde Baumann; Exegese in unserer Zeit. Kontextuelle Bibelinterpretationen 28), Münster 2020. 4 Röm 1,27. 5 Z. B. 1Kor 14,33b-35; ähnlich 1Tim 2,11-15. 6 https: / / de.statista.com/ infografik/ 24092/ anteil-der-genitalverstuemmelten-maedchenund-frauen/ (letzter Zugriff am 07.10.2021). Ferner Informationen der Bundeszentrale unter https: / / www.bpb.de/ politik/ hintergrund-aktuell/ 263832/ tag-gegen-weibliche-genitalverstuemmelung (letzter Zugriff am 07.10.2021). 7 https: / / www.frauenrechte.de/ presse/ aktuelle-pressemitteilungen/ 4046-anlaesslich-desinternationalen-maedchentages-70-218-betroffene-frauen-und-maedchen-terre-desfemmes-e-v-veroeffentlicht-neue-dunkelzifferstatistik-zu-weiblicher-genitalverstuemmelung-in-deutschland (letzter Zugriff am 07.10.2021). DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002 Frauenbeschneidung in der Antike 29 verständlich zu machen und aufzuhalten. Auch die unbedarfte Verwendung des Frauenbeschneidungsmotivs in der eigenen religiösen Tradition - die gleich detailliert aufgezeigt wird - sollte zu dieser Verantwortung aufrütteln. Gleichzeitig sollte die Unbedarftheit der eigenen Tradition Anlass sein, dies nicht mit Fingerzeigen auf Sitten anderer Kulturen oder anderer religiöser Systeme zu tun. 1 Das Motiv der Frauenbeschneidung bei Paulus „Denn es steht geschrieben, dass Abraham zwei Söhne hatte, einen von der Sklavin und einen von der Freien.“ So eröffnet Paulus seine Allegorie im Galaterbrief (4,22), mit der er Gemeindeglieder paganen Hintergrunds in Galatien warnt, sich der Proselytenbeschneidung zu unterziehen, die von anderen judenchristlichen Lehrenden in Galatien empfohlen wurde. Die beiden Mütter der Söhne Abrahams, die Paulus hier mit „Sklavin“ und „Freie“ bezeichnet, sind den schriftkundigen galatischen Gemeindegliedern bekannt. Es sind Hagar und Sara aus der Abrahamserzählung der Genesis. Was aber haben die Frauen Abrahams mit dem drohenden Proselytenbeschneidungsszenario zu tun, welches nach jüdischem Brauch doch konkret die Männer der Gemeinden betrifft? Hagar und Sara, die Paulus jeweils als „Jerusalem“ bezeichnet (Gal 4,26), stehen in der Allegorie für je einen Typus gläubiger Gemeinde. Paulus greift mit „Jerusalem“ ein traditionelles, weibliches Motiv auf, das in etlichen Texten für die gläubige Gemeinde steht. 8 Jerusalem wird in der Antike weiblich gedacht (siehe gleich) und damit in die generell weibliche Konzeption antiker Städte 8 Z. B. Jes 10,10-12. PD Dr. Heidrun E. Mader, Studium der Evangelischen Theologie in Oberursel, Heidelberg und Cambridge (UK). Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Neues Testament an der Universität Heidelberg, dort auch Promotion (2011) und Habilitation (2018). 2020 arbeitete sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Vorstandsmitglied im LOEWE Exzellenzprojekt „Positionierung von Religionen“ der Universitäten Frankfurt und Gießen. Seit Ende 2020 vertritt sie an der Universität Hamburg die Professur für Neues Testament. An der Universität Stellenbosch ist sie Research Fellow für New Testament Studies. Aktuelle Forschungsschwerpunkte sind neben der Frauenbeschneidung in der Antike Emotionen in biblischen Narrativen, Theologie des Markusevangeliums und der Galaterbrief. DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002 30 Heidrun E. Mader eingereiht, die stets durch Stadtgöttinnen repräsentiert wurden. Häufig werden diese in Abbildungen mit Stadtmauern gekrönt, 9 welche vor Angriffen oder wilden Tieren schützten. Die Stadt galt, im Gegensatz zum Land, als Zuflucht und war darin Symbol für weiblich gedachte Geborgenheit und Sicherheit. 10 Texte, die von Jerusalem handeln, drücken häufig mütterlich intime Geborgenheit aus und können an sich männlich Konnotiertes zu Weiblichem werden lassen: In Jes 66,13 tröstet Gott seine Kinder wie eine Mutter ihre Kinder - gerade so wie in den vorangehenden Versen (10-11) Jerusalem ihre Kinder an ihrer tröstenden Brust stillt und sättigt. Entsprechend ist bei den Kindern Jerusalems in Mt 23,37 an eine Mutter gedacht; Jesus sammelt diese Kinder wie eine Glucke ihre Küken unter ihre Fittiche. Im 3. Jh. n. Chr. sieht die montanistische Prophetin Quintilla Jesus als Frau, die ihr ankündigt, dass sich das in der Tradition weiblich gedachte Jerusalem vom Himmel (Apk 21,9-11) herabsenken werde (Epiphanius, Panarion 49,3,1). In solcher Jerusalem-Tradition stehend, spricht Paulus in Gal 4,25-26 von Hagar und Sara als von zwei verschiedenen Versionen Jerusalems und apostrophiert Jerusalem in der positiven Version, die für ihn Sara verkörpert, als „unsere Mutter“. Hagar und Sara repräsentieren in der paulinischen Allegorie kontrastreich zwei unterschiedliche Gemeindeszenarien: Hagar als „Sklavin“, wie Paulus betont, steht für die Gemeinde in Sklaverei, das bedeutet im Kontext des Galaterbriefs eine Gemeinde, die sich der Proselytenbeschneidung unterzieht. 11 Sara als „Freie“ steht für das Gemeindeszenario, das sich diesem Ritual nicht unterzieht 9 Beispiele in Anja Klöckner / Matthias Recke (Hg.), Herakles & Co., Götter und Helden im antiken Griechenland. Antike Kunst aus den Sammlungen der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Arbeiten zur Klassischen Archäologie - Mitteilungen aus der Antikensammlung der Justus-Liebig-Universität Gießen 6), Gießen 2010, 132, Nr. 76: z. B. Statue Vatican Inv. 2672 Tyche von Antiochen oder die Stadtgöttin mit Stadtmauer als Krone in der Antikensammlung, Kunsthistorisches Museum, Wien. Inv. IXa 82. 