eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 41/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2012
412 Gnutzmann Küster Schramm

Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen

2012
Christian Fandrych
Betina Sedlaczek
FLuL 41 (2012) • Heft 2 © 2012 Narr Francke Attempto Verlag C HRISTIAN F ANDRYCH , B ETINA S EDLACZEK * Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen: Kompetenz, Verwendung und Einschätzung bei Studierenden und Lehrenden Abstract. The present paper reports on an empirical study conducted in 2008-09 investigating the role of German and English in International Study Programmes. Our main interests are the language usage and the linguistic experiences of students and lecturers / professors in such multilingual study settings and the constellation of multilingualism in the university and in the students’ environment. Additionally, the study investigates the types of language support offered and their implementation, as well as the ways in which students perceive and use them. The first section outlines the design and methodological approach of the study. This is followed by a summary of the students’ language test results in English and German. The second section presents some of the major findings of our study, drawing on data from the student and teacher questionnaires and interviews. The final section provides a brief discussion of some pedagogical, linguistic and language policy implications of the present study. 1. Kontext und Zielstellungen Der vorliegende Beitrag 1 präsentiert die Ergebnisse einer empirischen Studie zu den Sprachverwendungserfahrungen, zum Sprachstand und zum Sprach(förder)bedarf internationaler Studierender in ganz oder dominant englischsprachigen Studiengängen an deutschen Hochschulen. 2 Das Ziel der Studie war es, einen Einblick in die reale Sprachensituation in derartigen Studiengängen zu erlangen und durch die Interpretation der * Korrespondenzadressen: Prof. Dr. Christian F ANDRYCH , Universität Leipzig, Herder-Institut, Philologische Fakultät, Beethovenstr. 15, 04107 L EIPZIG . E-Mail: fandrych@uni-leipzig.de Arbeitsbereiche: Wissenschaftssprache, Textlinguistik, Sprachdidaktik. Betina S EDLACZEK , M.A., Universität Leipzig, Herder-Institut, Philologische Fakultät, Beethovenstr. 15, 04107 L EIPZIG . E-Mail: betina.sedlaczek@uni-leipzig.de Arbeitsbereiche: Wissenschaftssprache, Grammatik, Sprachdidaktik. 1 Für einen detaillierten Gesamtüberblick über die Ergebnisse der Studie vgl. F ANDRYCH / S EDLACZEK (2012). 2 Sie werden in der Folge in diesem Beitrag auch - eigentlich unzulässig verkürzt - als „internationale“ Studiengänge bezeichnet. Das Attribut „international“ wird häufig verwendet, um rein oder dominant englischsprachige Bildungsangebote zu bezeichnen. Gegen diesen Sprachgebrauch ist einzuwenden, dass es auch viele andere Studiengänge gibt, die „international“ sind, was die Teilnehmenden anbelangt; zum anderen suggeriert das Attribut „international“ eine Vielfalt in kultureller und sprachlicher Hinsicht, die in der Realität durch die alleinige Nutzung des Englischen gerade nicht gegeben ist. 26 Christian Fandrych, Betina Sedlaczek FLuL 41 (2012) • Heft 2 erhobenen Daten einen Beitrag zur Diskussion um sprachliche Fördernotwendigkeiten bzw. Qualitätsmerkmale von internationalen Studiengängen zu leisten. Die Studie wurde in den Jahren 2008-2009 mit Unterstützung des DAAD und der Universität Leipzig durchgeführt. 3 Sie kann keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben, sondern versteht sich als Fallstudie; die vorliegenden Ergebnisse scheinen aber durchaus Tendenzen aufzuzeigen, die über die hier untersuchten Studiengänge hinaus gültig sind. Im Mittelpunkt der Studie stehen dabei die internationalen Studierenden, daneben auch die Erfahrungen der Dozentinnen und Dozenten sowie Koordinatorinnen und Koordinatoren, die an solchen Studiengängen maßgeblich beteiligt sind. Studierende deutscher Muttersprache wurden von der Studie nicht erfasst 4 , denn es war ein Hauptziel der vorliegenden Untersuchung, empirisch zu untersuchen, wie die nicht-deutschen Studierenden sprachlich agieren und welche Rollen dabei insbesondere dem Englischen und dem Deutschen zukommen. Aus sprachenpolitischer Sicht ist auch interessant, inwieweit derartige Studienangebote dazu beitragen, das Deutsche als Wissenschaftssprache zu fördern und so eine sprachlich vermittelte nachhaltige Bindung von Stipendiatinnen und Stipendiaten an den deutschen Wissenschaftsraum zu schaffen. 5 Bei der Auswahl der Studiengänge war uns wichtig, möglichst verschiedene Typen von Hochschulen (Universitäten, Technische Hochschulen, Fachhochschulen) sowie eine gewisse Streuung bei der geographischen Verteilung (neue und alte Bundesländer) zu berücksichtigen. Dabei erwies es sich aber als eine zentrale Herausforderung, überhaupt genügend geeignete Studiengänge für eine Kooperation zu gewinnen, so dass die Wahl der verschiedenen Studiengänge und Hochschulen am Ende teils von der Kooperationswilligkeit der Studiengangskoordinatoren und Hochschulen abhing. Die Studie wurde vom Herder-Institut der Universität Leipzig in Verbindung mit dem Sprachenzentrum der Universität Leipzig durchgeführt. 6 Insgesamt wurden sieben deutsche Hochschulen mit je einem dominant englischsprachigen Masterprogramm untersucht. Konkret standen folgende Forschungsfragen im Mittelpunkt der Untersuchung: • Welche Rolle(n) spielen Deutsch und Englisch in den ausgesuchten internationalen postgradualen Studiengängen? • Über welchen Sprachstand verfügen internationale Studierende im Englischen und Deutschen? • Welche Spracheinstellungen und -lernbiografien weisen Lehrende und Studierende internationaler Studiengänge auf? 3 Dem DAAD sei an dieser Stelle nachdrücklich für die Förderung gedankt. 4 Dass dies auch eine sehr interessante Untersuchungsperspektive darstellt, zeigt u.a. die Studie von A M - MON / M C C ONNELL (2002). 5 Vgl. „Deutsch als Wissenschaftssprache - Gemeinsame Erklärung“ von AvH, DAAD, Goethe-Institut und HRK 2009 - www.daad.de/ portrait/ presse/ pressemitteilungen/ 2009/ 10005.de.html (08.04.2011). 