eJournals Vox Romanica 73/1

Vox Romanica
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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2014
731 Kristol De Stefani

Renato Orengo (ed.), Les dialogues de Grégoire le Grand traduits par Angier, publiés d’après le manuscrit de Paris, BNF, fr. 24766 unique et autographie par R. O., 2 vol., 527 + 666 p. + CD-Rom, Paris/Abbéville (F. Paillart) 2013 (SATF)

2014
Peter Wunderli
Besprechungen - Comptes rendus 336 1 Orengo publiziert nur die Dialoge; für die im gleichen Ms. enthaltene Vita cf. P. Meyer (ed.), «La vie de saint Grégoire le Grand ..., traduite du latin par frère Angier, religieux de Sainte-Frideswide», R 12 (1883): 145-208. 2 Cf. R. Orengo (ed.), Le Dialogue de saint Grégoire le Grand traduit par Angier, Introduction, Zürich 1969. 3 Grégoire le Grand, Dialogues, ed. A. de Vogüé, traduction par P.Antin, 3 vol., Paris 1978-80. Renato Orengo (ed.), Les dialogues de Grégoire le Grand traduits par Angier, publiés d’après le manuscrit de Paris, BNF, fr. 24766 unique et autographie par R.O., 2 vol., 527 + 666 p. + CD-Rom, Paris/ Abbéville (F. Paillart) 2013 (SATF) Diese Edition ist ein Lebenswerk! Ehrlich: Ich kenne keine mittelalterliche Textausgabe, die auch nur annähernd vergleichbar wäre, und auch meine eigenen Arbeiten in diesem Bereich bleiben weit hinter dem zurück, was Orengo hier vorlegt. Allerdings darf man auch fragen, ob er nicht oft zu weit geht und ob der Riesenaufwand, den er betreibt, für eine gute und verlässliche Textausgabe wirklich unabdingbar ist. Der hohe Qualitätsstandard der Arbeit würde durch die Realisierung der möglichen Abstriche nicht im geringsten in Frage gestellt. Die Ausgabe besteht aus zwei Bänden, wobei Band 2 ausschließlich den für einen eher oberflächlichen Leser glattgebügelten Text der Dialoge enthält; alles weitere (letztlich wichtigere) findet sich in Band 1 sowie auf der mitgelieferten CD-Rom. Der Text in Band 2 ist gut gestaltet und leicht lesbar. Dank der geradezu mustergültigen Kontrollmöglichkeiten der Edition sind Zweifelsfälle und Problemstellen leicht überprüfbar und u. U. korrigierbar; die Ausgabe kann deshalb als absolut verlässlich gelten, auch wenn man selbst im einen oder andern Punkt anders entschieden hätte als der Herausgeber. Orengos Ausgabe ist in dieser Hinsicht ab jetzt der unverrückbare Standard für Angiers altfranzösische Übersetzung der Dialoge von Gregor dem Großen. Band 1 beginnt mit einem Préambule (7), in der die Entstehungsgeschichte dieser Ausgabe des Hauptteils von Ms. B.N. fr. 24766 skizziert wird 1 . Orengo hat die Arbeit an den Dialogen Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts im Rahmen eines Zürcher Dissertationsvorhabens unter der Leitung von Gerold Hilty aufgenommen. Das Promotionsverfahren wurde 1969 abgeschlossen. Da aber das Glossar noch fehlte, wurde damals nur die Einleitung zu der Arbeit publiziert 2 und die gesamte Arbeit an der Universität Zürich hinterlegt. Durch den Schuldienst voll ausgelastet ließ Orengo die Dissertation bis zu seiner Pensionierung ruhen. Erst zu Beginn dieses Jahrhunderts wandte er sich seiner Promotionsarbeit wieder zu, überarbeitete sie, erstellte das noch fehlende Glossar sowie weitere Ergänzungskapitel (u. a. das Reimverzeichnis). Wie aus den Remerciements (9) hervorgeht, ist es ihm dabei gelungen, eine Reihe von hochkarätigen Kollegen und Kolleginnen in sein reanimiertes Publikationsprojekt einzubinden: Jakob Wüest hat das ganze Kapitel 14 zur Sprache der Handschrift verfasst, Gilles Roques hat das Glossar korrigiert und mit seinem großen Material- und Wissensschatz angereichert, Geneviève Hasenohr hat das Projekt weiterbetreut und Gabiel Bianciotto hat das Manuskript mitgelesen. Nur schon diese organisatorische Leistung verdient Respekt. Weniger überzeugend ist für mich die anschließende Notice (11 s.), die die technischen Informationen für die Benutzung der Edition bereitstellt: das ist zwar alles akribisch korrekt und exakt, aber viel zu kompliziert und gewöhnungsbedürftig - die Benutzerfreundlichkeit bleibt da weitgehend auf der Strecke, und dies gilt leider auch für zahlreiche andere Aspekte der Edition. Die Introduction (18 s.) befasst sich zuerst mit dem lateinischen Text der Dialoge, der in einer hervorragenden Edition von Adalbert de Vogüé mit einer neufranzösischen Übersetzung von Paul Antin verfügbar ist 3 . Es folgt dann eine Bibliographie der Werke von Gregor und den diesbezüglichen Untersuchungen, die zeigt, dass Orengo wirklich auf dem neusten Besprechungen - Comptes rendus 337 4 T. Cloran, The dialogues of Gregory the Great translated into Anglo-Norman French by Angier, Strasbourg 1901. 