10 Siehe auch Christl M. Maier, Daughter Zion, Mother Zion. Gender, Space, and the Sacred in Ancient Israel, Minneapolis 2008, 210f.: „die Stadt ist eine Frau“; und Maier, Daughter Zion, 64-69, mit weiteren Beispielen. Ähnlich Uta Schmidt, Zukunftsvorstellungen in Jesaja 49-55. Eine textpragmatische Untersuchung von Kommunikation und Bildwelt (WMANT 138), Neukirchen-Vluyn 2013, 138. 11 Siehe Gal 2,4; 3,28; 4,3.7-9.22-31; 5,1. Mehr in Heidrun E. Mader, Proselytismus als Mehrheitsphänomen in den galatischen Gemeinden als Kontext für Paulus Kritik an des Gesetzes Werken, in: Ute E. Eisen / Heidrun E. Mader (Hg.), Talking God in Society. Multidisciplinary (Re)constructions of Ancient (Con)texts . FS Peter Lampe. Bd. 1: Theories and Applications (NTOA 120/ 1), Göttingen 2020, 557-573; Heidrun E. Mader, Circumcised Hagar, the Slave, and Uncircumcised Sarah, the Free Woman. Feminizing the Circumcision Scenario of the Galatian Congregations, in: Korinna Zamfir / Uta Poplutz (Hg.), New Testament Epistles (The Bible and Women. An Encyclopaedia of Exegesis and Cultural History 2.2), Atlanta (im Druck). DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002 Frauenbeschneidung in der Antike 31 und damit nach der Vorstellung des Apostels frei im Glauben an Christus bleibt. Hörenden des ersten Jh.s n. Chr. war diese Zuordnung der beiden Frauen zu Gemeindesituationen plastisch vor Augen, da sie mit Hagar, die sie aus Gen 16,1 als ägyptische Frau kannten, eine beschnittene Frau assoziierten. Dieser Beitrag wird die Rezeption von Hagar als nach ägyptischer Sitte beschnittener Frau anhand der Quellen verdeutlichen. Sara hingegen, die in der Allegorie das positiv konnotierte Gemeindeszenario verkörpert, ist als jüdische Frau unbeschnitten und darin für Paulus Mutter aller nichtjüdischen Völker, die zum Glauben an Israels Gott kommen. Der von Paulus intendierte Kontrast liegt eben gerade nicht, wie oft (bisweilen auch kirchlich-triumphalistisch) behauptet wurde, zwischen Hagar als Repräsentantin eines im Gesetz gefangenen Judentums und Sara als freier Kirche. Hagar, Ägypterin mit paganem Hintergrund, als Repräsentantin des Gesetzes und damit des Judentums zu dechiffrieren, ergibt keinen Sinn. Der Kontrast, den die Allegorie aufstellt, bezieht sich vielmehr auf Beschnittenheit und Unbeschnittenheit der beiden Frauen. Es ist dieser Kontrast, der im Galaterbrief wiederholt aufgerufen wird (2,7-9; 5,1-6. 11-12; 6,11-16). 12 Paulus ist mit diesem Gender Shift in der Proselytenbeschneidungsrhetorik nicht allein. Auch Rabbi Levi führt eine Allegorie zur männlichen Proselytenbeschneidung an, in der eine Frau - in diesem Fall eine adlige Dame - das Beschneidungsproblem repräsentiert. Im Unterschied zu Paulus bewertet Rabbi Levi die Proselytenbeschneidung positiv, indem er Gottes Beschneidungsgebot in Gen 17,1 mit einer Szene vergleicht, in welcher eine dem König vorangehende adlige Dame fragt, ob sie einen Makel habe. Der König versichert ihr, dass sie keinen habe, außer den zu lang gewachsenen Nagel ihres kleinen Fingers, den sie kürzen solle. Der Rabbi vergleicht diesen Vorgang mit der Entfernung der Vorhaut Abrahams. 13 Ferner wird dieser Beitrag argumentieren, dass sich auch die ägyptische Romanfigur Aseneth aus dem frühjüdischen Roman Joseph und Aseneth vor ihrer Hochzeit mit Joseph - in Überblendung mit dem Deutungskontext proselyti- 12 Auch die kontrastreiche Metaphorik von der Versklavtheit und Freiheit, die Hagar und Sara zugeordnet wird, bezieht Paulus auf die Szenarien der Beschnittenheit und Unbeschnittenheit (siehe Anm. 4). Paulus erweitert in Gal 4,23 sein Kontrastschema, indem er Hagars Sohn als kata sarka („nach dem Fleisch“) geboren beschreibt, während Saras Sohn geboren ist nach der Verheißung Gottes. Die Formulierung kata sarka in Vers 23 und auch in 4,29 könnte gut eine Anspielung auf die Beschneidung sein. Gen 17,13 nennt die Beschneidung explizit einen Bund epi tēs sarkos hymōn („in eurem Fleisch“). Paulus verbindet sarx in Gal 3,3 und 6,13 mit der Beschneidung. Die Beschneidung, die in 5,2.6 angesprochen wird, wird vom sarx -Begriff in Gal 5,13 aufgegriffen. Wie bereits die New Perspective on Paul zeigte, basiert das Gnadenelement christlicher Theologie auf dem Judentum als ebensolcher Gnadenreligiosität. Vgl. Mader, Proselytismus, 558-569. 13 Bereshit Rabba 46,4. DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002 32 Heidrun E. Mader scher Konversion - nach ägyptischer Sitte einer Beschneidung unterzieht ( Jos- As 14-17). Auch Aseneth repräsentiert dabei als Frau die Proselytengemeinden der jüdischen Diaspora und in diesem Szenario deren männliches Eintrittsritual. 14 2 Die antike Quellenlage zur Frauenbeschneidung Frauenbeschneidung in der Antike ist speziell als ägyptische Sitte dokumentiert. 15 Im Vergleich zur Dokumentation männlicher Beschneidung ist sie äußerst rar belegt. 16 Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, dass sie nicht breit praktiziert wurde. Das deutliche Gefälle in der Dokumentation ist darauf zurückzuführen, dass männliche Beschneidung öffentlich begangen und gefeiert wurde, während weibliche Beschneidung „privat“ blieb und - wie die Quellenlage zeigt - kaum verbalisiert wurde. 17 Die erste handfeste Erwähnung von Frauenbeschneidung 18 liegt in einem bemerkenswerten Papyrus aus Memphis von 163 v. Chr. aus dem hellenistischen Ägypten vor. 19 Trotz der Einmaligkeit dieses Belegs aus diesem Kontext ist er besonders aussagekräftig. Als Petition eines Bettelmönchs des Serapiskults 14 Kapitel 3 dieses Beitrags. 15 Zur Frage der Herkunft der Beschneidungssitte generell siehe Joachim F. Quack, Zur Beschneidung im Alten Ägypten, in: Angelika Berlejung / Jan Dietrich/ Joachim F. Quack (Hg.), Menschenbilder und Körperkonzepte im Alten Israel, Tübingen 2012, 561-652, hier 624f. 16 Zur Beschneidungssitte in Ägypten generell siehe umfassend Quack, Beschneidung, 561-651. 