6 Neben den Verfassern waren daran Erwin T SCHIRNER , Beate R EINHOLD , Olaf B ÄRENFÄNGER , Antje F RÖHLICH , Erin B OGGS sowie Abigail S CHNITZLEIN beteiligt. Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen 27 FLuL 41 (2012) • Heft 2 • Wie sieht die sprachliche Realität von internationalen Studierenden in solchen Studiengängen aus? Wie wird die Mehrsprachigkeitskonstellation inner- und außerhalb der Hochschule erfahren (Dozenten, Studierende)? • Welche Sprachlernangebote gibt es? Wie werden diese genutzt und bewertet? • Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um die Sprachsituation von Studierenden und Lehrenden zu verbessern? 2. Methodisches Vorgehen Für die Kontaktaufnahme mit in Frage kommenden Studiengängen nutzten wir die Datenbank des DAAD. 7 Wichtig war neben den oben angeführten Kriterien auch, zumindest einige Studiengänge mit einzubeziehen, bei denen Sprachkurse bzw. die Sprachförderung im Deutschen als Fremdsprache obligatorischer Bestandteil des Studiengangs waren. 8 Folgende Studiengänge konnten schließlich für die Studie gewonnen werden: • TU Dresden: Tropical Forestry and Management • Universität Stuttgart: Master’s Programme Infrastructure Planning • Humboldt-Universität zu Berlin: Master’s Program in Economics and Management Science • TU München: International Master’s Programme Land Management and Land Tenure • Universität zu Köln: International Master of Environmental Sciences • Leibniz-Universität Hannover: Master of Science in International Horticulture • Justus-Liebig-Universität Gießen: Master of Transition Studies. In der Studie wurden drei aufeinander abgestimmte Forschungsinstrumente verwendet: der Hochschulsprachtest (HST), Online-Fragebögen sowie Leitfadeninterviews. Zunächst wurden in einem ersten Schritt Fragebögen für Studierende und Dozenten entwickelt (teils in Anlehnung an andere bereits durchgeführte Studien, etwa die von A MMON / M C C ONNELL 2002). Nach einer Pilotierung und Revision wurden diese dann mithilfe von LimeSurvey 9 online umgesetzt. Über die Studiengangskoordinator/ inn/ en wurden die Studierenden und Lehrenden an allen Standorten kontaktiert und um Unterstützung gebeten. Die Daten wurden sodann mithilfe von LimeSurvey und SPSS aufbereitet und ausgewertet. Der Rücklauf war sehr zufriedenstellend: er betrug durchschnittlich zwischen 40 und 60% der Befragten. Insgesamt liegen Fragebogenergebnisse von 84 Studierenden und 58 Dozentinnen und Dozenten vor. Zentrale Konstrukte des Fragebogens für die Studierenden waren die Sprachlernbiografie, die Selbstein- 7 Vgl. www.daad.de/ deutschland/ studienangebote/ international-programmes/ 07535.de.html (08.04.2011). 8 Die vom DAAD geförderten Studiengänge an der Universität Stuttgart und an der HU Berlin wiesen entsprechend obligatorische Sprachmodule bzw. -kurse auf. 9 Vgl. www.limesurvey.org (08.04.2011). 28 Christian Fandrych, Betina Sedlaczek FLuL 41 (2012) • Heft 2 schätzung der Sprachkenntnisse im Englischen und Deutschen, die Gründe für die Wahl des Studiums, die Wahrnehmung von sprachpraktischen Angeboten vor Beginn und während des Studiums, die Situationen und Kontexte, in denen das Deutsche und das Englische verwendet werden und die dabei gesammelten Erfahrungen, sowie die Einschätzung der Sprachkenntnisse der Kommilitonen und Dozenten. Für die Dozenten stand vor allem der Umgang mit dem Englischen und dem Deutschen im universitären Alltag, die Einschätzung der Sprachkompetenzen der Studierenden und der Kolleginnen bzw. Kollegen sowie die Einschätzung der bilingualen Studiensituation im Vordergrund. Der Hochschulsprachtest kam nur an drei Standorten zum Einsatz, da die Durchführung dieses Tests mit hohem organisatorischem und finanziellem Aufwand verbunden ist. Ursprünglich war geplant, an diesen drei Standorten zusätzlich auch die englische Sprachkompetenz der Dozentinnen und Dozenten zu erheben. Dies musste allerdings aufgrund mangelnder Bereitschaft auf Dozentenseite aufgegeben werden, so dass deren Englischkompetenz nur über Selbst- und Fremdeinschätzungen indirekt rekonstruiert werden kann. Dies ist sehr bedauerlich, spricht aber vielleicht auch für sich selbst. Die Sprachtests wurden vor Ort von Projektmitarbeiterinnen durchgeführt und am Sprachenzentrum der Universität Leipzig ausgewertet. Die semistrukturierten Leitfadeninterviews wurden als Instrument zur Vertiefung bestimmter Themen und Fragestellungen, die auch schon in den Fragebögen angesprochen wurden, entwickelt. Hier standen insbesondere die Erfahrungen mit der Sprachverwendung und mit den sprachpraktischen Angeboten bzw. der Bedarf und das Interesse an entsprechenden Angeboten im Vordergrund. Insgesamt wurden 27 Studierende und 10 Dozenten und Dozentinnen - verteilt auf alle Standorte - interviewt. Die Interviews wurden im Anschluss vollständig transkribiert 10 und mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach verschiedenen Gesichtspunkten ausgewertet. 3. Ergebnisse des Hochschulsprachtests (HST) Der Hochschulsprachtest (HST), der zwischen 2006 und 2008 an der Universität Leipzig in Zusammenarbeit mit dem Bildungsportal Sachsen entwickelt wurde 11 , erlaubt es, die vier Fertigkeiten sowie den Wortschatzstand für verschiedene Sprachen - u.a. auch für das Englische und Deutsche - webbasiert zu testen, was eine hohe Vergleichbarkeit der Testergebnisse erlaubt. Der Einsatz des HST wurde wesentlich von der Universität Leipzig (Sprachenzentrum) unterstützt. 12 Für das Deutsche wurde auf den Niveaustufen B1 / B2, für das Englische auf den Niveaustufen B2 / C1 getestet, da wir davon ausgegangen waren, dass aufgrund der Eingangsvoraussetzungen der Stu- 10 Die Transkriptionskonventionen für die Studierenden- und Dozenteninterviews befinden sich im Anhang (  S. 41). 11 Vgl. www.hochschulsprachtest.de (08.04.2011). 12 Unser Dank gilt hier insbesondere Olaf B ÄRENFÄNGER und Erwin T SCHIRNER . Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen 29 FLuL 41 (2012) • Heft 2 diengänge alle Studierenden zumindest über B2-Kenntnisse im Englischen verfügten und dass die Deutschkenntnisse auf einem niedrigerem Niveau angesiedelt seien. Insgesamt wurden HST-Ergebnisse von 48 Studierenden ausgewertet (allerdings nahmen nicht alle Studierenden an allen Testteilen teil). Diese befanden sich zum Messzeitpunkt am Ende des ersten Semesters des Studienprogramms. Testteil (1) überprüfte den produktiven und rezeptiven Wortschatz und die Fertigkeiten Lesen und Schreiben, Testteil (2) die Fertigkeit Hören, Testteil (3) die Fertigkeit des freien Sprechens der Teilnehmer. Die Ergebnisse waren insgesamt ernüchternd: Deutsch - Keiner der Studierenden erreichte durchweg für die produktiven Fertigkeiten des deutschen Tests ein B2-Niveau. Beim produktiven Wortschatz wurde das Niveau B1 von 42 (95,5%, N=44) Studierenden nicht erreicht. Beim Testteil Schreiben erreichten 38 Studierende (90,5%, N=42) das Niveau B2 nicht. Mit Blick auf die rezeptiven Fertigkeiten Lesen und Hören und den rezeptiven Wortschatz ergab die Testdurchführung, dass die Mehrheit der Studierenden nicht über Kenntnisse auf dem Mittelstufenniveau B1 verfügte. Insgesamt wird deutlich, dass ein Großteil der Teilnehmer unterhalb des Niveaus B1 lag und somit allenfalls ein Grundstufenniveau vorweisen konnte. Dies zeigt deutlich, dass ohne starke Förderung der deutschen Sprache die Studierenden keine angemessene alltagssprachliche produktive Kompetenz und keine rezeptive Grundkompetenz im Wissenschaftsdeutschen erreichen können. Die - mancherorts gehegte - Hoffnung, die Studierenden könnten zumindest ausreichende alltagssprachliche Kenntnisse auch ohne institutionelle Förderung erwerben, ist ebenfalls mehr als unwahrscheinlich - schließlich hatten die getesteten Studierenden schon mindestens ein Semester lang in Deutschland gelebt. Englisch - Für das Englische kann man davon ausgehen, dass die Niveaustufe B2 den zentralen Richtwert darstellt, da sie Zugangsvoraussetzung für alle von der vorliegenden Studie untersuchten Studiengänge war. Im Bereich der produktiven Fertigkeiten wurden wiederum die Wortschatzkompetenz und die Fertigkeiten Schreiben und Sprechen getestet. Lediglich eine Person erzielte im Wortschatz und für die Fertigkeit Sprechen ein Ergebnis auf Niveau B2 und im Testteil Schreiben das Niveau C1. Keine der übrigen Personen konnte durchgängig das geforderte B2-Niveau für die produktiven Fertigkeiten erreichen. Insgesamt konnten nur zwölf Teilnehmer für alle rezeptiven Fertigkeiten ein B2-Niveau erreichen. Es sind demnach bei den internationalen Studierenden nicht nur gravierende Schwierigkeiten im Deutschen, sondern auch sehr besorgniserregende Defizite im Englischen zu verzeichnen. Die Ergebnisse des HST stehen zudem zum Teil in starkem Kontrast zu den positiven Selbsteinschätzungen der Lerner bezüglich der eigenen Englischkenntnisse, die den Ergebnissen des Fragebogens zu entnehmen sind. Im Folgenden gehen wir auf die Ergebnisse der Online-Fragebögen sowie der semistrukturierten Leitfadeninterviews ein. 30 Christian Fandrych, Betina Sedlaczek FLuL 41 (2012) • Heft 2 4. Ausgewählte Ergebnisse der Untersuchung für Studierende Was die Herkunft anbetrifft, so war die Gruppe der Studierenden, die an der Fragebogenstudie teilnahm, recht heterogen, jedoch lässt sich erkennen, dass der Großteil der Herkunftsländer in Afrika (bspw. Äthiopien, Kenia, Ghana, Ägypten) und Asien (bspw. Nepal, VR China, Myanmar) liegt. Nur 15,5% der befragten Studierenden waren englische Muttersprachler (davon stammten drei Personen aus den USA, drei Personen aus Ghana, drei Personen aus Kenia, zwei Personen aus Kamerun und eine Person jeweils aus Jamaika und Nigeria). Der hohe Anteil von Studierenden aus unterschiedlichen Ländern legt daher nahe, dass die untersuchten Studiengänge in Schwellen- und Entwicklungsländern besonders hoch nachgefragt zu sein scheinen. Ein wichtiger Schwerpunkt des Fragebogens waren die Beweggründe und die Motivation der Studierenden für ein Studium in Deutschland. Tabelle 1 verdeutlicht die Gründe, welche die Studierenden für die Wahl eines Studiums in Deutschland nannten: Gründe für ein Studium in Deutschland Häufigkeit weil mich das Studienangebot fachlich anspricht 73 weil das Studienangebot auf Englisch ist 71 weil deutsche Hochschulen international allgemein einen guten Ruf haben 68 weil meine Bewerbung an dieser Hochschule erfolgreich war 44 weil ich im Rahmen dieses Studiums die Möglichkeit habe, Deutsch zu lernen 42 wegen des Renommees meiner jetzigen Hochschule 37 weil es in Deutschland keine/ nur geringe Studiengebühren gibt 36 um meine Kenntnisse und Fähigkeiten in der englischen Sprache zu verbessern 35 um später in einem englischsprachigen Land arbeiten zu können 33 um meine Kenntnisse und Fähigkeiten in der deutschen Sprache zu verbessern 32 um später in einem deutschsprachigen Land arbeiten zu können 27 um in einem anderen Land arbeiten zu können 18 Tabelle 1: Gründe für ein Studium in Deutschland 13 Die Tabelle zeigt, dass die Studierenden als Hauptgründe für ein Studium in Deutschland das fachliche Studienangebot (N=73) und die Tatsache, dass das Studium auf Englisch angeboten wird (N=71), angaben. Des Weiteren sind der Ruf deutscher Hochschulen (N=68), die erfolgreiche Bewerbung an der Hochschule (N=44) und das Renommee der jetzigen Hochschule (N=37) für die Wahl des Studiengangs entscheidend. 42 Studierende gaben als ein Motiv für das Studium in Deutschland auch das Erlernen der deutschen Sprache an, 32 nannten das Motiv, ihre Deutschkenntnisse verbessern zu 13 N=83, Angabe in Nennungen, Mehrfachantworten möglich. Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen 31 FLuL 41 (2012) • Heft 2 wollen. Die geringen bzw. nicht vorhandenen Studiengebühren wurden von 36 Personen als wichtiger Grund genannt. 