eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 19/37

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2016
1937 Dronsch Strecker Vogel

Antijudaismus in Schulbüchern und Lehrplänen

2016
Martin Rothgangel
Julia Spichal
ZNT 37 (19. Jg. 2016) 59 Martin Rothgangel / Julia Spichal Antijudaismus in Schulbüchern und Lehrplänen Identität ohne negative Abgrenzungen dem Judentum gegenüber positiv formulieren können.« 10 Vor dem Hintergrund dieser Befunde aus den 1980er und 1990er Jahren stellt sich die Frage, ob die in religionspädagogischen Analysen aufgedeckten neuralgischen Punkte zu Reformprozessen in Schulbüchern und Lehrplänen führten oder ein weitgehender unveränderter Stand zu beobachten ist. 2. Neuralgische Themen in gegenwärtigen Schulbüchern und Lehrplänen 11 2.1 Methodische Vorbemerkung Um einen validen und reliablen Vergleich mit den früheren Schulbuch- und Lehrplananalysen vornehmen zu können, war es im Rahmen der Studie von Spichal (2015) wesentlich, dass erstens vergleichbare Lehrpläne und Schulbücher herangezogen wurden und zweitens insbesondere auch das Analyseraster von Fiedler (1980) verwendet wurde. In letztgenannter Hinsicht wurden im Laufe der Analyse gewisse Probleme deutlich, die im Folgenden noch eingehender thematisiert werden. 2.2 Das Verhältnis Jesu zu Pharisäern Nachstehend wird die Darstellung des Verhältnisses Jesu mit den Pharisäern a) anhand der »Auslegung des Sabbatgebotes« sowie b) anhand von »Jesu Judesein und Pharisäer als zeitgenössische Gruppierung im Judentum« in den Blick genommen. a) »Auslegung des Sabbatgebotes«. Die von Spichal analysierten Lehrpläne und Schulbücher thematisieren zwar Pharisäer sowie ihr Toraverständnis im Zusammenhang mit Jesu Umwelt, jedoch dient ihre Auslegung des Sabbatgebotes in der Regel nicht als Negativfolie für die Botschaft Jesu. Lediglich im Schulbuch »RELi+wir« kommt es diesbezüglich zu einer sachlich falschen Abgrenzung Jesu vom zeitgenössischen Judentum. Vor allem ist in diesem Unterrichtswerk nicht von Pharisäern, sondern von ›den Juden‹ allgemein die Rede. Dort heißt es: »Jesus hat die Sabbatvorschriften der Juden manchmal bewusst gebrochen, z. B. um zu heilen. Er wollte zeigen: Der Sabbat ist für den Menschen da. Aber der Sabbat soll niemanden hindern, Gutes zu tun oder sich und anderen Freude zu bereiten.« 12 Damit vermittelt das Lehrwerk den Eindruck, dass es zur Zeit Jesu ein einheitliches Judentum gegeben habe, von dem sich Jesus abgrenzen wollte. Dabei gerät Jesu Judesein ebenso gionspädagogik, sondern insgesamt für die christliche Theologie stellt. Es zeigt sich nämlich direkt oder indirekt, dass es dem Religionsunterricht an einer angemessenen Verhältnisbestimmung zwischen Judentum und Christentum fehlt-- »›angemessen‹ meint hier, dass christliche Identität nicht verschwiegen, aber eben auch nicht zu Lasten des Judentums herausgestellt wird.« 8 Zahlreiche ReligionspädagogInnen wiesen bereits im Zeitraum zwischen 1980 und 1995 auf die negativen Konsequenzen dieser unzureichenden Verhältnisbestimmung hin. Schließlich sind ReligionslehrerInnen davon unmittelbar betroffen: »Wer sich beispielsweise bemüht, das Judentum zur Zeit Jesu möglichst differenziert und wohlwollend darzustellen, lobende Worte für die Frommen unter den Pharisäern findet, hat es ungleich schwerer, plausibel zu machen, worin denn nun das Neue besteht, das Jesus in die Welt brachte, als jemand, der mit einem klaren Feindbild arbeitet, aufgrund dessen sich die Glaubwürdigkeit des Neuen allein schon aus der Dekadenz des Alten ergibt.« 9 Vergleichbar kam Kohler-Spiegel auf der Grundlage ihrer Analyse der bundesdeutschen, österreichischen und deutschschweizerischen Lehrpläne zu folgendem Resümee: »Damit ist erneut die zentrale Frage angeschnitten, wie Christen das ›spezifisch Christliche‹, ihre Prof. Dr. Martin Rothgangel, geb. 1962, ist Professor für Religionspädagogik an der Universität Wien. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Antisemitismusforschung, Theologie und Naturwissenschaft und Wissenschaftstheorie Religionspädagogik/ Theologie. Dr. Julia Spichal, geb.1983, war von 2010 -2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Religionspädagogik der Evangelisch-Theologischen Fakultät an der Universität Wien. Nun unterrichtet sie die Fächer Evangelische Religion und Latein in Wien. Prof. Dr. Martin Rothgangel Dr. Julia Spichal 60 ZNT 37 (19. Jg. 2016) Hermeneutik und Vermittlung aus dem Blick, wie die Tatsache, dass bis heute im Judentum verschiedene Strömungen existieren. Zudem besteht durch diese Formulierung die Gefahr, Vorurteile gegenüber Pharisäern auf das gegenwärtige Judentum insgesamt zu übertragen. In dem untersuchten Material kommen Konflikte zwischen Jesus und Pharisäern häufiger bezüglich seiner Zuwendung zu Ausgestoßenen der Gesellschaft zur Sprache. Auch diesen Aspekt stellt das Lehrwerk »RELi+wir« sachlich falsch dar. 13 Hier formuliert das Schulbuch Folgendes: »Jesus war einer, der keine Berührungsängste kannte. Gerade Menschen, mit denen keiner zu tun haben wollte, wandte er sich zu: […] Die Pharisäer schüttelten den Kopf über Jesus. ›Mit wem er sich abgibt […]-- Das gehört sich nicht! ‹« 14 Da Jesu Judesein an dieser Stelle nicht thematisiert ist, können die hier angesprochenen Unterschiede zur pharisäischen Lehre nicht sachgemäß dargestellt werden. Das Schulbuch »Wegzeichen Religion Band 1« erzählt die biblische Grundlage Mk 2,13-17 nach. Auch hier wird der Begriff Pharisäer nicht verwendet, stattdessen bezeichnet der Text die Kritiker der Ethik Jesu als ›die Leute‹. 