eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 2/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
expert Verlag Tübingen
Der Straßenraum hat einen großen Anteil an der Fläche des urbanen Raumes, weshalb auf Herausforderungen der städtischen Entwicklung auch im Straßenraum reagiert werden muss. Ein multicodierter Straßenraum, in welchem verschiedene Probleme adressiert werden, ist das Ziel des zukünftigen Straßenbaus. Zentrale Herausforderungen sind drastische klimatische Veränderungen, ein Wandel der Mobilität und der Wunsch nach mehr Aufenthaltsqualität. Um diese Herausforderungen anzugehen entwickelt das Forschungsprojekt BlueGreenStreets (BGS) Elemente zur klimaangepassten Gestaltung des Straßenraumes. Dabei werden vor allem Elemente zum Niederschlagsmanagement („Blue“) und zum Begleitgrün („Green“) entwickelt, die Mobilitätsansprüche nicht außer Acht lassen. So werden Lösungen zu Hitzestress, Überflutungen, Beeinträchtigungen des Straßengrüns und zu Mobilitätsanforderungen untersucht. Diese Lösungen sollen zuerst dort eingesetzt werden, wo die Belastung am höchsten ist. Dazu entwickelt das Modul „integriertes Sanierungsmanagement“ ein GIS-Tool zur transdisziplinären Standortfindung. In der transdisziplinären Standortfindung werden Indikatoren zu Einflussfaktoren aufgenommen, um besonders belastete Straßenabschnitte zu identifizieren. Eine zentrale Rolle dabei spielt der Wert des Anlagengutes Straße. Der Zustand der Straße sowie des Kanals werden als Grundlage für Sanierungsmaßnahmen herangezogen. Durch die Koordination der Erhaltungs- und Sanierungsarbeiten werden die Kosten deutlich gesenkt. Zudem können Kommunen bei der Sanierung BGS-Elemente einbauen, um auf die aktuellen Anforderungen an den Straßenraum zu reagieren. Daraufhin wird über eine Priorisierungsmatrix im GIS-Tool eine Empfehlung ausgesprochen, welche Straßenabschnitte eine entsprechende Sanierung und Umgestaltung benötigen und zu bevorzugen sind.
2021
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Transdisziplinäre Standortfindung zur Sanierung multicodierter Straßenräume (Forschungsprojekt BlueGreenStreets)

2021
Philip Zwernemann
Markus Stöckner
Jochen Eckart
AMSFree 450 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 S.; Niever, M.; Müller, D.: BIM-basiertes Erhaltungsmanagement im Straßenbau. Endbericht zum Forschungsprojekt FE-Nr. 04.0299/ 2016/ MRB im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). (Unveröffentlicht). [5] ZTV-ZEB-StB, 2006/ 2018: Zusätzliche technische Vertragsbedingungen und Richtlinien zur Zustandserfassung und -bewertung von Straßen. ZTV ZEB-StB. Ausgabe 2006, Stand 2018. FGSV-Verleg, Köln. (FGSV, 489). [6] RPE-Stra 01: Richtlinien für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Straßenbefestigungen. RPE-Stra 01, Ausgabe 2001. FGSV-Verlag, Köln. (FGSV, 988). [7] Helmerich, Niederleithinger, Algernon, Streicher, & Wiggenhauser, 2008: Bridge Inspection and Condition Assessment in Europe. Transportation Research Record, 2044, 31-38. doi: 10.3141/ 2044- 04 [8] Andersson, 2019: Data och dokumentation till förvaltande system - Väg. Trafikverket. [9] Vejdirektoratet, 2020: Danish Road Directorate Asset Management Strategy Version 1.1. Hedehusene: Ministry of Transport, Building and Housing. [10] Bernard, Marschall, & Hajdin, 2015: Forschungspaket Nutzensteigerung für die Anwender des SIS: EP6: Schnittstellen aus den Auswertungssystemen SIS (SIS-DWH). Schriftenreihe 1508, Bundesamt für Straßenwesen, UVEK, Bern, 2015. 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 451 Transdisziplinäre Standortfindung zur Sanierung multicodierter Straßenräume (Forschungsprojekt BlueGreenStreets) Philip Zwernemann M.Sc. Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft, Karlsruhe, Deutschland Prof. Dr.