35 Personen erhofften sich die Verbesserung ihrer Kompetenz in der englischen Sprache. Immerhin 27 Studierende gaben als Motiv an, später in einem deutschsprachigen Land arbeiten zu wollen. Bei aller Vorsicht bezüglich dieser Angaben wird doch deutlich, dass durchaus ein substanzielles Interesse an der Verbesserung der eigenen Deutschkenntnisse besteht. Man könnte diese Zahlen so interpretieren, dass die Deutschkompetenz sicher nicht immer das wichtigste Motiv für ein Studium in Deutschland ist, dass sie jedoch zumindest ein wichtiges zusätzliches Ziel darstellt, das mit dem Studium in Deutschland verbunden wird. 14 Dieses Ziel lässt sich aber in den von uns untersuchten Studiengängen kaum realisieren, denn die dort angebotenen Deutschförderangebote waren unzureichend oder gar nicht in die Studiengänge integriert und kaum passgenau (s.u.). Dass Kenntnisse in der deutschen Sprache von den Hochschulen nicht hoch angesetzt werden, wird auch daran deutlich, dass Deutsch bei keinem der in der Studie untersuchten Studiengänge als Zugangsvoraussetzung eine Rolle spielte. Lediglich für DAAD-Stipendiaten war die Teilnahme an einem zweimonatigen Kurs im Vorfeld obligatorisch. Im Gegensatz dazu waren Kenntnisse der englischen Sprache für alle Studierenden aus nicht-englischsprachigen Ländern auf den Niveaustufen B2 / C1 als Zugangsvoraussetzung nachzuweisen (Berlin: IELTS: band 6,5; TOEFL: 560/ 230/ 89; für alle übrigen Studiengänge IELTS: band 6; TOEFL: 550, 213, 79). Den Ergebnissen des Fragebogens ist jedoch zu entnehmen, dass insgesamt 47 (58,8%) Studierende für die Zulassung keinen Sprachtest nachweisen mussten (s. Tab. 2). Dies kann zum einen darin begründet sein, dass ein englischsprachiger Bachelorabschluss als Ersatz anerkannt wurde (wie das laut S OLTAU 2008 häufiger der Fall ist) oder dass bei Herkunft aus Ländern, in denen die Amtssprache Englisch ist (bspw. Kamerun, Kenia, Ghana), kein Sprachtest gefordert wurde. Sprachtest für Englisch als Eingangsvoraussetzung N=80 Ja 33 Nein 47 Gesamt 80 Tabelle 2: Mussten Sie bzw. müssen Sie englische Sprachtests für Ihren Studiengang vorweisen? Es stellte sich die Frage, ob das Deutsche in dominant englischsprachigen Studiengängen überhaupt eine Rolle spielt, und wenn ja, bei welchen Aktivitäten und in welchen Bereichen (etwa in Lehrveranstaltungen, bei der Lektüre von Fachliteratur, bei der Studienorganisation). Daneben interessierte uns, ob es dabei dann aus Sicht der Studierenden zu Schwierigkeiten kam. Tabelle 3 (  S. 32) verdeutlicht zunächst, welche 14 Dies bestätigt sich auch in den ausgewählten Leitfadeninterviews, s. u. 32 Christian Fandrych, Betina Sedlaczek FLuL 41 (2012) • Heft 2 sprachlichen Schwierigkeiten die Studierenden bei der Verwendung des Deutschen wahrnahmen: 79,2% der Studierenden (N=77) nannten sprachliche Schwierigkeiten bei der Lektüre von Fachliteratur, 61,8% (N=76) bei der Organisation ihres Studienalltags, 60,5% (N=76) bei der Kommunikation auf Deutsch im privaten Bereich sowie 53,9% (N=76) bei der Organisation des Alltagslebens (bspw. bei Behördengängen oder Abschluss eines Mietvertrages). Dies zeigt, dass die mangelnde Sprachkompetenz die Bewältigung des Alltags stark beeinträchtigt (vgl. auch G NUTZMANN / L IPSKI -B UCH - HOLZ 2008: 157). Sprachliche Schwierigkeiten im Deutschen Häufigkeit N bei Lektüre von Fachliteratur auf Deutsch 61 77 bei der Organisation meines Studiums (z.B. im Studentensekretariat, in der Bibliothek) 47 76 bei der Kommunikation auf Deutsch mit privaten Kontaktpersonen 46 76 bei der Organisation meines Alltagslebens (z.B. Meldebehörde, Mietvertrag) 41 76 Tabelle 3: Sprachliche Schwierigkeiten im Deutschen 15 Indirekt wird so auch deutlich, dass in den verschiedenen Studiengängen auch studienrelevante deutschsprachige Anteile vorhanden sind. Dies wird durch die Leitfadeninterviews bestätigt (s.u.). Diese Anteile sind aber nicht Teil eines bewussten Mehrsprachigkeitskonzepts, sondern ungeplant und den Umständen geschuldet. Wir möchten im Folgenden exemplarisch eine Auswahl an verschiedenen Studierendenäußerungen aus den Leitfadeninterviews zu konkreten Situationen vorstellen. Die Studierenden Ja Nein Teilweise Keine Angabe N ... sagen, dass deutliche Schwierigkeiten verursacht werden, weil internationale Studierende manchmal Deutsch im Rahmen des Masterprogramms verwenden müssen 8 16 8 0 11 27 Tabelle 4: Leitfadeninterview: Sprachverwendung Deutsch Aus Sicht der Studierenden wären für das Studium insbesondere rezeptive fachbezogene (Lese-)Kompetenzen relevant. Die Interviews geben einen detaillierten Einblick in die Sprachrealität der Studierenden, wie das folgende Zitat aus einem Telefoninterview mit einem/ einer Studierenden zeigt: 15 Angabe in Nennungen, Mehrfachantworten. 16 Setzt sich aus den Stimmen sieben ausländischer Studierender und eines bilingualen Studenten mit deutschem Pass zusammen. Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen 33 FLuL 41 (2012) • Heft 2 And if I go to library, there may be 25 per cent or 30 per cent literature in English, and maybe, 60 per cent, 70 per cent of literature available in German, and when I study here, I can use only, how say, 25 per cent of library. […] Another part, that's future contacts with Germany. I think I learn and I will keep for the future... there are a lot of things I can get if I will improve scope of my language. Shouldn't be only English, I think. (D_13S): 4/ 31 17 Deutsch spielt nicht nur eine wichtige Rolle in administrativen, studienorganisatorischen Angelegenheiten (etwa bei Briefen, E-Mails, in der Kommunikation mit der Universitätsverwaltung). Auch schriftliche Lehrmaterialien, (wie z. B. Skripte und Präsentationen) waren häufig auf Deutsch verfasst, was aus Sicht der Studierenden problematisch war. In den Studiengängen wurde teils kompensatorisch versucht, etwa Vortragsfolien mündlich ins Englische zu übersetzen und somit das Verständnisproblem zu beheben, vgl.: [W]e have to deal with many problems in some of the materials from the lectures that it's remaining in German, and sometimes it's very difficult to understand the graphs and the pictures and all the materials. […] I mean, we have a specific situation last semester, in the first semester that on a specific matter we received all the reader, all the script to study, and we found that there was a lot of difference in the notation and the quotation of the formulas; it was in German, so sometimes it's really complicated. And in the very beginning sometimes it's a stress.. very stressful. (B_03S): 4/ 21 E_27S: Well, they try to translate it for us orally. And basically that's it. And usually they say, "Oh this slide is not important and that's why it's still in German and not in