17 Vgl. Mary Knight, Curing Cut or Ritual Mutilation? Some Remarks on the Practice of Male and Female Circumcision in Graeco-Roman Egypt, Isis 92/ 2, 2001, 317-338, hier 332; Shaye Cohen, Why aren’t Jewish women circumcised? Gender and Covenant in Judaism , Berkeley u. a. 2005, 58. Quack, Beschneidung, hält im Fazit (628 f.) seines Beitrags über die Beschneidungssitte in Ägypten auch den Öffentlichkeitsfaktor der männlichen Beschneidung fest. Ferner bietet er Bildmaterial (630-633), das die Öffentlichkeit bis hin zur Sichtbarmachung der männlichen Beschneidung demonstriert. Analoges Bildmaterial zur Frauenbeschneidung fehlt. 18 Weitere Quellen zur ägyptischen Frauenbeschneidung, für die hier kein Raum ist, werden in einem in Erscheinung begriffenen ausführlicheren Beitrag über die Frauenbeschneidung diskutiert werden. 19 Papyrus London 24 (UPZ I, Nr. 2). Eine vielzitierte Übersetzung ins Englische bietet Jane Rowlandson (Hg.), Women and Society in Greek and Roman Egypt. A Sourcebook, Cambridge 1998, 99 f., No. 78. Deutsche Übersetzungen der Quelle bieten Ulrich Wilcken, Urkunden der Ptolemäerzeit (Ältere Funde). Bd. 1: Papyri aus Unterägypten, Berlin / Leipzig 1927 (Nachdruck 1977), 116-119; und Andrea Jördens, Griechische Texte aus Ägypten, in: Bernd Janowski / Daniel Schwemer (Hg.), Texte zur Heilkunde (TUAT 5), Gütersloh 2010, 317-350. DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002 Frauenbeschneidung in der Antike 33 schildert der Papyrus eine Alltagssituation, aus der hervorgeht, dass Frauenbeschneidung zu dieser Zeit in Ägypten etablierte Sitte war. 20 In der Petition rollt der Serapismönch Harmaios einem griechischen Magistraten, von dem er sich eine Lösung seines Rechtsproblems erhofft, eine intrigante Familienangelegenheit auf: Eine junge Frau namens Tathemis habe Geld im Tempeldistrikt des Serapeums angespart und es ihm zur Sicherheitsverwahrung anvertraut. Die der Tathemis entfremdete Mutter, Nephoris, habe ihn überredet, ihr das Geld zu geben, um für ihre Tochter die Verheiratung vorzubereiten. Zu den Hochzeitsvorbereitungen gehörten als Kostenfaktoren die Beschneidung von Tathemis, Kleidung und eine Aussteuer. Doch Nephoris habe ihr Versprechen nicht eingehalten und stattdessen das Geld auf andere Weise ausgegeben. Harmaios kann das nun von Tathemis wieder eingeforderte Geld nicht zurückzahlen und bittet daher den Magistraten darum, ihm Gerechtigkeit zu verschaffen. Nephoris führt die Beschneidung ihrer Tochter Tathemis für die zeitliche Dringlichkeit der Auszahlung an und Harmaios fügt für den griechischen Magistraten erklärend hinzu: „wie es Sitte bei den Ägyptern ist.“ Aus der Schilderung der Abläufe lässt sich ableiten: (1) Die Frauenbeschneidung war etablierte Sitte in der ägyptischen Kultur. (2) Sie fand im Vorfeld der Hochzeit zu einem bestimmten Entwicklungszeitpunkt der jungen Frauen statt. (3) Ihre Durchführung kostete offenbar eine nicht unerhebliche Summe Geldes. Dennoch strebten selbst recht mittellose Frauen sie an, wie dieses Beispiel zeigt, was wiederum die Bedeutung der Beschneidung für die Verheiratung hervorhebt. (4) Die auffällige Einmaligkeit dieses Dokumentationsfundes im Gegensatz zur breiten Dokumentation männlicher Beschneidung in Ägypten zeigt, dass Frauenbeschneidung privat gehalten und nicht öffentlich thematisiert wurde. Der Grund für ihre Nennung in diesem Dokument ist finanzieller und damit rein praktischer Natur. Im frühen 1. Jh. n. Chr. bezeugen Strabo, der auch in Ägypten gereiste griechische Geograph, und Philo von Alexandrien die ägyptische Frauenbeschneidungssitte. Sie berichten über diese fremde ägyptische Sitte, die in ihrer Zeit im griechisch-römischen Kulturraum bekannt geworden war. 21 Strabo kommentiert, dass Ägypter ihre Kinder erzögen, ihre Männer beschnitten ( peritemnein ) und ihre Frauen exzisierten ( ektemnein ) (17,2,5). Das von ihm verwendete Paar unterschiedlicher Verben für die männliche und weibliche Beschneidung findet sich nur bei ihm. Als erster jüdischer Schriftsteller bespricht Philo in Quaestiones et solutiones in Genesim 3,47 die Frage, warum nur jüdische Männer und nicht auch jüdische Frauen beschnitten würden. In diesem Kontext unterschei- 20 Vgl. Quack, Beschneidung, 608. 21 Vgl. Cohen, Jewish Women, 56: „By the first century of our era, the Egyptian practise was well known.“ DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002 34 Heidrun E. Mader det er die ägyptische Sitte von der jüdischen. Ihrer Sitte getreu, beschnitten die Ägypter die heiratsfähige männliche und weibliche Jugend mit vierzehn Jahren, wenn beim Mann der Samenerguss und bei der Frau der Menstruationsfluss beginne. Im Judentum dagegen habe der göttliche Gesetzgeber die Beschneidung nur für Männer angeordnet. Auch griechisch-römische Ärzte berichten über das chirurgische Verfahren der Frauenbeschneidung als ägyptischer Sitte und bestätigen damit ihren Bekanntheitsgrad im römisch-hellenistischen Raum. 22 Die Operation solle sexuelle Lust der Frauen dämmen. Vor allem bei einer als zu groß befundenen Klitoriseichel solle diese beschnitten werden, um nicht durch Reibung an der Kleidung ein Erregungsgefühl zu erzeugen. Der ausführlichste antike Bericht über das Verfahren stammt von Aetios, Arzt zur Zeit des Kaisers Justinian I. (565 n. Chr.), ausgebildet in Alexandrien. Im 16. Band seiner sechzehnbändigen medizinischen Enzyklopädie, Tetrabiblon , in der er auf Werke antiker Autoren rekurrierte, unter ihnen Oribasius, Soranos und Galen, beschreibt er den chirurgischen Eingriff. Dabei zitiert er Philomenes, einen griechischen Arzt in Rom, der entweder ein Zeitgenosse Galens war oder ein wenig später als dieser lebte. 