-Ing. Markus Stöckner Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft, Karlsruhe, Deutschland Prof. Dr. Jochen Eckart Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft, Karlsruhe, Deutschland Zusammenfassung Der Straßenraum hat einen großen Anteil an der Fläche des urbanen Raumes, weshalb auf Herausforderungen der städtischen Entwicklung auch im Straßenraum reagiert werden muss. Ein multicodierter Straßenraum, in welchem verschiedene Probleme adressiert werden, ist das Ziel des zukünftigen Straßenbaus. Zentrale Herausforderungen sind drastische klimatische Veränderungen, ein Wandel der Mobilität und der Wunsch nach mehr Aufenthaltsqualität. Um diese Herausforderungen anzugehen entwickelt das Forschungsprojekt BlueGreenStreets (BGS) Elemente zur klimaangepassten Gestaltung des Straßenraumes. Dabei werden vor allem Elemente zum Niederschlagsmanagement („Blue“) und zum Begleitgrün („Green“) entwickelt, die Mobilitätsansprüche nicht außer Acht lassen. So werden Lösungen zu Hitzestress, Überflutungen, Beeinträchtigungen des Straßengrüns und zu Mobilitätsanforderungen untersucht. Diese Lösungen sollen zuerst dort eingesetzt werden, wo die Belastung am höchsten ist. Dazu entwickelt das Modul „integriertes Sanierungsmanagement“ ein GIS-Tool zur transdisziplinären Standortfindung. In der transdisziplinären Standortfindung werden Indikatoren zu Einflussfaktoren aufgenommen, um besonders belastete Straßenabschnitte zu identifizieren. Eine zentrale Rolle dabei spielt der Wert des Anlagengutes Straße. Der Zustand der Straße sowie des Kanals werden als Grundlage für Sanierungsmaßnahmen herangezogen. Durch die Koordination der Erhaltungs- und Sanierungsarbeiten werden die Kosten deutlich gesenkt. Zudem können Kommunen bei der Sanierung BGS-Elemente einbauen, um auf die aktuellen Anforderungen an den Straßenraum zu reagieren. Daraufhin wird über eine Priorisierungsmatrix im GIS-Tool eine Empfehlung ausgesprochen, welche Straßenabschnitte eine entsprechende Sanierung und Umgestaltung benötigen und zu bevorzugen sind. 1. Motivation/ Projektbeschreibung Aufgrund der aktuellen und zukünftigen städtischen Entwicklungstrends einer wachsenden urbanen Bevölkerung und einem sich damit verstärkenden Flächennutzungsdruck sowie den zu erwartenden klimatischen Veränderungen ergeben sich in unterschiedlichen Themenbereichen neue Herausforderungen. Bestehende Probleme der Stadtentwicklung, z.B. Verkehrskonflikte, urbaner Hitzestress, Überflutungen oder Beeinträchtigungen des Straßengrüns werden sich in naher Zukunft deutlich verstärken. Die Aufgabe zukünftiger Stadtentwicklung ist es deshalb, Flächennutzungen nicht nur nebeneinander zu entwickeln, sondern miteinander zu verknüpfen und zu kombinieren. Räume werden so mehrfach codiert und damit hinsichtlich verschiedener Interessen und ihrer Flächennutzungen und -funktionen entwickelt. Das Forschungsprojekt BlueGreenStreets strebt an, die Wirksamkeit von Planungsinstrumenten und Regelwerken zu grünen städtischen Infrastrukturen, urbaner Wasserwirtschaft, dem Sanierungsmanagement von Straßen und Kanälen sowie der Verkehrs- und Freiraumplanung zu untersuchen, zu evaluieren und weiterzuentwickeln. Straßenräume sollen zukunftsfähig gestaltet und zu Multitalenten der Stadtquartiere werden. Zur Erhöhung der Ressourceneffizienz in wachsenden Quartieren werden Tools zur Planung multifunktionaler Straßenräume entwickelt und vor Ort mit wichtigen Stadtakteuren in Pilotprojekten erprobt. Die von BGS gesetzten Ziele dienen als Orientierung für Kommunen in ganz Deutschland. Daher wird mit dem integrierten Sanierungsmanagement bei der Suche von sanierungskritischen Standorten angesetzt. Durch Transdisziplinäre Standortfindung zur Sanierung multicodierter Straßenräume (Forschungsprojekt BlueGreenStreets) 452 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 