eJournals Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur 1/1

Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur
2748-9213
2748-9221
expert verlag Tübingen
Um in Analogie zu den nach DIN 1076 [1] etablierten handnahen Prüfungen typische Schadensprognosen und netzweite Zustandsaussagen aus den Ergebnissen von Monitoring-Projekten ableiten zu können, sind messtechnische Anwendungen heute noch zu selten und zu projektspezifisch konzipiert. Smartes Lebenszyklusmanagement (LZM) setzt jedoch voraus, dass flächendeckend werthaltige digitale Informationen für die effiziente Bewirtschaftung der Assets entstehen. Das mFUND-Forschungsprojekt BrAssMan (Brücken Asset Management) liefert einen Lösungsansatz für die intelligente und teilweise standardisierte Anwendung ingenieurtechnischer Ansätze in Kombination mit Methoden des Machine Learning und zeigt die werthaltige Verknüpfung mit anderen vorhandenen Bauwerksdaten sowie die nutzerfreundliche Integration von Informationen in einer „führenden“ Daten-Plattform. Innovatives Lebenszyklusmanagement beruht auf der digitalen Verknüpfung sowie automatisierten Verarbeitung und nutzerfreundlichen Bereitstellung aller vorhandenen Informationen in Echtzeit über den gesamten Lebenszyklus. Um Netz-, Verkehrs- und Fahrzeugdaten ergänzt entsteht ein SMART MOBILITY NETWORK!
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Brücken Asset Management - Angewandte Digitalisierung für die Mobilität von morgen

2021
Jens Kühne
Wolfgang Ries
1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 35 Brücken Asset Management - Angewandte Digitalisierung für die Mobilität von morgen Jens Kühne Wölfel Engineering GmbH + Co. KG, Höchberg, kuehne@woelfel.de Wolfgang Ries avato consulting ag, Alzenau, wolfgang.ries@avato.net Zusammenfassung Um in Analogie zu den nach DIN 1076 [1] etablierten handnahen Prüfungen typische Schadensprognosen und netzweite Zustandsaussagen aus den Ergebnissen von Monitoring-Projekten ableiten zu können, sind messtechnische Anwendungen heute noch zu selten und zu projektspezifisch konzipiert. Smartes Lebenszyklusmanagement (LZM) setzt jedoch voraus, dass flächendeckend werthaltige digitale Informationen für die effiziente Bewirtschaftung der Assets entstehen. Das mFUND-Forschungsprojekt BrAssMan (Brücken Asset Management) liefert einen Lösungsansatz für die intelligente und teilweise standardisierte Anwendung ingenieurtechnischer Ansätze in Kombination mit Methoden des Machine Learning und zeigt die werthaltige Verknüpfung mit anderen vorhandenen Bauwerksdaten sowie die nutzerfreundliche Integration von Informationen in einer „führenden“ Daten-Plattform. Innovatives Lebenszyklusmanagement beruht auf der digitalen Verknüpfung sowie automatisierten Verarbeitung und nutzerfreundlichen Bereitstellung aller vorhandenen Informationen in Echtzeit über den gesamten Lebenszyklus. Um Netz-, Verkehrs- und Fahrzeugdaten ergänzt entsteht ein SMART MOBILITY NETWORK! 