English." So, that's why. I: Okay. Do you feel that the way things are now, that you're satisfied with the level of English that's used in class by the professors, or would you say that it could be improved or that it should be improved? E_27S: From the professors, it could be improved, yes. Because we have some professors that, they're good, but since they don't have enough English, they don't um... They cannot really communicate. Can't send the message that they want to. (E_27S): 5/ 27 Aus den Interviewauszügen wird deutlich, dass ein sprachliches Dilemma besteht. Einerseits erwarten die Studierenden, dass die Lehre vollständig auf Englisch stattfindet. Zum anderen würden ausreichende Deutschkenntnisse helfen, die deutschen Unterrichtsmaterialien zu verstehen und an deutschen Lehrveranstaltungen teilzunehmen. Weitere Äußerungen zeigen, dass auf Seiten der Studierenden der Wille und die Motivation vorhanden sind, Deutschkurse zu besuchen und so auch in die Lage zu kommen, deutsche Studieninhalte zu verstehen, vgl.: A_20S: Uh, the lectures are given in English, the professors teach in English, although sometimes there are some complications with the university, maybe letters or emails, some of them are in German. That can be a bit frustrating. I: What do you do in that case? 17 Konkret steht das Kürzel „(D_13S): 4/ 31“ für einen/ eine Studierende. Dabei ist „D_13“ das Kürzel für den Probanden/ die Probandin, „S“ ist die Kennzeichnung als Student/ Studentin, „4“ steht für die Seite in der Transkription (hier Seite vier) und „31“ steht für die Zeile, in diesem Beispiel Zeile 31. 34 Christian Fandrych, Betina Sedlaczek FLuL 41 (2012) • Heft 2 A_20S: Well, sometimes get a friend to translate it for me or put it on the web and see if I can translate it. I: And do you think that it should be the programme's responsibility to make sure that things come through in English? A_20S: Yes. And I think it should also be a privilege that the programme should give students from the start, to learn German so that they can get more integrated into society, even though they are not being taught in German. (A_20S): 4/ 25 F_09S: But we only have two months of German language course, and it's not enough for us to really be able to speak and understand the language. So, it works that way. If we still are not capable of understanding everything in German then I think it will be better if materials are to be translated in English. (F_096): 6/ 38 Unser Fragebogen zeigt zudem, dass die Mehrheit der Studierenden zumindest gewisse Deutschkenntnisse besaß und diese ausgebaut werden könnten. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, näher nach der im Studium erfahrenen Sprachförderung für das Deutsche zu fragen. 61% der internationalen Studierenden besuchte zum Zeitpunkt der Befragung einen Deutschkurs; ernüchternd war aber, dass über die Hälfte von ihnen den besuchten Deutschkurs als „nicht hilfreich“ einschätzte, wobei die Gründe hierfür unterschiedlich waren, wie die Telefoninterviews zeigten. Insgesamt scheinen die Deutschlernangebote viel zu wenig passgenau und auch zeitlich mit dem Studienangebot nicht abgestimmt zu sein, vgl. exemplarisch das folgende Zitat: The [German] courses could be better. [...] I would say that they're like slow, for me. (D_14S): 2/ 28 Daneben stellt sich die Frage, warum knapp 40% der Studierenden keinen Deutschkurs besuchten. Der wichtigste Grund bestand im Zeitdruck und der fehlenden Integration der Deutschlernangebote in den Studiengang, vgl.: We are really constrained with time here. And I wanted to take extra German lessons, but my load in school wouldn't allow me now, because it's really very stressful now, so we can't learn German anymore. (F_09S): 11/ 8 Zusätzlich wurde im Fragebogen ein Schwerpunkt auf die Sprachverwendung des Englischen gelegt. Aus den Antworten ging hervor, dass gerade einmal neun von 80 Personen im vergangenen Semester ein englisches Kursangebot genutzt hatten - trotz der ernüchternden Ergebnisse des Hochschulsprachtests, die deutlich den in Wirklichkeit bestehenden Sprachförderbedarf der Studierenden aufzeigen. Die Richtigkeit dieser Einschätzung zeigte sich ebenfalls plastisch in den durchgeführten Telefoninterviews, vgl. exemplarisch eine studentische Fremdeinschätzung: Yeah, it's a challenge, because we have mates who can't really speak the English well, but I will say my class, we are very supportive of each other… you know what the person is trying to say. You could express it to the lecturer, ‘Oh, this is what he means, this is what he's trying to say.’ So, it's not really bad. (F_10S): 6/ 1 Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen 35 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Das Zitat zeigt, dass sich viele Studierende zwar irgendwie zu behelfen wissen, aber weit von einer ausreichenden Sprachkompetenz im Englischen entfernt sind. Es ist ebenfalls symptomatisch für die Sprachsituation in internationalen Studiengängen insgesamt: Es fehlt an durchdachten Sprachkonzepten, die der Sprachrealität der Studierenden Rechnung tragen und die gleichzeitig sprachliche Zielsetzungen (im Deutschen wie im Englischen) und Fördermöglichkeiten zu einem Qualitätsmerkmal von Studiengängen machen. 