15 Aufgrund von fehlenden Ausführungen wäre die Darstellung sowohl im Lehrplan als auch im Schulbuch nach Fiedlers Kategoriensystem als tendenziös zu bewerten. Fraglich bleibt an dieser Stelle allerdings, ob eine derartige Bewertung allein aufgrund mangelnder Ausführungen gerechtfertigt ist. Die unterschiedliche Auslegung des Sabbatgebotes ist ebenfalls in Band 7/ 8 der Schulbuchreihe »Kursbuch Religion elementar« Thema. Im Gegensatz zum Unterrichtswerk »RELi+wir« differenziert dieses Buch jedoch innerhalb der Gruppierung der Pharisäer, indem es formuliert: »unter den Pharisäern gab es einige […].« 16 Dieser Ansatz ist durchaus positiv zu sehen. Im Anschluss daran schildert der Text jedoch einen fiktiven Dialog, in dem Pharisäer beschließen, Jesus aufgrund seiner Kritik an die Römer auszuliefern. 17 Hier wird folglich ein sachlich falscher Kausalzusammenhang zwischen der Kritik an Jesu Toraauslegung und seiner Hinrichtung hergestellt, wodurch die zuvor positive Differenzierung in den Hintergrund tritt. Diesem neuralgischen Punkt gilt im nächsten Unterpunkt 2.3 eigens die Aufmerksamkeit. b) »Jesu Judesein und Pharisäer als zeitgenössische Gruppierung im Judentum«. Im Unterschied zu der insgesamt positiven Tendenz bezüglich der Auslegung des Sabbatgebotes zeigt sich, dass die bereits von Fiedler festgestellte Diskrepanz zwischen dem Zugeständnis des Judeseins Jesu und der Darstellung des Verhältnisses Jesu zu Pharisäern auch in gegenwärtig zugelassenen Lehrplänen und Schulbüchern besteht. Im aktuellen bayerischen Lehrplan für den evangelischen Religionsunterricht an Gymnasien werden Pharisäer unter dem Themenbereich ›Zeit und Umwelt Jesu‹ zwar nicht benannt, sie werden aber als eine wichtige Gruppierung des zeitgenössischen Judentums mit bedacht. 18 Jesu Judesein ist in diesem Zusammenhang ebenfalls berücksichtigt, weshalb eine sachgemäße Darstellung vorliegt, auch wenn an dieser Stelle keine weiteren Aspekte aus Fiedlers Kategoriensystem aufgeführt sind. Allerdings gerät Jesu Judesein in demselben Lehrplan aus dem Blick, wenn die Botschaft Jesu Unterrichtsgegenstand ist. In diesem Zusammenhang soll nämlich das Neue dieser Lehre herausgestellt werden. 19 Da jedoch in diesem Zusammenhang Jesu geistige Verwandtschaft mit Pharisäern nicht betont wird, hebt der Lehrplan die Botschaft Jesu heraus aus ihrem jüdischen Kontext. Diese Darstellung widerspricht den bei Fiedler aufgeführten Gesichtspunkten der geistigen Verwandtschaft Jesu mit Pharisäern. 20 Daher sind die betreffenden Inhalte als sachlich falsch zu bewerten. Im Lehrplan für den evangelischen Religionsunterricht an Gymnasien in Bayern aus dem Jahr 1992 ist nicht nur Jesu Judesein im Zusammenhang mit seiner Umwelt Unterrichtsgegenstand, sondern es werden darüber hinaus auch die Probleme, die sich daraus für das christlich-jüdische Verhältnis ergeben, fokussiert. 21 Diesen Aspekt beinhaltet der zurzeit gültige Lehrplan nicht. Ebenso fällt ein Widerspruch zwischen dem Lehrplan für Haupt-, bzw. Mittelschulen in Bayern und dem entsprechenden Schulbuch aus der Reihe »Da sein- - Wege ins Leben« auf. So erwähnt der Lehrplan in der fünften Jahrgangsstufe Pharisäer als eine Gruppierung unter anderen, ebenso wie Jesu Judesein. Darüber hinaus thematisiert er Unterschiede im Glauben innerhalb des Judentums. 22 Damit liegt an dieser Stelle eine sachgemäße Darstellung vor, die im Vergleich mit dem bayerischen Hauptschullehrplan aus dem Jahr 1983 deutlich verbessert ist. Dort ist nämlich Jesus von Nazareth nicht als Jude, sondern in Abgrenzung zum zeitgenössischen Judentum dargestellt. 23 Dieser positiven Veränderung im Lehrplan widersprechen jedoch die Ausführungen der Schulbuchreihe »Da Sein--Wege ins Leben«, da die jüdische Sozialisation Jesu entgegen der Lehrplanvorgaben gänzlich ausgeklammert bleibt und so auch die thematisierten Konflikte mit Pharisäern nicht als innerjüdisch verdeutlicht werden. 24 Da dieser Aspekt fehlt und auch kein weiterer Gesichtspunkt aus Fiedlers Kategoriensystem benannt wird, ist die Darstellung der Auseinandersetzungen Jesu mit Pharisäern als tendenziös zu bewerten. ZNT 37 (19. Jg. 2016) 61 Martin Rothgangel / Julia Spichal Antijudaismus in Schulbüchern und Lehrplänen Besonders gut ist die Darstellung des Verhältnisses Jesu zu Pharisäern im Schulbuch »Religion entdecken- verstehen-gestalten« in Band 5/ 6 gelöst, indem es auf die üblichen Auslegungsdifferenzen innerhalb des Judentums verweist. Ebenso hebt es die geistige Verwandtschaft Jesu mit Pharisäern ausdrücklich hervor. 25 Diese Darstellung ist als positives Beispiel besonders herauszustellen. Somit steht Jesu Botschaft nicht im Gegensatz zu seiner jüdischen Sozialisation, sondern bewegt sich innerhalb des zeitgenössischen Judentums. Auch dem niedersächsischen Kerncurriculum für Gymnasien gelingt es trotz inhaltlicher Knappheit verbindliche Vorgaben zu formulieren, die die Gefahren einer polemischen Verzeichnung von Pharisäern umgehen. So ist der Begriff Pharisäer als verbindlicher Grundbegriff aufgenommen und Jesu Judesein als inhaltsbezogene Kompetenz formuliert. 