5 M. K. Pope, Étude sur la langue de frère Angier suivie d’un glossaire de ses poèmes, Paris 1903. 6 Zu den akzentuierenden Handschriften gehört übrigens auch das Ms. Laud Misc. 537 der Bodleiana. In meiner Edition der Eschiele Mahomet von 1968 habe ich diese Akzente (nicht ganz zu Unrecht) einfach vernachlässigt. Cf. P.Wunderli, Le livre de l’Eschiele Mahomet, Berne 1968. 7 Cf. I. Short, Manual of Anglo-Norman, London 2007. Forschungsstand ist. Was die umstrittene Authentizitätsfrage angeht, stellt er sich auf die Seite von Vogüé und erklärt die Dialoge für authentisch. Was die Übersetzungen von Angier angeht, folgt er im wesentlichen Paul Meyer 1883: Die Texte wären anglonormannisch, die Dialoge 1212 abgeschlossen, die Vita 1214, und es würde sich in beiden Fällen um Autographe Angiers handeln. Anschließend werden dann die Untersuchungen von Cloran 1901 4 und Pope 1903 5 angesprochen, die (gescheiterten) Publikationsprojekte von Meyer und Pope, sowie die eigene Doppelpublikation (elektronisch und gedruckt) skizziert (26 s.). Es folgt dann eine metikulöse Beschreibung des Inhalts des Manuskripts, in der v.a. auf die Unterscheidung der lateinischen und altfranzösischen Anteile Wert gelegt wird (31 s.), sowie eine mustergültige, in ihrer Reichhaltigkeit und Detailtreue kaum noch zu übertreffende Beschreibung der Handschrift (41-58). Das Gleiche gilt für die Untersuchung der Schrift (59 s.), die oft ästhetischen Prinzipien der Zeichenwahl, die Interpunktion, die Worttrennung usw. Hier stellt sich dem Leser allerdings immer wieder die Frage: Cui bono? Orengo geht hier in der Detailbesessenheit einfach zu weit, die Genauigkeit wird zum Selbstzweck, zur Manie - und dies v.a. angesichts der mitglieferten CD mit dem Faksimile der Handschrift. Entsprechendes gilt auch für die Darstellung der Korrekturen bzw. Überarbeitungen (schwarze Tinte, rote Tinte, Radierungen, 87 s.), die Diskussion der Akzentsetzung in anglonormannischen Manuskripten (93 s.) 6 , usw. Orengo selbst (108 s.) gibt zu, dass die ganze Diskussion um die Akzentsetzung letztlich keinen Erkenntnisgewinn bringt. Auch im Folgenden stellt sich immer wieder die Frage: Cui bono? Außerordentlich nützlich und instruktiv ist dann allerdings die Untersuchung der Sprache der Handschrift von Jakob Wüest (143 s.). Entstanden dürfte dieser Beitrag wohl nicht schon in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts sein, sondern erst in der jüngsten Vergangenheit, denn Wüest zitiert laufend die erst 2007 erschienene Untersuchung von Ian Short 7 . Quintessenz dieser detaillierten Analyse von Phonetik/ Phonologie und Morphologie der Handschrift ist, dass wir es mit einem etwas atypischen Anglonormannisch zu tun haben, in das verschiedene Einflüsse vom westlichen Festland eingegangen sind, mit einer heterogenen Skripta, die als für die Epoche nicht ganz ungewöhnlich gelten kann. Es folgt dann eine Darstellung der Geschichte des Manuskripts, soweit diese überhaupt zu ermitteln ist (237 s.). Es scheint vorerst eine Sammlung von losen Heften gewesen zu sein, die Ende des 13./ Anfang des 14. Jahrhunderts noch in Oxford aufbewahrt wurde. Im Katalog der Sorbonne von 1338 werden die Texte von Angier noch nicht erwähnt, was allerdings nicht ausschließt, dass sie sich bereits in Paris befanden. Mit Sicherheit sind sie dort anfangs des 18. Jh. Die lateinische Vorlage wäre eine insulare Version der Dialoge gewesen, wofür vor allem die Gliederung des 1. Buches in 35 Kapitel spricht, während auf dem Festland nur 12 Kapitel üblich sind (243 s.). Angier hätte aufgrund einer einzigen Vorlage gearbeitet, die sich aber nicht weiter identifizieren lässt. Das sind alles aber nur Hypothesen. Kapitel 17 (249 s.) behandelt dann das Établissement du texte, in Kapitel 18 (253 s.) wird der kritische