eBooks

Ebenen des Narrativen in Bildimpulsen und Erzähltexten

2022
978-3-7720-5784-7
A. Francke Verlag 
Laura Drepper
10.24053/9783772057847

Bilder, die eine Geschichte erzählen, werden in verschiedenen Kontexten als Erzählanlässe genutzt, z.B. in Vorlesesituationen, zur Sprachförderung oder als Schreibanlass. Allerdings bleibt bei der Auswahl narrativer Bilder (z.B. von Bildimpulsen oder Bildergeschichten) häufig das narratoästhetische Potential der Bildgestaltung unberücksichtigt. In dieser Arbeit werden Wirkungspotentiale von Bildern durch einen interdisziplinären Zugriff theoretisch entfaltet und in einer qualitativ-quantitativen Erzähltextanalyse empirisch untersucht. Dabei zeigt sich, dass die Bildgestaltung Einfluss auf den narrativen Sprachgebrauch nimmt und bei visuellen Erzählimpulsen berücksichtigt werden sollte. Ein wichtiges Ergebnis für die deutschdidaktische Forschung und die schulische Praxis gleichermaßen stellt ein Gestaltungskontinuum für narratoästhetische Erzählimpulse dar. Es kann genutzt werden, um narrative Bilder kategoriengeleitet zu analysieren und ihr Potential für das sprachlich-ästhetische Lernen im Deutschunterricht zu bewerten.

1 Laura Drepper Ebenen des Narrativen in Bildimpulsen und Erzähltexten Eine empirische Studie über Wirkungspotentiale von Bildern auf schriftliche Erzählfähigkeiten in der Grundschule Ebenen des Narrativen in Bildimpulsen und Erzähltexten Literacy im Elementar- und Primarbereich Forschungsbeiträge zu Literalität & Literarität LiEP 1 Herausgegeben von Prof. Dr. Iris Kruse (Paderborn) Prof. Dr. Christiane Miosga (Hannover) Prof. Dr. Katharina J. Rohlfing (Paderborn) Prof. Dr. Elvira Topalović (Paderborn) Wissenschaftlicher Beirat Prof. Dr. Sandra Ballweg (Paderborn) Prof. Dr. Tabea Becker (Hannover) Prof. Dr. Heike Behrens (CH/ Basel) Dr. Kristin Börjesson (Halle) Prof. Dr. Monika Dannerer (A/ Innsbruck) Prof. Dr. Sara Fürstenau (Hamburg) Prof. Dr. Petra Gretsch (Freiburg) Dr. Angela Grimminger (Paderborn) Prof. Dr. Dieter Isler (CH/ Thurgau) Prof. Dr. Friederike Kern (Bielefeld) Prof. Dr. Norbert Kruse (Kassel) Prof. Dr. Daniela Merklinger (Ludwigsburg) Prof. Dr. Anja Müller (Mainz) Prof. Dr. Claudia Müller-Brauers (Hannover) Prof. Dr. Sven Nickel (I/ Bozen) Prof. Dr. Julie Panagiatopoulou (Köln) Prof. Dr. Anke Reichardt (Halle) Dr. Stefanie K. Sachse (Köln) Vertr.-Prof. Dr. Lis Schüler (Berlin) Dr. Jutta Trautwein (Paderborn) Prof. Dr. Benjamin Uhl (Koblenz) Prof. Dr. Constanze Weth (LU/ Luxemburg) Prof. Dr. Petra Wieler (Berlin) Prof. Dr. Anja Wildemann (Landau) Laura Drepper Ebenen des Narrativen in Bildimpulsen und Erzähltexten Eine empirische Studie über Wirkungspotentiale von Bildern auf schriftliche Erzählfähigkeiten in der Grundschule DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783772057847 © 2022 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Überset‐ zungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 2751-6547 ISBN 978-3-7720-8784-4 (Print) ISBN 978-3-7720-5784-7 (ePDF) ISBN 978-3-7720-0222-9 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® 9 1 11 1.1 15 1.2 16 1.3 18 1.4 22 2 25 2.1 25 2.1.1 27 2.1.2 32 2.1.3 34 2.2 41 2.2.1 44 2.2.2 52 2.3 59 3 63 3.1 64 3.1.1 67 3.1.2 69 3.1.3 70 3.1.4 72 3.2 74 3.2.1 74 3.2.2 81 3.2.3 85 3.2.4 88 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinführung zum Forschungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellungsformen von Bildern zum narrativen Lernen . . . . Bildverarbeitungsprozesse beim narrativen Lernen . . . . . . . . . Der narrative Sprachgebrauch im interaktionalen Paradigma Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Narratoästhetische Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verarbeitung narratoästhetischer Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . Visual Literacy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präattentive und attentive Bildwahrnehmung . . . . . . . Interaktion von Bild und Visual Literacies . . . . . . . . . . . Gestaltung narratoästhetischer Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltungsmöglichkeiten einer visuellen Narration . . Gestaltungsmöglichkeiten der erzählten Welt . . . . . . . . Ebenen des Narrativen in narratoästhetischen Bildern . . . . . . Erzählen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Etablierung von Erzählkontexten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erzählen als Sprachhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erzählen innerhalb der Verweisräume . . . . . . . . . . . . . . Erzählen als Origoverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erzählen als Kontinuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung . . . . Kohäsive Mittel in Erzählungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tempusgebrauch in Erzählungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Etablierung einer Erzählerperspektive . . . . . . . . . . . . . . Etablierung einer Protagonistenperspektive . . . . . . . . . 3.2.5 93 3.2.6 100 3.3 107 4 113 4.1 116 4.1.1 117 4.1.2 120 4.1.3 122 4.1.4 124 4.2 126 4.2.1 127 4.2.2 131 5 137 5.1 137 5.2 139 5.3 157 5.4 160 5.5 164 5.5.1 165 5.5.2 170 5.5.3 173 5.6 180 5.7 181 6 185 6.1 187 6.1.1 187 Struktureller Aufbau einer Erzählung - narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster . . . . . . . . . . Poetisch-evozierende Gebrauchsmuster in Erzählungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ebenen des Narrativen in Erzähltexten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Narratoästhetische Erzählimpulse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verarbeitung narratoästhetischer Erzählimpulse . . . . . . . . . . . Das Konzept der narrativen Perspektivierung . . . . . . . Mentale Zugriffe beim Erzählen - Wahrnehmen und Vorstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschaffenheit von Erzählimpulsen - das Reale, Imaginäre und Fiktive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erzählimpulse zur Etablierung von Erzählkontexten . . Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse . . . . . . . . . . . . . Gestaltung einer visuellen Narration . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltung der erzählten Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziel der Studie und Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analyse der eingesetzten narratoästhetischen Erzählimpulse Erhebungsablauf und Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodische Grundlagen zur Empirischen Datenanalyse . . . . Kategoriensystem zur Analyse der Ebenen des Narrativen in Erzähltexten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analysekategorien auf Mikroebene des Erzähltextes . . Analysekategorien auf Mesoebene des Erzähltextes . . Analysekategorien auf Makroebene des Erzähltextes . Reliabilitätsanalyse einzelner Analysekategorien . . . . . . . . . . Transkription der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empirische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitative Analyse der Adverbien und Adverbialphrasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt 6.1.2 195 6.1.3 205 6.1.4 214 6.1.5 223 6.1.6 229 6.2 237 6.2.1 238 6.2.2 246 6.2.3 255 6.2.4 262 6.3 267 6.3.1 267 6.3.2 283 6.3.3 300 6.3.4 316 6.4 326 6.4.1 327 6.4.2 330 6.4.3 334 7 341 7.1 341 7.2 343 7.3 346 7.4 350 Quantitative Analyse der Adverbien und Adverbialphrasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitative Analyse des Junktionengebrauchs . . . . . . . Quantitative Analyse des Junktionengebrauchs . . . . . . Qualitative Analyse des Tempusgebrauchs . . . . . . . . . . Quantitative Analyse des Tempusgebrauchs . . . . . . . . . Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitative Analyse der Gebrauchsmuster zur Etablierung einer Erzählerperspektive . . . . . . . . . . . . . . Quantitative Analyse der Gebrauchsmuster zur Etablierung einer Erzählerperspektive . . . . . . . . . . . . . . Qualitative Analyse der Gebrauchsmuster zur Etablierung einer Protagonistenperspektive . . . . . . . . . Quantitative Analyse der Gebrauchsmuster zur Etablierung einer Protagonistenperspektive . . . . . . . . . Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitative Analyse der narrativ-strukturierenden Gebrauchsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quantitative Analyse der narrativ-strukturierenden Gebrauchsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitative Analyse der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quantitative Analyse der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenführung und Interpretation der Ergebnisse . . . . . . Mikroebene des Erzähltextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mesoebene des Erzähltextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Makroebene des Erzähltextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussion und Erkenntnisgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussion der Ebenen des Narrativen im Bild . . . . . . . . . . . . . Diskussion der Ebenen des Narrativen im Text . . . . . . . . . . . . Wirkungspotentiale narratoästhetischer Erzählimpulse . . . . . Erkenntnisgewinn für den sprachdidaktischen Forschungsdiskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Inhalt 8 355 361 381 401 405 Resümee und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Inhalt Vorwort Die vorliegende Dissertation entstand an der Universität Paderborn im Rahmen des Projekts „Entwicklung des (Recht-)Schreibens von der Primarzur Sekun‐ darstufe“ (ESPS). Ich möchte mich in diesem Zusammenhang bei allen Personen bedanken, die mir zahlreiche Anregungen gegeben und die Entstehung der Arbeit unterstützt haben. An erster Stelle gilt ein ganz besonderer Dank meiner Erstgutachterin Frau Prof. Dr. Elvira Topalović, die mir in vielen Gesprächen auf fachlicher sowie persönlicher Ebene immer zur Seite stand. Ihre fachwissenschaftliche, fachdidaktische und empirische Expertise hat maßgeblich zur Entstehung dieser Arbeit beigetragen. Darüber hinaus danke ich Frau Prof. Dr. Tabea Becker für die wertvollen Anmerkungen sowie die Übernahme des Zweitgutachtens. Weiterführend bedanke ich mich bei den Doktorand: innen der Literatur- und Sprachdidaktik der Universität Paderborn, welche die Arbeit in intensiven Dis‐ kussionsrunden fachlich und methodisch bereichert haben. Besonders wichtig für mich und die Entwicklung der Arbeit waren die fachlichen Gespräche mit meinen Kolleg: innen und Freund: innen Cynthia Arnold, Miriam Croft, Dr. Lara Diederichs, Hannah Marie Fernhomberg, Kira Härtel, Susanne Lang und Dr. Benjamin Jakob Uhl, die auch in privaten Kontexten immer wieder Raum gefunden haben. Sie haben mir neben wertvollen Anregungen auch geholfen, die Freude an der Arbeit nicht zu verlieren. Außerdem möchte ich mich bei den Lehrkräften und Kindern der Projekt‐ schule bedanken, ohne welche die Entstehung der Arbeit gar nicht möglich gewesen wäre. Die Zusammenarbeit mit der Schule und die Freude der Kinder an Geschichten haben mich immer wieder in meinem Dissertationsvorhaben bestärkt. Außerdem danke ich meiner Familie für die vielen Gespräche und Diskus‐ sionen in schöner Gemeinschaft, durch welche ich eine offene und hinterfra‐ gende Haltung einnehmen konnte. Besonders bedanken möchte ich mich bei meinen Eltern, ohne die ich nicht an dieser Stelle stehen würde. Sie haben mich und meine Brüder stets in unseren Plänen unterstützt und dazu ermutigt, neugierig zu sein und die Welt zu hinterfragen. Außerdem danke ich meiner Oma, die immer an mich geglaubt hat und mich gerade in unsicheren Momenten darin bestärkt hat, meine Stärken und Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Abschließend danke ich von ganzem Herzen meinem Freund Philipp, der immer geduldig und verständnisvoll hinter mir und meinen Vorhaben stand und mich liebevoll unterstützt hat. Paderborn, im August 2022 Laura Drepper 10 Vorwort 1 Hinführung zum Forschungsinteresse Bilder dienen in den verschiedensten Kontexten als Erzählanlässe. Ob in fa‐ miliären Vorlesesituationen, zur Sprachsensibilisierung in der KiTa oder als Schreibanlass in der Schule, Bilder, die Geschichten erzählen, sind vielen bereits einmal begegnet. Wer kennt nicht den „kleinen Herrn Jakob“ von Hans Jürgen Press (1981) oder die zahlreichen „Vater-Sohn-Geschichten“, die seit 1935 unter dem Pseudonym e. o. plauen erschienen sind? So manche dieser Bilder‐ geschichten wurden auch in der Forschung eingesetzt, sei es um mündliches oder schriftliches Erzählen vorschulisches und/ oder schulisch zu elizitieren (vgl. z. B. Boueke et al. 1995). In der internationalen Forschung werden Ausschnitte aus dem textlosen Bilderbuch „Frog, where are you? “ von Mercer Mayer (1969) als frog-story zum Erzählanlass (vgl. z. B. Hoel 2015). Auch Verlage werben gerne mit textlosen Bilderbüchern: Hier erzählen die Bilder die Geschichten. Ein bei Kindern beliebtes und gleichzeitig preisgekröntes Bilderbuch ohne Text ist „Die Torte ist weg! “ von Thé Tjong-Khing (2006). Der Verlag greift auf dem Cover Stimmen auf, die dem ästhetisch anspruchsvollen Bilderbuch ein sprachanregendes Potential zusprechen. In aktuellen empirischen Studien der Deutschdidaktik nehmen Bildimpulse als visuelle Erzählanlässe ebenfalls eine bedeutende Rolle ein: Durch Bild‐ impulse werden mündliche und schriftliche Sprachdaten elizitiert, um den Erwerb narrativer Fähigkeiten nachzuzeichnen und/ oder Erzählfähigkeiten sprachlich-textuell zu beschreiben (vgl. Schüler 2019, Uhl 2015). Binanzer (2018) gibt eine Übersicht an sprachdidaktischen Studien, die Einzelbilder oder Bilder‐ folgen als Impuls zur Elizitation des kindlichen Sprachgebrauchs einsetzen. Die Übersicht erfasst sowohl empirische Studien zum narrativen Lernen als auch Studien aus weiteren sprachdidaktisch relevanten Forschungskontexten. Die zum damaligen Zeitpunkt bemerkenswerte Anzahl von 17 empirischen Studien, die den kindlichen Sprachgebrauch oder -erwerb durch Bilder skiz‐ zieren, zeigt die Bedeutung von Bildern für die sprachdidaktische Forschung. In narrativen Kontexten kann die Bilderfolge auch spezifischer als Bilderge‐ schichte bezeichnet werden (vgl. u. a. Scherer/ Schröder 2019, 271). Verschiedene Beiträge heben die Beliebtheit einer Bildergeschichte als narratives Lernmittel in der schulischen Praxis hervor (vgl. Becker/ Busche 2019, 121; Becker 2019, 361; Becker/ Stude 2017, 45 f.; Wieler 2013, 255). Gleichzeitig verüben diese an der Bildergeschichte als Erzählanlass Kritik, da in Bildergeschichten die „Entdeckung der Fiktion“ (Bredel 2001, 16) ausbleibe und die Verarbeitung für Kinder „eine meist völlig unterschätzte Herausforderung“ (Becker/ Stude 2017, 85) darstelle. Allerdings wird das Potential wortloser bzw. textloser Bilderbü‐ cher, deren Aufführung ebenfalls einer Bilderfolge entspricht, für sprachliche Lernprozesse gerade in inklusiven Kontexten immer wieder hervorgehoben (vgl. u. a. Becker 2019, Eder 2015, Wieler 2015). In einer entwicklungstheore‐ tisch begründeten Überlegung stellt Becker (2019) das Potential wortloser Bilderfolgen der Kritik an Bildergeschichten gegenüber und weist darauf hin, dass narrativ-strukturierte Bilderfolgen nicht per se sprachdidaktischen Forde‐ rungen entgegenstehen: „Entscheidend ist der bewusste Umgang mit den Methoden und Möglichkeiten, die differenzierende Verwendung vor dem Hintergrund kognitiver und entwicklungspsy‐ chologischer Zusammenhänge. Zudem können diese Ausführungen auch als Plädoyer verstanden werden, mehr Raum für Kreatives und Ästhetisches in Lehr- und Lern‐ prozessen zu schaffen.“ (Becker 2019, 371) Allerdings wird bei der lehrerseitigen Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen eben dieser Freiraum für Kreatives und Ästhetisches selten geschaffen. Im Gegensatz wird der Lerngegenstand häufig entsprechend dem erwachsenen Verständnis für die Kinder angepasst und auf das bereits Bekannte reduziert. Richter/ Plath (2012) stellen in einer empirischen Studie zur Auswahl von Literaturwerken heraus, dass Lehrkräfte die Literaturwerke nicht anhand des narrativen und literarischen Potentials auswählen, sondern kindgemäße Lite‐ ratur vorziehen. Daran angelehnt stellt Heinke (2013) die kindliche Auswahl von Bildern für den Unterricht der Auswahl der Lehrkräfte gegenüber: „Dasselbe Argument, das Kinder FÜR ein Bild anführten, sprach für Erwachsene GEGEN den Einsatz des Bildes in der Arbeit mit Kindern. Dieses Beispiel unterstreicht die eingangs erwähnte Problematik, dass die Auswahl literarischer Stoffe - in diesem Fall die Auswahl entsprechender Illustrationen - nach vermeintlicher ‚Kindgemäß‐ heit‘ geschieht und damit die Kinder in ihrer Kompetenz, Bilder zu entschlüsseln und auf Texte zu beziehen, unterfordert werden.“ (Heinke 2013, 17) Die Diskrepanz zwischen der Auswahl an Lehrmaterialien und kindlicher Kompetenz wird nicht nur in literaturdidaktischer Forschung herausgestellt, sondern erweist sich ebenfalls in der Kunstdidaktik immer wieder als bedeu‐ tende Thematik (vgl. u. a. Lieber 2013a, Uhlig 2008). Lieber (2013a) spricht bei der Auswahl der Bilder für den Unterricht von „Erwachsenen als Zensur“ (ebd. 240) und stellt in einer Analyse von Grundschullehrwerken fest, dass die Auswahl an Bildern der Forderung nach Freiraum für Kreatives und Ästhetisches nicht ge‐ recht wird: „Die Bildästhetik der verwendeten Abbildungen kann überwiegend 12 1 Hinführung zum Forschungsinteresse als ,kindgemäß‘ bezeichnet werden. Es handelt sich meist um Illustrationen, die einem veralteten ästhetischen Muster folgen.“ (ebd. 241) Im Rahmen des Kooperationsprojekts „Entwicklung des (Recht-)Schreibens von der Primarzur Sekundarstufe“ ( ESPS ) der Universität Paderborn und einer Grundschule im Schulbezirk Detmold sind die Unterrichtsdaten sowie Schreibungen der Kinder aus vier Klassen (n = 95) bereits über drei Schuljahre erfasst worden. Die Dokumentation des Anfangsunterrichts zeigt, dass die Kinder bereits in den ersten zwei Schuljahren zu sieben verschiedenen Bilderge‐ schichten eine Erzählung verfassen. Eine flüchtige Betrachtung der eingesetzten Bildergeschichten lässt erahnen, dass bei den verwendeten Bildimpulsen das Potential ästhetischer und kreativer Momente nicht ausgeschöpft wird. In der hier exemplarisch angeführten Bildergeschichte zum Thema Herbst sind die visualisierten Elemente auf das Notwendigste zum Nachvollziehen des Hand‐ lungsstrangs reduziert und die einzelnen Bilder sind nicht farblich gestaltet: Abb. 1: Exemplarische Bildergeschichte eingesetzt im 2. Schuljahr (Dezember) Demnach schöpft diese Bildergeschichte das mögliche Potential zur narrativen und literarästhetischen Gestaltung nicht aus. In einer aktuellen deutschdidak‐ tischen Studie zum schriftlichen Erzählen bei Grundschulkindern stellt Schüler (2020, 2019) die Bedeutung des narrativen Potentials des Erzählanlasses für den kindlichen Sprachgebrauch heraus: 13 1 Hinführung zum Forschungsinteresse 1 Ausgehend von der theoretischen Diskussion wird die Fragestellung im Forschungsde‐ sign ausdifferenziert (vgl. Kapitel 5.1). „Es hat sich gezeigt, dass die Vielfalt der erprobten Sprachformen beim Schreiben zu Vorgaben mit narrativem Gehalt viel größer ist als das, was sich in der Schule explizit vermitteln ließe, und auch als das, was eine linguistisch fundierte Schreibent‐ wicklungsforschung bisher in den Blick gerückt hat.“ (Schüler 2020, 15) Anzunehmen ist, dass auch die Gestaltung visueller Erzählimpulse eine größere Bedeutung für den kindlichen Sprachgebrauch beim schriftlichen Erzählen haben könnte. Je nach ausgeschöpftem Potential bei der Gestaltung könnten narrative Bildimpulse unterschiedliche Wirkungen auf den Sprachgebrauch der Kinder haben. Ziel dieser Studie ist es, mögliche Wirkungspotentiale von Bildern für das schriftliche Erzählen theoretisch herauszuarbeiten und empirisch zu überprüfen. Dazu werden verschieden gestaltete Bilderfolgen als visuelle Erzäh‐ lanlässe in einem Unterrichtssetting eingesetzt. Die übergreifende Fragestellung der Studie lautet: Welche Wirkungspotentiale haben visuelle Erzählimpulse für den narrativen Sprachgebrauch? 1 Um sich möglichen Wirkungspotentialen visueller Erzählimpulse anzunä‐ hern, muss der kindliche Umgang mit Bildern genauer betrachtet werden. Schnotz (2010) verweist für das Lernen mit Bildern auf einen multidisziplinären Zugang, in dem Annahmen der Semiotik, der Kognitionspsychologie und der Instruktionsforschung vereint werden: „Unter semiotischem Aspekt ist zu fragen, welche Gemeinsamkeiten und Unter‐ schiede zwischen unterschiedlichen Darstellungsformen bestehen. Unter kogniti‐ onspsychologischem Aspekt gilt es zu analysieren, wie präattentive Wahrnehmungs- und konzeptgeleitete Interpretationsprozesse bzw. wie Sehen und Verstehen inter‐ agieren und wie es im Zusammenspiel zwischen kognitivem System und verschie‐ denen Formen der visuellen Darstellung zum Aufbau von Wissensstrukturen kommt. Unter instruktionspsychologischem Aspekt ist schließlich zu fragen, wie die unter‐ schiedlichen Formen visueller Darstellungen eingesetzt werden können, um den Prozess des Verstehens und des Wissenserwerbs möglichst gut zu unterstützen.“ (Schnotz 2010, 933) In dem einleitenden Kapitel werden diese drei Perspektiven für das narrative Lernen mit Bildern konkretisiert, um daran anschließend den Aufbau der Studie zur Untersuchung von Wirkungspotentialen visueller Erzählimpulse her‐ zuleiten. Zunächst werden verschiedene Formen von Bildern für das narrative Lernen herausgestellt. Daran anknüpfend wird die Herausforderung von Bild‐ verarbeitungsprozessen beim narrativen Lernen aufgezeigt. Abschließend wird 14 1 Hinführung zum Forschungsinteresse 2 Binanzer (2018) führt in sprachdidaktischen Forschungen neben dem Einsatz von Bil‐ dern zum Erzählen auch die Verwendung von visuellen Impulsen zum Beschreiben oder Erklären an (z. B. die visuelle Abbildung eines Wasserkreislaufes oder eine visualisierte Kochanleitung). Diese Formen von Bildern zielen vor allem auf einen Wissensaufbau ab (ebd. Schomaker 2013, Schnotz 2002). Schnotz (2010) bezeichnet diese als realistische Bilder: „Realistische Bilder besitzen mit dem gemeinten Sachverhalt Ähnlichkeit. Zu ihnen zählen Strichzeichnungen, naturalistische Gemälde und Fotos, aber auch Cartoons, Piktogramme und Landkarten.“ (ebd. 927) Schnotz (2010, 2002) untersucht den Einsatz von Bildern in schulischen Kontexten aus kognitionspsychologischer Perspektive, sodass für sprachdidaktische Forschungen zum narrativen Lernen der Begriff des narrativen Bildes sinnvoller erscheint. das Paradigma eines interaktionalen Spracherwerbs als mögliche Unterstützung für narrative Lernkontexte skizziert. 1.1 Darstellungsformen von Bildern zum narrativen Lernen In der sprachdidaktischen Forschung kann bei dem Einsatz von Bildern zum narrativen Lernen zunächst unterschieden werden, ob der visuelle Impuls einem Einzelbild oder einer Bilderfolge entspricht (vgl. Binanzer 2018; Uhl 2015, 255 f.). Beim narrativen Lernen haben beide Formen von Bildimpulsen gemeinsam, dass von ihnen der Anstoß einer Geschichte ausgeht. 2 Die Geschichte kann bereits innerhalb des Bildimpulses verankert sein (Bilderfolge) oder ausgehend von diesem erschaffen werden (Einzelbilder) (vgl. Staiger 2012, 45). Demnach zeichnen sich Einzelbilder in der Regel durch eine narrative Momentaufnahme aus, wohingegen von Bilderfolgen primär eine sukzessive Abfolge narrativer Momentaufnahmen ausgeht. Ausnahmen bilden z. B. pluriszenische Bilder, in denen mehrere Momente nebeneinanderstehend abgebildet werden und so eine zeitliche Abfolge erzeugt wird (vgl. ebd.). Bilderfolgen entsprechen damit immer auch einer Kombination mehrerer Einzelbilder. Scherer/ Schröder (2019) unter‐ scheiden zur Definition von textlosen Bildererzählungen zwischen Bilderfolgen, von denen ausgehend eine noch unbekannte Narration konstruiert wird (z. B. die textlosen Bilderbücher zur Torte von Thé Tjong-Khing). In diesem Fall sprechen Scherer/ Schröder (2019) von einem „Erzählen auf dem Rücken von Bildern“ (ebd. 271). Alternativ kann aufgrund kultureller Traditionen und bereits bekannter Geschichten die Narration der Bilderfolge durch visuelle Reinszenierungen erschlossen werden (z. B. bei Grimms Märchen). Diese Form der Bilderfolge repräsentiert die Narration „im Rücken der Bilder“ (ebd.). „In beiden Fällen jedoch fußt die Narration, Schrifttexten vergleichbar, auf Kohäsion und Kohärenz des sequenziell Angeordneten. Leerstellen und Polyvalenz machen 15 1.1 Darstellungsformen von Bildern zum narrativen Lernen den Betrachter einer Bilderfolge, der er einen Zusammenhang unterstellt, zum ko-konstruktiven Interpreten - ähnlich einem von dessen Sinnhaftigkeit überzeugten Leser eines Verbaltextes.“ (Scherer/ Schröder 2019, 271) Beide Formen von Bilderfolgen finden in schulischen Kontexten Aufmerksam‐ keit. Im Fokus dieser Arbeit stehen Bilderfolgen, die die Narration auf dem Rücken der Bilder präsentieren und keine bekannten Geschichten voraussetzen. Zusammenfassend wird mit Bilderfolgen wie auch Bildimpulsen in narrativen Kontexten primär der Ausdruck einer Narration fokussiert, sodass visuelle Erzählimpulse übergreifend als narrative Bilder verstanden werden können. Die Reduzierung der Darstellung von Erzählimpulsen auf den Ausdruck einer Narration würde „die gestalterische Innovationskraft“ (Kruse/ Sabisch 2013, 8) von Bildern außer Acht lassen. Die gestalterische Innovationskraft ist zurück‐ zuführen auf eine literarästhetische Gestaltung der Bilder, die entsprechend der Ausprägung unterschiedliche Anforderungen an die Analyse und Rezeption der Bilder stellt (vgl. u. a. ebd.). Damit verbunden ist die Annahme, dass von narrativen Bildern immer auch ein literarästhetisches Potential ausgeht. Dieses zeigt sich in Lehr-Lernsituationen u. a. in produktiven Anschlussaufgaben (vgl. u. a. Hoffmann 2019, Kruse 2016, 2013, Wiprächtiger-Geppert/ Mathis 2014, Scherer/ Volz 2013). Bei der Analyse narrativer Bilderbücher wird der Begriff der Narratoästhetik herangezogen, um sowohl narrative als auch literarästheti‐ sche Aspekte der Bilder zu erfassen. Staiger (2019) und Kurwinkel (2017) spre‐ chen von einer narratoästhetischen Bilderbuchanalyse. Auch in dem aktuellen Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur von Kurwinkel/ Schmerheim (2020) werden in visuellen, verbalen und multimodalen Kinder- und Jugendmedien neben strukturellen Merkmalen narratoästhetische Aspekte zur Darstellung des Mediums berücksichtigt. Um bei der Darstellung von Bildern zum narrativen Lernen neben der Narration außerdem das literarästhetische Gestaltungpoten‐ tial zu berücksichtigen, können visuelle Erzählimpulse als narratoästhetische Bilder verstanden werden. 1.2 Bildverarbeitungsprozesse beim narrativen Lernen Die Kritik an Bildergeschichten in narrativen Kontexten kann vor allem auf die Bildverarbeitungsprozesse zurückgeführt werden. Die Überführung der visuellen Narration in eine verbale Erzählung gelingt den Kindern nur bedingt. In empirischen Studien wird diese Tatsache immer wieder darin aufgezeigt, dass Bildergeschichten beim narrativen Lernen vielmehr zu einer Bildbeschreibung und nicht zur Konstruktion einer Erzählung führen (vgl. Wieler 2013, Becker 16 1 Hinführung zum Forschungsinteresse 2001, Bredel 2001). Im Vergleich verschiedener Erzählformen sieht Becker (2001) bei der Bildergeschichte als Erzählanlass die Problematik gerade in der mentalen Repräsentation der visuellen Narration: „[Kinder] begreifen die Bilder nicht als Repräsentation einer fiktionalen, kohärenten Ereignisfolge, die in einer Erzählwelt stattfindet.“ (ebd. 84) Die Herausforderung in der mentalen Repräsentation ergibt sich zum einen aus kognitiv-sprachlicher Sicht und zum anderen in der Bildverstehensleistung: „[Die Bildergeschichte] stellt aber eine meist völlig unterschätzte Herausforderung für Kinder dar, sowohl in kognitiv-sprachlicher Hinsicht, wie die Erzählerwerbsforschung mittlerweile aufdecken konnte (Becker 2001), als auch auf der Ebene der hierfür notwendigen Bildverstehensleistung, die im Sinne eines Erfassens visueller Codes eigens gelernt werden müssen (Kümmerling-Meibauer 2012).“ (Becker/ Stude 2017, 85) Das Bildverstehen und die Konstruktion einer mentalen Repräsentation werden bei der Modellierung kognitionspsychologischer Bildverarbeitungsprozesse be‐ rücksichtigt (vgl. u. a. Schnotz 2002, Weidenmann 1988). Diese greift Dehn (2019) für das sprachliche Lernen mit Bildern auf und stellt für eine gewinn‐ bringende Bildverarbeitung zwei Aufgaben heraus. Zunächst ist während der Bildwahrnehmung „die Fokussierung des ersten Blicks“ (ebd. 127, Hervorhebung im Original) elementar. Diese ergibt sich aus der Gestaltung der Bilder bzw. im Sinne Kümmerling-Meibauers (2012) aus den visuellen Codes im Bild und den individuellen Vorerfahrungen der Betrachter: innen. Duncker (2013) bezeichnet die Bildwahrnehmung auch als Auswahlprozesse, „in denen bestimmte Aspekte detailliert aufgenommen, andere jedoch auch übersehen und ignoriert werden.“ (Duncker 2013, 24) Während der Bildwahrnehmung ist das Festhalten an den visuellen Codes entscheidend, welches nach Dehn (2019) durch thematische An‐ knüpfungspunkte und Widerständigkeit geleitet wird (ebd. 127). In der Kunst‐ didaktik werden diese während der Bildverarbeitung auch als Ankerpunkte betrachtet (vgl. u. a. Kirchner 2013, Uhlig 2005). Durch das Festhalten an den visuellen Ankerpunkten gelangen die Betrachter: innen zu einer vertiefenden Rezeption des Bildes (vgl. Uhlig 2005). Mit dieser sind in sprachlichen Lernkon‐ texten nach Dehn (2019) „Transformationsprozesse“ (ebd. 128, Hervorhebung im Original) möglich, in denen rekursive Imaginationen der Rezeption und Sprachbilder zur Produktion ausgehandelt werden (ebd. 128). Sprachformen in kindlichen Erzählungen zum Ausdruck literaler, ästhetischer sowie literarischer Kompetenzen stellt Schüler (2019) als Resultat von Transformationsprozessen heraus: „Die von den Schülerinnen und Schülern erprobten Sprachformen geben Korre‐ spondenzen zur Vorgabe zu erkennen, die zeigen, dass die Muster der Vorgaben 17 1.2 Bildverarbeitungsprozesse beim narrativen Lernen nicht imitiert werden, sondern ein Sich-Einschreiben in Inhalte und Formen ein Transformationsprozess ist, an dem die Vorstellungsbildung maßgeblich beteiligt ist. […] [Damit] geraten Sprachformen in Lernertexten in den Blick, in denen sich die Sprachkompetenz von Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter nicht nur als literale, sondern auch als ästhetische, literarische Kompetenz zeigt.“ (Schüler 2019, 346) Für das narrative Lernen mit narratoästhetischen Bildern und das Evozieren eines literalen, ästhetischen und literarischen Sprachgebrauchs darf die Bild‐ verarbeitung sich nicht auf eine Bildwahrnehmung beschränken, sondern muss rekursive Transformationsprozesse ermöglichen. Unumstritten ist in diesem Zusammenhang die Relevanz individueller Literacy-Erfahrungen der Betrachter: innen (vgl. u. a. Dehn 2019, Duncker 2013, Nikolajeva 2012, Kümmer‐ ling-Maibauer 2006). Diese lenken die Auswahl und Verarbeitung der visuellen Elemente im Bild. Die Bildverarbeitung wird somit durch die Interaktion von visuellen Codes und den Literacy-Erfahrungen bestimmt. Uhlig (2005) weist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung eines soziokulturellen Kontextes hin: „In der Hauptsache jedoch ist das Bildbedeuten und Bildverstehen individuellen und vor allem soziokulturellen sowie geschichtlichen Bedingungen unterworfen und jeweils unmittelbar in Handlungssituationen eingebunden. Dies wird in vielen bildanalytischen Methoden zugunsten eines vermeintlich kontextunabhängigen und selbst-verständlichen visuellen Bestandes übersehen.“ (Uhlig 2005, 273) Auch in der interaktionalen Spracherwerbsforschung wird angenommen, dass Kinder Sprache immer kontextbezogen erwerben und gebrauchen (vgl. u. a. Roy et al. 2015, 2012, Behrens 2011, Tomasello 2008, Bruner 1983). Von Bedeutung für die Interaktion von visuellen Codes und individuellen Literacy-Erfahrungen beim narrativen Lernen mit Bildern sind narrative Kontextualisierungen. 1.3 Der narrative Sprachgebrauch im interaktionalen Paradigma Kindliche Sprachfähigkeiten entwickeln sich dem interaktionalen Paradigma folgend in Kommunikationssituationen mit Interaktionspartner: innen (vgl. u. a. Behrens 2011, Bruner 1983). Ausschlaggebend in der Kommunikationssituation ist der sprachliche Input. Bruner (1983) nimmt an, dass Kinder sprachliche Routinen der Kommunikationssituation für den eigenen Sprachgebrauch über‐ nehmen (vgl. ebd. 35). Mit anderen Worten: Wiederkehrende Interaktionssitu‐ ationen führen zu einem wiederkehrenden Sprachgebrauch (vgl. Behrens 2011, 18 1 Hinführung zum Forschungsinteresse 266 f.), der immer in einer „cultural matrix“ (Bruner 1983, 134) eingebettet ist. Neben dem sprachlichen Input ist also auch der rahmende Kontext von Bedeutung (vgl. auch Behrens 2011, Roy et al. 2015, 2012). Die Bedeutsamkeit von Kontexten für den kindlichen Erstspracherwerb hat die Forschungsgruppe um Roy et al. (2015, 2012) in einer empirischen Studie bestätigen können. Durch eine über die ersten Lebensjahre andauernde und umfassende Beobachtung der sprachlichen Äußerungen eines Kindes im häuslichen Umfeld konnte gezeigt werden, dass ein Kind Wörter früher und häufiger gebraucht (z. B. das Wort Wasser), wenn diese mit räumlichen Kontexten (z. B. mit dem Badezimmer) verknüpft sind: „Across words and word categories, those words that were experienced in more distinctive contexts were produced earlier. Because the distinctiveness measures, especially spatial distinctiveness, were more predictive of learning than quantity of linguistic exposure, our findings support the utility of probing the contexts within which words are used and provide a strong argument for the importance of multimodal datasets.“ (Roy et al. 2015, 5) Damit legen Roy et al. (2015) empirisch dar, dass Spracherwerb und Sprachge‐ brauch durch einen rahmenden Kontext unterstützt werden. Übertragen auf das Erzählen zu visuellen Impulsen können narratoästhetische Bilder in schulprak‐ tischen Situierungen einen narrativen Kontext erzeugen, der einen narrativen Sprachgebrauch der Kinder evoziert. In der sprachdidaktischen Forschung ist man sich weitestgehend einig, dass bei einem narrativen Sprachgebrauch auch die Literacy-Erfahrungen der Kinder bedeutend sind (vgl. u. a. Dehn/ Merklinger/ Schüler 2011, Kümmerling-Maibauer 2006, Weinhold 2000). Diese bilden sich durch vielfältige Formen der Interaktion in literalen und literarischen Praktiken aus (vgl. Dehn/ Merklinger/ Schüler 2011, Garbe 2010, Hurrelmann 2006). Betrachtet man weitere Beiträge aus dem Forschungsdiskurs sowie Einfluss- und Wirksamkeitsstudien stellt sich das Vorlesen von Bilderbüchern als eine sehr effektive Form zur Erweiterung kindlicher Literacy-Erfahrungen heraus (vgl. u. a. Becker 2014, Kümmerling-Maibauer 2014, Whitehead 2004, Whitehurst/ Lonigan 1998, Wieler 1997). Ulich (2003) spricht sogar davon, dass das Bilderbuchbetrachten „erwiesenermaßen zu den wirksamsten Formen der Sprachförderung im frühen Kindesalter“ (ebd. 8) gehört. Empirisch konnten Drepper (2022), Uhl (2021) und Uhl/ Drepper (2022) zeigen, dass Kinder durch gestützte Vorlesesituationen bereits vorschulisch implizites Wissen über einen narrativen Sprachgebrauch erwerben können und dieses in narrativen Kon‐ texten anwenden. Die Übertragung des narrativen Sprachgebrauchs auf neue Kontexte lässt sich erwerbstheoretisch erklären: 19 1.3 Der narrative Sprachgebrauch im interaktionalen Paradigma „Während für die frühen Stadien des Erwerbs gilt, dass die Kinder konservativ sind und sich an das halten, was sie im Input in bestimmten Situationen hören, finden sich jedoch - je nach Bereich - auch Anzeichen für Produktivität und Kreativität: Sie abstrahieren das Gemeinsame aus mehreren Gebrauchsereignissen und können dies auf neue Kontexte generalisieren.“ (Behrens 2011, 267 f.) Damit entspricht der Spracherwerb einer induktiven Theorie, worunter Behrens (2011) eine konstruktivistische Modellierung des Spracherwerbs versteht (vgl. u. a. Tomasello 2008, Goldberg 2006, Langacker 2000). Aus konstruktivistischer Perspektive beruhen komplexere sprachliche Äußerungen auf einer kontextbestimmten Schemaaktivierung. Die Annahme, dass sprachliche Konstruktionen durch den sprachlichen Input erworben werden, bezeichnet Goldberg (2006) als „the heart of the constructionist approach“ (ebd. 277). Konstruktionen werden als bedeutungstragende Einheiten verstanden, die sich durch eine Form- und Funktionsseite auszeichnen und eine linguistisch-formale und semantisch-prag‐ matische Verbindung darstellen (vgl. u. a. Behrens 2009, Tomasello 2008). In der sprachdidaktischen Forschung werden Konstruktionen auch als Textpro‐ zeduren modelliert. Textprozeduren werden als Form-Funktionskopplungen mit einer Inhalts- und Ausdrucksseite definiert, die in hierarchischer Struktur zunächst durch Texthandlungstypen (z. B. Erzählen) und weiterführend durch eine globale Textfunktion bestimmt werden (vgl. u. a. Rezat/ Feilke 2018, Feilke 2014). Im Fokus der Textprozedurenmodellierung stehen die Zusammenhänge von Schreibprozess und Schreibprodukt, sodass die Textprozedur als „Mitt‐ lerstellung zwischen dem Prozess- und dem Produktaspekt des Schreibens“ (Feilke 2014, 11) verstanden werden kann. Ausgehend von der Annahme Feilkes (2014) einer „Textprozedurendidaktik“ (ebd. 27) hebt Steinhoff (2017) die Relevanz einer funktionalen Schreibdidaktik hervor, in der lernförderliche Aufgaben im Mittelpunkt stehen (ebd. 325). Lernförderliche Aufgaben haben als Schreibarrangements zur Aufgabe, das Ziel des Schreibens als sprachliche Handlung mit Bezug auf einen Adressaten bewusst zu machen und den Kindern geeignete sprachliche Werkzeuge an die Hand zu geben (ebd. 330). Das Potential von Schreibarrangements für lernförderliche Aufgabensituierungen konnte in empirischen Studien bestärkt werden (vgl. u. a. Anskeit 2019, Steinhoff 2017, Rüßmann et al. 2016). Zusammenführend wird mit der Textprozedurendi‐ daktik eine Inszenierung lernförderlicher Schreibarrangements fokussiert, die Möglichkeiten zur Vermittlung und Anwendung von Textprozeduren eröffnen (vgl. Rezat/ Feilke 2018). Auch visuelle Erzählimpulse, die in dieser Arbeit ausgehend von dem narrativen Sprachgebrauch auf ihre Wirkungspotentiale untersucht werden sollen, können als wichtiger Teil lernförderlicher Schreib‐ arrangements gesehen werden. Bei der spezifischen Analyse der Wirkungspo‐ 20 1 Hinführung zum Forschungsinteresse 3 Damit wird bei der Auswahl einer Stichprobe berücksichtigt, dass die Kinder zum Zeitpunkt der Erhebung noch keine didaktischen Instruktionen zum Erzählen erfahren haben. Mit didaktischen Instruktionen ist eine gezielte Unterrichtseinheit zum Erzählen gemeint, in der sprachliche und strukturelle Merkmale von Erzählungen vermittelt werden. Das Schreiben von Erzählungen als kreativer und schöpferischer Akt kann bereits stattgefunden haben. tentiale visueller Erzählimpulse steht nicht primär die Effizienz lernförderlicher Schreibarrangements mit visuellen Erzählimpulsen im Mittelpunkt. Oder anders gesagt: Mit dem narrativen Sprachgebrauch wird kein institutionell-vermittelter Sprachgebrauch durch Textprozeduren erfasst. Vielmehr werden die visuellen Erzählimpulse als Kontextualisierungen interpretiert, die den Zugriff auf einen kindlich-intuitiven Sprachgebrauch in narrativen Lernkontexten eröffnen und ihn gleichsam korpusbasiert rekonstruieren. 3 Der narrative Sprachgebrauch wird in empirischen Analysen primär anhand linguistischer und sprachlich-struktureller Merkmale von Erzählungen erfasst (vgl. u. a. Uhl 2015, Augst et al. 2007, Becker 2001). Mit der aktuellen Studie von Schüler (2019) wird die Analyse literarischer und ästhetischer Sprachformen fokussiert, die bereits von Augst (2010) angeschnitten wurde. Ein konstruktions‐ grammatischer Zugriff ermöglicht es, sprachwissenschaftliche, sprachdidakti‐ sche und literarästhetische Zugänge bei der Analyse narrativer Zugänge zu vereinen (vgl. auch Ziem/ Lasch 2018): „Ein wichtiges Merkmal der Konstruktionsgrammatik ist, dass ihr Interesse Ge‐ brauchsmustern jedweder Art gilt, d. d. auch solchen mit begrenzter Allgemeingül‐ tigkeit. Es wird also der Versuch unternommen, nicht nur die ,Kerngrammatik‘ zu erklären, sondern alle sprachlichen Elemente und Strukturen - einschließlich idiomatischer Ausdrücke, irregulärer Muster, gemischter Konstruktionen und meta‐ phorischer Extensionen - und zwar im Rahmen einer einzigen Theorie.“ (Tomasello 2008, 21) Die Konstruktionsgrammatik fokussiert die Skizzierung des Spracherwerbs an‐ hand grammatischer und lexikalischer Strukturen, die in spezifischen Kontexten auftreten. Ziem/ Lasch (2018) bezeichnen diese als „domänenspezifische Kon‐ struktionen“ (ebd. 395). Methodisch erfolgt ein konstruktionsgrammatischer Zugang in der Regel durch linguistische Korpusanalysen, die vorwiegend quantitativ ausgerichtet sind (vgl. u. a. Schaller 2018, 105; Behrens 2009, 437; Stefanowitsch 2008). Einer interdisziplinären Ausrichtung auf einen narrativen Sprachgebrauch ausgehend von einem visuellen Erzählanlass mit sprachdidak‐ tischem Schwerpunkt wird die Reduzierung der Analyse des Sprachgebrauchs auf eine rein linguistische Korpusanalyse nicht gerecht. Die Vereinigung von 21 1.3 Der narrative Sprachgebrauch im interaktionalen Paradigma diskurs-kulturellen und linguistischen Merkmalen eröffnet Bubenhofer (2009) mit dem Begriff der Sprachgebrauchsmuster, die als „Phänomene an der Text‐ oberfläche“ (ebd. 52) erfasst werden und als „Indikatoren für bestimmtes soziales Handeln“ (ebd. 53) gelten können. In einer induktiven Korpusanalyse vereint Bubenhofer (2009) sowohl einen qualitativen und quantitativen Zugang als auch eine kulturelle sowie semantisch-pragmatische Perspektive auf den Sprachge‐ brauch (ebd. 337). Spezifisch für narrative Kontexte nutzen Bubenhofer (2018) und Bubenhofer et al. (2013) einen korpusanalytischen Zugang und stellen prototypische Sprachgebrauchsmuster eines narrativen Sprachgebrauchs von Erwachsenen heraus. Zusammenfassend fokussiert diese Arbeit eine empirische Analyse von Sprachgebrauchsmustern, genauer noch: eine empirische Analyse narrativer Gebrauchsmuster in kindlichen Erzählungen, die ausgehend von verschieden gestalteten Bilderfolgen als Erzählimpulse entstehen. Mit dem Verständnis von Erzählimpulsen als visuelle Kontextualisierungen wird das Ziel verfolgt, Rückschlüsse zu Wirkungspotentialen von Bildern auf das schriftliche Erzählen ziehen zu können. 1.4 Aufbau der Arbeit Zur Untersuchung der Wirkungspotentiale von Bildern für das schriftliche Erzählen gliedert sich die Arbeit in zwei große Teile. Im ersten Teil werden Gestaltungsmerkmale narratoästhetischer Erzählimpulse für das schriftliche Erzählen theoretisch herausgearbeitet. Im Anschluss folgt die empirische Über‐ prüfung der theoretisch herausgearbeiteten Annahmen anhand einer verglei‐ chenden Analyse der Erzähltexte eines Kindes zu zwei verschieden gestalteten Erzählimpulsen. Der theoretische Teil der Arbeit gliedert sich in drei Unterkapitel. In Kapitel 2 werden narratoästhetische Bilder genauer beleuchtet, indem die Verarbeitung und Gestaltung narratoästhetischer Bilder theoretisch aufgezeigt wird. Die Ver‐ arbeitung narratoästhetischer Bilder wird kognitionspsychologisch modelliert (vgl. u. a. Schnotz 2002, Weidenmann 1988). Von besonderer Relevanz sind in diesem Zusammenhang Visual Literacies. Zur Herleitung der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten narratoästhetischer Bilder werden die Modellierung einer visuellen Erzählinstanz in textlosen Bilderbüchern (vgl. Krichel 2020), ver‐ schiedene Modelle zur narratoästhetischen Bilderbuchanalyse (vgl. u. a. Staiger 2019, Kurwinkel 2017, Nikolajeva 2012) und soziosemiotische Analyseansätze von Bildern (vgl. u. a. Kress/ van Leeuwen 2006, Stöckl 2004) zusammengeführt. 22 1 Hinführung zum Forschungsinteresse In einer abschließenden Vernetzung mentaler Verarbeitungsprozesse und ver‐ schiedener Gestaltungsmöglichkeiten von narratoästhetischen Bildern sollen Ebenen des Narrativen in narratoästhetischen Bildern herausgearbeitet werden. Im Fokus des dritten Kapitels steht das Erzählen. In Anlehnung an Topa‐ lović/ Uhl (2014a) wird zunächst die Etablierung von Erzählkontexten hand‐ lungstheoretisch herausgearbeitet. Anschließend werden mit Rückgriff auf empirische Studien (vgl. u. a. Schüler 2019, Uhl 2015, Augst et al. 2007, Becker 2001) verschiedene narrative Gebrauchsmuster aufgezeigt. In einer Zusam‐ menführung der handlungstheoretischen Merkmale des Erzählens und der verschiedenen narrativen Gebrauchsmuster können Ebenen des Narrativen in Erzähltexten unterschieden werden. Das vierte Kapitel widmet sich narratoästhetischen Erzählimpulsen. Durch die Verbindung einer mentalen und phänomenologischen Perspektive auf die Verarbeitung von Erzählimpulsen (vgl. u. a. Zeman 2020, Zeman et al. 2017, Iser 1991, Sartre 1940 [1994]) können die Erkenntnisse des zweiten und dritten Kapitels zusammengeführt werden. Dabei setzt sich das letzte Kapitel des theoretischen Teils der Arbeit zum Ziel, die Ausprägungen verschiedener Gestaltungskategorien narratoästhetischer Erzählimpulse für das Erzählen zu modellieren. Im empirischen Teil der Arbeit wird in Kapitel 5 zunächst das Forschungsde‐ sign vorgestellt. In diesem werden die Forschungsfragen vor dem Hintergrund der theoretischen Annahmen spezifiziert. Außerdem können ausgehend von der theoretischen Modellierung der Gestaltungskategorien narratoästhetischer Erzählimpulse die zwei eingesetzten Bilderfolgen der Studie analysiert werden. Zum Abschluss des Forschungsdesigns werden die Kategorien zur Analyse der kindlichen Erzähltexte mit Bezug zum dritten Kapitel der Arbeit aufgezeigt und die von subjektiven Interpretationen geprägten Kategorien auf ihre Reliabilität überprüft. Das sechste Kapitel der Arbeit widmet sich der empirischen Analyse und präsentiert die Ergebnisse der Erzähltextanalyse, die entsprechend den Ebenen des Narrativen strukturiert angeführt und interpretiert werden. In Kapitel 7 werden die empirischen Ergebnisse in Bezug zur theoretischen Model‐ lierung gesetzt, um daraus mögliche Konsequenzen für den sprachdidaktischen Forschungsdiskurs zu skizzieren und zu diskutieren. Den Abschluss bildet das achte Kapitel, in dem ein Resümee der Arbeit gezogen wird. 23 1.4 Aufbau der Arbeit 2 Narratoästhetische Bilder Es können in der Kunstwissenschaft zur Entstehung des Bildnarrativs zwei verschieden ausgerichtete Theorien angeführt werden, die sich in ihren Per‐ spektiven auf das Bildnarrativ unterscheiden (vgl. Dolle-Weinkauff 2014, Rowe 1996). Rowe (1996) fokussiert eine soziosemiotische Perspektive und beschreibt das Bildnarrativ durch die Interaktion von Bildproduzent: innen und Bildrezi‐ pient: innen: Die Künstler: innen nehmen bei der Bildgestaltung wissentlich oder unwissentlich eine lenkende Rolle ein, indem individuelle Standpunkte während des Gestaltungsprozesses in die erzählenden Bilder hineingebracht werden. Gleichzeitig fließt bei der Betrachtung und Interpretation der erzäh‐ lenden Bilder immer auch die persönliche Auffassung der Bildrezipient: innen mit ein. Das Bildnarrativ entsteht demnach in Interaktion zwischen Bildprodu‐ zent: innen und Bildrezipient: innen (vgl. ebd. 232). Im Gegensatz dazu beschreibt Dolle-Weinkauff (2014) die Entstehung des Bildnarrativs stärker von der Bild‐ wissenschaft ausgerichtet. Dolle-Weinkauff (2014) betrachtet das Bildnarrativ als einen Gesamttext, der sich aus einzelnen Einheiten bzw. Panels zusammen‐ setzt und in kleinster Form auf eine einzelne Einheit bzw. ein Panel beschränkt sein kann. Um aus mehreren Einheiten die gesamte Bildnarration abzuleiten, stellt sich eine einheitliche Struktur von Ort, Zeit und Handlung als „eine wesentliche Bedingung für das Funktionieren des Einzelbildes als Sequenz in Bildgeschichte oder Comic“ (ebd. 82) heraus. Dies kann durch verschiedene Bild‐ gestaltungstechniken und Darstellungsmöglichkeiten sichergestellt werden. Nach Dolle-Weinkauff (2014) resultiert das Bildnarrativ somit stärker aus den verschiedenen Merkmalen und Techniken der Bildgestaltung. Diese beiden Perspektiven auf die Entstehung eines Bildnarrativs lassen darauf schließen, dass für narratoästhetische Bilder somit zwei Aspekte von Bedeutung sind: die Interaktion von Bildproduzent: innen und Bildrezi‐ pienten: innen während der Bildverarbeitungsprozesse und eine narratoästheti‐ sche Bildgestaltung. 2.1 Verarbeitung narratoästhetischer Bilder Bei der Bildverarbeitung kann zwischen verschiedenen Bildtypen unterschieden werden (vgl. u. a. Dehn 2019, Staiger 2012, Stöckl 2004, Singer 2004). Dehn (2019) differenziert zum einen zwischen „materiellen, sichtbaren Bildern“ und „mentalen, inneren Bildern“ (ebd. 121). Während die materiellen Bilder als gegenständliche Objekte existieren, entstehen mentale Bilder durch „Wahr‐ scheinlichkeitsberechnungen und Inferenzen“ (Singer 2004, 75) oder vereinfacht gesprochen durch „Imaginationen“ (Dehn 2019, 121). In der Bildlinguistik wird eine dritte Charakterisierung von Bildern angeführt: „sprachliche Bilder“ (Klemm/ Stöckl 2011, 9). Sprachliche Bilder sind bei der Textgestaltung von Bedeutung und bringen Assoziationen der Verfasser: innen zum Ausdruck. „Zum grundlegenden Credo einer ‚Bildlinguistik‘ gehört auch unbedingt die erkennt‐ nisleitende Annahme, dass materielle (d. d. visuelle) Bilder, sprachliche Bilder (d. d. anschauungsorientierte, bildlich-bildhafte Ausdrücke, Metaphern) und mentale Bilder (Vorstellungen, Anschauungen) unauflösbar verknüpft sind und in ihrer Verbindung bedacht werden müssen.