5. Ausgewählte Ergebnisse der Untersuchung für Dozenten/ -innen Die Bandbreite der Herkunftsländer der Dozenten ist deutlich begrenzter. Von den 58 befragten Dozenten hatten 13 eine andere Muttersprache als das Deutsche, lediglich drei waren englische Muttersprachler. Ein erster vertiefender Schwerpunkt des Fragebogens galt der Untersuchung der Sprachverwendung im universitären Alltag. Es zeigt sich, dass die Mehrheit der Befragten die Tätigkeit im Englischen im Vergleich zum Deutschen als „genauso aufwändig“ (N=33) oder „aufwändiger“ (N=20) empfand (siehe Tab. 5). Fünf Personen beurteilten den Arbeitsaufwand als „weniger aufwändig“, wobei eine derartige Einschätzung zumindest von den englischsprachigen Muttersprachlern zu erwarten war. Häufigkeit Prozent Aufwändiger 20 34,48 genauso aufwändig 33 56,89 weniger aufwändig 5 8,62 Gesamt 58 100,00 Tabelle 5: Wie empfinden Sie den Arbeitsaufwand bei Tätigkeiten im Englischen im Vergleich zum Deutschen? Die Ergebnisse des Fragebogens lassen sich wiederum durch die Telefoninterviews genauer präzisieren. Einige der Dozenten unterstrichen, dass sie ihre Lehrveranstaltungen in internationalen Studiengängen zusätzlich zu ihrem regulären Lehrdeputat hinaus anböten. Dies führt leicht zu Überlastungserscheinungen, zudem fehlt meist jegliche sprachlich-kommunikative Hilfestellung: Viele Hochschullehrer fahren schon ihre... sind schon mit ihrer regulären Lehre ausgelastet. Dieser [Studiengang] ist ja sozusagen ein Bonus-Studiengang. Den macht hier jeder zusätzlich zu seinem regulären Deputat, aus reinem Interesse oder... ne? ! D.h. also (lacht) man ist dann auch angewiesen auf den guten Willen und eben... ja... (zögert) so etwas dann neu auszuarbeiten. (A_03D): 10/ 11 36 Christian Fandrych, Betina Sedlaczek FLuL 41 (2012) • Heft 2 Diejenigen Dozenten, für die Englisch nicht Muttersprache war, beschrieben die Vorbereitung teilweise als „Übersetzungsleistung“, was zeigt, dass sie die Fachinhalte zunächst in deutscher Sprache konzeptualisierten. Im Vergleich dazu haben englische Muttersprachler diesbezüglich Vorteile: B_07D: Grundsätzlich ist es schwerer natürlich. Natürlich ist gut. Also, es ist vor allem deswegen schwerer, weil ich... ich denke auf Deutsch. Ja, und dann muss ich mir das sozusagen übersetzen. Ja, also ich denke nicht auf Englisch, wenn ich so ’ne Vorlesung überlege, sondern ich denke auf Deutsch. I: Und das ist dann quasi wie ’ne Übersetzung, die… B_07D: Ja! (B_07D): 4/ 37 Ein weiterer Schwerpunkt der Interviews war die Frage, ob die Mehrsprachigkeitskonstellation die Qualität der Lehre in den internationalen Studiengängen beeinflusse. Insgesamt halten sich hier die Meinungen die Waage, vgl.: Ja Nein N Die Nutzung einer Fremdsprache (Englisch) als Unterrichtssprache wirkt sich (im weiteren Sinne) negativ auf die fachliche Qualität des Studiums aus. 5 5 10 4 Dozenten/ Dozentinnen berichten, dass es ihrer Erfahrung nach zu Sprachbarrieren im universitären Alltag, d.h. außerhalb der Veranstaltungen, durch die Mehrsprachigkeitskonstellation komme. 4 Dozenten/ Dozentinnen berichten, dass ein zeitlicher Mehraufwand bei Lehrenden durch die Mehrsprachigkeitskonstellation entstehe. Tabelle 6: Probleme aufgrund der Mehrsprachigkeitskonstellation Es scheint den Dozenten schwer zu fallen einzuschätzen, wie durch die Mehrsprachigkeitssituation die Qualität der Lehre beeinträchtigt wird. Es entstehen häufiger Verständnisschwierigkeiten und Missverständnisse durch die Verwendung des Englischen als Lingua Franca, vgl.: [I]ch kann […] ganz schlecht beurteilen, ob das auch die Qualität in irgendeiner Weise beeinflusst. Grundsätzlich würde ich aber schon sagen: Ja! Wobei, das ist natürlich ein Problem, das auch dann auf der Empfängerseite entsteht, weil die Studenten ja auch zum Teil Englisch als Fremdsprache haben und dann... Naja, und wenn sich dann zwei Fremdsprachler miteinander unterhalten (schmunzelt), kommt halt nicht alles rüber. (B_07D): 2/ 28 Aber ich denke, die Situationen [Missverständnisse], wo's wirklich am Sprachlichen liegt, sind in den englischsprachigen Masterveranstaltungen schon häufiger das Problem als der inhaltliche Verständniszugang. (B_08D): 3/ 24 Ein weiteres Problem entsteht bei Praktika und berufsbezogenen Aktivitäten der Studierenden. Hier treffen sie häufiger auf ein Umfeld, in dem kein oder nur unzureichend Englisch gesprochen wird. Auch hierfür scheinen die Studiengänge keine zufriedenstellenden Konzepte ausgearbeitet zu haben: Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen 37 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Hinzu kommt noch, dass wir zum Teil so Module anbieten, oder eben auch ja die Module eben so organisiert sind, dass das sehr praktisch stattfindet. Also wir dann direkt rausgehen mit den Leuten, vor Ort. Und dort die Personen, die Verantwortlichen kontaktieren, die eigentlich soweit mit Englisch überhaupt nichts zu tun haben. Also ganz normale Arbeitende, um dann von denen direkt 'nen Eindruck zu haben, um von denen Erfahrungen zu hören. Und da ist es dann so, dass die natürlich große Schwierigkeiten haben, sich auf Englisch auszudrücken. (E_02K): 9/ 5 Auch im Hinblick auf die berufliche Zukunftsperspektive der Studierenden müssen Konzepte erarbeitet werden, die die Studierenden in die Lage versetzen, auch sprachlich solche Praxiserfahrungen zu bewältigen. Gerade für Studierende, die nach ihrem Studienabschluss einen Beruf in Deutschland anstreben, sind Deutschkenntnisse gänzlich unumgänglich. Für eine Berufswahl im Herkunftsland und somit eine Rückkehr würden entsprechende Sprachkenntnisse im Deutschen die Aussichten auf eine Arbeitsstelle etwa in einem deutschen Unternehmen verbessern und ein besonderes Qualifizierungsmerkmal darstellen. Was die englischen Sprachkompetenzen der Dozentinnen und Dozenten anbetrifft, stellte sich uns die Frage, wie diese von ihnen selbst und von den Studierenden eingeschätzt wurden und inwiefern die Dozenten Fördermöglichkeiten zur Verbesserung ihrer Englischkompetenz nutzten bzw. solche Fördermöglichkeiten an den Hochschulstandorten überhaupt angeboten wurden. Zunächst gilt es hervorzuheben, dass die englischen Sprachkompetenzen der Dozenten von zehn der zwölf befragten Studierenden in den Telefoninterviews insgesamt als zufriedenstellend bewertet wurden. Dies relativiert sich aber etwas, wenn man die Selbsteinschätzung und den Bedarf an sprachlicher Förderung auf Seiten der Dozenten betrachtet: Bei der Frage nach der eigenen Einschätzung der Sprachkompetenz sahen nur 17 (29,8%) der 57 befragten Dozentinnen und Dozenten keinen Verbesserungsbedarf, wie den Ergebnissen in Tabelle 7 zu entnehmen ist. Des Weiteren würden, sofern angeboten, 26 (45,6%) Personen einen Sprachkurs im Wissenschaftsenglischen besuchen und das Korrekturlesen von wissenschaftlichen bzw. akademischen Texten in Anspruch nehmen. Zusätzlich würden 23 (40,4%) Teilnehmer einen Kurs für wissenschaftliches Schreiben in der Fremdsprache besuchen, und elf (19,3%) Personen würden Übersetzungsdienste nutzen. Sprachförderangebote Häufigkeit Sprachkurse für