eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 25/49

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
10.24053/ZNT-2022-0006
2022
2549 Dronsch Strecker Vogel

Eine Frage der Perspektive - Dynamiken des Feminismus in der neutestamentlichen Exegese

2022
Ute E. Eisen
Eine Frage der Perspektive — Dynamiken des Feminismus in der neutestamentlichen Exegese Ute E. Eisen Zu meiner Person in dieser Kontroverse: In Deutschland geboren von einer Mutter, die zeitlebens an den Folgen ihrer Kriegsverletzungen litt, studierte ich nach dem Abitur in den 1980er Jahren Evangelische Theologie. Schnell begeisterte ich mich für die Wissenschaft und nahm daher nach dem Examen ein Promotionsprojekt zu einem feministisch-theologischen Thema an der Universität Hamburg in Angriff. Nach der Promotion habilitierte ich im Rahmen einer Assistentenstelle an der Universität Kiel. Während der Habilitationszeit wurde ich Mutter zweier Kinder. 2003 erfolgte die Habilitation an der Universität Heidelberg. Seit 2004 bin ich Professorin für Altes und Neues Testament an der Universität Gießen. Im Folgenden entwickle ich anhand biographischer Rückblicke Dynamiken feministischer neutestamentlicher Exegese und plädiere abschließend für die Aktualität feministischer Fragestellungen für alle, nicht nur für Frauen 1 . Als ich in den 1980er Jahren mein Studium aufnahm, traf ich auf eine universitäre Struktur, die durch und durch von Männern dominiert war. An den deutschen Universitäten, an denen ich in den 80er Jahren studierte, erlebte ich nur eine Professorin in der Theologie. Nach dem Grundstudium an der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg wechselte ich an den Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg. Dort gab es zwar gar keine Professorin, aber eine offene Diskurskultur, die neue Horizonte theologischer Fragestellungen eröffnete. Es wurde auch nach der gesellschaftlichen Relevanz theologischen Arbeitens gefragt und Themen der Friedens-, Frauen- und Umweltbewegung waren Gegenstand der Lehre. Studierende wurden zu eigenen Positionierungen eingeladen. Es gab ein regelmäßiges Angebot feministischer Lehraufträge. Die egalitär anmutende Atmosphäre dieser Seminare lud dazu ein, forschende Frauen zu erleben und unter Frauen freier und offener diskutieren zu können als in herkömmlichen Seminaren, in denen die Wortbeiträge von Männern dominierten. Auch autonome, d. h. allein von Studierenden 1 Die Kursivierung von Frauen , Mädchen und Männern (auch im Singular) zeigt an, dass es sich dabei um soziale Konstruktionen mit weitreichenden Folgen handelt. Eingefleischte Vorstellungen von Menschen, die so bezeichnet werden, sollen damit irritiert und der Blick frei gemacht werden für das Ausgeschlossene. DOI 10.24053/ ZNT-2022-0006 84 Ute E. Eisen organisierte und durchgeführte Seminare gehörten damals in Hamburg zum Studienalltag. Diese Formate und der Geist am Hamburger Fachbereich legten den Grundstein für meine wissenschaftliche Arbeit. Meine Studienzeit fiel in die Aufbruchsjahre Feministischer Theologie in Deutschland. Die Frauen der Bibel wurden neu entdeckt, eine kritisch feministische Hermeneutik entwickelt und Her/ story statt His/ story geschrieben. So bekam die christusgläubige Jüdin Junia endlich Anerkennung als „herausragende Apostelin“ (Röm 16,7). Ausleger hatten den Frauennamen dieser Apostelin in den Handschriften des griechischen Textes des Neuen Testaments kurzerhand in einen Männernamen verwandelt, obwohl der Männername Junias in der Antike nicht belegt ist. Bernadette Brooten deckte die Zusammenhänge 1977 auf und machte Junia eindeutig. 2 Diese Forschungsergebnisse haben sehr verzögert erst um die Jahrtausendwende unmissverständlichen Eingang in die wissenschaftlichen Ausgaben des griechischen Neuen Testaments und in die deutschsprachigen Bibelübersetzungen gefunden. Ebenso wurde die christusgläubige Jüdin Priska / Priskilla neu entdeckt (1Kor 16,19; Röm 16,3; Apg 18,2.18.26; 2Tim 5,16). Es konnte nachgewiesen werden, dass diese Frau zusammen mit ihrem Mann Aquila als Zeltmacherin tätig und Vorsteherin ihrer Hausgemeinde war sowie lehrte. Darüber hinaus war Priska zusammen mit Paulus Taktgeberin der frühchristlichen Evangeliumsverkündigung. Die feministische Exegetin Ivoni Richter Reimer hat 1992 die Geschichte dieser Frau minutiös aufgearbeitet. 