26 Dadurch ist gewährleistet, dass Auseinandersetzungen Jesu mit Pharisäern, wenn sie Unterrichtsgegenstand sind, als innerjüdischer Konflikt dargestellt werden. Dies war in den niedersächsischen Rahmenrichtlinien für den evangelischen Religionsunterricht an Gymnasien aus dem Jahr 1987 nicht der Fall, ebenso wenig in den Rahmenrichtlinien für den katholischen Religionsunterricht aus dem Jahr 1982. In Letzteren dient Jesu Botschaft ausdrücklich als Negativfolie für das pharisäische Toraverständnis, so das Analyseergebnis von Helga Kohler-Spiegel. 27 Hier liegt also eine deutlich positive Veränderung vor. Es bleibt allerdings fraglich, aus welchem Grund die niedersächsischen Kerncurricula für Grund-, Haupt-, und Realschulen nicht analog zum gymnasialen Kerncurriculum gestaltet sind. Hier kommt Jesu Judesein im Zusammenhang mit Pharisäern nämlich nicht in den Blick. 2.3 Die Verantwortung für Jesu Tod Im Hinblick auf die Verantwortung für Jesu Tod gelangte Fiedler bei seiner Analyse zu dem Ergebnis, dass der Gottesmordvorwurf implizit weiter erhoben wird. 28 Der Konflikt Jesu mit Pharisäern und Schriftgelehrten steht oft in einem Kausalzusammenhang mit Jesu Verurteilung. 29 Ein derartiger Kausalzusammenhang lässt sich auch in dem analysierten Material 30 dieser Studie finden, so z. B. in Band 1 der Schulbuchreihe »Wegzeichen Religion«. 31 Zwar verwendet das Schulbuch in einer Nacherzählung von Mk 2,13-17 nicht den Begriff Pharisäer; jedoch wird entsprechend dem biblischen Originaltext deutlich, dass diese mit der Formulierung ›die Leute‹ gemeint sind. Durch den direkten Anschluss von Jesu Passion an dieses Kapitel legt das Lehrwerk den Schluss nahe, zwischen Jesus und Pharisäern bestünde eine Todfeindschaft, die auf ihrer unterschiedlichen Auslegung der Tora beruhe. Um diesem Eindruck entgegenzuwirken, müsste explizit erwähnt werden, dass Pharisäer nichts mit der Auslieferung zu tun haben. Auf welche Art und Weise dies in den ersten Schulstufen geschehen kann, wenn der Begriff Pharisäer bewusst vermieden wird, bleibt zu diskutieren. Zudem schreiben zwei Schulbuchtexte allein der jüdischen Seite die Verantwortung an Jesu Tod zu. So ist es in Band 3 der Schulbuchreihe »Wegzeichen Religion« allein der Hohe Rat, der Jesus verhaftet und über ihn richtet, während Pontius Pilatus als Hauptverantwortlicher nicht erwähnt wird. 32 Eine derartige Darstellung ist als sachlich falsch zu bewerten und tritt besonders negativ hervor, da damit antijüdische Vorurteile gefördert werden können. Ebenso negativ gestalten sich die Inhalte zur Verantwortung für Jesu Tod des Bandes 7/ 8 aus der Schulbuchreihe »Kursbuch Religion elementar«, weil dieses Lehrwerk fälschlicherweise explizit Pharisäer als Verantwortliche für Jesu Tod darstellt. Dies geschieht durch einen fiktiven Dialog zwischen Pharisäern und Zeloten, die beschließen, dass Jesus beseitigt werden müsse. Daran schließt sich direkt die Passion Jesu an. 33 Damit widerspricht das Schulbuch den Vorgaben des Kerncurriculums für Realschulen in Niedersachsen, da biblische Aussagen hier als historische Tatsachen missdeutet werden. Auch die weitere Darstellung der Passion Jesu ist als sachlich falsch zu bewerten, da allein der Hohe Rat als verantwortlich gezeichnet wird, während die römischen Behörden dessen Urteil lediglich bestätigen. Interessanterweise macht eine Textpassage zu Antisemitismus in demselben Schulbuch auf genau dieses Vorurteil aufmerksam und entkräftet es. 34 Hier zeigt sich wiederum die Diskrepanz zwischen dem Bewusstsein um die Gefahr, antijüdische Vorurteile im Religionsunterricht zu transportieren einerseits und der vorurteilsbehafteten Darstellung des christlichen Propriums in Abgrenzung zum Judentum andererseits. Als ein positives Beispiel zur Darstellung der Verantwortung für Jesu Tod kann hingegen der Lehrplan für den evangelischen Religionsunterricht an Volksschulen in Österreich gelten. Dieser bildet eine Ausnahme im Hinblick auf die in dieser Studie untersuchten Lehrpläne und Schulbücher, da nur hier betont wird, dass sich im Passionsgeschehen Gottes Heilswille verwirklicht. 35 Im Vergleich mit dem Lehrplan für den katholischen Religionsunterricht an Volksschulen in Österreich aus dem Jahr 1991 liegt hier eine deutliche Verbesserung vor, da Helga Kohler-Spiegel in ihrer Analyse zu dem Schluss gelangt ist, dass beim Thema Passion antijüdische Vor- 62 ZNT 37 (19. Jg. 2016) Hermeneutik und Vermittlung urteile aufgebaut werden können. Eine Nachbesserung in der Darstellung dieses neuralgischen Punktes liegt auch im aktuellen katholischen Lehrplan vor, da hier eindeutig Pontius Pilatus als Verantwortlicher benannt wird. Die in der vorliegenden Studie untersuchten Lehrpläne und Schulbücher weisen hinsichtlich der Verantwortung für Jesu Tod Leerstellen in den inhaltlichen Ausführungen auf, die mehrere Probleme nach sich ziehen. So ist eine Analyse mehrerer Lehrpläne nicht möglich, da keinerlei Textstellen bezüglich dieses Themas zur Auswertungseinheit gezählt werden können. 