“ (ebd.) Auch für das Erzählen zu Bildimpulsen ist die Verknüpfung sprachlicher, materieller und mentaler Bilder von Bedeutung: Ausgangspunkt beim Erzählen zu Bildimpulsen sind materielle Bilder, die von den Erzählenden während des Rezeptionsprozesses verarbeitet werden. Es entstehen mentale Bilder. Die mentalen Bilder sind Grundlage für die Erzähltextgestaltung. Bei der Erzähl‐ textgestaltung können Assoziationen zu den materiellen Bildern in sprachlichen Bildern zum Ausdruck kommen. Die Verknüpfung sprachlicher, materieller und mentaler Bilder äußert sich somit an verschiedenen Stellen des Bildrezeptions‐ prozesses. Bildrezeptionsprozesse durchlaufen Kinder im alltäglichen Leben zwar regel‐ mäßig, dennoch ist die Fähigkeit, Bilder zu rezipieren, nicht selbstverständlich. Bildrezeptionsfähigkeiten müssen ähnlich wie Sprach- und Lesefähigkeiten zunächst erworben werden (vgl. Kruse 2015, Duncker 2013). Dies wird bereits deutlich, wenn man die Titel neuer Sammelbänder anführt: „Bilderbuch und literar-ästhetische Bildung: aktuelle Forschungsperspektiven“ (Scherer/ Volz/ Wiprächtiger-Geppert 2015), „Bildliteralität und Ästhetische Alphabetisierung“ (Duncker/ Lieber 2013b), „Lehren und Lernen mit Bildern: ein Handbuch zur Bilddidaktik“ (Lieber 2013b). Auch die Tatsache, dass der Bilderwerb in Kursen zur Visual Literacy - vor allem in den USA - Teil des Schulunterrichts geworden ist, verdeutlicht die hohen Anforderungen der Bildrezeption (vgl. z. B. Krapp/ Weidenmann 2006, 451). Im deutschsprachigen Raum findet der Bilderwerb in den Curricula der Grundschule bisher keine Aufmerksamkeit und auch in der sprachdidaktischen Forschung spielen bildrezeptive Fähigkeiten keine nennenswerte Rolle. Allerdings sind in der Kunstdidaktik kindliche Bildrezep‐ tionsprozesse regelmäßig Gegenstand wissenschaftlicher Forschungen (vgl. u. a. 26 2 Narratoästhetische Bilder 4 Bezeichnend dafür ist auch die Modellierung eines gemeinsamen europäischen Refe‐ renzrahmens für die Verankerung der Visual Literacy im europäischen Bildungssystem, die erst 2016 erschienen ist (vgl. Wagner/ Schönau 2016). Duncker 2013, Uhlig 2005, Kirchner 1999). Einen möglichen Ausgangspunkt stellen dazu Forschungen zur Bildrezeptionsfähigkeit im Diskurs der Kogniti‐ onspsychologie dar, die diese schon sehr lange als Gegenstand der Forschung betrachten (vgl. u. a. Kintsch 1979, van Dijk/ Kintsch 1983, Schnotz/ Bannert 1999). Dabei konnte die Hirn- und Kognitionsforschung zeigen, dass mental ablaufende Prozesse bei der Bildrezeption hoch komplex sind und nicht auf ein einfaches Bildersehen reduziert werden können (vgl. u. a. Mitchell 2008, Singer 2004): „Unsere Wahrnehmungen […] sind vielmehr das Ergebnis hoch‐ komplexer Konstruktionen und Interpretationsprozesse, die sich sehr stark auf gespeichertes Vorwissen stützen.“ (ebd. 65) Um die Komplexität der Bildrezepti‐ onsprozesse genauer darzulegen, ist demnach das individuell gespeicherte Vor‐ wissen von Bedeutung. In Forschungen mit didaktischer Ausrichtung zeichnet sich das individuelle Vorwissen bei der Bildrezeption durch Visual Literacies aus (vgl. u. a. Dehn 2019, Nikolajeva 2012, Kümmerling-Maibauer 2006). 2.1.1 Visual Literacy Das Spektrum an Forschungsausrichtungen zur Visual Literacy ist weitreichend und für Disziplinen wie die Kognitionspsychologie, die Psycholinguistik oder die Soziologie bereits seit mehr als 50 Jahren relevant. Die Didaktiken der Kunst-, Literatursowie Sprachwissenschaft sehen die Visual-Literacy-Forschung hin‐ gegen als „a relatively new insight of pedagogy“ (Nikolajeva 2003, 241). Forschungen zur Visual Literacy werden dort erst seit dem 21. Jahrhundert vermehrt berücksichtigt. 4 Geprägt ist die Visual-Literacy-Forschung über das letzte Jahrhundert somit von vielen unterschiedlichen Forschungsdisziplinen, worauf u. a. Serafini (2017) in einem Beitrag zum aktuellen Forschungsstand von Visual Literacy hinweist: „Theories of visual literacy and associated research and pedagogy draw from a wide range of disciplines including art history, semiotics, media and cultural studies, communication studies, visual ethnography and anthropology, social semiotics, new literacies studies, cognitive psychology, and critical theory.“ (Serafini 2017, 1) Der fachwissenschaftliche und fachdidaktische Diskurs unterscheidet sich al‐ lerdings nicht nur durch die zeitliche Orientierung auf Visual Literacy, sondern auch in den Forschungsschwerpunkten zur Visual Literacy. In den Fachwissen‐ schaften wird bei einer Visual-Literacy-Forschung überwiegend die Verarbeitung 27 2.1 Verarbeitung narratoästhetischer Bilder von Bildern forciert. Der Schwerpunkt von didaktischen Ausrichtungen auf die Visual-Literacy-Forschung beschäftigt sich mit notwendigen Fähigkeiten bei der Bildverarbeitung und dem Erwerb dieser Fähigkeiten als Visual Literacies. Eine Zusammenführung beider Forschungsausrichtungen ermöglicht einen umfassenden Blick auf Visual Literacy. In den ursprünglichen - meist fachwissenschaftlichen - Forschungskon‐ texten wurde Visual Literacy als eine visuelle Bildgrammatik definiert: „In summary, these early definitions focused on the ability to access, analyze, evaluate, and communicate information in a variety of forms as the most important aspects of visual literacy.“ (Serafini 2017, 5) Hierunter können u. a. die reinen mentalen Verarbeitungsprozesse beim Betrachten von Bildern gefasst werden (vgl. ebd. 2). Diese ursprüngliche Auffassung von Visual Literacy beschränkt sich auf ein formelhaftes Lernen und Anwenden bildspezifischer Elemente. Dies hat zur Folge, dass die Komplexität und Mehrdimensionalität von Bildern für den Verstehensprozess unberücksichtigt bleiben. Allerdings wird in neueren Studien und Theorien immer wieder herausgestellt, dass Bilder nicht auf ein einziges Zeichen reduziert werden können, sondern „stets eine Ver‐ knüpfung mehrerer ,Codes‘ und ,Modalitäten‘“ (Klemm/ Stöckl 2011, 10) sind. Die entscheidende Wendung ging aus den Arbeiten von Kress/ van Leeuwen (2006) in „Reading Images. The Grammar of Visual Disgn“ hervor, die als eine der ersten Forschergruppen die Multimodalität von Bildern herausstellen. In den Vordergrund rückt damit eine semiotisch-multimodale Perspektive auf Bilder. Die Annahme von multimodalen Bildern geht einher mit einem höheren Deutungs- und Interpretationspotential der Bilder, das im Bildverstehenspro‐ zess von den Betrachter: innen rezipiert werden muss. Die Beschaffenheit der Bilder und somit auch das Deutungs- und Interpretationspotential ist auf die Bildproduzent: innen zurückzuführen. Kress/ van Leeuwen (2006) verstehen den Interpretationsprozess multimodaler Bilder auch als eine kommunikative Inter‐ aktion zwischen Bildproduzent: innen und Bildrezipient: innen und sprechen bei der Modellierung von Bildinteraktionsprozessen von einem „social semiotic approach“ (ebd. 13): „Communication requires that participants make their messages maximally understandable in a particular context. They therefore choose forms of expression which they believe to be maximally transparent to other participants. […] They choose the nearest, most plausible form they know for the expression of what they have in mind. The requirements of communication are no different in more usual circumstances, they are simply less apparent.“ (ebd. 13) 28 2 Narratoästhetische Bilder Zusammenfassend wird Visual Literacy aus einer soziosemiotischen Perspektive also als visueller Interaktionsprozess von Bildproduzent: innen und Bildrezi‐ pient: innen durch multimodale Zeichen vor einem rahmenden Kontext ver‐ standen. Dieses Verständnis von Visual Literacy als visueller Interaktionsprozess kommt dem interaktiven Ansätzen zum kindlichen Spracherwerb gleich (vgl. u. a. Roy et al. 2015, 2012, Behrens 2011, Bruner 1983). Dies lässt darauf schließen, dass Interaktionsprozesse als Visual Literacy ähnlich wie der Sprachgebrauch immer auch vor den kulturellen Kontexten - oder auch in einer „cultural matrix“ (Bruner 1983, 134) - stattfinden. Das bedeutet gleichzeitig auch, dass der Erwerb von Visual Literacies durch eine kulturelle Matrix gestützt werden könnte. Speziell der kindliche Erwerb von Visual Literacies wird in Forschungen der Kunst-, Literatur- und Sprachdidaktik fokussiert (vgl. u. a. Nickel 2018, Stiller 2013, Nikolajeva 2012, Kümmerling-Maibauer 2006). In diesem Zusammenhang wird auch von Visual-Literacy-Kompetenzen gesprochen (vgl. Stiller 2013): „Mit dem Terminus visual literacy fasst man […] diejenigen Kompetenzen zu‐ sammen, die jemand befähigen, ausgehend von Bildwahrnehmungen folgerichtige Rückschlüsse zu ziehen und diese in angemessene kommunikative Handlungsweisen oder genießendes Erleben zu überführen.“ (ebd. 280) Bei der Definition der Visual-Literacy-Kompetenzen wird neben der reinen Fä‐ higkeit zum Bildrezipieren somit auch eine funktionale Perspektive von Visual Literacies angesprochen. Ein funktionaler Aspekt der Visual Literacies geht über das Bilderinterpretieren hinaus und fokussiert einen handelnden Umgang mit den Erkenntnissen aus Bildrezeptionsprozessen. Duncker/ Lieber (2013a) sprechen auch von „Bilder verstehen“ (ebd. 19) und „Bilder erzeugen“ (ebd. 20) als zwei Facetten der Visual-Literacy-Kompetenz. In dem Bildererzeugen bzw. dem handelnden Umgang mit Visual Literacies liegt das Potential für sprachliche und literarische Lernprozesse, welches in verschiedenen Forschungen bereits aufgezeigt werden konnte (vgl. u. a. Schüler 2020, Dehn 2019, Staiger 2019, Uhlig 2016). Im Kontext sprachlicher Lernprozesse beschreibt Dehn (2019) zwei Aufgaben während der Bildverarbeitung, um das Potential Visual Literacies ausschöpfen zu können. Zunächst müssen bildliche Elemente selektiert werden und Anknüpfungspunkte für eine weitere Auseinandersetzung mit dem Bild gefunden werden. Dehn (2019) spricht von einer „Fokussierung des ersten Blicks“ (ebd. 123). Die zweite Aufgabe beschreibt Transformationsprozesse, in denen visuelle und sprachliche Aushandlungen stattfinden. Diese zeugen von einem handelnden Umgang der Visual Literacies (vgl. ebd.). Ausschlaggebend für visuelle und sprachliche Aushandlungen während der Transformationsprozesse sind mentale Repräsentationen, die aus dem wahrgenommenen Bild konstruiert 29 2.1 Verarbeitung narratoästhetischer Bilder werden. Diese können auch als innere Bilder bzw. Imaginationen bezeichnet werden (vgl. u. a. Dehn 2019, Uhlig 2012). Imagination können entweder auf den wahrgenommenen visuellen Elementen des Bildes beruhen oder durch angestoßene Assoziationen zu visuellem Vorwissen entstehen. Assoziative Imaginationen erfordern demnach mehr Erfahrungen mit Visual Literacies als Imaginationen, die durch eine direkte Abbildung der visuellen Elemente entstehen. Uhlig (2012) spricht bei assoziativen Imaginationen auch von einem fiktiven Bild: „Imaginationen sind mentale Repräsentationen. Re-präsentiert werden kann nur etwas, das zuvor wahrgenommen wurde. Insofern geht der Imagination die Wahrneh‐ mung voraus. Eine Imagination ist ein inneres Bild dessen, was wir gesehen haben oder was wir sehen könnten. Wir können etwas imaginieren, das wir bereits kennen oder etwas, das wir so vorher noch nicht gesehen haben, das aber sichtbar sein könnte. In beiden Fällen ist Imagination eine konstruktive, interpretative Leistung. Das fiktive Bild, das sich nicht aus der direkten Wahrnehmung speist, greift weniger auf die unmittelbare Anschauung als vielmehr auf visuelles Wissen zurück.“ (Uhlig 2012, 117) Auslöser für die mentale Konstruktion von beiden Ausprägungen der Imagina‐ tionen sind materielle Bilder. Materiellen Bildern kann anhand spezifischer Elemente aber keine feste Imagination zugeschrieben werden. Nach Klenz (2013) können Bilder viel mehr als „Auslöser für mentale Konstruktionsprozesse“ (ebd. 91) verstanden werden. Schnotz (2006) nimmt für das Textlesen an, dass der Texte nicht als „Träger von Bedeutungen“ (ebd. 237) verstanden werden kann. Die Textkonstruktionsprozesse werden dabei gleichermaßen durch „ex‐ terne Textinformationen“ (ebd.) und „interne Vorwissensinformationen“ (ebd.) gesteuert. Vergleichbar mit Textverstehensprozessen sind somit auch Bildvers‐ tehensprozesse gelenkt durch die Interaktion visueller Aktivierungsmerkmale und individueller Vorerfahrungen der Betrachter: innen. Dehn (2019) spricht im Kontext des Bildverstehens bei den individuellen Vorerfahrungen von einem Welt- und Handlungswissen der Betrachter: innen: „Wenn Sehen nicht als Vorgang des Abbildens, sondern als Konstruktionsprozess betrachtet wird, hat das Wissen für das Bildverstehen eine wichtige Funktion. Ob wir ein Foto, ein Gemälde, eine Landkarte, ein Diagramm, eine Tabelle betrachten, immer beziehen wir, was wir sehen, auf unser Welt- und Handlungswissen. Beides bestimmt auch das Textverstehen; Welt- und Handlungswissen sind spezifisch für die Kontexte, in denen wir Bilder sehen.“ (ebd. 123) Auch in den kognitionspsychologischen Modellierungen der Bildwahrnehmung wird diese durch Welt- und Handlungswissen gelenkt (vgl. u. a. Weidenmann 30 2 Narratoästhetische Bilder 1988). Das Welt- und Handlungswissen wird durch mentale Strukturen reprä‐ sentiert und in der kognitiven Bildverstehensforschung vorrangig als Schemata bezeichnet. Der Begriff des Schemas ist auf die kognitive Psychologie zurück‐ zuführen (vgl. u. a. Bartlett 1932, Piaget 1976) und wird im soziologischen Forschungsdiskurs oft auch als frame bezeichnet (vgl. Goffman 1974). Die Begriffe frame und Schema werden überwiegend synonym verstanden, wobei einige Forschungen frames auch als ein Bündel an Schemata definieren und sich dabei auf die frame-Konstrukte beziehen (vgl. Toniolo 2019). Für die Bildwahr‐ nehmungsprozesse hat der Schemabegriff ausgehend von Friedmans (1979) For‐ schung um „framing pictures“ an Bedeutung gewonnen. Friedman (1979) konnte zeigen, dass frames bzw. Schemata den Wahrnehmungsprozess von Bildern beeinflussen. Weidenmann (1988) erklärt am Beispiel des Gesichter-Schemas den Begriff des Schemas: „Schemata sind mentale Strukturen höherer Ordnung, die - als Resultat von früheren Verarbeitungsprozessen - einen Realitätsbereich prototypisch repräsentieren. Be‐ stimmte ,obligatorische‘ Elemente eines Schemas bzw. kognitiven Rahmens sind inva‐ riant; andere, ,fakultative‘ Elemente sind quasi Leerstellen, die dann durch die Wahr‐ nehmung eines Realitätsbereiches spezifisch ausgefüllt werden. Das Schema ,Gesicht‘ mag z. B. obligatorisch aus den Elementen ,Punkt, Punkt, Komma, Strich‘ bestehen; ein Wahrnehmungsmuster, das diesen Elementen entspricht, ,instanziert‘ das Ge‐ sichter-Schema. Andere Elemente wie z. B. Augenfarbe, Nasenform usw. werden als fakultative Schema-Elemente jeweils durch die konkrete Wahrnehmung ausgefüllt. Wie alle Schemata ist auch das Gesicht-Schema in gewisser Hinsicht elastisch.“ (ebd. 25 f.) Speziell für ein Lernen mit Bildern spricht Weidenmann (1994) bei Schemata auch von „Wissenstypen“ (ebd. 28) und fasst darunter neben Schemata au‐ ßerdem noch Skripts und mentale Modelle. Skripts sind gespeicherte Vorstel‐ lungen zu alltäglich vorkommenden Handlungsabläufen. Mentale Modelle können als „Vorstellungen zu komplexen Abläufen und Zusammenhängen“ (ebd. 29) verstanden werden. Hierunter fallen z. B. Bedienungsanweisungen bei Werkzeugen. Zusammenfassend können alle mentalen Realisierungen der Wissenstypen nach Dehn (2019) auch als innere Bilder verstanden werden: „Die inneren Bilder sind - in ästhetischer Perspektive - Resonanzen auf Erfahrungen und Erinnerungen, auf Bilder und Episoden der Lebenswelt. […] Das psychologische Modell des Bildverstehens nennt das Schemata und Skripts.“ (Dehn 2019, 123) Im Zusammenhang mit den individuellen Erfahrungen wird gerade im kunst‐ didaktischen Forschungsdiskurs zu Bildrezeptionsprozessen auch der Begriff 31 2.1 Verarbeitung narratoästhetischer Bilder der ästhetischen Erfahrungen gebraucht (vgl. Uhlig 2013, 2005, Duncker 2013, Kirchner 2013, 1999). Zusammenfassend haben ästhetische Erfahrungen, innere Bilder, Imaginationen und auch Schemata gemeinsam, dass sie individuelle, mentale Ressourcen der Betrachter: innen beschreiben, die durch Erfahrungen mit Visual Literacies innerhalb der individuellen Lebenswelt (cultural matrix) entstehen. Sie können übergreifend demnach als individuelle Visual-Literacy-Er‐ fahrungen verstanden werden. Visual-Literacy-Erfahrungen sind im Zusammenhang mit Bildverstehen‐ sprozessen von großer Relevanz. Weidenmann (1988, 26) unterscheidet dazu Top-down- und Bottom-up-Prozesse: Zum einen können durch Visual-Lite‐ racy-Erfahrungen die Bildverstehensprozesse gelenkt werden (top-down). Au‐ ßerdem können aus Bildverstehensprozessen neue Visual-Literacy-Erfahrungen erzeugt werden (bottom-up). In dem psychologischen Modell des Bildverstehens nach Weidenmann (1988) wird die Relevanz der Visual-Literacy-Erfahrungen während der Bildrezeption durch verschiedene Formen des Bildverstehens herausgestellt. Diese Modellierung wird von Dehn (2019) aufgegriffen, um für das sprachliche Lernen mit Bildern zwischen einer präattentiven und attentiven Bildwahrnehmung zu unterscheiden. 2.1.2 Präattentive und attentive Bildwahrnehmung Die Unterscheidung einer präattentiven und attentiven Bildwahrnehmung ist auf die Modellierung der mental ablaufenden Prozesse des Bildverstehens von Weidenmann (1988) zurückzuführen. Die Betrachter: innen verfolgen beim Bildverstehen das Ziel, die einzelnen visuellen Bildelemente zu erfassen und das gesamte Bild zu verstehen. Dabei soll das Verständnis des ganzen Bildes durch möglichst wenig Aufwand erzeugt werden. Weidenmann (1988) schreibt den Betrachter: innen auch den vorherrschenden Drang zur „Normalisierung eines Bildes“ (ebd. 118) zu, bei dem vergleichbar mit der Wahrnehmung von Bildern im Alltag das Bildverständnis automatisiert erschlossen werden kann. Notwendig für ein automatisiertes Bildverstehen sind bereits bestehende Schemata bzw. die individuellen Visual-Literacy-Erfahrungen. Dehn (2019) spricht von einem präattentiven Prozess, der sich durch ein „unwillkürliches Generieren von Bedeutung“ (ebd. 122), die Bezugnahme auf „Erwartungen, Erfahrungen [und] Wissen“ (ebd.) und ein „automatisches Normalisieren“ (ebd.) auszeichnet. Zu‐ sammenfassend werden bei der präattentiven Bildwahrnehmung die Bildinhalte durch bereits vorhandene Visual-Literacy-Erfahrungen automatisiert erfasst und es finden kaum komplexe Interpretations- oder Deutungsprozesse statt. 32 2 Narratoästhetische Bilder Erst wenn der gesamte Bildinhalt nicht automatisiert erschlossen werden kann, müssen die Bildinhalte durch komplexe Verstehensprozesse interpretiert werden. Weidenmann (1988) spricht von einer Progressionsphase während der Bildwahrnehmung: „Demnach wird ein Verstehensprozeß auch über eine erste automatische Normalisie‐ rung (Initialphase) hinaus fortgesetzt (Progressionsphase), wenn das Subjekt eine über einen tolerierbaren Schwellenwert reichende Ambiguität perzipiert und/ oder die bereits aktivierten Schemata, Konzepte usw. hohe Assoziationsstärken zu anderen Konzepten aufweisen, sodaß die Aktivierung weiterer ‚Knoten‘ einschließlich ihrer kognitiven, emotionalen, motorischen Inhalte und Ladungen angeregt wird.“ (ebd. 120) Voraussetzung für komplexe Verstehensprozesse sind demnach Uneindeutig‐ keiten zwischen den Bildelementen und den individuellen Visual-Literacy-Er‐ fahrungen. Diese Ambiguität führt dazu, dass die Betrachter: innen erst durch komplexe Verstehensprozesse zu einem umfassenden Bildverständnis kommen. Dehn (2019) spricht in diesem Zusammenhang von einer attentiven Bildwahr‐ nehmung. Die attentive Bildwahrnehmung unterscheidet sich nach Dehn (2019) durch den Umgang mit den bereits vorhandenen Visual-Literacy-Erfahrungen. Zum einen kann das Bild gezielt durch die Kombination bestehender Schemata, Skripts und mentaler Modelle verarbeitet werden. In diesem Fall können die Bildverstehensprozesse auch als „rekursive Prozesse“ (ebd. 122) verstanden werden, die so lange ablaufen, „bis Kohärenz festgestellt und Normalisierung gefunden ist“ (ebd.). Kann die Ambiguität nicht durch rekursive Prozesse aufgelöst werden, ist durch den Rückgriff auf Visual-Literacy-Erfahrungen eine Konstruktion neuer mentaler Modelle notwendig. Die neuen mentalen Modelle ermöglichen es, den Bildinhalt umfassend zu erschließen, und stehen gleichzeitig für weitere Bildverstehensprozesse als individuelle Ressourcen zur Verfügung. Dehn (2019) spricht daher auch von Prozessen des Behaltens. Attentive Prozesse der Bildverarbeitung fokussieren somit vor allem den handelnden Umgang mit Visual Literacies. Für diese spielen aber auch die Bilder selbst eine entscheidende Rolle und können verschiedene Funktionen einnehmen. Nach Weidemann (1994) können Bilder Visual Literacies entweder aktivieren, ersetzen oder konstruieren (vgl. Weidenmann 1994, 36). Aktivieren Bilder bereits ausgebautes Vorwissen, müssen die visuellen Elemente den Betrachter: innen aus der individuellen Lebenswelt oder durch Erfahrungen und Erlebnisse bekannt sein. Soll durch die Bilder ein bekanntes, aber eventuell fehlerhaftes Schema bzw. mentales Modell revidiert werden, nehmen Bilder eine 33 2.1 Verarbeitung narratoästhetischer Bilder 5 Als mögliche Ausführungen des materiellen Bildes unterscheidet Schnotz (2002) zwi‐ schen „realistischen Bildern“ (ebd. 65) und „logischen Bildern“ (ebd. 66). Logische Bilder beinhalten Diagramme oder Grafiken, wie sie z. B. aus der Mathematik bekannt sind. Realistische Bilder umfassen alle Formen von Fotographien, Gemälden oder anderen ersetzende Funktion ein. Die Darstellung im Bild widerspricht dabei bereits bekannten Schemata oder mentalen Modellen der Betrachter: innen. Verfolgt der Einsatz eins Bildes eine Konstruktionsfunktion, sollen durch die Kombination mit Visual-Literacy-Erfahrungen neue Schemata konstruiert werden: „Bilder dieser Art sind Hilfen, um ein Skript oder ein mentales Modell - aus bereits be‐ kannten Elementen zusammenzusetzen. Man kann deshalb von einer Konstruk‐ tionsfunktion der Bilder sprechen.“ (ebd. 31) Wobei die Konstruktionsfunktion nicht ausschließt, dass auch bereits bestehende Schemata, Skripts und Modelle aktiviert werden. So beschreibt Weidenmann (1994) durch die Kombination aus bereits bestehenden, aktivierten Schemata und Modellen, die Konstruktion eines neuen Modells (vgl. ebd. 31 f.). In Bezug auf die Modellierung der Bildverstehensprozesse kann geschluss‐ folgert werden, dass materielle Bilder mit verschiedenen Funktionen unter‐ schiedliche Bildverstehensprozesse auslösen können. Präattentive Prozesse zeichnen sich durch eine automatisierte Erfassung visueller Bildelemente aus. Es kann angenommen werden, dass von den Bildern hierzu vorrangig eine aktivierende Funktion ausgeht. Die Bildinhalte werden durch Rückgriff auf Visual Literacies automatisch erfasst. Komplexe Verstehensprozesse führen aufgrund von Ambiguitäten in den Bildern dazu, dass die Bildinhalte immer erst durch einen handelnden Umgang mit den Visual-Literacy-Erfahrungen erfasst werden können. In diesem Zusammenhang kann den Bildern eine ersetzende oder konstruierende Funktion zugeschrieben werden. Gemeinsam haben die Abläufe von Bildverstehensprozessen, dass während der Bildverarbeitung die Interaktion visueller Elemente im Bild und individueller Visual Literacies von Bedeutung ist. 2.1.3 Interaktion von Bild und Visual Literacies Die Interaktion von Bild und Visual Literacies bei der Bildverarbeitung wird von Schnotz/ Bannert (1999) parallel zur Textverarbeitung herausgestellt. Schnotz/ Bannert (1999) modellieren kognitive Bildkonstruktionsprozesse innerhalb eines Modells zur Bild-Text-Interaktion. Ziel des integrativen Modells ist es, das Zusammenspiel von Text- und Bildverarbeitungsprozessen beim Erfassen multimodaler Texte zu untersuchen und das Text-Bildverstehen zu beleuchten. Den Ausgangspunkt der Verarbeitungsprozesse bilden das materielle Bild 5 und 34 2 Narratoästhetische Bilder bildlichen Darstellung, die Inhalte oder Gegenstände aus der Umwelt darstellen (vgl. Schnotz 2002, 65 f.). Demnach zählen narratoästhetische Bilder, wie eingangs bereits erwähnt, zu den realistischen Bildern. der materielle Text. Kerngedanke der Modellierung zum Text-Bild-Verstehen ist die Abbildung der Textsowie Bildinhalte in Form von mentalen Reprä‐ sentationen, die die Grundlage für die Konstruktion eines mentalen Modells zum Textbzw. Bildverständnis bieten. Der globale Ablauf des Textverstehens- und Bildverstehensprozesses ist dabei ähnlich: Ausgehend vom materiellen Gegenstand bildet sich eine mentale Repräsentation des Textes bzw. des Bildes. Schnotz/ Bannert (1999) sprechen von einer Textoberflächenrepräsentation bzw. der visuellen Wahrnehmung/ Vorstellung. Ausgehend von diesen mentalen Re‐ präsentationen können schemageleitete, d. d. in Interaktion mit Visual Literacies, mentale Modell konstruiert werden. Die mentalen Modelle entsprechen der Interpretation des Textbzw. Bildinhaltes - dem Textbzw. Bildverstehen. Während der Konstruktionsprozesse der mentalen Modelle nehmen sowohl die textuellen als auch die visuellen Repräsentationen wechselseitig Einfluss. Schnotz (2010, 930) visualisiert den Ablauf nach Schnotz/ Bannert (1999): 35 2.1 Verarbeitung narratoästhetischer Bilder Abb. 2: Integratives Modell des Text-Bild-Verstehens nach Schnotz/ Bannert (1999) Zusammenfassend modellieren Schnotz/ Bannert (1999) die Text- und Bildver‐ arbeitungsprozesse in einem vergleichbaren Aufbau, indem beide Prozesse zu‐ nächst in einer mentalen Repräsentation und schlussendlich in einem mentalen Modell enden. Visuelle Verarbeitungsprozesse durch den Begriff des Lesens mit verbalen Verarbeitungsprozessen gleichzusetzen, ist in einigen Definitionen zur Visual Literacy nicht unüblich, wie es z. B. Avgerinou (2007) beschreibt: „In the context of human, intentional visual communication, visual literacy refers to a group of largely acquired abilities, i. e. the abilities to understand (read), and to use (write) images, as well as to think and learn in terms of images.“ (ebd. 18) In diesem Zusammenhang ergibt sich für die Modellie‐ rung von Bildverarbeitungsprozessen die Anschlussfähigkeit an Konzepte der Sprach- und Literaturdidaktik zur Textverarbeitung. Die Charakteristika von 36 2 Narratoästhetische Bilder Bildverarbeitungsprozessen sowie die Interaktion von Visual Literacies und den visuellen Bildelementen können durch die Zusammenführung der kognitiven Modellierung des (Text-)Bildverstehens von Schnotz (2002, 2010) und der kogni‐ tiven Modellierung der Textleseprozesse in didaktischen Forschungen (vgl. u. a. Rosebrock/ Nix 2014, Coltheart 2005, Scheerer-Neumann 2003) herausgestellt werden. Staiger (2020) weist allerdings darauf hin, dass dabei die Gefahr besteht, „die Logik der Sprache über die Eigenlogik des Bildes zu stellen“ (ebd. 67). Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, sollten zur Modellierung der Bildverarbeitungsprozesse die entscheidenden Unterschiede zwischen Text- und Bildverarbeitungsprozessen berücksichtigt werden. „Zwar mündet in beiden Symbolsystemen der Verstehensprozeß in ein mehr oder weniger kohärentes mentales Modell - und dies ist die gemeinsame Basis von Sprach‐ verstehen und Bildverstehen -, die Anforderungsstruktur beider Symbolsysteme ist jedoch so unterschiedlich, daß auch die Leistung des verstehenden Subjekts in wesentlichen Aspekten unterschiedlich modelliert werden muß.“ (Weidenmann 1988, 121) In erster Linie liegt der Unterschied zu Textverarbeitungsprozessen für das Bild‐ verstehen somit in der komplexen Beschaffenheit von Bildern, die sich während der Bildverarbeitungsprozesse in der Interaktion visueller Bildelemente und Visual Literacies zeigt. In diesem Zusammenhang werden die Abläufe der beiden Teilprozesse, die zunächst zur Konstruktion einer mentalen Repräsentation und anschließend zur Konstruktion eines mentalen Modells führen, differenziert betrachtet. Der Kunstdidaktiker Sowa (2012) spricht für das Bildverstehen bei der mentalen Verarbeitung narratoästhetischer Bilder von Hierarchien: „Die das Denken fundierende Leistung der Einbildungskraft/ Imagination zeigt sich in der Bildung von Kohärenzen zwischen unterscheidbaren mentalen Komplexen. Die Struktur dieser Bildung lässt sich in Hierarchien untergliedern: ,Niedere‘ Einheiten wie die Gestaltimagination werden auf höherer Ebene zu größeren Sinn- und Gestalt‐ komplexen organisiert. Der spezifische Typus des narrativen Imaginierens ordnet Person-, Ding- und Raumvorstellungen in ein Gefüge ein, das als zeitlicher Ablauf strukturiert ist.“ (ebd. 357) In Anlehnung an die kognitiven Abläufe während des kindlichen Leseproz‐ esses können die Teilprozesse der Bildkonstruktionsprozesse vereinfacht durch ein automatisiertes Rekodieren und ein bedeutungserschließendes Dekodieren beschrieben werden. Mit Bezug auf das Mehrebenenmodell des Lesens von Rosebrock/ Nix (2014) sind es die hierarchieniedrigen und hierarchiehöheren Abläufe auf der Prozessebene (ebd. 12 ff.). 37 2.1 Verarbeitung narratoästhetischer Bilder Die hierarchieniedrigen Teilprozesse der Bildverarbeitung beschreiben in erster Linie das basale Erfassen der materiellen Bildvorlage. Darunter können das Identifizieren von Elementen, wie Figuren, Gegenständen oder auch Farben auf dem materiellen Bild, und das Herstellen von Zusammenhängen dieser bildlichen Elemente gefasst werden. Schnotz (2002) spricht von einer „perzep‐ tiven Encodierung“ (ebd. 70), womit er sich auf das präattentive Wahrnehmen nach Weidenmann (1988) bezieht (vgl. Kapitel 2.1.2). Es handelt sich bei den hierarchieniedrigen Prozessen des Bilderkonstruierens somit um ungesteuerte und automatisiert ablaufende Prozesse. Ein entscheidender Unterschied zwi‐ schen den Bild- und Leseprozessen auf hierarchieniedriger Ebene liegt in der Reihenfolge und Anzahl der zu recodierenden Elemente. Nach Staiger (2019) erfolgen die Teilprozesse des Textverstehens linear und aufeinander aufbauend (bottom up), wohingegen die Teilprozesse des Bildverstehens simultan und ganzheitlich (top down) modelliert werden können (vgl. ebd. 21). Die Reihen‐ folge beim verbalen Leseprozess ergibt sich demnach aus dem Schriftsystem, sodass der Text linear von links nach rechts entschlüsselt wird. Beim Bildver‐ stehen wird die Reihenfolge der zu recodierenden visuellen Elemente nach Krichel (2020) durch Aktivierungsmerkmale innerhalb des Bildes bestimmt. Für textlose Bilderbücher sieht Krichel (2020) das Aktivierungspotential vor allem bei den Hauptfiguren und deren Raumumgebung der Geschichte: „Die Leserichtung und Leseart der Bilder ergibt sich aus der Fokussierung der Hauptfiguren und deren unmittelbaren Umgebung.“ (ebd. 56) Damit einher geht auch die Relevanz der Visual Literacies: Im präattentiven Prozess können zunächst nur die visuellen Elemente wahrgenommen werden, die durch be‐ kannte Schemata, Skripts und mentale Modelle bereits verinnerlicht sind (vgl. Schnotz 2010, 929). Somit ist die Reihenfolge der visuellen Elemente, die bei den hierarchieniedrigen Teilprozessen wahrgenommen und entschlüsselt werden, durch eine Interaktion von visuellen Aktivierungsmerkmalen und den individuellen Visual Literacies bestimmt. Ausgehend von den präattentiv wahrgenommenen Bildelementen wird schließlich eine mentale Repräsentation bzw. „visuelle Wahrnehmung/ Vorstellung“ (Schnotz 2002, 69) des materiellen Bildes konstruiert. Zusammenfassend kann die Interaktion von Bild und Visual Literacies bei den hierarchieniedrigen Teilprozessen des Bildverstehens eher als ein automatisiertes Erkennen mit dem Ergebnis einer einfachen Bildwiedergabe als visuelle Wahrnehmung/ Vorstellung beschrieben werden. Schnotz (2002) versteht die visuelle Wahrnehmung/ Vorstellung des Bildes als Ausgangspunkt für den zweiten Teilprozess des mentalen Bildverstehens. Er beschreibt diese Teilprozesse als „semantische Encodierung“ (ebd. 71), wobei es sich um Deutungs- und Interpretationsprozesse zur Herstellung 38 2 Narratoästhetische Bilder von Inferenzen zwischen den einzelnen Bildelementen (z. B. Figuren, Objekt, Raumelemente) handelt. Diese ablaufenden Teilprozesse sind vergleichbar mit den hierarchiehöheren Prozessen beim Textlesen: Superstrukturen erkennen und Darstellungsstrategien identifizieren (vgl. Rosebrock/ Nix 2014, 14 f.). Nach Schnotz (2002) sind diese hierarchiehöheren Prozesse des Bildverstehens durch das Erzeugen von Imaginationen und Herstellen von Inferenzen geprägt, wobei Imaginationen als mentale Repräsentationen visueller Elemente oder Assoziationen zu bereits vergangenen Bildverarbeitungen verstanden werden können (vgl. Kapitel 2.2.1). Somit erfordern Inferenzen ein Erschließen von Zu‐ sammenhängen zwischen einzelnen Imaginationen, wozu nach Schnotz (2002) ebenfalls zeitlich vorausgegangene Bildverarbeitungserfahrungen notwendig sind. Speziell bei der Inferenzbildung von narratoästhetischen Bildern zeichnen sich vorausgegangene Bildverarbeitungserfahrungen durch „kognitive Sche‐ mata der alltäglichen Wahrnehmung“ (ebd. 71) aus. In diesem Verständnis können die Bildverarbeitungserfahrungen auch als Visual Literacies verstanden werden. Bestärkend für die Inferenzbildung und anlog für die hierarchiehöheren Prozesse des Bildverstehens erscheinen in diesem Zusammenhang reichhaltige Erfahrungen an Visual Literacies. Aus kunstdidaktischer Perspektive ist für diesen Teilprozess der Bildverarbeitung gerade das Potential des Bildes von besonderer Relevanz: Das Bild muss erst Anregungen für tiefere Rezeptionsprozesse bieten, damit in einer vertiefenden Rezeption die Interpretation des Kunstwerks möglich ist (vgl. Kirchner 2013, 266). Somit reichen umfangreiche Visual-Literacy-Erfahrungen alleine nicht für eine Inferenzbildung aus, vielmehr müssen die visuellen Elemente im Bild einen handelnden Umgang mit diesen erst anstoßen. Nach Weidenmann (1988) sind dazu visuelle Elemente entschei‐ dend, die mehrdeutig sind und Ambiguitäten hervorrufen (vgl. Kapitel 2.1.2). Ambiguitäten ermöglichen Freiraum für individuelle Deutungs- und Interpre‐ tationsprozesse. Weidenmann (1988) und Schnotz (2002) sprechen von einem indikatorischen Bildverstehen. Die Inferenzbildung resultiert demnach aus der Interaktion mehrdeutiger Bildelemente und einem handelnden Umgang mit Visual Literacies. Zusammenfassend differenzieren sich die kognitiven Teilprozesse der Bild‐ verarbeitung durch den Grad der Interaktion von Bildelementen und Visual Literacies. Auf hierarchiehöherer Ebene ist für die Interpretation und Deutung visueller Codes und Zusammenhänge eine starke Interaktion von externen Bildinformationen und individuellen Visual Literacies notwendig. Das hierar‐ chieniedrige Bildverstehen entspricht einem routinierten Erkennen, da sich die Interaktion der Bildinhalte und Visual Literacies vorrangig auf „automatisierte visuelle Routinen“ (Schnotz 2002, 70 f.) beschränkt. Aus Perspektive der Kunst‐ 39 2.1 Verarbeitung narratoästhetischer Bilder didaktik führt Uhlig (2005) eine grundschulspezifische Rezeptionsmethodik zum Umgang mit Gegenwartskunst an und nimmt an, dass die rezipierten Bildelemente in der Einstiegsphase nicht nur auf bereits Bekanntes reduziert werden können: „Diese Ankerpunkte finden sich nicht nur in Bekanntem, das wieder entdeckt wird, sondern vor allem in Neuem, Fremden, Unbekanntem, das Kinder neugierig macht und zur genauen Betrachtung herausfordert.“ (ebd. 147) Die Auffassung hierarchieniedriger Teilprozesse des Bildverstehens als ein automatisiertes Erfassen bekannter Bildelemente kann mit Perspektive der Kunstdidaktik somit konkretisiert werden, um auf diese Weise die Einfluss‐ nahme der Bildelemente als visuelle Ankerpunkte stärker hervorzuheben: Es werden auf hierarchieniedriger Ebene der Bildverarbeitung zum einen visuelle Ankerpunkte als Bekanntes automatisiert erfasst und zum anderen visuelle Ankerpunkte aus Neugierde für ein vertiefendes Rezipieren des Bildes wahrge‐ nommen. An diesen visuellen Ankerpunkten knüpft nach Uhlig (2005) die Phase der vertiefenden Rezeption an, in der die Betrachter: innen die visuellen Ele‐ mente, die ihre Neugierde und ihr Interesse erweckt haben, genauer erkunden und interpretieren. Die vertiefende Rezeption kann als hierarchiehöherer Teil‐ prozess verstanden werden, in dem visuelle Elemente verknüpft und Zusam‐ menhänge durch den Rückgriff auf Visual Literacies interpretiert werden. Damit stellt sich die Bedeutung der visuellen Beschaffenheit der Bildelemente für den Grad der Interaktion mit Visual Literacies heraus: Bei einem automatisierten Erfassen ist das Verstehen bekannter Bildelemente als visuelle Ankerpunkte durch den Rückgriff auf Visual Literacies bereits möglich. Mehrdeutige und unbekannte Bildelemente hingegen werden als visuelle Ankerpunkte zunächst wahrgenommen und anschließend auf hierarchiehöherer Ebene durch einen handelnden Umgang mit den individuellen Visual Literacies interpretiert. Die Bildverstehensprozesse enden in einem Verständnis der Bildinhalte, das nach Uhlig (2005) in einer dritten Transformationsphase zur Eröffnung selbstreflex‐ iver und kreativer Prozesse führt. In Bezug auf sprachliche Lernprozesse können hierzu nach Dehn (2019) Anschlussaufgaben angeführt werden, die in Trans‐ formationsprozessen eine visuelle und sprachliche Aushandlung evozieren. Bei der Verarbeitung narratoästhetischer Bilder ergibt sich demnach ein Potential für sprachliche Lernprozesse, wenn die Bildelemente als visuelle Ankerpunkte fungieren und einen handelnden Umgang mit Visual Literacies anstoßen, der Freiräume für Interpretations- und Deutungsprozesse eröffnet. Von besonderer Relevanz stellt sich dabei die Gestaltung narratoästhetischer Bilder heraus: „Sinnenstiftende Deutungsbewegungen tragen in Korrespondenz mit der Werk‐ struktur zum Erschließen des Sinns bei. Dabei sind Deutungen keineswegs beliebig, 40 2 Narratoästhetische Bilder sondern an die materiellen, kompositorischen und motivischen Vorgaben des künst‐ lerischen Objekts gebunden.“ (Kirchner 2013, 262) 2.2 Gestaltung narratoästhetischer Bilder Eine narratoästhetische Gestaltung von Bildern findet bei der (narratoästheti‐ schen) Bilderbuchanalyse Beachtung (vgl. Staiger 2019, 2017, Kurwinkel 2017, Oetken 2017, Nikolajeva 2012, Nikolajeva/ Scott 2006). Bilderbücher bestehen in der Regel aus einer Kombination von Text- und Bildsequenzen, sodass bei der Bilderbuchanalyse sowohl visuelle als auch textuelle Informationen be‐ rücksichtigt werden. Gerade in narrativ-strukturierten Bilderbüchern nehmen die textuellen und visuellen Informationen eine besondere Rolle ein: Ist ein Bilderbuch narrativ-strukturiert, d. d. wird in dem Bilderbuch eine Geschichte erzählt, kann durch die Interaktion der Bild- und Textinformationen die Ge‐ schichte erschlossen werden. Staiger (2019) spricht bei dem Zusammenspiel von textuellen und visuellen Informationen auch von dem „Aufbau einer erzählten Welt“ (ebd. 17). Spezifisch für eine erzählte Welt ist eine kohärente Abfolge der Ereignisstruktur, die durch temporale und kausale Verknüpfung der verbalen und visuellen Codes nachvollzogen werden kann (vgl. Nikolajeva 2012, 29). Die Bild- und Textinformationen zum Aufbau der erzählten Welt gilt es bei der narratoästhetischen Bilderbuchanalyse zu erfassen. Ausgangspunkt einer narratoästhetischen Bilderbuchanalyse ist die Unterscheidung zwischen Histoire und Discours (vgl. 62; Staiger 2019, 14; Kurwinkel 2017, 52; Fludernik 1993): „Ausgangspunkt der narratoästhetischen Bilderbuchanalyse sind zum einen das ,ste‐ hende Bild‘ und die ,geschriebene Sprache‘ (Barthes 1988: 102), zum anderen die zwei Ebenen des narrativen Textes: die Geschichte oder histoire als Abfolge von Ereignissen und der Text oder discours als Abfolge von Zeichen.“ (Kurwinkel 2017, 52) Die Begrifflichkeiten dienen dazu, die erzählte Welt darin zu differenzieren, was dargestellt ist (Histoire) und wie es dargestellt wird (Discours). Die Histoire entspricht somit der Ereignisstruktur in der erzählten Welt und der Discours den visuellen und textuellen Informationen. Betrachtet man die Konstruktion der erzählten Welt während der Bildverarbeitung aus kognitionspsychologischer Perspektive, kann der Zusammenhang von Histoire und Discours noch deutlicher herausgestellt werden: Während der Discours der erzählten Welt an der Bild‐ oberfläche zu verorten ist, wird die Histoire der erzählten Welt erst während der Bildverstehensprozesse als mentale Repräsentation konstruiert. Weiterführend 41 2.2 Gestaltung narratoästhetischer Bilder resultiert die mentale Konstruktion der erzählten Welt als gesamter Bildinhalt aus einer Kombination der mentalen Repräsentationen zu den dargestellten Handlungen, Räumen und Figuren, welche auf verschiedene visuelle Elemente an der Bildoberfläche zurückzuführen sind (vgl. Kapitel 2.1). Die zwei Ebenen Histoire und Discours werden bei der Analyse von Bil‐ derbüchern anhand unterschiedlicher Kategorien beschrieben. Von Interesse ist, welche Kategorien Aufschluss über die Gestaltung narratoästhetischer Bilder geben. Als Ausgangspunkt für die Herleitung der Kategorien eignet sich das „fünfdimensionale Modell der Bilderbuchanalyse“ von Staiger (2019, 2017). Staiger (2019) führt nicht weiter aus, welche spezifischen Einflüsse aus den einzelnen Analysekriterien der jeweiligen Dimension abgeleitet werden können, sondern beruft sich darauf, dass „jede literaturwissenschaftliche Text‐ analyse“ aufgrund einer Fragestellung „einem bestimmten Erkenntnisinteresse“ nachgeht (ebd. 23). Die Einflüsse der Analysekategorien müssen konkret an den Untersuchungsgegenstand und die Fragestellung angepasst werden (vgl. ebd.). Das fünfdimensionale Modell der Bilderbuchanalyse dient somit vielmehr als wissenschaftlich fundierter „Werkzeugkasten“ (ebd. 23) zur Zusammenstellung spezifischer Analyseraster von Text-Bild-Kombinationen und bietet sich als Ausgangspunkt für die Herleitung von Gestaltungsmerkmalen für narratoäs‐ thetische Bilder an. Grundlage des fünfdimensionalen Modells der Bilderbuchanalyse ist die Annahme, dass das narratoästhetische Potential von Bilderbüchern in fünf Dimensionen erfasst werden kann. Hauptmerkmale der fünf Dimensionen sind die Narration, der Text, das Bild, das Verhältnis von Bild und Text und die Mate‐ rialität. Die Narration wird durch Kriterien der narrativen Dimension analysiert. Die Gestaltung des Bildes wird in der bildlichen Dimension, die des Textes in der verbalen Dimension zusammengetragen. Spezifisch für das fünfdimensionale Modell von Staiger (2019) ist vor allem die intermodale Dimension, in der die Wechselwirkung von bildlichen und verbalen Elementen erfasst wird. Staiger (2019) betont dessen Bedeutung für eine umfassende Bilderbuchanalyse: „Bei einem Bilderbuch ist der Lesepfad nicht zwingend vorgegeben, die Lektüre erfolgt in einem stetigen Pendel zwischen Bild und Schrifttext. Seine Rezeption unterscheidet sich damit deutlich vom Lesen eines schriftlichen Textes. Die Bilderbuchanalyse darf sich deswegen weder auf eine ausschließliche Betrachtung der Bilder noch auf eine Auseinandersetzung mit dem Schrifttext beschränken. Entscheidend ist die Frage nach den Formen der Bedeutungskonstruktion im Zusammenspiel von bildlichen und verbalen Codes.“ (ebd. 2019, 15) 42 2 Narratoästhetische Bilder Als abschließende Dimension kann die paratextuelle bzw. materielle Dimension angeführt werden, die durch verschiedene Kriterien die Materialität des Bilder‐ buches erfasst. Zur Gestaltung narratoästhetischer Bildimpulse sind in erster Linie Merkmale einer narrativen Dimension zum Ausdruck der erzählten Welt und einer visu‐ ellen Dimension zur Bildoberflächengestaltung von Bedeutung. Die Berücksich‐ tigung einer textuellen Dimension und intermodalen Dimension kann aufgrund der textlosen Gestaltung außer Acht gelassen werden. Die paratextuelle/ mate‐ rielle Dimension spielt zwar eine entscheidende Rolle bei der Analyse von Bilderbüchern, wird aber mit dem Fokus auf der bildimmanenten Gestaltung zur Untersuchung der Wirkungspotentiale von Bildern auf das schriftliche Erzählen zurückgestellt. Staiger (2019) unterscheidet innerhalb der narrativen Dimension zwischen verschiedenen Kategorien, die verknüpfend die erzählte Welt ausdrücken. Wichtig für die Wahrnehmung dieser Elemente in Bilderbüchern ist der Aus‐ druck einer Erzählinstanz, die z. B. in einer Erzählerperspektive, dem Erzähl‐ modus, der Zeitdarstellung oder dem Ort des Erzählens zum Ausdruck kommt (vgl. ebd. 16). Die Darstellung einer Erzählinstanz auf visueller oder verbaler Ebene unterscheidet sich stark (vgl. Arizpe 2013, Nikolajeva/ Scott 2006, 117). Daher ist die Übertragung von Aspekten einer verbalen Erzählinstanz in ein bildliches Medium nicht ohne Weiteres möglich. Krichel (2020) stellt für text‐ lose Bilderbücher erstmals Analysekategorien für eine ausschließlich bildliche Erzählinstanz heraus und erfasst so die visuelle Narration textloser Bilderbücher. Neben der bildlichen Erzählinstanz wird die visuelle Narration dazu noch durch weitere visuelle und materielle Merkmale des Bilderbuchs ausgedrückt: „Da die narrative Struktur im textlosen Bilderbuch ausschließlich durch visuelle und materielle Aspekte konstruiert wird, bedarf es zur Bildanalyse eines transmedialen Ansatzes, der das Narrative als ein übergeordnetes Verstehens- und Kommunikati‐ onsprinzip begreift und verschiedene - mediale und somit auch visuelle - Erschei‐ nungsformen (z. B. aus Comic, Film, digitalen Medienformaten oder Bilderbüchern) einbezieht.“ (ebd. 77) In der mehrdimensionalen Bilderbuchanalyse nach Staiger (2019) können Gestaltungsmerkmale der bildlichen Dimension als visuelle und materielle Aspekte verstanden werden, die die Bildgestaltung als Kommunikationsprinzip verstehen. Gestaltungsmerkmale dieser Kategorien erzeugen nach „bestimmten Konventionen und Regeln der visuellen Kommunikation […] Sinnangebote für den Betrachter“ (ebd. 20), die es im Rahmen der Bilderbuchanalyse auszuwerten gilt. In der bildlichen Dimension werden Elemente wie die Farbe, die Linie, der 43 2.2 Gestaltung narratoästhetischer Bilder Raum und die Fläche betrachtet, womit gleichzeitig Gestaltungsaspekte einer soziosemiotischen Analyse von Bildern angesprochen werden (vgl. Kress/ van Leeuwen 2006, Stöckl 2004). Zusammenfassend werden mit der Gestaltung einer visuellen Narration demnach Gestaltungsmerkmale zur Interaktion von Betrachter: innen und Bildproduzent: innen fokussiert. Neben der Gestaltung einer visuellen Narration sind visuelle Merkmale zum Ausdruck der erzählten Welt von Bedeutung. Darunter können die Hand‐ lungsgestaltung, die Raumgestaltung und die Gestaltung der Figuren an der Bildoberfläche gefasst werden. Nikolajeva (2012) nimmt eine Analyse visueller und verbaler Merkmale in Bilderbüchern vor und kann so „Interpretative Codes“ (ebd. 27) für diese verschiedenen Kategorien aufzeigen. Interpretative codes enthalten visuelle Informationen, die von den Betrachter: innen erkannt und entschlüsselt werden müssen, um die message der Erzählung - also die erzählte Welt - zu verstehen. Nikolajeva (2012) macht deutlich, dass visuelle Merkmale bzw. interpretative codes an der Bildoberfläche erst in Interaktion mit den Betrachter: innen während des Bildverarbeitungsprozesses zum Ausdruck kommen können. Nikolajeva (2012) gelingt es dabei anhand der unterschiedli‐ chen Komplexität der interpretative codes, eine tendenzielle Abstufung für die Notwendigkeit von Visual Literacies bei der Wahrnehmung der visuellen Codes herauszustellen (vgl. ebd. 39). Zusammenfassend sollten im Fokus einer spezifischen Gestaltung narratoästhetischer Bilder in narrativen Kontexten demnach zwei Aspekte stehen: die Gestaltung einer visuellen Narration und die Gestaltung der erzählten Welt durch Handlung-, Raum- und Figurendarstellung. 2.2.1 Gestaltungsmöglichkeiten einer visuellen Narration Gestaltungsmerkmale einer visuellen Narration können in erster Linie aus der transmedialen Analyse textloser Bilderbücher von Krichel (2020) abgeleitet werden. Krichel (2020) trägt Ergebnisse und Theorien aus der Comic- und Film‐ forschung sowie der Bilderbuchforschung zusammen, um daraus verschiedene Gestaltungsmerkmale zum Ausdruck einer visuellen Narration abzuleiten. Von Bedeutung ist zunächst eine visuelle Erzählinstanz. Diese differen‐ ziert sich z. B. durch den Blickwinkel und die Distanz zwischen Bild und Betrachter: innen und zielt auf das Erzeugen von Machtverhältnissen zwischen Bild und Betrachter: innen während der Bildverarbeitung ab (vgl. ebd. 78 ff.). Es wird ein metaperspektivischer Ausdruck des Bildes fokussiert, der gestalterisch durch bildliche Merkmale wie Farbe, Form und Linien und deren spezifischen Kompositionen dargestellt wird. Somit werden zum Ausdruck einer visuellen 44 2 Narratoästhetische Bilder Erzählinstanz bildkompositorische Merkmale in metaperspektivischer Funktion erfasst. Neben einer visuellen Erzählinstanz führt Krichel (2020) außerdem verschiedene Merkmale der Bildkomposition an, die die visuelle Narration in strukturell-for‐ maler Funktion verstärken können. Hierzu können u. a. der Wechsel zwischen aufeinanderfolgenden Bildern (vgl. ebd. 88 f.) oder die Darstellung von Bewe‐ gungen (vgl. ebd. 103) gezählt werden. Diese können als bildkompositorische Narrationsmarker erfasst werden. Ein letzter Aspekt, der anhand der transmedialen Analyse von Krichel (2020) abgeleitet werden kann, ist die Gestaltung inhaltlicher Narrationsmarker. Diese fokussieren inhaltliche Aspekte der erzählten Welt, die an der Bildoberfläche zur globalen Verstärkung der Narration sowie der Fiktion beitragen. Sie können nur im Kontext des gesamten narratoästhetischen Bildes und durch den Rückgriff auf Visual Literacies auch als inhaltliche Narrationsmarker interpretiert werden. Krichel (2020) spricht in diesem Zusammenhang von inhaltlichen Gestaltungs‐ techniken als Fiktionalitätsmarker und nennt z. B. immer wiederkehrende Leit‐ motive (ebd. 112). Zusammenfassend werden mit der visuellen Narration von narratoästheti‐ schen Bildern in erster Linie die Interpretation der Narration und die Markie‐ rung der Fiktion für die Betrachter: innen fokussiert. Es kann angenommen werden, dass mit der visuellen Narration als Interaktion von Bild und Be‐ trachter: innen die Konstruktion der erzählten Welt während der Bildverarbei‐ tung unterstützt werden kann. 2.2.1.1 Visuelle Erzählinstanz Eine visuelle Erzählinstanz dient zum Ausdruck einer Erzählerperspektive, wie sie in der Literaturwissenschaft beschrieben wird (vgl. Martínez/ Scheffel 2016). Allerdings unterscheidet sich die Realisierung einer visuellen Erzählinstanz zum Ausdruck einer Erzählerperspektive deutlich von einer textuellen Erzählinstanz: „Während die Erzählsituation in schriftsprachlichen Texten verbal eindeutig markiert ist (etwa durch Pronomen) und in der Regel nicht nach jedem Satz variiert, muss sich der Leser eines textlosen Bilderbuchs die jeweilige Erzählinstanz durch die Deutung bildkompositorischer Elemente erschließen und auf jedem Bild neu überprüfen.“ (Krichel 2002, 83) Die implizite Darstellung einer visuellen Erzählinstanz kann nach Krichel (2020) durch verschiedene Aspekte der Bildkomposition zum Ausdruck kommen. Dazu zählen u. a. die Fokalisierung und Okularisierung sowie die Einstellung und der Blickwinkel. 