3 Trotzdem wird Priska bis heute im Malestream der Forschung noch immer ihrem Ehemann Aquila nach- und untergeordnet und ihre Bedeutung heruntergespielt. Das überrascht vor allem deshalb, weil Priska in ihren sechs neutestamentlichen Erwähnungen viermal vor ihrem Ehemann Aquila genannt wird (Röm 16,3; Apg 18,18.26; 2Tim 4,19). Schon der Codex Bezae Cantabrigiensis aus dem 5. Jh. hat diesen Affront gegen die patriarchalische Geschlechterhierarchie durch Vorordnung des Ehemanns ‚in Ordnung‘ zu bringen versucht, konnte sich damit in der handschriftlichen Überlieferung des Neuen Testaments aber nicht durchsetzen. Der evangelische Exeget Dietrich-Alex Koch hingegen folgt dem singulären Befund dieses Codex in seinem 2013 publizierten und fast 700 Seiten umfassenden Lehrbuch zur Geschichte des Urchristentums. Er erwähnt Priska gegen den Textbefund beharrlich 2 Bernadette J. Brooten, „Junia … Outstanding among the Apostles“ (Romans 16: 7), in: Leonard Swidler / Arlene Swidler (Hg.), Women Priests. A Catholic Commentary on the Vatican Declaration, New York 1977, 141-144. 3 Ivoni Richter Reimer, Frauen in der Apostelgeschichte des Lukas. Eine feministisch-theologische Exegese, Gütersloh 1992, 202-230. DOI 10.24053/ ZNT-2022-0006 Eine Frage der Perspektive — Dynamiken des Feminismus in der neutestamentlichen Exegese 85 nach ihrem Ehemann. 4 Die Studie von Richter Reimer nimmt er nicht zur Kenntnis und erwähnt daher auch nicht, dass Priska Zeltmacherin war (Apg 18,3). Das sind nur zwei Beispiele der von feministischen Exegetinnen wiederentdeckten Frauen des frühen Christentums, die sich beliebig ergänzen ließen, 5 deren Würdigung im Mainstream der neutestamentlichen Forschung noch immer in Frage steht. Sara Parks hat dieses Phänomen 2017 als „Brooten Phenomenon“ beschrieben. 6 Sie macht anhand der Rezeption wegweisender Studien zu Frauen der Antike aus der Feder Bernadette Brootens exemplarisch auf den Sachverhalt 4 Dietrich-Alex Koch, Geschichte des Urchristentums. Ein Lehrbuch, Göttingen 2 2014, z. B. 126 f., 252 f. u. ö. 5 Siehe die Forschungsberichte von Christine Gerber, In Bewegung. Zur Frage der Geschlechterdifferenz und zu feministischen Diskursen in den Bibelwissenschaften, ThLZ 130/ 2005, 1365-1386, und Silke Petersen, In Bewegung. Feministische Exegese, Gender- und Queer-Studies in den Bibelwissenschaften, ThLZ 145/ 2020, 471-485. Aus der Flut der feministisch-theologischen Monographien dieser Aufbruchsjahre seien neben Richter Reimer, Frauen, hervorgehoben: Bernadette J. Brooten, Women Leaders in the Ancient Synagogue. Inscriptional Evidence and Background Issues (BJSt 36), Chico, CA 1982; Elisabeth Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis… Eine feministisch-theologische Rekonstruktion der christlichen Ursprünge, aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Christine Schaumberger, München 1988 (engl. Original 1983); Luise Schottroff, Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums, Gütersloh 1994; Ulrike Wagener, Die Ordnung des „Hauses Gottes“. Der Ort von Frauen in der Ekklesiologie der Pastoralbriefe (WUNT 2/ 65), Tübingen 1994; Ute E. Eisen, Amtsträgerinnen im frühen Christentum. Epigraphische und literarische Studien (FZKG 61), Göttingen 1996; Silke Petersen, Maria aus Magdala. Die Jüngerin, die Jesus liebte (BG 23), Leipzig 2011. 6 Sara Parks, „The Brooten Phenomenon“. Moving Women from the Margins in Second- Temple and New Testament Scholarship, The Bible & Critical Theory 15/ 2019, 46-64. Prof. Dr. Ute E. Eisen lehrt seit 2004 Altes und Neues Testament an der Universität Gießen. In den 80er Jahren studierte sie Evangelische Theologie in Erlangen, Hamburg und Berkeley/ Kalifornien. 1994 promovierte sie im Rahmen einer Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hamburg. Von 1994 bis 2002 war sie Wissenschaftliche Assistentin an der Universität Kiel. Die Habilitation erfolgte 2003 an der Universität Heidelberg. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Feministische Theologie und Gender, synoptische Evangelien und die Apostelgeschichte, Narratologie und Emotionen sowie interreligiöser Dialog (www.uni-giessen.de/ fbz/ fb04/ institute/ evtheo/ nt/ personen/ eisen-ute). DOI 10.24053/ ZNT-2022-0006 86 Ute E. Eisen aufmerksam, dass feministische Arbeiten noch immer als marginal innerhalb der Malestream-Forschung behandelt werden: „Although at least half the scholars entering the fields of early Judaism and nascent Christianity may now be women, and although scholarship on ancient women, on biblical and apocryphal female characters, and on the construction of femininity and masculinity in antiquity is now thriving, there remains an impermeable conceptual wall between this and what is perceived as ‚regular‘ scholarship. The largely unwritten rule, that the study of women and gender is non-mainstream or ‚niche‘, conceptually delimits investigations into ancient women, ancient female literary characters, and the construction of gender in the Second-Temple Period and early Christianity as ‚ancillary‘ and not of general relevance.“ 7 Diese Beobachtungen Parks gelten auch und vielleicht noch ausgeprägter für den deutschsprachigen Kontext. ‚Frauengeschichte‘ begegnet in ‚der Allgemeingeschichte‘ zumeist noch immer gewissermaßen als Fußnote, d. h. auf wenigen Seiten oder in einem gesonderten Kapitel. 8 Und immer noch werden Frauen in Abhängigkeit von und in Nachordnung zu Ehe- oder anderen Männern abgehandelt. Frauengeschichte und die sie Erforschenden werden als Phänomene einer Nische betrachtet, die für die ‚eigentliche‘ Forschung wenig Relevanz haben. Feministische Forschung wird zudem unter Ideologieverdacht gestellt, wohingegen die Marginalisierung von Frauengeschichte in der Mainstream- Forschung nicht als ideologieverdächtig wahrgenommen wird. Die von feministischer Forschung herausgearbeiteten Anhaltspunkte, die das gängige Bild einer patriarchalischen Gesellschaft der vollständigen Abhängigkeit und Unterordnung von Frauen infrage stell(t)en, werden ignoriert oder als ‚Ausnahme‘ deklariert. 9 Diesem Befund korrespondiert die institutionelle Tatsache des noch immer geringen Anteils von Professorinnen an deutschen Universitäten. Trotz aller Anstrengungen zur Gleichstellung der Geschlechter seit den 1990er Jahren sind auch 2020 bundesweit erst durchschnittlich 26% Professorinnen an deutschen Universitäten tätig 10 - in den christlichen Theologien sind es noch weniger. Eine 7 Parks, Brooten Phenomenon, 46. 8 Vgl. dazu die meisten kirchengeschichtliche Gesamtdarstellungen sowie z. B. Koch, Geschichte, 63 f., oder Ekkehard W. Stegemann / Wolfgang Stegemann, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christengemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart 2 1997, 307-346. 9 Ute E. Eisen, „Ach ja, die These von der Ausnahmefrau? “ Ein Gespräch mit der Bibelwissenschaftlerin Ute E. Eisen über Jesus und die Frauen, über die Geschichte der ersten Christinnen und was sie für uns heute bedeutet, WUB 4/ 2015, 42-45. 10 https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 197898/ umfrage/ frauenanteil-in-der-professorenschaft-nach-bundeslaendern/ (letzter Zugriff am 23.03.2022). DOI 10.24053/ ZNT-2022-0006 Eine Frage der Perspektive — Dynamiken des Feminismus in der neutestamentlichen Exegese 87 Studie zu Römisch-Katholischen Theologinnen zeigt, wie diese wissenschaftlich und medial noch immer benachteiligt sind. 11 Christlich-theologische Forschung und Lehre wird auch in der Gegenwart in Deutschland noch immer in großer Mehrheit von Männern bestimmt. Als ich mit dem Theologiestudium begann, waren mir vor allem Texte der Bibel bekannt, die Frauen das Sprechen verbieten und Unterordnung fordern (1Kor 14,33b-36; 1Tim 2,9-15). In diesen Aufbruchsjahren lernten wir methodisch zwischen präskriptiven und deskriptiven Texten zu unterscheiden und auch sozialgeschichtlich zu arbeiten. Die berühmten Schweige- und Unterordnungstexte können seitdem als präskriptive Texte besser verstanden werden, die Frauen Verhalten vorzuschreiben versuchen. Solche