Wissenschaftssprache 26 Korrekturlesen von wiss./ admin. Texten 26 Kurs für wissenschaftliches Schreiben in der Fremdsprache 23 Übersetzungsdienste 11 Keines 17 Tabelle 7: Sprachförderangebote für Dozentinnen und Dozenten (N=57, Angabe in Nennungen, Mehrfachantworten) 38 Christian Fandrych, Betina Sedlaczek FLuL 41 (2012) • Heft 2 Dieses Ergebnis kann durch die Telefoninterviews sowohl aus der Perspektive der Studierenden als auch aus der Dozentenperspektive präzisiert und illustriert werden. Zunächst verdeutlichen die folgenden Äußerungen typische Meinungen der Studierenden: [S]ome of the [teaching staff] are not that good [in English]. That's why sometimes they even switch into German during the lecture. And when you're in the first semester and you don't know anything about German language, I mean, it's quite annoying. (D_14S): 4/ 28 For professors, I have no complaint [about their English ability]. They are really, really helpful. (B_11S): 7/ 14 Aus der Perspektive der Dozenten zeigt sich ebenfalls, dass in Lehrveranstaltungen teilweise durchaus Schwierigkeiten auf Dozentenseite auftreten können, wie folgende Aussage aus einem Telefoninterview verdeutlicht: Dazu muss man natürlich auch sagen, das ist die andere Seite der Medaille, dass es natürlich auch ne ganze Reihe auch gerade der älteren Dozenten gibt, die […] deutschen Dozenten gibt, die auch Probleme haben. Also der eine oder andere fühlt sich da nicht so sicher […] Ich möchte mal annehmen, dass unter den 30 Dozenten hier in [nennt Fach], unter denen ja auch einige Fremdsprachige sind, also englischsprachig sind, dass das vielleicht fünf, sechs betrifft. (A_03D): 11/ 24 Ungefähr 20% der in der Lehre tätigen Dozenten haben nach dieser Aussage Probleme mit dem Wissenschaftsenglischen. Auch wenn dies nur punktuelle Eindrücke sind, kann man keinesfalls davon ausgehen, dass die Lehre auf Englisch problemlos funktioniert - im Gegenteil, man darf annehmen, dass dieses Bild durch eine Überprüfung mithilfe von Sprachtests noch wesentlich deutlicher würde (vgl. ähnlich G NUTZMANN / B RUNS 2008: 16; W ILKINSON 2008: 175 f). Man kann nur darüber spekulieren, was dies für die Qualität von Lehre und Studium für alle Beteiligten bedeutet. 6. Fazit Bei aller Vorsicht lassen die vorliegenden Daten doch einige deutliche Tendenzen erkennen, und vieles deutet darauf hin, dass unsere Befunde keine Einzelergebnisse darstellen. Die vorliegende Studie hat den Vorteil, dass sie verschiedene Perspektiven (Studierende, Lehrende/ Koordinatoren) und verschiedene Instrumente (Fragebogendaten, semistrukturierte Leitfadeninterviews, Sprachstandstest-Daten) miteinander kombiniert und so ein recht dichtes Bild der Sprachverwendung, des Sprachbedarfs und der realen Sprachkompetenzen vor allem der internationalen Studierenden bereitstellt. Wünschenswert wäre eine Ergänzung durch Aufnahmen und Analysen realer Sprachverwendung, etwa in Seminaren und Vorlesungen oder Sprechstunden, um die Selbsteinschätzung und Reflexion mithilfe diskursanalytischer Ansätze überprüfen zu können. Zusammenfassend lassen sich die Ergebnisse der vorliegenden Studie wie folgt skizzieren: In allen von uns untersuchten Studiengängen wird ein erschreckendes Aus- Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen 39 FLuL 41 (2012) • Heft 2 blenden von Sprache und Sprachlichkeit deutlich. Dies betrifft sowohl das Englische als auch das Deutsche, und es betrifft Studierende, Lehrende und auch weitere am Studiengang beteiligte Akteure. Konkret äußert sich dieses Ausblenden unter anderem in den folgenden Bereichen: • Es herrscht eine große Uneinheitlichkeit bezüglich der Anforderungen an das Sprachniveau und die entsprechenden Nachweise über die Sprachkompetenz, die für die Zulassung zum jeweiligen Studiengang erforderlich ist; hier bestätigt sich das Bild, das S OLTAU (2008) für das Englische bereits skizziert hat. • Die Studierenden weisen uneinheitliche, insgesamt aber sehr unbefriedigende Englischkenntnisse auf. Die Sprachkenntnisse liegen teils deutlich unter den offiziell geforderten Eingangsniveaus. • Gleichzeitig fehlt ein übergreifendes Sprachförderungskonzept für die Studierenden. Seitens der Hochschulen scheint man von einer problemlosen Englischkompetenz der Studierenden auszugehen (was im Widerspruch zu den vorliegenden Ergebnissen der Sprachtests steht). Wo der Erwerb von Deutschkenntnissen als (Teil-)Ziel des Studiengangs benannt wird, ist häufig unklar, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Studienvorbereitende und -begleitende Deutschlernangebote sind teils gar nicht vorhanden, teils sind sie unzureichend in die Studiengänge integriert, wenig auf die Zielgruppe hin orientiert und in ihren Zielsetzungen diffus. Selbst in Institutionen, die Sprachlernangebote zum integralen Bestandteil des Studiengangs machen, scheinen diese unzureichend auf die Bedürfnisse der Studierenden abgestimmt und zu wenig in die Studiengänge integriert zu sein. • Auch bei den Lehrenden wird (zu Unrecht) vorausgesetzt, dass für sie die Verwendung des Englischen in der Wissenschaftskommunikation weitgehend problemlos sei. In den hier untersuchten Studiengängen äußert aber ein beträchtlicher Teil der befragten Lehrenden ein Bedürfnis nach spezifischer Sprachförderung bzw. -unterstützung im Wissenschaftsenglischen. Dem wird, soweit wir sehen, von den Hochschulen bisher nicht Rechnung getragen. Die Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass vielfach unter dem Druck einer schnellen Internationalisierung davon ausgegangen wurde, dass eine Umstellung auf das Englische als Sprache der Lehre das Sprachproblem an sich lösen werde - in der Annahme, dass internationale Studierende des Englischen schon in angemessener Weise mächtig seien und die Dozenten ohnehin durch ihre internationale Ausrichtung mit dem Englischen in der Wissenschaftskommunikation keine Probleme haben würden. Zusätzlich wurde offenbar davon ausgegangen, dass die Studierenden „nebenbei“ - mit studienbegleitenden Sprachkursen oder einfach im Alltag - ausreichende Basisdeutschkenntnisse erwerben würden. Keine dieser Annahmen hat sich in der vorliegenden Studie bestätigt. Die Deutschkenntnisse der Studierenden sind für den Lebensalltag meist vollkommen unzureichend; auf das Fach bezogene Deutschkenntnisse werden kaum gefördert und sind überwiegend nicht vorhanden (ähnlich A MMON 2005: 81). Dies steht in eklatantem Widerspruch zu den Bedürfnissen und Interessen, wie sie von den Studierenden in unserer Studie geäußert wurden: Sie erwarten sich von einem Stu- 40 Christian Fandrych, Betina Sedlaczek FLuL 41 (2012) • Heft 2 dium in Deutschland auch eine dezidierte Förderung ihrer Deutschkenntnisse (vgl. auch M OTZ 2005: 140), gleichzeitig ist es aber für viele nicht möglich, die bestehenden Sprachlernangebote wahrzunehmen, weil diese nicht mit dem Studienplan koordiniert und vor allem nicht über die Vergabe von Leistungspunkten in das Studium integriert sind (vgl. auch G NUTZMANN / L IPSKI -B UCHHOLZ 2008: 157). 