1. Einführung/ Vision Lebenszyklusmanagement umfasst immer schon alle sicherheits- und betriebserhaltenden Maßnahmen beginnend bei der Planung bis hin zu Austausch und Entsorgung für ALLE wichtigen Assets - Maschinen, Windanlagen [2], Gebäude, Straßen und Brücken, Hafenanlagen, Flugzeuge, Züge usw. Bei den Ingenieurbauwerken sind insbesondere die Planungs- und Bauprozesse schon heute durch Digitale Zwillinge geprägt (z.B. BIM, Abb. 1). Digitales Erhaltungsmanagement für die bestehenden Bauwerke hingegen ist komplexer. Bestandsunterlagen liegen oft nicht in digitalen Formaten vor oder fehlen ganz, und auch die Informationsbasis über Nutzung und Schadensverläufe ist lückenhaft. Dennoch erlauben die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung von Bestandsdaten, preiswerte Sensorik mit Massendatenhaltung, globale Vernetzung und der Einsatz intelligenter Algorithmen wie bspw. KI nun tatsächlich ganzheitliche Betrachtungen auch für Bestandsbauwerke. In den nachfolgenden Kapiteln wird der Bogen von den derzeit gültigen Prozessen mit ihren Vor- und Nachteilen über die Möglichkeiten und Grenzen heutiger Lösungen hin zu den künftigen Herausforderungen und Chancen geschlagen. Insbesondere große Organisationen wie die neu gegründete Autobahn GmbH des Bundes werden davon schnell profitieren können. 36 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Brücken Asset Management - Angewandte Digitalisierung für die Mobilität von morgen Abbildung 1: Stand der Digitalisierung im LZM In unseren Mobilitätsräumen gibt es zwei wesentliche Datenpools (Personendaten sollen wegen ihres besonderen Schutzes hier unbetrachtet bleiben): 1. Infrastrukturdaten Das Bauwesen ist hinsichtlich der wertbildenden Nutzung von Daten in den eigenen Prozessen Nachzügler. Neben zunehmend wirtschaftlichen Erwägungen (Effizienz in der Bewirtschaftung) spielen hauptsächlich Aspekte der Sicherheit (Verfügbarkeit des Bauwerks) und der Vernetzung (Verfügbarkeit des Verkehrsnetzes) eine Rolle. Neue Bauwerke werden in BIM-Methodik geplant, doch etwa die Hälfte der Brücken stammt aus der Zeit vor der Markteinführung der ersten PC’s. Daher gibt es noch heute riesige Datenbestände ausschließlich auf Papier oder Micro Fiches. Digital verfügbare Daten sind meist nicht vernetzt nutzbar und die bestehenden Applikationen veraltet. Die in SIB-Bauwerke dokumentierten Stamm- und Zustandsdaten sind eine gute, wenn auch unvollständige, fehlerbehaftete Datenquelle. Ob die Einführung von SIB-Bauwerke V2 daran etwas ändert, wird die Praxis zeigen. Das Fehlen durchgehend digitaler Daten ist jedoch das Haupthemmnis für die schnelle Einführung eines digitalen Erhaltungsmanagements. Einige nachhaltige Ansätze für die Generierung werthaltiger Informationen liefert BrAssMan. Abbildung 2: Verkehrsbezogene Infrastrukturdaten (Quelle: T. Novak, Intelligente Infrastruktur) 2. Fahrzeugdaten Sie dienen beispielsweise der Fahrzeugüberwachung (Zustandsdaten) oder der Vernetzung der Fahrzeuge untereinander (z.B. Positionsdaten oder Schwarmintelligenz beim autonomen Fahren) und werden in allen neuen Fahrzeugen erhoben. Aufgrund der durchschnittlichen Lebensdauer der Fahrzeuge von etwa 10 Jahren ist davon auszugehen, dass in einer Dekade eine deutliche Mehrheit der Fahrzeuge digitale Daten liefert und vernetzbar ist. Künftige Mobilitätskonzepte gehen davon aus, dass Infrastruktur- und Fahrzeugdaten miteinander vernetzt werden [Abb. 2]. Ein Beispiel hierfür sind automatische Verkehrs(um)leitszenarien bei plötzlichen Schäden an einem Bauwerk. 2. Ziele und Nutzen eines integrierten Lebenszyklusmanagements (LZM) Voraussetzung für die Einführung eines integrierten Lebenszyklusmanagements sind aktuelle (gültige) digitale Informationen. Diese müssen vernetzt und integriert und für alle Prozessteilnehmer im Sinne einer Weiterverarbeitung nutzbar sein. 