Vorschriften deuten auf eine anders gelebte Praxis, sonst wären solche Verbotstexte kaum ‚nötig‘ gewesen. Mit ihnen sollte eine konservative Geschlechterordnung hergestellt werden, die nicht zuletzt auf Subordinationsmaximen des einflussreichen Elitemannes Aristoteles fußen ( Politika 1254b; 1259b; 1260a). Vorschriftstexten stehen in der Bibel deskriptive Texte gegenüber, die Frauen in den verschiedensten Lebensvollzügen zeigen, wie etwa die oben genannten Frauen des Neuen Testaments. In deskriptiven Texten wird unter anderem erkennbar, dass Frauen erwerbstätig waren, selbständig Häusern vorstanden und Leitungspositionen ausübten. Sie werfen ein Licht darauf, wie Frauen faktisch lebten. Seit Aufkommen des Intersektionalitätsparadigmas ist das Bewusstsein geschärft, dass das Leben von Frauen , Männern und anderen Menschen nicht allein durch ihr Geschlecht, sondern durch weitere soziale Kategorien geprägt war und ist. 1983 erschien das Aufsehen erregende und wegweisende Buch In Memory of Her: A Feminist Theological Reconstruction of Christian Origins der römischkatholischen feministischen Theologin Elisabeth Schüssler Fiorenza. Sie hatte Ende der 1960er Jahre Deutschland verlassen, weil sie keine Chance sah, eine Professur anzutreten. In den USA lehrt sie seit den 1970er Jahren und seit 1988 als Inhaberin der renommierten Krister-Stendahl-Professur an der Harvard University. In diesem Buch bündelte und systematisierte sie feministische Forschung zum Neuen Testament und entwickelte erstmals monographisch den Weg zu 11 Siehe die Studie: Frauen in theologischer Wissenschaft - Eine Untersuchung der Repräsentanz von Frauen in theologischen Zeitschriften und auf Tagungen theologischer Arbeitsgemeinschaften im Auftrag von AGENDA - Forum katholischer Theologinnen e. V. (https: / / www.agenda-theologinnen-forum.de/ aktuelles/ aktuelles-vollansicht/ frauen-in-theologischer-wissenschaft.html, letzter Zugriff am 23.03.2022). Siehe auch https: / / www.katholisch.de/ artikel/ 28396-studie-theologinnen-wissenschaftlich-und-medial-benachteiligt (letzter Zugriff am 21.03.2022) sowie Maria Häusl, Mehr Professorinnen in der Katholischen Theologie - nur ein Intermezzo, in: feinschwarz.net (https: / / www.feinschwarz.net/ mehr-professorinnen-in-der-katholischen-theologie-nur-ein-intermezzo/ ; letzter Zugriff am 21.03.2022). DOI 10.24053/ ZNT-2022-0006 88 Ute E. Eisen einer kritisch-feministischen Hermeneutik der Befreiung. Elisabeth Schüssler Fiorenzas Stärke ist es, Entwicklungen feministischer Befreiungsbewegungen und Theorien aufzugreifen, auf den Begriff zu bringen und zu systematisieren - stets verbunden mit einer Vision von einer gerechteren Welt. Konstitutiva ihrer feministischen Hermeneutik sind die Wahrnehmung der Androzentrik biblischer Texte und ihrer Auslegungen sowie der patriarchalischen Welt ihrer Entstehung. Anhand einer Hermeneutik des Verdachts werden biblisch oder anders begründete Unterordnung und Marginalisierung von Frauen aufgespürt, um ihnen entgegenzutreten durch eine „Hermeneutik engagierten Handelns für Veränderung.“ 12 Erst jüngst hat Schüssler Fiorenza ihre Anliegen erneut bekräftigt: Es reiche nicht aus, „die religiös-ethische Rhetorik und Politik der Bibel (…) nur historisch-antiquarisch“ zu untersuchen, sondern es müsse auch gefragt werden, was diese Texte im heutigen Kontext bedeuten und bewirken. 13 Schüssler Fiorenza war es auch, die den Neologismus „Kyriarchat“ prägte, der den unscharfen Begriff „Patriarchat“ zunehmend ablöst. Mit ihrem Kyriarchatsverständnis können die komplexen Zusammenhänge und Überschneidungen von sozialen Ungleichheitsstrukturen deutlich besser erfasst werden. Sie definiert: „Kyriarchat benennt die Herrschaft von Herren, von Kaisern, Königen, SklavInnenhaltern, Hausvätern, von freigeborenen, besitzenden und gebildeten Elitemännern, denen entrechtete Männer und alle Frauen in verschiedener Weise untergeordnet waren und sind. (…) Kyriarchat definiert sich damit am besten als ein komplexes, pyramidenförmig gestaffeltes politisches System sich überschneidender und multiplikativer sozialer Herrschaftsstrukturen von Über- und Unterordnung, von Beherrschung und Unterdrückung.