45 2.2 Gestaltung narratoästhetischer Bilder Die Begriffe der Fokalisierung und Okularisierung stammen aus der Filmwis‐ senschaft (vgl. z. B. Kuhn 2011) und beschreiben dort das Verhältnis zwischen dem Erzähler und den Figuren. Der Grad der Fokalisierung bzw. Okularisierung differenziert sich durch den Unterschied im Wissensstand bzw. in der Wahr‐ nehmung von Erzähler und Figuren: Weiß der Erzähler mehr, weniger oder genau so viel wie die Figuren bzw. kann der Erzähler mehr, weniger oder genauso viel wie die Figuren wahrnehmen. Der Erzähler kann den Figuren somit überlegen (Nullfokalisierung/ Null-Okularisierung), gleichgestellt (interne Fo‐ kalisierung/ Okularisierung) oder unterlegen (externe Fokalisierung/ Okulari‐ sierung) sein (vgl. Kuhn 2011, 124). Im Gegensatz zu einem Film kann in textlosen Bilderbüchern eher selten ein Erzähler ausgemacht werden, sondern die Betrachter: innen selbst müssen während der Bildkonstruktionsprozesse die Rolle des Erzählers einnehmen. Das Prinzip der Fokalisierung bei textlosen Bilderbüchern wirkt sich nach Krichel (2020) vor allem auf die individuelle Einstellung der Betrachter: innen in Bezug auf die Erzählung und die Figuren aus: „Bei der Anwendung des Fokalisierungsprinzips auf verschiedene Bilder aus text‐ losen Bilderbüchern zeigt sich, dass im Falle einer Nullfokalisierung Spannung oder Überraschung evoziert wird, da man über mehr Informationen als die Figur(en) verfügt und bestimmte Veränderungen oder Ereignisse vorhersehen kann. Wird auf einem Bild intern fokalisiert, so ist man in gewisser Weise von der jeweiligen Figur und deren visueller Informationsvermittlung abhängig; auch hier wird Spannung erzeugt, da man keine Voraussagen anstellen kann. Darüber hinaus verstärkt der gleiche Kenntnisstand die Empathie des Lesers mit der jeweiligen Figur. Die externe Fokalisierung verschafft den Figuren einen Informationsvorsprung und lässt den Leser in Ungewissheit. Dieser ungleiche Wissensstand weckt beim Leser vor allem Neugierde oder ruft in Szenen mit plötzlichen und irritierenden Veränderungen Überraschung hervor.“ (ebd. 79 f.) Mit dem Informationsvorsprung der Figuren als Auswirkung der externen Fokalisierung verweist Krichel (2020) auf eine weitere Herausforderung, die sich auf die umfassende Wahrnehmung der erzählten Welt auswirken könnte. Steht den Betrachter: innen bei einer externen Fokalisierung nicht ausreichend Wissen über die erzählte Welt zur Verfügung, können sie die Zusammenhänge der erzählten Welt nicht im vollen Umfang konstruieren. Ein umfassendes Wissen und eine umfassende Wahrnehmung sind demnach für eine Erzählgestaltung zu narratoästhetischen Bildern von Bedeutung. Eine externe Fokalisierung und auch Okularisierung würden dazu führen, dass dem Erzählenden die Konstruktion einer kohärenten Erzählwelt erschwert wird. 46 2 Narratoästhetische Bilder Weiterführend greift Krichel (2020) zum Ausdruck einer visuellen Narration die bildkompositorischen Aspekte Blickwinkel und Einstellung auf. In der soziosemiotischen Bildanalyse werden diese bildkompositorischen Merkmale auch zur Differenzierung zwischen mehrdeutigen und eindeutigen Bildern her‐ angezogen. Kress/ van Leeuwen (2006) nennen den Aspekt der „attitude“ (ebd. 149). Mehrdeutige Bilder können Filmausschnitte, Fotographien und Gemälde sein. Diese erzeugen immer eine subjektive Haltung beim Betrachten, wohin‐ gegen eindeutige Bilder wie Diagramme oder Landkarten keinen Freiraum für Interpretationen bieten und objektiv betrachtet werden. Relevant für das Auslösen einer mehrdeutigen Haltung sind nach Kress/ van Leeuwen (2006) die Involviertheit und die Machtempfindung (vgl. ebd. 149 ff.). Die Involviertheit wird durch die bildkompositorischen Merkmale der Ein‐ stellung verstärkt. Entscheidend für eine Analyse der Einstellung im Bild ist nach Schüwer (2002) die Unterscheidung zwischen einem Systemraum und Aggregatraum. Der Systemraum gibt das gesamte Setting der Erzählung wieder und der Aggregatraum repräsentiert lediglich einzelne Ausschnitte (vgl. Krichel 2020, 83). Eine weite Einstellung auf das Bild ermöglicht eine räumliche Übersicht und bildet den gesamten Systemraum ab (weite Ansicht). Eine stark begrenzte Einstellung fokussiert eine detailreiche Abbildung einer Sequenz. Das Dargestellte kann lediglich einem geringen Ausschnitt des Aggre‐ gatraums entsprechen (Detail-Ansicht). Durch mehrere Abstufungen kann der Grad der Distanz von einer weiten Ansicht zur Detail-Ansicht immer weiter ausdifferenziert werden (vgl. Krichel 2020, 84). Die Ausprägung der Distanz der Betrachter: innen wirkt sich auf die emotionale Involviertheit aus. Eine größere Distanz vereinfacht es den Betrachter: innen, sich von dem Dargestellten mental zu entfernen: „Untersucht man die verschiedenen Perspektiven und Ansichten in Hinblick auf die Beziehung zwischen dem Leser und den jeweils dargestellten Figuren sowie die Bezie‐ hung zwischen den dargestellten Figuren, so lässt sich in vielen Fällen beobachten: je näher die Ansicht, desto mehr Intimität wird zwischen der jeweiligen Figur(engruppe) und dem Leser hergestellt und desto eher wird Identifikation ermöglicht. Durchgängig mittlere Distanz verhindert dagegen eine persönliche Beziehung. […] Betrachtet er dagegen das Setting von oben aus weiter Distanz, reduziert sich die emotionale Anteilnahme.“ (Krichel 2020, 83 f.) Zur Unterscheidung der Involviertheit bei der Interaktion von Bild und Be‐ trachter: innen berücksichtigen Kress/ van Leeuwen (2006) nicht nur die Einstel‐ lung auf ein ganzes Bild, sondern auch die Ausrichtung der visuellen Elemente im Bild. Sind die visuellen Elemente frontal auf den Betrachter gerichtet, so wird 47 2.2 Gestaltung narratoästhetischer Bilder der Betrachter persönlicher miteinbezogen und stärker involviert (involvement). Sind die visuellen Elemente nicht auf den Betrachter gerichtet, sondern seitlich oder nach hinten orientiert, so ist der Betrachter weniger involviert (detachment) (vgl. ebd. 135 ff.). Bei der Einstellung sind somit die Nähe bzw. Distanz zum Bild und die Ausrichtung der einzelnen Objekte im Bild von Bedeutung. Eine starke Invol‐ viertheit ist durch die Nähe zum Bild und die frontale Ausrichtung der visuellen Elemente auf den Betrachter bestimmt. Eine stärkere Involviertheit führt zu einer selektiven und subjektiven Wahrnehmung, die den Betrachter: innen bei der Rekonstruktion der erzählten Welt die Berücksichtigung aller visuellen Elemente erschweren kann. Für die Bildkomposition in Bezug auf den Blickwinkel können nach Krichel (2020) verschiedene Abstufungen zwischen einem Blick von oben (Vogelper‐ spektive) und einem Blick von unten (Froschperspektive) auf das Bild getroffen werden (vgl. ebd. 85). Eine Vogelperspektive ermöglicht eine Übersicht über die Geschehnisse, sodass sich die Betrachter: innen über dem Dargestellten wahrnehmen. Im Gegenteil dazu lässt eine Froschperspektive das jeweils Dar‐ gestellte größer wirken, sodass sich die Betrachter: innen bei der perspektivi‐ schen Darstellung von unten dem Dargestellten unterlegen wahrnehmen. Die bildkompositorische Einstellung wirkt sich somit auf die Beziehung zwischen dem Dargestellten und den Betrachter: innen aus (vgl. ebd.). Entsprechend der Soziosemiotik, dass Bildproduzent: innen und Bildrezipient: innen durch das Bild interagieren, sprechen Kress/ van Leeuwen (2006) durch den Grad des Blickwinkels von dem Erzeugen eines Machtverhältnisses bzw. dem „view of power“ (ebd. 140). Der Blickwinkel differenziert die Höhe des Standpunktes, von dem ausgehend die Betrachter: innen auf das Bild schauen. Die Höhe des Stand‐ punktes ist dabei eine Empfindung der Betrachter: innen. Führt der Blickwinkel dazu, dass die Höhe des Standpunktes von den Betrachter: innen als sehr hoch empfunden wird, wird gleichzeitig ein Machtgefühl evoziert (viewer power). Ist der Blickwinkel gradlinig, wird der Standpunkt auf einer gleichen Höhe zum Bild nachempfunden. Dementsprechend ist auch das Machtempfinden gleich‐ rangig (equality). Wird die Höhe des Standpunktes als sehr tief wahrgenommen, empfinden sich die Betrachter: innen unterlegen (representation power) (ebd. 140 ff.). Die verschiedenen Ausrichtungen des Blickwinkels geben demnach nicht nur Aufschluss über mögliche Wirkungen beim Lesen, sondern können in einem interaktionalen Verständnis auch die Bildverstehensprozesse bestimmen: Die Empfindung eines stärkeren Machtgefühls bei der Betrachtung von Bildern geht damit einher, dass sich die Betrachter: innen während der Bildverstehen‐ 48 2 Narratoästhetische Bilder sprozesse tendenziell stärker in die Interaktion mit den visuellen Bildelementen einbringen. Aus der Interaktion mit visuellen Bildelementen resultieren Denk- und Interpretationsprozesse, die für die Konstruktion einer erzählten Welt von Bedeutung sind. Das würde bedeuten, dass eine von oben ausgerichtete Perspek‐ tive auf narratoästhetische Bilder zielführend ist, um individuelle Denk- und Interpretationsprozesse bei der Konstruktion der erzählten Welt anzustoßen. 2.2.1.2 Bildkompositorische Narrationsmarker Bildkompositorische Narrationsmarker zum Ausdruck einer visuellen Narration zeichnen sich durch strukturelle und formale Merkmale aus und können sowohl innerhalb eines Bildes vorkommen oder aber auch in der Verbindung der aufeinanderfolgenden Bilder markiert sein. Krichel (2020) differenziert für textlose Bilderbücher unter den Begriffen der „event structure“ (ebd. 88) und der „narrative structure“ (ebd. 89) bildkompositorische Merkmale in der Einzelbild‐ gestaltung sowie der bildverknüpfenden Gestaltung, die eine kohärente Abfolge der Handlungsstruktur in der erzählten Welt forcieren. In einem Einzelbild können zur event structure entweder eine oder mehrere Handlungen abgebildet werden. Wird lediglich eine Handlung wiedergegeben, kann diese entweder im vollen Umfang oder nur in Ausschnitten repräsentiert werden. Eine weitere Möglichkeit der Einzelbildgestaltung ist die Darlegung eines Gegenstandes, von dem aus eine Handlung impliziert wird (ebd. 88 f.). Mit der bildverknüpfenden Gestaltung wird die narrative structure zwischen aufeinanderfolgenden Bildern als Bildwechsel beschrieben. Bei einem Bild‐ wechsel können einerseits in Bezug auf die Raumdarstellung und die Zeitabfolge Sprünge vollzogen werden. Der Bild-zu-Bild-Wechsel beeinflusst damit die räumliche und zeitliche Kohärenz. Eine weitere Möglichkeit beim Wechsel zu einem nächsten Bild kann in den Figuren begründet sein. In diesem Fall kann ein Bildwechsel zum einen durch die Handlungen einer Figur bestimmt sein. Zum anderen kann mit dem Bildwechsel auch ein Perspektivwechsel zu einer anderen Figur erfolgen. In diesem Fall wird in der Regel der gleiche Zeitpunkt repräsentiert. Als letzte Möglichkeit kann ein Bildwechsel auch in keinem inhaltslogischen Zusammenhang bestehen (ebd. 89 f.). „Die verschiedenen Formen der Bild-zu-Bild-Wechsel sind auch in textlosen Bilder‐ büchern zu beobachten und haben einen großen Einfluss auf die Dramaturgie und das Spannungspotenzial der visuellen Narration. Je häufiger die Bild-zu-Bild-Wechsel variieren, desto dynamischer gestaltet sich der Handlungsablauf und desto mehr Spannung wird erzeugt. Dagegen erleichtern gleichbleibende Bild-zu-Bild-Wechsel zwar die Rezeption einer Bildsequenz, vermitteln aber auch eine gewisse Statik.“ (ebd. 89) 49 2.2 Gestaltung narratoästhetischer Bilder Formal kann sich ein häufiger Wechsel der Bilder somit auf die visuelle Narra‐ tion und den Ausdruck von Spannung auswirken. Spannung ist vor allem im Zusammenhang mit dem Höhepunkt der Erzählung als strukturelles Merkmal von Bedeutung und kann damit bei der Konstruktion der erzählten Welt die Berücksichtigung einer narrativen Struktur unterstützen. Als ein weiteres bildkompositorisches Gestaltungsmerkmal zum Ausdruck einer visuellen Narration gibt Krichel (2020) die Darstellung von Bewegungen an. In der Bildkomposition unterscheidet sich die Bewegungsdarstellung zwi‐ schen einer waagerechten oder senkrechten Ausrichtung, die eher eine ruhigere Wirkung erzeugt, und der diagonalen bzw. schrägen Ausrichtung, wodurch die Abläufe dynamischer wahrgenommen werden (ebd. 102 f.). Funktional wirken sich dynamische Bewegungen auch auf den Ausdruck von Spannung aus. In der Kunstwissenschaft spielen in diesem Zusammenhang auch Elemente der bildlichen Dimension nach Staiger (2019) eine Rolle. Vollmer (2004) führt neben der Ausrichtung auch die Kontraststärke, Farbgestaltung und Bildschärfe an: „Möchte ich - um ein ganz einfaches Beispiel zu bringen - Ruhe, Tiefe und Entspan‐ nung zeigen, wähle ich horizontale Linienführung, gedeckte Farben und harmonische Formen. Der Horizont vermittelt keine Bewegung, die richtige Farbwahl wie Blau (Himmel) oder grün [sic.] (Natur) beruhigt und z. B. runde Formen symbolisieren Aus‐ gewogenheit und Geschlossenheit. Ich fotografiere eher mit einem schwachen Weit‐ winkel, einem normalen Standpunkt aus Augenhöhe und mit hoher Tiefenschärfe. Will ich im umgekehrten Fall Leben, Spannung und Dynamik zeigen, werde ich einen gekippten Horizont, hohe Kontraste und kräftige Farben bevorzugen. Vielleicht mit einem starken Weitwinkel oder Teleobjektiv und einem extremen Standpunkt werde ich partielle Schärfe nutzen, um der Aufnahme Leben und Bewegung zu geben.“ (Vollmer 2004, 22) Weiterführend leitet Krichel (2020) aus der Comicforschung ab, dass ein häu‐ figer Wechsel des Bildhintergrunds bei zwei aufeinanderfolgenden Bildern die Dynamik verstärken kann (vgl. ebd. 103). Die dargestellten Bewegungen sowie die Handlungskohärenz in den Bildwechseln müssen während des Wahrneh‐ mungsprozesses von den Betrachter: innen zur Konstruktion einer erzählten Welt nachvollzogen werden. Ergeben sich in dem Ablauf dabei Leerstellen oder Uneindeutigkeiten, müssen diese selbstständig von den Betrachter: innen gefüllt werden, wodurch die Erfassung der erzählten Welt erschwert wird: „Bei dargestellten Bewegungsabläufen, die sich über mehrere Einzelbilder oder Seiten erstrecken, gilt es die Leerstellen zwischen den einzelnen Bewegungsmomenten mental auszufüllen und - auf der Grundlage der eigenen Bewegungserfahrungen - imaginativ zu einem fließenden Bewegungsablauf zusammenzufügen.“ (ebd. 103 f.) 50 2 Narratoästhetische Bilder Für die Verarbeitung narratoästhetischer Bilder bedeutet dies, dass wenige Leerstellen in den Bewegungsabläufen und eine nachvollziehbare Handlungs‐ kohärenz bei den Bildwechseln den Konstruktionsprozess einer erzählten Welt vereinfachen können. 2.2.1.3 Inhaltliche Narrationsmarker Ein letzter Aspekt zum Ausdruck einer visuellen Narration sind inhaltliche Narrationsmarker, die im Kontext des gesamten narratoästhetischen Bildes als Fiktionsmarker interpretiert werden können. Bei inhaltlichen Narrationsmar‐ kern handelt es sich um visuelle Elemente an der Bildoberfläche, die durch den Rückgriff auf Visual Literacies als ein Ausdruck von Fiktion wahrgenommen werden können. Während Texte sprachliche Markierungen zum Ausdruck von Fiktion nutzen können (wie z. B. der Ausdruck es war einmal), muss der Grad der Fiktion in Bildern ausschließlich durch visuelle Elemente bestimmt werden. Als mögliche visuelle Elemente nennt Krichel (2020) u. a. die Darstellung der Figuren und das Vorkommen von Leitmotiven. Bei der Figurendarstellung können z. B. tierische Figuren mit menschlichen Zügen (z. B. handelnde Tiere) oder menschliche Figuren mit phantastischen Eigenschaften (z. B. hexende Kinder) den Fiktionalitätsgehalt der erzählten Welt verstärken (ebd. 112 f.). Zur Verstärkung der Fiktion fungieren außerdem Leitmotive, die als immer wiederkehrende Symbole oder Objekte den Handlungsverlauf des textlosen Bilderbuchs rahmen. Dabei verhelfen sie den Betrachter: innen zur Zusam‐ menhangserschließung bei der Konstruktion der erzählten Welt. Die immer wiederkehrenden Elemente erzeugen einen fiktiven roten Faden, der die Ver‐ bundenheit der erzählten Welt verstärkt: „Sie entschlüsseln die latenten Gehalte und Ambivalenzen der Bilder, motivieren den Leser zur kontextgebundenen und detaillierten Auseinandersetzung mit dem visuellen Angebot und markieren den fiktionalen Gehalt der dargestellten Welt“ (ebd. 112). Spezifisch für fiktive Geschichten sind außerdem prototypische Muster, die häufig in einem literarischen Kontext auftauchen (z. B. die Unterscheidung von Gut und Böse oder die Moral in einer Geschichte). Nikolajeva (2012) spricht in diesem Zusammenhang von referential codes. Die Interpretation eines referential codes (z. B. eine Figur als den Bösen) führt dazu, dass die literarischen Strukturen der gesamten Erzählung interpretiert werden können. Um visuelle Elemente als referential codes zu erkennen, greifen die Betrachter: innen auf bereits bekannte literarische Muster zurück (ebd. 18 f.). Für die Interpretation referential codes benötigen die Betrachter: innen demnach ein hohes Maß an Visual Literacies. Nikolajeva (2012) spricht speziell in dem Kontext der Bilderbuchinterpretation auch von einer „Intervisual literacy“ (ebd. 39): 51 2.2 Gestaltung narratoästhetischer Bilder 6 Wichtig ist hier zu unterscheiden zwischen Wahrnehmung und Interpretation. Text‐ liche Fiktionsmarker werden beim (Vor-)Lesen auf jeden Fall wahrgenommen, können aber gegebenenfalls nicht interpretiert werden. Bei visuellen Fiktionsmarkern kann sogar die Wahrnehmung nicht sichergestellt sein. „Intervisual literacy is a matter of training. Extensive exposure to picturebooks, as well as other texts, verbal and visual, historical and contemporary, highbrow and mass-market related, stimulates readers to make connections between texts, recognize visual allusions, acknowledge recurrent features in picturebooks by the same author, and not least appreciate parodic play.“ (ebd.) Wie bei den referential codes ist auch für die anderen inhaltlichen Narrations‐ marker ein Rückgriff auf individuelle Visual Literacies entscheidend, um den Fiktionalitätsgehalt der erzählten Welt wahrzunehmen. Damit stoßen inhalt‐ liche Narrationsmarker im hohen Maß Deutungs- und Interpretationsprozesse bei den Betrachter: innen an, die während der Konstruktion der erzählten Welt die Unterscheidung zwischen real und fiktiv beeinflussen: „In textlosen Bilderbüchern kann der Realitätsanspruch der dargestellten Inhalte allein durch die visuellen Hinweise erfasst werden und hängt maßgeblich von der Wahrnehmung und Deutung des jeweiligen Lesers ab. […] Dabei kann der Modus der visuellen Präsentation einen wesentlichen Einfluss auf die Wahrnehmung des Dargestellten als realistisch oder unrealistisch nehmen.“ (Krichel 2020, 108) Für die Verarbeitung narratoästhetischer Bilder liegt in dem Vorkommen in‐ haltlicher Narrationsmarker damit ein hohes Potential, die Konstruktion einer erzählten Welt stärker fiktiv auszurichten. 6 2.2.2 Gestaltungsmöglichkeiten der erzählten Welt Anhand des fünfdimensionalen Analysemodells nach Staiger (2019) konnte heraus-gestellt werden, dass für die Gestaltung narratoästhetischer Bilder neben der visuellen Narration die visuelle Gestaltung der Handlungen, der Räume und der Figuren entscheidend ist. Detailliert auf die Zusammenhänge der visuellen Darstellung der einzelnen Kategorien und der Konstruktion der erzählten Welt geht Kurwinkel (2017) auf Mikroebene der Bilderbuchanalyse ein und unterscheidet jeweils die Histoire und Discours. Eine Unterscheidung von Histoire und Discours für jede der einzelnen Kategorien ermöglicht es, die Zusammenhänge zwischen der visuellen Gestaltung der Kategorien im Bild und möglichen mentalen Repräsentationen der Handlungen, Räume und Figuren einer erzählten Welt zu verdeutlichen. 52 2 Narratoästhetische Bilder 7 Der strukturelle Aufbau von Erzählungen spielt vor allem bei der schriftlichen Erzähl‐ textgestaltung eine Rolle, sodass auf diesen ausführlich in dem dritten Kapitel der Arbeit eingegangen wird. 2.2.2.1 Handlungsdarstellung Die Histoire der Handlung einer erzählten Welt wird nach Kurwinkel (2017) in einem globalen Handlungsschema von Orientierung, Komplikation und Auflösung repräsentiert. Das Handlungsschema einer Erzählung ist auf die Forschung von Labov/ Waletzky (1967 [1973]) zurückzuführen. 7 Die Histoire der Handlung einer erzählten Welt zeichnet sich demnach durch den Aufbau und die Struktur der Handlung aus. Kurwinkel (2017) unterscheidet zur Darstellung der Handlung an der Bild‐ oberfläche (Discours) zunächst, ob ein Handlungsstrang oder mehrere Hand‐ lungsstränge visualisiert werden (vgl. ebd. 81 f.). Dabei wird berücksichtigt, welche als Hauptbzw. Nebenhandlung deklariert werden. Dazu kann auf einem Bild jeweils eine einzelne Handlung oder mehrere Handlungen dargestellt werden. Bilder mit einzelnen Handlungen werden als monoszenisch bezeichnet. Pluriszenische Bilder zeichnen sich durch die Visualisierung mehrerer Hand‐ lungen aus (ebd. 82 f.). Spezifische Visualisierungsformen zum Ausdruck der Handlungen im Bild greift Nikolajeva (2012) durch die Unterscheidung von proairetic codes und hermeneutic codes auf. Unter proairetic codes werden visuelle Elemente gefasst, die einzelne Hand‐ lungen abbilden und eine Folgehandlung implizieren können. Von Bedeutung sind proairetic codes, um die zeitliche und kausale Kohärenz der Ereignisse innerhalb der erzählten Welt zu verstehen. Entscheidend sind dabei vor allem Wendepunkte der Erzählung (ebd. 28 f.). Nikolajeva (2012) bezeichnet tempo‐ rale oder kausale Wendepunkte in einer Erzählung sogar als ein spezifisches Gestaltungsmerkmal zur Markierung von Fiktion: „Both temporal and causal aspects are deliberately stronger in narratives than in real life; it is a part of the artistic design. In fact, the stronger these aspects are, the higher the degree of narrativity.“ (ebd. 29). Darüber hinaus können durch die Interpretation von proairetic codes auch Figurenaktionen und -reaktionen nachvollzogen werden. Markierend ist für proairetic codes vor allem, dass sie Handlungen eindeutig und explizit visuali‐ sieren. Im Gegensatz dazu kann bei der bildlichen Darstellung der Handlungs‐ aufbau auch implizit dargestellt werden. Nikolajeva (2012) spricht in diesem Zusammenhang von hermeneutic codes. Diese entsprechen visuellen Elementen, die Leerstellen und Rätsel im Handlungsverlauf eröffnen (z. B. Figuren, die auf eine Falle zulaufen). Zusätzlich können hermeneutic codes auch durch den Hintergrund bzw. das Setting der Geschichte abgebildet werden: So setzt z. B. 53 2.2 Gestaltung narratoästhetischer Bilder ein Wechsel der Himmelfarbe eine Veränderung im zeitlichen Handlungsablauf voraus. Nikolajeva (2012) stellt für hermeneutic codes bei der Unterscheidung zwischen verbalen und visuellen Elementen heraus, dass eine rein visuelle Darstellung komplexer ist und die Interpretationsmöglichkeiten deutlich größer sind (vgl. ebd. 32). Demnach scheint eine visuelle Darstellung der Handlung mit zahlreichen hermeneutic codes komplexer, da diese Leerstellen und Rätsel im Handlungsverlauf aufwerfen. Zusammenfassend kann sowohl durch proairetic codes als auch hermeneutic codes die Handlung der erzählten Welt visualisiert werden. Die explizite Realisierung einzelner Handlungen erfolgt durch proairetic codes und deren Interpretation erzeugt eine globale Kohärenz der Erzählung. Hermeneutic codes fokussieren Leerstellen im Handlungsverlauf und realisieren implizit Ereignisse des Handlungsverlaufs. Deren Interpretation ist zwar komplexer und erfordert einen stärkeren Rückgriff auf Visual Literacies, bietet dafür aber einen größeren Deutungs- und Interpretationsspielraum. 2.2.2.2 Raumdarstellung Bei der Analyse des Raums in Bilderbüchern grenzt Kurwinkel (2017) erzählte Räume von erzählenden Räumen ab. Erzählte Räume sind als mentale Reprä‐ sentationen Teil der erzählten Welt und können angelehnt an Piatti (2009) als literarisierte oder fingierte Räume vorkommen (vgl. Kurwinkel 2017, 95). Erzählende Räume zeichnen sich durch eine spezifische Gestaltung aus und werden funktional zum Ausdruck der erzählten Räume eingesetzt: „Bei der Analyse des Raumes als textinterner Aspekt der Mikroanalyse geht es auf Ebene der histoire um die Konzeption und Struktur erzählter Räume - auf Ebene des discours um die Art und Weise ihrer Darstellung als erzählende Räume. Diese weisen einen nicht bloß omamentalen Charakter auf, sondern auch eine Erzählfunktion, die gedeutet werden kann.“ (ebd. 94) Die erzählten Räume markieren demnach die Histoire und die erzählenden Räume den Discours. Die erzählten Räume unterscheiden sich nach Kurwinkel (2017) in dem Bezug zur realen Welt zwischen literarisierten Räumen und fingierten Räumen. Literarisierte Räume in Bilderbüchern entsprechen einem Raum der realen Welt (z. B. ein Bilderbuch über die Stadt Hamburg). Fingierte Räume sind frei erfundene Räume, die nicht als direktes Abbild der realen Welt gelten. Allerdings können fingierte Räume die Konzeptionen und Struk‐ turen der realen Welt übernehmen. In diesem Fall werden sie als realistische Räume bezeichnet (z. B. die Landschaft und das Haus in Oh, wie schön ist Panama). Enthält ein fingierter Raum andererseits keine Elemente, die Bezug 54 2 Narratoästhetische Bilder zur realen Welt aufweisen, werden diese als fantastische Räume bezeichnet (z. B. ein Dorf mit fliegenden Häusern). Erzählte Räume können demnach durch die Übereinstimmung realexistierender Konzeptionen und Strukturen unterschieden werden (ebd. 95). Kurwinkel (2017) weist darauf hin, dass die Wahrnehmung literarisierter Räume als fiktive Welt gerade für Kinder eine besondere Herausforderung darstellt, da die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen (ebd. 95). In diesem Zusammenhang kann angenommen werden, dass erzählte Räume mit wenig Übereinstimmungen zu realexistie‐ renden Konzeptionen und Strukturen von Kindern leichter als fiktive Welt wahrgenommen werden können. Das Ausmaß realexistierender Konzeptionen und Strukturen erzählter Räume spiegelt sich in der visuellen Gestaltung der erzählenden Räume wider, sodass sich die Gestaltungsmerkmale erzählender Räume durch den Grad an realistischen Konzeptionen und Strukturen aus‐ zeichnen. Zusätzlich spielt die Ausschmückung für die Raumdarstellung eine entschei‐ dende Rolle. Ein Raum muss so ausschmückend gestaltet sein, dass die Be‐ trachter: innen durch Visual Literacies angestoßen werden, einen fantastischen Raum zu konstruieren. Staiger (2019) spricht bei der Bilderbuchanalyse von semantisierten Räumen. Diese können von Räumen als Kulissen, die lediglich zur Figurencharakterisierung beitragen, abgegrenzt werden: „Der erzählte Raum wird im Bilderbuch in der Regel im Bild dargestellt, dies kann mehr oder weniger detailliert erfolgen und mit unterschiedlichen Funktionen: Teilweise dient der dargestellte Schauplatz lediglich als Kulisse, er kann jedoch zur Figurencha‐ rakterisierung beitragen oder semantisiert sein, also mit bestimmten Werten oder Vorstellung verbunden.“ (Staiger 2019, 17) Eine semantisierende Raumgestaltung ermöglicht somit Freiraum für individu‐ elle Deutungen und Interpretationen und die Möglichkeit zur mentalen Kon‐ struktion eines fantastischen Raums. Im Gegensatz dazu zielt die Verwendung des Raums als Kulisse nicht darauf ab, Deutungs- und Interpretationsprozesse anzustoßen. Im Gegenteil ist der Raum hier lediglich auf einen Hintergrund für Handlungen oder Figurenbeschreibungen reduziert. Für die narratoästhetische Bildgestaltung sind somit die Nähe zu realistischen Konzeptionen und Strukturen und der Grad der Semantisierung entscheidend, um die Konstruktion einer mentalen Repräsentation des Raums zu differen‐ zieren. 55 2.2 Gestaltung narratoästhetischer Bilder 2.2.2.3 Figurendarstellung Bei der Bilderbuchanalyse führt Kurwinkel (2017) zur Darstellung von Figuren in einer erzählten Welt den Aspekt der Figurenkonzeption als Histoire an (ebd. 86). Darunter können die Verknüpfungen der Figuren innerhalb der erzählten Welt mit spezifischen Rollenzuweisungen verstanden werden. Ein Figurenkonzept der erzählten Welt differenziert zwischen Haupt- und Nebenfi‐ guren und kann dementsprechend unterschiedlich komplex sein (vgl. ebd. 87). Außerdem kann bei der Figurenkonzeption zwischen individualisierten Figuren und typisierten Figuren unterschieden werden. Die Konzeption typisierter Figuren kann durch Alters-, Geschlechts- und Berufszuweisungen erfolgen. Mit typisierten Figuren gehen gewisse Deutungsmuster einher, sodass der Interpretationsprozess bereits gelenkt wird und wenig Freiraum für eigene Deu‐ tungsmuster lässt. Individualisierte Figuren hingegen können nicht aufgrund von Zuweisungen interpretiert werden, dadurch ist der Wahrnehmungsprozess zwar anspruchsvoller, bietet aber auch mehr Möglichkeiten zur individuellen Interpretation (ebd. 88). An der Bildoberfläche kann das Figurenkonzept der erzählten Welt durch die Darstellung der Figurenmerkmale, Figurencharakterisierung und der Figu‐ renemotionen zum Ausdruck kommen. Nikolajeva (2012) spricht bei visuellen Verweisen auf Figuren von semi codes und stellt die besondere Herausforderung einer bildlichen Darstellung von Figuren heraus: In einer bildlichen Darstellung können der Name oder das Alter der Figur nicht konkret genannt werden, sodass Größe und Aussehen der visuell abgebildeten Figuren durch eine ungefähre Einordnung des Alters und eine Zuweisung einer Figurenrolle möglich ist (z. B. durch Mutter/ Tochter) (vgl. ebd. 36). Staiger (2019) und Krichel (2020) weisen in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass visuelle Figurenmerkmale zur Interpretation von Alter und Rolle der Figur schon auf den ersten Blick zu einer Sympathie oder Antipathie bei den Betrachter: innen führen können. Die individuellen Empfindungen werden dabei durch Visual-Literacy-Erfahrungen oder durch Assoziationen zur Lebenswelt ausgelöst. „So wie im Volksmund der ,erste Eindruck‘ zählt, kann auch der erste Eindruck von einer visuell dargestellten Figur durch die Zuschreibung bestimmter Eigenschaften über die Sympathie und/ oder Antipathie des Lesers entscheiden (vgl. Anz 2007, 125). Je nachdem welche Konnotationen er mit spezifischen Merkmalen verbindet, kann es bereits bei der ersten Gegenüberstellung zu Bewertung und Gefühlen der Ab- oder Zuneigung kommen. Diese können mit literarisch-fiktionalen Vorerfahrungen verknüpft sein, z. B. wenn eine Figur durch eine krumme Nase oder einen Buckel äußerliche Gemeinsamkeiten mit einer Hexe aufweist, oder auf Analogien zu realen 56 2 Narratoästhetische Bilder Personen, Gegenständen oder Tieren beruhen, z. B. wenn eine abgebildete Frau der eigenen Mutter ähnlich sieht.“ (Krichel 2020, 95) Visuelle Figurenmerkmale können somit einen erheblichen Einfluss auf die individuelle Wahrnehmung der Fiktionalität der Figuren nehmen. Nikolajeva (2012) bestimmt den Grad der Fiktionalität bei der Figurengestaltung durch den „impossible space“ (ebd. 34) - also dem Gestaltungsausmaß des Möglichen - und führt die Unterscheidung von menschlichen und tierischen Figuren an. Weiterführend greift Krichel (2020) neben Figurenmerkmalen noch die Fi‐ gurencharakterisierung auf, die durch drei Formen der Figurendarstellung differenziert werden kann: eine minimalistische, generische oder naturalistische Darstellungsform (vgl. 97). Die minimalistische Figurendarstellung beschränkt sich auf einfache Strichfiguren und fokussiert keine starke Zuschreibung von Charakterzügen. Bei einer generischen Darstellung der Figuren werden stereo‐ typische Abbildungen und damit möglichst eindeutige Zuschreibungen fokus‐ siert (z. B. ein Polizist). Eine naturalistische Figurendarstellung ist eine möglichst detailreiche aber offene Darlegung der Figuren, um es den Betrachter: innen zu ermöglichen, die Figuren möglichst individuell zu charakterisieren. In vielen Bilderbüchern überwiegt eine generische Darstellung der Figuren, die eine emotionale Involviertheit der Betrachter: innen evoziert und so Deutungs- und Interpretationsfreiräume eröffnet. Bei der generischen Figurendarstellung können sowohl tierische als auch menschliche Figuren angeführt werden (vgl. ebd.). Krichel (2020) stellt aber heraus, dass gerade tierische Figuren den Aufbau einer mentalen Distanz zur erzählten Welt und somit auch die Erschließung der visuellen Narration vereinfachen: „In der phantastischen Literatur helfen sie [tierische Figuren], die Handlung und die Beziehung der Charaktere untereinander aus der Distanz zu betrachten. Insgesamt bleibt zu betonen, dass Tierfiguren in ihrer Anlage grundsätzlich mehr Interpre‐ tationsspielraum von Seiten des Lesers zulassen und die Identifikation deutlich erleichtern, als es z. B. realistische Menschenfiguren, die in ihrem Geschlecht, ihrem Alter, ihrer sozialen Klasse etc. eindeutig definiert sind, der Fall ist. In dieser Hinsicht eigenen sich Tierfiguren besonders für Bilderbücher ohne Erzähltext und Figurenrede, bei denen der Inhalt und auch die Figurencharakterisierung ausschließlich durch das visuell Dargestellte erschlossen werden soll.“ (ebd. 97) Bei einer narratoästhetischen Figurengestaltung erscheinen demnach für die Figurencharakterisierung generische und spezifischer tierische Figurendarstel‐ lungen mit Freiräumen für Deutungs- und Interpretationsprozesse bedeutend. Eng verknüpft mit der Figurencharakterisierung sind Gestaltungsmerkmale zum Ausdruck der Figurenemotionen. Diese zeichnen sich durch die Mimik 57 2.2 Gestaltung narratoästhetischer Bilder und Gestik der Figuren aus (vgl. ebd. 101). Krichel (2020) unterscheidet dazu „emotionale Schemata“ (ebd. 100) und „emotionale Scripts“ (ebd. 101). Von emotionalen Schemata kann gesprochen werden, wenn eine Figur losgelöst von den Ereignissen in der erzählten Welt emotional verstärkt dargestellt wird, z. B. als besonders böse oder ängstlich (vgl. ebd. 100). Die Interpretation eines emotionalen Schemas ist aufgrund einer Allgemeingültigkeit losgelöst von dem Handlungsverlauf der erzählten Welt möglich. Bedeutend ist allerdings das individuelle Wissen über Emotionen. In der empirischen Forschung zu Emotionen nimmt neben dem eigenen Wissen der kulturelle Kontext, in dem das Wissen über Emotionen erworben wird, eine bedeutende Rolle ein: „Das Wissen, das wir über Emotionen erworben haben, enthält individuelle und kollektive Anteile. Unser kollektives Wissen wird unter anderem im Emotionslexikon widergespiegelt, das ein Kategorisierungssystem für Emotionen ist. Vielerlei Belege aus ethnographischen Materialien zeigen, daß die Emotionsterminologie von Kultur zu Kultur beträchtlich variiert, obwohl es weitgehende Überschneidungen zu geben scheint, die einen gemeinsamen Kern begründen.“ (Deighton/ Traue 2003, 242) In Bezug auf die Gestaltung emotionaler Schemata in narratoästhetischen Bildern bedeutet dies, dass Emotionen immer mit Blick auf den kulturellen Kontext der Betrachter: innen dargestellt werden sollten. Gleiches gilt nach Krichel (2020) auch für emotionale Skripts. Diese stellen neben dem kulturellen Aspekt allerdings eine weitere Herausforderung im Interpretationsprozess dar. Emotionale Skripts sind situationsspezifische Gefühlszustände einer Figur, die durch andere Figuren oder Objekte in der erzählten Welt ausgelöst werden, z. B. wenn eine Figur aufgrund eines Feuerausbruchs ängstlich dargestellt wird (vgl. ebd. 100 f.). Emotionale Scripts können somit erst in Verknüpfung mit weiteren visuellen Elementen interpretiert werden. Zur Abgrenzung emotionaler Schemata und emotionaler Scripts unter‐ scheidet Nikolajeva (2012) zwischen dem Stimmungszustand und komplexen psychischen Zuständen der Figuren: „Images can convey the character mood or state of mend (happy, sad, angry. worried), but they have limited possibilities of representing complex mental conditions, unless we move completely from the mimetic to the symbolic level of interpretation, which takes us to the next barthes’ codes.“ (Nikolajeva 2012, 36) Nikolajeva (2012) führt im Zusammenhang mit emotionalen Figurenzuschrei‐ bungen symbolic codes an, die als Gegenstände und Elemente im Bild ein hohes Deutungspotential besitzen können. Die Interpretation dieser Codes ist immer geprägt von sozialen und kulturellen Konventionen. Symbolic codes können 58 2 Narratoästhetische Bilder auch als eine symbolische Zeichensprache zwischen Produzent: innen und Re‐ zipient: innen begriffen werden. Nikolajeva (2012) unterscheidet zwischen „uni‐ versal symbols“ (ebd. 36) und „occasional ones“ (ebd.) und differenziert damit die Relevanz der weiteren visuellen Codes für die Interpretation von symbolic codes. Allgemeingültige Symbole entsprechen in der Regel immer der gleichen Bedeutung und können losgelöst von der erzählten Welt und weiteren visuellen Codes in dem Bilderbuch interpretiert werden (z. B. eine Rose für die Liebe). Die Interpretation spezifischer Symbole bzw. occasional symbolic codes hingegen erfolgt vor dem Kontext der erzählten Welt und kann nur im Zusammenhang mit weiteren visuellen Codes erfolgen (ebd. 36 f.). So kann Regen als ein occasional symbolic code im Kontext einer spannenden Verfolgungsjagd stürmisch und bedrohlich interpretiert werden, aber bei einem besinnlichen Picknickausflug auch als warmer Sommerregen aufgefasst werden. Angeführt werden kann in diesem Zusammenhang auch die Farbwirkung von Bildern. Kurwinkel (2017) stellt heraus, dass durch die entsprechende Farbauswahl im Bild verschiedene Wirkungen erzeugt werden können (ebd. 140). Exemplarisch kann die Farbe Rot entsprechend dem Kontext zum Ausdruck von Liebe stehen, gleichzeitig aber auch gefährlich und bedrohlich wirken. Dementsprechend können occasional symbolic codes erst in Kombination mit den Handlungen, den Räumen und den Figuren angemessen interpretiert werden, weshalb die Interpretation occasional symbolic codes einen verknüpfenden Umgang der visuellen Codes voraussetzt: „It is only through convention that we interpret images of dark forests as danger; images of sailing boats as, for instance, freedom; images of storms as turbulent state of mind; images of rainbows as hope. […] On the visual level, there exist both universal symbols (rose for love, moon for sorrow or pensiveness) and occasional ones, that demand wide previous experience of artistic texts. Symbols are frequently vague and self-contradictory. Rain, for instance, can symbolize both gloom and life-briging freshness.“ (Nikolajeva 2012, 36) Der Ausdruck von Figurenemotionen und die Interpretation von symbolic codes sind demnach stark an den umgebenden Bildkontext gebunden und erfordern ein hohes Maß an Visual Literacies. 2.3 Ebenen des Narrativen in narratoästhetischen Bildern Abschließend kann der Aufbau eines narratoästhetischen Bildes durch die Darstellung der Zusammenhänge zwischen den visuellen Gestaltungsmerk‐ malen herausgestellt werden. Nikolajeva (2012) modelliert die verschiedenen 59 2.3 Ebenen des Narrativen in narratoästhetischen Bildern interpretative codes in Anlehnung an Barthes (1974) hierarchisch im Bild und berücksichtigt sowohl Gestaltungsmerkmale zum Ausdruck einer visuellen Narration als auch zur erzählten Welt: „It should be clear by now that interpretative codes are hierarchical, starting from the most elementary, the proairetic, to the most complex, the referential. Since literary competence develops gradually, this would seem to be the most natural order in training young readers in visual decoding.“ (Nikolajeva 2012, 39) Demnach differenzieren sich die Gestaltungsmerkmale narratoästhetischer Bilder durch die Komplexität der visuellen Elemente, die sich in der Interaktion mit Visual Literacies während der Bildverarbeitung zeigt. In einer Zusammen‐ führung der mentalen Bildverarbeitungsprozesse und den verschiedenen An‐ kerpunkten kann die Struktur narratoästhetischer Bilder durch drei Ebenen des Narrativen im Bild modelliert werden: Visuelle Ankerpunkte zum Ausdruck der erzählten Welt, von denen aufgrund der Bekanntheit ein automatisiertes Erkennen ausgeht, können durch einen geringen Rückgriff auf Visual Literacies erschlossen werden. Diese sind auf einer Mikroebene des narratoästhetischen Bildes zu verorten: Abb. 3: Mikroebene des Narrativen in narratoästhetischen Bildern Visuelle Ankerpunkte zum Ausdruck der erzählten Welt, die aus Neugierde oder wegen Ambiguitäten zum Anstoß von Interpretations- und Deutungsprozessen werden, setzen einen stärkeren Rückgriff auf Visual Literacies voraus. Diese visuellen Ankerpunkte im Bild können auf einer Mesoebene des Bildes die Narration zum Ausdruck bringen. Die visuellen Ankerpunkte zum Ausdruck der erzählten Welt auf Mikro- und Mesoebene des Bildes sind allerdings eng verknüpft und eine Zuordnung spezifischer Merkmale zu einer der beiden Ebenen kann nicht allgemeingültig getroffen werden. Das liegt darin begründet, dass die Auswahlprozesse visueller Ankerpunkte aus Neugierde neben der Gestaltung auch von den Interessen der Betrachter: innen abhängen (vgl. Kapitel 60 2 Narratoästhetische Bilder 2.1.3). Außerdem verlaufen die Verarbeitungsprozesse visueller Ankerpunkte auf Mikro- und Mesoebene nicht losgelöst voneinander ab: Um visuelle An‐ kerpunkte der erzählten Welt auf einer Mesoebene durch einen handelnden Umgang mit Visual Literacies zu interpretieren, ist das automatisierte Erfassen visueller Ankerpunkte auf Mikroebene bedeutsam. Demnach sind die Über‐ gänge zwischen den beiden Ebenen zum Ausdruck der erzählten Welt fließend zu interpretieren: Abb. 4: Mikro- und Mesoebene des Narrativen in narratoästhetischen Bildern Die visuellen Ankerpunkte auf Meso- und Mikroebene können erst vor dem Hintergrund einer visuellen Narration interpretiert werden, sodass Gestaltungs‐ möglichkeiten zum Ausdruck der visuellen Narration auf einer Makroebene des narratoästhetischen Bildes liegen. Zusammenführend zeigt sich, dass der Aufbau eines narratoästhetischen Bildes durch drei Ebenen des Narrativen beschrieben werden kann, die ineinander verknüpfend verstanden werden müssen: 61 2.3 Ebenen des Narrativen in narratoästhetischen Bildern Abb. 5: Hierarchische Modellierung der Ebenen des Narrativen in narratoästhetischen Bildern 62 2 Narratoästhetische Bilder 3 Erzählen Mit dem Erzählen haben sich zahlreiche Wissenschaftsdisziplinen beschäftigt. In der linguistischen Sprachforschung wird in erster Linie das Erzählen als Sprachhandlung fokussiert (vgl. u. a. Becker/ Stude 2017, Fienemann 2006, Eh‐ lich 1983a, Rehbein 1980). Der Schwerpunkt der Literaturwissenschaft liegt vorrangig auf dem Erzähltext (vgl. u. a. Zeman et al. 2017, Iser 1991). In der sprachdidaktischen Forschung werden Erzählimpulse - gerade in visueller Form - regelmäßig als Anlass zur Beurteilung oder zum Ausbau von Er‐ zählfähigkeiten genutzt. Dabei werden strukturelle Merkmale und linguistische Ausdrücke (vgl. u. a. Uhl 2015, Augst et al. 2007, Becker 2001) bzw. literarische Sprachmuster (vgl. u. a. Schüler 2019, Augst 2010) an der Textoberfläche der Erzählungen als Analysekategorien herangezogen. Unberücksichtigt bleiben bei der Analyse der kindlichen Erzählfähigkeiten die mentalen Verarbeitungspro‐ zesse der Erzählimpulse, die als Anlass für das Verfassen eines Erzähltextes dienen. Gerade neuere Forschungen zeigen, dass das Potential von Erzählim‐ pulsen sich durchaus unterscheidet (vgl. u. a. Krichel 2020, Schüler 2019). Bei einem Vergleich von kindlichen Erzählungen kann Schüler (2019) zeigen, dass der Gebrauch an literarischen Sprachformen bei drei unterschiedlichen Erzählimpulsen variiert: „Das bedeutet zugleich, dass für mehr als ein Drittel der Kinder (38 %) das Erproben literarischer Sprachformen von der Vorgabe abhängt. Für die Konzeption von Schreib‐ aufgaben in der Schule und in der Forschung dürfte dieser Befund relevant sein.“ (ebd. 272) Auch speziell beim Erzählen zu Bilderfolgen wird die Verarbeitung der visuellen Vorlage als ausschlaggebender Aspekt für das Fehlen narrationstypischer Merk‐ male im Erzähltext genannt (vgl. Wieler 2013, Becker, 2013, Becker 2001, Bredel 2001). Dabei werden verschiedene Argumentationen angeführt, worin die Her‐ ausforderung der Verarbeitung der visuellen Vorlage liegt. Bredel (2001) nennt als Grund für fehlende Narrationsmuster das Ausbleiben einer „Entdeckung der Fiktion“ (ebd. 16). Ähnlich argumentiert auch Becker (2001, 84): „[Kinder] begreifen die Bilder nicht als Repräsentation einer fiktionalen, kohärenten Ereignisfolge, die in einer Erzählwelt stattfindet.“ Die mentale Verarbeitung der visuellen Erzählimpulse zu Beginn des Erzählprozesses scheint somit bereits eine Herausforderung darzustellen, die dann den gesamten Erzählprozess für die Erzählenden erschweren kann. Wieler (2013) führt mit Bezug auf die Ergebnisse 8 Iser (1991) spricht für die Textbeschaffenheit von dem Imaginären. Im Fokus der Forschung steht dabei der Textinhalt. Topalović/ Uhl (2014a) beziehen sich zwar auf den Begriff des Imaginären, modellieren aber die mentalen Bewusstseinshaltungen und Handlungen des Erzählenden, sodass von einem Imaginieren gesprochen wird. Diese Trennung der Begrifflichkeit wird im Folgenden übernommen, sodass bei dem Begriff des Imaginären von einer inhaltlichen Beschaffenheit ausgegangen wird. Der Begriff des Imaginierens bezieht sich auf das Handeln in mentalen Bewusstseinsräumen (z. B. in imaginierten Vorstellungsräumen). von Haueis (1999) als eine Anforderung während des Erzählprozesses die Berücksichtigung einer Perspektivenstruktur an: „Die in Haueis’ weiterer Argumentation aufgezeigten Grenzen sowohl(! ) einer auk‐ torialen als auch einer personalen Erzählperspektive beim Versuch einer sprachlich gestalteten Erzählung zur vorgegebenen Bildergeschichte unterstreichen den He‐ rausforderungscharakter einer entsprechenden Erzählaufgabe für Grundschulkinder, denen allein schon die konsequente Berücksichtigung einer selbst gewählten Erzähl‐ perspektive bei schriftlichen Textproduktionen erhebliche Schwierigkeiten bereitet“ (Wieler 2013, 258). Zusammenfassend scheinen durch die mentale Verarbeitung des Erzählimpulses als Ausgangspunkt der Sprachhandlung der gesamte Erzählprozess und somit auch die Etablierung eines Erzählkontextes bestimmt zu werden. 3.1 Etablierung von Erzählkontexten Erzählkontexte werden von Topalović/ Uhl (2014a) in Anlehnung an Iser (1991) und Sartre (1940 [1994]) als eine Trias von Realem, Imaginiertem 8 und Fik‐ tivem modelliert. Durch handlungstheoretische, kognitionspsychologische und spracherwerbstheoretische Kategorien können Unterschiede der drei Erzähl‐ kontexte aufgezeigt werden. Aus handlungstheoretischer Perspektive variieren bei den verschiedenen Erzählkontexten die Handlungsträger: innen (Produzent: innen und Rezi‐ pient: innen) und deren Involviertheit: Es können sowohl Produzent: innen und Rezipient: innen gleichermaßen am Erzählten teilnehmen (z. B. in einem direkten Dialog). Dies gilt für das Sprachhandeln in realen Erzählkontexten. Ist lediglich der Erzählende in die Erzählung involviert, gibt dieser innerhalb eines imaginierten Erzählkontextes etwas bereits Erlebtes oder Erfahrenes wieder. Topalović/ Uhl (2014a) sprechen von einem „realen, empirisch greifbaren Er‐ zähler“ (ebd. 42). In fiktiven Erzählkontexten handelt der Erzählende als ein „fiktionaler, nicht empirisch greifbarer Erzähler“ (ebd. 43), wodurch sowohl 64 3 Erzählen Rezipient: innen als auch Produzent: innen nicht in die Erzählung involviert sind. Ausgehend von dem Grad der Involviertheit der Handlungsträger: innen können verschiedene Bewusstseinsräume und mentale Zugriffe unterschieden werden. Die Bewusstseinsräume klassifizieren sich in einen realen Wahrnehmungsraum für das Sprachhandeln in realen Erzählkontexten, einen imaginierten Vorstel‐ lungsraum für das Sprachhandeln in imaginierten Erzählkontexten und einen fiktionalen Vorstellungsraum für das Sprachhandeln in fiktiven Erzählkon‐ texten (ebd.). Der mentale Zugriff auf die Erzählung kann nach Topalović/ Uhl (2014a) durch den Grad der Teilhabe differenziert werden: „[U]nd zwar je nachdem, ob die Handlungsträger gemeinsames Wissen teilen (ge‐ teilter mentaler Zugriff), der Hörer/ Rezipient, die Welt des Erzählers aufgrund seiner Fähigkeit zur ,Wahrnehmungserinnerung‘ imaginiert, sich also in ihrer ja tatsächlichen Realität vorstellt (vorgestellt-geteilter mentaler Zugriff), oder aber eine erfundene Welt mit den Augen eines fiktionalen Erzählers sieht (versetzter mentaler Zugriff).“ (ebd. 43) Sowohl für die handlungstheoretischen als auch kognitionstheoretischen As‐ pekte wird deutlich, dass der Inhalt der Erzählung, auf den sich Produzent: innen und Rezipient: innen beim Erzählen beziehen, von besonderer Relevanz ist: Ein in der aktuellen Situation gegebener Inhalt zeichnet sich dadurch aus, dass er den beiden Teilnehmer: innen während der Sprachhandlung zugänglich ist. Produzent: innen und Rezipient: innen greifen dann innerhalb des Wahrneh‐ mungsraums auf den Inhalt der Erzählung zurück und etablieren einen realen Erzählkontext. Beruht der Inhalt der Erzählung auf einer realen Gegebenheit, ist aber nicht mehr in der aktuellen Erzählsituation zugänglich, kann von einem erlebten Inhalt gesprochen werden. Dies ist z. B. der Fall, wenn es sich um ein bereits erlebtes Ereignis aus der Vergangenheit handelt. Der Inhalt entspricht zwar einer Situation im Wahrnehmungsraum, ist für die Handlungsteilnehmer: innen aber nur noch in einem imaginierten Vorstellungsraum zugänglich. Der mentale Zugriff ist geteilt und die Sprachhandlung wird in einem imaginierten Erzähl‐ kontext vollzogen. Innerhalb eines fiktiven Erzählkontextes ist die Sprachhandlung auf einen fiktiven Inhalt zurückzuführen. Dieser ist in einem fiktiven Vorstellungsraum für Produzent: innen und Rezipient: innen greifbar. Die fiktive Erzählung wird dazu ausschließlich mental konstruiert (ebd. 43). Topalović/ Uhl (2014a) zeigen in diesem Zusammenhang, dass der Tempus‐ gebrauch als linguistisches Merkmal der Erzählung je nach Erzählkontext eine andere Funktion einnimmt. Mit dem Gebrauch des Präsens wird auf 65 3.1 Etablierung von Erzählkontexten einen realen Wahrnehmungsraum verwiesen und die Sprachhandlung in einer Sprecher-Origo ausgewertet. Das Perfekt verweist auf einen imaginierten Vor‐ stellungsraum und die Auswertung der Sprachhandlung in einer sekundären Origo. Um eine Erzählung in einer Erzähl-Origo auszuwerten und einen fiktiven Vorstellungsraum zu etablieren, werden präteritale Tempora gebraucht (ebd. 44). Die folgende Tabelle aus Topalović/ Uhl (2014a, 42) gibt eine Übersicht über die verschiedenen Kategorien der jeweiligen Erzählkontexte: Abb. 6: Reale, imaginäre und fiktive Erzählkontexte nach Topalović/ Uhl (2014a) Die triadische Unterscheidung von Topalović/ Uhl (2014a) zeigt, inwiefern be‐ reits der Inhalt einer Erzählung von Bedeutung für die Etablierung von Erzähl‐ kontexten ist und sich so auf den Sprachgebrauch beim Erzählen auswirken kann. Beim Erzählen zu Bildimpulsen wird der Inhalt der Erzählung durch die visuellen Elemente im Bildimpuls repräsentiert. Die visuelle Gestaltung kann auf verschiedene Art und Weise geschehen (vgl. Kapitel 2). Um die Verarbeitung und Gestaltung visueller Bildimpulse als narratoästhetische Erzählimpulse detaillierter herausstellen zu können, wird zunächst das Erzählen handlungs‐ theoretisch beleuchtet. Anschließend werden prototypische Gebrauchsmuster eines narrativen Sprachgebrauchs in fiktiven Erzählkontexten angeführt. 