23 The so-called nymphe [the gland of the clitoris] is a sort of muscular or skin-like structure that lies above the juncture of the labia minora; below it the urinary outlet is positioned. [This structure] grows in size and is increased to excess in certain women, becoming a deformity and a source of shame. Furthermore, its continual rubbing against the clothes irritates it, and that stimulates the appetite for sexual intercourse. On this account, it seemed proper to the Egyptians to remove it before it became greatly enlarged, especially at that time when the girls were about to be married. Surgery is performed in this way: Have the girl sit on a chair while a muscled young man standing behind her places his arms below the girl's thighs. Have him separate and steady legs and whole body. Standing in front and taking hold of the gland of the clitoris with a broad-mouthed forceps in his left hand, the surgeon stretches it outward, while with the right hand, he cuts off at the point next to the pincers of the forceps. It is proper to let a length remain from cut off, about the size of the membrane that is between the nostrils, so as to take away excess material only; as I have said, the part to be removed is at that point just of the forceps. Because the gland of the clitoris is a skin-like structure and stretches out excessively, do not cut off too much, as a urinary fistula [ rhoias ] may result from cutting such large growths deeply. After the surgery, it is recommended to treat the wound with wine or cold water, wiping it clean with 22 Knight, Curing Cut, 321-329, stellt alle chirurgischen Berichte und ihre Textgeschichte ausführlich vor. Im Überblick gut zusammengefasst und ausgewertet bei Quack, Beschneidung, 608f. 23 Knight, Curing Cut, 327. DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002 Frauenbeschneidung in der Antike 35 a sponge to sprinkle frankincense powder on it. Absorbent linen bandages dipped in vinegar should be secured in place, and a sponge in turn dipped in vinegar placed above. After the seventh day, spread the finest calamine on it. With it, either rose petals or genital powder made from baked clay can be applied. And this is also good: Roast and grind date pits and spread the powder on [the wound]; [this compound] also works against sores on the genitals. 24 Chirurgisch fällt auf, dass die ärztlichen Berichte ausschließlich die Frauenbeschneidung ersten Grades beschreiben. Die WHO beschreibt für heutige Frauenbeschneidungen zwei weitere Grade (Verstümmelung der Klitoriseichel sowie der inneren Labien - bis hin zu den äußeren Labien als höchstem Grad der Verstümmelung). 25 Aetios’ Bericht bestätigt den ägyptischen Brauch der Beschneidung vor der Hochzeit, übereinstimmend mit dem Papyrus aus Memphis und der Notiz Philos. Auffällig ist, dass trotz der Erwähnung der Frauenbeschneidung als ägyptischer Sitte im griechisch-römischen Kulturraum außer dem Papyrus aus Memphis keine ägyptischen Dokumentationen über die Frauenbeschneidung vorliegen, auch keine chirurgischen Erläuterungen. Dies bestätigt, wie sehr im eigenen Kulturraum diese Sitte verschwiegen wurde; sie galt privatim als Hochzeitsvorbereitung und wurde nahezu niemals verbalisiert. Eine Tabuisierung im Kulturraum, in welchem sie praktiziert wird, belegt die Betroffenen mit Scham, macht sprachunfähig und führt dazu, dass die Sitte gesellschaftlich nicht problematisiert wird, sich dafür aber umso stärker durchsetzen kann. Angesichts der genannten Befunde steht zu erwarten, dass die Hörenden der paulinischen Hagar / Sara Allegorie die Ägypterin Hagar als beschnittene Frau verstanden. Signifikanterweise wird das Beschnittensein Hagars in Gal 4,21-31 nicht direkt verbalisiert, was die Quellenlage zur ägyptischen Frauenbeschneidungssitte gut spiegelt. Problematisiert wird Hagars Beschneidung indirekt, da sie - als Repräsentantin einer christusgläubigen Gemeinde paganen Hintergrunds mit beschnittenen Männern (s. o.) - abschreckend wirken soll, jedoch nicht auf ägyptische Frauen, sondern auf christusgläubige Männer paganen Hintergrunds in Galatien, die sich der Proselytenbeschneidung unterziehen wollen. So wird mit der hier vorgeschlagenen neuen Deutung für Gal 4,21-31 zwar der Triumphalismus der Kirche über die Synagoge sowie die Dichotomie 24 Englische Übersetzung von Knight, Curing Cut, 327 f., z. T. modifiziert. 25 https: / / www.who.int/ news-room/ fact-sheets/ detail/ female-genital-mutilation (letzter Zugriff am 08.10.21). Vgl. z. B. Sabine Huebner, Female Circumcision as a Rite de Passage in Egypt. Continuity through the Millennia, Leiden 2009, 149-171, hier 134; Knight, Curing Cut, 323, mit Abbildungen. Der Versuch, die Infibulatio als sog. Pharaonenbeschneidung auf das Alte Ägypten zurückzuführen, ist nicht solide begründbar. Vgl. Quack, Beschneidung, 605-610. DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002 36 Heidrun E. Mader des Judentums als Gesetzesreligion und des Christentums als freier Gnadenreligion überwunden. Nicht überwunden mit dieser Deutung jedoch ist eine Diskriminierung Hagars, die in der Allegorie als versklavte und an ihren Genitalien verstümmelte Fremde als abschreckendes Beispiel fungiert. Die Allegorie ist zwar mit der hier vorgeschlagenen Lesart von ihrer antijüdischen Tendenz befreit, jedoch bleibt festzuhalten, dass Paulus diskriminierende Kategorien einsetzt, um sein rhetorisches Ziel zu erreichen. Der Tatbestand der Frauenbeschneidung an sich wird nicht problematisiert. 