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 37 Brücken Asset Management - Angewandte Digitalisierung für die Mobilität von morgen Die Integration reicht dabei von Bestandsdaten über Modelldaten bis hin zu Verkehrs-, Mess- und Bilddaten, die in Echtzeit verfügbar sein müssen. Die Nutzung der Daten auf Netzebene setzt voraus, dass die Ergebnisse aus vorgelagerten Analysen auf der Entscheidungsebene miteinander vergleichbar sind. Aufgrund des hohen Individualisierungsgrades der Brücken ist die Ableitung standardisierter Werte zumindest auf Teilbauwerks- oder Komponentenebene relevant. Die Nutzung moderner Technologien (Sensorik, Drohnen, KI, ...) spielt im modernen LZM eine entscheidende Rolle, da sie bisher nicht vorhandene Informationen mit bisher nicht gekanntem Detaillierungsgrad für intelligente Algorithmen liefern. Dies führt zu deutlich relevanteren Entscheidungen auf Basis automatisch abgeleiteter alternativer Vorschläge. Der Matchwinner in dieser Kette ist eine integrierte, cloudbasierte Datenplattform. Sie erlaubt, was herkömmliche Fachanwendungen hinsichtlich Funktionalität, Architektur und Technologie nicht leisten können - die netzweite skalierbare Zusammenführung, Vernetzung, Veredelung, Bereitstellung und Verwendung aller verfügbaren Mobilitätsdaten in nahezu Echtzeit. Das Projekt BrAssMan soll den Nachweis liefern, dass dieses Vorgehen sinnvoll und zielführend ist. 2.1 Ziele Aus Sicht der Betreiber gibt es vier wesentliche Ziele: 1. Sicherheit Das Vertrauen in die Sicherheit der Infrastruktur ist Voraussetzung sowohl für den Personenverkehr als auch für den Güterverkehr (Schutz von Leib und Leben). 2. Verfügbarkeit Neben der Personenbeförderung (privat oder geschäftlich in PKW oder Bussen) ist die Aufrechterhaltung der Lieferketten (Liefer- und Schwerlastverkehr) wichtiges volkswirtschaftliches Ziel. 3. Wirtschaftlichkeit Wurde früher die Wirtschaftlichkeit an der Vergabe öffentlicher Mittel gemessen, geht es heute unter anderem um Fremdfinanzierung (ÖPP oder MAUT). 4. Nachhaltigkeit Ressourcenschonende Mobilität beinhaltet eine vorausschauende Planung, die Verwendung umweltfreundlicher Baustoffe, den Schutz der Natur, die Vermeidung von Luftverschmutzung und Staus sowie die wirkungsvolle Vernetzung der unterschiedlichen Verkehrsträger. 2.2 Nutzen Smarte Mobilität im Sinne ganzheitlicher, netzweiter Datenanalysen bietet dem Betreiber enorme Vorteile: - Bundesweit integriertes und zentral organisiertes Datenmanagement (Single Source of Truth Prinzip, Vermeidung von Redundanzen, zentrale Data Governance) - Datenkonsistenz (einheitliche, hochvernetzte Datenbasis) - hohe Datenverfügbarkeit (24/ 7, weltweiter sicherer Zugriff) - vollständige Datenhistorie (weit über SIB-Bauwerke hinaus) - hohe und schnell wachsende Vernetzung (agil und unter Einbindung der Organisation) - schneller Zugriff und Analysen ohne Wartezeiten (enormer Zeitgewinn) - zukunftsfestes, modulares, skalierbares Plattformkonzept - intuitive Nutzung, Übersichtlichkeit, besondere Einfachheit der Matchwinner-Funktionen - Einbindung anderer Quellen (z.B. BISSTRA), Forschungsergebnisse (ARC-D), andere Plattformen - Erweiterte Datensicht (kaufmännisch, logistisch, etc.) auf alle Prozesse und Workflows Als integrierte Informationsbasis für alle unternehmerischen Entscheidungsprozesse ist eine zukunftsorientierte Datenplattform DIE notwendige Grundlage - und zwar über das Lebenszyklusmanagement hinaus. 