“ 14 Mit ihrer Definition knüpft Schüssler Fiorenza an das Konzept der Intersektionalität der afro-amerikanischen Rechtswissenschaftlerin Kimberlé Crenshaw an. 15 Es wurde zu einem Schlüsselkonzept in der Antidiskriminierungsfor- 12 Vgl. exemplarisch Elisabeth Schüssler Fiorenza, WeisheitsWege. Eine Einführung in feministische Bibelinterpretation, Stuttgart 2005 (engl. Original 2001). 13 Elisabeth Schüssler Fiorenza, Bibelwissenschaft in einer globalisierten Welt, in: Ute E. Eisen / Heidrun Mader (Hg.), Talking God in Society. Multidisciplinary (Re)constructions of Ancient (Con)texts, Bd. 1. FS Peter Lampe (NTOA 120/ 1), Göttingen 2020, 17-32, 17. 14 Elisabeth Schüssler Fiorenza, Intersektionalität, Kyriarchat und Christliche Religion, in: Renate Jost / Sarah Jäger (Hg.), Vielfalt und Differenz (Internationale Forschungen in Feministischer Theologie und Religion / Befreiende Perspektiven 6), Berlin 2020, 19-36, 26. 15 Siehe das eindrückliche Video mit Kimberlé Crenshaw The Urgency of Intersectionality (https: / / www.ted.com/ talks/ kimberle_crenshaw_the_urgency_of_intersectionality; letzter Zugriff am 21.03.2022). DOI 10.24053/ ZNT-2022-0006 Eine Frage der Perspektive — Dynamiken des Feminismus in der neutestamentlichen Exegese 89 schung. Neben gender und race wurden weitere soziale Kategorien identifiziert, wie class / status , sexuality , dis/ ability , ethnicity u. a ., in deren Überschneidung und Verwicklung Diskriminierungen verstärkt werden. Durch intersektionale Analyse kann die Komplexität von Diskriminierungsformen und ihre Potenzierung erfasst werden. 16 Die Intersektionalitätsdebatte wurde erst 2013 in der deutschen Exegese aufgegriffen, aber innovativ mit der Kategorie Religion verknüpft. 17 Ulrike Auga bringt seitdem ‚Religion‘ als vernachlässigte Kategorie in die Intersektionalitätsforschung ein. Zudem mahnt sie eine „kritische Intersektionalität“ an, da die Kategorien der Intersektionalität in der Gefahr von Essentialisierung stehen. Sollen Ungleichheiten überwunden werden, muss das Ziel undoing sein, also zu deessentialisieren und zu disidentifizieren. Zu überwinden sei „die Vorstellung von identitären Kategorien wie ‚Mann‘ und ‚Frau‘, oder ‚Jüdisch‘, ‚Christlich‘, ‚Muslimisch‘, ‚Säkular‘ (…), weil sie die Tendenz besitzt, Menschen zu stereotypisieren, zu homogenisieren oder zumindest zu reduzieren und das mögliche Wissen über diese zu kanalisieren“. 18 In der dialektischen Spannung von Identifizierung und Disidentifizierung bewegen sich aktuell feministische Diskurse. Denn solange weltweit Frauen Ungleichheit und Gewalt in welchen sozialen Kontexten auch immer erfahren, muss weiterhin Identifizierung stattfinden. Die Analyse, wie sehr bis heute Religion mit traditionalistischen Auslegungen normativer Texte Ungleichheit der Geschlechter und Gewalt gegen Frauen und ‚andere Minderheiten‘ perpetuiert, verbindet christlich-, jüdisch- und islamisch-feministische Theologien und andere feministische Religionsstudien. Dieser Umstand gebietet einen intensivierten interreligiösen feministischen Austausch, um Kräfte zu bündeln. 19 Schon 1986 gründeten Theologinnen und 16 Siehe in diesem ZNT-Heft den Beitrag von Claudia Janssen, Intersektionale Bibelanalyse und Gegenwart. 17 Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger (Hg.), Doing Gender - Doing Religion. Fallstudien zur Intersektionalität im frühen Judentum, Christentum und Islam (WUNT 302), Tübingen 2013. 18 Ulrike Auga, Geschlecht und Religion als kritische intersektionale Kategorie, in: Laura- Christin Krannich / Hanna Reichel / Dirk Evers (Hg.), Menschenbilder und Gottesbilder. Geschlecht in theologischer Reflexion, Leipzig 2019, 43-72, 57. 