66 3 Erzählen 3.1.1 Erzählen als Sprachhandlung Ein weiteres Kriterium zur Unterscheidung des Erzählens ist die Medialität. In vielen erzähltheoretischen Diskussionen und empirischen Studien steht vor allem das Erzählen als diskutive Praktik der Mündlichkeit im Vordergrund (vgl. u. a. Heller 2018, Spieß/ Tophinke 2018, Becker/ Stude 2017, Ohlhus 2014, Quasthoff et al. 2011, Becker 2001, Boueke et al. 1995). Die Erkenntnisse und Ergebnisse des Erzählens im Medium der Mündlichkeit werden häufig auch in Forschungen zum schriftlichen Erzählen herangezogen (vgl. u. a. Uhl 2015, Augst et al. 2007). In der Annahme des Erzählens als Sprachhandlung werden der Prozess des Erzählens und die Herausforderungen für Produzent: innen und Rezipient: innen sowohl für das Mündliche als auch das Schriftliche her‐ ausgestellt. Die Theorie der Sprachhandlungen ist zurückzuführen auf Ehlich (1983a, 1983b, 1996, 1998), Ehlich/ Rehbein (1979, 1986) und Rehbein (1977, 1988), die die Sprechakttheorie von Searle (1969 [1983]) ausbauen (vgl. u. a. Rehbein 1988, 1181). Searle (1969 [1983]) verankert alle Äußerungen, Entscheidungen und Einflüsse, die innerhalb des Sprechakts auftreten, in den Sprecher: innen. Rehbein (1988) und Ehlich (1998) erweitern den Ansatz um eine Hörer: innenper‐ spektive und sprechen daher nicht von Sprechakten, sondern von sprachlichem Handeln. Beim Sprachhandeln sind Produzent: innen und Rezipient: innen in eine Kommunikationssituation eingebunden (vgl. z. B. Rehbein 1988, 1182). Das Erzählen gilt als eine spezifische Form des Sprachhandelns. Ehlich (1983a) grenzt zur genaueren Differenzierung ein allgemeines Erzählen von einem spezifischen Erzählen ab und unterscheidet zwischen dem Erzählen 1 und Erzählen 2 (vgl. Ehlich 1983a, 128). Gerade die Unterscheidung von Erzählen 1 und Erzählen 2 ist in der Erzählforschung bis heute eine viel zitierte und grundlegende Definition (vgl. u. a. Becker/ Stude 2017, Uhl 2015, Blaschnitz 2014, Becker 2001). Das Erzählen 1 im Sinne eines „Architerms“ (Ehlich 1983a, 129) umfasst eine Vielzahl an Formen des Mitteilens, z. B. das Berichten über Erlebtes oder das Erzählen im Alltag. Das Erzählen 2 ist eine spezifischere Form des sprachlichen Handelns: das Erzählen eines erzählenswerten Ereignisses. Das Wesentliche eines erzählenswerten Ereignisses liegt nach Ehlich (1983a) in dem Unerwar‐ teten. Während des Erzählprozesses soll der Erzählende eine gemeinsame Welt für Produzent: innen und Rezipient: innen herstellen, in der das Unerwartete für beide zugänglich wird (vgl. ebd. 140). Folgende Übersicht von Ehlich (1983a, 129) zeigt das Verhältnis von Erzählen 1 als Architerm und dem Erzählen 2 : 67 3.1 Etablierung von Erzählkontexten erzählen ! erzählen ! berichten mitteilen schildern beschreiben wiedergeben darstellen … Erzählung Bericht Mitteilung Schilderung Beschreibung Wiedergabe Darstellung … Abb. 7: Erzählen 1 als Architerm (Ehlich 1983a) Das Sprachhandeln beim Erzählen 2 zielt nach Ehlich (1983a) vorwiegend auf eine genussvolle Unterhaltung der Rezipient: innen ab. Eigenschaft des Erzäh‐ lanlasses ist vor allem die Erzählwürdigkeit, die nicht zwangsläufig an eine reale Gegebenheit gebunden ist. Die Herausforderung für den Erzählenden besteht in dem „Herstellen einer gemeinsamen Welt“ (ebd. 140) bzw. nach Topalović/ Uhl (2014a) in der Konstruktion eines fiktiven Vorstellungsraums. Eine Differenzierung der verschiedenen Formen des Erzählens 1 kann durch die Zugänglichkeit der Erzählanlässe ermöglicht werden: Zum einen können sich die Sprachhandelnden während des Erzählens auf eine reale Gegebenheit beziehen, die für beide unmittelbar zugänglich ist. In diesem Fall kommt es zu einem dialogischen Austausch über eine in der aktuellen Sprechsituation vorliegende Gegebenheit. Diese Form des Erzählens kann in einem realen Erzählkontext eher als ein kommunikativer Austausch innerhalb des Wahrneh‐ mungsraums verstanden werden. Topalović/ Uhl (2014a) sprechen von einer Handlung als „kulturell konventionalisierte Technik des Erfahrungsaustauschs“ (ebd. 41). Diese ist prototypisch für das Sprachhandeln in mündlichen Kon‐ texten. Zum anderen kann ein Erzählanlass zwar auf eine reale Gegebenheit zurück‐ zuführen sein, aber nicht innerhalb der Erzählsituation für beide Teilnehmenden zugänglich sein (z. B. bei dem Berichten über ein kürzlich erlebtes Ereignis). Der Erzählende handelt dabei überwiegend monologisch und konstruiert die Erzählung durch Rückgriff auf Erinnerungen. Der Erzählanlass ist in diesem Fall etwas Imaginäres und die Sprachhandlung wird in einem imaginierten Vorstellungsraum vollzogen. Sprachhandlungen ausgehend von einem realen und einem imaginären Erzählanlass können der Argumentation nach also beide dem Erzählen 1 zuge‐ ordnet werden, werden aber in verschiedenen Verweisräumen vollzogen. Um die beiden Formen des Erzählens voneinander abzugrenzen, können dialogische Sprachhandlungen ausgehend von einem realen Erzählimpuls als kommunika‐ tive Sprachhandlungen bezeichnet werden, und Formen des Erzählens 1 , die 68 3 Erzählen auf einen imaginierten Erzählimpuls zurückzuführen sind, als ein alltägliches Erzählen. Für eine Differenzierung der verschiedenen Sprachhandlungen des Erzählens ausgehend von unterschiedlichen Erzählimpulsen ist somit das Agieren inner‐ halb verschiedener Verweisräume bedeutsam. 3.1.2 Erzählen innerhalb der Verweisräume Es können nach Ehlich (1979) als mögliche Verweisräume beim Erzählen ein naher Wahrnehmungs-/ Rederaum sowie ein ferner Vorstellungs-/ Textraum un‐ terschieden werden. Ein naher Wahrnehmungsraum ist orientiert an der aktu‐ ellen Sprechsituation und sowohl für Produzent: innen als auch Rezipient: innen der Erzählung zugänglich. Es ist eine „sinnlich zugängliche Sprachsituation“ (Ehlich 2000, 138). Ist die Sprachhandlung von der aktuellen Sprechsituation losgelöst, wird Bezug auf einen fernen Vorstellungsraum genommen. Der Vor‐ stellungsraum ist Produzent: innen und Rezipient: innen nicht direkt zugänglich. Ein Sprachhandeln innerhalb des Wahrnehmungsraums findet tendenziell eher dialogisch statt. Beim dialogischen Sprachhandeln ist der Verweisraum für Produzent: innen und Rezipient: innen durch den Wahrnehmungsraum gegeben und direkt zugänglich. Beim Erzählen hingegen dient ein Vorstellungsraum als kommunikativer Verweisraum. Durch die Entstehung des Verweisraums wird der Unterschied zwischen dem alltäglichen Erzählen und dem Erzählen 2 deutlich: Während bei der Entstehung des Vorstellungsraums beim alltäglichen Erzählen überwiegend auf Aspekte aus dem Wahrnehmungsraum zurückgegriffen werden kann, muss beim sprachspezifischen Erzählen der Vorstellungsraum losgelöst vom Wahr‐ nehmungsraum konstruiert werden. Rehbein (1980) unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen „szenischer Vorstellungsraum“ (ebd. 85) und einem durch den Alltag gegebenen Vorstellungsraum: „Entscheidend für die Differenz zwischen Berichten und Erzählen ist der ,Vorstel‐ lungsraum‘. Beim Erzählen ist die Reproduktion der Geschichte an die Konstruk‐ tion eines gemeinsamen Vorstellungsraums gebunden: er ist vorwiegend szenischer Vorstellungsraum. Demgegenüber errichtet der Sprecher beim Berichten keinen eigenständigen Vorstellungsraum, sondern macht von dem durch den normalen Handlungsraum mitbedingten Vorstellungsraum Gebrauch: dies ist der alltagsmäßige Vorstellungsraum.“ (ebd. 85) Fienemann (2006) lehnt sich an die Modellierung der unterschiedlichen Vorstel‐ lungsräume für das Erzählen von Rehbein (1980) an, spricht aber von einem 69 3.1 Etablierung von Erzählkontexten „alltäglichen Vorstellungsraum, der dem Wissensraum angehört“ (ebd. 22) und einem fiktiven Vorstellungsraum als „Erzählraum“ (ebd.). In diesem Zusam‐ menhang verdeutlicht Fienemann (2006) die Bedeutung mentaler Haltungen für die Konstruktion eines Erzählraums. Um im Sinne des Erzählens 2 einen Erzählraum bzw. szenischen Vorstellungsraum zu konstruieren, ist eine mentale Ausblendung des Wahrnehmungsraums notwendig: „Entscheidend für das Handlungsmuster des Erzählens ist, dass während der Erzäh‐ lung der aktuelle Sprechzeitraum (und somit der Wahrnehmungsraum) eine Zeit lang mental ausgeblendet wird. Sprecher und Hörer bewegen sich während der Wiedergabe des vergangenen Erlebnisses mental im Erzählraum.“ (ebd. 22) Um diese mentalen Haltungen auszulösen, muss zu Beginn des Erzählprozesses „eine Versetzung der Origo“ (ebd.) vollzogen werden. 3.1.3 Erzählen als Origoverschiebung Die Origoverschiebung knüpft an die Sprachtheorie von Bühler (1934 [1965]) an, die sich auf die Modi des Zeigens bezieht (vgl. ebd. 80). Bühler 1934 [1965] spricht von einem deiktischen System, welches mit einem Koordinatensystem verglichen werden kann. Das deiktische System beschreibt die Zeigefunktion sprachlicher Äußerungen und die Bezugnahme auf Person, Ort und Zeit, die als drei Deixen verstanden werden. Mittelpunkt beziehungsweise Ausgangspunkt bildet hierzu eine Origo. Ausgehend von dem Mittelpunkt wird durch Zeige‐ wörter auf eine personelle Deixis (Person), räumliche Deixis (Ort) und zeitliche Deixis (Zeit) verwiesen. Befinden sich diese drei Komponenten im Ausgangs‐ punkt des Systems, spricht Bühler 1934 [1965] von einer „demonstratio ad oculos“ (ebd. 106). Produzent: innen und Rezipient: innen befinden sich somit im Hier-und-Jetzt und handeln in ihrer unmittelbaren Nähe (vgl. ebd. 102). Sind die Koordinaten im Zeigefeld verschoben, kann die Kommunikation nicht mehr im Hier-und-Jetzt ausgewertet werden. Es wird ein ferner Erzählraum konstruiert. Diese Verschiebung der Deixis beschreibt Bühler 1934 [1965] als „Deixis am Phantasma“ (ebd. 82). Nach Fienemann (2006, 24) geht der Beginn einer Erzählung einher mit der deiktischen Verschiebung von Person, Raum und Zeit in die Deixis am Phantasma und bewirkt für Produzent: innen und Rezipient: innen somit die mentale Versetzung in einen Erzählraum. Den Vorgang visualisiert Fienemann (2006, 24) wie folgt: 70 3 Erzählen 9 Ehlich (1996) weist darauf hin, dass deiktische Prozeduren (wie jetzt, hier, heute) in erster Linie in einer direkten Sprechsituation gebraucht werden und somit der Orientierung im aktuellen Sprechraum dienen (vgl. Ehlich 1996, 22). Bei einer fiktiven Erzählung sollten die deiktischen Prozeduren auf eine Deixis am Phantasma verweisen. 10 Neben deiktischen Prozeduren ist u. a. der Tempusgebrauch ein Mittel zur Markierung der Origoverschiebung (vgl. Uhl 2015, Bredel/ Töpler 2007, Bredel/ Lohnstein 2003). Präteritale Tempora werden vor allem im Sinne der Deixis am Phantasma zur Mar‐ kierung eines deiktisch fernen Vorstellungsraums gebraucht. Präsentische Tempora hingegen verdeutlichen im Sinne der demonstratio ad oculos einen deiktisch nahen Wahrnehmungsraum (vgl. Kapitel 3.2.2). Abb. 8: Versetzung in einen Erzählraum nach Fienemann (2006) Innerhalb der Sprachhandlung werden die Origoverschiebung und somit der jeweilige kommunikative Verweisraum durch den Gebrauch sprachlicher Ele‐ mente markiert. Ehlich (2000) spricht von der Verwendung „deiktische[r] Prozeduren“ (ebd. 138) zur Markierung des kommunikativen Verweisraums: „Mittels der deiktischen Prozeduren bewirkt der Sprecher eine Orientierungsstätigkeit des Hörers unter Bezug auf einen Verweisraum, im elementaren Fall den dem Sprecher und Hörer gemeinsamen Wahrnehmungsraum.“ (Ehlich 2000, 138) 9 Bühler 1934 [1965] führt Zeigewörter an, die jeweils einer Deixis zuzuordnen sind (vgl. ebd.): So sind ich und du markierend für die teilnehmenden Aktanten der Sprechhandlung und der Deixis der Person. Um die zeitliche Dimension zu definieren, können Zeigewörter wie bspw. jetzt, dann oder heute genutzt werden. Der Raum der Sprechhandlung wird durch Zeigewörter wie hier oder dort beschrieben (vgl. Bühler 1934 [1965], 102 ff.). 10 71 3.1 Etablierung von Erzählkontexten Durch die Zusammenführung der verschiedenen Perspektiven auf das Sprachhandeln innerhalb von Verweisräumen und die damit verbundene Ori‐ goverschiebung können die verschiedenen Sprachhandlungen (kommunikative Sprachhandlung, alltägliches Erzählen und Erzählen 2 ) voneinander abgegrenzt werden: Während aller Sprachhandlungen befinden sich die Teilnehmenden in einem Wahrnehmungsraum. Beim kommunikativen Sprachhandeln entspricht der Wahrnehmungsraum gleichzeitig dem Verweisraum, in dem die Sprach‐ handlung vollzogen wird. Beim alltäglichen Erzählen wird mit Bezug auf den Wahrnehmungsraum ein Vorstellungsraum konstruiert. Die Konstruktion eines Vorstellungsraums ist ebenfalls Voraussetzung für das Erzählen 2 . Dabei ist entscheidend, dass der Wahrnehmungsraum mental ausgeblendet wird, sodass der Vorstellungsraum in möglichst wenigen Aspekten dem Wahrnehmungs‐ raum entspricht. Beim Erzählen 2 bzw. dem Erzählen eines erzählenswerten Ereignisses fungiert der Vorstellungsraum als fiktiver Erzählraum. Ein fiktiver Erzählraum wird durch die Origoverschiebung in eine Deixis am Phantasma markiert. Ein entscheidendes Merkmal für die Abgrenzung des Erzählens (alltägliches Erzählen und Erzählen 2 ) von einem kommunikativen Sprachhandeln in realen Erzählkontexten ist demnach die Ausblendung des Wahrnehmungsraums und die Konstruktion eines Vorstellungsraums. Weiterführend wird unter dem Begriff des Erzählens das alltägliche Erzählen und das Erzählen erzählenswerter Ereignisse gefasst. 3.1.4 Erzählen als Kontinuum Das Erzählen wurde bisher durch die Teilhabe der Handlungsträger: innen, die Konstruktion von Verweisräumen und die jeweilige Origoverschiebung in ein alltägliches Erzählen und das Erzählen 2 unterschieden. Sprachhandlungen wären somit entweder dem alltäglichen Erzählen oder dem Erzählen 2 zuzu‐ ordnen. In neueren Modellierungen wird das Erzählen nicht als eine Dichotomie verstanden. Becker (2009) und Becker/ Stude (2017) sprechen von dem „Erzählen als Kontinuum“ (Becker/ Stude 2017, 10). Auch Topalović/ Uhl (2014a) verweisen auf Formen des Erzählens innerhalb eines Kontinuums: „Wir verstehen die beiden Pole ‚alltägliches Erzählen‘ und ‚literarisches Erzählen‘ […] nicht als Gegensätze. Stattdessen wollen wir diese ‚Formen‘ des Erzählens innerhalb eines Kontinuums verortet wissen; dieses bietet die Möglichkeit, wechselseitige Beziehungen bzw. Variabilität im Gebrauch herauszuarbeiten.“ (Topalović/ Uhl 2014a, 41) 72 3 Erzählen Durch verschiedene Merkmale werden die beiden gegensätzlichen Pole „pro‐ totypisches Erzählen“ als voll ausgeprägtes, ideales Erzählen und ein „unspe‐ zifisches Erzählen“ mit großer Nähe zum alltäglichen Erzählen beschrieben. Charakterisierend sind nach Becker/ Stude (2017) die Merkmale „Autoren‐ schaft/ Einbettung“, „Erzählwürdigkeit“, „Literalität“, „Linearität“ und „Wer‐ tung“ (11 f.). Durch eine unterschiedlich starke Ausprägung der verschiedenen Erzählmerkmale können dann Abstufungen von Erzählformen erfasst werden. Die Modellierung des Erzählens als Kontinuum ermöglicht, „der Vielfalt des Erzählens Rechnung zu tragen und gleichzeitig typische von weniger charakteristischen Erzählformen zu unterscheiden“ (Becker/ Stude 2017, 10). Folgende Grafik modelliert das Kontinuum und beschreibt die Ausprägung der Merkmale für die beiden gegensätzlichen Erzählformen: Abb. 9: Erzählen als Kontinuum nach Becker/ Stude (2017) Aus einer spracherwerbstheoretischen Perspektive bietet die Modellierung des Erzählens als ein Kontinuum die Möglichkeit, dem Können der Kinder (zu Beginn des Entwicklungsprozesses) gerecht zu werden. Ausgehend von diesem Kontinuum kann angenommen werden, dass sich auch der kindliche Sprachgebrauch beim Erzählen zwischen einer stärkeren und schwächeren Ausprägung des narrativen Sprachgebrauchs modellieren lässt: Beim prototy‐ pischen Erzählen ist der narrative Sprachgebrauch stärker ausgeprägt, während beim unspezifischen Erzählen die Ausprägung des narrativen Sprachgebrauchs schwächer ausfällt. In schriftlichen Erzähltexten zeichnet sich ein narrativer Sprachgebrauch durch die Verwendung verschiedener narrativer Gebrauchs‐ muster aus. 73 3.1 Etablierung von Erzählkontexten 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung Bisherige Studien zum Erzählen zielen in erster Linie darauf ab, die kindliche Entwick‐ lung des mündlichen oder schriftlichen Erzählens nachzuskizzieren (vgl. Augst et al. 2007, Becker 2001, Boueke et al. 1995). Augst et al. (2007) modellieren durch eine Längsschnittstudie die kindliche Entwicklung einer narrativen Textsortenkompetenz. Becker (2001) betrachtet die kindliche Erzählentwicklung spezifisch für verschiedene Erzählformen. Weitere Studien dienen zur Analyse von linguistischen Zusammen‐ hängen (vgl. Binanzer/ Langlotz 2019, Uhl 2015, Langlotz 2014) oder dem Gebrauch literarischer Sprachformen (vgl. Augst 2010, Schüler 2019). Die jeweiligen Studien unterscheiden sich zwar in den Forschungszielen und dem methodischen Aufbau, bieten aber die Möglichkeit unterschiedlicher Perspektiven auf narrative Gebrauchs‐ muster. Somit können ausgehend von den empirischen Studien zum Erzählen (vgl. Binanzer/ Langlotz 2019, Uhl 2015, Langlotz 2014, Augst et al. 2007, Pohl 2003, Becker 2001) und den erzähltheoretischen Diskursen (vgl. u. a. Bredel 2019, Becker/ Stude 2017, Martínez/ Scheffel 2016, Topalović/ Uhl 2014a) verschiedene Gebrauchsmuster des Erzählens herausgestellt werden. In der bisherigen Herleitung ist die Medialität beim Erzählen nicht explizit unterschieden worden. Das Erzählen als Sprachhandlung ausgehend von einem Erzählimpuls lässt sich sowohl im Medium der Mündlichkeit als auch in schriftlicher Form realisieren. Die anschließende Darlegung narrativer Ge‐ brauchsmuster fokussiert in erster Linie die schriftliche Erzähltextgestaltung. Damit wird nicht ausgeschlossen, dass narrative Gebrauchsmuster auch im mündlichen Sprachgebrauch narrationsmarkierend fungieren können. Dies erschließt sich bereits daraus, dass sich für die überwiegende Anzahl an narrativen Gebrauchsmustern Ergebnisse aus mündlichen und schriftlichen Erzählstudien aufzeigen lassen (vgl. Uhl 2015, Langlotz 2014, Augst et al. 2007, Becker 2001, Boueke et al. 1995). 3.2.1 Kohäsive Mittel in Erzählungen Linguistisch betrachtet ist Textualität durch Kohäsion und Kohärenz markiert, wobei die Abgrenzung der Begrifflichkeiten in der Theorie nicht eindeutig ist (vgl. u. a. Brinker et al. 2018, Fix 2008, Rickheit/ Schade 2000). Mit Brinker et al. (2018) wird ein Text als „kohärente Folge von Sätzen“ (Brinker et al. 2018, 15) verstanden und resultiert somit aus der Zusammensetzung mehrerer Sätze. Dieses wird auch von Fix (2008) angenommen, wenn mit der Kohärenz vor allem satzübergreifende Beziehungen beschrieben werden. Der Begriff der Kohärenz umfasst auch eine kohäsive Verknüpfung, die nach Brinker et al. (2018) bereits implizit bei einer kohärenten Textstruktur mitgedacht wird 74 3 Erzählen 11 Becker (2001) vollzieht die Analyse der Kohäsion lediglich anhand der Koreferenz, die häufig einen personalen Bezug herstellt (z. B. Die Ratten laufen zum Kuchen und sie klauen ihn). Becker (2001) stellt aber selbst fest, dass durch die Koreferenz nicht alle kohäsiven Merkmale bei der Erzählgestaltung erfasst werden: „Dies stellt zwar eine Einschränkung dar, da auf diese Weise nicht alle Kohäsionsmittel berücksichtigt werden.“ (ebd. 137) 12 Unter dem Begriff der Ereignisprogression kann die inhaltliche Konstruktion des Hand‐ lungsstrangs zur globalkohärenten Erzählgestaltung verstanden werden. (ebd. 17). In erzähltheoretischen Arbeiten differenzieren Becker/ Stude (2017) allerdings zwischen Kohärenz und Kohäsion und stellen diese jeweils eigenen textstrukturellen Merkmale des Erzählens heraus: „Während Kohärenz als Bezeichnung für den Zusammenhang von Inhalt und Bedeutung verwendet wird, meint Kohäsion meisten den Zusammenhang auf der Textoberfläche. Kohärenz eines Textes ist dann gegeben, wenn die einzelnen Bedeutungselemente in einem ,Sinnzusammenhang‘ stehen, also ein innerer, textstrukturierender Zusammenhang gegeben ist. Bildlich gesprochen kann ein Text dann als kohärent bezeichnet werden, wenn so etwas wie ein roter Faden erkennbar ist. Unter Kohäsion firmieren die mehr oder weniger explizit verfügbaren sprachlichen Mittel zur Verfügung.“ (ebd. 20) Zusammenfassend kann bei der Analyse des kindlichen Erzählgebrauchs unter Kohärenz primär die globalkohärente Gestaltung der gesamten Erzählung betrachtet werden. Die Kohäsion bezieht sich auf die inhaltliche Verknüpfung einzelner Abschnitte der Erzählung. Um einen Text in einen umfassenden kohäsiven Zusam‐ menhang zu bringen, werden einzelne Satzteile bzw. Propositionen mittels Satz‐ konnektoren semantisch und syntaktisch miteinander verknüpft. In verschiedenen empirischen Studien zur kindlichen Erzählfähigkeit werden Satzkonnektoren bzw. kohäsive Mittel als ein linguistisches Sprachmuster bei der Erzählgestaltung ausge‐ wertet (vgl. Binanzer/ Langlotz 2019, Uhl 2015, Langlotz 2014, Augst et al. 2007, Becker 2001 11 ). Uhl (2015) führt als Satzkonnektoren zum einen Subjunktionen und Konjunk‐ tionen und zum anderen Adverbien und Adverbialphrasen an. Durch Korrelationen konnte dabei gezeigt werden, dass die „Textprogression (= Aktanteneinführung und Ereignisprogression 12 ) im Zusammenhang mit der Variation satzkohäsiver Mittel und dem Verwenden präteritaler Tempora steht“ (ebd. 162). Augst et al. (2007) führen in der Kategorie syntaktische Formate verknüpfende Satzkonstruktionen als „syntaktische Hierarchisierungen“ (ebd. 63) und sehen in diesen „eine mikro‐ strukturelle Möglichkeit, die stilistischen Eintönigkeit der ,und/ aber dann‘-Parataxe aufzubrechen“ (ebd.). Dabei greifen sie sowohl Junktionen (nachdem, als), aber auch Adverbien (bevor, zuerst) auf. Spezifisch mit dem Junktionengebrauch in narrativen Texten von Schüler: innen setzten sich Langlotz (2014, 2016) und Binanzer/ Langlotz (2019) auseinander. Durch eine vergleichende Analyse des Junktionengebrauchs in 75 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung argumentativen und narrativen Texten stellt Langlotz (2016) einen Unterschied für den funktionalen Gebrauch der Junktionen zur Markierung der Textform heraus: „Für den Ausdruck des narrativen Kontrastes dient vor allem doch“ (ebd. 187). Die Junktion wird aber oft durch „weitere sprachliche Indikatoren oder syntaktisch auffällige Strukturen“ (ebd. 186) untermauert. Spezifisch für die Primarstufe unter‐ suchen Binanzer/ Langlotz (2019) den Junktionengebrauch in Erzählungen von ein- und mehrsprachigen Kindern und differenzieren verschiedene Inhaltsrelationen und Junktionsklassen. Der Überblick an verschiedenen empirischen Studien und die spezifische Hervorhebung von Junktionen als narrative Ausdrucksformen von Langlotz (2014) sowie Binanzer/ Langlotz (2019) legt nahe, dass eine differenzierte Analyse des Gebrauchs von Adverbien sowie des Junktionengebrauchs als kohäsive Mittel sinnvoll erscheint. Adverbien als kohäsive Mittel Das Adverb im Deutschen ist unflektierbar und steht in Verbindung mit dem Verb. Durch ein Adverb wird die mithilfe des Verbs ausgedrückte Handlung näher bestimmt. Nach Boettcher (2009, 133) kann zwischen „komplexen Adverbien wie deshalb, worauf, ansonsten und nicht-komplexen (‚einfachen‘) Adverbien wie hier, wo, sonst“ (ebd.) unterschieden werden. Für die kohäsive Verwendung von Adverbien ist der Bezug der Adverbien auf den ganzen Satz von Bedeutung. Adverbien können zum einen gebraucht werden, um syntaktische Relationen zwischen zwei Satzpropositionen herzustellen (z. B. Das Buch liegt auf dem Tisch, deshalb siehst du es nicht). Zum anderen können Adverbien als inhaltliche Verstärker innerhalb einer Satzproposition dienen (z. B. Das Buch liegt hier auf dem Tisch). Boettcher (2009) differenziert dazu verschiedene Funktionen von Adverbien. Zum einen können Ad‐ verbien eine Import-Funktion einnehmen, wenn sie inhaltlich verstärkend eingesetzt werden. Als Beispiele werden folgende Sätze angeführt: „Montags kannst du gerne immer bei uns mitessen. […] Du solltest doch nicht hier sitzen.“ (ebd. 138) Zum anderen können Adverbien syntaktisch eingebunden werden und somit eine konjunktionale Funktion einnehmen. Im Sinn der konjunktionalen Funktion verbinden Adverbien Propositionen gleichrangig oder unterordnend miteinander. Das Adverb deshalb fungiert in folgendem Satz z. B. konjunktional: Paul hatte nicht mehr angerufen, deshalb wundert Paula sich ziemlich. Nach Topalović/ Tophinke/ Uhl (2013) werden Adverbien zur kohäsiven Verwendung beim Textschreiben als Satzglieder erfasst und zeichnen sich durch die Position im Satz aus. In der Forschung zum Zweitspracher‐ werb differenziert Grießhaber (2013, 2005) für die Position von Satzkonnektoren die syntaktische Einbettung in linearen Satzabfolgen, Inversionen oder Nebensatz‐ konstruktionen. Diese verschiedenen syntaktischen Verwendungen werden als drei von fünf Erwerbsstufen im Zusammenhang mit der Sprachprofilanalyse definiert 76 3 Erzählen (vgl. Grießhaber 2005, 13 ff.). Nebensatzkonstruktionen zeichnen sich durch die finite Verbendstellung aus. Eine Satzkonstruktion mit dem finiten Verb in Endstellung gilt in der Sprachprofilanalyse als komplexeste Form der syntaktischen Einbettung (Der Kuchen steht auf dem Tisch, weshalb sich die Ratten anschleichen). Alternativ kann das finite Verb durch den Satzverknüpfer vor das Subjekt gezogen werden (Da kommen die Ratten). Diese Form der Satzkonstruktion wird als Inversion bezeichnet und ist weniger komplex. Das geringste Maß an syntaktischer Komplexität in Bezug auf die drei Erwerbsstufen kann einfachen Sätzen mit einer linearen Abfolge zugesprochen werden, da die zusätzlichen Adverbien bei der Satzkonstruktion innerhalb des Mittelfelds angeführt werden (Der Kuchen steht hier auf dem Tisch). Die Komplexität der verschiedenen Satzkonstruktionen kann auch erwerbstheoretisch mit den Mei‐ lensteinen im Erstspracherwerb nach Thoma/ Tracy (2006) bestätigt werden, die bei Meilenstein III und Meilenstein IV zwischen der typischen Verbzweistellung (Ich gehe nach Hause) und der Verbendstellung (Weil ich nach Hause gehe) differenzieren (vgl. Müller/ Schönfeld 2019, 354; Thoma/ Tracy 2006, 61). Neben Adverbien können auch ganze Phrasen als Adverbiale in Verbindung zum Verb stehen und als nähere Beschreibung der Handlung fungieren. Adver‐ biale haben als Satzglied die Funktion, „die vom Verb geschilderten Handlungen, Tätigkeiten oder Zustände“ (Boettcher 2009, 181) zu spezifizieren, und können in vergleichbarer Funktion syntaktisch eingesetzt werden. Zusammenfassend ergeben sich für die Adverbien und Adverbialphrasen folgende theoretisch hergeleiteten syntaktischen Verwendungen: S Y N TAKTI S C H E V E R W E N D U N G A D V E R BI E N (da, dort, morgens) lineare Satzabfolge Inversion Nebensatzkonstruktion A D V E R BIAL P HR A S E (auf einmal) lineare Satzabfolge Inversion Nebensatzkonstruktion Tab. 1: Adverbien und Adverbialphrasen als kohäsive Satzkonnektoren Junktionen als kohäsive Mittel In der Textlinguistik ist neben Adverbien und Adverbialphrasen die Verwen‐ dung von Junktionen ein wichtiges grammatisches Kohäsionsmittel (vgl. z. B. Brinker et al. 2018, Ágel 2010, von Polzen 2008). Auch in einschlägigen empi‐ 77 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung 13 Es können neben expliziten Junktionen noch Juxtapositionen und Parajunktionen unterschieden werden. Da diese präsyntaktisch gebraucht werden, finden sie hier keine Beachtung (vgl. Ágel/ Diegelmann 2010, 356). rischen Studien zur frühkindlichen Erzählfähigkeit ist die Verwendung von Junktionen in der empirischen Analyse berücksichtigt worden (vgl. Langlotz 2014, Augst et al. 2007, Becker 2001, Schmidlin 1999, Boueke et al. 1995). Der Gebrauch von Junktionen kennzeichnet die Fähigkeit der Kinder, „Relationen zu erkennen und zu versprachlichen“ (Schmidlin 1999, 130): „Junktionen verbinden - in der Regel benachbarte - Sachverhaltsdarstellungen. Beteiligt an einer Junktion sind also zwei Konnekte und der Junktor, der eine Inhaltsrelation zwischen den Konnekten herstellt.“ (Ágel/ Diegelmann 2010, 355) Um eine Junk‐ tion genauer zu bestimmen, werden in der Junktionstheorie semantische und syntaktische Relationen von Junktionen unterschieden (vgl. Binanzer/ Langlotz 2019, Langlotz 2014, Ágel 2010, Ágel/ Diegelmann 2010, von Polzen 2008). Die semantischen Relationen beschreiben eine entsprechende Sprachhandlung, die durch den Satzverknüpfer ausgedrückt wird. Die syntaktischen Relationen skiz‐ zieren, wie stark zwei Propositionen durch die Junktion ineinander integriert werden. Die verschiedenen syntaktischen Relationen unterscheiden sich nach Raible (1992) durch ihre Verbundenheit und können als ein Kontinuum zwischen dem Prinzip der Aggregation und dem Prinzip der Integration verstanden werden. Langlotz (2014) beschreibt diese beiden Prinzipien wie folgt: „Dabei steht Aggregation für die maximale Selbstständigkeit der beiden an einer Junk‐ tion beteiligten Sachverhalte, Integration dagegen für maximal syntaktische Integriertheit.“ (ebd. 30) Es geht bei der syntaktischen Relation somit um das Ineinanderintegrieren der beiden Propositionen. Durch die Unterscheidung vier expliziter Junktionsklassen 13 kann eine zunehmende syntaktische Einbettung der beiden Propositionen beschrieben werden: Koordination, Subordination, Inkorporation, Unifikation (vgl. Ágel/ Diegelmann 2010, 356). Neben den syntaktischen Relationen spielt die verknüpfte Sprachhandlung, die innerhalb des Satzgefüges ausgedrückt wird, eine Rolle. Semantische Relationen können nach von Polzen (2008) durch 15 verschiedene Formen klassifiziert werden. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die semantischen Relationen und eine Auswahl der jeweiligen Junktionen mit der verknüpften Sprachhand‐ lung aus von Polzen (2008, 268 ff.): 78 3 Erzählen S EMANTISCHE R ELATION E X E M P LA RI S C H E J U NKTI O N S P R A C HHAN D L U N G K O P U LATIV und, auch, außerdem summieren, hinzufügen DI S J U NKTIV oder, entweder … oder zur Wahl stellen AD V E R S ATIV aber, jedoch, dem gegenüber kontrastieren K O N Z E S S IV auch wenn, trotzdem, dennoch zugestehen, entgegensetzen E X P LIKATIV worüber, nämlich, genauer gesagt konkretisieren R E S T RIKTIV außer, insofern, allerdings einschränken K O M P A R ATIV so … wie, genauso … wie erklären, vergleichen T E M P O R AL bevor, während, nachdem, danach Zeitbeziehungen ausdrücken K O MITATIV wobei beschreiben INSTRUMENTAL um zu, dadurch … dass erklären F INAL damit, dadurch erklären K O N S E KU TIV so dass, demzufolge erklären, folgern KAU S AL weil, daher, da begründen, Ursache/ Folge er‐ klären K O N DITI O NAL wenn, wenn … dann, daraus folgt Bedingungen setzen, auffordern M E TA - K O M ‐ M U NIKATIV als, im Sinne von erklären Tab. 2: Semantische Relationen nach von Polzen (2008) Im kindlichen Sprachgebrauch können bereits ab dem dritten Lebensjahr Satz‐ konstruktionen ausgemacht werden, die eine semantische Relation ausdrücken (vgl. Szagun 2016, 83). Szagun (2016) führt Beispiele an, in denen Kinder kopulative, adversative, kausale, konditionale, finale und temporale Relationen ausdrücken. In Anlehnung an Szagun (2016) nehmen Binanzer/ Langlotz (2019) für die Entwicklung eines narrativen Sprachgebrauchs eine Abfolge von kopu‐ lativen, temporalen, kausalen zu adversativen Relationen an (in der Tabelle grau hinterlegt). Die Erwerbsfolge wird theoretisch durch eine zunehmende kognitive Komplexität argumentiert und in einer unechten, längsschnittlichen Untersuchung der schriftlichen Erzählungen von Grundschulkinder mit unter‐ schiedlichen Herkunftssprachen empirisch bestärkt (ebd. 129). 79 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung Binanzer/ Langlotz (2019) zeigen in ihrer empirischen Untersuchung zwar, dass in allen kindlichen Erzählungen bereits verschiedene semantische Rela‐ tionen ausgedrückt werden. Diese werden aber in der Regel nicht syntaktisch variierend gebraucht. Ausschließlich temporal verwendete Junktionen werden in den Erzählungen von Zweit- und Drittklässler: innen mit Erstsprache Deutsch (Gruppe D1 und D2) in verschiedenen syntaktischen Relation verwendet (vgl. Binanzer/ Langlotz 2019, 144). Durch die syntaktische Verwendung lassen sich Junktionen in Konjunktionen und Subjunktionen unterscheiden (s. oben). Konjunktionen verbinden zwei Sätze gleichrangig miteinander, sodass die Konjunktion selbst im Vor-Vorfeld des Satzes steht und nicht innerhalb des Satzes verschiebbar ist (vgl. Uhl 2019, 362; Duden 2016, 633). Mittels Subjunktionen werden die Sätze unterordnend verbunden und das finite Verb in den Nebensätzen befindet sich in einer Verbendstellung (vgl. ebd. 637). Die Subjunktion selbst rückt dazu in die linke Satzklammer (vgl. Uhl 2019, 363). Eine Besonderheit stellen außerdem Junktionen dar, die im Vorfeld des Satzes stehen oder sogar in den Satz integriert werden (Es regnet. Trotzdem gehen wir raus oder Wir gehen trotzdem raus). In dieser Verwendung sind Junktionen vergleichbar mit Adverbien, die sich als Satzglieder auszeichnen (vgl. Topalović/ Tophinke/ Uhl 2013). Bei der Analyse kindlicher Erzähltexte erfassen Binanzer/ Langlotz (2019) diese als Partikel-/ Adverb-Junktionen. In diesem Zusammenhang können außerdem die Kombinationen von Konjunktionen mit Partikel-/ Adverb-Junktionen herausge‐ stellt werden. Diese führen dazu, dass sowohl das Vor-Vorfeld und das Vorfeld besetzt sind: Die Ratten lauern im Wald. Und da rennen sie los. Binanzer/ Lang‐ lotz (2019) bezeichnen diese als eine Koordination durch Konjunktion + Partikel-/ Adverb-Junktionen (vgl. ebd. 130). Demnach kann die syntaktische Verwendung von Junktionen anhand des Stellungsfeldermodells als Konjunk‐ tionen, Subjunktionen, Partikel-/ Adverb-Junktionen und als Konjunktionen mit Partikel-/ Adverb-Junktionen differenziert werden. Zusammenfassend ergeben sich für die Analyse des Junktionengebrauchs folgende semantische Formen und syntaktische Verwendungen: 80 3 Erzählen E X E M P LA RI S C H E J U NKTI O N E N K O P U LATIV E I NHAL T S R E LATI O N (summieren, hinzufügen) und, auch, außerdem A D V E R S ATIV E I NHAL T S R E LATI O N (kontrastieren) aber, jedoch, dem gegenüber T E M P O R AL E I NHAL T S R E LATI O N (Zeitbeziehungen ausdrücken) bevor, nachdem, danach K AU S AL E I NHAL T S R E LATI O N (begründen, Ursache/ Folge erklären) weil, daher, da W E IT E R E I NHAL T S R E LATI O N E N sodass, wenn … dann, damit S Y N TAKTI S C H E V E R W E N D U N G J U NKTI O N E N als Konjunktion J U NKTI O N E N als Subjunktion J U NKTI O N E N als Partikel-/ Adverb-Junktionen J U NKTI O N E N als Konjunktionen mit Partikel-/ Adverb-Junktionen Tab. 3: Junktionen als kohäsive Satzkonnektoren 3.2.2 Tempusgebrauch in Erzählungen Die verschiedenen Erzählkontexte zeichnen sich durch einen spezifischen Sprachgebrauch aus. Der präteritale Tempusgebrauch wird im literaturwissen‐ schaftlichen Diskurs spätestens seit Hamburger (1957) mit der Bezeichnung als episches Präteritum für einen wichtigen Fiktionalitätsmarker gehalten. Neben dem Präteritum führen gerade literaturwissenschaftliche Erzähltheorien (vgl. Martínez/ Scheffel 2016) auch das szenische Präsens als ein temporales Merkmal narrativer Texte an. Allerdings zeigen empirische Studien, dass das szenische Präsens als narrative Tempusform erst in höheren Schulstufen und somit zum späteren Verlauf des Sprachgebrauchs erworben wird (vgl. Dannerer 2012, Hug 2001). Im sprachdidaktischen Forschungsdiskurs bezeichnet Bredel (2019) das Präteritum als „Leittempus des schriftlichen Erzählens“ (ebd. 21). Im Gegensatz dazu ist der präsentische Tempusgebrauch vor allem für den alltäglichen Sprachgebrauch markierend. Die beiden Tempusgruppen können zum einen durch die Form und zum anderen durch die Funktion unterschieden werden. 81 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung Die Form der Tempusgruppen kann auf morphologischer Ebene durch die Hinzu-/ Wegnahme eines t-Markers am Morphemstamm unterschieden werden (vgl. Bredel/ Töpler 2007, 840). Die entsprechende Zweiteilung von Tempora (präsentische vs. präteritale Tempora) ist erstmalig auf Weinrich (1964) zurück‐ zuführen, der dazu zwischen der Tempus-Gruppe I und der Tempus-Gruppe II unterscheidet. Zur Tempus-Gruppe I zählen das Präsens, Perfekt, Futur und Futur II, zur Tempus-Gruppe II das Präteritum, Plusquamperfekt, Konditional und Konditional II (vgl. ebd. 30). Er bezeichnet die Tempus-Gruppe I als die „Tempora der besprochenen Welt“ (ebd. 33) und die Tempus-Gruppe II als die „Tempora der erzählten Welt“ (ebd.) und zieht somit die funktionale Bedeutung der beiden Tempora hinzu. Thieroff (1992) greift diese Unterscheidung wieder auf und ergänzt für die beiden Tempusgruppen die Kategorie der Entfernt‐ heit: Die präsentischen Tempora zeichnen sich durch Nicht-Entferntheit, die präteritalen Tempora durch Entferntheit aus (vgl. ebd. 283). Der Aspekt der Entferntheit von Tempora ist der Ausgangspunkt für das Merkmal der Distanz nach Bredel/ Lohnstein (2003) und Bredel/ Töpler (2007). Präteritale Tempora werden formal durch die Anwesenheit des t-Markers am Morphemstamm markiert (z. B. ich redete). Im präsentischen Tempusgebrauch ist der t-Marker nicht auszumachen, an den Morphemstamm wird lediglich der Flexionsmarker angefügt (z. B. ich rede). Die Funktion der Tempora wird mit Bezug auf deiktische Verfahren und der Unterscheidung von Verweisräumen spezifiziert. Bredel (2008) schreibt für den Gebrauch des Präteritums mit Bezug auf das deiktische System nach Bühler (1934 [1965] (vgl. Kapitel 3.1.3): „[M]it dem Präteritum zeigt der Verfasser an, dass die Sprechzeit, also die primäre Origo eines Sprechers, nicht länger Bezugs-/ Berechnungssystem für deiktische Ori‐ entierungsverfahren ist, sondern eine zweite fiktive Origo, von der aus alle anderen deiktischen Orientierungen aus vollzogen werden. Der Verfasser wechselt also beim Erzählen das deiktische Bezugssystem von dem konkret situierbaren Wahrnehmungsin den fiktional etablierten Vorstellungsraum.“ (Bredel 2008, 131) So werden präteritale Tempora im Sinne der Deixis am Phantasma zur Markie‐ rung eines deiktisch fernen Vorstellungsraums gebraucht. Präsentische Tem‐ pora hingegen verdeutlichen im Sinne der demonstratio ad oculos einen deik‐ tisch nahen Wahrnehmungsraum (vgl. Uhl 2011, 150; Bredel/ Töpler 2007, 839; Bredel/ Lohnstein 2003). Zusammenfassend können für eine Charakterisierung der beiden Tempusgruppen der morphologische Marker (-/ +t) auf formaler Ebene und die Distanzmarkierung (deiktisch naher Wahrnehmungsraum/ deik‐ 82 3 Erzählen tisch ferner Vorstellungsraum) als funktionale Eigenschaft angeführt werden. Ein Überblick gibt folgende Tabelle angelehnt an Bredel/ Töpler (2007, 840): P RÄ S E N TI S CH E T E M P O R A [- F E R N ] P RÄT E RITAL E T E M P O R A [+ F E R N ] M O R P H O L O G I S C H E R M A R K E R - t + t V E R W E I S R AU M deiktisch naher Wahrnehmungsraum deiktisch ferner Vorstellungsraum D E IKTI S CH E V E R F AHR E N demonstratio ad oculos Deixis am Phantasma Tab. 4: Funktion der präsentischen und präteritalen Tempora nach Bredel/ Töpler (2007) Aus spracherwerbstheoretischer Perspektive kann angenommen werden, dass Kinder den funktionalen Gebrauch des Präteritums erst mit Eintritt in die Schriftlichkeit erwerben (vgl. Topalović/ Uhl 2014a, 2014b, Grießhaber 2012, Bredel/ Kemp 2008, Kieferle 2006). Ein institutionell einsetzender Präteritumge‐ brauch betont die Komplexität im Erwerb der Form-Funktionszuschreibungen, die durch empirische Studien bekräftigt wird. So stellt z. B. Kieferle (2006) fest, dass ein angemessener Gebrauch präteritaler Tempora einige Kinder noch zum Ende der Grundschulzeit vor eine Herausforderung stellt. Der Präteritum‐ erwerb ist demnach gebunden an schriftsprachliche Instruktionen, die in hoher Frequenz im schulischen Kontext auftreten. Dennoch ist es möglich, dass Kinder bereits vorschulisch in Form von Literacy-Erfahrungen den präteritalen Tempusgebrauch implizit als Fiktionalitätsmarker erfahren (vgl. Drepper 2022, Uhl/ Drepper 2019). Topalović/ Uhl (2014a) schreiben in diesem Zusammenhang: „Bis zur Einschulung ist den Sprecher/ innen vor allem der mündlich-konversationelle Sprachgebrauch zugänglich, bei dem Präsens und Perfekt überwiegen. Erst mit Eintritt in die Schriftlichkeit bzw. mit ersten Literalitätserfahrungen - diese können jedoch bereits vorschulisch (z. B. mit dem Vorlesen von Bilderbüchern oder einem entspre‐ chenden Input) initiiert werden - kommen Kinder dann vermehrt mit präteritalen Formen in Kontakt, was wiederum Einfluss auf den sprachlichen Output der Kinder hat.“ (ebd. 31) Gerade das Lesen von Bilderbüchern stellt sich nachweislich positiv als Möglich‐ keit heraus, Kindern bereits vorschulisch einen Zugang zu präteritalen Tempora als Fiktionalitätsmarker zu eröffnen (vgl. Topalović/ Drepper 2019, Stark 2016, Kieferle 2006). 83 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung Speziell bei dem Verfassen von kindlichen Erzähltexten konnte empirisch nachgewiesen werden, dass der Gebrauch präteritaler Tempora mit einer stärkeren narrativen Vertextung einhergeht (vgl. Uhl 2015). Der Gebrauch des Präteritums kann somit als ein wichtiger Indikator für eine funktionale Erzähltextgestaltung betrachtet werden. Allerdings zeigt sich gerade für die Erzählgestaltung zu Bilderfolgen, dass überwiegend auf den Gebrauch präsen‐ tischer Tempusformen zurückgegriffen wird (vgl. Becker/ Busche 2019, Becker 2001, Bredel 2001). Becker/ Busche (2019) nehmen daher an, dass die Entwick‐ lung eines präteritalen Tempusgebrauchs bei der narrativen Vertextung nicht ausschließlich durch schulische Instruktionen evoziert wird. Vielmehr kann die Erzählform der Bildergeschichte als Auslöser für den Gebrauch präsentischer Formen betrachtet werden: „Die Bildergeschichte liegt im Wahrnehmungsraum der Kinder, sie beziehen sich auf die konkreten vor ihnen liegenden Bilder. Der Verweisraum entspricht dadurch dem Wahrnehmungsraum, dies induziert offensichtlich das Tempus Präsens.“ (ebd. 112) Allerdings zeigt der Vergleich von mündlichen und schriftlichen Bildergeschichten, dass der Rückgriff auf präteritale Tempora in den schriftlichen Erzähltexten deutlich stärker ausge‐ prägt ist (ebd. 118). Da unabhängig vom Medium der Erzählimpuls im Wahr‐ nehmungsraum zugänglich ist, kann die Ausprägung des Präteritums bei der Vertextung von Bildergeschichten nicht auf den Erzählimpuls alleine zurück‐ zuführen sein. Damit rücken in neueren Diskussionen zu einem funktionalen Tempusgebrauch beim Erzählen die mentale Verarbeitung von Erzählimpulsen und eine kognitionspsychologische Perspektive in den Vordergrund (vgl. Be‐ cker/ Busche 2019, Topalović/ Uhl 2014a). Für eine narrative Gestaltung von Er‐ zählungen als Sprachhandlung sind die mentalen Herausforderungen - oder wie Becker/ Busche (2019) schreiben die „kognitiv-konzeptuellen Anforderungen der Erzählform“ (ebd. 121) - von Bedeutung. Becker/ Busche (2019) berufen sich auf die Argumentation von Topalović/ Uhl (2014a), gemäß der „der Gebrauch unterschiedlicher Tempusformen verschiedene Bewusstseinsräume aktiviert und auf diese Weise verschiedene Formen des Erzählens konstituiert“ (ebd. 28). Diese Formen des Erzählens werden durch die triadische Unterscheidung der Erzählkontexte beschrieben (vgl. Kapitel 3.1). Somit kann in Bezug auf Topalović/ Uhl (2014a) den Tempora auch die Funktion zugesprochen werden, mentale Bewusstseinsräume zu markieren und Rückschlüsse auf die Verarbei‐ tung der Bilderfolgen zu ziehen: Die Wahrnehmung der Thematik einer Bilderfolge als real Gegebenes führt dazu, dass die Handlung einer Bilderfolge mental in einem realen Wahrneh‐ mungsraum als Bewusstseinsraum konstruiert wird. Bei der Erzähltextgestal‐ tung zeigt sich dies durch den Gebrauch des Präsens. Die Verarbeitung der 84 3 Erzählen Bilderfolge in einem imaginierten Vorstellungsraum als Bewusstseinsraum setzt die Wahrnehmung des Inhalts als etwas abwesend Gegebenes bzw. Erlebtes voraus. Der entsprechende Erzähltext ist markiert durch den Perfektgebrauch. Im Zusammenhang mit dem Gebrauch des Präteritums bei der Erzählgestaltung kann bei der mentalen Verarbeitung der Bilderfolge von einem versetzten Zugriff ausgegangen werden, der einen fiktionalen Vorstellungsraum als men‐ talen Bewusstseinsraum erzeugt. In der mentalen Verarbeitung der Bilderfolge wird der Inhalt als fiktive Handlung wahrgenommen. Dementsprechend kann angenommen werden, dass ein präteritaler Tempusgebrauch auch durch die mentale Verarbeitung der Bildinhalte bestimmt wird. Reale Bildinhalte führen dazu, dass in den Erzähltexten vorrangig das Präsens gebraucht wird. Bei imaginären Inhalten zeichnet sich die Erzähltextgestaltung durch das Perfekt aus und das Präteritum ist bei fiktiven Inhalten vorherrschend. In einer abschließenden Zusammenführung der deiktischen und kognitiven Betrachtung der Funktionen von Tempora zur Erzähltextgestaltung können diese durch die mentale Verarbeitung der Bildinhalte, die Form und Funktion differenziert werden: M E NTAL E V E R A R B E IT U N G D E R B IL DINHAL T E F U NKTI O N P RÄ S E N S mit Bezug auf einen realen Bewusstseinsraum (reale Bildinhalte) Markierung eines deiktisch nahen Wahrneh‐ mungsraums P E R F E KT mit Bezug auf einen imaginierter Bewusst‐ seinsraum (imaginäre Bildinhalte) P RÄT E RIT U M / P L U S Q UAM - P E R F E KT mit Bezug auf einen fiktionalen Bewusstseins‐ raum (fiktive Bildinhalte) Markierung eines deiktisch fernen Vorstellungsraums Tab. 5: Deiktische und kognitive Annahmen für den Tempusgebrauch beim Erzählen 3.2.3 Etablierung einer Erzählerperspektive Eine besondere Herausforderung beim Schreiben von Erzählungen ist die Etablierung einer Erzählerperspektive. Diese zielt darauf ab, die Leser: innen zu Beginn einer Erzählung in eine narrative, sekundäre Origo zu versetzten, sodass die folgenden Ereignisse innerhalb einer fiktiven Erzählwelt ausgewertet werden (vgl. Heller 2018, Uhl 2017, Bühler 1934 [1965]). Nach Uhl (2017) kann die Erzählerperspektive folgendermaßen beschrieben werden: „Die Erzähler‐ perspektive umfasst die Kommunikation zwischen fiktiver Erzählinstanz und (implizitem) Leser.“ (ebd. 187) In Anlehnung an Bühler 1934 [1965] müssen 85 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung dazu die Raum-, die Zeit- und die Personendeixis von dem Hier-und-Jetzt in eine Deixis am Phantasma verschoben werden. Voraussetzung ist dafür, dass der Erzählende den Wahrnehmungsraum mental ausblendet und innerhalb eines Vorstellungsraums agiert (vgl. Topalović/ Uhl 2014a, Fienemann 2006, Rehbein 1980). Für eine erfolgreiche Etablierung eines fiktiven Erzählraums ist demnach entscheidend, dass der Erzählende mental in einer fiktiven Welt handelt und diese Versetzung für die Leser: innen sichtbar macht. In mündlichen Interaktionen wird das „modeling“ (Heller 2018, 266) als eine entscheidende Praktik angeführt, um in mündlichen Erzählungen die Versetzung für die Rezipient: innen sichtbar zu machen. Heller (2018) beschreibt die Etablierung einer fiktiven Erzählwelt für die mündliche Interaktion wie folgt: „Mit der Versetzung in einen raumzeitlich entfernten oder fiktiven Ort erfüllt sich eine der zentralen Funktionen des Erzählens: das Teilhabenlassen anderer an eigenen Erfahrungen oder Vorstellungen. Dabei reicht es allerdings nicht aus, dass sich der Erzähler selbst gedanklich in eine zurückliegende oder fiktive Situation versetzt: Sollen die Zuhörenden an seinen Erfahrungen oder Vorstellungen teilhaben, so muss er sie ,mitnehmen‘, indem er die Versetzung auf eine Weise bewerkstelligt, die für sie erkennbar ist.“ (Heller 2018, 245) Beim interaktiven Erzählen stellen Kinder durch „Überlagerungen von Stimmen und Körpern“ (ebd. 266) und „die kreative Nutzung von Bewegungsgestalten“ (ebd. 267) verschiedene Figuren dar und verweisen so auf eine fiktive Welt. Auf mündliche Ressourcen des Versetzens kann in der schriftlichen Erzähltext‐ gestaltung nicht zurückgegriffen werden. Ein Merkmal schriftlicher Versetzung ist nach Uhl (2015) das „Konzept von Definitheit und Indefinitheit“ (ebd. 216). Uhl (2015) analysiert die Anzahl indefinit eingeführter Personen, Gegenstände, Orte und Zeitbezüge in kindlichen Erzähltexten (vgl. ebd. 134). „Die Schreiberinnen und Schreiber, die auf präteritale Tempora zurückgreifen, ver‐ fügen also erstens über ein Konzept von Definitheit und Indefinitheit und sind zweitens in der Lage, dieses Konzept bei der Strukturierung ihrer Erzählungen abzurufen und korrekt umzusetzen.“ (ebd. 216) Für die Einführung der Personen kann nach Becker (2001) das Konzept der Definitheit und Indefinitheit noch differenzierter betrachtet werden. Bei der definiten Einführung von Personen sollte zusätzlich berücksichtigt werden, ob auf eine Nominalform (z. B. die Einführung der Figuren durch den Namen) oder den Gebrauch von Pronomen als deiktische Ausdrücke zurückgegriffen wird (vgl. ebd. 144 f.). Die Einführung mit Pronomen oder Namen ist in erster Linie 86 3 Erzählen in mündlichen Erzählformaten ein typisches Gebrauchsmuster, um unmittelbar auf Personen im Wahrnehmungsraum verweisen zu können. „Bei der Wiedergabe einer Bildergeschichte beeinflussen ebenfalls einige Faktoren die Aktantenbenennung. Um nur einen zu nennen, so kann der Wissensgrad des Hörers über den Inhalt der Bildergeschichte erwähnt werden. Weiß der Erzähler, daß der Hörer die handelnden Personen in der Bildergeschichte kennt, kann er sie direkt mit Namen oder sogar Pronomen einführen.