das integrierte Sanierungsmanagement für Straßen und Entwässerungssysteme können Bauabschnitte für koordinierte Maßnahmen, die den kompletten Straßenraum betreffen, identifiziert werden. Dies betrifft zunächst nur Bauabschnitte, deren Erhaltungsbedürftigkeit sich aus dem baulichen Zustand ergibt. Durch BGS wird diese Auswahl um Komponenten der blau-grünen-Straßenraumgestaltung, also Einbeziehung weiterer funktionaler und planerischer Kriterien für die Abschnittsidentifikation, erweitert. So lassen sich Standorte für die notwendige Umgestaltung von Straßenräumen finden, die in die Erhaltungsplanung eingebunden werden können. 2. Stand der Technik (ZEB Straße und Kanal) 2.1 Erhaltungsmanagement Straßen Die für den Außerortsbereich entwickelten „Richtlinien für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Straßenbefestigungen“ (RPE-Stra01) enthalten die wesentlichen verwaltungstechnischen Planungsstufen, um eine systematische und effiziente Straßenerhaltung zu gewährleisten. Sie stellen damit einen Leitfaden zur Erhaltung von Straßen zur Verfügung. Das kommunale Erhaltungsmanagement ist in den „Empfehlungen für das Erhaltungsmanagement von Innerortsstraßen“ (E EMI 2012) beschrieben und umfasst die Straßenzustandserfassung, die Bewertung von Netzen sowie die operative und strategische Erhaltungsplanung. Aus einem darauf basierenden Erhaltungsmanagementsystem (EMS-K) kann sowohl eine Finanzbedarfsprognose als auch die Koordinierung der Erhaltungsmaßnahmen abgeleitet werden. Bei der Straßenzustandserfassung sollten Fahrbahnen sowie Nebenflächen erfasst werden. Das schließt neben Fahrstreifen, Busspuren, Radverkehrsflächen auf der Fahrbahn und befahrbaren Gleisflächen im Weiteren auch Geh- und Radwege, Parkstreifen, Betriebsflächen, Treppen und Plätze ein (vgl. FGSV, 2012). Die Zustandsdaten werden in einem einheitlichen Ordnungssystem gespeichert, das eine eindeutige georeferenzierte Zuordnung ermöglicht. Bei der Straßenzustandserfassung werden dazu neben dem Zustand auch Straßenschlüssel und Name, Straßenklassifizierung und -kategorie (A, B, L, K, G), die Richtungskennung des Netzabschnitts, der Verlauf (z.B. Tunnel, Brücke), der Stadt- und Baubezirk, das Bauamt und die Verkehrsrichtung gespeichert und verwaltet (vgl. FGSV, 2012). Der Straßenzustand wird innerorts in 10 bzw. 20 Meter Abschnitten erfasst und mit normierten Zustandswerten nach den „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien zur Zustandserfassung und -bewertung von Straßen“ (ZTV ZEB-STB 06) bewertet. Diese legen technische Erfassungs- und Auswerteregeln für die messtechnische Zustandserfassung und -bewertung von Fahrbahnen fest. Erfasst und bewertet werden Längsebenheit, Querebenheit sowie Oberflächenschäden. Aus diesen werden die Teilwerte Gebrauch und Substanz errechnet. Aus dem Maximum der beiden Teilwerte ergibt sich der Gesamtwert für den jeweiligen Abschnitt. Die Zustandswerte (ZW) reichen von eins bis fünf. Dies ermöglicht eine Einteilung in Zustandsklassen (ZK). Klasse 1 (neuwertiger Abschnitt ohne Mängel), Klasse 2 (Abschnitt mit Gebrauchsspuren), Klasse 3 (Warnwert) und Klasse 4 (Erhaltungsbedarf im Abschnitt) (vgl. FGSV,2012). 2.2 Sanierungsmanagement Kanal Kanalsanierungsmaßnahmen werden nicht nur zum Erhalt des Substanzwerts, dem Schutz von Gewässern oder der Betriebssicherheit durchgeführt. Auch Anforderungen, die aus dem demographischen Wandel und dem globalen Klimawandel resultieren sind inzwischen Auslöser für Kanalsanierungen. Grundsätzlich sollte ein Sanierungskonzept nach DWA-A 143-14 (2016) folgende Ziele verfolgen: technische Ziele (optische Inspektion, Dichtheitsprüfung, Materialprüfung), betriebswirtschaftliche Ziele (Vermeidung von Vermögensverzehr bzw. Ermittlung der langfristig benötigten finanziellen Mittel