3 Aseneths allegorische Proselytenbeschneidung (JosAs-14-17) Die bisherigen Beobachtungen zur ägyptischen Frauenbeschneidung und die Aufnahme dieses literarischen Motivs im Proselytenkontext des Galaterbriefs legen nahe, auch in dem frühjüdischen Roman Joseph und Aseneth in Kapitel 16 die literarische Verarbeitung einer rituellen Beschneidung an der ägyptischen Aseneth zu erkennen, welche - wie Hagar - eine sich der Beschneidung unterziehende männliche Proselytengemeinde repräsentiert. 26 Wie Hagar ist Aseneth jüdisch Informierten dieser Zeit 27 aus der Genesiserzählung als Ägypterin bekannt (Gen 41,45.50): Als Tochter des Ägypters Potiphera, eines Priesters des On, wird sie dem Israeliten Joseph, der soeben als Regent über Ägypten eingesetzt wurde, vom Pharao selbst zur Frau gegeben. Beide, der Galaterbrief und der Roman JosAs, greifen auf fremde Ägypterinnen zurück, um über Proselytismus zu handeln. Während Hagar Christusgläubige paganer Herkunft vom Proselytismus abschrecken soll, fungiert Aseneth als positives Vorbild für Proselytismus im frühjüdischen Kontext. Denn auch Aseneth repräsentiert eine Stadt. Die junge ägyptische Braut wird als Stadt der Zuflucht von einem engelhaften anthrōpos bezeichnet. Der himmlische Mensch verheißt Aseneth im Laufe ihrer Konversion, dass sie „Stadt der Zuflucht“ für die Völker sein werde, die 26 JosAs 14-17. Im Folgenden werden in groben Zügen Thesen meiner umfassenden Studie zu Hagar und Aseneth geboten, die im Erscheinen begriffen ist. 27 Der Roman wird zwischen dem 1. Jh. v. Chr. und dem 1. Jh. n. Chr. angesiedelt. Manuel Vogel, Einführung, in: Eckart Reinmuth (Hg.) / Stefan Alkier (Bearb.), Joseph und Aseneth (SAPERE 15), Tübingen 2009, 3-32, hier 15, präzisiert: „Mit aller Vorsicht kann deshalb der Entstehungszeitraum von JosAs auf die 2. Hälfte des 1. Jh. n. Chr. und die ersten Jahre des 2. Jh. eingegrenzt werden.“ Schließt man sich der Argumentation Vogels an, rückt der Roman in direkte zeitliche Nähe zum Galaterbrief. Wie im Galaterbrief geht es bei den Adressierten um den Proselytismus. Es zeichnet sich im Forschungskonsens ab, keinen missionarischen Impetus hinter der Schrift zu sehen. Ob es konkret um die Mischehenfrage geht, die auf Romanebene geklärt werden soll, oder um andere Aspekte des Proselytismus, wird hier offengelassen (siehe die Möglichkeiten bei Vogel, Einführung, 26-28). Für die hier vorgebrachte These reicht der Proselytenkontext völlig aus. DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002 Frauenbeschneidung in der Antike 37 „sich dem höchsten Gott im Namen der Umkehr anschließen.“ 28 In 16,16 und 19,5 wird diese Deklaration in Schlüsselszenen wiederholt, zuerst vom himmlischen anthrōpos beim Mahl der Honigwabe, sodann von Aseneth, die ihre Rolle als Stadt der Zuflucht für Proselyten Joseph berichtet (19,8). Weil die Vorbildproselytin in der Bildsprache des Romans eine Polis als Zufluchtsort für alle Völker ist, spielt sie als eine Frau, als Aseneth, die Hauptrolle. 29 In der JosAs-Forschung wurde öfter die Frage gestellt, warum Beschneidung trotz der dominierenden Konversionsthematik kein Thema in dem Roman sei, 30 zumal sie der letzte entscheidende Schritt für einen männlichen Proselyten war, Teil der jüdischen Gemeinschaft zu werden. 31 Zweitens wurde häufig gefragt, wofür das Honigwabenmahl steht, welches der himmlische anthrōpos in Kapitel 16 initiiert und welches bis Kapitel 17 ausgeführt wird. Mehrere Vorschläge wurden gemacht, aber keiner setzte sich durch. 32 Angela Standhartinger nennt die Szene, „[…] in which a mysterious honeycomb appears suddenly in Aseneth’s chamber and is shared by her and her heavenly visitor“, „[m]ost enigmatic“. 33 Einig sei man sich, dass „the action and language are in some way symbolic. But how? “ 34 28 JosAs 15,17. Text von Uta B. Fink, Übersetzung von Reinmuth, in: Reinmuth / Alkier, Joseph und Aseneth, 88f. 29 Vgl. z. B. Christoph Burchard, Joseph and Aseneth. A New Translation and Introduction, in: James E. Charlesworth, The Old Testament Pseudepigrapha II, New York 1985, 177-247, hier 189 f., der darauf hinweist, dass die Ziontradition hinter Aseneths Hauptrolle als Frau stehe, die sonst häufig von Männern eingenommen werde. Dass die Völker Zuflucht beim Herrn in Zion finden, kommt in Sach 2,15 (LXX) vor. Doch soll Aseneth, die in Ägypten lokalisiert ist, nicht speziell Jerusalem repräsentieren. Die Metapher der schützenden Stadt verdankt sich hier ganz dem Konzept der Polis selbst, die in der Antike generell feminin verstanden wird, auch unabhängig vom Jerusalem-Motiv. 30 Z. B. Burchard, Joseph and Aseneth, 193: „It is significant that neither circumcision nor proselyte baptism (supposing that it existed already in the author’s day) is mentioned.“ Anders Christine Gerber, Blickwechsel. Joseph und Aseneth und das Neue Testament, in: Reinmuth / Alkier, Joseph und Aseneth, 203-218, hier 212, und Judith M. Lieu, Circumcision, Women, and Salvation, NTS 40/ 1994, 358-370, hier 365. 31 Dass die Beschneidung zum Proselytismus notwendig dazugehörte, vertreten z. B. John Nolland, Uncircumcised Proselytes, JSJ 12/ 1981, 173-194; Heikki Räisänen, Paul and the Law (WUNT 29), Tübingen 2 1987, 40 f.; Shaye Cohen, Crossing the Boundary and Becoming a Jew, HThR 82/ 1989, 13-33, hier 27 f. Dagegen Neil McEleny, Conversion, Circumcision, and the Law, NTS 20/ 1974, 319-341, hier 328-333. Zur Vertiefung der Thematik siehe Mader, Proselytismus als Mehrheitsphänomen, 559f. 32 Angela Standhartinger, Recent Scholarship on Joseph and Aseneth (1988-2013), CBR 12/ 2014, 353-406, hier 384 f., bietet einen ausgezeichneten Überblick darüber. 