36 Der Lehrplan für die Hauptbzw. Mittelschule in Bayern lässt Jesu Passion ganz wegfallen und verweist lediglich auf den Lehrplan der Grundschule, weshalb auch dessen Analyse nicht möglich ist. Ein Problem stellt sich hinsichtlich der niedersächsischen Kerncurricula, da hier schulformspezifische Unterschiede in den inhaltsbezogenen Kompetenzformulierungen beobachtet werden können. Im Gegensatz zum Kerncurriculum für Grundschulen kann das Kerncurriculum für die Hauptschule analysiert werden, da es auf Mk 14-16,14 als biblische Grundlage verweist. Aufgrund der mangelnden Ausführungen bezüglich der Verantwortung für Jesu Tod ist die Darstellung als tendenziös zu beurteilen. Vor allem fehlt der Verweis darauf, dass die dort aufgeführten Inhalte nicht als historisch gelten können. Im Gegensatz dazu werden im Kerncurriculum für Realschulen in Niedersachsen historische Ursachen für den Tod Jesu ausdrücklich als inhaltsbezogene Kompetenz aufgeführt. Jedoch fehlen auch hier weitere Angaben darüber, was genau behandelt werden soll. Daher kann die Darstellung nicht als sachgemäß beurteilt werden. Es bleibt fraglich, aus welchem Grund die historischen Ursachen des Todes Jesu in derselben Altersgruppe nicht auch für die Hauptschule vorgesehen ist, insbesondere weil es sich dabei um ein Vorurteil handelt, das wahrscheinlich auch bei den Schülerinnen und Schülern der Hauptschule verbreitet ist. In beiden Kerncurricula ist zwar die Passionsdarstellung in Mk 14-16 als biblischer Basistext angeführt, jedoch ist nur im Kerncurriculum für die Realschule die Frage nach den historischen Bedingungen vorgesehen, während das Kerncurriculum für die Hauptschule den Glauben an die Verwirklichung der Heilsverkündung in den Vordergrund rückt. Wenn Mk 14-16 auch an der Hauptschule behandelt werden soll, kann es ohne die Frage nach gesicherten Informationen zu einem unausgewogenen oder gar tendenziösen Bild des Judentums kommen. Die schulformspezifischen Unterschiede sind in diesem Zusammenhang kaum zu rechtfertigen und fragwürdig. 2.4 Das jüdische Verständnis der Tora Vorab sei festgehalten, dass auch in diesem neuralgischen Bereich die Analyse gegenwärtig zugelassener Schulbücher und Lehrpläne zu dem Ergebnis gelangt, dass an mehreren Stellen hinsichtlich des jüdischen Toraverständnisses deutliche antijüdische Polemik zu finden ist. So ist in dem vierten Band der Schulbuchreihe »Wegzeichen Religion« das jüdische Toraverständnis im Zusammenhang mit Paulus Thema. Das Schulbuch baut dabei einen sachlich falschen Gegensatz zwischen der Tora und dem Glauben an Jesus Christus auf, indem es die Frage verhandelt, ob das Judentum oder das Christentum mit seinem Glauben ›Recht‹ hat. 37 Im Unterschied dazu lässt sich in der Ausgabe von 1977 keine Verzeichnung des jüdischen Toraverständnisses im Zusammenhang mit Paulus beobachten, vielmehr ist im Gegenteil das Bemühen um eine wohlwollende Darstellung erkennbar. 38 Hier liegt folglich eine negative Veränderung vor. Auf ähnliche Weise zeichnet auch das Lehrwerk »Da sein-- Wege ins Leben« in Band 7 ein sachlich falsches Bild des jüdischen Toraverständnisses. Dieses Schulbuch gibt nämlich an, Jesu Torakritik sei der Grund für die Verfolgung der ›Christen‹ durch Paulus gewesen, 39 wodurch es die paulinische Torakritik verabsolutiert. Des Weiteren charakterisiert es die Tora als einengend, 40 so dass ein Widerspruch in der Darstellung der Lehrplanvorgaben für bayerische Hauptschulen besteht. Dort wird zwar in einem gesonderten Kapitel zum Judentum der Begriff ›Gesetz‹ verwendet, jedoch ist die Tora nicht als Last, sondern als Grund zur Freude beschrieben. 41 Der Lehrplan für bayerische Hauptschulen aus dem Jahr 1983 hingegen gebraucht das Judentum als Negativfolie für die christliche Lehre, wodurch hier eine positive Entwicklung vorliegt. Neben den aufgeführten bedenklichen Befunden, enthält das untersuchte Material auch explizit positive Darstellungen. Beispielsweise führt die Schulbuchreihe »Religion entdecken-verstehen-gestalten« ausdrück- »Die in der vorliegenden Studie untersuchten Lehrpläne und Schulbücher weisen hinsichtlich der Verantwortung für Jesu Tod Leerstellen in den inhaltlichen Ausführungen auf, die mehrere Probleme nach sich ziehen.« ZNT 37 (19. Jg. 2016) 63 Martin Rothgangel / Julia Spichal Antijudaismus in Schulbüchern und Lehrplänen lich auf, dass unterschiedliche Auslegungen der Tora als übliche Praxis innerhalb des Judentums gelten. 42 Somit konstruiert das Lehrwerk keinen sachlich falschen Gegensatz im Toraverständnis von Jesus und Pharisäern. Diese Gefahr wird ebenso im Zusammenhang mit Paulus vermieden, indem es die Relevanz der Tora für das Urchristentum betont. Allerdings ist an dieser Stelle von einem »neuen Gesetz« 43 die Rede, wodurch der Text einen widersprüchlichen Eindruck zur bleibenden Relevanz der Tora vermittelt, die zuvor noch herausgestellt worden ist. Eine ebenso wohlwollende Darstellung findet sich im Lehrplan für Volksschulen in Österreich. Hier wird die Tora als ›Heilsweg‹ für Israel und als Geschenk Gottes beschrieben. 44 Es fällt allerdings auf, dass das christlichjüdische Verhältnis nicht angesprochen ist. So fehlen Angaben zur Relevanz der Weisungen für Jesus und das Urchristentum. Ganz ähnlich gestalten sich die Ausführungen des Schulbuchs »REli+wir«. Dieses Lehrwerk betont ebenfalls, dass die Tora nicht einschränkt, sondern zum Leben befreit. 45 Im Vergleich mit den Ausführungen desselben Schulbuchs zur Sabbatauslegung Jesu im Gegensatz zum Verständnis ›der Juden‹, zeigt sich jedoch, dass das- - vermeintlich-- lebensfeindliche jüdische Verständnis der Tora als Negativfolie für die positive Hervorhebung der barmherzigen christlichen Botschaft dient. Hier liegt folglich die Diskrepanz vor, die Fiedler bereits problematisiert hat, nämlich zwischen einer wohlwollenden Darstellung der Tora einerseits und einem sachlich falschen Zerrbild des jüdischen Toraverständnisses in Abgrenzung zu Jesu Botschaft andererseits. 