“ (Becker 2001, 144) In der Kritik zur schriftlichen Vertextung von Bilderfolgen wird angenommen, dass sprachliche Verweise überwiegend „wahrnehmungsverankernd (demonst‐ ratio ad oculos) und nicht narrationstypisch (Deixis am Phantasma)“ (Bredel 2001, 18) vollzogen werden. Somit erscheint es sinnvoll, auch für die schriftliche Erzähltextgestaltung zu Bilderfolgen als narratoästhetische Erzählimpulse die definite Einführung von Personen auf den Gebrauch der Nominalform und der Pronomen auszuweiten. Beide werden als Verweis auf den Wahrnehmungsraum ausgewertet. Übertragen auf das Versetzen von Raum- und Zeitdeixis kann diese neben der indefiniten und definiten Form auch durch einen Rückgriff auf sprachliche Mittel erfolgen, die auf den Wahrnehmungsraum verweisen. Hierunter fallen in erster Linie Adverbien wie z. B. hier oder da für die Raum‐ beschreibung und z. B. nun oder jetzt für eine zeitliche Markierung. Ehlich (2000) spricht für das sprachliche Handeln in mündlichen Kommunikationssituationen auch von deiktischen Prozeduren bzw. Zeigewörtern (vgl. Ehlich 2000, 558 f.). Zusammenfassend ergibt sich folgende Übersicht der möglichen sprachlichen Realisierung zur Etablierung einer Erzählerperspektive: 87 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung S P R A C HLIC H E F O R M F U NKTI O N E IN FÜHR U N G D E R F I G U R E N indefinit Versetzen in eine fiktive Erzählwelt definit Verweis auf den Wahrnehmungsraum Nominalform Verweis auf den Wahrnehmungsraum Pronomen Verweis auf den Wahrnehmungsraum E IN FÜHR U N G D E S R AU M S indefinit Versetzen in eine fiktive Erzählwelt definit Verweis auf den Wahrnehmungsraum Adverbien Verweis auf den Wahrnehmungsraum E IN FÜH R U N G D E R Z E IT indefinit Versetzen in eine fiktive Erzählwelt definit Verweis auf den Wahrnehmungsraum Adverbien Verweis auf den Wahrnehmungsraum Tab. 6: Sprachliche Realisierung zur Etablierung einer Erzählerperspektive 3.2.4 Etablierung einer Protagonistenperspektive Innerhalb der fiktiven Erzählwelt können die eingeführten Figuren zum Aus‐ druck einer inneren Figurenwelt monologisch oder dialogisch kommunizieren. Um die Sprachhandlung der Figuren bei der Erzählgestaltung zu kennzeichnen, muss der Erzählende eine Protagonistenperspektive etablieren. Uhl (2017, 188) visualisiert das Verhältnis von Erzähler- und Protagonistenperspektive folgen‐ dermaßen: Abb. 10: Erzähler- und Protagonistenperspektive nach Uhl (2017) 88 3 Erzählen Eine Protagonistenperspektive wird sprachlich in Form der Figurenrede mar‐ kiert und zeichnet sich durch einen präsentischen Tempusgebrauch aus. Der präsentische Tempusgebrauch verstärkt die wahrnehmungsverankernde Aus‐ wertung der Figurenhandlungen innerhalb einer fiktiven Erzählwelt: „Diese Protagonistenperspektive wird durch die wörtliche Rede realisiert. Die Prota‐ gonistenperspektive ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die einzelnen Sprachhan‐ delnden (Prinzessin und Vater) wie in der Mündlichkeit kopräsent in einer Sprechsitu‐ ation befinden. Innerhalb der Erzählung wird also durch die Protagonistenperspektive ein Wahrnehmungsraum etabliert.“ (Uhl 2017, 187) In der Literaturwissenschaft werden verschiedene Realisierungsformen der Figurenrede angeführt, die sich in ihrer Komplexität, dem Modus und der Funk‐ tionalität unterscheiden. Martínez/ Scheffel (2016) klassifizieren die Figurenrede als ein Kontinuum zwischen einem narrativen Modus und einem dramatischen Modus. Das Kontinuum erstreckt sich durch die Abnahme der Mittelbarkeit von einer erzählten Rede über die transponierte Rede zur zitierten Rede (ebd. 62): 89 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung Narrativer Modus Dramatischer Modus (mittelbar) (unmittelbar) Erzählte Rede Transponierte Rede Zitierte Rede Präsentation von gesprochener Rede Erzählte Rede Abnahme an Mittelbarkeit - Erwähnung des sprachlichen Akts: Valtin sprach mit Grete. - Gesprächsbericht: Valtin erzählte Grete von einem Nest. Transponierte Rede indirekte Rede: Valtin sagte zu Grete, dass sie ein Nest in ihrem Garten hätten. erlebte Rede: Ja, sie hatten wirklich ein Nest in ihrem Garten! Zitierte Rede direkte Rede: Valtin sagte zu Grete: « Weißt du, wir haben ein Nest in unserm Garten! » autonome direkte Rede: Weißt du, wir haben ein Nest in unserm Garten! Präsentation von Gedankenrede Erzählte Rede Abnahme an Mittelbarkeit - Bewusstseinsbericht: Valtin hatte darüber nachgedacht, ob er Grete ein Geheimnis verraten sollte, und er war nun entschlossen, es auszuplaudern! Transponierte Rede indirekte Rede: Valtin sagte sich, dass er Grete von dem Nest erzählen wolle. erlebte Rede: Doch, jetzt wollte er Grete unbedingt von dem Nest erzählen! Zitierte Rede - Gedankenzitat: « Ich will Grete jetzt unbedingt von unserm Nest erzählen », dachte er. innerer Monolog: Da kommt Grete in den Garten… sie sieht traurig aus… na, da will ich ihr doch mal von unserm Nest erzählen… Abb. 11: Figuren- und Gedankenrede nach Martínez/ Scheffel (2016) 90 3 Erzählen 14 Neben der Figurenrede (wörtliche und indirekte Rede) und der berichtenden Rede nennt er noch die erlebte Rede und den inneren Monolog. Diese lässt er aber aufgrund des geringen Vorkommens in kindlichen Erzählungen bei seiner Analyse außen vor: „Alle diese Varianten kommen - wenn auch z. T. nur in rudimentären (Vor-)formen - bereits in Erzählungen von Zweitklässlern vor. Bei der folgenden quantitativen Analyse wurden allerdings lediglich an andere Figuren gerichtete wörtliche Reden (WR), indirekte Reden (IR) und berichtende Reden (BR) ausgewertet, da allein diese in nennenswerter Frequenz auftreten.“ (Pohl 2003, 5) Die erzählte Rede ist die Erwähnung von Gesprächsbeiträgen im Verlauf der Er‐ zählung. Durch die erzählte Rede wird keine Protagonistenperspektive eröffnet. Der Gebrauch der erzählten Rede kann in der Erzählerperspektive verortet werden. Die transponierte Rede kommt in Form der indirekten oder erlebten Rede vor. Martínez/ Scheffel (2016) nennen als Beispiel den Satz „Valtin sagt zu Grete, dass sie ein Nest in ihrem Garten hätten“ (ebd. 62). Auch die transponierte Rede wird noch innerhalb der Erzählerperspektive realisiert. Erst die zitierte Rede in Form der direkten oder autonom direkten Rede eröffnet eine Protago‐ nistenebene (vgl. ebd.). Spezifisch für die Figurenrede in kindlichen Erzählungen trifft Pohl (2003) eine Klassifikation von drei Formen der Figurenrede: die wörtliche Rede, die indirekte Rede und die berichtende Rede. 14 Die wörtliche Rede und die indirekte Rede können sowohl an eine andere Person gerichtet sein oder als Gedankenrede realisiert werden, wobei lediglich die wörtliche Rede eine Protagonistenperspektive etabliert. Die berichtende Rede wird innerhalb der Ereignisprogression integriert und eröffnet somit wie die indirekte Rede keine Protagonistenperspektive. Empirisch kann Pohl (2003) für die Entwicklung der Erzählfähigkeit in der Primarschule zeigen, dass die Anteile an Wortbeiträgen in Form der indirekten und berichtenden Rede in kindlichen Erzählungen immer weiter zurückgehen und der Gebrauch der wörtlichen Rede zunimmt (vgl. ebd. 6). Demnach steigt ein funktionaler Gebrauch der Figurenrede zur Etablierung der Protagonistenperspektive mit zunehmender Klassenstufe an. Allerdings zeigen die qualitativen Analysen kindlicher Erzählungen in Uhl (2015), dass Formen der wörtlichen Rede nicht ausschließlich funktional zur Verstärkung der narrativen Vertextung eingesetzt werden und automatisch eine Protagonis‐ tenperspektive etablieren. Uhl (2015) weist auf einen Unterschied zwischen dem Gebrauch der wörtlichen Rede zur Verstärkung des Narrativen und dem Einsatz der wörtlichen Rede zur Ereigniskonstruktion hin (ebd. 233). Um die Unterscheidung der verschiedenen Verwendungen der wörtlichen Rede klarer herauszustellen, können die Merkmale der Erzähler- und Protagonistenperspek‐ tive herangezogen werden. In der Erzählerperspektive werden die Ereignisse zur Erzeugung und Strukturierung eines Handlungsverlaufs versprachlicht. Die Protagonistenperspektive eröffnet einen Einblick in die Emotionen und 91 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung 15 Auch Uhl (2015) greift in der empirischen Analyse in Anlehnung an Pohl (2003) die Variation einführender Verba Dicendi in „Trägersätzen“ (ebd. 5) auf und erfasst diese mit folgender Begründung: „Es deutet auf einen elaborierteren und komplexeren (und daher schriftlicheren) Sprachgebrauch hin, wenn Verba Dicendi von den Schülerinnen und Schülern variiert werden.“ (Uhl 2015, 136) Empirisch kann allerdings nicht aufgezeigt werden, dass die Variation an Verba Dicendi ein signifikantes Merkmal ist. Gedanken der Figuren und bildet die innere Figurenwelt ab. Boueke et al. (1995) sprechen im Sinne der psychologischen Nähe auch davon, „die Perspektive der Hauptfigur zu aktivieren und somit die Identifikation des Zuhörers mit eben dieser zentralen Figur zu fördern“ (ebd. 109). Zielt die Figurenrede demnach auf einen Ausdruck der inneren Figurenwelt ab, wird eine Protagonistenperspektive etabliert. Nach Pohl (2003) kann der Figurenrede eine Ausdrucksfunktionalität zugesprochen werden. Empirisch zeigt sich allerdings, dass mit Eintritt in die Schriftlichkeit die Verwendung der Figurenrede zur Verstärkung des Ausdrucks für die Kinder eine Herausforderung darstellt: „[Es] muss kontrastiert werden, dass die in der Entwicklung junge Modalität zu einer starken Verunsicherung bei den jungen Schreibern führt, was die funktionale Einbindung des sprachlichen Mittels WR betrifft. Die Daten deuten darauf hin, dass funktional gesehen die WR zu Beginn der Schreibentwicklung noch etwas Fremdes ist (fehlende Ausdrucksfunktionalität)“ (ebd. 15). Tritt die Figurenrede aber in Form von einzelnen sprachlichen Äußerungen auf, die den Informationsgehalt der Ereignisse des Handlungsverlaufs wieder‐ geben oder ergänzen, wird diese nicht funktional zum Ausdruck der inneren Figurenwelt eingesetzt. In diesem Fall wird die Figurenrede zur Realisierung einer Erzählerperspektive in dialogischer Form eingesetzt. Uhl (2015) spricht auch von „pseudo-dialogischen Erzählungen“ (ebd. 233), bei denen „die Protago‐ nistenperspektive die Erzählerperspektive verdrängt - die Ereignisprogression der Erzählung wird nicht mehr über die Erzählerperspektive, sondern über die Protagonistenperspektive vollzogen“ (ebd.). In diesem Fall übernimmt die Figurenrede nach Pohl (2003) eine Informationsfunktion (ebd. 12). An der sprachlichen Oberfläche können die zwei verschiedenen Funktionen beim Gebrauch der wörtlichen Rede in schriftlichen Erzählungen durch einen redeeinleitenden Satz in Verbindung mit einem Verbum Dicendi (z. B. er sagte) ausgemacht werden (vgl. Uhl 2015, Pohl 2003). Dieser stellt erzähltheoretisch gerade bei einem Vergleich zwischen mündlichen und schriftlichen Erzählungen ein Schlüsselelement dar: 15 „Im Schriftlichen nutzt man meist redeeinleitende Verben (verba dicendi) […] Auch im Mündlichen werden verba dicendi genutzt […]. Das Mündliche ist allerdings oft 92 3 Erzählen weniger explizit. Typisch sind in informellen oder jugendsprachlichen Erzählungen elliptische Konstruktionen“ (ebd. 42). Zusammenfassend kann zur Etablierung einer Protagonistenperspektive der Gebrauch einer Figurenrede in Verbindung mit einem redeeinleitenden Satz und einem Verbum Dicendi ausgemacht werden. Eine Verwendung von Rede‐ beiträgen ohne einleitenden Satz kann als pseudo-dialogische Rede interpretiert werden. F U NKTI O N F I G U R E N R E D E MIT V E R B A D IC E N DI Etablierung einer Protagonistenperspektive P S E U D O - DIAL O G I S C H E R E D E Ereignisprogression innerhalb der Erzähler‐ perspektive Tab. 7: Sprachliche Realisierung zur Etablierung einer Protagonistenperspektive 3.2.5 Struktureller Aufbau einer Erzählung - narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster Einer Erzählung liegt eine bestimmte Handlungsstruktur zugrunde, die nicht auf die bloße Aneinanderreihung mehrerer Ereignisse reduziert werden kann (vgl. u. a. Becker/ Stude 2017, Zeman et al. 2017, Uhl 2015). Denn gerade in dem Verständnis des Erzählens als einfache „Wiedergabe zusammenhängender Ereignisse“ (Becker/ Stude 2017, 1) liegt die Gefahr, „dass fast beliebig viel dar‐ unter gefasst werden kann“ (ebd.). Ein spezifischer, struktureller Aufbau kann als das entscheidende Merkmal eines narrativen Textes verstanden werden: „Ein Text wird vor allem dann zu einer Erzählung, wenn er über eine narrative Struktur verfügt.“ (ebd. 21 f.) Für den strukturellen Aufbau von Erzählungen sind die Ergebnisse von Labov/ Waletzky (1967 [1973]) grundlegend und finden in der interaktionalen sowie sprachdidaktischen Erzählforschung große Aufmerk‐ samkeit (vgl. u. a. Bredel 2019, Quasthoff/ Stude 2018, Becker/ Stude 2017, Uhl 2015, Ohlhus 2014, Augst et al. 2007, Becker 2001, Boueke et al. 1995). Auf Basis mündlicher Erzählungen von Erwachsenen leiten Labov/ Waletzky (1967 [1973]) die „Normalform einer Erzählung“ (ebd.) ab. Diese wird in der Literatur auch als „Höhepunkt-Erzählung“ (Becker 2001, 10) bezeichnet. Die Normalform einer Erzählung ist durch die aufeinanderfolgenden Strukturphasen der Orientierung, Komplikation, Evaluation, Resultat bzw. Auflösung und Coda gekennzeichnet. In empirischen Untersuchungen kindlicher Erzähltexte zeigt sich, dass ein ver‐ einfachtes Textmuster von Orientierung, Komplikation und Auflösung prototy‐ 93 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung 16 Boueke et al. (1995) argumentieren in der Modellierung des Bielefelder Geschichten‐ schemas, dass der evaluative Charakter einer Erzählung keine einzelne Strukturphase ist. Stattdessen ist in Form von Ereignis- und Affektmarkierungen in jeder struktu‐ rellen Phase der Erzählung (Orientierung, Komplikation, Auflösung) ein evaluativer Charakter auszumachen. Durch Ereignismarkierungen werden sowohl die narrative Struktur als auch der „Punkt maximaler Komplikation“ klar herausgestellt (vgl. ebd. 75). Die Affektmarkierungen geben einer Erzählung einen emotionalen Charakter und binden Rezipient: innen emotional stärker in das Geschehen ein (vgl. ebd. 78). pisch ist (vgl. Topalović 2016, Uhl 2015, Augst et al. 2007, Becker 2001, Boueke et al. 1995). Die Evaluation kann gerade in der kindlichen Erzählentwicklung nicht auf eine einzelne Strukturphase reduziert werden, sondern nimmt strukturüber‐ greifend in Form von emotionalen Markierungen eine spezielle Rolle für den narrativen Sprachgebrauch ein. Boueke et al. (1995) verbinden mit dem Aspekt der Markierung eine strukturelle und emotionale Analyse. 16 Allerdings führt die Verbindung einer strukturellen und emotionalen Analyse dazu, dass annähernd alle Sprachformen als evaluierende Markierungen interpretiert werden können (vgl. Uhl 2015, Augst et al. 2007, Becker 2001, Knapp 2001). Augst et al. (2007) schreiben in diesem Zusammenhang: „Die kritische Auseinandersetzung mit Boueke (1995) führt dazu, die emotionale Markierung neben der strukturellen Entwicklung als eigenständig zu betrachten.“ (Augst et al. 2007, 65) Im Folgenden wird zunächst der strukturelle Aufbau einer Erzählung thematisiert, bevor anschließend die Relevanz der Evaluation und die Analyse der emotionalen Markierung fokussiert werden. Hierbei wird begründet dargelegt, dass der evaluierende Charakter einer Erzählung die Einstellung des Erzählenden zu der Erzählung ausdrückt. Struktureller Aufbau einer Erzählung Durch die Darlegung inhaltlicher Aspekte der einzelnen Strukturphasen können die charakteristischen Merkmale des narrativen Textmusters herausgestellt werden. Die Strukturphase der Orientierung zielt auf die Etablierung einer fiktiven Erzählwelt ab, die eine Versetzung der temporalen, lokalen und perso‐ nellen Deixis erfordert (vgl. Kapitel 3.2.3). Inhaltlich wird eine Ausgangssitua‐ tion geschaffen, die alle für die Erzählung relevanten Hinweise für den weiteren Handlungsverlauf geben. Quasthoff (1980) spricht in diesem Zusammenhang von der inhaltlichen Realisierung eines Handlungsplans. Die anschließende Strukturphase der Komplikation wird durch ein unerwar‐ tetes Ereignis ausgelöst und ist inhaltlich gekennzeichnet durch eine Anein‐ anderreihung verschiedener Ereignisfolgen, die sich immer weiter zuspitzen (vgl. Labov/ Waletzky 1967 [1973], 112 f.). Die Erzählung erfährt so einen uner‐ warteten Kontrast zur Ausgangssituation, der in einem Höhepunkt endet. Ein 94 3 Erzählen 17 Wenn es dazu kommt, dass die Leser: innen von dem Erzähler noch über die Auflösung der Handlung hinaus wieder in den Wahrnehmungsraum zurückgeführt werden, wird diese Phase der Erzählung Coda genannt. Die Coda ist also die letzte Phase des Erzählprozesses. Labov und Waletzky 1967 [1973] beschreiben diese Phase und den Unterschied zum Resultat wie folgt: „Die Coda ist nun ein funktionales Instrument, die Sprecherperspektive wieder auf den Gegenwartszeitpunkt einzustellen. Dies wird durch eine Vielfalt von Mitteln getan, und die Codas können daher nicht einfach mit Anhängseln von der Art ‚Und wenn sie nicht gestorben sind …‘ gleichgesetzt werden.“ (ebd. 122) entscheidendes inhaltliches Element ist in diesem Zusammenhang nach Quas‐ thoff (1980) der Planbruch, bei dem der ursprünglich verfolgte Handlungsplan der Figuren durch ein unerwartetes Ereignis durchbrochen wird. Der Planbruch und damit einhergehend die unerwartete und ungewisse Wendung geben einer Erzählung erst narratives Potential (vgl. Quasthoff 1980, 48 f.). Quasthoff (1980) schreibt in diesem Zusammenhang: „Nur diejenigen Geschehensabläufe, in denen bei der Realisierung des Handlungs‐ plans […] durch den Aktanten aus seiner Sicht eine ‚Bruchstelle‘ auftritt, die die Gesamtrealisierung des ,Plans‘ und damit das Erreichen des Planziels zunichte macht oder vorübergehend in Frage stellt, bekommen in Form einer kognitiven Geschichte den Status als Gegenstand einer möglichen Erzählung.“ (ebd. 48) Die Textmusterphase der Komplikation zeichnet sich somit durch zwei Aspekte aus: die kontrastierende Darstellung eines Ereignisses zur Ausgangssituation und die inhaltliche Realisierung eines Planbruchs aus Perspektive der han‐ delnden Figuren. Die abschließende Strukturphase der Auflösung dient dazu, die zuvor darge‐ stellten Ereignisse innerhalb der Komplikation für die Leser: innen inhaltlich aufzulösen. Der Handlungsverlauf wird in die Ausgangssituation zurückgeführt und es wird ein rahmender Abschluss der Erzählung gefunden (vgl. Labov/ Waletzky 1967 [1973], 122). 17 Die Forschungen zur funktionalen Schreibdidaktik zeigen auf, dass mit einem spezifischen Textmuster bzw. einer spezifischen Textsorte immer auch ein texttypisches Handlungsmuster einhergeht (vgl. u. a. Rezat/ Feilke 2018, Steinhoff 2017, Augst et al. 2007). Speziell für den kindlichen Erzählgebrauch sprechen Augst et al. (2007) von der „Verwendung fester Formeln“ (ebd. 81). Diese definieren sie wie folgt: „Immer wiederkehrende Sachverhalte erzeugen meist auch immer wiederkehrende sprachliche feste Formeln, die dann in einer Rückkopplung immer denselben Sachverhalt erzeugen. So prägen bestimmte Formulierungen eine bestimmte Textsorte.“ (Augst et al. 2007, 80) In beiden Ansätzen liegt das Verständnis eines konstruktivistischen Sprachgebrauchs 95 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung begründet, dass mit einem bestimmten Erzählkontext verschiedene Gebrauchs‐ muster aktiviert werden (vgl. Kapitel 1.3). Es gilt nun ausgehend vom aktuellen Forschungsdiskurs aufzuzeigen, welche Konstruktionen zur Markierung eines narrativen Textmusters prototypisch sind und an der sprachlichen Oberfläche des Erzähltextes als narrative Gebrauchs‐ muster auszumachen sind (vgl. u. a. Uhl 2015, Topalović 2016, Augst et al. 2007, Weinhold 2000): Der Ausgangszustand innerhalb der Orientierung kann durch einleitende Sprachmuster wie es war einmal oder eines schönen Tages beschrieben werden. Innerhalb der Komplikation kann das unerwartet aufge‐ tretene Ereignis im Handlungsverlauf durch ein kontrastierendes Sprachmuster (z. B. auf einmal, aber plötzlich) hervorgehoben werden. Gerade im Erzählerwerb zeigt sich, dass Kinder die Ereignisse der Komplikation zu Beginn der Erzähl‐ entwicklung häufig zunächst gleichwertig verknüpfen und nicht hierarchisch hervorheben. Erkennbar wird eine gleichwertig verknüpfte Erzählung durch verkettende Gebrauchsmuster in Form von temporalen Satzverknüpfungen wie und dann oder dann. Spezifisch für die Textmusterphase der Auflösung ist der Gebrauch sprachlicher Muster, die die Ereignisse der Komplikation wieder auflösen und in einer Abschlusssituation rahmen (z. B. endlich, zum Schluss). Ein umfassender Gebrauch narrationsspezifischer Sprachmuster zur Markierung aller Textmusterphasen führt dazu, dass die narrative Struktur der Erzählung für die Leser: innen sprachlich verstärkt wird. Uhl (2015) unterscheidet für die strukturelle Qualität einer Erzählung zwischen drei Erzähltypen, die sich anhand des Vorkommens der entsprechenden Gebrauchsmuster differenzieren lassen. Bei einer fehlenden inhaltlichen Verknüpfung der einzelnen Ereignisse durch Gebrauchsmuster innerhalb der Textmusterphasen stehen die Ereignisse unverbunden nebeneinander. Es handelt sich um einen isolierten Erzähltyp. Werden die Ereignisse chronologisch, aber gleichwertig verbunden, handelt es sich um eine linear-verknüpfte Erzählung. Diese zeichnet sich vor allem durch das Vorkommen verkettender Gebrauchsmuster aus. Wird in einer linearen Ereignisprogression mindestens ein Ereignis innerhalb der Komplikation durch ein kontrastierendes Gebrauchsmuster hierarchisch hervorgehoben, kann von einer narrativ-strukturierten Erzählung gesprochen werden: „In Anlehnung an Boueke et al. (1995) wird die Komplikation einer Erzählung als eine Textmusterphase definiert, die zugleich eine besondere Strukturierungs-funktion besitzt: Eine Erzählung weist nur dann eine Komplikation auf, wenn die Ereignisfolge der Erzählung mindestens auf ein Ereignis hinausläuft, welches gegenüber den restlichen Ereignissen der Erzählung eine übergeordnete Position einnimmt.“ (Uhl 2015, 129) 96 3 Erzählen Da in narrativen Bilderfolgen in der Regel die chronologische Abfolge der Ereignisse bereits durch die Reihenfolge der einzelnen Bilder gegeben ist, ist eine isolierte Ereignisprogression unwahrscheinlich. Durch die einfache Versprachlichung der visualisierten Ereignisse entsteht automatisch eine lineare Ereignisfolge. Somit kann bei der Erzählgestaltung zu Bilderfolgen zwischen linearen Erzähltypen und hierarchisch-strukturierten Erzähltypen differenziert werden. Markierend für einen linearen Erzähltyp ist der Gebrauch einleitender, verkettender und auflösender Gebrauchsmuster. In Erzählungen mit einem narrativ-strukturierten Erzähltyp können einleitende, kontrastierende und auf‐ lösende Gebrauchsmuster ausgemacht werden: M E R KMAL E L IN E A R E R E R ZÄHL T Y P einleitende, verkettende und auflö‐ sende Gebrauchsmuster N A R R ATIV - S T R UKT U RI E R T E R E R ZÄHL T Y P einleitende, kontrastierende und auflö‐ sende Gebrauchsmuster Tab. 8: Narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster als Merkmale von Erzähltypen Die Relevanz der Evaluation und der Gebrauch evaluativer Mittel Nach Labov/ Waletzky 1967 [1973] wird in der Evaluation der Punkt der ma‐ ximalen Komplikation nochmals hervorgehoben, um so „die Einstellung des Erzählers gegenüber seiner Erzählung“ (Labov/ Waletzky 1967 [1973], 118) zum Ausdruck zu bringen. Die Einstellung des Erzählenden zur Erzählung ist eng verknüpft mit „der Entstehungsfunktion der Erzählung“ (ebd.). Bei der Erzähl‐ konstruktion ausgehend von einer Bilderfolge entsteht die Erzählung aus der Handlungsfolge der Bilder. Die Relevanz der Evaluation liegt damit in dem Kon‐ struktionsprozess, der ausgehend von der Handlungsabfolge der Bilder bis zur (schriftlichen) Erzählung abläuft. In der Dreiteilung nach Quasthoff (1980) dif‐ ferenziert sich dieser Konstruktionsprozess durch drei unterschiedliche Formen der Erzählung, denen unterschiedliche Operationen zugrunde liegen. Quasthoff (1980) unterscheidet für die Konstruktionsprozesse einer Erzählung zwischen „Geschichte/ Geschehen, kognitive Geschichte und Erzählung“ (Quasthoff 1980, 48). Diese drei Formen resultieren aus den folgenden drei Operationen bzw. Handlungen: die Handlung zum Geschehenszeitpunkt, die kognitive Handlung und die Sprachhandlung. Die Geschichte resultiert aus der Handlung zum Geschehenszeitpunkt. Auf Ebene der kognitiven Operation konstruiert der Erzählende ausgehend von der Geschichte eine kognitive Geschichte. Die kognitive Geschichte bildet die Grundlage für die Erzählung, die auf Ebene der 97 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung Sprachhandlung während einer Erzählsituation als Erzählprodukt entsteht (vgl. ebd.). Übertragen auf die Erzähltextgestaltung zu Bilderfolgen entspricht die Ge‐ schichte auf Ebene der Handlung zum Geschehenszeitpunkt der visualisierten Handlung in der Bilderfolge. Durch die Verarbeitung der Bilderfolge wird auf mentaler Ebene des Erzählenden die kognitive Geschichte konstruiert. Bei der mentalen Verarbeitung wird nach Zeman et al. (2017) das Erzählende (die Bilderfolge) von den Betrachter: innen als ein „bewertbarer Entwurf alternativer Wirklichkeiten“ (ebd. 314) evaluiert. Entsprechend der individuellen Evaluation werden dann bei der Versprachlichung der kognitiven Geschichte die Ereignisse der Bildergeschichte besonders hervorgehoben, die der Erzählende für erzähl‐ würdig hält (ebd. 314 ff.). Die Versprachlichung der kognitiven Geschichte bildet auf Ebene der Sprachhandlung die Erzählung, die durch eine unterschiedlich stark ausgeprägte Verwendung narrativer Gebrauchsmuster die individuelle Evaluation auszeichnet. Die Einstellung des Erzählenden zu der Erzählung bildet sich somit während der mentalen Verarbeitungsprozesse der Bildergeschichten aus. An der sprachlichen Oberfläche wird der evaluative Ausdruck in dem Bielefelder Modell von Boueke et al. (1995) durch den Gebrauch evaluativer Mittel mit emotionaler Fokussierung erfasst (vgl. Uhl 2015, 126; Augst et al. 2007, 65; Becker 2001, 87). Fokussiert wird dabei allerdings in erster Linie eine emotionale Involvierung der Leser: innen. Diese kann nach Boueke et al. (1995) auf drei verschiedene Kategorien zurückgeführt werden: die Valenz, die Plötzlichkeit und die psychologische Nähe (vgl. ebd. 109). Unter dem Begriff der Valenz wird die Verstärkung des Kontrastes von gegensätzlichen Ereignissen der Erzählung gefasst. Die Ereignisse werden dazu in sprachlicher Form als konnotierte Phrasen angeführt, die negative Emotionen wie Wut, Angst oder Enttäuschung ausdrücken können (z. B. ein Gewitter zieht auf). Das Pendant bilden positiv konnotierte Phrasen (z. B. sie liefen dem Sonnenuntergang entgegen) zur Verstärkung von Emotionen wie Freude oder Zufriedenheit. Die Valenz kann auf sprachlicher Ebene außerdem noch durch expressive Verben (knallen, schmeißen, brüllen) oder expressive Adjektive und Adverbien (glücklich, zufrieden, traurig, wütend) ausgedrückt werden (vgl. ebd. 115). Die Plötzlichkeit einer Erzählung wird vor allem mit Beginn der Komplikation (teilweise auch mit Einführung in die Phase der Auflösung) markiert. Ziel ist es hierbei, das Unerwartete zu betonen und die emotionale Erregung der Leser: innen zu steigern. Als sprachliche Mittel nennen Boueke et al. (1995) hier vor allem Temporaladverbien zu Beginn der Strukturphase der Komplikation (plötzlich, auf einmal). Diese wurden bereits als narrativ-strukturierende Ge‐ brauchsmuster zur Verstärkung des narrativen Textmusters hergeleitet. Boueke 98 3 Erzählen 18 Den Aspekt der psychologischen Nähe durch die sprachlichen Formen der Figurenrede greift Uhl (2015) in der Kategorie Protagonistenperspektive auf. et al. (1995) nennen zum Ausdruck der Plötzlichkeit aber auch „die Betonung der Ahnungslosigkeit des ‚Opfers‘ von der Komplikation“ (ebd. 115). Diese beruht nicht auf einer strukturellen Verstärkung, sondern kann durch inhaltliche Ausschmückungen zum Ausdruck gebracht werden (z. B. ohne Vorahnung). Der letzte Aspekt der evaluierenden Markierung ist die psychologische Nähe, die eine leserseitige Identifikation mit den handelnden Figuren fokussiert. Durch die direkte Rede und die Gedankenrede sollen die Leser: innen in das Geschehen der Erzählung hineingezogen werden (vgl. Boueke et al. 1995, 116). Die psychologische Nähe wird somit vor allem durch die Figurenrede erzeugt, die bereits als Ausdruck einer Protagonistenperspektive angeführt wurde (vgl. Kapitel 3.2.4). Es wird deutlich, dass sich in der Definition der Affektmarkierung nach Boueke et al. (1995) Überschneidungen zu anderen narrativen Gebrauchsmus‐ tern auftun. In verschiedenen empirischen Studien ist diese Diskrepanz bereits aufgezeigt worden (vgl. Uhl 2015, 126; Augst et al. 2007, 65; Becker 2001, 87; Knapp 2001, 34). Becker (2001) argumentiert bei der Analyse der evaluativen Mittel, dass gerade der Gebrauch von Temporaladverbien und die Figurenrede nicht zwingend als evaluative Mittel betrachtet werden sollten: „Zum einen ist fraglich, ob die Temporaladverbien überhaupt in den Bereich der Affektstruktur fallen. Sie sollten eher der Ereignisstruktur zugeordnet werden. Das Adverb ,plötzlich‘ z. B. ist sicher eher auf der Ebene der Ereignisfolge anzusiedeln als bei den affektiven Elementen. Ebenfalls problematisch ist die Zuordnung von direkter und indirekter Rede.“ (ebd. 93) Auch Uhl (2015) distanziert sich bei Analysekategorie evaluativer Mittel von Temporaladverbien und der Figurenrede und zieht lediglich Adjektive und Ad‐ verbien mit evaluativem Charakter sowie expressive Verben für die Analyse der narrativen Vertextung heran (vgl. Uhl 2015, 126 f.). 18 Im Fokus der Analyse der evaluativen Mittel in kindlichen Erzählungen steht damit die Verwendung nar‐ rativer Gebrauchsmuster, die auf eine emotionale Involvierung der Leser: innen abzielen. Die Ergebnisse von Uhl (2015) zeigen, dass die Verwendung der evaluativen Mittel mit emotionaler Absicht gerade in kindlichen Erzählungen mit „mittlerer und hoher narrativer Textorganisation“ auftritt: „In den Erzählungen, die in dieser Studie analysiert wurden, zeigt sich, dass Adjektive und Adverbien prototypisch verwendet werden, um die Erzählung emotional zu spezifizieren. Besonders auffällig ist hierbei, dass in der Schreibaufgabe die Schüle‐ 99 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung rinnen und Schüler nicht explizit dazu aufgefordert wurden, evaluative Mittel zu nutzen - dennoch weisen gerade die Erzählungen mit mittlerer und hoher narrativer Textorganisation viele Adjektive und Adverbien auf, die als evaluative Markierung dienen.“ (Uhl 2015, 265) Der Gebrauch evaluativer Mittel scheint demnach ein wichtiges Merkmal, um Rückschlüsse auf die Ausprägung des narrativen Sprachgebrauchs zu ziehen. Wichtig ist dazu aber eine klare Abgrenzung narrativ-strukturierender und eva‐ luierender Gebrauchsmuster, die durch den Begriff der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster eröffnet wird. 3.2.6 Poetisch-evozierende Gebrauchsmuster in Erzählungen Augst et al. (2007) und Augst (2010) greifen zur emotionalen Involviertheit der Leser: innen Gebrauchsmuster auf, die einen „Erzählton“ (ebd. 63) erzeugen. Augst et al. (2007) schreiben in diesem Zusammenhang: „Natürlich bedarf eine Erzählung eines Planbruchs und einer Pointe und dazu der Spannung, ruhiger Einleitung und glücklicher Coda. Wörtliche Rede dramatisiert das Geschehen und einschlägige Formeln schaffen Erzählvertrautheit. Aber das alles erzeugt keinen Erzählton.“ (ebd. 84) Für die Erzeugung eines Erzähltons können u. a. evaluierende Adjektive oder konnotierte Phrasen angeführt werden, aber auch stilistische Mittel wie rhe‐ torische Fragen, Metaphern oder Alliterationen (vgl. Augst et al. 2007, 84; Augst 2010, 63). Gemeinsam haben die Gebrauchsmuster zum Ausdruck eines Erzähltons, dass eine leserzentrierte Erzählgestaltung fokussiert wird. Diese liegt begründet in dem Einsatz der sprachlichen Merkmale, um das „ästhetische Vergnügen des Lesers“ (Augst 2010, 83) zu verstärken. Sie können durch die Betrachtung von Sprachfunktionen eindeutig von narrativen Gebrauchsmus‐ tern zur Verstärkung des narrativen Textmusters oder zum Ausdruck einer inneren Figurenwelt abgegrenzt werden. In dem „Organonmodell der Sprache“ nach Bühler 1934 [1982] werden die Wechselwirkungen zwischen Sender, Empfänger und Gegenstand bzw. Sachverhalt beim sprachlichen Handeln ver‐ anschaulicht. Daraus ergeben sich verschiedene semantische Sprachfunktionen, die ein sprachliches Zeichen (Z) als Werkzeug beim Sprachhandeln einnimmt: 100 3 Erzählen Abb. 12: Organonmodell der Sprache nach Bühler 1934 [1982] Bühler 1934 [1982] unterscheidet zwischen einer Ausdrucksfunktion, einer Appellfunktion und einer Darstellungsfunktion. Die jeweilige Funktion wird durch den Sender, Empfänger oder Gegenstand bzw. Sachverhalt bestimmt: Ausgehend von dem Sender wird das sprachliche Zeichen (Z) zum „Signal“ (Bühler 1934 [1982], 28) im Sinne einer Appellfunktion. In Bezug auf den Gegenstand bzw. Sachverhalt wird das sprachliche Zeichen zum „Symbol“ (ebd.) und übernimmt eine Darstellungsfunktion. Als „Symptom“ (ebd.) nimmt das Zeichen in Bezug auf den Empfänger eine Ausdrucksfunktion ein. Bühler 1934 [1982] beschreibt die Zusammenhänge wie folgt: „Die Linienscharen symbolisieren die semantischen Funktionen des (komplexen) Sprachzeichens. Es ist Symbol kraft seiner Zuordnung zu Gegenständen und Sach‐ verhalten, Symptom (Anzeichen, Indicium) kraft seiner Abhängigkeit vom Sender, dessen Innerlichkeit es ausdrückt, und Signal kraft seines Appells an den Hörer, dessen äußeres oder inneres Verhalten es steuert wie andere Verkehrszeichen“ (ebd. 28). Die triadische Unterscheidung der Sprachfunktionen findet auch im sprach‐ didaktischen Kontext Aufmerksamkeit und wurde u. a. von Baurmann/ Pohl (2011) auf das Texteschreiben im schulischen Kontext übertragen. Nach Baur‐ mann/ Pohl (2011) kann narrativen Texten vor allem als dominierende Funktion die Ausdrucksfunktion zugeschrieben werden. An der sprachlichen Oberfläche können narrative Gebrauchsmuster zur Markierung einer fiktiven Erzählwelt (Etablierung einer Erzählerperspektive, Figurenrede) und zur strukturellen Hervorhebung des Textmusters (Rahmung, feste Formeln) einer Erzählung funktional Ausdruck verleihen (vgl. Baurmann/ Pohl 2011, 84; Augst 2010, 66). Bei der Erzeugung eines Erzähltons greifen die Sprachhandelnden aber auf den Gegenstand selbst zurück. Es werden charakteristische Merkmale der Erzählung als Gegenstand zur Verstärkung des Ausdrucks herangezogen (vgl. Augst 2010, 88). Diese Form der Sprachfunktion wird in der Modellierung von 101 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung Bühler (1934 [1982]) nicht explizit berücksichtigt. Jakobson (1960 [1979]) greift diese Funktion in einer Erweiterung des Organonmodells als eine von drei weiteren Sprachfunktionen auf und bezeichnet sie als poetische Funktion des Sprachhandelns: „Wir haben die sechs Faktoren aufgezählt, die in sprachlicher Kommunikation impli‐ ziert sind, außer der Nachricht selbst. Die Einstellung auf die Nachricht als solche, die Zentrierung auf die Nachricht um ihrer selbst willen, ist die poetische Funktion der Sprache.“ (ebd. 151/ 521) Neben der poetischen Funktion ergänzt Jakobson (1960 [1979]) die phatische und metasprachliche Sprachfunktion, die sich aus dem Bühlerschen Organonmodell ableiten lassen: „Das traditionelle Sprachmodell, wie es vor allem Bühler erarbeitet hat, beschränkt sich auf diese drei Funktionen - emotiv, konativ und referentiell - und die drei Spitzen dieses Modelles - die erste Person des Senders, die zweite Person des Empfängers und die ,dritte Person‘ im eigentlichen Sinne, der oder das, von dem man spricht. Ausgehend von diesem triadischen Modell können leicht zusätzliche Sprachfunktionen erschlossen werden.“ (ebd. 149/ 519) Die Modellierung der Sprachfunktionen nach Jakobson (1960 [1979]) kann folgendermaßen visualisiert werden: Abb. 13: Modellierung der Sprachfunktionen nach Jakobson (1960 [1979]) Übertragen auf Erzählungen wird mit einer poetischen Funktion die Einstellung des Erzählenden zur Erzählung ausgedrückt. Es kann demnach angenommen werden, dass die Versprachlichung einer evaluativen Haltung des Erzählenden 102 3 Erzählen poetischer Funktion ist. Außerdem dient die Erzählung als narrative Textform selbst als Grundlage für die Auswahl an Gebrauchsmustern. Damit ist gemeint, dass die Erzählenden auf einer metaperspektivischen Ebene Gebrauchsmuster heranziehen, die die Wirkung der Erzählung auf die Leser: innen fokussieren. Die fokussierte Wirkung einer Erzählung ist in erster Linie der ästhetische Genuss für die Leser: innen: „Im Gegensatz zu vielen Sachtexten wird so beim Erzählen erwartet, dass der Hörer/ Leser auch einen ästhetischen Genuss, z. B. Freude an den Formulierungen, hat.“ (Augst 2010, 88) Eine wichtige Voraussetzung des Erzählenden für die Fokussierung einer poe‐ tischen Funktion beim Erzählen sind Vorerfahrungen mit Gebrauchsmustern, die eine poetische Leseart evozieren. Gebrauchsmuster mit poetischer Funktion sind somit auch immer ein Ausdruck der individuellen Literacy-Erfahrungen des Erzählenden. Schüler (2019) spricht von Sprachformen als Ausdruck „vor‐ gestellter Erfahrungen“ (ebd. 52): „Hervorgehobene Sprachformen werden in dieser Arbeit dementsprechend nicht als ,sprachliche Mittel‘ losgelöst von dem, was sie hervorheben, untersucht, sondern im Kontext der Erfahrung, die sie hervorheben. Darüber hinaus werden sie als eine Möglichkeit der Darstellung von vorgestellter Erfahrung betrachtet, ohne zu behaupten, es sei die einzige Möglichkeit.“ (ebd. 52) Zusammenfassend können Gebrauchsmuster, die über die Ausdrucksfunktion beim Erzählen hinausgehen, als poetisch-evozierende Gebrauchsmuster zusam‐ mengefasst werden. Darunter werden sowohl Gebrauchsmuster zum Ausdruck der evaluierenden Haltung des Erzählenden, Gebrauchsmuster zur leserseitigen Verstärkung des ästhetischen Genusses und Gebrauchsmuster zum Ausdruck individueller Erfahrungen gefasst. Damit zeigen sich für poetisch-evozierende Gebrauchsmustern auch Ver‐ knüpfungen zum literarischen Lernen (vgl. u. a. Ritter 2019, Spinner 2015, Abraham 2015, Kruse 2013, Dehn et al. 2011). Gerade die Aspekte literarischen Lernens, die auf die Text-Leser-Interaktion und die Wahrnehmung einer sprach‐ lichen Gestaltung ausgerichtet sind, knüpfen an den Gebrauch poetisch-evozier‐ ender Gebrauchsmuster an. Der Aspekt „[s]ubjektive Involviertheit und genaue Wahrnehmung miteinander ins Spiel bringen“ (Spinner 2015, 190) fokussiert die Entwicklung eines Bewusstseins für Textelemente, die die Leser: innen zur Vorstellungsbildung anregen. Spinner (2015) selbst führt an, dass damit auch „das Wahrnehmen der sprachlichen Gestaltung“ (ebd. 190) einhergeht. Eine gegenseitige Voraussetzung zwischen dem Gebrauch literarischer Textelemente und dem Bewusstsein für literarische Textelemente sowie dem Wahrnehmen der Sprachgestaltung zeigt die Schnittstelle von Sprach- und Literaturdidaktik und 103 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung die Relevanz von literarischen Vorerfahrungen für einen narrativen Sprachge‐ brauch. Den Gebrauch der Sprachformen zur poetisch-evozierenden Erzählgestal‐ tung skizziert Augst (2010) angelehnt an Boueke et al. (1995) als ontogeneti‐ sche Modellierung. Dadurch wird impliziert, dass ein funktionaler Gebrauch dieser Sprachmittel erst erworben werden muss und von dem jeweiligen Entwicklungsstand der Kinder abhängig ist. Entscheidend für den Entwick‐ lungsstand sind nach Augst (2010) die vorschulischen Literacy-Erfahrungen und die schulischen Instruktionen: „Das, worauf das Kind also bei der eigenen Produktion fiktionaler Erzählungen zurückgreifen kann, ist primär seine allge‐ meine (außer)schulische rezeptive literarische Erfahrung und seine schulische Anleitung.“ (Augst 2010, 91) Den Gebrauch von literarischen Ausdrucksformen als ein Werkzeug zu betrachten, welches sich durch schulische Instruktionen oder literarische Vorerfahrungen ausbildet, beschränkt die Betrachtung auf ein rein produktorientiertes Vorgehen. Es zeigt sich in empirischen Untersu‐ chungen, dass Kinder bereits ohne schulische Instruktionen Gebrauchsmuster verwenden, die auf literarische Vorerfahrungen zurückgeführt werden können (vgl. Schüler 2020, 2019, Weinhold 2000). Wie für die Visual Literacy gezeigt werden konnte, sind es gerade mentale Konstruktionsprozesse und Bewusst‐ seinshaltungen, in denen Wahrnehmung und Interpretation ausgehandelt werden und Literacy-Erfahrungen zum Ausdruck kommen (vgl. Kapitel 2.1). Es kann angenommen werden, dass mentale Konstruktionsprozesse auch beim Gebrauch poetisch-evozierender Sprachformen Einfluss nehmen, sodass poe‐ tisch-evozierende Gebrauchsmuster losgelöst von schulischen Instruktionen bereits in kindlichen Erzählungen ausgemacht werden können. Allerdings suggeriert eine Zurückführung der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster auf literarische Vorerfahrungen nicht, dass der Gebrauch dieser in schriftlichen Erzählungen einfach als Imitationen verstanden werden kann. Vielmehr ist es ein Aushandeln bereits bekannter Schemata in Bezug auf den entsprechenden Erzählkontext. Schüler (2020) spricht von „Transformationen, bei denen durch Auswahl, Ergänzung und Umgestaltung eine ,neue‘ Geschichte entsteht“ (ebd. 9). Ein Gebrauch der Sprachformen als Transformationen wird durch gehaltvolle Erzählimpulse angestoßen, die einen narrativen Kontext etablieren und so den Gebrauch poetisch-evozierender Sprachformen vielmehr implizieren. Für das Erzählen zu Bildern kann Schüler (2019) in fast jeder kindlichen Erzählung min‐ destens eine Sprachform ausmachen, die mit poetisch-evozierendem Charakter einhergeht (vgl. ebd. 271). Es gilt nun herauszustellen, welche Realisierungen an der sprachlichen Oberfläche des Textes als poetisch-evozierend verstanden werden können. Zum 104 3 Erzählen Ausdruck der Einstellung des Erzählenden können die bereits hergeleiteten evaluierenden Mittel, die nicht zur etablierenden und narrativ-strukturellen Verstärkung fungieren (z. B. Figurenrede, Temporaladverbien zur Markierung der Komplikation), herangezogen werden (vgl. Kapitel 3.2.5). Mögliche Aus‐ drucksformen zur Verstärkung des Erzähltons können nach Augst (2010) „sti‐ listische oder rhetorische Figuren wie Vergleiche, Metaphern, Phraseologismen, Reihungen von Synonymen, Verdopplungen und vieles mehr“ (ebd.) sein. Augst (2010, 88 f.) gibt eine Übersicht über eine Auswahl möglicher stilistischer Mittel zur ästhetischen Gestaltung einer Erzählung: V E R G L E IC H E „Es klang so wie ein Gebet“; „ein See, der für einen Menschen eine kleine Pfütze war“ P HR A S E O L O G I S M E N „da er irgendwann in die Welt hinausgehen wollte“; „die Hand nicht vor Augen sehen können“ A R G U M E N TATI O N E N „klatschnass“; „überglücklich“; „stocksteif “ U M G AN G S S P R A C H E „Er schnappte sich seine letzte Kerze“; „Dann schieß mal los! “ I N T E R J E KTI O N E N „Mist! “; „autsch! “; „rums! “; „Aahh Hilfe! “ Z W E I E R K E TT E N , Z .   B.: • Wiederholungen „immer und immer“; „er lief und lief “; „Ich komm ja schon, ich komm ja schon.“ • Synonyme oder Wortfelder „Er sah nichts als Stein und Staub“ [Alliteration! ]; „nach 50 Jahren Spaß und Vergnügen“; „glücklich und zufrieden“; „verdreckte und zerrissene Klamotten“ • Antonyme „schönen, großen, aber alten Baum“; „klein, aber fein“ • Herausstellungen „Endlich war sie da, die Höhle“; „wo etwas drinsteht, eine Truhe“ • rhetorische Fragen „Aber was hätte er tun sollen? “ • graphische Merkmale „Wummmsss! “; „Mein kleine …, was? “ „Hi Hi Hi Hilfe, iiich muss hier raus! “ Tab. 9: Stilistische Mittel zur ästhetischen Erzählgestaltung nach Augst (2010) Die Sprachformen zum Ausdruck vorgestellter Erfahrungen leitet Schüler (2019, 109 ff.) durch ein induktiv-deduktives Vorgehen her. Es werden drei Kategorien zur Analyse der Sprachformen von vorgestellten Erfahrungen herausgestellt: „Thematisierung ohne Hervorhebung“, „instrumentelle Hervorhebungen“ und „literarische Hervorhebungen“. Die instrumentellen Hervorhebungen sind in 105 3.2 Narrative Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung 19 vgl. für die theoretische Herleitung Schüler 2019, 109 ff. und für eine ausführliche Übersicht der Sprachformen Schüler 2019, 128 ff. erster Linie durch linguistische Merkmale (wie Intensitätspartikel, Gradpartikel) und lautmalerische Merkmale (Interjektionen und graphische Elemente) cha‐ rakterisiert. Es sind nach Schüler (2020) vor allem die literarischen Hervorhe‐ bungen, die die oben angeführten Sinnbildungsprozesse auslösen und auf einen narrativ-gehaltvollen Kontext hindeuten: „In dem Wissen, dass es literarische Sprache ‚an sich‘ eigentlich nicht gibt, dass Sprachformen nur im Kontext ihre Wirkung entfalten können, werden Sprachformen, die vom bloßen Bezeichnen abweichen und im Kontext der Geschichte eine ‚weitere‘ Sinnbildung herausfordern, als literarische Hervorhebungen bezeichnet.“ (ebd. 9) Bei den literarischen Hervorhebungen spricht Schüler (2020, 2019) von Figuren der Phonologie, Morphologie, Syntax und Semantik. Hierunter werden Erwei‐ terungen, Ersetzungen, Wiederholungen, Wortumstellungen und Tilgungen gefasst, die jeweils auf den verschiedenen linguistischen Ebenen vorkommen können. 19 Allerdings schreibt Schüler (2020) selbst, dass ihre Kategorisierung an Sprachformen nicht als eine „,Checkliste‘ zur Vermittlung und Überprüfung sprachformaler Muster“ (ebd. 16) eingesetzt werden soll. Es wird deutlich, dass eine Erfassung poetisch-evozierender Gebrauchsmuster an der Textoberfläche die Gefahr von subjektiven Interpretationen birgt. An der sprachlichen Ober‐ fläche können sowohl evaluierende Mittel (z. B. expressive Verben, evaluierende Adjektive, inhaltliche Ausschmückungen), stilistische Mittel (z. B. Vergleiche, rhetorische Fragen) als auch literarische Sprachformen zum Ausdruck vorge‐ stellter Erfahrungen aufgezeigt werden. Mit Bezug auf Jakobson (1960 [1979]) ist entscheidend, dass den Sprachformen eine poetische Sprachfunktion zuge‐ schrieben werden kann. Diese kann im Ausdruck des evaluierenden Charakters liegen oder in der Gestaltung einer ästhetisch-genussvollen Erzählung, die in erster Linie leserseitig orientiert ist. Eine weitere Funktion kann der Ausdruck (vorgestellter) Erfahrungen sein, die auf individuelle Literacy-Erfahrungen ver‐ weisen. Zusammenfassend ergeben sich drei mögliche Kategorien poetisch-evo‐ zierender Gebrauchsmuster: 106 3 Erzählen M E R KMAL E E VAL UI E R E N D E R C HA R AKT E R evaluierende Mittel zum Ausdruck der evaluierenden Haltung der Erzählenden E R ZÄHL T O N stilistische Mittel für einen ästhetischen Genuss der Lesenden A U S D R U C K V O R G E S T E L L T E R E R F AHR U N G E N literarisch-ästhetische Sprachformen zum Ausdruck individueller Literacy-Erfahrungen Tab. 10: Mögliche Sprachfunktionen der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster 3.3 Ebenen des Narrativen in Erzähltexten In dem Kapitel 3.2 sind verschiedene sprachliche Gebrauchsmuster für die Erzähltextgestaltung herausgestellt worden. Betrachtet man die angeführten narrationsspezifischen Gebrauchsmuster eines Erzähltextes, unterscheiden sich diese durch die jeweiligen Bezugsnormen. Während der Tempus- und Junktionengebrauch als grammatische Kategorien den Fiktionalitätsgehalt verstärken, markieren die Indefinitheit und die Figurenrede die narrationsspezifische Er‐ zähler- und Figurenperspektive. Zum Ausdruck eines narrativen Textmusters und als literarisch-ästhetische Verstärkung können narrative Gebrauchsmuster angeführt werden, die die Erzählung selbst als Bezugsnorm betrachten. Zeman (2020, 2018) greift aus linguistischer Perspektive die Diskussion zum „Verhältnis zwischen narrativen Strukturen und grammatischen Mitteln“ (Zeman 2020, 487) auf und unterscheidet zum Ausdruck der Narration verschiedene hierar‐ chische Ebenen (vgl. ebd. 470). Diese sind mit Bezug zur Theory of mind auf eine mentale Perspektivenkonstellation in Erzähltexten zurückzuführen. Die Perspektivenkonstellation differenziert sich neben einer Erzähler- und Figuren-/ Ereignisperspektive außerdem in eine Sprecherperspektive. Die Spre‐ cherperspektive (speaker level) kann als eine Metaebene verstanden werden, die über der Erzählerperspektive (narrator level) und der Figuren-/ Erlebnisperspek‐ tive (charakter/ event level) liegt und die individuelle Perspektive der erzählenden Person betrifft. Zeman (2020, 470; 2018, 191) modelliert die Perspektivenstruktur narrativer Texte wie folgt: 107 3.3 Ebenen des Narrativen in Erzähltexten Abb. 14: Struktur narrativer Texte nach Zeman (2020, 2018) Mit dieser Modellierung kann angenommen werden, dass die narrativen Ge‐ brauchsmuster aufgrund der differenzierten Bezugsnormen auf verschiedenen Ebenen des Erzähltextes verortet werden können. Aus literaturwissenschaftli‐ cher Perspektive weist bereits Barthes (1988) analog zu den linguistischen Ebenen (phonetisch, phonologisch, grammatikalisch, kontextuell) für die Struk‐ turanalyse einer Erzählung auf eine Ebenenhierarchie hin: „Bei der Durchführung einer strukturalen Analyse muß man also zunächst mehrere Beschreibungsinstanzen unterscheiden und diese Instanzen in eine hierarchische (integratorische) Perspektive bringen. […] Wie viele Ebenen man auch vorschlägt und wie immer man sie definiert, es besteht kein Zweifel, daß die Erzählung eine Hierarchie von Instanzen bildet.“ (ebd. 107) Gemeinsam haben die beiden Ansätze zur Differenzierung narrativer Ebenen die Integration der Ebenen. Barthes (1988) stellt heraus, dass die Merkmale einer Ebene immer erst durch die ihnen integrierten Ebenen auch als narrationsspe‐ zifisch interpretiert werden können: „Man darf nicht aus den Augen verlieren, daß diese drei Ebenen durch einen progressiven Integrationsmodus verknüpft sind: Eine Funktion erhält nur insofern Sinn, als sie sich in die allgemeine Handlung eines Aktanten eingliedert; und diese Handlung erhält ihren letzten Sinn aufgrund der Tatsache, daß sie erzählt, einem Diskurs mit seinem eigenen Code anvertraut wird.“ (ebd. 108) Vergleichbar argumentiert auch Zeman (2020), wenn sie von einem „hierarchi‐ schen Einbettungsverhältnis“ (ebd. 470) spricht. Entscheidend für die Herleitung verschiedener Ebenen des Narrativen in kindlichen Erzähltexten ist somit eine integrative Abstufung. Die Zuordnung der narrativen Gebrauchsmuster auf eine integrierte Abstufung an Ebenen kann ausgehend von der handlungstheoreti‐ schen Herleitung des Erzählens (vgl. Kapitel 3.1) argumentiert werden. 