33 Standhartinger, Recent Scholarship, 384. 34 Standhartinger, Recent Scholarship, 384. DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002 38 Heidrun E. Mader Im Bewusstsein dessen, dass metaphorische Sprache verschiedene Deutungen ermöglicht, ergänze ich das Deutungsangebot um eine neue Interpretation, 35 indem ich die erste offene Frage der JosAs-Forschung mit der zweiten offenen Frage beantworte: Die Szene mit der Honigwabe erzählt Aseneths Beschneidung als Ägypterin vor ihrer Hochzeit. In metaphorischer Sprache repräsentiert die Honigwabenszene so die Konversionsbeschneidung der männlichen Proselyten: Wie Hagar repräsentiert Aseneth als Stadt der Proselyten die jüdische Proselytengemeinschaft. Aseneth kann die männliche Proselytenbeschneidung auf der metaphorischen Ebene repräsentieren, da bei ihr als Ägypterin vorauszusetzen ist, dass sie im Zuge der Hochzeitsvorbereitungen sich der Beschneidung unterzieht. Somit wird in der metaphorischen Sprache der Honigwabenszene die ägyptische Sitte mit der jüdisch-proselytischen Konversion, deren letzter Akt die (männliche) Beschneidung ist, überblendet. Betrachten wir nach dieser Vorschau die Szene mit der Honigwabe im Detail: Aseneths Konversion wird vom einem anthrōpos angeleitet, der vom Himmel erscheint (14,2-3). Dieser himmlische Mensch fungiert als Josephs Herold, der Aseneth unmittelbar vor der Hochzeit darauf vorbereitet, Joseph eine angemessene Frau zu werden. Der anthrōpos sieht wie Joseph aus, unterscheidet sich jedoch von ihm durch seine eschatologischen Eigenschaften (14,9). Er erscheint am Morgen des achten Tages nach Josephs und Aseneths erstem Treffen. Joseph, nachdem er Aseneth gesegnet hatte, dass sie neu von Gott geschaffen und zu einem Teil des Volkes Gottes gemacht werde (8,9), hatte Aseneth verlassen und versprochen, am achten Tag wiederzukommen, mit der Begründung, dass dies der Tag sei, an dem Gott begann, all seine Geschöpfe zu machen (9,5). Josephs himmlischer Herold erscheint also am Morgen des achten Tages, an welchem Joseph zurückkommen wird, und führt Aseneths Konversion durch, so dass Joseph seine Braut als neu geschaffene Aseneth empfangen kann. Matthew Thiessen argumentiert, dass der achte Tag auch den Tag der Beschneidung repräsentiere. Weil Gen 17,12; Lev 12,3 und Gen 21,1-4 anordnen, die männlichen Säuglinge am achten Tag zu beschneiden, sei Aseneths Konversion analog zur jüdischen Konversion zu verstehen, als ein Zeichen des Bundes, das vom Tod zum Leben führt: „Given this emphasis upon the timing of circumcision, it is likely that the author of Joseph and Aseneth describes Aseneth’s conversion as an eight-day process in order to parallel circumcision, another eight-day process, thereby legitimizing her conversion. Just as the newborn Jewish male must wait a period of eight days prior to being 35 Da die jeweiligen Deutungsangebote in sich recht geschlossene Systeme sind, einschließlich des meinen, ist es in diesem Rahmen nicht nötig, die Details der alternativen Deutungen mit anzuzeigen, um die eigene These vorzustellen. DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002 Frauenbeschneidung in der Antike 39 circumcised and entering into the life of the Jewish community, so too must Aseneth, who also receives a new name on the eighth day.“ 36 Thiessens Argumentation ist dahingehend weiterzuführen, dass es sich hier nicht nur um eine Analogie zur Beschneidung handelt, sondern das Ritual selbst gemeint ist, metaphorisch eingesetzt. Das Setting der Narratio passt nicht nur zum Schema der Beschneidung am achten Tag, sondern auch zum Setting der ägyptischen Frauenbeschneidungssitte innerhalb der Hochzeitsvorbereitungen. In dem ägyptischen Papyrus von 163 v. Chr. (Memphis) waren sowohl Tathemis’ Hochzeitskleid als auch ihre Beschneidung als Hochzeitsausgaben gelistet. Analog ist auch Aseneths Hochzeitskleid Teil der Konversionsszene. Der anthrōpos sagt Aseneth, sie solle es anziehen (15,10), bevor er den chirurgischen Eingriff an der Honigwabe vornimmt, welcher als ägyptische Beschneidungsprozedur deutbar ist. Der achte Tag und das Setting der Hochzeitsvorbereitungen überblenden die ägyptische und die jüdische Beschneidungspraxis in dieser Szene. Nach dem Setting ist die Honigwabenszene selbst zu analysieren. 16,17 stellt die Kernszene dar, die als chirurgischer Eingriff an Aseneths Vulva gedeutet werden kann: „Und wieder streckte der Mensch seine rechte Hand aus, berührte mit seinem ausgestreckten Finger den Rand der Wabe, der nach Osten blickt, und zog ihn zum Rand, der nach Westen blickt, und die Spur seines Fingers wurde wie Blut. Und er streckte seine Hand zum zweiten Mal aus, legte seinen Finger auf den Rand der Wabe, der nach Norden blickt, und zog ihn zum Rand, der nach Süden blickt, und die Spur seines Fingers wurde wie Blut.“ 37 Eine einzelne sechseckige Honigwabe eignet sich gut als Metapher für eine Vulva. Zahlreiche gleich zu nennende Belege in der Antike assoziieren Honig mit Liebe und Sexualität, einige umschreiben die Vulva auch direkt als Honigwabe. Ferner wird Honig in seiner antiseptischen Eigenschaft in der Medizin Ägyptens speziell in der Beschneidungschirurgie verwendet. Nicht zuletzt deutet der Finger des anthrōpos , der eine Blutbahn zieht, plausibel auf den chirurgischen Eingriff. Honigmetaphern und ihre erotische Bedeutung kommen beispielsweise in Graffiti vor, die Volksmeinungen und -gefühle zum Ausdruck bringen. Ein Graffito in Pompei besagt: „Wie die Bienen führen Liebende ein Leben, süß wie Honig.