durch Aufstellen von Investitionsbedarfsplänen) und rechtliche Ziele (Einhaltung der rechtlichen Betriebssicherheit durch vollständiges Erfassen und Bewerten des Zustands). Für eine fachgerechte Planung ist das Vorliegen entsprechender Grundlagendaten (Generalentwässerungsplan, Ortsentwicklungsplan, Kanalbestandsplan, Dokumentation der optischen Inspektionen sowie dessen Auswertung (Schadensermittlung)) unausweichlich. Dem geht in der Regel eine flächendeckende Schadensermittlung des Kanalnetzes zuvor. Bei der Schadensermittlung werden die festgestellten Schäden klassifiziert. Dazu wird jeder Haltung entsprechend dem höchsten Einzelschaden eine Zustandsklasse (ZK 0 bis ZK 4 nach DWA oder ZK 5 bis ZK 0 nach ISYBAU) zugewiesen und anschließend prioritätsbezogen, unter Berücksichtigung wirkender Einflüsse, in eine zeitliche Reihenfolge gebracht (vgl. UBA 2019: 39). Zusammen mit den Ergebnissen hydraulischer Berechnungen und der Zustandsbewertung wird ein Sanierungskonzept entwickelt, welches die bauliche Situation sowie die tatsächliche, aber auch zukünftige, hydraulische Belastung einschließt. Zur Abschätzung des Gefährdungspotenzials sollen Aspekte wie die Lage sowie die Abwasserart bzw. Abwasserinhaltsstoffe einbezogen werden. Rechtlich gibt es keine Sanierungsfristen. Handelt es sich allerdings um Schädigungen mit erhöhter Gefährdung des Grundwassers und Bodens durch Exfiltration oder um Schäden, in denen die Tragfähigkeit des Kanals beeinträchtigt ist (bestehende Gefahr von Rohrbrüchen und Straßeneinbrüchen), sind Sofortmaßnahmen zu ergreifen. Transdisziplinäre Standortfindung zur Sanierung multicodierter Straßenräume (Forschungsprojekt BlueGreenStreets) 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 453 2.3 integriertes Sanierungsmanagement Durch die koordinierte Erhaltungsplanung von Straßen und Entwässerungssystemen werden sowohl monetäre Kosten als auch nicht monetäre Aufwendungen eingespart. Der Hauptkostenfaktor im Kanalbau sind die Kosten der Grabung und die Wiederherstellung der Verkehrsflächen. Diese Arbeitsschritte können genutzt werden, um die Verkehrsflächen zu erhalten (vgl. Meerwarth, 1994: 112). Durch die Bündelung der beiden Sanierungsmaßnahmen können die Gesamtkosten deutlich verringert werden. Zudem werden so die Belastungen für AnwohnerInnen und NutzerInnen der Straßen minimiert, da nur einmal ein Baufeld auf der betroffenen Fläche eingerichtet werden muss (vgl. Meerwarth, 1994: 99 f.). Diese Vorgehensweise betrachtet nur den baulichen Zustand als maßnahmenauslösenden Faktor. Bei der Erhaltung von Verkehrsflächen wie auch bei der Erhaltung des Entwässerungssystems wird die Dringlichkeit der Erhaltung einzelner Abschnitte mit Zustandsklassen bewertet. Auf diese Weise kann eine gemeinsame Matrix zur Priorisierung von Maßnahmen aufgestellt werden. Anhand der Matrix lässt sich entscheiden, welche Abschnitte innerhalb eines Bauvorhabens saniert werden sollten. Bei Abschnitten mit gutem Zustand sollte sich die Sanierung nur auf Bereiche konzentrieren, welche eine hohe Dringlichkeit aufweisen (vgl. Meerwarth, 1994). Dies hängt maßgeblich von den notwendigen Maßnahmen ab, die zur Instandhaltung oder Erneuerung der Anlagen zu ergreifen sind. 3. Faktoren zur transdisziplinäre Standortfindung Neu am vorliegenden Ansatz ist die Einbindung weiterer planerischer und nutzungstechnischer Aspekte, wie sie u.a. Begrünung, Aufenthaltsqualität, Überflutungsproblematik oder Umfeld bezogene Kriterien darstellen. Damit ist zum einen eine gezielte Potenzialabschätzung für BGS angedacht, zum anderen eine wirtschaftlich sinnvolle Reihung von BGS-Maßnahmen möglich. Im Zuge der kosteneffizienten Erhaltung können so mehrere Probleme im Straßenraum gleichzeitig gelöst werden. Neben den klassischen Indikatoren für die Priorisierungsmatrix zur