2.5 Christlich-jüdische Verhältnisbestimmung Grundsätzlich ist in den analysierten aktuell zugelassenen Lehrplänen und Schulbüchern das Bemühen erkennbar, die Verwurzelung des Christentums im Judentum zu betonen und das Judentum wohlwollend darzustellen. Im Lehrplan für Grundschulen in Bayern beispielsweise ist das Judentum im Vergleich mit dem Lehrplan von 1993 nicht mehr Wahlsondern Pflichtthema. Dabei nimmt die Verwurzelung von Judentum im Christentum eine zentrale Stellung ein. 46 Demnach liegt hier eine deutlich positive Entwicklung vor, die letztlich eine Auswirkung der in Regensburg entstandenen Dissertation von Rothgangel darstellt. Lediglich die niedersächsischen Kerncurricula gestalten sich in dieser Hinsicht als problematisch. Hier ist die »nahe Beziehung« 47 zwischen Judentum und Christentum nur im Kerncurriculum für Gymnasien Thema, wobei der Begriff ›Verwurzelung‹ allerdings nicht genannt ist. Im Vergleich mit dem Kerncurriculum für den katholischen Religionsunterricht kann diese Kompetenzformulierung jedoch als beispielhaft gelten, denn dort findet sich nichts Vergleichbares. Bereits Helga Kohler-Spiegel hat in ihrer Analyse problematisiert, dass die Verwurzelung von Christentum im Judentum in den niedersächsischen Rahmenrichtlinien für den katholischen Religionsunterricht von 1982 keine Erwähnung findet. In den Kerncurricula für Grund-, Haupt-, und Realschulen hingegen kommt das christlich-jüdische Verhältnis in keiner Weise zur Sprache. So sollen im Kerncurriculum für die Grundschule Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Judentum, Christentum und Islam benannt werden, wobei das besondere christlichjüdische Verhältnis nicht zum Tragen kommt. 48 Im Vergleich mit den Rahmenrichtlinien aus dem Jahr 1984 liegt diesbezüglich eine negative Veränderung vor, da dort beim Vergleich der drei Religionen die besondere Verantwortung des Christentums gegenüber dem Judentum herausgestellt wird. 49 An Haupt- und Realschulen ist lediglich die jüdische Glaubenspraxis im Fokus, ohne dabei beispielsweise auf christliche Liturgie und Gebet zu verweisen. 50 Für HauptschülerInnen ist zwar durchaus ein Vergleich vorgesehen, allerdings zwischen Christentum und Islam. 51 Die Verwurzelung von Christentum und Judentum ist demnach auch hier nicht als inhaltsbezogene Kompetenz formuliert. Es ist folglich wünschenswert, das Wissen um die Wurzel des Christentums im Judentum grundsätzlich für alle Schulstufen und -formen als Kompetenz zu formulieren, da es sich dabei um das Fundament des christlich-jüdischen Verhältnisses handelt und erst mit einer Verinnerlichung der Tragweite dieses Umstandes ein Dialog möglich wird, der die Gemeinsamkeiten benennt, aber auch die Unterschiede nicht verschweigt. Ein positives Beispiel liefert der Lehrplan für die bayerischen Grundschulen, weil dieser das Osterereignis ganz im jüdischen Horizont deutet, indem es den Messiasglauben thematisiert und die ersten Zeugen eindeutig als Juden charakterisiert. 52 Die Verwurzelung des Christentums im Judentum ist somit klar herausgestellt. »Es ist [...] wünschenswert, das Wissen um die Wurzel des Christentums im Judentum grundsätzlich für alle Schulstufen und -formen als Kompetenz zu formulieren.« 64 ZNT 37 (19. Jg. 2016) Hermeneutik und Vermittlung Besonders deutlich, aber oftmals tendenziös bzw. sachlich falsch tritt die Trennung zwischen Christentum und Judentum dann im Zusammenhang mit Paulus hervor, indem seine Theologie auf den Gegensatz von ›Gesetz‹ und Gnade reduziert wird. Im Lehrplan für Realschulen in Bayern findet sich beispielsweise eine derartige Gegenüberstellung, indem die befreiende Wirkung der paulinischen Botschaft gegenüber dem jüdischen Glauben an die Weisungen der Tora betont wird. 53 Bereits der Lehrplan aus dem Jahr 1983 zeichnet ein derartiges Bild des christlich-jüdischen Verhältnisses, so dass diesbezüglich keine positive Veränderung festzustellen ist. 54 Damit verabsolutiert der Lehrplan die paulinische Torakritik und übersieht, dass Paulus keinesfalls die Verbindlichkeiten ihrer Weisungen aufhebt, auch wenn er sie als ›Heilsweg‹ für Heiden-- und nur für Heiden-- bestreitet. Die Darstellung des Verhältnisses von Paulus zum Judentum gestaltet sich somit vor allem durch das fragwürdige Verständnis der jüdischen Toraauslegung in den analysierten Lehrplänen und Schulbüchern als sehr problematisch. Der siebte Band der Schulbuchreihe »Da sein-- Wege ins Leben« beinhaltet im Hinblick auf das christlich-jüdische Verhältnis eine Textstelle mit deutlich antijüdischer Polemik und kann als besonderes Negativbeispiel gelten. Dieses baut nicht nur einen sachlich falschen Gegensatz von Judentum und Christentum zur Zeit des Paulus auf, sondern stellt die ›gewaltbereiten Juden‹ den ›besorgten und mitfühlenden Christen‹ gegenüber. 55 Diese Darstellung steht in einem eklatanten Widerspruch zu der wohlwollenden Darstellung des christlich-jüdischen Verhältnisses in Band 8 derselben Schulbuchreihe. 