3. Umsetzung 3.1 Ist-Situation Datenbasiertes Asset Management ist keine neue Erfindung. Die regelmäßige handnahe Prüfung von Ingenieurbauwerken nach DIN 1076 [1] ist seit Jahrzehnten bewährtes Instrument im LZM. Scheinen auch die Prozesse aufwendig und teilweise subjektiv, die Algorithmen unzeitgemäß und schlicht und das Dokumentations- und Analysetool antiquiert die konsequente Umsetzung dieser Norm sowie Qualifikation und Erfahrungen der Prüfingenieure haben große Katastrophen in Deutschland bisher verhindert. In den letzten Jahren wurde versucht, die Norm durch Prüfhandbücher mit spezifischen, auch messtechnisch basierten Prüf-Verfahren zu öffnen (Abb. 3). 38 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Brücken Asset Management - Angewandte Digitalisierung für die Mobilität von morgen Abbildung 3: Beispiel Prüfhandbuch Messtechnische Verfahren wie Monitoring kommen jedoch nur in Ausnahmefällen zur Schadensüberwachung oder im Rahmen der Umsetzung der Nachrechnungsrichtlinie zum Einsatz. Dabei sind weltweit umfangreiche Lösungen am Markt verfügbar und bereits in zahlreichen Bauwerken im Einsatz. Mit dem richtigen Messkonzept liefern die Sensoren zuverlässige Ergebnisse. Ähnlich verhält es sich mit bildgebenden Verfahren zum Beispiel durch Befliegung mit Drohnen. Die Georeferenzierung ist Stand der Technik und auch die Methoden zum Anlernen der KI für die Risserkennung sind schon vielfach erfolgreich angewendet worden. Auch Cloudlösungen werden in allen nur denkbaren Ausprägungen am Markt angeboten, und die verfügbaren Anwendungen (meist als Arbeitsplatz- oder Serverversion) erlauben umfangreiche Datenimplementierungen und Analysen mit kundenindividuellen Dashboards. Wenn Messtechnik und IT-Infrastruktur also weitestgehend vorhanden sind, was macht die Umsetzung eines datenorientierten LZM so schwierig? 3.2 Herausforderungen Entscheidende Startbedingungen für die Einführung eines intelligenten Asset Managements im Bauwesen sind - zuerst die politische Vorgabe, an der schnellen Erreichung dieses Ziels unermüdlich zu arbeiten (siehe Datenstrategie der Bundesregierung [3]) - das Vorhandensein digitaler Datenbestände bzw. die flächendeckende permanente Digitalisierung von Bestandsdaten - die Öffnung und Anpassung bestehender Prozesse (und Richtlinien) an die digitale Zeit - eine übergreifende Data Governance - integriert nutzbare, sichere Datenplattformen - die Zukunfts- und Integrationsfähigkeit der führenden Verarbeitungssysteme. Weitere bisher wenig beachtete Herausforderungen liegen - in der Sicherheit und Qualität der Daten (Herkunftsnachweis, Quellenverfolgung) - in der dauerhaften Kompatibilität der Datenbestände in allen Bezugsquellen (automatische Formatanpassungen bei next generation tools) - in der korrekten Ermittlung und Vergleichbarkeit der maßgeblichen Kennwerte (zertifizierte Algorithmen, Nachvollziehbarkeit der Analyseschritte und Ergebnisse) - in der Vermeidung von Datenmonopolen (Verlust der Datenhoheit) - im Teilen von (immer werthaltigeren) Daten auf Kollaborationsplattformen (schnelles Lernen der Organisation, Beschleunigung von Prozessen, Access Control, Freigaben von Daten für externe Partner). 