eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 14/28

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2011
1428 Dronsch Strecker Vogel

»Der Böse oder Das Böse«

2011
Günter Röhser
Zeitschrift für Neues Testament typoscript [AK] - 04.10.2011 - Seite 43 - 3. Korrektur ZNT 28 (14. Jg. 2011) 43 Einleitung zur Kontroverse »Der Böse oder Das Böse« Die beiden folgenden Kontroversbeiträge unterscheiden sich schon rein äußerlich stark voneinander: Die Pro- Position (»der Böse«) ist eine kurz und knapp, aber äußerst eindrücklich formulierte Schilderung eigener seelsorgerlicher Erfahrungen des Verfassers mit einigen Überlegungen zu den Konsequenzen, die sich für ihn daraus ergeben. Die Frage »der oder das Böse« hält Peter Busch für eher »akademisch« angesichts der heute real existierenden Weltbilder und ebenso real existierender »obskurer« Erfahrungen von Menschen. Die Contra- Position (»das Böse«) versucht eben genau die »akademische« Antwort auf diese akademische Frage zu geben und ist deshalb mehr als dreimal so lang! Manuel Vogel sammelt exegetische Beobachtungen dazu, warum die scheinbar allgegenwärtige Vorstellung vom personalen Bösen und seiner Bekämpfung eben doch nicht so selbstverständlich ist. Einig sind sich beide Kontroverspartner darin, dass die Rede vom Teufel und seinen Dämonen ihren legitimen Ort in der Sprache der Poesie und der Liturgie besitzt und (mit Schleiermacher) aus unserem christlichen Liederschatz nicht verdrängt werden sollte. Einig sind sie sich auch darin, dass der neutestamentlichen Exegese eine wichtige Aufgabe für den Umgang mit exorzistischen und dämonologischen Vorstellungen zukommt, dass ihre Ergebnisse also auch seelsorgerliche Relevanz besitzen. Das ist eine nicht zu unterschätzende Gemeinsamkeit, die man beim Lesen der beiden so unterschiedlichen Beiträge leicht übersehen kann. Nicht einig sind sich die beiden darin- - und hier spitzt sich die Kontroverse zu einem wirklichen Gegensatz zu--, ob die Rede von einem personalen Bösen heute noch poimenisch (d. h. in Lehre und Praxis der Seelsorge) legitim und tragfähig, ja notwendig sei. Peter Busch kann hier auf Praxiserfahrungen verweisen, aus denen sich für ihn bestimmte theologische Ausbildungserfordernisse ergeben. Manuel Vogel geht nun nicht so vor, dass er einfach exegetischen Befund und heutige Tragfähigkeit voneinander scheidet, nach dem Motto: In der Bibel treiben selbstverständlich Teufel und Dämonen ihr Unwesen, aber unser aufgeklärtes physikalisches Weltbild kann damit nichts mehr anfangen. Ersteres ist zwar unbestritten, aber es gibt auch noch eine andere Linie im Neuen Testament. Vogel verweist auf die Vielfalt des/ der neutestamentlichen Zeugnisses/ Zeugen und sucht bereits in den neutestamentlichen Schriften nach theologischen Tendenzen, die Personalität des Teufels abzuwerten und seine Entmachtung und »Irrelevanz« für den christusgläubigen Menschen herauszustellen. Dazu mustert er wichtige Bereiche des Neuen Testaments durch (Evangelien, Paulusbriefe, Deuteropaulinen) und zeigt, wie zurückhaltend sie aufs Ganze gesehen-- etwa im Unterschied zu dem zitierten Qumran-Fragment-- vom Teufel und bösen Geistern reden (deren Existenz und Wirkungsmöglichkeit als solche nicht bestritten wird). Dabei wird deutlich, dass »das Böse« nicht etwa inhaltsleer oder gar verharmlost, sondern durch anthropologische Kategorien beschrieben und durch Erfahrungen von Erlösung und Heil überwunden wird; nicht dämonologische, sondern theologische, christologische und soteriologisch-anthropologische Aussagen stehen im Vordergrund. Gerade bei Paulus wird deutlich, dass »Entmythologisierung« nicht Wirklichkeitsverlust bedeuten muss, sondern auch Neubeschreibung von Wirklichkeit bedeuten kann, die existenziell und seelsorgerlich genauso bedeutsam sein kann wie mythologische oder magische Vorstellungen. Mit dem Stichwort »Wirklichkeitserfahrung« ist m. E. diejenige Ebene betreten, auf der sich die vorliegende Kontroverse entscheiden muss. Die Frage lautet: Ist das personale Böse, ist der Teufel nur eine uneigentliche Redeweise in bestimmten religiösen oder literarischen Sprachwelten, oder vermag diese Vorstellung auch heute bestimmte Erfahrungen von Wirklichkeit gültig und authentisch zu beschreiben-- und sei es auch zu deren Überwindung? Eine gültige und authentische Beschreibung könnte auch dann vorliegen, wenn über den letzten ontologischen Status dieser Wirklichkeit damit nicht entschieden ist. Diese Frage werden die beiden Kontroverspartner unterschiedlich beantworten-- aber nicht, weil sie exegetisch unterschiedlicher Meinung wären (oder sein Kontroverse Zeitschrift für Neues Testament typoscript [AK] - 04.10.2011 - Seite 44 - 3. Korrektur 44 ZNT 28 (14. Jg. 2011) Kontroverse müssten, der Beitrag von Peter Busch gibt darüber keinen Aufschluss), sondern weil sie-- und das ist eine Frage der Hermeneutik-- die heutige Legitimität und Plausibilität der Rede von einem personalen Bösen unterschiedlich einschätzen. Noch schärfer gesagt: Weil sie ihren eigenen Standort und die Notwendigkeiten und Herausforderungen im Umgang mit heutigen exorzistischen, dämonischen und magischen Praktiken und Erfahrungen unterschiedlich einschätzen. Also doch: eine »akademische« Frage-- oder jedenfalls eine, die sich exegetisch nicht entscheiden lässt? Günter Röhser NEUERSCHEINUNG Die paulinische Rede von Gott steht in vielfältigen Bezügen zu anderen Texten und lässt sich meist nur im intertextuellen Zusammenspiel mit diesen angemessen erheben. Diese Studie untersucht daher die Rede von Gott bei Paulus am Beispiel des 1. Korintherbriefes und diskutiert weiterhin den besonderen Ertrag biblischer Intertextualitätsforschung für dieses Thema. Michael Schneider analysiert literaturwissenschaftliche und bibelwissenschaftliche Implikationen verschiedener Intertextualitätskonzepte und zeigt in exegetischen Studien zu 1Kor 8, 1Kor 10 und 1Kor 15 die Tragfähigkeit dieser Entwürfe für die Erhebung einer paulinischen Gottesrede. Michael Schneider Gottes Gegenwart in der Schrift Intertextuelle Lektüren zur Geschichte Gottes in 1Kor Neutestamentliche Entwürfe zur Theologie, Band 17 2011, 335 Seiten, €[D] 58,00/ SFr 81,90 ISBN 978-3-7720-8379-2 A. 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