Sanierung werden in BGS Aspekte, die den besonders durch klimatische Veränderung belasteten Straßenraum beschreiben, berücksichtigt. Geplant ist, Daten über das Mikroklima, den Baumbestand, Grünflächen, Überschwemmungen und Hitzestress in den Maßnahmenplan mit einzubeziehen. Somit werden bei der Straßenraumsanierung Abschnitte mit besonderem Handlungsbedarf verstärkt in den Fokus genommen, wodurch die Zielsetzungen aus BGS angewendet werden können. Akute Probleme, wie Überflutungsproblematiken oder Probleme im Baumbestand, können durch die entsprechende Berücksichtigung in der Priorisierungsmatrix eine Sanierung des Straßenraums anstoßen. 3.1 Zielsetzung Bestehende Probleme der Stadtentwicklung, wie Verkehrskonflikte, urbaner Hitzestress, Überflutungen oder Beeinträchtigungen des Straßengrüns, werden sich in naher Zukunft deutlich verstärken. Ziel der Straßenraumgestaltung ist es diesen Problemen entgegenzuwirken. So ergeben sich aus den Herausforderungen des aktuellen Straßenbildes folgende Lösungsgrundlagen. Der Straßenraum soll grün sein. Dies beinhaltet vor allem Straßenbegleitgrün, wozu auch Fassaden- und Dachbegrünung gehören. Dies führt zu Abkühlung durch Verschattung und Verdunstung, der Luftreinigung und zudem wird die Aufenthaltsqualität erhöht. Des Weiterem muss Regenwasser durch die Infrastruktur versorgt werden können. Schmutzfracht gilt es hierzu abzutransportieren und sauberes Regenwasser vor Ort zur Bewässerung und Verdunstung zu nutzen. Dies fördert die Kühlleistung des Straßenraums und kann Überflutungen vermindern. Zudem soll ausreichend Platz für alle Verkehrsteilnehmende bestehen. Daher ist bei einer autogerechten Straßenplanung und entsprechendem Bedarf von anderen Verkehrsteilnehmende eine Flächenumverteilung die Zielvorgabe. Dies fördert den Rad- und Fußverkehr, wodurch die Umweltbelastung gesenkt und die Aufenthaltsqualität erhöht wird. 3.2 Einflussfaktoren Um die Zielsetzungen zu erreichen, benötigt es Straßenräume, deren Potential zur Umgestaltung möglichst hoch ist. Dieses Potential wird durch die Untersuchung verschiedener Einflussfaktoren bestimmt. Neben der Erhaltungsplanung von Straße und Kanal werden weitere Begebenheiten untersucht und in der Potentialbewertung berücksichtigt (Abbildung 1: Einflussfaktoren im Priorisierungsprozess). Abbildung 1: Einflussfaktoren im Priorisierungsprozess Bei vielen Veränderungen im Straßenraum handelt es sich um Flächenumwidmungen, beispielsweise bei zusätzlichen Elemente wie Begleitgrün oder beim vergrö- Transdisziplinäre Standortfindung zur Sanierung multicodierter Straßenräume (Forschungsprojekt BlueGreenStreets) 454 2. Kolloquium Straßenbau - September 2021 ßern des Platzangebots für den nichtmotorisierten Verkehr. Da im städtischen Straßenbild kaum freie Flächen vorhanden sind, wird die Umwidmung von Flächen durch die Bedarfsprognose überprüft. So wird die benötigte Straßenbreite anhand von DTV und Geschwindigkeit bestimmt, wobei die Geschwindigkeit möglichst auf 30 km/ h verringert werden soll. Überschreitet die aktuelle Straßenbreite den Bedarf, werden Flächen frei. Bei der Umgestaltung des Straßenraums können somit größere Effekte hinsichtlich der Zielsetzung erreicht werden. Um den Handlungsbedarf speziell für mehr Begleitgrün zu bestimmen, wird der aktuelle Anteil der vorhandenen Grünflächen bestimmt. Je niedriger dieser Anteil ist, desto höher ist der Handlungsbedarf um den Straßenraum grüner zu gestalten. Hierzu werden die Flächen des Grünbestands bestimmt. Die Art der Bepflanzung wird dabei zunächst nicht berücksichtigt, um die Bestimmung netzweit praktikabel zu halten. Neben dem Anteil des im Straßenraum vorhanden Begleitgrüns muss auch dessen Zustand in die Priorisierungsmatrix einfließen. Durch veränderte klimatische Bedingungen in Städten verschlechtert