3.3 Lösungskonzept Aktuell werden von verschiedenen kommerziellen Anbietern aber auch im Rahmen von internationalen öffentlichen Initiativen Konzepte und Lösungen entwickelt, wie ein zukunftsorientiertes kollaboratives Asset Management umgesetzt werden kann. Als Beispiel sei der GAIA-X Use Case Infra-X für den öffentlichen Sektor genannt [4]. Solche Lösungsansätze können und müssen konsequent weitergedacht und in die operativen Anwendungssysteme der beteiligten Organisationen wie der Autobahn GmbH, aber auch übergreifend bis zu den Landesbetrieben für Verkehrsinfrastruktur und Städten gedacht werden (Abb. 4). Hinzu kommen jeweils gleisgebundene Verkehrsträger wie Fern- Regional- und Stadtbahnen sowie Infrastrukturen für Wasser- und Flugverkehr - Mobilität endet nicht an der Autobahnabfahrt. 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 39 Brücken Asset Management - Angewandte Digitalisierung für die Mobilität von morgen Abbildung 4: Überblick Asset-Klassen Straßeninfrastruktur Diese erweiterte Integration ermöglicht es, neben objektbezogenen Bestands- und Zustandsinformationen auch die entscheidungsrelevanten kaufmännischen Daten zu berücksichtigen (Abb. 5). Durch die Öffnung für die unterschiedlichen Prozessteilnehmer wie beispielsweise Prüfbüros und die Einbindung in die operativen Abwicklungssysteme (z.B. ERP- Systeme) entsteht eine Kollaborationsplattform für das intelligente Asset Management. Abbildung 5: Integrationsprinzip der Collaboration Platform Eine durchgängige Prozessintegration von der intelligenten Maßnahmenplanung bis in die operative Umsetzung (Auftragsvergabe, Ergebniserfassung von Prüfungen, Rückmeldungen aus Instandsetzungsaufträgen) hebt das Informationsniveau organisationsweit auf eine neue Stufe, da sowohl bauwerksbezogen, aber auch organisationsbezogen und auf Prozessebene alle Daten selektiv ausgewertet werden können (Abb. 6). Abbildung 6: Typische Daten in den Hauptprozessen Doch erst durch die Verknüpfung mit zentralen Prozessen wie beispielsweise Buchhaltung, Beschaffung oder IT sind weitere erhebliche Effizienzgewinne zu erwarten, da die Daten schnittstellenfrei in die notwendigen Prozesse integrierbar sind (Abb. 7). 40 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Brücken Asset Management - Angewandte Digitalisierung für die Mobilität von morgen Abbildung 7: Typische Daten in Support-Prozessen 3.4 Projektergebnisse Das Projekt BrAssMan greift den ganzheitlichen Ansatz im Asset Management auf. Bestandsdaten werden in großem Umfang verwertet, um daraus wirtschaftlich attraktive Cluster für die weiteren Betrachtungen zu selektieren. Für diese Cluster (das genaue Vorgehen wird im Vortrag 2 dieser Session „Brücken Asset Management - Bauwerkscluster: Herausforderungen, Ziele, Auswahl, Modellierung“ beschrieben [5]) werden schadensbezogene Modelle (Digitale Zwillinge) entwickelt, um dann mit Hilfe von Langzeitmessungen werthaltige Zusatzinformationen für das Erhaltungsmanagement abzuleiten. Die IT-Infrastruktur muss dabei in der Lage sein, sowohl bei der Auswahl der Cluster als auch bei der Zusammenführung der Ergebnisse schnellen Zugriff auf alle verfügbaren Informationen zu haben (Stamm- und Zustandsdaten aus SIB-BW-Daten, Bestandszeichnungen, Nachrechnungsergebnisse, Modelle, Messkonzepte, Messergebnisse, Key Performance Indikatoren (KPI) und diese auch bauwerksübergreifend zu betrachten. Ein weiteres Projektziel soll die Ableitung standardisierter Ausschreibungstexte für Monitoringsysteme zur Vereinfachung der Ausschreibungs- und Vergabeprozesse sein. Abbildung 8: BrAssMan Datenmanagementplattform 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 41 Brücken Asset Management - Angewandte Digitalisierung für die Mobilität von morgen Die BrAssMan Projektplattform (Abb. 8) bietet einen integrierten Datenbestand mit ausgewählten Brückenbestandsdaten, historischen Zustandsnoten, historischen Verkehrsdaten und den aus den Messsystemen abgeleiteten Performance Indikatoren. Auch der Zugriff auf die Rohmessdaten wird allen Projektteilnehmern über die Plattform angeboten. Weitere Daten können nach Bedarf im Projektverlauf flexibel eingebunden und mit dem vorhandenem Datenpool integriert werden. Damit sind die Voraussetzungen für bauwerks-, cluster- und netzbezogene Analysen geschaffen. 