18 Die Motivation der Studierenden, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern, scheint dabei jedenfalls teilweise auch darin begründet zu sein, dass sie sich durch den Spracherwerb langfristige Bindungen an den deutschen Sprachraum erhoffen. Man verbindet, kurz gesagt, mit einem Studium in Deutschland auch langfristige strategische Ziele. Vor diesem Hintergrund ist das Fehlen entsprechender Angebote und insgesamt die Ausblendung der Sprachförderung aus den internationalen Studiengängen aus der Sicht der auswärtigen Kulturpolitik (aber auch der deutschen Hochschulen) als äußerst problematisch einzuschätzen. Eine langfristige Bindung an die deutschsprachigen Länder und den deutschsprachigen Wissenschaftsraum erfordert eine sprachliche Kompetenz, die es etwa auch erlaubt, den deutschsprachigen öffentlichen Diskurs wahrnehmen und einschätzen zu können, wissenschaftliche Diskurstraditionen zu erkennen und sich darin bewegen zu können, mit Vertretern und Vertreterinnen deutscher Institutionen auch auf Deutsch kommunizieren zu können. Diesen Zusammenhang sehen auch viele der befragten Studierenden. Insgesamt ist so ein eklatanter Widerspruch zwischen den Bedürfnissen und Interessen der Studierenden und der Mittlerorganisationen einerseits und den fachorientierten, auf schnelle Internationalisierung ausgerichteten Praktiken der Fachbereiche an den Hochschulen und vieler Hochschulleitungen andererseits festzustellen. Im Sinne einer nachhaltigen Förderung des Deutschen als Wissenschaftssprache und auch unter dem Aspekt des besonderen Profils von Studiengängen in den deutschsprachigen Ländern kann es nur verwundern, dass den Interessen der Studierenden nach einer langfristigen (auch sprachlichen) Bindung an den Bildungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland kaum oder gar nicht Rechnung getragen wird. Stattdessen sind viele der internationalen Studierenden offenbar auch nach einem zweijährigen Studiengang auf Deutsch noch sprachlos. Dagegen wird wenig unternommen, und was dagegen unternommen wird, ist offenbar meist wenig hilfreich. Um es mit den Worten eines/ r Studierenden zusammenzufassen: So I really think that they should learn Deutsch, as far as possible … 18 Dass hier schon seit längerem auch andere Modelle vorliegen, ist offenbar in den verschiedenen Fachbereichen unbemerkt geblieben; vgl. etwa die bei K URTZ (2000) vorgeschlagenen Modelle zum studienintegrierten DaF-Unterricht; für geisteswissenschaftliche Studiengänge vgl. auch den Ansatz der „aufgeklärten Zweisprachigkeit“ bei F ANDRYCH (2007). Englisch und Deutsch in ,internationalen‘ Studiengängen 41 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Literatur A MMON , Ulrich (2005): „Welche Rolle spielt Deutsch als Wissenschaftssprache neben Englisch? “ In: M OTZ (Hrsg.), 67-86. A MMON , Ulrich / M C C ONNELL , Grant (2002): English as an Academic Language in Europe. A Survey of its Use in Teaching. Frankfurt/ M. u.a.: Lang. F ANDRYCH , Christian (2007): „Aufgeklärte Zweisprachigkeit als Ziel und Methode der Germanistik nicht-deutschsprachiger Länder“. In: S CHMÖLZER -E IBINGER , Sabine / W EIDACHER , Georg (Hrsg.): Textkompetenz. Tübingen: Narr, 275-298. F ANDRYCH , Christian / S EDLACZEK , Betina (2012): ‚I need German in my life ...‛ Eine empirische Studie zur Sprachsituation in englischsprachigen Studiengängen in Deutschland. Unter Mitarbeit von Erwin Tschirner und Beate Reinhold. Tübingen: Stauffenburg [im Druck]. G NUTZMANN , Claus (Hrsg.) (2008): English in Academia. Catalyst or Barrier, Tübingen: Narr. G NUTZMANN , Claus / B RUNS , Miriam (2008): „English in Academia - Catalyst or Barrier? Zur Einführung in eine kontroverse Diskussion“. In: G NUTZMANN (Hrsg.), 9-24. G NUTZMANN , Claus / L IPSKI -B UCHHOLZ , Kathrin (2008): „Englischsprachige Studiengänge: Was können sie leisten, was geht verloren? “ In: G NUTZMANN (Hrsg.), 147-168. K NAPP , Annelie / S CHUMANN , Adelheid (Hrsg.) (2008): Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium. Frankfurt a. M.: Lang K URTZ , Gunde (2000): „Studienbegleitender und studienintegrierter DaF-Unterricht in internationalen Studiengängen“. In: Informationen Deutsch als Fremdsprache 27.6, 584-597. M OTZ , Markus (2005): „Internationalisierung der Hochschulen und Deutsch als Fremdsprache“. In: M OTZ (Hrsg.), 131-152. M OTZ , Markus (Hrsg.) (2005): Englisch oder Deutsch in Internationalen Studiengängen? Frankfurt/ M.: Lang. S CHUMANN , Adelheid (2008): „Interkulturelle Fremdheitserfahrungen ausländischer Studierender an einer deutschen Universität“. In: K NAPP / S CHUMANN (Hrsg.), 29-50. S OLTAU , Anja (2008): „Englischsprachige Masterprogramme in Deutschland: Qualitätssicherung in der akademischen Lingua-Franca-Kommunikation am Beispiel von sprachlichen Zulassungskriterien“. In: K NAPP / S CHUMANN (Hrsg), 155-169. W ILKINSON , Robert (2008): “English-taught study courses: principles and practice”. In: G NUTZMANN (Hrsg.), 169-182. Transkriptionskonventionen für die Studierenden- und Dozenteninterviews: IE_27S D_02D .. …(schmunzeln) [Studiengang] […] [wird] Interviewer Probandenkürzel für einen Studenten/ eine Studentin Probandenkürzel für einen Dozenten/ eine Dozentin mittlere Pause lange Pause nonverbale Vorgänge Anonymisierung des Studiengangs Auslassung im Transkript Einfügungen im Transkript