Apparat vorgestellt und Kapitel 19 ist (nicht ganz logisch) mit Traitement du texte überschrieben (257 s.). Hier endet aus unerfindlichen Gründen die Kapitelnumerierung; die folgenden Teile der Ausgabe kennen nur noch einen Titel: die (nicht gerade Besprechungen - Comptes rendus 338 benutzerfreundlichen) Notes (259 s.), die Accents, Tableaux (365 s.), die sehr nützliche Table des rimes (377 s.), die ebenfalls zu begrüßende Liste des proverbes et sentences (399 s.), die Table des noms propres (403 s.), das exzellente Glossaire (421 s.), und schließlich die Bibliographie (511 s.). Hier sind allerdings wieder erhebliche Defizite hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit anzumahnen. Warum werden in den Fußnoten vollständig zitierte Arbeiten nicht in die Bibliographie aufgenommen? Nur um Platz zu sparen? Es bleibt die Feststellung, dass die Literaturverweise heterogen, unsystematisch und inkonsequent sind. Dies hängt wohl nicht unerheblich mit der rund 50jährigen Entstehungsgeschichte der Publikation zusammen. Entsprechendes gilt auch für die veraltete Zitierweise; warum, z. B., nicht einfach Thiry 1997: 40, wie das heute üblich ist, sondern altmodisch-kompliziert? Alles Andere als benutzerfreundlich ist auch die Untergliederung der Bibliographie in thematische Sektionen wie Paléographie et codicologie, Philologie et linguistique, Histoire et histoire littéraire etc.; da sucht der Benutzer oft endlos, bis er den gewünschten Titel endlich gefunden hat. Ein einziges, homogenes Alphabet wäre da viel praktikabler! Bleibt noch die mitgelieferte CD. Die begrüßt man vorerst einmal freudig. Die Freude lässt aber nach, wenn man feststellt, dass sie die unterschiedlichsten Dateiformate enthält: doc-Dateien, jpg-Dateien, pdf-Dateien, htm- und html-Dateien, usw. Hergestellt wurden diese unter Mac OS X und getestet mit Safari und Firefox. Das ist ja durchaus honorig, aber leider funktionieren die htm- und html-Dateien unter Google-Chrome bzw. Chromium (Microsoft 8.1 und Linux Mint bzw. Ubuntu) nicht. Es ist wohl kaum erklärbar, warum nicht alle Dateien auf der CD im pdf-Format geliefert werden - dies hätte Kompatibilitätsprobleme im vornherein ausgeschlossen, und einen Adobe-Reader kann man sich ja für jedes Betriebssystem kostenlos herunterladen. Und es bleibt ein letztes Gravamen. Die Wiedergabe des Manuskripts erfolgt in einer schwarz-weißen jpg-Datei. Inzwischen ist aber das ganze Manuskript von der Bibliothèque nationale in Farbe und als pdf-Datei ins Netz gestellt worden unter der folgenden Adresse: http: / / gallica.bnf.fr/ ark: / 12148/ btv1b8452207n/ f1.image.r=fr%2024766.langEN. Damit ist die ganze CD letztlich überholt und überflüssig ... Peter Wunderli H Christelle Chaillou, «Faire los motz e·l so». Les mots et la musique dans les chansons de troubadours, Turnhout (Brepols) 2013, 274 p. Musicologa e, insieme, specialista della lirica trobadorica, Christelle Chaillou da anni si sta imponendo come figura di riferimento nel campo delle indagini circa il rapporto che verba e suoni intrattengono nelle più antiche opere in lingua romanza che ci siano state trasmesse. A questo argomento la studiosa ha dedicato la sua tesi di dottorato, discussa nel 2007 all’Università di Poitiers sotto la direzione di Olivier Cullin e i risultati di quelle indagini, arricchite di nuove proposte, sono ora raccolti in un elegante volume edito da Brepols. «Far los motz e·l so», cioè «imbastire le parole e il suono» è espressione che torna con frequenza nelle lirica occitanica, ed è attraverso di essa che i poeti d’oc orgogliosamente sottolinearono la complessità della propria arte e la perizia che ne guidava la mano. Dal punto di vista di Guglielmo IX d’Aquitania e dei suoi confratelli, infatti, il prodotto delle loro fatiche era la somma di arte poetica e di competenze musicali e solo tale addizione era atta a garantire alla loro produzione successo e fama. La novità che rende interessante il libro della Chaillou è proprio il fatto che la sua ricerca si concentra sulle strettissime connessioni esistenti tra le condizioni poetiche e le forme retoriche del discorso musicale: suoni e parole non sono dunque due linee parallele destinate ad incontrarsi solo nelle nostre edizioni