108 3 Erzählen Ein präteritaler Tempusgebrauch sowie die Verwendung kohäsiver Satzkon‐ nektoren sind linguistisch begründet und können als Fiktionalitätsmarker den narrativen Gehalt einer Erzählung verstärken, sodass Fiktionalitätsmarker der Mikroebene des Erzähltextes zugeordnet werden können: Abb. 15: Mikroebene des Narrativen in Erzähltexten Diese können erst im Zusammenhang mit der Etablierung einer Erzählwelt auch als narrationsspezifisch wahrgenommen werden. Zur Etablierung einer Erzählwelt wird zu Beginn der Erzählung eine Erzählerperspektive markiert. Innerhalb der Erzählerperspektive kann zum Ausdruck der inneren Figurenwelt eine Protagonistenperspektive eröffnet werden (vgl. Uhl 2017). Als sprachliche Merkmale zur Verortung der Erzählung in einer fiktiven Erzählwelt konnten in Kapitel 3.2.3 die indefinite Einführung von Figuren, Raum und Zeit zur Markierung der Erzählerperspektive angeführt werden. Die Protagonistenper‐ spektive wird sprachlich durch den Gebrauch der Figurenrede markiert (vgl. Kapitel 3.2.4). Die sprachlichen Merkmale zum Ausdruck einer Erzähler- und Protagonistenperspektive beschreiben somit auf Mesoebene des Erzähltextes die Verortung der Erzählung in einer fiktiven Welt: Abb. 16: Mikro- und Mesoebene des Narrativen in Erzähltexten 109 3.3 Ebenen des Narrativen in Erzähltexten Darüber hinaus muss die Verortung der Erzählung in einer fiktiven Erzählwelt von dem Erzählenden für die Lesenden herausgestellt werden. Dieses kann im Erzähltext durch die Ausprägung eines narrativen Textmusters erfolgen. Das narrative Textmuster kann in den Erzähltexten sprachlich durch die Herausstel‐ lung der einzelnen Textmusterphasen zum Ausdruck kommen, die in erster Linie auf die globale Hervorhebung des gesamten Textmusters für die Lesenden abzielt (vgl. Kapitel 3.2.5). Narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster werden funktional eingesetzt, um die Erzählung für die Lesenden in einem narrativen Kontext zu rahmen. Ebenfalls an der Interaktion mit den Lesenden orientiert, ist der Gebrauch poetisch-evozierender Gebrauchsmuster (vgl. Kapitel 3.2.6). Diese werden zum Erzeugen eines ästhetischen Lesegenusses und zum Ausdruck in‐ dividueller Erfahrungen eingesetzt (vgl. Schüler 2019, 2020, Augst 2010). Schüler (2019) zeigt, dass Sprachformen zum Ausdruck vorgestellter Erfahrungen durch mentale Sinnbildungsprozesse ausgelöst werden und diese gleichermaßen an‐ stoßen. Poetisch-evozierende Gebrauchsmuster stehen bei der Erzähltextgestal‐ tung somit in wechselseitiger Interaktion zwischen Erzählenden und Lesenden und nehmen zwei Funktionen ein: Den Ausdruck der Literacy-Erfahrungen der Erzählenden und den Ausbau der Literacy-Erfahrungen der Lesenden. Sprachformen, die auf die Interaktion zwischen Erzählenden und Lesenden zur Verstärkung eines narrativen Kontextes abzielen, zeichnen sich auf Makroebene des Erzähltextes ab. Zusammenfassend ergibt sich für die Ebenen des Narrativen in Erzähltexten folgende integrative Modellierung: 110 3 Erzählen Abb. 17: Hierarchische Modellierung der Ebenen des Narrativen in Erzähltexten 111 3.3 Ebenen des Narrativen in Erzähltexten 4 Narratoästhetische Erzählimpulse Bildliche und sprachliche Erzählungen unterscheiden sich in ihrer Art und Weise, wie sie die Narration wiedergeben. Dennoch können zum Ausdruck des Narrativen einige Zusammenhänge zwischen Bild und Text ausgemacht werden. Nach Becker (2019) ist „das kreative und das ästhetische Moment“ (ebd. 369) ein entscheidender Verknüpfungspunkt zwischen dem narrativen Bild und dem narrativen Text: „Beides unterliegt weiterhin dem Ästhetischen: Es wird von den menschlichen Sinnen wahrgenommen und von ihnen individuell bewertet. Dieses kreative und ästhetische Potential gilt es zu nutzen! “ (ebd.) Duncker (2013) stellt eine ästhetische Dimension sogar als unabdingbar für die Aktivierung von Imaginationen während der Verarbeitungsprozesse von Bildern als Erzählanlass heraus: „Zu betonen ist, dass der Prozess der Erfahrung von einer sinnlich-ästhetischen Di‐ mension begleitet ist und der sprachlich begrifflichen Bearbeitung sogar vorausgeht. Erfahrungen werden demnach zunächst immer ausgelöst durch sinnliche Wahrneh‐ mungen, durch szenisch und bildhaft vermittelte Eindrücke, in denen das Unerwar‐ tete und Plötzliche in das eigene Leben eintritt. Das Kontrastive und Andersartige vermittelt sich in ästhetischen Kategorien, die erst das Material bieten für weitere Bearbeitungen und Deutungen. Sie werden jedoch nicht durch Begriffe überwunden und abgelöst, sondern bleiben in eigenständiger Weise eine Art zweite Ebene, die immer wieder wechselseitig mit der Sprache in Verbindung steht.“ (Duncker 2013, 23) In sprachlichen Erzählungen werden vor allem die Etablierung fiktiver Erzähl‐ kontexte und die Gestaltung prototypischer Erzählungen angestrebt. Zu einer kreativen und ästhetischen Erzähltextgestaltung zählt gerade der Rückgriff auf narrative Gebrauchsmuster, die auf einer Makroebene des Erzähltextes verortet sind (vgl. Kapitel 3.2.6). Bei poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern kann mit Rückgriff auf Schüler (2019) „die Sprachkompetenz von Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter nicht nur als literale, sondern auch als ästhetische, literarische Kompetenz“ (ebd. 346) gefasst werden. In der bildlichen Narration geht mit dem kreativen und ästhetischen Po‐ tential die Bedeutung von Imaginationen einher, die sich in den mentalen Konstruktionsprozessen der visuellen Narration auszeichnen. Imaginationen sind unabdingbar für das kreative und ästhetische Moment bei narratoästheti‐ schen Bildern und bauen sich gleichzeitig durch häufige Begegnungen immer weiter aus (vgl. u. a. Glas 2019, Fahrenwald 2019). In der Kunstdidaktik wird bei dem Einsatz von Bildern als Erzählanlass auch von narrativen Imaginationen gesprochen, die Einfluss auf die Rezeptionsprozesse der narratoästhetischen Bilder nehmen (vgl. u. a. Glas 2019, Sowa 2012, Schmid 2012). Zur Differenzie‐ rung zwischen narratoästhetischen Bildern im Allgemeinen und spezifisch zur Aktivierung narrativer Sprachhandlungen können narratoästhetische Bilder, die als Anlass für sprachliche Erzählprozesse dienen, als narratoästhetische Erzählimpulse bezeichnet werden. Der Rezeptionsprozess narratoästhetischer Erzählimpulse kann angelehnt an die narratoästhetische Bildverarbeitung (vgl. Kapitel 2.1) als ein durch visuelle Ankerpunkte und Visual-Literacy-Erfahrungen gelenkter Interaktionsprozess verstanden werden, der narrative Imaginationen erzeugt. Allerdings bringen narrative Imaginationen nicht nur mentale, innere Bilder hervor, sondern akti‐ vieren und lenken den Verarbeitungsprozess der Erzählimpulse beim Erzählen deutlich stärker: „Imagination im Kontext des Erzählens soll in diesem Zusammenhang nicht nur als ein Vermögen gesehen werden, innere Bilder hervorzubringen, sondern auch als aktivierter Prozess, der wesentlich zum individuellen Betrachten, Orientieren und Weltverstehen beiträgt.“ (Glas 2019, 339) Die Aktivierung narrativer Imaginationen resultiert u. a. aus der Beschaffenheit der narratoästhetischen Erzählimpulse, die sich als narratoästhetische Bilder aus der visuellen Narration und der erzählten Welt zusammensetzen. Forschungen und Analysen zur Interaktion visueller und sprachlicher Narrationen führen als Brücke zwischen der bildlichen und verbalsprachlichen Narration u. a. eine stärker ausgeprägte visuelle Erzählinstanz oder ein höheres Aufkommen an bildkompositorischen und bildinhaltlichen Narrationsmarkern an (vgl. Glas 2019, Scherer/ Schröder 2019, Lieber 2019, Staiger 2012). Staiger (2012) spricht z. B. von Leitmotiven bzw. wiederkehrenden Elementen als Voraussetzung für die Narrativität: „Voraussetzung für die Narrativität einer Bildfolge sind wiederkehrende Elemente, z. B. Figuren, Gegenstände oder Räume, die dem Betrachter signalisieren, dass es sich um die Darstellung einer kontinuierlichen Abfolge von Ereignissen handelt und nicht etwa um eine zufällige Aneinanderreihung von Einzelbildern.“ (ebd. 47) Diese angeführten bildlichen Narrationsmerkmale beziehen sich in erster Linie auf den Ausdruck einer visuellen Narration. Neben dem Ausdruck einer visu‐ ellen Narration ist auch eine spezifische Gestaltung der erzählten Welt bei narratoästhetischen Erzählimpulsen kennzeichnend (vgl. u. a. Hoffmann 2019, Scherer/ Schröder 2019, Staiger 2012). In mündlichen Erzählsituationen mit 114 4 Narratoästhetische Erzählimpulse Vorschulkindern kann Hoffmann (2019) zeigen, dass Figurendarstellungen in den kindlichen Erzählungen aufgegriffen werden, um Figurenemotionen und Figurenkonstellationen zu interpretieren (vgl. ebd. 172 ff.). Um herauszustellen, welche spezifische Ausprägung bei der Figurendarstellung zielführend für ein Sprachhandeln in fiktiven Erzählkontexten ist, müssen die Interaktionsprozesse der visuellen Elemente und individuellen Vorerfahrungen mit Narrationen der Betrachter: innen genauer analysiert werden. Die individuellen Vorerfahrungen sind neben der Beschaffenheit der narratoästhetischen Erzählimpulse ebenfalls einflussnehmend (vgl. u. a. Glas 2019, Dehn 2019, Dehn et al. 2011). Um narrative Imaginationen bzw. die individuellen Vorerfahrungen zu Narrationen weiter auszubauen, misst Sowa (2012) dem Rezipieren und Produzieren von Narrationen ein hohes Maß an Bedeutung zu (ebd. 358). Individuelle Narrationser‐ fahrungen können die Betrachter: innen bei der Begegnung mit dem Narrativen in jeglichen Formen ausbauen (vgl. u. a. Staiger 2020, 2012). Dazu zählen neben Narrationen in visueller und verbaler Form z. B. auch auditive und audiovisuelle Narrationsformate, wie sie den Kindern in Hörbüchern und Filmen begegnen (vgl. hierzu u. a. die Medienverbunddidaktik von Kruse 2016). In Anlehnung an eine Medienverbunddidaktik stellen sich bei der Begegnung mit Narrationen gerade ästhetische Erfahrungen als bedeutsam für die Lernprozesse heraus. Ästhetische Erfahrungen nehmen in Forschungen der Kunstdidaktik für die Grundschule einen großen Stellenwert ein und beziehen sich sowohl auf die gestalterischen Prozesse als auch auf die Rezeptionsprozesse von Kunstwerken (vgl. u. a. Peez 2012, Kirchner 1999, 2013, Kirchner/ Otto 1998). Kirchner (1999) spricht davon, dass ästhetische Erfahrungen aus der Verknüpfung der individu‐ ellen Vorerfahrungen und der Wirkung des künstlerischen Objektes resultieren: „Ästhetische Erfahrungen aber ergeben sich aus der Wirkung des künstlerischen Objekts in seiner spezifischen, singulären Gestalt, wenn das Wahrgenommene mit den individuellen Vorerfahrungen, Erinnerungen und Vorstellungen verknüpft und das persönliche Erfahrungspotential verändert wird.“ (ebd. 322) In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die Aktivierung eines kreativen und ästhetischen Moments, wie es u. a. Becker (2019) fordert, aus einer Inter‐ aktion der ästhetischen Elemente im Bild und den subjektiven ästhetischen Erfahrungen resultiert. Ästhetische Elemente im Bild zeichnen sich durch eine Vielzahl an visuellen Ankerpunkten aus, die es den Betrachter: innen ermöglicht, das Bild durch die individuellen ästhetischen Erfahrungen mental zu durchdringen (vgl. Kirchner 2013). Als ästhetische Ankerpunkte nennt Kirchner (2013) u. a. „thematische Bezüge (Einsamkeit, Gewalt, Freundschaft usw.), Phan‐ tasien, Träume, narrative Elemente“ oder „spannende Kompositionen“ (ebd. 257) 115 4 Narratoästhetische Erzählimpulse und greift in erster Linie die bereits angeführten visuellen Gestaltungsmerkmale und -techniken narratoästhetischer Bilder (spannende Kompositionen, narra‐ tive Elemente und thematische Bezüge) auf. Mit dem Aspekt der Phantasie kann eine Bezugsnorm für die visuelle Gestaltung der erzählten Welt herausgestellt werden, welche u. a. auch Fahrenwald (2019) als eine Dimension des Kreativen sieht (ebd. 123). Das ästhetische Potential von visuellen Erzählimpulsen zeichnet sich somit durch spezifische Gestaltungsmerkmale aus, die durch eine stärker ausgeprägte visuelle Narration und eine phantastische Gestaltung der erzählten Welt markiert sind. Für narratoästhetische Bilder konnte bereits gezeigt werden, dass die Gestaltung während der Verarbeitungsprozesse Einfluss nimmt. Nach Duncker (1999) liegt das Potential der Phantasie nicht alleine in den Symbolen im Bild, die sich schließlich auch im Text wiederfinden, sondern in der mentalen Verarbeitung dieser Symbole. Die mentale Verarbeitung als eine „Zwischenwelt zwischen Innen und Außen“ (ebd. 13) misst diesen Symbolen erst die entspre‐ chende Bedeutung bei: „Die symbolische Verarbeitung von Eindrücken zu Bildern und Weltbildern im Rahmen der Phantasietätigkeit kann mit Methoden operieren, die den Möglichkeiten der Sprache wohl kaum nachstehen dürften. […] Weil ästhetische Erfahrungen im Zwischenfeld zwischen Innen und Außen liegen und nach beiden Seiten hin vermit‐ teln, bekommt der Symbolbegriff ein besonderes Gewicht. Der Transport und die Konstituierung von Sinn und Bedeutung im Lernen kommt ohne diese Zwischenwelt der Symbole nicht aus.“ (ebd.) Um die einzelnen Kategorien der visuellen Narration und erzählten Welt für die Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpuls somit detailliert herauszustellen, ist zunächst die kindliche Verarbeitung narratoästhetischer Erzählimpulse von Bedeutung. 4.1 Verarbeitung narratoästhetischer Erzählimpulse In sprachlichen Lernsettings werden narratoästhetische Erzählimpulse häufig als Auslöser für ein Sprachhandeln in fiktiven Erzählkontexten eingesetzt, indem die visualisierte Narration in mündlicher oder schriftlicher Form wieder‐ gegeben werden soll. Um von narratoästhetischen Erzählimpulsen ausgehend eine Erzählung zu gestalten, stehen die Betrachter: innen zunächst vor der Herausforderung, die visualisierte Narration zu rekonstruieren. Im Vordergrund steht dabei immer das Herstellen einer kohärenten Ereignisstruktur. Voraus‐ setzung für eine kohärente Erzählkonstruktion ist es, die einzelnen visuellen 116 4 Narratoästhetische Erzählimpulse 20 Zeman et al. (2017) beziehen sich bei dem Konzept der narrativen Perspektivierung auf die Modellierung von Zeman (2016). In aktuellen Beiträgen greift Zeman den Aspekt der Perspektivierung regelmäßig auf (vgl. u. a. Zeman 2017, 2018, 2020). Für einen besseren Lesefluss wird in diesem Zusammenhang vorrangig die Quelle von Zeman et al. (2017) angeführt, da diese die Modellierung auch vor einem didaktischen Hintergrund des aktuellen Forschungsdiskurses darstellen. Elemente zu einem logischen Gesamtkonstrukt zusammenzufügen (vgl. Glas 2019, 338). Damit kann das Erzählen zu narratoästhetischen Erzählimpulsen als eine Form der Nacherzählung verstanden werden. Für die Form der Nacher‐ zählung ist nach Zeman et al. (2017) gerade die Erzählwürdigkeit ein entschei‐ dendes Merkmal. Teil der Nacherzählung werden lediglich die Elemente der visualisierten Narration, die von dem Erzählenden auch für erzählwürdig ge‐ halten werden. Demnach evaluiert ein Erzählender vor der Nacherzählung das Potential der Erzählung (vgl. Kapitel 3.2.5). Zeman et al. (2017) bezeichnen Nach‐ erzähler: innen deshalb auch als evaluierende Erzähler: innen. Der Prozess des Evaluierens der Erzählwürdigkeit findet während des Bildverarbeitungsproz‐ esses statt, sodass mit dem Aspekt des Evaluierens auch die Herausforderung der Perspektivenübernahme beim Erzählen einhergeht (vgl. Wieler 2013). Zur Eva‐ luation der visualisierten Erzählung in den narratoästhetischen Bildimpulsen müssen die Erzählenden aus einer Metaperspektive heraus die erzählte Welt wahrnehmen. Diese Herausforderung wird mit dem Konzept der narrativen Perspektivierung verdeutlicht, das nicht nur für Erzähltextanalysen eine Rolle spielt, sondern auch bei der Verarbeitung von Erzählimpulsen bedeutsam wird (vgl. Zeman et al. 2017) 20 . 4.1.1 Das Konzept der narrativen Perspektivierung Durch die Analyse des Sprachgebrauchs von dem Verb erzählen in Gesprächs‐ beiträgen von Erwachsenen stellen Zeman et al. (2017) die Aspekte der Per‐ spektiviertheit und Erzählwürdigkeit als mögliche Eigenschaften narrativer Texte heraus. Ausgangspunkt für die Erzähltextanalyse ist die Annahme, dass narrative Texte ein narratives X enthalten, welches einen Text erst zu einem narrativen Text macht. Durch dieses narrative X können narrative Texte von anderen Textformen (z. B. von Argumentationen) abgrenzt werden (vgl. ebd. 310). Bei der Analyse narrativer Texte sprechen Zeman et al. (2017) der Erzähl‐ würdigkeit und dem Konzept der narrativen Perspektivierung eine besondere Bedeutung zu: „Damit rücken im Rückschlussverfahren zwei Eigenschaften in den Vordergrund, die möglicherweise auch für das narrative X von größerer Relevanz sein können: 117 4.1 Verarbeitung narratoästhetischer Erzählimpulse 21 In der Linguistik werden die Figuren-/ Erlebnisperspektive zusätzlich noch einmal in Erzählerperspektive und Protagonistenperspektive ausdifferenziert (vgl. Kapitel 3.2.3 u. 3.2.4). Perspektiviertheit und Bewertbarkeit des Erzählten. Es scheint so zu sein, dass Erzählen vorrangig etwas damit zu tun hat, dass man ein Geschehen aus einer bestimmten Perspektive heraus entwickelt, wobei das Erzählte selbst einer (gern auch ins Negative laufenden) Bewertung unterliegt […]. Man kann diese beiden Aspekte auch hinsichtlich des Faktors X rekonstruieren als: bewertbarer Entwurf alternativer Wirklichkeiten.“ (ebd. 314; Hervorhebung im Original) Damit der Inhalt einer Erzählung als ein „bewertbarer Entwurf alternativer Wirklichkeiten“ (ebd.) erfasst wird, muss der Erzählung eine Perspektiven‐ struktur zugrunde liegen. Als kognitives Grundprinzip ist die Perspektivenstruktur einer Erzählung in der Theorie tendenziell unbestritten: „the close relationship between perspectival tasks and narrative macrostructure can thus be seen as quite uncontroversial“ (Zeman 2016, 22). Für Erzählungen wird häufig lediglich die Unterscheidung einer Figuren-/ Erlebnisperspektive und einer Erzählerperspek‐ tive getroffen (vgl. für die Literaturwissenschaft u. a. Martínez/ Scheffel 2016, die zwischen dem Erzählen und dem Erzählten unterscheiden) 21 . In dem bereits in Kapitel 3.3 angeführtem Modell zur Perspektivenkonstellation von Erzähltexten erweitert Zeman (2020, 2018) die Unterscheidung zweier Perspektiven (narrator level und character/ event level) noch um eine dritte Perspektive: die Sprecher‐ perspektive (speaker level). Erst durch diese kann der Aspekt der narrativen Perspektivierung nach Zeman (2020, 470; 2018, 191) insgesamt erfasst werden. Die Sprecherperspektive, verstanden als eine Metaebene, ermöglicht es, dass der Erzählende die gesamte Erzählung aus dieser heraus evaluieren und entspre‐ chend der individuellen Evaluation Figuren-/ Erlebnis- und Erzählerperspektive gestalten kann. Begründet wird die Erweiterung einer dritten Perspektiven‐ ebene bei Erzählungen über die Theory of mind und dem „three-point concept of perspective“ (Zeman 2017, 9). Betrachtet man die idealtypische Entwicklung der Theory of mind als kontinuierlichen Verlauf, kommen Kinder mit etwa vier Jahren zu dem „three-point concept of perspective“ (Zeman 2017, 9), also zu einer mehrperspektivischen Einsicht: „Mit etwa vier Jahren lässt sich nun eine deutliche Veränderung in der alltagspsycho‐ logischen Kompetenz bzw. der Theory of Mind beobachten. […] Der entscheidende Entwicklungsschritt wird in der psychologischen Forschung beschrieben als das Herausbilden der Fähigkeit, Metarepräsentationen zu bilden, d. d., sich Gedanken über die mentalen Prozesse anderer Personen zu machen. Metarepräsentationen sind 118 4 Narratoästhetische Erzählimpulse 22 Die Analyse sprachlicher und grammatischer Merkmale in verschiedenen Texten zeigt, dass sprachliche Elemente nicht ausschließlich als Merkmale narrativer Texte verstanden werden können (vgl. für den Tempusgebrauch Zeman et al. 2017 und Zeman 2016 und für das Nutzen von Modalverben im Sinn der epistemischen Modalität Zeman 2017). Zeman (2016) kann den Gebrauch dieser grammatischen Merkmale z. B. auch beim nicht-narrativen Texten ausmachen. „Furthermore, these perspectival phenomena do not seem to be a feature of ‚literariness‘ or ‚fictionality‘ but of narrative structure itself, as these grammatical characteristics are by no means restricted to literary texts.“ (Zeman 2016, 18). Vorstellungen über die Vorstellungen anderer. […] Neben der Einsicht, dass sich subjektive Überzeugungen von der Realität unterscheiden können, entwickelt sich im gleichen Altersbereich auch die begriffliche Differenzierung zwischen Anschein und Realität. Dies zeigt eine Studie von Flavell (1986).“ (Ehm/ Lonnemann/ Hasselhorn 2017, 88) Zum Ausdruck kommt das Konzept der narrativen Perspektivierung bei der sprachlichen und grammatischen Gestaltung der Erzählung und ist somit an der Textoberfläche repräsentativ (vgl. z. B. Zeman et al. 2017) 22 . Zeman et al. (2017) gehen sogar so weit, dass erst die „zugrundeliegende Tiefenstruktur der doppelten Perspektivenkonstellation“ (ebd. 318) das Sichtbarwerden narrativer Elemente an der sprachlichen Oberfläche ermöglicht. Demnach kann ein Text auch ohne sprachliche Merkmale ein narrativer Text sein, wenn ein hierarchi‐ sches Verhältnis von Figuren-/ Erlebnisperspektive, Erzählerperspektive und Sprecherperspektive gegeben ist (vgl. ebd. 218). Auch in narratoästhetischen Bildern wird der Aspekt der Perspektivierung berücksichtig. Als Ausdruck einer visuellen Narration kann vor allem durch Gestaltungsmerkmale der visuellen Erzählinstanz die Einnahme einer Sprecherperspektive auf die erzählte Welt unterstützt werden (vgl. Kapitel 2.3). Zeman et al. (2017) betrachten bei ihrer Modellierung in erster Linie narrative Texte von Erwachsenen oder sogar bekannten Schriftsteller: innen. Sowa (2012) hebt das Evaluieren bei der kindlichen Verarbeitung narratoästhetischer Bilder zur Konstruktion einer abgeschlossenen Erzählung hervor (ebd. 357), sodass die Annahme der narrativen Perspektivierung für das kindliche Erzählen zu narratoästhetischen Erzählimpulsen auf das Wesentliche reduziert werden: Die Evaluation der Erzählwürdigkeit aus einer Sprecherperspektive heraus. Die Einnahme einer Sprecherperspektive ist nicht erst bei der Erzählproduktion von Bedeutung, sondern bereits bei der Verarbeitung des narratoästhetischen Erzählimpulses als Ausgangspunkt der Erzählung. Im Sinne eines evaluierenden Erzählers muss bereits der narratoästhetische Erzählimpuls als erzählwürdig 119 4.1 Verarbeitung narratoästhetischer Erzählimpulse wahrgenommen werden. Für die Einnahme einer Sprecherperspektive ist nach Zeman (2017) die mentale Distanz zum Wahrnehmungsraum zentral: „A relevant step in the acquisition of perspectival capabilities is hence the mental decoupling from the real world, as seen in children’s capabilities of differentiating between present and past as well as switching between actual and imaginary hypothetical situations.“ (Zeman 2017, 4) Für das Erzählen zu narratoästhetischen Erzählimpulsen kann die Einnahme einer Sprecherperspektive durch die Gestaltung einer visuellen Narration vereinfacht werden. Ziel sollte es sein, dass sich der Erzählende durch die Gestaltung einer visuellen Narration mental von diesem distanziert. 4.1.2 Mentale Zugriffe beim Erzählen - Wahrnehmen und Vorstellen Topalovic/ Uhl (2014a) führen die triadische Unterscheidung mentaler Zugriffe beim Erzählen auf die Rezeptionsästhetik von Iser (1991) zurück, der sich auf die Unterscheidung von Wahrnehmung und Vorstellung in dem sprachphiloso‐ phischen Beitrag von Sartre 1940 [1994] bezieht. Auch Sowa (2015) greift für die kindliche Bildrezeption auf, ob Bilder mental eine Wahrnehmung oder Vor‐ stellung auslösen. Die „Präsenz von Bildern“ (ebd. 90) alleine reicht allerdings nicht aus, um einen „vorstellungsbildenden Zugang zu den jeweils verhandelten Inhalten“ (ebd.) zu ermöglichen. Bilder müssen so eingesetzt werden, dass sie einen Vorstellungsprozess fördern und anregen. Dabei sind sowohl die Qualität der Bilder als auch die Ausbildung „imaginativer Präkonzepte“ (ebd. 91) der Be‐ trachter: innen von Bedeutung: „Das was als ,Sinn‘ in einem Bild zu ,entnehmen‘ ist, muss imaginativ jeweils schon in die Bildbetrachtung eingebracht werden, um sich dann in der methodischen Vertiefung der Betrachtung transformieren zu können.“ (ebd.) Auch nach Sartre (1940 [1994]) geht der Vorgang des Wahr‐ nehmens bzw. Vorstellens nicht ausschließlich vom Betrachtungsobjekt aus, sondern ist gleichermaßen von der individuellen Haltung der Betrachter: innen zu dem Betrachtungsobjekt bestimmt. Demnach kann erst durch die Einnahme einer mentalen Bewusstseinshaltung der Akt der Wahrnehmung und der Akt der Vorstellung eindeutiger differenziert werden. Bei dem Akt der Vorstellung spricht Sartre (1940 [1994]) von dem Imaginären, beim Wahrnehmungsakt von dem Realen. Ausschlaggebend für eine Differenzierung der Bewusstseinshal‐ tungen beim Wahrnehmungsakt und Vorstellungsakt ist die mentale Distanz zum Wahrnehmungsraum (vgl. ebd. 284 f.). Bei dem Wahrnehmungsakt sind die Betrachter: innen mental an den Wahrnehmungsraum gebunden und nehmen 120 4 Narratoästhetische Erzählimpulse 23 Am Beispiel der Betrachtung eines Gemäldes beschreibt Sartre (1940 [1994]) den Vorstellungsakt: „Wir sehen also, daß das Bewußtsein, um als Vorstellung das Objekt <Karl VIII.> hervorzurufen, die Realität des Gemäldes negieren können muß und daß es diese Realität nur negieren kann, indem es Abstand nimmt zu der in ihrer Totalität erfaßten Realität. Eine Vorstellung setzen heißt, ein Objekt am Rand der Totalität des Realen konstituieren, das Reale als auf Distanz halten, sich davon frei machen, in einem Wort, es negieren.“ (Ebd. 285 f.) das Betrachtungsobjekt als ein real-gegebenes Objekt wahr. Es wird keine mentale Distanz zum Wahrnehmungsraum aufgebaut, sodass die mentale Re‐ präsentation des Betrachtungsobjekts der Realität entspricht. Voraussetzung für den Vorstellungsakt ist eine mentale Abkopplung vom Wahrnehmungsraum (vgl. ebd. 285 f.) 23 . Wird der Wahrnehmungsraum mental teilweise ausgeblendet, nehmen die Betrachter: innen eine vorstellend-imagi‐ näre Bewusstseinshaltung ein. Diese geht von einem abwesend-gegebenen Betrachtungsobjekt aus. Das Betrachtungsobjekt wird durch den Bezug auf einzelne Aspekte aus dem Wahrnehmungsraum mental verarbeitet und als Imagination abgebildet. Eine starke mentale Ausblendung des Wahrnehmungs‐ raums entspricht ebenfalls dem Akt der Vorstellung. Eine starke Ausblendung des Wahrnehmungsraums setzt voraus, dass das Betrachtungsobjekt einem nicht-existierenden Objekt entspricht. Bei der Betrachtung des Objektes werden wenige Verknüpfungen zum Wahrnehmungsraum hergestellt, sodass die Be‐ trachter: innen eine vorstellend-fiktive Bewusstseinshaltung einnehmen. Die mentale Repräsentation des Betrachtungsobjekts entspricht einer Fiktion. Eine Besonderheit stellt etwas Vergangenes dar. Vergangenes wird trotz der Asso‐ ziationen zum Wahrnehmungsraum nicht als Vorstellung verstanden, sondern im Akt der Wahrnehmung verortet (vgl. ebd. 281 f.). Begründet liegt dies darin, dass nicht ausschließlich der Betrachtungszeitpunkt von Bedeutung für das Einnehmen von Bewusstseinshaltung ist. Zusätzlich spielt der Bezug zur Realität eine große Rolle: „Wenn ich mich an ein Ereignis aus meinem vergangenen Leben erinnere, stelle ich es nicht vor, ich erinnere mich daran. Das heißt, ich setze es nicht als abwesend-gegeben, sondern als gegenwärtig-gegeben in der Vergangenheit. […] [Das Ereignis] ist immer noch real, aber vergangen.“ (ebd. 282) Demnach ist es für einen mental-vorstellenden Zugriff nicht nur relevant, dass eine mentale Distanz zum Objekt im Wahrnehmungsraum eingenommen wird, sondern auch, dass das Betrachtungsobjekt keine Assoziationen zur vergangenen Realität hervorruft. Damit sind für die Verarbeitung visueller Erzählimpulse außerdem die Verknüpfung zu bereits erworbenen Narrations‐ 121 4.1 Verarbeitung narratoästhetischer Erzählimpulse erfahrungen und die Relevanz der narrativen Imaginationen aufgezeigt (vgl. u. a. Glas 2019, Sowa 2012). Bietet ein Betrachtungsobjekt Merkmale, die den Fiktionalitätsgehalt des Dargestellten zum Ausdruck bringen, lösen diese nar‐ rative Imaginationen aus und lenken den Interpretationsprozess. Narrative Imaginationen unterstützten somit den Aufbau einer mentalen Distanz zum Wahrnehmungsraum und verstärken den Fiktionalitätsgehalt. Für die Gestaltung narratoästhetischer Bilder konnten zur Verstärkung der Fiktion vor allem kompositorische und inhaltliche Narrationsmarker heraus‐ gestellt werden. Diese können erst durch einen handelnden Umgang mit Visual Literacies auch als Fiktionalitätsmarker interpretiert werden (vgl. Ka‐ pitel 2.2.1). Außerdem unterscheidet sich die Interpretation der möglichen Gestaltungsmerkmale zum Ausdruck der erzählten Welt im Rückgriff auf Visual Literacies (vgl. Kapitel 2.2.2). Für die Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse können diese Gestaltungsmerkmale somit das Ausüben narra‐ tiver Imaginationen tendenziell verstärken. Die Gestaltungsmerkmale zeichnen die inhaltliche Beschaffenheit der narratoästhetischen Erzählimpulse aus. Iser (1991) erfasst die Beschaffenheit von Erzählungen ebenfalls durch eine reale, imaginäre und fiktive Ausrichtung. Das Reale, Imaginäre bzw. Fiktive in einer Erzählung zeichnet sind dazu durch die „Qualitäten eines Sachverhaltes“ (ebd. 21) aus. 4.1.3 Beschaffenheit von Erzählimpulsen - das Reale, Imaginäre und Fiktive Die Unterscheidung der Erzählinhalte in Fiktives, Reales und Imaginäres nach Iser (1991) ist entgegen typischer Klassifikation nicht dichotom. Die klassi‐ sche Dichotomie der Erzähltexte stellen für die Literaturwissenschaft nach Martínez/ Scheffel (2016) faktuale und fiktionale Erzählungen dar. Ausgehend von der Unterscheidung der Sprachhandlung in alltägliches Erzählen und das Erzählen 2 durch die Forschungsgruppe um Konrad Ehlich werden in der Sprach‐ wissenschaft alltägliche Erzählungen von prototypischen Erzählungen bzw. nonfiktive Erzählungen von fiktiven Erzählungen (Becker 2001) abgegrenzt (vgl. Kapitel 3.1). Bereits in Kapitel 3.1.4 konnte durch die Modellierung des Erzählens als Kontinuum eine Erweiterung der dichotomen Unterscheidung angeführt werden. Nach Iser (1991) führt eine dichotome Unterscheidung von Erzähltexten dazu, dass Erzählungen sich immer auf einen von zwei Erzählinhalten beziehen müssen. Damit sind das Reale für faktuale bzw. nonfiktive Erzählungen und das Fiktive für fiktionale bzw. fiktive Erzählungen gemeint. Unberücksichtigt bleiben dabei aber Erzählungen, deren Sachverhalte nicht eindeutig einem der 122 4 Narratoästhetische Erzählimpulse beiden Erzählinhalte zugeordnet werden können (z. B. historische Nacherzäh‐ lungen mit zusätzlichen fiktiven Charakteren). Eine Erzählung kann somit auch auf ein Zusammenspiel von real Gegebenem und fiktiv Erfundenem zurückgeführt werden: „Es regen sich Zweifel, ob die im <stummen Wissen> vorausgesetzte Opposition von Fiktion und Wirklichkeit zur Beschreibung fiktionaler Texte noch tauglich ist. Denn die in solchen Texten erkennbaren Mischungsverhältnisse von Realem und Fiktivem bringen offensichtlich Gegebenes und Hinzugedachtes in eine Beziehung. […] Enthält der fiktionale Text Reales, ohne sich in dessen Beschreibung zu erschöpfen, so hat seine fiktive Komponente wiederum keinen Selbstzweckcharakter, sondern ist als fingierte die Zurüstung eines Imaginären.“ (ebd. 18) Auch Adamzik (2019) kritisiert die Zweiteilung und schreibt dem Bestehen der dichotomen Unterscheidung keine systematische Argumentation zu: „Dass eine Zweiteilung in literarisch/ fiktional vs. nicht-literarisch/ Gebrauchstexte so gängig ist, lässt sich also sicher nicht systematisch begründen, sondern nur (disziplin)historisch erklären.“ (ebd. 147) Somit scheint auch für den Erzählinhalt der Übergang von nonfiktiven und fiktiven Erzählinhalten fließend zu sein. Der Erzählinhalt des Imaginären zwischen dem Realen und Fiktiven wird von Iser (1991) durch den „Akt des Fingierens“ (ebd. 22) gekennzeichnet. Iser (1991) setzt damit voraus, das Imaginäre resultiert immer aus zwei nebenein‐ ander existierenden Welten - der Realität und der Fiktion. Auch Adamzik argumentiert, dass der Bezug zur realen Welt als Unterscheidungskriterium eines Textes sinnvoll erscheint: „Das Kriterium, ob sich ein Text auf die reale Welt bezieht oder nicht, bzw. die Frage, auf welche Welten Texte sich beziehen können, ist aber durchaus geeignet für eine Grobunterscheidung.“ (Adamzik 2019, 147) Adamzik (2019) bezieht sich bei der realen Welt auf das soziologische Konzept der Lebenswelt (vgl. u. a. Schütz/ Luckmann 2017) und versteht unter der realen Welt die individuelle Lebenswelt. Um die Textbeschaffenheit von realen, imaginären und fiktiven Erzählungen zu unterscheiden, eignet sich also der Bezug zur eigenen Lebenswelt. Während reale Erzählungen nah an der eigenen Lebenswelt sind, entfernen sich imaginäre Erzählungen immer weiter von dieser. Fiktive Erzählungen können nur in wenigen Aspekten auf die eigene Lebenswelt zurückgeführt werden. Diese triadische Unterscheidung kann auch auf die Beschaffenheit von narratoästhetischen Erzählimpulsen für den Einsatz in sprachdidaktischen For‐ schungen und der schulischen Praxis übertragen werden. Eine exakte Überein‐ stimmung des Dargestellten im Erzählimpuls mit der individuellen Lebenswelt würde einem realen Erzählimpuls entsprechen. In der Forschung und Praxis 123 4.1 Verarbeitung narratoästhetischer Erzählimpulse entsprechen visuelle Erzählimpulse in der Regel selten exakt der eigenen Lebenswelt, sondern übernehmen lediglich Strukturen oder Konzeptionen der Lebenswelt. In diesem Fall handelt es sich um imaginäre Erzählimpulse. Weisen Erzählimpulse wenig Anknüpfungspunkte zur eigenen Lebenswelt auf, entspre‐ chen sie einem fiktiven Erzählimpuls. Zusammenfassend kann die triadische Unterscheidung der Beschaffenheit von Erzählimpulsen beschreibend für die mentalen Bewusstseinshaltungen und den Umgang mit narrativen Imaginationen sein. Während reale Erzähl‐ impulse mental eher eine Wahrnehmung evozieren, führen imaginäre und fiktive Erzählimpulse zu einer mentalen Vorstellung. Durch die Nähe zur Lebenswelt bei imaginären Erzählimpulsen werden einfacher Assoziationen zur Realität hergestellt, die zu einer vorstellend-imaginären Bewusstseinshaltung führen. Erst eine fiktive Beschaffenheit von Erzählimpulsen unterstützt die mentale Ausblendung des Wahrnehmungsraums bestmöglich und führt zu einer fiktiv-vorstellenden Bewusstseinshaltung, die auch das Ausüben narra‐ tiver Imaginationen befördert. Topalović/ Uhl (2014a) stellen heraus, dass eine fiktiv-vorstellende Bewusstseinshaltung die Etablierung eines fiktiven Erzähl‐ kontextes begünstigt. Demnach können durch die Beschaffenheit der visuellen Erzählimpulse Rückschlüsse auf die Etablierung der Erzählkontexte gezogen werden. 4.1.4 Erzählimpulse zur Etablierung von Erzählkontexten Reale Erzählimpulse zeichnen sich durch eine realgetreue Abbildung der Lebenswelt aus (z. B. die Abbildung einer Stadt), mit dessen Einsatz als de‐ tailgetreue Wiedergabe von Inhalten vorrangig eine informierende Funktion verfolgt wird (vgl. u. a. Schomaker 2013, Schnotz 2002). Demnach geht von reale Erzählimpulse nicht zwangsläufig ein erzählenswertes Ereignis aus, sondern ein informierender Austausch. Dies geht damit einher, dass auch das Sprachhandeln in realen Erzählkontexten nicht das Erzählen eines erzählenswerten Ereignisses fokussiert, sondern eher als ein kommunikativer Austausch verstanden werden kann (vgl. Kapitel 3.1.1). Damit ist der Einsatz realer Erzählimpulse in narrativen Lernkontexten eher selten gegeben. Für das Erzählen erzählenswerter Ereig‐ nisse eignet sich eine imaginäre und fiktive Beschaffenheit von Erzählimpulsen, die aufgrund der unterschiedlichen Bewusstseinshaltungen zur Etablierung verschiedener Erzählkontexte führen könnte: Da die Beschaffenheit imaginärer Erzählimpulse aus der Lebenswelt re‐ sultiert, wird der Wahrnehmungsraum mental nur teilweise ausgeblendet. Die Bewusstseinshaltung kann als ein imaginiertes Vorstellen interpretiert 124 4 Narratoästhetische Erzählimpulse werden. Ein fiktiver Erzählimpuls repräsentiert inhaltlich etwas Fiktives und unterstützt somit eine mentale Ausblendung des Wahrnehmungsraums. Die Be‐ trachter: innen nehmen eine vorstellend-fiktive Bewusstseinshaltung ein. Ent‐ sprechend den mentalen Bewusstseinshaltungen können für die verschiedenen Erzählimpulse auch die daraus resultierenden Erzählkontexte differenziert werden. Ausgehend von einer vorstellend-imaginären Bewusstseinshaltung agieren die Sprachhandelnden in einem alltäglichen Vorstellungsraum (vgl. Fie‐ nemann 2006, Rehbein 1980). Demnach unterstützt ein imaginärer Erzählimpuls die Etablierung eines imaginären Erzählkontextes (vgl. Topalović/ Uhl 2014a). Ausgehend von einem fiktiven Erzählimpuls nehmen die Erzählenden eine vorstellend-fiktive Bewusstseinshaltung ein. In diesem Fall wird bei der Sprach‐ handlung auf einen fiktiven Vorstellungsraum verwiesen (vgl. Fienemann 2006, Rehbein 1980, Ehlich 1979) und somit ein fiktiver Erzählkontext etabliert (vgl. Topalović/ Uhl 2014a). Zusammenführend können ausgehend von den mentalen Zugriffen somit drei Aspekte herausgestellt werden, die für fiktive Erzählim‐ pulse zur Etablierung eines fiktiven Erzählkontextes besonders relevant sind: ● Die Erzählenden können sich von dem Erzählimpuls als Betrachtungsobjekt mental distanzieren (Distanz zum Wahrnehmungsobjekt). ● Die visualisierte Narration des Erzählimpulses weckt wenig Assoziationen an die eigene Lebenswelt der Erzählenden (Distanz zur eigenen Lebenswelt). ● Der Erzählimpuls unterstützt die Einnahme einer Sprecherperspektive, aus der die Erzählenden die Erzählwürdigkeit evaluieren können (narrative Perspektivierung). In Kapitel 3.2 sind visuelle Gestaltungsmerkmale und -techniken narratoästhe‐ tischer Bilder aufgezeigt worden, die den Aufbau einer Distanz zum Wahr‐ nehmungsobjekt durch spezifische Fiktionalitätsmarker in der Bildgestaltung unterstützen und Assoziationen zur eigenen Lebenswelt mindern können. Außerdem kann Gestaltungsmerkmalen zum Ausdruck einer visuellen Narra‐ tion speziell die Funktion einer Perspektivierung zugeschrieben werden (vgl. Kapitel 3.2.1). Durch Forschungen der Kunstdidaktik zum Erzählen zwischen Bild und Text können die Gestaltungsmerkmale narratoästhetischer Bilder für die Beschaffenheit narratoästhetischer Erzählimpulse spezifiziert werden. In der Kunstdidaktik wird zum einen die Relevanz einer stärker ausgeprägten visuellen Narration für die Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse un‐ termauert (vgl. u. a. Glas 2019, Scherer/ Schröder 2019, Lieber 2019, Staiger 2012). Zum anderen zeigen Forschungen, dass eine fiktive Beschaffenheit der narratoästhetischen Erzählimpulse den Rückgriff auf narrative Imaginationen unterstützt und das Potential für anschließende Erzählprozesse bietet (vgl. u. a. 125 4.1 Verarbeitung narratoästhetischer Erzählimpulse Glas 2019, Dehn 2019, Przybilla 2012, Sowa 2012). Przybilla (2012) geht sogar so weit, dass eine sprachliche Erzählung überhaupt erst durch die imaginativen Repräsentationen des Wahrgenommenen entstehen kann: „Die Sprachform der Erzählung bezieht sich interpretierend auf diese Wahrneh‐ mung und hebt den zeitlichen und intentionalen Zusammenhang des wahrgenom‐ menen zwischenmenschlichen Handlungsgeschehens hervor. Das Formulieren und Verstehen sprachlicher Erzählungen ist nur im Rekurs auf eine imaginative Repräsen‐ tation dieser Wahrnehmung möglich.“ (ebd. 381) Demnach geht mit einem stärkeren Rückgriff auf narrative Imaginationen bei fiktiv beschaffenen Erzählimpulsen das Potential eines ästhetischen und kreativen Moments für den narrativen Sprachgebrauch einher. In Anlehnung an Kirchner (2013) und Duncker (1999) ist für die Beschaffenheit des narratoästhe‐ tischen Erzählimpulses der Grad der Phantasie bei der Gestaltung der erzählten Welt entscheidend. Zusammenfassend resultiert der Anstoß narrativer Imaginationsprozesse aus der Beschaffenheit der narratoästhetischen Erzählimpulse. An der Bildober‐ fläche kann durch die Ausprägung verschiedener Gestaltungsaspekte der visu‐ ellen Narration und der erzählten Welt die Unterscheidung der Beschaffenheit zum Ausdruck gebracht werden. Die Ausprägung der Gestaltungsaspekte kann ausgehend von Iser (1991) als ein Kontinuum modelliert werden, welches sich zwischen einem schwachen Ausdruck einer visuellen Narration und einem starken Ausdruck der visuellen Narration sowie einer lebensweltlichen Dar‐ stellung und einer phantastischen Darstellung der erzählten Welt erstreckt. Eine schwächere und lebensweltlich orientierte Darstellung fügt sich dabei zu einer imaginären Beschaffenheit der Erzählimpulse zusammen, eine starke und phantastisch ausgerichtete Darstellung zur fiktiven Beschaffenheit der Erzählimpulse führt. Durch eine genauere Differenzierung der verschiedenen Gestaltungsmerkmale narratoästhetischer Bilder (vgl. Kapitel 3.2) können Ge‐ staltungskontinuen für narratoästhetische Erzählimpulse aufgezeigt werden. 4.2 Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse Für die Herleitung der Kontinuen zur Gestaltung narratoästhetischer Erzählim‐ pulse können die Gestaltungsmerkmale zum Ausdruck einer visuellen Narration und der erzählten Welt narratoästhetischer Bilder herangezogen werden (vgl. 126 4 Narratoästhetische Erzählimpulse 24 Das Kapitel 4.2 stützt sich zum größten Teil auf die Herleitung der Gestaltungsmerkmale narratoästhetischer Bilder. Kapitel 2.2) 24 . Die visuelle Narration zeichnet sich nach Krichel (2020) u. a. durch bildkompositorische und bildinhaltliche Narrationsmarker aus. Diese können bei entsprechender Gestaltung den Fiktionalitätsgehalt der Narration verstärken. Außerdem konnte zum Ausdruck einer visuellen Narration eine visuelle Erzählinstanz angeführt werden, welche durch verschiedene bildkom‐ positorische Elemente die Einnahme einer Sprecherperspektive unterstützt, aus der die Erzählenden die Erzählwürdigkeit des narratoästhetischen Erzähl‐ impulses evaluieren können. Die Erzählwürdigkeit bezieht sich dabei auf die visualisierten Handlungen, Räume und Figuren - also auf die erzählte Welt. Die mentale Konstruktion der erzählten Welt bei narratoästhetischen Bildern differenziert sich durch die Interaktion visueller Ankerpunkte und Visual Literacies während der Bildverarbeitung (vgl. Kapitel 2.1). Es kann angenommen werden, dass mehrdeutige und anregende Ankerpunkte einen stärkeren Rück‐ griff auf Visual Literacies erfordern und individuelle Deutungs- und Interpreta‐ tionsprozesse anstoßen. Im Gegensatz dazu können eindeutige Ankerpunkte durch ein routiniertes Erkennen stärker automatisiert erschlossen werden. Hierzu ist kein handelnder Umgang mit Visual Literacies erforderlich. Für narratoästhetische Erzählimpulse stellt sich gerade der Umgang mit narrativen Imaginationen als narrationsspezifische Visual Literacies als bedeutsam heraus. 4.2.1 Gestaltung einer visuellen Narration Zum Ausdruck einer visuellen Narration sind in Kapitel 2.2.1 aus der Forschung zur Bilder(buch)analyse nach Krichel (2020), Nikolajeva (2012) sowie Kress/ van Leeuwen (2006) drei verschiedene Gestaltungskategorien abgeleitet worden: eine visuelle Erzählinstanz, bildkompositorische Narrationsmarker und inhalt‐ liche Narrationsmarker. Als erste Kategorie kann die Darstellung einer visuellen Erzählinstanz differenzierter zur Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse betrachtet werden. Für diese kann die Fokalisierung und Okularisierung unterschieden werden, welche den Wissensstand und die Wahrnehmungsmöglichkeiten der Betrachter: innen im Verhältnis zu den handelnden Figuren beschreiben (vgl. Krichel 2020). Narratoästhetische Erzählimpulse dienen als Ausgangspunkt für sprachliche Erzählprozesse, für die eine umfassende Kenntnis über die Narration in den Bildern wesentlich ist (vgl. u. a. Glas 2019, Sowa 2012). Demnach ist für die Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse von Bedeutung, dass die 127 4.2 Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse Erzählenden einen möglichst umfassenden Wissensstand haben und ihnen eine möglichst umfassende Wahrnehmung ermöglicht wird. Dies vereinfacht es, aus einer Metaperspektive alle Bildzusammenhänge zu erfassen und ein kohärentes Modell der Narration zu erschließen, und bietet schlussendlich die Grundlage für fiktive Erzählprozesse: „Die Möglichkeit der Erzählung ist gegeben, sobald eine Verräumlichung und Veror‐ tung der Bildbestandteile auf der Bildfläche stattfindet. Das Kind baut dazu langsam die orthogonalen Bezugsgrößen - oben, unten und die beiden seitlichen Begren‐ zungen - als räumliches Bildfeld auf. Dadurch ist ein Bezug zu räumlichen Relationen wie Anordnung der Objekte, Bestimmung der Größenverhältnisse, Verknüpfungen von Handlungen darstellbar. […] Sprachliche und bildhaft zeichnerische Prozesse übernehmen gleichwertige, sich ergänzende Rollen in den [sic] kindlichen Aneig‐ nungspraxis, in der Symbolbildung und in der Differenzierung der Erzählstruktur.“ (Glas 2007, 46) Glas (2007) spricht noch weitere bildkompositorische Merkmale wie die Ein‐ stellung und der Ausrichtung visueller Elemente an. Diese zielen auf die Involviertheit der Betrachter: innen ab. Nach Krichel (2020) führt eine höhere Involviertheit der Betrachter: innen dazu, dass sich diese stärker in das Darge‐ stellte hineingezogen fühlen und schneller eine persönliche Beziehung zu dem Dargestellten aufbauen. Dies hat zur Folge, dass die Verstehensprozesse der Bilder sowohl durch eine selektive als auch subjektive Wahrnehmung gelenkt werden (vgl. Kress/ van Leeuwen 2006). Bei der Verarbeitung narratoästhetischer Erzählimpulse mit dem Ziel eines Perspektivenwechsels ist allerdings eine umfassende und kombinierende Wahrnehmung aller Bildinhalte bedeutsam, sodass für die Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse eine geringe Invol‐ viertheit anzustreben ist. Diese kann durch eine möglichst weite Einstellung auf das Bild und eine eher schräge, von den Betrachter: innen weg orientierte Ausrichtung der visuellen Elemente ermöglicht werden (vgl. Kapitel 2.2.1.1). Zuletzt kann der Grad des Blickwinkels zum Ausdruck einer visuellen Narration angeführt werden. Dieser forciert das Machtverhältnis zwischen Bildinhalten und Betrachter: innen. Ein größeres Machtempfinden kann durch einen von oben ausgerichteten Blickwinkel auf das Bild evoziert werden und geht damit einher, dass sich die Betrachter: innen stärker in die Interpretation der Bildinhalte miteinbringen (vgl. Krichel 2020, Kress/ van Leeuwen 2006). Bei dem Einsatz narratoästhetischer Erzählimpulse in sprachlichen Kontexten wird neben dem Perspektivenwechsel ein Anstoß individueller Denk- und Interpreta‐ tionsprozesse angestrebt. Dieses ermöglicht Einblicke in Sinnbildungsprozesse und vorgestellte Erfahrungen der Erzählenden (vgl. Schüler 2019). Demnach 128 4 Narratoästhetische Erzählimpulse sollte bei der Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse durch einen mög‐ lichst stark von oben ausgerichteten Blickwinkel den Betrachter: innen ein größeres Machtempfinden vermitteln werden. Die zweite Kategorie der visuellen Narration stellen bildkompositorische Narrationsmarker dar. Als bildkompositorische Narrationsmarker sind der Bildwechsel und die Bewegungsdarstellung von Bedeutung, da diese Merkmale den Fiktionalitätsgehalt der Bilder verstärken können (vgl. Kapitel 2.2.1.2). So führen ein häufiger Bildwechsel und eine größere Anzahl an Bildwechseln dazu, im Ablauf der Bilder Spannung zu erzeugen (vgl. Krichel 2020). Entscheidend sind außerdem visuelle Elemente in den Bildwechseln, die einen Zusammen‐ hang zwischen den einzelnen Bildern herstellen. Ein stärkerer Zusammenhang vereinfacht es, kohärente Strukturen der Bildinhalte zu erschließen und das Dargestellte als eine abgeschlossene, fiktive Welt wahrzunehmen (vgl. ebd.). Während der Bildwechsel führen gezielte Leerstellen dazu, Spannung zu er‐ zeugen (z. B. ein fehlendes Objekt beim Bildübergang). Der Ausdruck von Spannung und eine globalkohärente Struktur sind entscheidende Merkmale des narrativen Textmusters bei der Erzählgestaltung (vgl. u. a. Becker/ Stude 2017, Uhl 2015), sodass die entsprechenden visuellen Gestaltungsaspekte der Bildwechsel ebenfalls für narratoästhetische Erzählimpulse relevant sind. Außerdem unterscheidet sich der Ausdruck von Bewegungen bildkomposi‐ torisch in einer geraden oder schrägen Ausrichtung, wodurch die Dynamik in der Narration differenziert wird (vgl. Krichel 2020). Dabei führt eine gerade Ausrichtung dazu, die Bewegungen eher statisch wahrzunehmen, und eine schräge Wahrnehmung vereinfacht es, Bewegungen und Abläufe als dynamisch zu verstehen. Krichel (2020) führt an, dass eine dynamische Darstellung der Be‐ wegungen ebenfalls die Kohärenz der visuellen Narration verstärkt. Außerdem werden bei der Bildverarbeitung dynamische Bewegungen durch den Rückgriff auf Visual Literacies stärker fiktiv interpretiert (vgl. ebd.). Für die Gestaltung nar‐ ratoästhetischer Erzählimpulse spielen bildkompositorische Narrationsmarker somit eine zentrale Rolle und sollten für einen stärkeren Ausdruck der Fiktio‐ nalität durch dynamische Bewegungen, kohärente Bildübergänge und gezielte Leerstellen als Spannungsbrücke berücksichtigt werden. Abschließend können als dritte Kategorie der visuellen Narration die in‐ haltlichen Narrationsmarker angeführt werden, welche bei einer spezifischen Gestaltung ebenfalls den Fiktionalitätsgehalt der Bilder verstärken können (vgl. Kapitel 2.2.1.3). Dazu zählt zunächst die Darstellung der Figuren, wozu zwischen menschlichen und phantastischen Figuren unterschieden werden kann. Allge‐ meingültig ist die Annahme, dass für fiktive Kontexte und zur Verstärkung der 129 4.2 Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse Narration gerade die Darstellung phantastischer Figuren markierend ist (vgl. u. a. Krichel 2020, Nikolajeva 2012). Weitergehend können Leitmotive angeführt werden, die sich durch ein immer wiederkehrendes Auftreten während der Bilderfolge auszeichnen. Diese immer wiederkehrenden Elemente dienen als roter Faden zur Verbundenheit der dargestellten Narration (vgl. Krichel 2020). Neben Leitmotiven vereinfachen es referential codes, Zusammenhänge zu erschließen und die Narration der Bilderfolgen fiktiv zu markieren (z. B. am Ende gewinnen die Guten). Diese repräsentieren prototypische Muster in fiktiven Kontexten und lassen sich erst durch den Rückgriff auf Visual Literacies erschließen (vgl. Nikolajeva 2012). So‐ wohl die Interpretation der dargestellten Figuren als auch der Leitmotive sowie referential codes beruhen auf individuellen Deutungsprozessen und setzen somit den handelnden Umgang mit Visual Literacies voraus. Nach Dehn (2019) kann angenommen werden, dass aus diesen Eigenschaften von Bildern das Potential hervorgeht, Transformationsprozesse anzuregen und sprachliche Lernprozesse anzustoßen. Speziell bei der Erzähltextgestaltung (zu Bildern) zeigt Schüler (2020), wie individuelle Literacies in Sinnbildungsprozessen an der Textober‐ fläche sichtbar werden. Somit sollten für die Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse phantastische Figuren, viele Leitmotive und referential codes zum Ausdruck einer starken visuellen Narration berücksichtig werden. Die abschließende Grafik visualisiert das Kontinuum zur Ausprägung einer visuellen Narration durch die Unterscheidung der verschiedenen Gestaltungs‐ kategorien. Eine klare Zuweisung von visuellen Gestaltungsmerkmalen bzw. -techniken für die einzelnen Merkmale (z. B. Einstellung) erscheint somit nicht sinnvoll. Vielmehr können auch diese als ein Kontinuum verstanden werden, in dem ein tendenzielles Potential für den Ausdruck einer visuellen Narration abgeleitet werden kann. Es wird in diesem Zusammenhang deutlich, dass die einzelnen Gestaltungskategorien während der Verarbeitungsprozesse im großen Maß von den individuellen Visual Literacies abhängen. Für die Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse bedeutet es, dass eine stark ausgeprägte visuelle Narration einen narrativen Kontext bietet, der den Perspektivenwechsel und den Fiktionalitätsgrad bei der Verarbeitung begüns‐ tigt. Eine schwache visuelle Narration hingegen erschwert den Perspektiven‐ wechsel und das Erfassen des Fiktionalitätsgehalts während der Verarbeitungs‐ prozesse narratoästhetischer Erzählimpulse. 