3.4.1 Bestandsanalyse und Clusterbildung Zur Analyse der Bestände wurden aus allen vorhandenen Datensätzen zuerst die Brücken der Fernstraßen selektiert (BAB und Bundesstraßen). Die verbleibende Zahl von ca. 53.000 Teilbauwerken wurde gemäß der vom Projekt definierten Aufgabenstellungen hinsichtlich Bauart, Schadensbildern und Schadensausprägung sowie Baujahr und verkehrlicher Nutzung und Bedeutung im Netz sortiert. Aus den entstandenen Clustern wurden nun in Abstimmung mit den assoziierten Partnern Bauwerke selektiert, die für die Aufgabenstellung die höchste Übereinstimmung und Relevanz haben und bei denen auch aus Sicht der Betreiber bereits ein Handlungsbedarf hinsichtlich Zustandsbewertung erkannt wurde (Abb. 9). Abbildung 9: Datenselektion in der BrAssMan Plattform 42 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 Brücken Asset Management - Angewandte Digitalisierung für die Mobilität von morgen Eine große Herausforderung bei der finalen Bauwerksauswahl war die Analyse von nichtdigitalen Bestandsdaten. Für sieben Bauwerke stellte der Betreiber dem Projektkonsortium 50 GB an Daten zur Verfügung (Bestandszeichnungen, Berichte, Nachrechnungen), die gesichtet, selektiert und bewertet werden mussten. Dieser Prozess zeigt sehr deutlich die Potenziale der digitalen Datenhaltung. Am Ende wurden drei Cluster für Bauwerke mit entsprechenden Herausforderungen in der Erhaltung definiert (Koppelfugen, orthotrope Fahrbahnplatten, Seil-/ Stabeinleitungen). Die Ausschreibungsunterlagen wurden unter Berücksichtigung des Merkblatts Brückenmonitoring des DBV [6] erarbeitet und den Vergabestellen zur Verfügung gestellt. 3.4.2 Datenanalyse-Tool Zur Unterstützung der genannten ingenieurfachlichen Aufgabenstellungen wird im BrAssMan Projekt eine zentrale Datenmanagement- und Anwendungsplattform genutzt. Damit soll einerseits die teilprojektübergreifende und projektteamweite Zusammenarbeit effizient unterstützt werden, andererseits werden im Projekt auch ausgewählte Elemente der oben beschriebenen Vision einer Asset Management Collaboration Platform im praktischen Einsatz auf ihre Eignung überprüft und optimiert. Technisch wird als zentrale „Smart Bridge Datenbank“ ein modernes multimodales hoch performantes Datenbanksystem genutzt, das neben klassischen Tabellen auch Graphen (z.B. für Verkehrsnetze, komplexe Strukturen), geocodierte Informationen (GIS), Zeitreihen (Sensordaten) und andere semi-strukturierte Daten integriert verarbeiten kann. Die Plattform bietet weiter ein umfangreiches Instrumentarium an Datenanalyse- und Modellentwicklungswerkzeugen einschließlich moderner Machine Learning Frameworks (Python, R, AutoML, …). Als Benutzer-Frontend und zur interaktiven graphischen Analyse wird ein modernes Business Intelligence Werkzeug genutzt. IT-technisch werden aktuelle Cloudtechnologien genutzt (Microservices, Container, Dev/ MLOps). So sind neben umfangreichen Kostenanalysen auch die Einbindung von Messdaten und BIM-Modellen möglich (Abb. 10, 11). Abbildung 10: Kostenanalysetool auf Basis von SIB-BW Abbildung 11: Einbindung von Messdaten 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur - Juni 2021 43 Brücken Asset Management - Angewandte Digitalisierung für die Mobilität von morgen Alle eingesetzten Komponenten sind sowohl von der Performance als auch von der Skalierbarkeit für die Umsetzung eines ganzheitlichen datenbasierten Lebenszyklusmanagements geeignet. 