“ 38 Ein weiterer lateinischer Beleg des Komödianten Plautus, Pseudolus 179f., 36 Matthew Thiessen, Aseneth’s Eight-Day Transformation as Scriptural Justification for Conversion, JSJ 45/ 2014, 229-249, hier 237. 37 Text von Fink, Übersetzung von Reinmuth, Joseph and Aseneth, 94f. 38 CIL IV 8408a. DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002 40 Heidrun E. Mader führt Kosenamen für Prostituierte an, die u. a. Körperteile benennen. In dieser Liste könnte Mellillae, von mel (Honig), gut die Vulva bezeichnen, die unmittelbar nach den Brüsten figuriert: „Wo sind diese Männer, für die Du ‚Augen‘, ‚süße Brüste‘ und ‚Honigtöpfe‘ bist? “ Zusätzlich zu diesen allgemeinen Assoziationen, die jedem geläufig waren, bietet die jüdische Literatur spezifischere Parallelen. Die Honigwabe als Vulva kommt im Hohelied der Liebe 5,1 vor: „Ich komme in meinen Garten, meine Schwester, meine Braut. Ich pflücke meine Myrrhe samt meinem Balsam, esse meine Wabe samt meinem Honig…“ 39 Das Hohelied der Liebe ist zur Abfassungszeit von JosAs gut im Ohr, da es in den Synagogen zum jährlichen Pessachfest gelesen wurde. 40 Da es Liebespoesie darstellt, passt es gut zur Stimmung des Aseneth-Romans. In 18,9 wird Aseneths Schönheit am achten Tag, an welchem sie Joseph wiedersieht, in ähnlicher Art beschrieben wie im Hohelied der Liebe, indem Metaphern aus der Natur verwendet werden. Melanie Peetz weist darauf hin, dass der Stil und die Metaphern in diesen Versen des Hohenliedes mit denen der antiken sumerischen Liebeslyrik übereinstimmen. 41 Eine Parallele bietet das sumerische Liebesgedicht, welches im Kontext des heiligen Hochzeitsrituals von Inana, der Himmelskönigin, und dem Gott der Vegetation, Dumuzi-Amausumgalana, komponiert wurde. Ihr Koitus repräsentiert den agrarischen Zyklus des Wachstums. 42 Wie im Hohelied der Liebe sprechen sich in einem anderen Text Liebende als Bruder und Schwester an. Die Vulva wird dabei mit verschiedenen Metaphern angedeutet, u. a. als Honigmund; die Labien werden als Labien aus Honig beschrieben. 43 Ein Liebhaber bittet seine Geliebte: „Süße deinen Schoß für mich. Da ist Honig in deiner Vulva.“ 44 Es ist durchaus plausibel, dass diese sumerische Liebeslyrik spätere Lyrik, einschließlich des Hoheliedes, beeinflusste. Nachweislich fanden antike orientalische Motive, besonders magische, ihr Echo in den Nachfolgekulturen, in aramäischen, griechischen und arabischen magischen Texten, aber auch in Ovids Fasti 6,158-162. Volkstraditionen genossen transkulturelle Kontinuität. 45 39 Übersetzung: Die Heilige Schrift. Aus dem Grundtext übersetzt, Wuppertal / Zürich 4 1995. 40 Melanie Peetz, Emotionen im Hohelied. Eine Literaturwissenschaftliche Analyse Hebräischer Liebeslyrik unter Berücksichtigung geistlich-allegorischer Auslegungsversuche (HBS 81), Freiburg 2015, 21. Diese Tradition hält bis heute an (Heidy Zimmermann, „Lass mich deine Stimme hören“: Spuren des Hohenliedes in der jüdischen Tradition, KuI 19/ 2004, 32-46, hier 35). 41 Peetz, Hoheslied, 207. 42 Volkert Haas, Babylonischer Liebesgarten. Erotik und Sexualität im Alten Orient, München 1999, 122f. 43 Haas, Liebesgarten, 131. 44 Haas, Liebesgarten, 132. 45 Marvin H. Pope, Song of Songs (AncB 7C), New York 1977, sieht Parallelen vor allem in ugaritischem Material aus der sumerischen Tradition. Gillis Gerleman, Ruth, Das Hohe- DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002 Frauenbeschneidung in der Antike 41 Nachdem diese Auswahl von Textbeispielen die Honigwabe als Vulva plausibilisiert, ist die Operation des anthrōpos an der Wabe mit dem chirurgischen Bericht des Aetios zu korrelieren: Aetios nennt einen Chirurgen und einen jungen starken Mann, der die Beine und den von Schmerzen gepeinigten Körper der Operierten stillhält. Da die Operation Aseneths als himmlischer Akt beschrieben wird, reicht freilich eine einfache männliche Besetzung. Dennoch schildert auch der Roman Aseneths Angst vor den Schmerzen und ihre Furcht vor der Hand des anthrōpos eindrücklich in 16,13. Seine Hand wird als eisern charakterisiert; ein Operationinstrument ist leicht assoziierbar: „[…] er rief sie zu sich, streckte seine rechte Hand aus, berührte ihr Haupt und bewegte mit seiner rechten Hand ihr Haupt hin und her. Aseneth fürchtete die Hand des Menschen, denn Funken sprangen von seiner Hand ab wie von kochendem Eisen. Und Aseneth blickte auf und betrachtete furchtsam mit ihren Augen die Hand des Menschen.“ 46 Der Bahn, die der Finger des anthrōpos horizontal (von Ost nach West) in 16,17 zieht, eine Blutspur auf der Wabe hinterlassend (Text oben), dürfte bei Aetios der Schnitt an der Klitoris entsprechen. Die zweite Bahn, die der Finger vertikal von (von Nord nach Süd) blutig zieht, wird im Text des Aetios nicht parallelisiert, auch nicht in anderen Beispieltexten über die Operation. Es mag sein, dass der zweite Schnitt einen zusätzlichen Eingriff an den Labien bedeutet. Auf jeden Fall gewinnt der Beschneidungakt mit der zweiten Fingerbewegung an Intensivität. Aetios berichtet auch, wie die Wunde anschließend behandelt wurde. Er erwähnt keinen Honig, aber die medizinischen Papyri (vor allem die Ebers Papyri) verzeichnen, dass Honig, welcher als Medizin in Ägypten häufig eingesetzt wurde, eine der vielen Substanzen war, die man auf die Bandagen von Beschneidungswunden applizierte. 47 Die Wunde lässt sich in der bildlichen Sprache des Romans treffend in den Bienen 48 von 16,19 angedeutet sehen, die wörtlich aus der „Wunde der Wabe“ ( tēs plēgēs tou keriou ) hervorschwärmen. Da Bienen stechen können, liegt die Assoziation von postoperativen Schmerzen und möglichen, drohenden Entzündungen nahe. Als potentielle Gefahr wird dies in 16,18 passend zum Ausdruck gebracht. Einige Bienen freilich wollen lied (BKAT), Neukirchen-Vluyn 3 2011 (Nachdruck von 1965) interpretiert das Hohelied vor dem Hintergrund altägyptischer Liebeslyrik. 