19 Naime Çakır / Ute E. Eisen / Hildegund Keul, Kreta-Beschluss der deutschen Sektion der European Society of Women in Theological Research (ESWTR) - Auftakt für verstärktes interreligiöses Engagement, in: womencomment.eu 2016 (http: / / womencomment.eu/ kreta-beschluss-der-deutschen-sektion-der-european-society-of-women-in-theologicalresearch-auftakt-fu%CC%88r-versta%CC%88rktes-interreligio%CC%88ses-engagement; letzter Zugriff am 21.03.2022); Ute E. Eisen / Dina El Omari / Silke Petersen (Hg.), Schrift im Streit - Jüdische, christliche und muslimische Perspektiven. Erträge der ESWTR-Ta- DOI 10.24053/ ZNT-2022-0006 Wissenschaftlerinnen anderer Religionsstudien aus ganz Europa die European Society of Women in Theological Research (ESWTR), um ein Netzwerk für die unterrepräsentierten Wissenschaftlerinnen in diesen akademischen Feldern an den europäischen Universitäten zu bilden. 20 Christlich-feministische Exegetinnen übten stets auch Selbstkritik. Ein Beispiel dafür ist die Debatte um feministischen Antijudaismus. 21 Das auch im exegetischen Mainstream verbreitete Paradigma eines durch und durch patriarchalischen Judentums, das als dunkle Folie diente, von der die Jesusbewegung als leuchtende Frauenbefreiungsbewegung abgehoben wurde, konnte überwunden werden. Ein weiteres Beispiel für Selbstkritik ist eine intensivierte Ausweitung der Aufarbeitung von Rassismus. In Anknüpfung an Womanistische Theologie, etwa von Dolores S. Williams, wurden Weißsein und die damit verbundenen Privilegien weißer Mittelschichtsfeministinnen reflektiert. 22 Feministische Exeget: innen diskutieren seit Jahrzehnten das Problem der Androzentrik der Bibel und ihrer Auslegungen ebenso wie ihrer Entstehungskontexte. Dabei spielt auch die Analyse der Sprache eine zentrale Rolle. Feministische Sprachkritik hat aufgezeigt, wie sehr ‚der Mann‘ und ‚das Männliche‘ in vielen Sprachen das Maß aller Dinge ist. 23 Ein besonders prominentes und weitreichendes Problem ist das generische Maskulinum, d. h. der Gebrauch des Maskulinums für gemischtgeschlechtliche Gruppen. Frauen werden dadurch unsichtbar - und welche Konsequenzen dieser Sprachgebrauch für das Selbstverständnis und -bewusstsein von Frauen hat, ist hinreichend durch empirische Studien erforscht. Die Kritik an androzentrischer Sprache macht auch vor den Sprachen der Bibel nicht halt. 24 Bei Heiligen Schriften ist die Wirkung androzentrischer Sprache noch tiefgreifender, weil es sich um normative Texte handelt. gung vom 2.-4. November 2016 (Exegese in unserer Zeit. Kontextuelle Bibelinterpretationen 25), Berlin u. a. 2020. 20 Genauer dazu Ute E. Eisen, Mehr als 30 Jahre ESWTR - European Society of Women in Theological Research, in: Dies. / Omari / Petersen (Hg.), Schrift im Streit, 229-244. 21 Ausgelöst durch Judith Plaskow, Blaming the Jews for the Birth of Patriarchy, in: Evelyn Torton Beck (Hg.), Nice Jewish Girls. A Lesbian Anthology, New York 1982, 250-254. 22 Siehe Dolores E. Williams, „Eine Theologie, die Schwarzen Frauen paßt“. Die Entstehung der Womanistischen Theologie in den USA, Schlangenbrut 63/ 1998, 1-10; Elke Wolgast, Unter die Haut gegangen. Zur Dekonstruktion von Weißsein als Aufgabe Weißer feministischer Theologie, Schlangenbrut 63/ 1998, 11-13. 23 Siehe aktuell Caroline Criado-Perez, Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert, aus dem Englischen von Stephanie Singh, München 8 2020 (engl. Original 2019). 24 Für die neutestamentliche Briefliteratur siehe dazu exemplarisch Peter Lampe, Observations on the Rhetoric of Gender in the Epistles, in: Korinna Zamfir / Uta Poplutz (Hg.), Reading Women in Epistles of the New Testament (The Bible and Women Series), Atlanta (im Druck). 90 Ute E. Eisen DOI 10.24053/ ZNT-2022-0006 Trotzdem wird diese Kritik noch immer mehrheitlich Aspekten der Sprachgewohnheit und -ästhetik untergeordnet. Eine besondere Bedeutung kommt auch den Bibelübersetzungen zu. Sie sind ein zentraler Anwendungsbereich, der Erkenntnisse wissenschaftlicher Exegese einer kirchlichen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit vermitteln sollte. Erst 2006 kam die erste gendergerechte Bibelübersetzung ins Deutsche auf den Markt, die Bibel in gerechter Sprache . 