56 Die Steinigung des Stephanus überzeichnen die in dieser Studie analysierten Lehrpläne und Schulbücher grundsätzlich nicht. Band 7/ 8 der Schulbuchreihe »Kursbuch Religion elementar« erwähnt Stephanus, seine Steinigung ist aber nicht explizit aufgeführt. Dennoch thematisiert das Unterrichtswerk an dieser Stelle den Konflikt zwischen Saulus und denen, die an Jesus Christus glauben. Sachlich falsch baut es in diesem Zusammenhang einen Gegensatz zwischen dem Glauben an Jesus Christus und der Tora auf. 57 Ergänzt wird diese Aussage durch eine Textstelle im dazugehörigen Lehrerhandbuch, die ebenso sachlich falsch dazu erläutert, dass durch Jesus Christus die Tora als ›Heilsweg‹ »zu seinem Ende gekommen ist.« 58 Das Halten des Gesetzes ist für Paulus nun durch die »liebende Zuwendung Jesu« 59 ersetzt, die von seinem Damaskuserlebnis an sein Leben bestimmt. 60 Folglich besteht hier dasselbe Problem, auf das bereits Fiedler in seinem untersuchten Material gestoßen ist: die Darstellung des christlich-jüdischen Verhältnisses als Gegensatz zwischen ›Gesetz‹ und Gnade. Insgesamt betrachtet bleibt in den Lehrplanvorgaben als ein zentrales Problem bestehen, wie mit den Differenzen umzugehen ist. Darin liegt eine zentrale Herausforderung des christlichen Religionsunterrichts. Röm 9-11 als mögliche Grundlage für eine angemessene christlich-jüdische Verhältnisbestimmung fehlt an dieser Stelle. Auch die übrigen in der vorliegenden Dissertation analysierten Lehrpläne und Schulbücher lassen Paulus’ Aussagen in Röm 9-11 unberücksichtigt. Lediglich die Schulbuchreihen »Kursbuch Religion elementar« und »Religion entdecken-verstehen-gestalten« verweisen darauf. 61 Neben Fiedler hat auch Rothgangel konstatiert, dass der biblische Text Röm 9-11 trotz seines theologischen und didaktischen Nutzens bezüglich einer angemessenen christlich-jüdischen Verhältnisbestimmung in Lehrplänen und Schulbüchern kaum Berücksichtigung findet. 62 Das Potential dieses für das jüdisch-christliche Verhältnis wirkungsgeschichtlich bedeutsamen Textes, der sich durchaus anhand des Ölbaumgleichnisses elementar behandeln lässt, wird in den untersuchten aktuellen Lehrplänen und Schulbüchern nach wie vor nicht bzw. unzureichend genützt. 3. Perspektive 3.1 Revisionsbedürftigkeit von Schulbüchern und Lehrplänen Die gegenwärtige Analyse führt im Grunde genommen zu einem vergleichbaren Ergebnis wie die Schulbuch- und Lehrplananalysen zwischen 1980 und Mitte der 1990er Jahre. Es lassen sich einerseits im Vergleich dazu in bestimmten Schulbüchern und Lehrplänen positive Überarbeitungen hinsichtlich der neuralgischen Punkte bei der Behandlung des Judentums im Religionsunterricht beobachten. Bemerkenswert ist jedoch, dass in anderen Schulbüchern und Lehrplänen des Religionsunterrichts immer noch tendenzöse und sachlich falsche Darstellungen verbreitet sind und ganz vereinzelt sogar Rückschritte beobachtet werden können. Insgesamt besteht somit ein deutlicher Revisionsbedarf in zahlreichen zugelassenen Lehrplänen wie Schulbüchern. Dieses Ergebnis ist ernüchternd und zeigt, dass die Implementation von religionspädagogi- »Insgesamt besteht [...] ein deutlicher Revisionsbedarf in zahlreichen zugelassenen Lehrplänen wie Schulbüchern.« ZNT 37 (19. Jg. 2016) 65 Martin Rothgangel / Julia Spichal Antijudaismus in Schulbüchern und Lehrplänen schen Forschungsergebnissen in religionsunterrichtliche Lehrmaterialien ein langwieriger Prozess ist. 3.2 Überarbeitungsbedarf hinsichtlich des Analyserasters von Peter Fiedler Für die religionspädagogische Forschung stellt sich gleichermaßen ein wichtiger Überarbeitungsbedarf im Bereich der Schulbuch- und Lehrplananalyse zum Judentum. Das Analyseraster von Fiedler berücksichtigt zum einen unzureichend didaktische Aspekte, zum anderen sind Entwicklungen neutestamentlicher und judaistischer Forschung seit 1980 zu integrieren. So ist z. B. eine strikte Anwendung des Kategoriensystems von Fiedler auf Lehrplan- und Schulbuchinhalte für die erste Klassenstufe problematisch: Fiedlers Bedingungen für eine tendenziöse Beurteilung definieren sich bezüglich des Verhältnisses Jesu zu Pharisäern über das Nichterwähnen von Informationen. Allerdings ist dabei nicht bedacht, dass eine Auswahl von Inhalten in Lehrplan oder Schulbuch auf den Kern der Sache insbesondere bei jüngeren SchülerInnen didaktisch notwendig ist und dabei andere Aspekte wegfallen müssen. Theoretische Grundlegungen für die Überarbeitung des Analyserasters, die exemplarisch im Blick auf Jesu Verhältnis zu den Pharisäern konkretisiert sind, finden sich bei Spichal 63 und bedürfen der weiteren Ausarbeitung. Anmerkungen 1 Zur zahlreichen Literatur vgl. M. Rothgangel, Antisemitismus als religionspädagogische Herausforderung. Eine Studie unter besonderer Berücksichtigung von Röm 9-11, Freiburg u. a. 1995 ( 2 1997), 114-127. [Rothgangel, Antisemitismus] 2 J. Spichal, Vorurteile gegen Juden im christlichen Religionsunterricht. Eine qualitative Inhaltsanalyse ausgewählter Lehrpläne und Schulbücher in Deutschland und Österreich, Göttingen 2015. [Spichal, Vorurteile] 3 P. Fiedler, Das Judentum im katholischen Religionsunterricht. Analyse, Bewertung, Perspektiven, Düsseldorf 1980. 4 Rothgangel, Antisemitismus, 127-164. 5 Nachstehende Ausführungen finden sich in Rothgangel, Antisemitismus, bes. 121-127. 6 H. Kremers, Die wichtigsten Ergebnisse aus der Analyse der gegenwärtigen religionspädagogischen Literatur und die Frage nach den Konsequenzen, in: ders., Liebe und Gerechtigkeit. Gesammelte Beiträge, hg. v. A. Weyer, Neukirchen-Vluyn, 223-236, hier: 233. 7 M. Brocke/ H. Jochum, Das Judentum in Schulbüchern für den katholischen Religionsunterricht heute-- eine Problemanzeige, in: H. Jochum/ H. Kremers, Juden, Judentum und Staat Israel im christlichen Religionsunterricht in der Bundesrepublik Deutschland, Paderborn u. a. 1980, 55-74, hier: 67. 