46 Text von Fink, Übersetzung von Reinmuth, Joseph and Aseneth, 92-95. 47 Louise Cilliers / Francois P. Retief, Bees, Honey and Health in Antiquity, Akroterion 53/ 2008, 7-19. 48 Es wurden bereits etliche Deutungsvorschläge für die Bedeutung der Bienen gemacht. Siehe im Überblick Standhartinger, Recent Scholarship, 367, 372, 384, 385. DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002 42 Heidrun E. Mader Aseneth wehtun (16,22), doch werden sie sofort mit dem Tod bestraft. Die Deutung liegt nahe, dass die Operation erfolgreich an Aseneth durchgeführt wurde und sie keine Sorge vor etwaigen Entzündungen haben muss. Die Farben der Bienen, Weiß, Purpur, Hyazinth, Scharlachrot und Gelbgold, passen zu Wunden und Schorf. Zunächst jucken sie, dann fallen sie nach einer Zeitlang ab, wie die davonfliegenden Bienen. Von hier aus zurückblickend, erschließt sich auch der Anfang der Szene, in welcher der anthrōpos Aseneth bittet, die Honigwabe aus der Vorratskammer zu holen (16,1-14). Aseneth ist völlig überrascht, eine Wabe in der Vorratskammer zu finden. Versteht man diese Szene als Entdeckung Aseneths eigener Sexualität, huscht den Hörerenden vermutlich ein Lächeln über das Gesicht. So jedenfalls dem anthrōpos , als Aseneth behauptet, dass keine Honigwabe in ihrer Vorratskammer vorhanden sei (16,11-14). Der anthrōpos führt als Josephs Herold Aseneth in ihre Sexualität ein und bereitet sie so auf ihre Hochzeit und ihre noch größere repräsentative Rolle als Mutter und Vorbild für die Proselytengemeinschaft vor. So ist der anthrōpos auch der erste Mann, der Aseneths Schleier lüftet (15,1), ebenso der erste, der auf ihrem jungfräulichen Bett sitzt (15,14). Dass er ihr die Honigwabe zeigt und beide davon essen (16,14), könnte eine Vorabbildung des Vollzugs des Hochzeitsaktes mit Joseph sein. Die Erklärung des anthrōpos , dass Aseneth von wachsender Jugend und Schönheit Mutterstadt der Proselyten sei, korrespondiert mit ihrer Möglichkeit, nun Kinder zu bekommen nach dem ersten ehelichen Koitus (16,16). Bevor sie beide von der Wabe essen, erklärt der anthrōpos , dass die Wabe von himmlischer Herkunft sei, lebens- und heilbringend. Viele Proselyten werden von ihr essen (16,14) - was deren Teilhabe an dem Heil anzeigen dürfte, das mit Aseneths Konversion und Beschneidung einhergeht, da die beschnittene Aseneth als nunmehr jüdische Frau Josephs im Begriff steht, der Ursprung bzw. die Mutterstadt aller Proselyten zu werden. Alle beschnittenen Proselyten „stammen“, bildlich gesprochen, von Aseneths (beschnittener) Honigwabe ab und partizipieren an Aseneths Heil. 49 Nach diesem tröstenden Lobgesang auf die Beschneidung beginnt im Text die Operation. Die Beobachtungen zeigen, dass sich der Roman nicht vor sexueller Thematik scheut. Dennoch werden die sexuellen Aspekte in verdeckter Rede, nur durch die Blume gesprochen, zur Sprache gebracht. Verschlüsselte Rede war ein bekanntes und beliebtes Stilmittel, nicht nur in der Literatur der griechisch- 49 Die Rabbinische Literatur lobt entsprechend die Beschneidung (Mischna Nedarim 3,11; Tosefta Nedarim 2,5-7,105). Cohen, Jewish women, 26 f., der diese Belege einer Lobrede auf die Beschneidung zitiert, interpretiert sie als Gegenreaktion auf das Christentum oder hellenisierte Juden. DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002 Frauenbeschneidung in der Antike 43 römischen Umwelt gerade auch des 1. Jh. n. Chr., 50 sondern auch des Zweiten Tempels, denken wir nur an die apokalyptische Literatur, namentlich an das Buch Daniel als prominentes Beispiel. 4 Schlussüberlegungen Hagar und Aseneth sind ägyptische Frauen und als solche geeignet, eine Proselytengemeinschaft darzustellen. Als ägyptische Frauen sind sie beschnitten wie jüdische männliche Proselyten. Als biblische Patriarchen-Frauen aus Ägypten sind beide aus den synagogalen Genesislesungen gut bekannt, wo auch die Gottesfürchtigen, potentielle Proselyten oder Christusgläubige, von ihren Geschichten gehört haben werden. Beide Texte, Gal 4,21-31 und JosAs 14-16, präsentieren eine Cross-Gender-Metaphorik mit zwei beschnittenen Frauen, die als Städte für proselytische Glaubensgemeinschaften stehen. Die aufgezeigten Analogien zwischen den Texten stärken die hier jeweils vorgestellten Deutungen von Hagar und Aseneth. Das Frauenbeschneidungsmotiv ist in beide Texte verdeckt eingelegt. Der Proselytenkontext legt die Assoziation dieses Motivs durch Textsignale jeweils nahe. Während der paulinische Text sehr kurz gefasst ist und mit Kontrastsignalen arbeitet, breitet der Text über Aseneths Beschneidung sich großflächig aus und schildert den Beschneidungsvorgang sowohl in seinem ägyptischen Hochzeitsvorbereitungskontext als auch in seinem jüdischen Konversionskontext ausführlich - bis in körperliche und emotionale Details hinein. Der Unterschied in der Art, wie diese beiden Figuren in den jeweiligen Texten des 1. Jh. eingesetzt werden, liegt darin, dass Hagars Beschnittensein negativ dargestellt wird und als abschreckendes Beispiel fungiert, während Aseneths Beschneidung positiv und vorbildhaft präsentiert wird. Die in beiden Texten verdeckte, metaphorische Sprache für das Frauenbeschneidungsmotiv passt zur Quellenlage: Die ägyptische Frauenbeschneidung wurde intrakulturell kaum verbalisiert, geschweige denn problematisiert. 50 Quintillian, Institutio 9,2,65.68.77.79; 9,1,14. DOI 10.24053/ ZNT-2022-0002