130 4 Narratoästhetische Erzählimpulse V ISUELLE E RZÄHLINSTANZ beschränkt Fokalisierung/ Okularisierung umfassend nah Einstellung fern frontal Ausrichtung schräg von unten Blickwinkel von oben B ILDKOMPOSITORISCHE N ARRATIONSMARKER schwach Kohärenz im Bildwechsel stark wenig Leerstellen im Bildwechsel viel statisch Bewegungsabläufe dynamisch B ILDINHALTLICHE N ARRATIONSMARKER menschlich Figurendarstellung phantastisch wenig Anzahl an Leitmotiven viel wenig Anzahl an referential codes viel schwach V ISUELLE N ARRATION stark Abb. 18: Kontinuum zur Gestaltung einer visuellen Narration 4.2.2 Gestaltung der erzählten Welt Die erzählte Welt umfasst verschiedene Handlungen, Räume und Figuren. Mit Rückgriff auf die Arbeiten von Krichel (2020), Staiger (2017, 2019), Kurwinkel (2017) und Nikolajeva (2012) konnten für die Kategorien Handlungen, Raum und Figuren jeweils die Histoire und der Discours unterschieden werden (vgl. Kapitel 2.2.2). Die Histoire entspricht dabei dem mentalen Modell, das ausgehend von den Gestaltungsmerkmalen an der Bildoberfläche als Discours bestimmt wird. Entsprechend der Ausprägung der Gestaltungsmerkmale der erzählten Welt lässt sich während der Verarbeitung differenzieren, ob das mentale Modell der erzählten Welt stärker automatisiert erfasst oder mental konstruiert wird (vgl. Kapitel 2.3). Speziell für das Erzählen zu narratoästhetischen Bildimpulsen kann in Anlehnung an Sartre (1940 [1994]) angenommen werden, dass das mentale Modell der erzählten Welt einer fiktiven Vorstellung entsprechen sollte. 131 4.2 Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse Für die Konstruktion einer fiktiven Vorstellung sollten die visuellen Elemente des Betrachtungsobjekts eine Distanz zur Realität und wenig Assoziationen zur Lebenswelt unterstützen. In diesem Zusammenhang konnte die Relevanz nar‐ rativer Imaginationen herausgestellt werden, die während der Bildverarbeitung Freiräume für individuelle Deutungs- und Interpretationsprozesse eröffnen. Individuelle Deutungs- und Interpretationsprozesse gehen einher mit einer stärkeren Interaktion der Visual Literacies und beruhen auf Anstößen visueller Ankerpunkte (vgl. u. a. Kirchner 2013, Uhlig 2005), sodass zur Modellierung der Gestaltungsausprägung der einzelnen Kategorien einer erzählten Welt in narratoästhetischen Erzählimpulsen der Grad der Interaktion visueller Anker‐ punkte und Visual Literacies eine Möglichkeit zur Differenzierung darstellt. Als erste Gestaltungskategorie kann die Handlungsdarstellung betrachtet werden. Die Handlungen zeichnen sich auf Ebene der Histoire durch den Hand‐ lungsaufbau und die Handlungsstruktur aus (vgl. Kurwinkel 2017). Bestimmt wird das mentale Modell der Handlung an der Bildoberfläche durch proairetic codes und hermeneutic codes (vgl. Nikolajeva 2012). Proairetic codes zeichnen sich u. a. durch den Grad der Detailliertheit aus und sind weniger komplex. Die Verarbeitung von proairetic codes zielt auf eine eindeutige und umfassende Repräsentation der Handlung ab, sodass diese stärker zu einem automatisierten Erfassen führt. Zum Anstoß mehrdeutiger Interpretations- und Deutungspro‐ zesse und der mentalen Konstruktion der Handlung können gezielt hermeneutic codes eingesetzt werden. Diese eröffnen Leerstellen oder Rätsel im Handlungs‐ verlauf und erzeugen auf diese Art und Weise Spannung (vgl. Nikolajeva 2012). Aus struktureller Perspektive auf das Erzählen sind ein rahmendes narratives Muster und der Ausdruck von Spannung prototypisch (vgl. Becker/ Stude 2017, Uhl 2015). Bei der Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse sind somit eine detaillierte Darstellung der einzelnen Handlungszüge für die Erfassung einer umfassenden Handlungsstruktur und die implizite Darstellung einzelner Handlungszüge zur Spannungserzeugung bedeutsam. In Bezug auf die Bildver‐ arbeitungsprozesse können einzeln dargestellte Handlungszüge bereits ohne einen starken Rückgriff auf Visual Literacies erfasst werden. Im Gegensatz dazu erfordern gerade implizite Darstellungen aufgrund der Mehrdeutigkeit einen stärkeren handelnden Umgang mit Visual Literacies. Zusammenfassend gilt es, bei der Handlungsgestaltung in narratoästhetischen Erzählimpulsen eine stärkere Detailliertheit sowie Implizitheit zu erzeugen. Neben der Handlungsdarstellung kann als zweite Gestaltungskategorie die Raumdarstellung angeführt werden. Das mentale Modell der Räume unter‐ scheidet sich durch die Repräsentation literarisierter oder fingierter Räume (vgl. Kurwinkel 2017). Fingierte Räume sind frei erfundene Räume und bilden etwas 132 4 Narratoästhetische Erzählimpulse nicht real Existierendes ab, sodass bei dem Einsatz narratoästhetischer Erzähl‐ impulse das Erzeugen eines mentalen Modells als fingierter Raum angestrebt werden sollte. Bei einem fingierten Raum kann noch einmal zwischen einem realistischen und phantastischen Raum unterschieden werden, wobei sich die Unterschiede durch den Grad realistischer Konzeptionen und Strukturen er‐ geben. Es konnte herausgestellt werden, dass für die Konstruktion einer fiktiven Vorstellung gerade die Distanz zur Realität entscheidend ist, sodass bei der vi‐ suellen Raumgestaltung in narratoästhetischen Erzählimpulsen die Berücksich‐ tigung phantastischer Konzeptionen von Bedeutung ist. Die Interpretation der Konzeption erfolgt anhand einzelner visueller Merkmale (z. B. fliegende Häuser) in der Regel automatisiert, sodass ein geringer Rückgriff auf Visual Literacies notwendig ist. Um bei der mentalen Konstruktion des Raums eigene Visual-Li‐ teracy-Erfahrungen miteinfließen zu lassen, ist das Vorkommen mehrdeutiger und anregender Ankerpunkte im Raum bedeutsam. Staiger (2019) spricht von einer Semantisierung des Raums. Eine stärkere Semantisierung führt dazu, dass bei der mentalen Verarbeitung der narratoästhetischen Bilder Freiräume für individuelle Deutung- und Interpretationsprozesse geboten werden. Semanti‐ sierende Gestaltungsmerkmale führen durch die Kombination verschiedener visueller Elemente zu einer mentalen Konstruktion des Raums. In Anlehnung an die theoretische Modellierung der Bildverarbeitungsprozesse kann somit angenommen werden, dass semantisierende Gestaltungsmerkmale auch einen stärkeren Umgang mit Visual Literacies erfordern. Für ein Sprachhandeln in fik‐ tiven Erzählkontexten wird bei der Verarbeitung von Erzählimpulsen vor allem die Konstruktion einer fiktiven Vorstellung fokussiert. Diese wird sowohl durch eine stärker phantastische Konzeption als auch durch eine semantisierende Raumgestaltung angeregt, die somit für die Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse zielführend sind. Zuletzt kann die Figurendarstellung als Gestaltungskategorie der erzählten Welt angeführt werden. Das mentale Modell der Figuren entspricht einem Figurenkonzept, welches sich aus Haupt- und Nebenfiguren ergibt. Dabei kann unterschieden werden, ob es sich um typisierte oder individualisierte Figuren handelt (vgl. Kurwinkel 2017). Für die mentale Konstruktion einer fiktiven Erzählwelt sollte ein umfangreiches Figurenkonzept mit individuali‐ sierten Figuren evoziert werden. Gerade individualisierte Figuren stoßen einen handelnden Umgang mit Visual Literacies an und ermöglichen individuelle Interpretationsprozesse. Bestimmt wird die Konstruktion des Figurenkonzepts durch die visuellen Gestaltungsmerkmale der Figuren. Diese unterscheiden sich in Anlehnung an Krichel (2020), Staiger (2019) und Nikolajeva (2012) durch die Figurenmerkmale, die Figurencharakterisierung und die Figurene‐ 133 4.2 Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse motionen. Unter den Figurenmerkmalen können visuelle Elemente gefasst werden, die Altersverweise oder spezifische Rollenzuweisungen ermöglichen. Die Verweise und Zuweisungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eindeutige Rückschlüsse auf das Figurenkonzept ermöglichen (z. B. die Wahrnehmung kleiner Figuren als kindlich und jünger). Die Interpretation der Merkmalsau‐ sprägungen erfordert einen geringen Rückgriff auf Visual Literacies, sodass das Figurenkonzept stärker automatisiert erfasst werden kann. Um individuelle Interpretationen bei der mentalen Konstruktion des Figurenkonzepts einfließen zu lassen, sind eine stärkere Figurencharakterisierung sowie der Ausdruck von Figurenemotionen bei der visuellen Darstellung erstrebenswert. Bei der Figurencharakterisierung eigenen sich gerade generische Figuren, die aufgrund der detailgetreuen Darstellung Freiraum für individuelle Deutungs- und Inter‐ pretationsprozesse bieten. Figurencharakterisierung eröffnen erst durch die Kombination verschiedener visueller Ankerpunkte und in Interaktion mit Visual Literacies die mentale Konstruktion des Figurenkonzepts. Einen starken Rück‐ griff auf Visual Literacies erfordert außerdem die Interpretation von Figurene‐ motionen. Diese können an der bildlichen Oberfläche durch emotionale Scripts und/ oder in Verbindung mit Symbolen zum Ausdruck kommen (vgl. Krichel 2020, Nikolajeva 2012). Beim Erzählen ist eine Einsicht in die innere Figurenwelt bedeutsam und kommt durch die Etablierung einer Figurenperspektive zum Ausdruck (vgl. Bredel 2019, Uhl 2015, Pohl 2003). Für die Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse sind eine stärkere Emotionalität sowie auch eine stärkere Charakterisierung zielführend für die mentale Konstruktion eines umfassenden und von individuellen Deutungen geprägten Figurenkonzepts. Außerdem verhelfen Figurenmerkmale zu einem detaillierteren Modell des Figurenkonzepts, wobei diese tendenziell einen geringen Rückgriff auf Visual Literacies voraussetzen. Zusammenfassend kann ausgehend von den drei Kategorien Handlungen, Räume und Figuren die Modellierung des Kontinuums zum Ausdruck der erzählten Welt zwischen einer lebensweltlichen und phantastischen Darstellung abgeleitet werden. Innerhalb der einzelnen Kategorien (Handlungen, Räume und Figuren) ergibt sich die Darstellung durch den Ausprägungsgrad einzelner visueller Gestaltungsmerkmale. Für die visuellen Gestaltungsmerkmale konnte außerdem hergeleitet werden, ob von diesen visuelle Ankerpunkte ausgehen, die einen handelnden Umgang mit Visual Literacies eröffnen und demnach einen Anstoß narrativer Imaginationsprozesse bieten können. Zur Hervorhebung dieser visuellen Gestaltungsmerkmale werden sie in der Modellierung grau hinterlegt: 134 4 Narratoästhetische Erzählimpulse H ANDLUNGEN schwach Grad der Detailliertheit stark schwach Grad der Implizitheit stark R ÄUME schwach Grad der phantastischen Konzeption stark schwach Grad der Semantisierung stark F IGUREN schwach Grad der Merkmalsausprägung stark schwach Grad der Charakterisierung stark schwach Grad der Emotionalität stark lebensweltlich E RZÄHLTE W ELT phantastisch Abb. 19: Kontinuum zur Gestaltung einer erzählten Welt Für die Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse kann abgeleitet werden, dass eine phantastische Darstellung der erzählten Welt den Aufbau einer mentalen Distanz zum Wahrnehmungsraum und die Einnahme einer fiktiv-vorstellenden Be‐ wusstseinshaltung unterstützt. Eine stärker lebensweltlich ausgeprägte Darstellung der erzählten Welt weist eine größere Nähe zur Lebenswelt auf und kann eher auf eine vorstellend-imaginäre Bewusstseinshaltung zurückgeführt werden. Zusammenführend ist mit den beiden Gestaltungskontinuen eine theoreti‐ sche Modellierung geschaffen worden, die es ermöglicht, die Gestaltung narra‐ toästhetischer Erzählimpulse als narrative Kontextualisierung zu analysieren sowie herzuleiten. Im Rahmen dieser Studie werden zwei narratoästhetische Erzählimpulse eingesetzt, um den narrativen Sprachgebrauch von Kindern zu rekonstruieren. Im Anschluss an die Darstellung der damit verfolgten Ziele kann die Gestaltung der eingesetzten narratoästhetischen Erzählimpulse analysiert werden. 135 4.2 Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse 5 Forschungsdesign In diesem Kapitel wird die empirische Studie in ihrem Design, der Stichprobe und dem strukturellen Untersuchungsablauf beschrieben. Außerdem wird ein Kategoriensystem mit dazugehörigem Kodierleitfaden als Grundlage für die empirische Analyse der Erzähltexte hergeleitet. Die Kategorien zur Erfassung eines poetisch-evozierenden Sprachgebrauchs birgt bei der Analyse die Gefahr subjektiver Interpretationen, sodass diese abschließend auf ihre Reliabilität überprüft werden. 5.1 Ziel der Studie und Forschungsfragen Ausgehend von der Zusammenführung visueller Darstellungsmerkmale und der Etablierung von Erzählkontexten kann das Ziel der Studie aufgezeigt werden. Es gilt herauszustellen, welche Wirkungspotentiale von der Gestaltung narrato‐ ästhetischer Erzählimpulse als Kontextualisierungen für das Verfassen schrift‐ licher Erzähltexte ausgehen. Dabei kann zwischen fiktiven Erzählimpulsen und imaginären Erzählimpulsen unterschieden werden. Die übergeordnete Fragestellung der Studie kann somit vor dem Hintergrund der Theorie konkre‐ tisiert werden, indem visuelle Erzählimpulse spezifischer als narratoästhetische Erzählimpulse bezeichnet werden: F1: Welche Wirkungspotentiale hat die Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulsen (fiktiv u. imaginär) für den narrativen Sprachgebrauch? Für fiktive und imaginäre Erzählimpulse ist in Kapitel 4 veranschaulicht worden, dass diese aufgrund ihrer Beschaffenheit zur Etablierung verschiedener Erzähl‐ kontexte führen. Rückschlüsse auf den etablierten Erzählkontext können in den schriftlichen Erzählungen durch eine unterschiedliche Ausprägung des narra‐ tiven Sprachgebrauchs gezogen werden: Ein fiktiver Erzählkontext lässt auf einen stärker ausgeprägten narrativen Sprachgebrauch schließen, wohingegen der narrative Sprachgebrauch in imaginären Erzählkontexten schwächer aus‐ geprägt ist. Dementsprechend kann ausgehend von der theoretischen Model‐ lierung narratoästhetischer Erzählimpulse für die übergeordnete Fragestellung eine Hypothese aufgestellt werden: H1: Der narrative Sprachgebrauch in Erzähltexten zum fiktiven Erzähl‐ impuls ist stärker ausgeprägt als in Erzähltexten zum imaginären Erzähl‐ impuls. Weitergehend sind für das Verfassen der schriftlichen Erzählungen drei Ebenen des Narrativen unterschieden worden, auf denen ein narrativer Sprachgebrauch durch verschiedene narrative Gebrauchsmuster zum Ausdruck kommen kann (vgl. Kapitel 3.3). Auf Mikroebene zeichnet sich der Erzähltext durch den Ge‐ brauch linguistischer Sprachformen als Fiktionalitätsmarkierer aus. Ausdrucks‐ formen des Sprachhandelns in einer fiktiven Erzählwelt drücken die Narration des Erzähltextes auf Mesoebene aus. Die Makroebene eines Erzähltextes um‐ fasst Gebrauchsmuster zum Ausdruck einer narrativen Textrahmung sowie Gebrauchsmuster zum Ausdruck der wechselseitigen Interaktion zwischen Erzählenden und Lesenden. Ausgehend von der Unterscheidung der drei Ebenen des Narrativen wird bei der empirischen Analyse der Sprachdaten einer wei‐ teren Fragestellung nachgegangen: F2: Welche Wirkungspotentiale hat die Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse (fiktiv u. imaginär) für den narrativen Sprachgebrauch auf Mikro-, Meso- und Makroebene des Erzähltextes? Weiterführend wurde die Relevanz der Visual Literacies bzw. spezifischer der narrativen Imaginationen für die Verarbeitung narratoästhetischer Erzählim‐ pulse aufgezeigt. Narrative Imaginationen gelten als mentale Konstruktionen, die während der Verarbeitungsprozesse mental durch das individuelle Vor‐ wissen angestoßen werden (vgl. Kapitel 4.1). Demnach ist bei der empirischen Analyse der Sprachdaten außerdem der Einfluss individueller Vorerfahrungen bzw. vorschulischer Literacy-Erfahrungen von Interesse. Die entsprechende Fragestellung lautet: F3: Welche Relevanz haben vorschulische Literacy-Erfahrungen beim schriftlichen Erzählen zu narratoästhetischen Erzählimpulsen (fiktiv u. imaginär)? Ausgehend von den beiden Kontinuen zur Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse (vgl. Kapitel 4.2) kann zur Überprüfung der zugrunde liegenden Fragestellungen ein fiktiver sowie ein imaginärer Erzählimpuls hergeleitet werden und aufgezeigt werden, worin sich die Gestaltung der beiden narrato‐ ästhetischen Erzählimpulse unterscheidet. 138 5 Forschungsdesign 5.2 Analyse der eingesetzten narratoästhetischen Erzähl‐ impulse Zur narratoästhetischen Bilderbuchanalyse werden immer wieder verschiedene textlose Bilderbücher angeführt, die ohne verbale Abschnitte eine Narration zum Ausdruck bringen. Gerade für eine phantastische Darstellung der erzählten Welt hebt Krichel (2020) die Torten-Bücher von Thé Tjong-Khing hervor. Diese bieten neben der phantastischen Darstellung außerdem den Vorteil einer linearen Abfolge der Ereignisprogression (ebd. 108). Aus kunstdidaktischer Perspektive stellen Scherer/ Schröder (2019) für das Buch „Die Torte ist weg! “ von Thé Tjong-Khing (2006) ein besonderes Potential für imaginative Sinnbil‐ dungsprozesse, Visual Literacies und sprachliches Lernen heraus, welches sich durch empirische Analysen mit Grundschulkindern bestätigt: „Das Buch verlangt vom Rezipienten nicht nur aufmerksame Betrachtung der de‐ tailreichen doppelseitigen Bilder, sondern auch Kombinierfähigkeit sowie das Ver‐ mögen, Leerstellen zwischen den einzelnen Bildseiten imaginativ zu überbrücken und die eigenen gedanklichen Füllungen in den bildbasierten Sinnbildungsprozess zu integrieren. Dieses Erzählen auf dem Rücken von Bildern setzt ein Grundwissen um Erzählschemata voraus und befördert dieses zugleich auch; literaturdidaktisch gesehen eröffnet es so insbesondere Lernangebote im Bereich (visual) literacy. Sprach‐ didaktisch betrachtet eignet ihm zweifelsohne auch Potenzial für sprachliches Lernen (u. a. in den Bereichen Wortschatz und Syntax).“ (Scherer/ Schröder 2019, 276) Als Grundlage für den fiktiven Erzählimpuls bietet es sich an, auf das plurisze‐ nische, textlose Bilderbuch „Die Torte ist weg! “ von Thé Tjong-Khing (2006) zurückzugreifen. Der Haupthandlungsstrang der Narration in dem textlosen Bilderbuch „Die Torte ist weg! “ von Thé Tjong-Khing (2006) ist auf zwei Hunde, die gemeinsam in einem Haus leben, zurückzuführen. Vor dem Haus der Hunde steht eine Torte auf dem Tisch, die plötzlich von zwei Ratten geklaut wird. Die Hunde verfolgen über das gesamte Buch hinweg die beiden Diebe mit der Torte. Zum Schluss überwältigen sie die Ratten und können gemeinsam mit weiteren Tieren die Torte essen. Die gesamte Verfolgungsjagd wird durch weitere Nebenhandlungsstränge der anderen Tiere begleitet, sodass jede Seite des textlosen Bilderbuches durch vielzählige Ereignisse geprägt ist. Da das gesamte Bilderbuch mit 32 Seiten im vollen Umfang den Rahmen eines narratoästhetischen Erzählimpulses überschreitet, wird durch Ausschnitte aus dem textlosen Bilderbuch die Visualisierung des Haupthandlungsstrangs zu‐ sammengestellt. Der Haupthandlungsstrang entspricht der Narration zum Klau der Torte, die durch ein narratives Handlungsschema strukturiert ist. Demnach 139 5.2 Analyse der eingesetzten narratoästhetischen Erzählimpulse besteht der fiktive Erzählimpuls zu dem textlosen Bilderbuch „Die Torte ist weg! “ aus sechs aufeinanderfolgenden Bildausschnitten, in denen entsprechend einem narrativen Handlungsschema die Ausgangssituation (Bild 1), der Klau der Torte (Bild 2), die Verfolgungsjagd (Bild 3 und 4), das Aufeinandertreffen (Bild 5) sowie die Abschlusssituation (Bild 6) visualisiert werden: Abb. 20: Fiktiver Erzählimpuls (Aus: Tjong-Khing, Thé (2006): Die Torte ist weg! Eine spannende Verfolgungsjagd. Frankfurt am Main: Moritz-Verlag.) Durch die Analyse des fiktiven Erzählimpulses anhand der theoretisch hergelei‐ teten Gestaltungskontinuen kann das Potential des Erzählimpulses als narrative Kontextualisierungen aufgezeigt werden. Zum Ausdruck einer visuellen Narration können zunächst verschiedene bildkom‐ positorische Gestaltungsmerkmale einer visuellen Erzählinstanz erfasst werden. In Bezug auf die Kategorien Fokalisierung und Okularisierung haben die Erzählenden immer mindestens den gleichen Wissensstand oder die gleiche Möglichkeit zur Wahrnehmung wie die Figuren. Im ersten Bild können die Erzählenden sogar die versteckten Ratten im Wald sehen, die für die Hunde noch verborgen sind, und haben somit mehr Wissen und eine größere Wahrnehmung als ein Teil der Figuren. Betrachtet man die Fokalisierung und Okularisierung losgelöst von der Einzelbild‐ 140 5 Forschungsdesign darstellung haben die Erzählenden durch die Bilderfolge deutlich mehr Wissen und eine uneingeschränkte Wahrnehmung auf die visualisierte Geschichte im Vergleich zu den handelnden Figuren. Sie können bereits den gesamten Handlungsstrang einsehen. Die umfassende Fokalisierung und Okularisierung beim fiktiven Erzähl‐ impuls führt dazu, dass die Erzählenden das nötige Wissen und eine ausreichende Wahrnehmung für die Wiedergabe der Geschichte haben. Der bildkompositorische Aspekt der Einstellung unterscheidet sich bei dem fiktiven Erzählimpuls zwischen einzelnen Bildern. Bei den Bildern 1, 2 und 6 wird eine weite Einstellung gewählt, sodass die Betrachter: innen das gesamte Setting einsehen können. Gerade für die Ausgangssituation und Abschlusssitu‐ ation als rahmende Elemente ermöglicht die weite Einstellung auf die Bilder dem Erzählenden einen Überblick über die jeweiligen Ereignisse. Die Bilder 3, 4 und 5 werden durch eine nähere Einstellung dargestellt, die nach Krichel (2020) als Halbtotale bezeichnet werden kann. Eine halbtotale Einstellung ermöglicht eine „Darstellung körperbetonter Aktionen oder Figurengruppen“ (ebd. 84). Neben der Einstellung auf das Bild ist die Ausrichtung visueller Elemente entscheidend. In allen Bildern sind die visuellen Elemente nie direkt auf die Betrachter: innen ausgerichtet. Eine weite Einstellung und die indirekte Ausrichtung der visuellen Elemente im fiktiven Erzählimpuls führen dazu, dass die Erzählenden weniger stark in die Erzählung involviert werden. Zuletzt kann zum Ausdruck der visuellen Erzählinstanz der Blickwinkel bei der Gestaltung des fiktiven Erzählimpulses betrachtet werden. Bei allen Bildern ist der Blickwinkel leicht von oben ausgerichtet, sodass die Betrachter: innen sich tendenziell überlegen wahrnehmen. Eine Überlegenheit führt zu einem stärkeren Machtempfinden und unterstützt die Erzählkonstruktion. Zusammen‐ fassend ist der Ausdruck einer visuellen Erzählinstanz aufgrund der Ausprägung der einzelnen Gestaltungsaspekte im fiktiven Erzählimpuls tendenziell stark ausgeprägt und unterstützt die Einnahme einer Sprecherperspektive: schwach V ISUELLE E RZÄHLINSTANZ stark beschränkt Fokalisierung/ Okularisierung umfassend nah Einstellung fern frontal Ausrichtung schräg von unten Blickwinkel von oben schwach B ILDKOMPOSITORISCHE N ARRATIONSMARKER stark schwach Kohärenz im Bildwechsel stark wenig Leerstellen im Bildwechsel viel Abb. 21: Gestaltung der visuellen Erzählinstanz im fiktiven Erzählimpuls 141 5.2 Analyse der eingesetzten narratoästhetischen Erzählimpulse Weiterführend können eine Kohärenz und gezielte Leerstellen im Bildwechsel sowie die Darstellung von Bewegungsabläufen als bildkompositorische Narra‐ tionsmarker analysiert werden. Eine Kohärenz in den Bildwechseln ist durchgehend gegeben: Beim Über‐ gang vom ersten zum zweiten Bild bietet der gleichbleibende Raum einen Anhaltspunkt für die Kohärenz des Handlungsstrangs. Trotz des Raumwechsels vom zweiten zum dritten Bild können auch bei diesem Bildwechsel einzelne Merkmale zur Kohärenzbildung herausgestellt werden. Zum einen wird der kleine Weg vom Haus in Bild 1 und 2 in dem dritten Bild aufgegriffen und deutet an, dass die Hunde sich von ihrem Haus entfernen. In diesem Zusammenhang verstärkt das Tor mit der Glocke den Abschluss des Grundstückes der Hunde. Neben dem Haus werden in den aufeinanderfolgenden Bildern 2 und 3 vergleich‐ bare Bäume im Hintergrund dargestellt. Auch diese führen zu einer Kohärenz im Bildwechsel. Damit einher geht der einzeln dargestellte Baum im vierten Bild, durch welchen eine Verknüpfung zum Wald in den vorausgegangenen Bildern hergestellt wird. Zusätzlich werden ein Vorankommen der Ratten und das Herauslaufen aus dem Wald ausgedrückt, welches zur Kohärenzbildung im Zusammenhang mit den letzten beiden Bildern bedeutsam ist. Der Raum entspricht hier einer Wiese. Im fünften Bild dient der Weg immer noch als verknüpfendes Element. Dieser fehlt allerdings im sechsten Bild. Entscheidend für die Kohärenz zwischen dem Bildwechsel von Bild 5 zu Bild 6 ist hier die Wiese als Hintergrund, die bereits im vierten und fünften Bild aufgegriffen wird. Der fiktive Erzählimpuls fokussiert somit eine starke Kohärenz im Bildwechsel, welche die Wahrnehmung des Dargestellten als eine abgeschlossene, fiktive Erzählwelt vereinfacht. Neben der Kohärenz führen gezielte Leerstellen während der Bildwechsel zum Ausdruck von Spannung. In dem fiktiven Erzählimpuls kann zwischen dem zweiten und dritten Bild in Verbindung mit dem Klau der Torte eine Leerstelle ausgemacht werden. Im zweiten Bild wird der Klau der Torte implizit visualisiert, woraufhin im zweiten Bild die beiden Hunde bereits davonlaufen. Offen bleibt beim Übergang zwischen den Bildern noch, was mit der Torte passiert. Eine weitere Leerstelle ergibt sich zwischen dem fünften und sechsten Bild in Verbindung mit dem Aufeinandertreffen der Hunde und Ratten. Es bleibt während des Übergangs der beiden Bilder noch unklar, wer in der Situation überlegen ist. Zusammenfassend werden in dem fiktiven Erzählimpuls zu Be‐ ginn der Komplikation und zum Höhepunkt der Komplikation zwei Leerstellen im Bildwechsel gesetzt, die gezielt Spannung erzeugen können. Eine weitere bildkompositorische Gestaltungsmöglichkeit zum Ausdruck von Spannung ist die dynamische Darstellung von Bewegungsabläufen. Gerade 142 5 Forschungsdesign in den Bildern 3 und 4 während der Verfolgungsjagd werden die Figuren‐ bewegungen überwiegend schräg ausgerichtet, womit eine starke Dynamik einhergeht, sodass die Geschwindigkeit während der Verfolgungsjagd durch eine dynamische Darstellung der Bewegungsabläufe verstärkt wird. Dementsprechend kann in dem fiktiven Erzählimpuls durch die Charakteris‐ tika aller einzelnen Gestaltungsaspekte eine starke Ausprägung an bildkompo‐ sitorischen Narrationsmarkern ausgemacht werden: schwach V ISUELLE E RZÄHLINSTANZ stark beschränkt Fokalisierung/ Okularisierung umfassend nah Einstellung fern frontal Ausrichtung schräg von unten Blickwinkel von oben schwach B ILDKOMPOSITORISCHE N ARRATIONSMARKER stark schwach Kohärenz im Bildwechsel stark wenig Leerstellen im Bildwechsel viel statisch Bewegungsabläufe dynamisch schwach B ILDINHALTLICHE N ARRATIONSMARKER stark menschlich Figurendarstellung phantastisch wenig Anzahl an Leitmotiven viel wenig Anzahl an referential codes viel lebensweltlich H ANDLUNGEN phantastisch schwach Grad der Detailliertheit stark schwach Grad der Implizitheit stark lebensweltlich R ÄUME phantastisch schwach Grad der phantastischen Konzeption stark schwach Grad der Semantisierung stark Abb. 22: Gestaltung der bildkompositorischen Narrationsmarker im fiktiven Erzählim‐ puls Zuletzt können zum Ausdruck einer visuellen Narration bildinhaltliche Nar‐ rationsmarker betrachtet werden. Die Darstellung der Figuren entspricht in dem fiktiven Erzählimpuls durchgehend tierischen Figuren, die durch ihre Umgebung und Handlungen vermenschlicht werden. Die Figurendarstellung ist somit phantastisch und verstärkt den Fiktionalitätsgehalt der Geschichte. Au‐ ßerdem können in dem fiktiven Erzählimpuls einzelne Leitmotive ausgemacht werden. Dazu zählt in erster Linie die Torte, die während des gesamten Hand‐ lungsstrangs von Bedeutung ist. Außerdem können die Harke des männlich dargestellten Hundes und die Tasche des weiblich dargestellten Hundes als Leitmotive interpretiert werden. Durch das immer wiederkehrende Auftreten während der Handlungsfolge können sie als visuelle Stütze dienen, um globale Zusammenhänge zwischen den einzelnen Bildern zu schließen. Der Gebrauch von referential codes zum Ausdruck literarischer Muster kann in dem fiktiven Erzählimpuls ebenfalls vereinzelt ausgemacht werden. Zum einen werden die Ratten als die „Bösen“ der Erzählung in Schwarz dargestellt. Die Hunde als die „Guten“ der Erzählung tragen bunte Kleidung. Neben der farblichen Gestaltung zieht sich die Unterscheidung von Gut und Böse auch in den Handlungszügen durch: Die bösen Ratten klauen die Torte und verlieren am Ende. Die guten Hunde bekommen die Torte wieder und teilen sie mit ihren Freunden. Auch das Teilen der Torte und der fröhliche Abschluss der Handlung 143 5.2 Analyse der eingesetzten narratoästhetischen Erzählimpulse können als referential code interpretiert werden. Im Sinne eines „am Ende wird alles gut“ treffen sich die Tiere und können doch noch die bereits verloren gedachte Torte essen. Als ein weiteres literarisches Muster kann das Konzept von Freundschaft verstanden werden. Entsprechend dem Motto „gemeinsam sind wir stark“ vollziehen sowohl die beiden Hunde als auch die beiden Ratten alle einzelnen Handlungen stets gemeinsam. In dem fiktiven Erzählimpuls können somit einige referential codes ausgemacht werden. Zusammenfassend kann auch für die bildinhaltlichen Narrationsmarker durch die Ausprägung der einzelnen Gestaltungsaspekte in dem fiktiven Erzähl‐ impuls auf einen starken Ausdruck dieser geschlossen werden: schwach V ISUELLE E RZÄHLINSTANZ stark beschränkt Fokalisierung/ Okularisierung umfassend nah Einstellung fern frontal Ausrichtung schräg von unten Blickwinkel von oben schwach B ILDKOMPOSITORISCHE N ARRATIONSMARKER stark schwach Kohärenz im Bildwechsel stark wenig Leerstellen im Bildwechsel viel statisch Bewegungsabläufe dynamisch schwach B ILDINHALTLICHE N ARRATIONSMARKER stark menschlich Figurendarstellung phantastisch wenig Anzahl an Leitmotiven viel wenig Anzahl an referential codes viel lebensweltlich H ANDLUNGEN phantastisch schwach Grad der Detailliertheit stark schwach Grad der Implizitheit stark lebensweltlich R ÄUME phantastisch schwach Grad der phantastischen Konzeption stark schwach Grad der Semantisierung stark Abb. 23: Gestaltung der bildinhaltlichen Narrationsmarker im fiktiven Erzählimpuls Neben der visuellen Narration ist die Gestaltung der erzählten Welt innerhalb des fiktiven Erzählimpulses entscheidend. Das Kontinuum zur Gestaltung der erzählten Welt narratoästhetischer Erzählimpulse erstreckt sich zwischen einer lebensweltlichen und phantastischen Darstellung und kann zunächst für die Handlungsdarstellung und anschließend für die Raumsowie Figurendarstel‐ lung betrachtet werden. In dem fiktiven Erzählimpuls zu dem textlosen Bilderbuch „Die Torte ist weg! “ werden insgesamt dreizehn Handlungszüge offensichtlich visualisiert. In Bild 1 schaut der weiblich dargestellte Hund aus dem Fenster, während der männlich dargestellte Hund draußen arbeitet. Die beiden Ratten lauern im Wald. In diesem Fall vollziehen beide Figuren die gleiche Handlung, sodass diese als ein Handlungszug interpretiert werden. Im zweiten Bild stürmen die Ratten auf den Kuchen zu, während die beiden Hunde sich erschrocken umschauen. Der weiblich dargestellte Hund zeigt darüber hinaus auf die Torte. In dem dritten Bild rennen die beiden Hunde los, womit ein weiterer Handlungszug erfasst werden kann. Gleiches gilt für das vierte Bild, auf dem die beiden Ratten davonlaufen. In Bild 5 wird zum einen das Kämpfen der beiden Ratten und des männlich dargestellten Hundes abgebildet. Zum anderen kann als zweiter Handlungszug in dem Bild dem weiblich dargestellten Hund das Ausholen 144 5 Forschungsdesign der Tasche zugeschrieben werden. In der Abschlusssituation können dann ausgehend von den beiden Hunden ebenfalls wieder zwei Handlungen erfasst werden: Der weiblich dargestellte Hund füttert den Dino, während der männlich dargestellte Hund die Torte an alle Tiere verteilt. Ein weiterer Handlungsvollzug im fünften Bild ist das gemeinsame Essen der Torte von den neu hinzugekom‐ menen Tieren, die aufgrund des fröhlichen Genießens der Torte als Freunde der Hunde interpretiert werden können. Neben der Anzahl an Handlungszügen ist vor allem entscheidend, dass für die mentale Konstruktion des Handlungsschemas alle relevanten Handlungen angeführt werden, wozu z. B. das Heraustürmen der Ratten in Bild 2, das Hinter‐ herlaufen der Hunde in Bild 3 oder das Verteilen der Torte im fünften Bild zählen. Diese Handlungszüge werden sogar zum Teil noch durch weitere Handlungen ergänzt, die nicht zwingend für die Konstruktion des Handlungsschemas von Bedeutung sind (z. B. in Bild 2 das Zeigen des weiblich dargestellten Hundes auf die Torte oder in Bild 5 das Ausholen der Tasche). Es kann somit angenommen werden, dass der Grad der Detailliertheit bei der Handlungsdarstellung in dem fiktiven Erzählimpuls tendenziell stark ausgeprägt ist. Neben der Detailliertheit ist außerdem der Grad der Implizitheit bei der Handlungsdarstellung entschei‐ dend. Darunter können implizit visualisierte Handlungszüge bzw. hermeneutic codes gefasst werden, die durch gezielte Leerstellen oder Rätsel Spannung im Handlungsverlauf erzeugen. Dazu kann zum einen die implizite Darstellung des Diebstahls der Torte in Bild 2 gefasst werden. Diese verstärkt die Spannung der Komplikation im Handlungsschema. Damit einher geht das Weglaufen der Ratten mit der Torte sowie das Aufbrechen der beiden Hunde, um die Verfolgung der Diebe aufzunehmen. Beide Handlungszüge werden nicht explizit visualisiert, sondern können nur durch die Kombination der weiteren Hand‐ lungszüge interpretiert werden. Eine weitere implizit dargestellte Handlung ist der Verbleib der Torte in Bild 5, der verschiedene mögliche Handlungszüge impliziert (z. B. ein Fall ins Wasser oder ein Verbleib auf der Wiese), welche in dem Bild nicht mehr abgebildet werden. Im Übergang vom fünften zum sechsten Bild ergibt sich eine weitere implizite Handlungsdarstellung: Das Zusammenkommen der anderen Tiere, die in der visuellen Narration zuvor nicht eingeführt werden. Insgesamt können somit in dem fiktiven Erzählimpuls fünf implizite Handlungsdarstellungen ausgemacht werden. In Bezug auf den Grad der Implizitheit kann auch in diesem Fall von einer stärkeren Ausprägung ausgegangen werden. Zusammenfassend ergibt sich für die Handlungsdarstel‐ lung im fiktiven Erzählimpuls somit tendenziell eine phantastische Darstellung: 145 5.2 Analyse der eingesetzten narratoästhetischen Erzählimpulse menschlich Figurendarstellung phantastisch wenig Anzahl an Leitmotiven viel wenig Anzahl an referential codes viel lebensweltlich H ANDLUNGEN phantastisch schwach Grad der Detailliertheit stark schwach Grad der Implizitheit stark lebensweltlich R ÄUME phantastisch schwach Grad der phantastischen Konzeption stark schwach Grad der Semantisierung stark Abb. 24: Gestaltung der Handlungen im fiktiven Erzählimpuls Die Raumdarstellung differenziert sich durch den Grad der phantastischen Konzeptionen sowie den Grad der Semantisierung. In dem fiktiven Erzählimpuls zeichnen sich die Räume durch eine umfassende Ausgestaltung der Elemente im Raum aus. Die Konzeptionen und Strukturen der Räume sind dabei auf den ersten Blick nah an der Lebenswelt. Es kann ein Wald mit einer Lichtung ausgemacht werden, aus dem ein Weg hinaus auf eine große Wiese führt. Am Rande von Bild 1, 2 und 5 wird ein Fluss bzw. Teich dargestellt. Diese räumlichen Aspekte verweisen zunächst nicht speziell auf eine phantastische Raumkonzeption. Es können aber zwei Merkmale ausgemacht werden, die phantastische Konzeptionen markieren. Zum einen ist das Größenverhältnis zwischen Haus und Figuren nicht der Lebenswelt entsprechend. Der Hund guckt aus dem Fenster hinaus und wirkt somit fast größer als das Haus. Außerdem wird im sechsten Bild ein Dinosaurier abgebildet. Auf dieses Merkmal weist auch Krichel (2020) hin und spricht von „einer Landschaft mit Dinosauriern“ (ebd. 108), die sich nicht durch die Nähe zur Lebenswelt auszeichnet. Weitergehend können mehrere visuelle Elemente ausgemacht werden, von denen ausgehend die Raumdarstellung vor allem zur Semantisierung und nicht als einfache Kulisse fungiert. Dazu zählt zum einen die bereits erwähnte umfas‐ sende Darstellung der Landschaft mit Wald, Wiesen, Weg und Wasser. Aber auch die einzelnen Elemente wie das aufgeschlagene Tor mit der Glocke in Bild 3 oder die roten Fußspuren im vierten Bild. Zusammenfassend ergeben sich für die Raumdarstellung im fiktiven Erzählimpuls somit folgende Ausprägungen: schwach V ISUELLE E RZÄHLINSTANZ stark beschränkt Fokalisierung/ Okularisierung umfassend nah Einstellung fern frontal Ausrichtung schräg von unten Blickwinkel von oben schwach B ILDKOMPOSITORISCHE N ARRATIONSMARKER stark schwach Kohärenz im Bildwechsel stark wenig Leerstellen im Bildwechsel viel statisch Bewegungsabläufe dynamisch schwach B ILDINHALTLICHE N ARRATIONSMARKER stark menschlich Figurendarstellung phantastisch wenig Anzahl an Leitmotiven viel wenig Anzahl an referential codes viel lebensweltlich H ANDLUNGEN phantastisch schwach Grad der Detailliertheit stark schwach Grad der Implizitheit stark lebensweltlich R ÄUME phantastisch schwach Grad der phantastischen Konzeption stark schwach Grad der Semantisierung stark Abb. 25: Gestaltung der Räume im fiktiven Erzählimpuls 146 5 Forschungsdesign Abschließend kann die Ausprägung der Figurendarstellung in dem fiktiven Erzählimpuls analysiert werden. Dazu sind der Grad der Merkmalsausprägung, der Grad der Charakterisierung und der Grad der Emotionalität entscheidend. In Bezug auf die Merkmalsausprägung kann zunächst wieder die tierische Darstellung angeführt werden, diese suggeriert auf den ersten Blick eine phan‐ tastische Figurendarstellung. Weiterführend ist die Kleidung der beiden Hunde markierend: Durch den prototypischen Gegensatz mit Kleid und Hose kann den beiden Hunden jeweils das Geschlecht Frau bzw. Mann zugeordnet werden. Außerdem werden sowohl die Hunde als auch Ratten als Hauptprotagonisten durch ihre Handlungen vermenschlicht. Die zwei Ratten werden nahezu identisch dargestellt, sodass keine individuellen Merkmalsausprägungen ausge‐ macht werden können. Somit lässt primär die visuelle Gestaltung der Hunde auf eine stärkere Merkmalsausprägung der Figuren in dem fiktiven Erzählimpuls schließen. Insgesamt sind die Tiere generisch dargestellt, sodass viel Freiraum für individuelle Interpretationen geboten wird. Damit ist der Aspekt der Charak‐ terisierung angesprochen, der zunächst für die Darstellung der Hunde und anschließend für die der Ratten analysiert wird. Das erste Bild suggeriert, dass die beiden Hunde gemeinsam in einem Haus wohnen und demnach bereits erwachsen sind. Außerdem schauen die beiden Hunde im ersten Bild freundlich. Der freundliche Blick der Hunde kann als emotionales Schema zur Charakterisierung der Figuren herangezogen werden. Im fiktiven Erzählimpuls ist die Charakterisierung der Hunde somit stark ausgeprägt. Zwar können die Gesichtszüge der Ratten nicht durch emotionale Schemata beschrieben werden, dennoch werden sie wie auch die Hunde menschlich charakterisiert, indem sie laufen, stehen und klauen können. Für die generische Darstellung der Ratten ist vor allem die farbliche Gestaltung auffallend. Beide Ratten sind ausschließlich in den Farben Schwarz und Grau dargestellt, wodurch die Rolle der Diebe verstärkt wird. Nach Kurwinkel (2017) steht gerade die Farbe Grau für Egoismus bzw. das Böse (ebd. 142). Der Grad der Charakterisierung ist für die Darstellung der Ratten in dem fiktiven Erzählimpuls somit ebenfalls stark ausgeprägt. Zuletzt kann in Kombination mit weiteren visuellen Elementen und Sym‐ bolen die Emotionalität in dem fiktiven Erzählimpuls betrachtet werden. An‐ hand der Mimik der Hunde werden im Laufe der Geschichte verschiedene Emotionen ausgedrückt. Diese verstärken in jedem Bild gezielt die dargestellten Ereignisse. Zu Beginn der Geschichte schauen die Hunde fröhlich und arbeiten am Haus. Der plötzliche Klau der Torte in Bild 2 wird von einem erstaunten Blick der Hunde untermauert. Im dritten Bild verfolgen die Hunde die Tortendiebe. In diesem Zusammenhang schauen sie wütend und mit aufgerissenen Mündern 147 5.2 Analyse der eingesetzten narratoästhetischen Erzählimpulse den Weg entlang. Die Wut und der Unmut werden in dem dritten Bild durch das aufgeschlagene Tor und die läutende Klingel sogar noch einmal verstärkt. In Bild 5 treffen die Hunde auf die Ratten, wobei der männlich dargestellte Hund sogar mit den Ratten kämpft. Die Emotionalität der Hunde wird durch ein Zähnefletschen ausgedrückt und deutet an, dass sich die Wut während der Verfolgungsjagd noch weiter zuspitzt. Zum Abschluss der Geschichte sitzen die Hunde wieder glücklich und zufrieden mit ihren Freunden zusammen und die dargestellten Emotionen von Schock, Wut und Feindseligkeit im Verlauf der Komplikation werden durch die freundlich guckenden Hunde wieder auf‐ gehoben und schwingen in Freude und Zufriedenheit um. Im Gegensatz dazu werden die Ratten durchgehend ohne Emotionen dargestellt, sodass insgesamt der Grad der Emotionalität in der Erzählung vor allem in Bezug auf die Figurendarstellung der Hunde besonders stark ist. Zusammenfassend kann die Darstellung der Figuren in dem fiktiven Erzähl‐ impuls anhand der Ausprägung der einzelnen Gestaltungsmerkmale tendenziell als phantastisch eingestuft werden: lebensweltlich F IGUREN phantastisch schwach Grad der Merkmalsausprägung stark schwach Grad der Charakterisierung stark schwach Grad der Emotionalität stark Abb. 26: Gestaltung der Figuren im fiktiven Erzählimpuls Zusammenfassend zeugt der fiktive Erzählimpuls zu dem textlosen Bilderbuch „Die Torte ist weg! “ von Thé Tjong-Khing (2006) von einer stark ausgeprägten visuellen Narration und einer phantastischen Darstellung der erzählten Welt. Demgegenüber sollte ein imaginärer Erzählimpuls stehen, der von einer schwä‐ cheren visuellen Narration und einer lebensweltlichen Darstellung der erzählten Welt zeugt. Um trotzdem eine Vergleichbarkeit der Erzähltexte resultierend aus den verschiedenen gestalteten Erzählimpulsen zu ermöglichen, ist eine ähnliche Ereignisstruktur der visualisierten Geschichte entscheidend. Mit dem imaginären Erzählimpuls wird daher ebenfalls ein Handlungsstrang zu dem Klau einer Torte visualisiert. Der imaginäre Erzählimpuls ist anhand der ein‐ zelnen Gestaltungsaspekte der beiden Kontinuen selbst abgeleitet worden. Der imaginäre Erzählimpuls mit dem Titel „Diebe auf der Feier! “ setzt sich 148 5 Forschungsdesign ebenfalls aus sechs Bildausschnitten zusammen, in denen die Ausgangssituation (Bild 1), der Klau der Torte (Bild 2), die Verfolgungsjagd (Bild 3 und 4), das Aufeinandertreffen (Bild 5) sowie die Abschlusssituation (Bild 6) visualisiert werden: Abb. 27: Imaginärer Erzählimpuls Vergleichbar mit dem fiktiven Erzählimpuls wird im Folgenden die Gestaltung des imaginären Erzählimpulses aufgezeigt, um diese anschließend vergleichend gegenüberstellen zu können. Zum Ausdruck der visuellen Narration kann zunächst die Darstellung einer visuellen Erzählinstanz betrachtet werden. In Bezug auf die Fokalisierung und Okularisierung haben die Erzählenden immer den gleichen Wissensstand und die gleiche Möglichkeit zur Wahrnehmung wie die Figuren. Betrachtet man allerdings auch hier den gesamten Erzählimpuls, haben die Erzählenden deutlich mehr Wissen, da sie aufgrund der Bilderfolge die gesamte Geschichte einsehen können. Eine starke Fokalisierung und Okularisierung ist für die Gestaltung 149 5.2 Analyse der eingesetzten narratoästhetischen Erzählimpulse von Erzählimpulsen allerdings auch sinnvoll, da sonst die Rekonstruktion der visualisierten Narration eine besondere Herausforderung darstellt. Für den bildkompositorischen Aspekt der Einstellung ist bei dem imaginären Erzählimpuls im Gegensatz zu dem fiktiven Erzählimpuls durchgehend eine halbtotale Einstellung gewählt. Das bedeutet, die Erzählenden sehen immer die kompletten Figuren während ihrer Handlungen, bekommen aber zu Beginn und zum Abschluss der Geschichte keine Übersicht über das gesamte Setting. Neben der Einstellung ist auch die Ausrichtung der Objekte relevant. In diesem Fall ist gerade die Figur mit den braunen Haaren auf Bild 1, 5 und 6 frontal auf die Betrachter: innen gerichtet, sodass diese besonders stark in die Erzählung involviert wird. Die anderen Figuren und Objekte sind eher schräg ausgerichtet und somit nicht direkt auf die Betrachter: innen fokussiert. Durch die Ausprä‐ gung der Einstellung und Ausrichtung im imaginären Erzählimpuls werden die Erzählenden während der Betrachtung des Erzählimpulses insgesamt etwas stärker involviert. Als letztes Gestaltungsmerkmal der visuellen Erzählinstanz kann der Blick‐ winkel angeführt werden. Dieser unterscheidet sich zwischen den einzelnen Bildausschnitten. In den Bildern 2 und 5 wird den Betrachter: innen ein leichter Blick von oben auf das Geschehen ermöglicht, sodass sich die Betrachter: innen überlegen wahrnehmen könnten. Allerdings ist dieser nicht so stark ausge‐ richtet, wie z. B. auf Bild 1 in dem fiktiven Bildimpuls. Bei den anderen vier Bildern des imaginären Erzählimpulses nehmen die Betrachter: innen ihren Blick von vorne wahr, sodass eine Gleichstellung zwischen Dargestelltem und Betrachter: innen suggeriert wird. Insgesamt überwiegt in dem imaginären Erzählimpuls somit ein parallel ausgerichteter Blickwinkel. Zusammenfassend ist die Ausprägung der visuellen Erzählinstanz im ima‐ ginären Erzählimpuls etwas schwächer, wobei gerade die Fokalisierung und Okularisierung zur Rekonstruktion der Narration umfassend gegeben sind. schwach V ISUELLE E RZÄHLINSTANZ stark beschränkt Fokalisierung/ Okularisierung umfassend nah Einstellung fern frontal Ausrichtung schräg von unten Blickwinkel von oben schwach B ILDKOMPOSITORISCHE N ARRATIONSMARKER stark schwach Kohärenz im Bildwechsel stark wenig Leerstellen im Bildwechsel viel Abb. 28: Gestaltung der visuellen Erzählinstanz im imaginären Erzählimpuls 150 5 Forschungsdesign Die Ausprägung bildkompositorischer Narrationsmarker zur Verstärkung der Fiktionalität ist in dem imaginären Erzählimpuls durch die einzelnen Gestal‐ tungsaspekte deutlich schwächer. Eine Kohärenz im Bildwechsel wird nur dann erzeugt, wenn der Raum gleich bleibt. Es können keine zusätzlichen visuellen Elemente ausgemacht werden, die eine Kohärenzbildung beim Übergang von Bild 2 zu Bild 3 oder Bild 5 zu Bild 6 unterstützen. Neben der Kohärenz können gezielte Leerstellen während der Bildwechsel zum Ausdruck von Spannung führen. Diese können in dem imaginären Erzählimpuls nicht ausgemacht werden. Während in dem fiktiven Erzählimpuls der Verbleib der Torte zwischen den Bildern offen bleibt, ist in dem imaginären Er‐ zählimpuls auf dem zweiten Bild die Torte in den Händen der Diebe abgebildet. Gleiches gilt für den Verbleib der Torte im fünften Bild. Im imaginären Erzähl‐ impuls ist die Torte im fünften Bild für die Betrachter: innen sichtbar. Insgesamt können somit keine für den Handlungsverlauf entscheidenden Leerstellen im Bildwechsel ausgemacht werden. Eine weitere bildkompositorische Gestaltungsmöglichkeit zum Ausdruck von Spannung ist die dynamische Darstellung von Bewegungsabläufen. Während der Verfolgungsjagd im dritten und vierten Bild sind überwiegend die Beinaus‐ richtung und zum Teil die Armausrichtung der Figuren schräg, die Oberkörper hingegen sind senkrecht ausgerichtet. Somit wird in dem fiktiven Erzählimpuls zwar eine dynamische Bewegung angedeutet, diese wird aber nicht im vollen Ausmaß umgesetzt. Die Ausrichtung der Figuren auf den restlichen Bildern ist überwiegend waagerecht oder senkrecht, sodass insgesamt eine eher statische Haltung und nur ein geringer Ausdruck von Dynamik repräsentiert werden. Zusammenfassend lässt sich für die bildkompositorischen Narrationsmarker zur Verstärkung der Fiktionalität in dem imaginären Erzählimpuls ebenfalls eine schwache Ausprägung ausmachen: schwach V ISUELLE E RZÄHLINSTANZ stark beschränkt Fokalisierung/ Okularisierung umfassend nah Einstellung fern frontal Ausrichtung schräg von unten Blickwinkel von oben schwach B ILDKOMPOSITORISCHE N ARRATIONSMARKER stark schwach Kohärenz im Bildwechsel stark wenig Leerstellen im Bildwechsel viel statisch Bewegungsabläufe dynamisch schwach B ILDINHALTLICHE N ARRATIONSMARKER stark menschlich Figurendarstellung phantastisch wenig Anzahl an Leitmotiven viel wenig Anzahl an referential codes viel lebensweltlich H ANDLUNGEN phantastisch Abb. 29: Gestaltung der bildkompositorischen Narrationsmarker im imaginären Erzähl‐ impuls 151 5.2 Analyse der eingesetzten narratoästhetischen Erzählimpulse Die letzte Kategorie zum Ausdruck einer visuellen Narration sind bildinhalt‐ liche Narrationsmarker. Die Figurendarstellung entspricht in dem imaginären Erzählimpuls durchgehend menschlichen Figuren. Als Leitmotiv kann in dem imaginären Erzählimpuls ebenfalls die Torte ausgemacht werden, die sich als einziges Leitmotiv des imaginären Erzählimpulses auszeichnet. Der Gebrauch von referential codes zum Ausdruck literarischer Muster kann in dem imaginären Erzählimpuls vereinzelt erfasst werden. Da der Ausdruck literarischer Muster eng verknüpft mit der Handlungsabfolge ist, treten die vergleichbaren Muster aus dem fiktiven Erzählimpuls auf. Dazu zählt zum einen die Haltung „die Guten gewinnen und die Bösen