8 P. Fiedler, ›Lernprozeß Christen-- Juden‹, in: ErwB 28 (1982), 251-256, hier: 251 . 9 H. Sorge, Judentum. Didaktische Skizze mit einer Projektidee für die Sekundarstufe II, in: ForR (1983) 3, 13-19, hier: 14. 10 H. Kohler-Spiegel, Juden und Christen- - Geschwister im Glauben. Ein Beitrag zur Lehrplantheorie am Beispiel Verhältnis Christentum Judentum, Lernprozeß Christen Juden 6, Freiburg/ Basel/ Wien 1991, 323. 11 Nachstehende Ausführungen stellen eine gekürzte Version dar von Spichal, Vorurteile, 208-233. 12 Vgl. Evangelischer Presseverband Österreich (Hg.), RELi+wir, Göttingen 2010, 289. [RELi+wir] 13 Vgl. ebd., 86. 14 Ebd., 86. 15 G. Miederer u. a., Wegzeichen Religion 1. Ein Unterrichtswerk für den Evangelischen Religionsunterricht in der Jahrgangsstufe 1, Frankfurt a. M. 2001, 24 f. [Wegzeichen 1] 16 Vgl. W. Eilerts/ H.-G. Kübler (Hg.), Das Kursbuch Religion elementar 7/ 8. Ein Arbeitsbuch für den Religionsunterricht im 7./ 8. Schuljahr, Braunschweig 2004, 136. [Kursbuch elementar 7/ 8] 17 Vgl. ebd., 137. 18 Vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (ISB) (Hg.), Lehrplan des achtjährigen Gymnasiums. Jahrgangsstufe 6. Evangelische Religionslehre. URL: http: / / www.isb-gym8-lehrplan.de/ contentserv/ 3.1.neu/ g8.de/ index.php? StoryID=26310, 6 (Zugriff: 06. 01. 2016). [Lehrplan G8, Ev. Religion, Jgst. 6] 19 Vgl. ebd. 20 Vgl. Fiedler, Judentum, 66. 21 Vgl. Rothgangel, Antisemitismus, 156. 22 Vgl. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Hg.), Lehrpläne für die Hauptschule Jahrgangsstufen 5 bis 9, München 2004, 95. [Lehrplan HS] 23 Vgl. Rothgangel, Antisemitismus, 139. 24 Vgl. W. Haußmann u. a., Da sein-- Wege ins Leben 5. Ein Unterrichtswerk für den Evangelischen Religionsunterricht an Hauptschulen, Braunschweig 1998, 66 f. [Da sein-- Wege ins Leben 5] 25 Vgl. G.-R. Koretzki/ R. Tammeus (Hg.), Religion entdecken-verstehen-gestalten. 5./ 6. Schuljahr, Göttingen 2008, 79. [Religion entdecken 5/ 6] 26 Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium (Hg.), Kerncurriculum für das Gymnasium. Schuljahrgänge 5-10. Evangelische Religion, Hannover 2009, 23. [KC GYM] 27 Vgl. Kohler-Spiegel, Juden, 299. 28 Vgl. Fiedler, Judentum, 190. 29 »Innerhalb der mk. Darstellung ist zwischen Mk 3,6 (Pharisäer und Herodianer beschließen, Jesus »zu verderben«, »umzubringen«) einerseits und der Passionsgeschichte andererseits zu unterscheiden, wo die Pharisäer nirgends genannt werden«. 30 Vgl. Lehrplan G8, Ev. Religion, Jgst. 6; W. Haußmann u. a., Da sein-- Wege ins Leben 8. Ein Unterrichtswerk für den Evangelischen Religionsunterricht an Hauptschulen, Braunschweig 2002, 73 [Da sein-- Wege ins Leben 8] 66 ZNT 37 (19. Jg. 2016) Hermeneutik und Vermittlung 31 Vgl. Wegzeichen 1, 32 f. 32 Vgl. G. Miederer u. a., Wegzeichen Religion 3. Ein Unterrichtswerk für den Evangelischen Religionsunterricht in der Jahrgangsstufe 3, Frankfurt a. M. 2003, 69 f. [Wegzeichen 3] 33 Vgl. Kursbuch elementar 7/ 8, 137. 34 Vgl. W. Eilerts/ H.-G. Kübler (Hg.), Das Kursbuch Religion elementar 9/ 10. Ein Arbeitsbuch für den Religionsunterricht im 9./ 10. Schuljahr, Braunschweig 2006, 147. [Kursbuch elementar 9/ 10] 35 Vgl. Bundeskanzleramt (Hg.), Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, 255. Bekanntmachung: Lehrpläne für den katholischen Religionsunterricht an Volksschulen und für den evangelischen Religionsunterricht an Volksschulen und an Sonderschulen, Teil II, Wien 2010, 22. [Lehrplan kath. und ev. Religionsunterricht VS] 36 Dabei handelt es sich um die Kerncurricula für den evangelischen Religionsunterricht an Grundschulen, Gymnasien und der gymnasialen Oberstufe in Niedersachsen sowie den Lehrplänen für Hauptschulen und der AHS- Oberstufe in Österreich. 37 Vgl. S. Beck-Seiferlein u. a., Wegzeichen Religion 4. Ein Unterrichtswerk für den Evangelischen Religionsunterricht in der Jahrgangsstufe 4, Frankfurt a. M. 2004, 64 [Wegzeichen 4]. 38 Vgl. Rothgangel, Antisemitismus, 138 f. 39 Vgl. W. Haußmann u. a., Da sein-- Wege ins Leben 7. Ein Unterrichtswerk für den Evangelischen Religionsunterricht an Hauptschulen, Braunschweig 2001, 110. [Da sein-- Wege ins Leben 7] 40 Vgl. ebd. 41 Vgl. Lehrplan HS, 95. 42 Religion entdecken 5/ 6, 69. 43 Ebd., 101. 44 Vgl. Lehrplan kath. und ev. Religionsunterricht VS, 24. 45 Vgl. RELi+wir, 293. 46 Vgl. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Hg.), Lehrplan für die Grundschule, München 2000, 164. [Lehrplan GS] 47 KC GYM 32. 48 Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium (Hg.), Kerncurriculum für die Grundschule. Schuljahrgänge 1-4. Evangelische Religion, Hannover 2006, 3. [KC GS] 49 Vgl. Rothgangel, Antisemitismus, 186 f. 50 Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium (Hg.), Kerncurriculum für die Hauptschule. Schuljahrgänge 5-10. Evangelische Religion, Hannover 2009, 30. [KC HS] 51 Vgl. KC HS, 31. 52 Vgl. Lehrplan GS, 163. 53 Vgl. Lehrpan HS, 200. 54 Vgl. Rothgangel, Antisemitismus, 139. 55 Da sein-- Wege ins Leben 7, 112. 56 Vgl. Da sein-- Wege ins Leben 8, 63-86. 57 Vgl. Kursbuch elementar 7/ 8, 150. 58 Kursbuch elementar 7/ 8. Lehrer, 252. 59 Ebd. 60 Vgl. ebd. 61 Vgl. Kursbuch elementar 9/ 10, 145; Religion entdecken 5/ 6, 101. 62 Vgl. Rothgangel, Antisemitismus, 171. 