25 Der Aufschrei in Öffentlichkeit und Universität war groß, was dokumentierte, wie marginalisiert Diskurse über gendergerechte Exegese zu diesem Zeitpunkt waren. So wurde gefragt, ob die Sichtbarmachung der Frauen in der Bibel wirklich notwendig und angemessen sei. Besondere Aufregung erzeugte auch der völlige Verzicht auf die Übertragung des rund 6800-mal in der Bibel erwähnten deutungsoffenen hebräischen Gottesnamens JHWH mit „HERR“, stattdessen werden Alternativlesarten geboten. Auf größtes Unverständnis stießen dabei weibliche Lesarten, wie etwa „die Ewige“, „die Eine“. Das offenbarte, wie essentiell die vorgeblich ‚neutrale‘ männliche Konnotierung Gottes doch verstanden wurde und erinnerte an die Worte der feministischen Theologin Mary Daly: „Wenn Gott männlich ist, muß (…) das Männliche Gott sein.“ 26 Mit dieser Pointierung rückte Daly den Machtfaktor der Rede von Gottes ‚Männlichkeit‘ und ihren Einfluss auf die symbolische Ordnung in den Blick, die an Aktualität nicht verloren hat. Schon die gendered god-language bzw. das gendering G*d in der Bibel weist Vielfalt auf. Dies sehr deutlich zu machen und die kritische Reflexion der dominant maskulinen Sprache in der Rede von Gott, sollte nicht nur feministische Exegesetreibende und die Leserinnen und Leser der Bibel in gerechter Sprache interessieren. 27 Es ist an der Zeit, das auch in den kirchlichen Liturgien deutlich zu machen. Im deutschsprachigen Kontext war die Ausstellung G*tt w/ m/ d im Bibelhaus Erlebnis Museum in Frankfurt am Main 2021 innovativ. In kritischer Auseinandersetzung mit grundlegenden Fragen der Konstruktion von Geschlecht in Antike und Gegenwart wurde Geschlechtervielfalt auch im Gottesbild seit bi- 25 Siehe die Website der Bibel in gerechter Sprache : (letzter Zugriff am 21.03.2022), wo sich u. a. zahlreiche Reaktionen auf die BigS finden. Vgl. dazu auch den Literaturbericht von Ute E. Eisen, Christlich-jüdischer Dialog und die „Bibel in gerechter Sprache“, Verkündigung und Forschung 65/ 2020, 58-70. 26 Mary Daly, Jenseits von Gottvater, Sohn & Co. Aufbruch zu einer Philosophie der Frauenbefreiung, München 5 1988, 33. 27 Christine Gerber / Benita Joswig / Silke Petersen (Hg.), Gott heißt nicht nur Vater. Zur Rede über Gott in den Übersetzungen der „Bibel in gerechter Sprache“ (BTSP 32), Göttingen 2008; Hanne Løland, Silent oder Salient Gender? The Interpretation of Gendered God-language in the Hebrew Bible, Exemplified in Isaiah 42, 46, and 49 (FzAT 2/ 32), Tübingen 2008. Eine Frage der Perspektive — Dynamiken des Feminismus in der neutestamentlichen Exegese 91 DOI 10.24053/ ZNT-2022-0006 92 Ute E. Eisen blischen Zeiten in Christentum, Judentum und Islam anhand von literarischen, archäologischen und ikonographischen Quellen herausgearbeitet. 28 Judith Butlers Gender Trouble: Feminism and the Subversion of Identity (1990) läutete eine Zeitenwende ein, indem sie nicht nur das soziale Geschlecht ( gender ) als kulturell konstruiert deklarierte, sondern auch das ‚natürliche‘ biologische Geschlecht ( sex ). So fokussieren die Gender Studies Geschlecht, Geschlechtsverhältnisse, Körper und Sexualität 29 grundsätzlich. Dass diese Themen auch die akademischen Theologien viel intensiver beschäftigen sollten, zeigt nicht nur die bestehende Geschlechterhierarchie in den Kirchen, sondern auch der von kirchlichen Amtsträgern ausgeübte sexuelle Missbrauch und die sexualisierte Gewalt gegen Schutzbefohlene, die in ihrem ganzen Ausmaß viel zu verzögert aufgedeckt sowie institutionell und theologisch aufgearbeitet werden. In der neutestamentlichen Exegese wird der kritische Blick auf das neuzeitlich herrschende Modell der Binarität der Geschlechter und der Heteronormativität langsam geweitet. Schon Thomas Laqueur vertrat in seiner Studie Making Sex: Body and Gender from the Greeks to Freud (1990) die These, dass das Zwei-Geschlechter-Modell ein Produkt der Neuzeit sei, in der Antike hingegen ein Ein- Geschlecht-Modell herrschte. Aristoteles und Galen bestimmten Menschen über die vertikale Achse einer Hierarchie, an deren Spitze freie Elitemänner stehen, denen sich absteigend weniger vollkommene Versionen des Männlichen zuordnen, wie freigelassene Männer , Frauen , Versklavte und Angehörige anderer Ethnien. In den aus der LGBTIQ*-Bewegung hervorgegangenen Queer Theories wird das neuzeitliche Modell radikal kritisiert und herausgefordert. So wird auch in queeren Exegesen Dekonstruktion zum heuristischen Prinzip, sie sind aber in der deutschsprachigen Exegese noch kaum zu finden. 