3.5 Chancen und Ausblick Projekte wie BrAssMan und viele parallele Entwicklungen zeigen machbare Wege zum intelligenten, kollaborativen Asset Management. Da die Konsequenzen bei getroffenen Systementscheidungen langfristig und weitreichend sind, sollte es einen Fahrplan für das gesamte deutsche Infrastruktur-Management geben, welcher sich an führenden Kollaborations-Plattformlösungen orientiert. Der Aufbau integrierte Lösungen, Data Governance, die Verwendung offener Standards und Open Data erfordern Mut, der Weg zur Modernisierung der Datenmanagementlösungen und der IT bei den Betreibern insgesamt ist aber notwendig und unumkehrbar. Entsprechende Leuchtturmprojekte und Pilotprojekte werden nachweisen, dass der Einsatz von moderner integrierter Standardsoftware eine deutlich schnellere („time to market“) und letztlich kostengünstigere Umsetzung als die Ausschreibung von teilaspektbezogenen Individuallösungen verspricht. Monitoringlösungen entfalten ihren großen Nutzen über die Einzelfallbetrachtung hinaus erst dann, wenn die dadurch ermittelten Kennwerte in die bestehenden Bewertungsprozesse integrierbar sind, die eingesetzten Monitoringsysteme und damit auch die Ausschreibungen standardisiert sind und auch eine standardisierte Anbindung von Monitorsystemen an die zentralen Systeme gegeben ist. Der Einsatz von KI und die Generierung großer Datenmengen führen zu steigenden Anforderungen an dezentrale Verarbeitung und Agilität (Reduktion der übertragenen Daten). Neue technologische Möglichkeiten, insbesondere Funktechnologie, Containertechnologien und DevOps, bieten künftig Potenziale für kostengünstige Inbetriebnahmen und effizienten Betrieb der Systeme. Hierbei hilft der Dialog und gemeinsame Entwicklungen mit führenden Anbietern von Automatisierungstechnik oder ganzheitlichen Softwarelösungen, um Rahmenbedingungen zu schaffen, die zu zeitgemäßen digitalisierten Lösungen führen. BrAssMan zeigt, dass Pilotprojekte in realer Umgebung mit modernen kollaborativen Asset Management Lösungen und mit Integration in die operativen Backendprozesse der richtige Weg sind, Erfahrungen und belastbare Erkenntnisse zu den kommerziellen Aspekten (Wirtschaftlichkeit) und kritischen Erfolgsfaktoren zu bekommen. 4. Literatur [1] DIN 1076: 1999-11; Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen - Überwachung und Prüfung. Berlin: Beuth (1999) [2] Die Digitalisierung der Zustandsüberwachung von Windenergieanlagen und Brücken im Vergleich, Jens Kühne et al., Stahlbau 2021, Heft 2, Ernst & Sohn [3] Datenstrategie der Bundesregierung, Kabinettfassung , 27.01.2021 [4] https: / / www.data-infrastructure.eu/ GAIAX/ Redaktion/ EN/ Artikel/ UseCases/ infrax-transport-infrastructure.html [5] Jergas et al.; Brücken Asset Management - Bauwerkscluster: Herausforderungen, Ziele, Auswahl, Modellierung; 1. Fachkongress Digitale Transformation im Lebenszyklus der Verkehrsinfrastruktur (2021) [6] DBV-Merkblatt Brückenmonitoring- Planung, Ausschreibung und Umsetzung, DBV (2018)