sich an vielen Standorten der Zustand des Begleitgrüns. Um diesen zu verbessern, oder gar zu retten, sind auch bauliche Maßnahmen notwendig. So wird der Zustand netzweit indiziert und kann somit als Faktor in der Priorisierung berücksichtigt werden. Für den klimatisch angepassten Straßenraum ist die Nutzung und Speicherung des Regenwassers essenziell. Daher wird das Regenwassermanagement bewertet. Der Faktor bezieht sich auf den Anteil der Wassermenge. Dazu wird der Anteil der Flächen, deren Niederschlagswasser ungenutzt in den Kanal geleitet wird, bemessen. Je höher der Anteil des ungenutzten Niederschlags, desto höher der Faktor und die Priorisierung des Straßenabschnittes. Durch vermehrt auftretende Starkregenereignisse spielt die Thematik der Überflutung eine wichtige Rolle in der Straßenraumgestaltung. Um Überflutungsschäden zu verhindern müssen oft bauliche Maßnahmen eingeleitet werden. Daher fließen als ein weiterer Faktor, der bei erhöhtem Bedarf eine Sanierung anstoßen kann, Überflutungsschwerpunkte in die Bewertung mit ein. Die Schwerpunkte werden kategorisiert betrachtet, wobei nur die schwerwiegendste Kategorie eine Sanierung anstoßen kann. Niedrigere Kategorien fließen lediglich mit in die Priorisierung der Erhaltungsmaßnahmen ein. Neben der Evaluation von vorhandenen Elementen im Straßenraum wird auch der Bedarf an Abkühlung berücksichtigt. Straßenräume, die sich besonders in den Sommermonaten stark aufheizen, benötigen Veränderungen in ihrer Gestaltung, um ihre Temperatur abzusenken. Daher werden Hitzekarten hinzugezogen. Je größer die Hitzebelastung in einem Straßenraum ist, desto höher wird die Priorisierung gesetzt. Im Forschungsprojekt BGS wird untersucht, ob weitere Faktoren in die Priorisierung einfließen können. 4. Priorisierung der Standortfaktoren Zur Vergleichbarkeit der Faktoren und einer Priorisierung werden die erhaltenen Werte der Einflussfaktoren indexiert. Angelehnt an die Zustandserfassung und Bewertung des Straßenbaus werden die zuvor beschriebenen Faktoren auf einer Skala von 1 bis 5 bewertet, um den IST-Zustand des Straßenraums zu quantifizieren. Die messbaren und berechenbaren Werte der Einflussfaktoren werden in fünf Kategorien festgelegt: • 1 kein Handlungsbedarf • 2 langfristiger Handlungsbedarf • 3 mittelfristiger Handlungsbedarf • 4 kurzfristiger Handlungsbedarf • 5 starker/ sofortiger Handlungsbedarf Die Einstufung der Werte kann je Einflussfaktor frei gewählt werden. Ziel des BGS Forschungsprojektes ist es eine Empfehlung zur Einstufung zu reichen. Je nach Zielerreichungsgrad und politischem Willen werden die Einflussfaktoren in der abschließenden Priorisierung unterschiedlich gewichtet. So können unterschiedliche Zielvorgaben durch die Vorgehensweise abgedeckt werden. Für die Empfehlung werden die Ziele des Forschungsprojekts BlueGreenStreets angewendet. So wird ein besonderer Wert auf Wasserrückhalt und Straßenbegleitgrün gelegt. Die Verkehrsinfrastruktur wird zweitrangig betrachtet. Neben der reinen Priorisierung der Sanierungsmaßnahmen können auch einzelne Einflussfaktoren bei einer insgesamt geringeren Priorisierung eines Standortes die Sanierung auslösen. Dies geschieht über besondere Warnwerte. Neben den Warnwerten des Straßen- und Kanalzustandes, die aus Sicherheitsgründen auftreten, werden auch starke lokale Überflutungsereignisse zu Warnwerten, da bei diesen aus Sicht des Überflutungsschutzes ebenfalls akuter Handlungsbedarf besteht. Je nach Zielsetzung können auch extreme Hitzepunkte oder gefährdetes Begleitgrün zu einem Warnwert führen. Dies ist vor allem der Fall, wenn bestimmte Finanzielle Mittel für spezielle Eingriffe freigegeben sind. Andernfalls müssen besondere Zielsetzungen über die Gewichtung der Einflussfaktoren zur entsprechenden Priorisierung der Straßenabschnitte führen.