30 Destabilisierungen der Kategorien ‚Frau‘ / ‚Mann‘, ‚Männlichkeit‘ / ‚Weiblichkeit‘ sind die Folge. Auch widmen sich biblische Masculinity Studies nach jahrzehntelanger Diskussion von ‚Frauenfragen‘ endlich auch ‚Männerfragen‘. 31 War in der Feministischen Theorie der Begriff ‚Frau‘ im Singular längst als essentialisierend und als Reduktion der Vielfalt von Frauen auf ‚ein Wesen Frau‘ erkannt und abgelehnt worden, so gilt das nun auch für den Plural und andere ‚Identitäten‘. Sprachlich drückt sich diese 28 Veit Dinkelaker / Martin Peilstöcker (Hg.), G*tt w/ m/ d. Geschlechtervielfalt seit biblischen Zeiten, Oppenheim am Rhein 2021. 29 Siehe in diesem ZNT-Heft die Beiträge von Heidrun Mader, Frauenbeschneidung in der Antike und ihr motivisches Vorkommen im Neuen Testament und frühen Judentum, sowie die Rezension von Angela Standhartinger zur Studie von Bernadette Brooten, Liebe zwischen Frauen. 30 Siehe in diesem ZNT-Heft den Beitrag von Silke Petersen, Der johanneische Jesus - queer gelesen. 31 Siehe in diesem ZNT-Heft den Beitrag von Moises Mayordomo, Cherchez l’homme! Überlegungen zum paulinischen Männlichkeitsdiskurs anhand von 1. Korinther 11,2-16. DOI 10.24053/ ZNT-2022-0006 Eine Frage der Perspektive — Dynamiken des Feminismus in der neutestamentlichen Exegese 93 Kritik in textlichen Markierungen wie Unterstrich, Genderstern, Kursivierung oder Doppelpunkt aus, die kulturell eingefleischte Vorstellungen von Männern und Frauen stören. Normative Fixierungen sollen damit durchbrochen und der Blick frei gemacht werden für das Ausgeschlossene. Was folgt aus den skizzierten Dynamiken des Feminismus in der neutestamentlichen Exegese? Zunächst überrascht es, mit welcher Nonchalance die exegetische Malestream-Forschung noch immer Ergebnisse feministischer Forschung ignoriert. Das markiert Probleme, von denen ich vier anzeigen möchte: Erstens zeigt es Voreingenommenheit, denn nicht alle verfügbaren Quellen und Forschungsergebnisse werden gleichberechtigt in die wissenschaftliche Beurteilung einbezogen. Das mindert wissenschaftliche Exzellenz und Innovation. Zweitens zeigt es, dass die Position der Sprechenden noch immer kaum offengelegt wird. Kontextualität und Perspektivität der forschenden Person wird zwar bei ‚anderen‘ wahrgenommen, nicht aber bei der eigenen Position. Die Vielfalt der Perspektiven können dadurch nicht in einen produktiven Diskurs eintreten. Drittens zeigt es, dass noch immer mehrheitlich Männer die Deutungsmacht an deutschen Universitäten für sich beanspruchen und (unbequeme) Perspektiven von Frauen und anderen Minderheiten marginalisieren. Und viertens verharmlost der Widerstand gegen inklusive Sprache die Gewaltförmigkeit androzentrischer Sprache und perpetuiert strukturelle Gewalt und Ausgrenzung. Kurz: Die Anliegen des Feminismus sind aktuell. Gender Bias gehört noch immer zur Tagesordnung. Auch Deutschland ist keine Ausnahme, wie auch der Gender Pay Gap und der Gender Care Gap zeigen. Dramatisiert wird diese Situation durch die vielgestaltige Gewalt gegen Mädchen und Frauen , die deren Lebensrealität bestimmt. Susanne Scholz bringt es auf den Punkt, den „worldwide gender and sexual violence against women and girls (…) shapes the lives and opportunities of millions and millions of women and girls in cruel, limiting, and profoundly damaging ways.“ 32 Neben der Politik ist es vor allem die Wissenschaft, der die Aufgabe zufällt, Ursachen und strukturelle Gegebenheiten dieses katastrophalen Befundes kritisch zu reflektieren. Denn eine der wichtigsten Lehren des Feminismus ist es, dass die von Frauen erfahrene Diskriminierung und Gewalt aufgrund ihres Geschlechts kein individuelles Schicksal darstellt, sondern durch Menschen verursacht und durch gesellschaftliche Strukturen genährt und aufrechterhalten wird. Diese aufzuspüren und zu beseitigen, ist die Aufgabe aller Disziplinen, auch der Exegese. 32 Susanne Scholz, Art. Second-Wave Feminism, in: Oxford Encyclopedia of the Bible and Gender Studies, Bd. 2, Oxford 2014, 242-251, hier 247. DOI 10.24053/ ZNT-2022-0006