63 Spichal, Vorurteile, 234-296. Vorschau auf Heft 38 »2. Korintherbrief« Mit Beiträgen von: Thomas Schmeller, Ivar Vegge, Larry Welborn, Peter Arzt-Grabner, Reimund Bieringer, Lars Aemeleijus und Margret Mitchell ZNT 37 (19. Jg. 2016) 67 Buchreport Daniel Boyarin Die jüdischen Evangelien. Die Geschichte des jüdischen Christus (Judentum - Christentum - Islam. Interreligiöse Studien Bd. 12). Würzburg: Ergon 2015 172 Seiten, gebunden ISBN 978-3-95650-098-5 Preis: 25,00 Euro Zwei Mimen tragen eine Glasscheibe so glaubhaft über die Straße, dass die Leute unwillkürlich stehen bleiben, bis das fragile Transportgut außer Reichweite ist. Nur einer geht unbeirrt auf die Lastenträger zu, die seinen Weg kreuzen, und läuft beherzt zwischen ihnen hindurch, denn er weiß, dass es diese Glasscheibe nur in der von der Pantomime angeregten Imagination derer gibt, die stehen bleiben. Diese kleine Szene ist eine auf ihre Übertragung hin entworfene Allegorie: Die Glasscheibe ist die Unterscheidung »Judentum-- Christentum«, die Leute, die stehen bleiben, sind die Mehrzahl der christlichen Exegetinnen und Exegeten, und derjenige, der weitergeht, ist Daniel Boyarin. Wenn im Neutestamentlichen Proseminar von »Traditionsgeschichte« die Rede ist (verstanden als Frage nach alttestamentlichen und frühjüdischen »Traditionen«, die in die frühchristlichen Texte Eingang gefunden haben), spielt jene Glasscheibe ebenfalls eine Rolle: Stillschweigend wird vorausgesetzt, dass bei der »Übernahme« dieser »Traditionen« eine Art Religionsgrenze überschritten wurde. Dies gilt ungeachtet der mittlerweile nicht mehr bestrittenen Tatsache, dass Jesus und viele seiner Anhänger in seiner eigenen und in späteren Generationen Juden waren, denn Tatsache ist doch ebenso: Diese »alttestamentlichjüdischen« Traditionen stehen nun im »christlichen« Neuen Testament. Viel von dem, was Boyarin in den einzelnen Kapiteln entfaltet, ist schlicht das, was landläufig »Traditionsgeschichte« heißt, und seine Einsichten sind im Einzelnen vielfach nicht einmal neu. Und doch klingt alles, was er schreibt, neu und anders, weil er die Texte in der Gangart dessen durchschreitet, der nicht vor einer imaginären Glasscheibe stehen bleibt. Doch der Reihe nach: Das vorzustellende Buch ist die in 2015 im Würzburger Ergon-Verlag erschienene Übersetzung der Monographie The Jewish Gospels. The Story of the Jewish Christ aus dem Jahr 2012. Die von Armin Wolf kundig besorgte deutsche Übersetzung ist als Band 12 der vom Zentrum für interreligiöse Studien der Universität Bamberg betreuten Reihe »Judentum-- Christentum- - Islam. Interreligiöse Studien« erschienen und mit einem Geleitwort von Johann Ev. Hafner versehen (11-16). Der Übersetzer hat mit dem Verfasser mehrfach Rücksprache gehalten, was dem Buch einige Anmerkungen des Verfassers über die amerikanische Ausgabe hinaus beschert hat. Er hat aber auch selbst manch nützliche Ergänzung beigegeben und bibliographische Angaben akribisch und mit hohem Aufwand für die deutsche Übersetzung aufbereitet. Das Buch beginnt (17-24) mit einem Vorwort des christlichen Theologen Jack Miles, bekannt v. a. durch sein Buch God. A Biography von 1995 (dt. 1996). Miles unternimmt es (wie dieser Buchreport auch), das Anliegen Boyarins in einem Bild zu veranschaulichen. Auf diesem Bild sind die zweieiigen Zwillinge Ben und Josh zu sehen, die unterschiedliche Begabungen entfalten. Ben ist der Sportler, Josh der musische Typ. Boyarin ist ein Freund der Familie, der in einem alten Fotoalbum-- Ben und Josh sind längst erwachsen-- Aufnahmen entdeckt, auf denen Ben im Schulchor ein Solo singt und Josh sich als Fußballer hervortut. Hier zeigt sich: Die beiden Brüder sind einander von Anfang an nicht so unähnlich, wie sie heute meinen. Wie aber kam es dazu, dass (unter Nichtbeachtung alter Familiendokumente) die Unterschiede betont wurden? In der Einleitung (27-41) datiert Boyarin den forcierten Bruch zwischen »Judentum« und »Christentum« in die Jahrzehnte zwischen den Konzilien von Nizäa (325) und Konstantinopel (381). Damit widerspricht er der verbreiteten Auffassung, dass die »Trennung der Wege« bereits im 1. oder 2. Jh. stattgefunden habe. Erst im Zuge der Entwicklung des trinitarischen und christologischen Dogmas sind bestimmte Auffassungen von Gott und Christus zu exklusiv und kennzeichnend christlichen Glaubensinhalten erklärt und in einen definierten Gegensatz zum »Judentum« gesetzt worden, die vorher »unsortiert« und variantenreich von Juden und Nichtjuden vertreten wurden. »Was letzten Endes in Nizäa und Konstantinopel erreicht wurde, war die Errichtung eines Christentums, das vollständig vom Judentum getrennt war« (34). Und selbst nach 381 hatte die orthodoxe Agitation auf christlicher Seite noch alle Hände voll zu tun, im Sinne ihrer strikten Trennung zweier Religionen für Ordnung zu sorgen: In seinen in den Jahre 386 und 387 gehaltenen adversus-Judaeos-Predigten ist Johannes Chrysostomos gegen Christen zu Felde gezogen, die am jüdischen Synagogengottesdienst teilnahmen und jüdische Feste feierten, und noch im Jahr 404 musste Hieronymus Augustin brieflich darlegen, warum es nicht angehe, toraobservante jüdische Christus-Verehrer (denen er weder zugesteht, Christen zu sein, noch sie als Juden gelten lässt) in der Kirche zu dulden (35 f.). Boyarin möchte für die vorausliegende Zeit, v. a. aber für die neutestamentlichen Evangelien, den Gegensatz Judentum/ Chris-