verlieren“, wobei die Unterscheidung von Gut und Böse nicht wie im fiktiven Erzählimpuls durch die farbliche Darstellung der Kinder verstärkt wird. Außerdem werden die Diebe zum Abschluss der Geschichte im imaginären Erzählimpuls nicht aufgegriffen, sodass nicht eindeutig entnommen werden kann, was mit den „Bösen“ am Ende geschieht. Das gemeinsame Essen der Torte auf dem sechsten Bild des imaginären Erzählimpulses suggeriert einen fröhlichen Abschluss und ein „am Ende wird alles gut“, wobei dieses nicht wie bei dem fiktiven Erzählimpuls durch das Dazukommen weiterer Figuren verstärkt wird. Als letztes literarisches Muster kann auch im imaginären Erzählimpuls das Konzept von Freundschaft ausgemacht werden. Entsprechend dem Motto „gemeinsam sind wir stark“ vollziehen auch die jeweiligen Kindergruppen alle einzelnen Handlungen stets gemeinsam. Es können in dem imaginären Erzählimpuls somit ebenfalls refe‐ rential codes ausgemacht werden, wobei diese weniger stark zum Ausdruck kommen als in dem fiktiven Erzählimpuls. Für die bildinhaltlichen Narrationsmarker zeigt sich in dem imaginären Erzählimpuls eine etwas schwächere Ausprägung: schwach V ISUELLE E RZÄHLINSTANZ stark beschränkt Fokalisierung/ Okularisierung umfassend nah Einstellung fern frontal Ausrichtung schräg von unten Blickwinkel von oben schwach B ILDKOMPOSITORISCHE N ARRATIONSMARKER stark schwach Kohärenz im Bildwechsel stark wenig Leerstellen im Bildwechsel viel statisch Bewegungsabläufe dynamisch schwach B ILDINHALTLICHE N ARRATIONSMARKER stark menschlich Figurendarstellung phantastisch wenig Anzahl an Leitmotiven viel wenig Anzahl an referential codes viel lebensweltlich H ANDLUNGEN phantastisch schwach Grad der Detailliertheit stark schwach Grad der Implizitheit stark lebensweltlich R ÄUME phantastisch schwach Grad der phantastischen Konzeption stark schwach Grad der Semantisierung stark Abb. 30: Gestaltung der bildinhaltlichen Narrationsmarker im imaginären Erzählimpuls Neben der visuellen Narration unterscheidet sich auch die Gestaltung der erzählten Welt im imaginären Erzählimpuls von der Darstellung im fiktiven Erzählimpuls. Als erste Kategorie kann die Handlungsdarstellung betrachtet 152 5 Forschungsdesign werden. In dem imaginären Erzählimpuls können insgesamt neun Handlungs‐ züge erfasst werden. Im ersten Bild sind drei Figuren abgebildet, von denen eine Figur eine Puppe hoch hält. Die zweite Figur packt das Geschenk aus und die dritte zieht an der Schleife. Das erste Bild visualisiert demnach drei Handlungszüge. In Bild 2 klauen zwei weitere Figuren die Torte vom Tisch, während zwei der drei Figuren aus der ersten Sequenz erschrocken zum Tisch schauen. Diese Visualisierungen werden wie auch bei der Analyse des fiktiven Erzählimpulses aufgrund der gleichen Handlungen jeweils als ein Handlungszug erfasst. Gleiches gilt für das dritte Bild, auf dem die beiden Figuren mit der gestohlenen Torte davonrennen, und das darauffolgende vierte Bild, welches die drei hinterherrennenden Figuren abbildet. In Bild 5 wird zum einen die Übergabe der Torte als Handlungszug visualisiert. Zum anderen hält eine der Figuren einen der Diebe am Arm fest. In Bild 5 werden somit zwei Handlungszüge abgebildet. In der Abschlusssituation sitzen die Figuren gemeinsam am Tisch. Dieses kann wieder als ein übergreifender Handlungszug angeführt werden. Als einen weiteren Handlungszug kann in diesem Bild das Zeigen der einen Figur auf die Torte betrachtet werden. Insgesamt sind somit neun Handlungszüge in dem imaginären Erzählimpuls dargestellt. Damit sind für die mentale Konstruktion des Handlungsschemas alle relevanten Handlungen angeführt. Zusätzlich können nur wenige Handlungen ergänzend ausgemacht werden (z. B. das erschrockene Schauen der Figuren in Bild 2 oder das Zeigen auf den Kuchen in Bild 6). Es kann somit angenommen werden, dass der Grad der Detailliertheit bei der Handlungsdarstellung in dem imaginären Erzählimpuls etwas stärker ausgeprägt ist. Allerdings nicht so umfangreich wie in dem fiktiven Erzählimpuls, in dem deutlich mehr zusätzliche Handlungszüge visualisiert werden. Besonders interessant ist vor allem der Einsatz impliziter Handlungsdarstel‐ lungen, um im Handlungsverlauf an gezielten Stellen Spannung zu erzeugen. Während in dem fiktiven Erzählimpuls innerhalb der Komplikation der Klau der Torte und der Verbleib der Torte implizit visualisiert werden, werden diese beiden Handlungszüge in dem imaginären Erzählimpuls explizit abgebildet. Lediglich das Weglaufen der Diebe und das Aufbrechen der Figuren werden implizit abgebildet und müssen im Übergang von Bild 2 zu Bild 3 zusätzlich interpretiert werden. Auch im Übergang vom fünften zum sechsten Bild ergeben sich zwei weitere implizite Handlungsdarstellungen: Das Zurückkommen der Figuren an den Tisch mit der Torte und der Verbleib der zwei Diebe. Insgesamt können somit in dem imaginären Erzählimpuls vier implizite Handlungsdar‐ stellungen ausgemacht werden, sodass auch der Grad der Implizitheit in dem imaginären Erzählimpuls schwächer ausgeprägt ist als in dem fiktiven Erzähl- 153 5.2 Analyse der eingesetzten narratoästhetischen Erzählimpulse impuls. Für diesen konnten insgesamt fünf implizite Handlungsdarstellungen erfasst werden. Zusammenfassend ist die Handlungsdarstellung im imaginären Erzählimpuls somit näher an einer phantastischen Gestaltung einzuordnen: statisch Bewegungsabläufe dynamisch schwach B ILDINHALTLICHE N ARRATIONSMARKER stark menschlich Figurendarstellung phantastisch wenig Anzahl an Leitmotiven viel wenig Anzahl an referential codes viel lebensweltlich H ANDLUNGEN phantastisch schwach Grad der Detailliertheit stark schwach Grad der Implizitheit stark lebensweltlich R ÄUME phantastisch schwach Grad der phantastischen Konzeption stark schwach Grad der Semantisierung stark Abb. 31: Gestaltung der Handlungen im imaginären Erzählimpuls Weiterführend kann die Raumdarstellung im imaginären Erzählimpuls durch den Grad phantastischer Konzeptionen sowie den Grad der Semantisierung differenziert werden. Insgesamt können in dem imaginären Erzählimpuls zwei Räume ausgemacht werden: Der häusliche Raum mit einem Teppich, einem Tisch und einer Girlande und als zweiten Raum ein Weg im Park mit verein‐ zelten Bäumen. Beide Räume sind minimalistisch gehalten und verweisen in keinem Aspekt auf phantastische Konzeptionen oder Strukturen, sodass die Raumdarstellung nah an der Lebenswelt orientiert ist. Die minimalistische Raumdarstellung geht ebenfalls damit einher, dass der Raum vorrangig als Kulisse dient. Es können kaum visuelle Elemente ausgemacht werden, die eine individuelle Ausschmückung anregen. An dieser Stelle ist ausschließlich die Girlande im häuslichen Raum anzuführen. Die räumliche Darstellung im imaginären Erzählimpuls unterscheidet sich somit sehr stark von der Raum‐ darstellung im fiktiven Erzählimpuls. Dieser zeichnet sich durch eine stark semantisierende Raumgestaltung mit einzelnen phantastischen Konzeptionen aus, welche zu einer phantastischen Darstellung des Raumes führen. Im Gegen‐ satz dazu ergibt sich für die Raumdarstellung im imaginären Erzählimpuls eine stark lebensweltliche Ausrichtung: schwach V ISUELLE E RZÄHLINSTANZ stark beschränkt Fokalisierung/ Okularisierung umfassend nah Einstellung fern frontal Ausrichtung schräg von unten Blickwinkel von oben schwach B ILDKOMPOSITORISCHE N ARRATIONSMARKER stark schwach Kohärenz im Bildwechsel stark wenig Leerstellen im Bildwechsel viel statisch Bewegungsabläufe dynamisch schwach B ILDINHALTLICHE N ARRATIONSMARKER stark menschlich Figurendarstellung phantastisch wenig Anzahl an Leitmotiven viel wenig Anzahl an referential codes viel lebensweltlich H ANDLUNGEN phantastisch schwach Grad der Detailliertheit stark schwach Grad der Implizitheit stark lebensweltlich R ÄUME phantastisch schwach Grad der phantastischen Konzeption stark schwach Grad der Semantisierung stark Abb. 32: Gestaltung der Räume im imaginären Erzählimpuls 154 5 Forschungsdesign Als letzte Kategorie der erzählten Welt kann die Figurendarstellung in dem imaginären Erzählimpuls angeführt werden. Diese differenziert sich durch den Grad der Merkmalsausprägung, den Grad der Charakterisierung und den Grad der Emotionalität. In Bezug auf die Merkmalsausprägung ist auch hier wieder die menschliche Darstellung zunächst prägnant, da diese als ersten Anschein eine lebenswelt‐ liche Darstellung impliziert. Ausgehend von der Kleidung und der Frisur kann in erster Linie für die Figur im Kleid mit langen Haaren eine stereotypische Zuweisung des weiblichen Geschlechts erfolgen. Die anderen Figuren können zwar tendenziell einer Figur zugeordnet werden, lassen aber Spielraum für individuelle Interpretationen. Eindeutige Figurenkonzepte können erst durch die Figurencharakterisierung und in Kombination mehrerer visueller Elemente erschlossen werden. Die Merkmalsausprägung im imaginären Erzählimpuls ist somit eher schwach. Zur Figurencharakterisierung zählt zum einen die Größe der Figuren in Verbindungen mit dem Sitzen auf dem Teppich. Die Zusammenführung dieser Aspekte suggeriert, dass es sich um Kinder handelt. Diese sind deutlich näher an der eigenen Lebenswelt der Erzählenden als tierische Figuren. Insgesamt sind die Figuren im imaginären Erzählimpuls somit zwar auch generisch dargestellt, es können aber nur wenige Aspekte für eine individuelle Interpretation durch den Rückgriff auf Visual Literacies ausgemacht werden. Die Figurencharakterisierung ist im imaginären Erzählimpuls somit schwächer ausgeprägt. Zuletzt kann in Kombination mit weiteren visuellen Elementen und Sym‐ bolen die Emotionalität in dem fiktiven Erzählimpuls betrachtet werden. An einzelnen Stellen ist die Mimik ähnlich wie in dem fiktiven Erzählimpuls verstärkend zum Ausdruck der emotionalen Stimmung des Handlungsverlaufs eingesetzt. Zu Beginn der Geschichte schauen die Figuren fröhlich und packen die Geschenke aus. Auch das unerwartete Auftauchen der zwei weiteren Figuren und das Klauen der Torte werden durch das erstaunte Aufschauen der Figuren untermauert. Im dritten und vierten Bild ist die Verfolgungsjagd abgebildet, welche vor allem durch den schadenfreudigen Blick des einen Diebes in Bild 3 verstärkt wird. Als Pendant dazu folgen die ängstlichen und traurigen Blicke der Figuren in Bild 4. Der Ausdruck von Emotionen schwingt im fünften Bild um, sodass die eine Figurengruppe sich über das Wiederbekommen der Torte freut und die Unzufriedenheit der beiden Diebe durch die traurigen Gesichtszüge zum Ausdruck kommt. Zum Abschluss der Geschichte sitzen die Figuren aus der Anfangssituation wieder glücklich mit der Torte am Tisch. Insgesamt kommt zwar auch im imaginären Erzählimpuls die Emotionalität der Figuren zum Ausdruck, allerdings überwiegend durch Emotionen wie Freude 155 5.2 Analyse der eingesetzten narratoästhetischen Erzählimpulse oder Traurigkeit. Im fiktiven Erzählimpuls werden die Emotionen deutlich stärker durch ein Zähnefletschen oder Mundaufreißen in Form von Schock, Wut und Feindseligkeit visualisiert. Ausgehend von der Ausprägung der einzelnen Gestaltungsaspekte kann die Darstellung der Figuren in dem imaginären Erzählimpuls somit tendenziell als lebensweltlich eingestuft werden: lebensweltlich F IGUREN phantastisch schwach Grad der Merkmalsausprägung stark schwach Grad der Charakterisierung stark schwach Grad der Emotionalität stark Abb. 33: Gestaltung der Figuren im imaginären Erzählimpuls Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass sich die beiden Erzählimpulse in Bezug auf die Darstellung der visuellen Narration und der erzählten Welt im Gestaltungsgrad unterscheiden. Zum Ausdruck einer visuellen Narration sind bildkompositorische und bildinhaltliche Narrationsmarker in dem imaginären Erzählimpuls deutlich schwächer ausgeprägt als in dem fiktiven Erzählimpuls, sodass gerade der Fiktionalitätsgehalt des imaginären Erzählimpulses geringer ist. Eine visuelle Erzählinstanz zur Perspektivierung wird lediglich an verein‐ zelten Stellen im imaginären Erzählimpuls etwas schwächer ausgebildet. Gerade Aspekte wie die Fokalisierung und Okularisierung oder eine halbtotale Einstel‐ lung sind relevant, um für die Ereigniskonstruktion alle relevanten Hinweise einsehen zu können. Eine zu schwach ausgeprägte visuelle Erzählinstanz würde somit Einfluss auf die Voraussetzungen eines gelingenden Erzählprozesses nehmen. Zum Ausdruck der erzählten Welt zeigt sich, dass der imaginäre Erzählim‐ puls überwiegend durch eine lebensweltliche Darstellung geprägt ist. In dem fiktiven Erzählimpuls verweisen die einzelnen Kategorien vorrangig auf eine phantastische Darstellung. Besonders stark ist der Kontrast zwischen dem imaginären und fiktiven Erzählimpuls bei der Raum- und Figurendarstellung. Dass der imaginäre Erzählimpuls gerade in Bezug auf die Handlungsdarstel‐ lung nicht stark von dem fiktiven Erzählimpuls abweicht, kann durch die vergleichbare Handlungsstruktur begründet werden. Dennoch sind in dem fiktiven Erzählimpuls mehr zusätzliche Handlungszüge visualisiert und ist ein weiterer Handlungszug implizit dargestellt, sodass ein gezieltes Ereignis 156 5 Forschungsdesign 25 Für weiterführende Informationen zur Studie vgl. Topalovic/ Drepper/ Härtel i.V. im Handlungsverlauf betont wird. Die abschließende Abbildung verdeutlicht die gegenübergestellte Ausprägung der einzelnen Kategorien für den fiktiven Erzählimpuls in Dunkelgrau und den imaginären Erzählimpuls in Hellgrau: schwach V ISUELLE E RZÄHLINSTANZ stark schwach B ILDKOMPOSITORISCHE N ARRATIONSMARKER stark schwach B ILDINHALTLICHE N ARRATIONSMARKER stark lebensweltlich H ANDLUNGEN phantastisch lebensweltlich R ÄUME phantastisch lebensweltlich F IGUREN phantastisch Abb. 34: Gegenüberstellung der Gestaltung des fiktiven und imaginären Erzählimpulses 5.3 Erhebungsablauf und Stichprobe Zur empirischen Überprüfung der Potentiale narratoästhetischer Erzählimpulse werden ausgehend von den verschieden gestalteten Erzählimpulsen schriftliche Erzählungen von Kindern der Grundschule erhoben. Die Erhebung ist als Teilstudie in dem Kooperationsprojekt „Entwicklung des (Recht-)Schreibens von der Primarzur Sekundarstufe“ (ESPS) der Universität Paderborn und einer Grundschule im Schulbezirk Detmold verortet. Im Rahmen des Projekts „ESPS“ konnten längsschnittlich bereits über die gesamte Grundschulzeit Unterrichts‐ daten von vier Klassen einer Grundschule (n = 95) erhoben werden. Neben den empirischen Daten, die im Rahmen der vorliegenden Studie erhoben wurden, stehen somit weitere längsschnittliche Daten zur Verfügung. 25 Beson‐ ders von Bedeutung für diese Studie sind eine Schuleingangsbeobachtung zum vorschulischen Schriftspracherwerb (vgl. Topalović/ Drepper 2019) sowie die lehrer: innenseitige Dokumentation des Sprach- und Literaturunterrichts und der eingesetzten Materialien. Auf die eingesetzten Materialien ist bereits in 157 5.3 Erhebungsablauf und Stichprobe der Herleitung als explorativer Einblick in die eingesetzten Bildimpulse als Erzählanlasse (vgl. Kapitel 1) zurückgegriffen worden. In dieser ersten Analyse zeigt sich, dass die Gestaltungsmerkmale in den eingesetzten Bildimpulsen geringe narratoästhetische Potentiale und wenig Freiraum für Kreatives und Ästhetisches bieten. Weiterführend kann durch die Dokumentation des Unter‐ richts nachgewiesen werden, dass die Kinder in den letzten zwei Schuljahren vor der Erhebung keine Instruktionen zum Schreiben von Erzählungen bekommen haben. Darin begründet sich auch die Auswahl der zweiten Jahrgangsstufe. Die Kinder nehmen somit ohne institutionsgeprägte Vorerfahrungen zum Schreiben von Erzählungen an der Studie teil. Durchgeführt wurde die Erhebung Mitte Mai und Anfang Juni 2019 in der Projektschule im Schulbezirk Detmold. Insgesamt haben 95 Schüler: innen aus vier Klassen der zweiten Jahrgangsstufe (n = 95) an dem Schreibarrangement teilgenommen. Die Erhebung ist in einem Überkreuzdesign durchgeführt worden, sodass sich zwei Erhebungszeitpunkte ergeben. Zum ersten Erhebungszeitpunkt hat ein Teil der Kinder eine Erzählung zu dem imaginären Erzählimpuls geschrieben und der andere Teil der Kinder eine Erzählung zu dem fiktiven Erzählimpuls. Zum zweiten Erhebungszeitpunkt wurde jeweils der andere Bildimpuls eingesetzt. Die Zuordnung der beiden Gruppen erfolgte klassenweise und randomisiert: F IKTIV E R E R ZÄHL IM P U L S I MA G INÄR E R E R ZÄHL IM P U L S E R S T E R E RH E B U N G S Z E IT P U NKT (32. Schulwoche) Klasse B u. Klasse C (n = 44) Klasse A u. Klasse D (n = 51) Z W E IT E R E RH E B U N G S Z E IT P U NKT (34. schulwoche) Klasse A u. Klasse D (n = 51) Klasse B u. Klasse C (n = 44) Tab. 11: Erhebungsreihenfolge und Klassenzuordnung Die Erhebungen wurden in einer authentischen Lernsituation innerhalb des Deutschunterrichts von derselben Person (der Verfasserin dieser Arbeit) durch‐ geführt. Damit ist sichergestellt, dass die gleiche Aufgabenstellung formuliert wurde und dass keine Unterstützungen oder Hinweise gegeben wurden. Eine zeitliche Begrenzung beim Verfassen der Erzählung war für die Kinder nicht vorgesehen. Um dies zu gewährleisten, wurde entweder in der ersten oder dritten Schulstunde mit dem Schreiben der Erzählungen begonnen. Entsprechend der eingangs angeführten Annahme lernförderlicher Schreibar‐ rangements wurde der Schreibauftrag im Rahmen der Erhebung situiert (vgl. 158 5 Forschungsdesign 26 Steinhoff (2017) und Anskeit/ Steinhoff (2014) verstehen unter lernförderlichen Schreib‐ arrangements ganze Unterrichtssettings, „die in Bezug auf die Schreibentwicklung, den Schreibprozess, das Schreibmedium, die Textform und die Profilierung jeweils spezifisch angelegt sind“ (ebd. 129). Im Rahmen dieser Studie wird der gesamte Schreibprozesse und die Schreibentwicklung nicht berücksichtigt. Die ausbleibende Berücksichtigung ist eingangs bereits durch den Zugriff auf einen kindlich-intuitiven Sprachgebrauch in narrativen Lernkontexten argumentiert worden. u. a. Anskeit 2019, Steinhoff 2017, Bachmann/ Becker-Mrotzek 2010). 26 Bei der Situierung einer Schreibaufgabe sollte die jeweilige kommunikative Funktion verstärkt abgebildet werden und in einem „klar erkennbaren und nachvollzieh‐ baren Handlungszusammenhang stehen“ (Bachmann/ Becker-Mrotzek 2010, 194). Um diesem Anspruch gerecht zu werden, sollten bei situierten Schreibauf‐ gaben vier Merkmale berücksichtigt werden (vgl. Bachmann/ Becker-Mrotzek 2010, 195): die soziale Interaktion, die Funktion des zu schreibenden Textes, die Wirkung des Textes und die Verfügung von Welt- und Handlungswissen. Im Rahmen der Erhebung wurde das Schreiben der Erzählungen somit in einen Bildergeschichten-Wettbewerb eingebettet. Unter dem Titel „Beste Bilder‐ geschichten an der Uni: BBU-Wettbewerb“ und dem folgenden Hinweis sind die Kinder in die Schreibaufgabe eingeführt worden: „Die Uni hat einen großen Bildergeschichten-Wettbewerb gestartet und sucht die besten Bildergeschichten von Kindern der zweiten Klasse. Ihr dürft an dem BBU-Wett‐ bewerb der Uni teilnehmen. Der Wettbewerb besteht aus zwei Terminen. Heute könnt ihr die erste Bilderge‐ schichte schreiben. Und in zwei Wochen dürft ihr nochmal mitmachen und eine zweite Bildergeschichte schreiben. Damit habt ihr die doppelte Chance an dem Wettbewerb teilzunehmen und zu gewinnen. Am Ende wählt dann eine Jury die besten drei Bildergeschichten aus jeder Klasse aus. In der Jury sitzen einige Professoren: innen und Mitarbeiter: innen aus der Uni in Paderborn, die sonst Kinder- und Jugendbücher beurteilen und mit Preisen krönen. Diese Jury wird eure Bildergeschichten lesen und beurteilen. Jede Geschichte, die eingereicht wird, kann eine Kleinigkeit gewinnen und die besten drei Geschichten in jeder Klasse gewinnen verschiedene Bücher.“ In der Einführung zur Schreibaufgabe wird den Kindern vermittelt, dass es sich um einen Bildergeschichten-Wettbewerb handelt und die Mitglieder der Jury auch als Beurteiler: innen von Kinder- und Jugendliteratur fungieren. Der Schreibanlass, die Textsorte und die Funktion des zu schreibenden Textes werden damit klar herausgestellt. Aber auch die soziale Interaktion wird durch die Kontextualisierung in Form des Geschichtenwettbewerbs und die Ausrich‐ 159 5.3 Erhebungsablauf und Stichprobe tung auf Expert: innen als Jury-Mitglieder deutlich. Die Schüler: innen treten durch ihre Erzählungen gewissermaßen in einen Austausch mit einer fachlichen Jury. Den Aspekten der Wirkung des Textes und der Vermittlung des nötigen Sprachwissens wird in Form der Schreibsituierung nicht explizit entsprochen. Dies liegt begründet in dem Ziel der empirischen Studie, den kindlichen Sprach‐ gebrauch bei der ersten Begegnung mit den narratoästhetischen Erzählimpulsen aufzuzeigen und Wirkungspotentiale der narratoästhetischen Erzählimpulse aufzudecken. Becker (2019) und Wieler (2013) weisen im Zusammenhang mit dem Erzählen zu Bildergeschichten darauf hin, dass die Aufgabenstellungen häufig zu eng gefasst sind und auf vorherig besprochene Kriterien ausgerichtet sind. Zielführend ist eine „Öffnung der Aufgabenstellung“ (Becker 2019, 369), die Freiraum für Kreativität und Ästhetik lässt. Dementsprechend lautet die Aufgabenstellung im Rahmen dieser Studie für beide Erzählimpulse und zu beiden Erhebungszeitpunkten: „Schreibe für den Wettbewerb eine Geschichte zu den Bildern.“ Aus dieser Erhebung sind insgesamt 190 Erzähltexte von 95 Kindern entstanden, welche die Grundlage der empirischen Datenanalyse zur Rekonstruktion des narrativen Sprachgebrauchs bieten. 5.4 Methodische Grundlagen zur Empirischen Datenanalyse Die empirische Datenanalyse unterteilt sich durch den methodischen Zugang in eine qualitative und eine quantitative Datenanalyse, sodass es sich um eine Methodentriangulation handelt (vgl. Bortz/ Döring 2016, 72). Im Fokus steht dabei die übergeordnete Fragestellung, welche Wirkungspotentiale aus der Ge‐ staltung narratoästhetischer Erzählimpulse für den narrativen Sprachgebrauch hervorgehen. Im ersten Teil werden in einer qualitativen Erzähltextanalyse ausgewählte Erzähltextpaare eines Kindes gegenübergestellt und anhand der Realisierung narrativer Gebrauchsmuster verglichen. Es wird bei der qualitativen Analyse angestrebt, mögliche Unterschiede im narrativen Sprachgebrauch eines Kindes ausgehend von den verschieden gestalteten Erzählimpulsen aufzuzeigen. Be‐ rücksichtigt werden bei der Auswahl der Erzähltextpaare die vorschulischen Literacy-Erfahrungen. Die vorschulischen Literacy-Erfahrungen sind im Rahmen des Projekts ESPS in einer Schuleingangsbeobachtung durch die modifizierte Methode des „Leeren Blatts“ nach Hüttis-Graff (2014) erhoben worden. Topalović/ Drepper (2019) konnten durch die Analyse der kindlichen Schreibungen in der ersten Woche nach Schulbeginn eine heterogene Ausprä‐ gung der vorschulischen Literacy-Erfahrungen belegen. Durch die kategoriale 160 5 Forschungsdesign Unterscheidung zwischen einem buchstabenweisen Schreiben, einem logogra‐ phischen Schreiben und einem alphabetischen Schreiben können die hetero‐ genen vorschulischen Literacy-Erfahrungen erfasst werden (vgl. ebd. 330): Abb. 35: Vorschulische Literacy-Erfahrungen nach Topalović/ Drepper (2019) Die Ergebnisse verdeutlichen, dass fast ein Fünftel der Kinder mit Schuleintritt einzelne Buchstaben, Zahlen und Zeichen schreiben kann (18,95 %). Der Großteil der Kinder kann mit Schuleintritt logographisch schreiben (73,68 %). Einige wenige (6,31 %) sind in der Lage, lautgetreu zu schreiben und haben somit mit Schuleintritt eine erste Einsicht in Laut-Buchstaben-Beziehungen (alpha‐ betisches Schreiben). Die drei Klassifizierungen dienen als Anhaltspunkt zur Berücksichtigung der vorschulischen Literacy-Erfahrungen der Kinder bei der Auswahl der Erzähltexte für die qualitative Analyse. Ausgehend von den qualitativen Ergebnissen der ausgewählten Erzähltexte werden die Unterschiede in der Erzähltextgestaltung zwischen den beiden Erzählimpulsen für alle Kinder in einer quantitativen Korpusanalyse des narra‐ tiven Sprachgebrauchs herausgestellt. Zur Berücksichtigung der Erhebungsrei‐ henfolgen wird bei den beiden Erzähltextkorpora (fiktiv und imaginär) auch dazwischen differenziert, für welche Kinder zum ersten Erhebungszeitpunkt der fiktive Erzählimpuls Ausgangspunkt für die Sprachhandlungen war bzw. welchen als Erstes der imaginäre Erzählimpuls als Erzählanlass geboten wurde. Ziel der sprachlich-narrativen Korpusanalyse ist es zunächst, anhand einer deskriptiven Häufigkeitsanalyse Unterschiede in Bezug auf den Rückgriff narrativer Gebrauchsmuster zwischen den zwei Erzähltextkorpora zu den 161 5.4 Methodische Grundlagen zur Empirischen Datenanalyse 27 Auch die Unterscheidung nach Erhebungszeitpunkt, die sich aufgrund des Überkreuz‐ designs ergibt, liegt mit n=51 und n=44 über dem geforderten Wert von Bortz/ Schuster (2010). Allerdings können keine quantitativen Analysen in den Gruppierungen der vorschulischen Literacy-Erfahrungen vollzogen werden. Die Stichprobengröße mit Kindern, deren Schreibungen auf ein alphabetisches Schreiben schließen lassen, be‐ trägt n=6 und für die Kinder, die mit Schuleintritt einzelne Buchstaben und Zeichen schreiben, liegt die Stichprobengröße bei n=18. verschiedenen Erzählimpulsen aufzuzeigen. Abschließend werden durch statis‐ tische Mittelwertanalysen die Ausprägungen narrativer Gebrauchsmuster bei der Erzähltextgestaltung in Bezug auf die narratoästhetischen Erzählimpulse verglichen. Als statistische Testvarianten zur Mittelwertanalyse können zwei Verfahren herangezogen werden: der t-Test bei abhängigen Stichproben und der Wilcoxon-Test (vgl. Bortz/ Schuster 2010). Voraussetzung für den t-Test sind metrisch skalierte Analysekategorien und die Normalverteilung der Stichprobe. Bortz/ Schuster (2010) nehmen zur einfa‐ cheren Handhabung bei einer Stichprobengröße von n>30 eine ausreichende Normalverteilung an (vgl. Bortz/ Schuster 2010, 126). 27 Durch das Skalenni‐ veau wird die Ausprägung der grundlegenden Analysekategorien bestimmt. Es können drei Skalenniveaus unterschieden werden: Nominalskalenniveau, Ordinalskalenniveau und metrisches Skalenniveau (vgl. Bortz/ Schuster 2010, 13 f.). Bei der Auswahl einer der beiden Testverfahren wird das Skalenniveau der Analysekategorien berücksichtigt: Der t-Test bei abhängigen Stichproben wird für metrisch skalierte Analysekategorien genutzt und der Wilcoxon-Test kann bei ordinal- und nominalskalierten Analysekategorien herangezogen werden. Bei der Ergebnisinterpretation der Mittelwertanalysen muss berücksichtigt werden, ob diese von einer ungerichteten oder gerichteten Hypothese ausgehen (vgl. Bortz/ Schuster 2010, 98). Damit wird unterschieden, ob lediglich ein Unterschied angenommen wird (ungerichtet), oder ob dieser Unterschied bereits in eine gewisse Richtung erwartet wird (gerichtet). Bei dem Mittelwertvergleich der Erzähltexte zu verschiedenen Erzählimpulsen wird bereits angenommen, dass die Verwendung narrativer Gebrauchsmuster bei dem fiktiven Erzählim‐ puls höher ist, sodass von einer gerichteten Hypothese ausgegangen werden kann. Die gerichtete Hypothese für die Mittelwertanalyse lautet: Der narrative Sprachgebrauch in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls ist stärker aus‐ geprägt als in den Erzähltexten zum imaginären Erzählimpuls. Eine gerichtete Hypothese erfordert für die Signifikanzentscheidung lediglich einen einseitigen p-Wert (vgl. Bortz/ Schuster 2010, 98). Grundsätzlich wird angenommen, dass ein Ergebnis ab einem Wert von p<0,05 als signifikant eingestuft werden kann. Bei 162 5 Forschungsdesign einem Wert von p<0,01 kann das Ergebnis sogar als sehr signifikant angesehen werden (vgl. Bortz/ Schuster 2010, 585). Ausgehend von signifikanten Ergebnissen der Mittelwertanalyse können Effektgrößen berechnet werden. Für den t-Test kann das Cohen’s d (d) als Effektgröße durch den Quotienten aus dem Betrag des t-Werts und der Wurzel des Freiheitsgrads (df) bestimmt werden: 110 QUANTITATIVE MITTELWERTANALYSE TESTVERFAHREN DER MITTELWERTANALYSE t-Test bei abhängigen Stichproben Wilcoxon-Tests GEBRAUCHSMUSTER • Adverbien und Adverbialphrase • Junktionengebrauch • Tempusgebrauch • Etablierung einer Protagonistenperspektive • poetisch-evozierende Gebrauchsmuster • Etablierung einer Erzählerperspektive • narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster d = |$| √&' r = . * √) . d=0,20 kleiner Effekt d=0,40 mittlerer Effekt d=0,60 starker Effekt r=0,10 kleiner Effekt r=0,25 mittlerer Effekt r=0,40 starker Effekt : Übersicht quantitative Mittelwertanalyse Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes In diesem Kapitel werden drei Erzähltextpaare anhand der Analysekategorien auf Mikroebene qualitativ analysiert und entsprechend den verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen verglichen. Die Erzähltextpaare (sechs Erzähltexte) sind von drei Kindern mit verschieden stark ausgeprägten vorschulischen Literacy-Erfahrungen ausgewählt worden: Zunächst werden die Erzählungen von einem Kind angeführt, dessen Schrifterfahrungen bei Eintritt in die Schule einem buchstabenweisen Schreiben entsprechen und somit auf geringere Literacy-Erfahrungen verweisen (Kind 70). Anschließend folgen die Erzählungen eines Kindes, das in der ersten Schulwoche logographisch schreiben konnte und ein stärker ausgeprägtes Literacy-Konzept aufweist (Kind 43). Das letzte Erzähltextpaar ist von einem Kind, dessen Nach Hattie (2013) kann für empirische Studien zu Lernprozessen bei einem Wert der Effektgröße d ab d = 0,2 von einem kleinen Effekt, bei einem Wert ab d = 0,4 von einem mittleren Effekt und bei einem Wert ab d = 0,6 von einem großen Effekt gesprochen werden (vgl. ebd. 11). Für den Wilcoxon-Test kann die Effektgröße (r) durch den Betrag des Quotienten aus dem z-Wert und der Wurzel der Stichprobengröße n berechnet werden: Rangfolge zwischen den Ausprägungen besteht, da vorhanden (1) besser als nicht vorhanden (0) eingestuft 0, 13). Zu den ordinalskalierten Analysekategorien zählen die folgenden zwei Analysekategorien: Etablierung der Erzählerperspektive (Mesoebene) und narrativstrukturierende Gebrauchsmuster (Makroebene). Die Ausprägung der anderen Analysekategorien kann tels einer metrischen Skala abgebildet werden, da bei diesen durch die vorkommende Anzahl an Sprachformen in den Erzähltexten mehrere gleichgewichtete Abstufungen möglich sind (z.B. 0, 1, 2, 3 …). Zu den metrisch skalierten Analysekategorien zählen die Verwendung von Adverbien und Adverbialphrasen, der Junktionengebrauch sowie der Tempusgebrauch (Mikroebene), die Etablierung evozierende Gebrauchsmuster (Metaebene). In Merkmale für die quantitative Mittelwertanalyse noch einmal Test bei abhängigen Stichproben Wilcoxon-Tests Adverbien und Adverbialphrase • Etablierung einer Erzählerperspektive • narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster r = . * √) . r=0,10 kleiner Effekt r=0,25 mittlerer Effekt r=0,40 starker Effekt narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des In diesem Kapitel werden drei Erzähltextpaare anhand der Analysekategorien auf Mikroebene qualitativ analysiert und entsprechend den verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen verglichen. Die Erzähltextpaare (sechs Erzähltexte) sind von drei Kindern mit verschieden stark ausgeprägten Erfahrungen ausgewählt worden: Zunächst werden die Erzählungen von einem Kind angeführt, dessen Schrifterfahrungen bei Eintritt in die Schule einem buchstabenweisen Schreiben Erfahrungen verweisen (Kind 70). Anschließend folgen die Erzählungen eines Kindes, das in der ersten Schulwoche logographisch schreiben konnte und ein stärker Konzept aufweist (Kind 43). Das letzte Erzähltextpaar ist von einem Kind, dessen Nach Cohen (1992) kann bei einem Wert für die Effektgröße r ab r = 0,10 von einem kleinen Effekt, bei einem Wert ab r = 0,25 von einem mittleren Effekt und bei einem Wert ab r = 0,4 von einem starken Effekt gesprochen werden (vgl. ebd. 99). Methodisch kann der quantitative Teil der empirischen Analyse von Sprach‐ daten nach Bortz/ Döring (2016) als quantitative Dokumentenanalyse betrachtet werden, wobei die empirischen Daten nicht vorgefunden, sondern speziell vor dem Hintergrund der Fragestellung erhoben wurden: „Um aus dem qualitativen Ausgangsmaterial Messwerte zu gewinnen, werden die Do‐ kumente im ersten Schritt einer quantitativen Inhaltsanalyse unterzogen und mithilfe eines vollstandardisierten Kategoriensystems kodiert. Im zweiten Schritt werden die mit der quantitativen Inhaltsanalyse gewonnenen Messwerte dann mit den üblichen deskriptiv- und inferenzstatistischen Methoden der Datenanalyse ausgewertet.“ (ebd. 553) In Anlehnung an die Beschreibung von Bortz/ Döring (2016) zur quantitativen Inhaltsanalyse der Sprachdaten ist für eine sprachlich-narrative Korpusanalyse ein Kodiersystem von Bedeutung. In Bezug auf eine Analyse linguistischer Merkmale (wie z. B. der Tempusgebrauch) kann ein Annotationsleitfaden 163 5.4 Methodische Grundlagen zur Empirischen Datenanalyse herangezogen werden. Die narrativen Gebrauchsmuster, die strukturelle und inhaltliche Merkmale in den Erzähltexten beschreiben, können mittels eines Kodierleitfadens bestimmt werden. Zusammengefasst werden beide Leitfäden in einem Kodiersystem. Der Umgang mit dem Kodiersystem kann nach Bortz/ Döring (2016, 555 f.) von einem Entwurf bis zur Datenerhebung in sechs Schritten modelliert werden: 1. „Deduktiver Entwurf des Kategoriensystems sowie des Codesbuches“ 2. „Induktive Überarbeitung des Kategoriensystems sowie des Codesbuches“ 3. „Pretest und Revision des Kategoriensystems sowie des Codesbuches“ 4. „Kodierschulung“ 5. „Reliabilitätsanalyse und Finalisierung des Kategoriensystems sowie des Codebuches“ 6. „Datenerhebung durch Kodierung der gesamten Stichprobe“ Somit wird zur Analyse der kindlichen Erzählfähigkeit mittels einer sprach‐ lich-narrativen Korpusanalyse das Kategoriensystem ausgehend von der erzähl‐ theoretischen Herleitung der narrativen Gebrauchsmuster zunächst deduktiv hergeleitet und anschließend induktiv gegebenenfalls überarbeitet. Bortz/ Dö‐ ring (2016) sprechen bei dem Kategoriensystem zur Dokumentenanalyse von einem „inhaltsanalytische[n] Kategoriensystem“ (ebd. 553), welches „intersub‐ jektiv nachvollziehbar ist“ (ebd.). Dies wird durch einen Kodierleitfaden, in dem für jede Kategorie eine eindeutige Kodieranweisung hinterlegt ist, sichergestellt. Eine Struktur für das Kategoriensystem bieten die Ebenen des Narrativen in Erzähltexten. 5.5 Kategoriensystem zur Analyse der Ebenen des Narrativen in Erzähltexten In Anlehnung an Zeman (2020) und Barthes (1988) sind drei verschiedene Ebenen des Narrativen in Erzähltexten unterschieden worden: eine Mikroebene, eine Mesoebene und eine Makroebene. Diese sind hierarchisch ineinander integriert und zeichnen sich durch verschiedene narrative Gebrauchsmuster aus. Die anschließende Tabelle gibt eine Übersicht über die grundlegenden Theorien und Studien zu den narrativen Gebrauchsmustern der Mikro-, Meso- und Makroebene: 164 5 Forschungsdesign E B E N E D E S N A R R ATIV E N N A R R ATIV E G E B R AU C H S M U S T E R T H E O R E TI S C H E F U N DI E R U N G M IK R O E B E N E Adverbien und Adverbial‐ phrasen als kohäsive Mittel Uhl (2015), Augst et al. (2007), Becker (2001) Junktionen als kohäsive Mittel Binanzer/ Langlotz (2019), Langlotz (2014) präteritaler Tempusgebrauch Zeman (2020), Bredel (2019), Uhl (2015), Topalović/ Uhl (2014a), Bredel/ Lohnstein (2003), Becker (2001) M E S O E B E N E Etablierung einer Erzählerperspektive Uhl (2015), Augst et al. (2007), Becker (2001) Etablierung einer Protagonistenperspektive Bredel (2019), Uhl (2017, 2015), Pohl (2003) M AK R O E B E N E narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster Bredel (2019), Becker/ Stude (2017), Uhl (2015), Becker (2001), Augst et al. (2007) poetisch-evozierende Gebrauchsmuster Schüler (2019), Uhl (2015), Augst (2010), Boueke et al. (1995) Tab. 12: Übersicht der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikro-, Meso- und Makroebene Ausgehend von der tabellarischen Übersicht können die Kategorien zur Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf den verschiedenen Ebenen des Narrativen abgeleitet werden und zu einem Kodiersystem zusammengefasst werden. 5.5.1 Analysekategorien auf Mikroebene des Erzähltextes In Kapitel 3.2.1 sind der Gebrauch von Adverbien und Adverbialphrasen sowie Junktionen als kohäsive Mittel zur Erzähltextgestaltung herausgestellt worden. Ausschlaggebend für die Analyse der Adverbien und Adverbialphrasen ist es, dass diese funktional als kohäsionsstiftende Satzverknüpfer eingesetzt werden. Demnach werden Adverbien, die entsprechend dem Duden (2016) einem Verb zugeordnet werden können, nicht als kohäsive Satzverknüpfer interpretiert (z. B. hinterherlaufen, wiederbekommen). Bei der Analyse der Adverbien und Adverbialphrasen als kohäsive Mittel ist außerdem die Differenzierung zwi‐ schen Types und Token entscheidend, um so die Variation der kohäsiven Mittel zu bestimmen, da diese nach Schmidlin (1999), wie Uhl (2015) aufgreift, ein entscheidendes Merkmal narrativer Texte ist: 165 5.5 Kategoriensystem zur Analyse der Ebenen des Narrativen in Erzähltexten „Mit Schmidlin (1999: 187 f.) kann angenommen werden, dass die Verwendung expli‐ ziter Satzkonnektoren eine wichtige Rolle im schriftlichen Erzählen spielt. Die Studie von Schmidlin zeigt, dass Satzkonnektoren ab einem gewissen Alter - im Vergleich zu mündlichen Erzählungen - in schriftlichen Erzählungen vermehrt variiert werden.“ (Uhl 2015, 125) In Anlehnung an die Sprachprofilanalyse von Grießhaber (2005) und die Mei‐ lensteine nach Thoma/ Tracy (2006) kann außerdem die syntaktische Verwen‐ dung der Adverbien und Adverbialphrasen differenziert werden (vgl. Kapitel 3.2.2). Diese wird bei der Analyse der Erzähltexte ebenfalls berücksichtigt und kann anhand der Satzposition klassifiziert werden: Adverbien sowie Adverbi‐ alphrasen als kohäsive Mittel innerhalb einer linearen Satzfolge befinden sich im Satzmittelfeld, sodass es sich um Sätze mit Verbzweitstellung handelt. Bei der syntaktischen Verwendung von Adverbien sowie Adverbialphrasen als Inversion befinden sich diese im Vorfeld des Satzes, sodass das finite Verb vor dem Subjekt steht. Bei Nebensatzkonstruktionen fungieren die kohäsiven Mittel als Konjunktionen, sodass es zur finiten Verbendstellung kommt. Zusammenfassend ergibt sich für die Analysekategorien der Adverbien und Adverbialphrasen als kohäsive Mittel sowie der Variation der Adverbien und Adverbialphrasen als kohäsive Mittel folgende Übersicht: E X E M P LA RI S C H E F O R M S Y N TAKTI S C H E V E R W E N D U N G A D V E R BI E N als kohäsive Mittel da, dort, morgens, deshalb, worin lineare Satzabfolge Inversion Nebensatzkonstruktion A D V E R BIAL P HR A S E N als kohäsive Mittel auf einmal, eines schönen Morgens lineare Satzabfolge Inversion Nebensatzkonstruktion V ARIATI O N D E R A D V E R BI E N U N D A D V E R BIAL P HR A S E N als kohäsive Mittel da, dort, deshalb, auf einmal, eines schönen Morgens lineare Satzabfolge, Inver‐ sion oder Nebensatzkon‐ struktion Tab. 13: Adverbien und Adverbialphrasen auf Mikroebene des Erzähltextes Für den Gebrauch von Junktionen als kohäsive Mittel wurde theoretisch her‐ geleitet, welche verschiedenen semantischen Relationen und syntaktischen Funktionen eine Junktion im Text einnehmen kann (vgl. Kapitel 3.2.1). Grund‐ 166 5 Forschungsdesign sätzlich können verschiedene Definitionen herangezogen werden, wann von einer Verknüpfung zweier Satzpropositionen durch eine Junktion gesprochen wird (vgl. Langlotz 2014, 27). In dieser Arbeit wird die engste Definition herangezogen. Demnach ist das Vorhandensein eines finiten Verbes in beiden Satzpropositionen entscheidend, um von einer Verknüpfung zweier Satzpropo‐ sitionen mittels einer Junktion zu sprechen (ebd. 27). Die syntaktische Verwendung einer Junktion wird anhand der Satzposition differenziert. Für die syntaktische Bestimmung einer Junktion führt Dürscheid (2012) folgende Bedingung an: „Ein syntaktisches Indiz dafür, dass alle diese Konstituenten außerhalb der Satzstruktur stehen, ist, dass diese Vor-Vorfeld-Ele‐ mente weggelassen werden können, ohne dass der Satz ungrammatisch würde.“ (Dürscheid 2012, 97) Diese Bedingung ist in Verbindung mit der Konjunktion und von Bedeutung. In dem folgenden Beispielsatz kann die Junktion und nach Dürscheid (2012) nicht dem Vor-Vorfeld zugeordnet werden, da der Satz beim Weglassen der Junktion ungrammatisch werden würde: Die Ratten rannten und rannten. Dementsprechend wird diese Verwendung einer Junktion bei der Erzähltextanalyse nicht berücksichtigt. Des Weiteren können mit Berücksichti‐ gung der Anführungen von Uhl (2019) Partikel-/ Adverb-Junktionen innerhalb des Satzes verschoben werden und somit auch innerhalb des Mittelfeldes stehen (Die Ratten sehen die Hunde. Sie rennen trotzdem los) (vgl. ebd. 362). Eine Besonderheit stellen außerdem die Kombinationen von Konjunktionen und Partikel-/ Adverb-Junktionen dar, sodass sowohl das Vor-Vorfeld und das Vorfeld besetzt sind: Die Ratten lauern im Wald. Und da rennen sie los. Mit der Definition von Partikel-/ Adverb-Junktionen kann außerdem der Uneinheitlichkeit der Bestimmung von Adverbien und Junktionen für die Satzkonnektoren dann und da entgegengewirkt werden. Dem Duden (2016) entsprechend werden beide Satzkonnektoren als Temporaladverbien definiert, obwohl sie in empi‐ rischen Studien als Junktionen ausgewertet werden (vgl. Binanzer/ Langlotz 2019, Langlotz 2014). Um eine Vergleichbarkeit zu anderen empirischen Studien mit dem Fokus auf den Junktionengebrauch in kindlichen Erzählungen zu schaffen, werden die Satzkonnektoren dann und da im Rahmen dieser Studie ebenfalls als Junktionen ausgewertet. Bei dem Satzkonnektor da kann eine weitere Besonderheit ausgemacht werden, da dieser sowohl lokal, temporal als auch kausal genutzt werden kann (vgl. Binanzer/ Langlotz 2019, Langlotz 2014). Wird da lokal verwendet, handelt es sich um ein Adverb (z. B. Das Buch liegt da). Zum Ausdruck einer temporalen oder kausalen Relation zwischen zwei Satzpropositionen wird da als Junktion verwendet (z. B. Sie sahen das Buch, da nahmen sie es mit (temporal); Da sie das Buch sahen, nahmen sie es mit (kausal)). Binanzer/ Langlotz (2019) sprechen von einer „semantischen Vagheit“ 167 5.5 Kategoriensystem zur Analyse der Ebenen des Narrativen in Erzähltexten (ebd. 136), sodass die semantische Relation in diesen Fällen im Kontext des Satzes erschlossen werden muss. Das Erschließen der semantischen Relation spielt auch bei der Kombination von einer Konjunktion mit Partikel-/ Adverb-Junktion eine Rolle (z. B. Und dann kommen die Kinder angerannt). Die beispielhafte Kom‐ bination einer kopulativen Junktion und mit der Adverb-Junktion dann drücken zusammen eine temporale Relation aus und werden dementsprechend zusam‐ mengefasst als Konjunktion mit Partikel-/ Adverb-Junktion zum Ausdruck einer temporalen Relation gewertet. Anhand der Verbindung der semantischen Relation und der syntaktischen Verwendung ergeben sich die Analysekategorien für den Gebrauch von Junk‐ tionen als kohäsive Mittel auf Mikroebene des Erzähltextes. Dabei muss be‐ rücksichtig werden, dass kopulative Junktionen nicht als Subjunktionen und temporale Junktionen nicht als Konjunktionen verwendet werden können (vgl. Duden 2016): S E MAN TI S CH E R E LATI O N E X E M P LA RI S C H E F O R M S Y N TAKTI S CH E V E R W E N D U N G K O P U LATIV E J U NKTI O N E N als kohäsive Mittel kopulative Inhalts‐ relation (sum‐ mieren, hinzu‐ fügen) und, auch, außerdem Konjunktion Partikel-/ Adverb-Junk‐ tion Konjunktion mit Par‐ tikel-/ Adverb-Junktion A D V E R S ATIV E J U NKTI O N E N als kohäsive Mittel adversative In‐ haltsrelation (kon‐ trastieren) aber, jedoch, dem gegenüber Konjunktion Subjunktion Partikel-/ Adverb-Junk‐ tion Konjunktion mit Par‐ tikel-/ Adverb-Junktion T E M P O R AL E J U NKTI O N E N als kohäsive Mittel temporale Inhalts‐ relation (Zeitbezie‐ hungen ausdrü‐ cken) bevor, nachdem, danach Subjunktion Partikel-/ Adverb-Junk‐ tion Konjunktionen mit Par‐ tikel-/ Adverb-Junktion 168 5 Forschungsdesign K AU S AL E J U NKTI O N E N als kohäsive Mittel kausale Inhaltsrelation (begründen, Ursache/ Folge erklären) weil, daher, da, denn Konjunktion Subjunktion Partikel-/ Adverb-Junk‐ tion Konjunktion mit Par‐ tikel-/ Adverb-Junktion W E IT E R E J U NKTI O N E N als kohäsive Mittel weitere Inhaltsre‐ lationen sodass, wenn … dann, damit Konjunktion Subjunktion Partikel-/ Adverb-Junk‐ tion Konjunktionen mit Par‐ tikel-/ Adverb-Junktion Tab. 14: Junktionengebrauch auf Mikroebene des Erzähltextes Eine besondere Rolle bei der Erzählgestaltung spielen adversativ gebrauchte Junktionen, da diese zur sprachlichen Verstärkung der Komplikation eingesetzt werden können. In diesem Fall markieren sie als narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster die Textmusterphase der Komplikation: „Beginnen die Schreiberinnen und Schreiber in ihren Erzählungen also damit, die adver‐ sative Relation zu gebrauchen, bedeutet dies einen Ausbau literaler Fähigkeiten auf der semantischen Ebene der Propositionsverknüpfung.“ (Binanzer/ Langlotz 2019, 141) Diese Verwendung von adversativen Junktionen wird bei der Kategorienherlei‐ tung in Kapitel 5.5.3 berücksichtigt. Ein weiteres linguistisches Merkmal auf Mikroebene des Erzähltextes neben dem Gebrauch kohäsiver Mittel ist der Tempusgebrauch. In Kapitel 3.2.2 wurde u. a. in Anlehnung an Uhl (2015), Topalović/ Uhl (2014a) und Bredel/ Töpler (2007) theoretisch aufgezeigt, dass der präteritale Tempusgebrauch als Fiktionalitätsmarker verstanden werden kann. Der Tempusgebrauch in den Erzählungen wird in Anlehnung an Uhl (2015) über die Auszählung der finiten Verben innerhalb der Erzählerperspektive analysiert. Für den präteritalen Tempusgebrauch wird der prozentuale Anteil der finiten Verben im Präteritum und Plusquamperfekt innerhalb der Erzählerperspek‐ tive berechnet. Das Pendant bilden die präsentischen Tempora berechnet durch den prozentualen Anteil der finiten Verben im Präsens und Perfekt innerhalb der Erzählerperspektive. Es ergeben sich mit Unterscheidung von Formen und Funktion für den Tempusgebrauch folgende Analysekategorien: 169 5.5 Kategoriensystem zur Analyse der Ebenen des Narrativen in Erzähltexten F O R M F U NKTI O N P RÄ S E N TI S C H E T E M P O R A Präsens, Perfekt (- t-Markierer) Markierung eines deiktisch nahen Wahrnehmungsraums P RÄT E RITAL E T E M P O R A Präteritum, Plusquamperfekt (+ t-Markierer) Markierung eines deiktisch fernen Vorstellungsraums Tab. 15: Tempusgebrauch auf Mikroebene des Erzähltextes 5.5.2 Analysekategorien auf Mesoebene des Erzähltextes Auf der Mesoebene des Erzähltextes wird die Etablierung verschiedener Per‐ spektiven zum Ausdruck des Sprachhandelns in einer fiktiven Erzählwelt analysiert. Uhl (2017) unterscheidet dazu zwischen einer Erzähler- und Prota‐ gonistenperspektive, wobei die Protagonistenperspektive innerhalb der Erzäh‐ lerperspektive verortet ist (vgl. Kapitel 3.2.4). Die Eröffnung einer Erzählerperspektive geht einher mit der Origoverschiebung innerhalb der Strukturphase der Orientierung, womit die Verschiebung einer zeit‐ lichen, räumlichen und personellen Deixis gemeint ist (vgl. u. a. Heller 2018, Uhl 2015, Fienemann 2006). Sprachlich kann die Origoverschiebung vor allem durch die Indefinitheit ausgedrückt werden (vgl. Uhl 2015), sodass als sprachliche Realisierung für jede Deixis (Person, Raum, Zeit) zwischen einer indefiniten und definiten Einführung unterschieden werden kann. Für die räumliche und zeitliche Einführung in die Erzählwelt konnte aufgezeigt werden, dass auch ein Rückgriff auf Adverbien möglich ist (z. B. als zeitlicher Verweis: Heute war Familie Hund im Wald). In einer induktiven Erprobung der Kategorien zeigt sich, dass der Rückgriff auf Adverbien grundsätzlich sehr selten erfasst werden kann. Sowohl bei der definiten Einführung des Raums und der Zeit als auch bei der Einführung durch Adverbien wird auf eine Deixis demonstratio ad oculos verwiesen und die Verortung der Erzählung wird im Wahrnehmungsraum vollzogen. Es wird durch beide sprachlichen Realisierungen keine Erzählerperspektive etabliert, sodass diese zusammenfassend als definite Einführungen erfasst werden können. Für die personale Einführung erscheint es in Bezug auf die empirischen Ergebnisse zur Analyse von Bildererzählungen aus Becker (2001) sinnvoll, neben der indefiniten und definiten auch eine Einführung der Aktanten durch den Gebrauch von Pronomen sowie durch den Rückgriff auf die Nominalform zu analysieren. Beide Möglichkeiten lassen als personaler Verweis auf ein Sprachhandeln im Wahrnehmungsraum schließen (vgl. Kapitel 3.2.3). Die induktive Erprobung zeigt in diesem Fall, dass ein Gebrauch von Pronomen lediglich in zwei der 190 Erzähltext auszumachen ist, sodass auch diese Realisierung mit der 170 5 Forschungsdesign indefiniten Einführung zusammen erfasst werden kann. Zusammenfassend wird zur Etablierung einer Erzählerperspektive unterschieden, ob die jeweiligen Bezüge sprachlich indefinit oder definit herausgestellt werden. Zusätzlich wird für die Figureneinführung differenziert, ob als definite Einführung auf den Gebrauch der Nominalform zurückgegriffen wird. Uhl (2015) berücksichtigt bei der empirischen Analyse der Etablierung einer Er‐ zählerperspektive außerdem die Häufigkeit indefiniter Einführungen (vgl. ebd. 134). Innerhalb der beiden grundlegenden Erzählimpulse dieser Studie sind die handelnden Figuren sowie der räumliche und zeitliche Kontext durch die visuell abgebildete Narration bereits bestimmt. Eine Berücksichtigung der verschiedenen Figuren zeigt, dass bei den Einführungen mehrerer Figuren nicht zwischen einer indefiniten und definiten Einführung gewechselt wird. Die Kinder greifen unabhängig von der Anzahl an Figuren immer auf die gleichen sprachlichen Formen zurück, sodass die Berücksichtigung der Häufigkeiten nicht notwendig ist. Da es sich um Erzählungen von Kindern einer zweiten Klasse handelt und diese sich noch im schriftsprachlichen Erwerbsprozess befinden, werden grammatisch inkorrekte Einführungen (z. B. Eines Tages kam ein Prinzessin) trotzdem als indefinite Einführung gewertet. Die abschließende Tabelle fasst durch die Unterscheidung von Form und Funktion die Analysekategorien für die Etablierung einer Erzählerperspektive zusammen: E X E M P LA RI S C H E F O R M F U NKTI O N E IN FÜHR U N G D E R F I G U R E N - IN D E F INIT ein kleiner Junge, eine schöne Prinzessin Etablierung einer Erzählerper‐ spektive E IN FÜHR U N G D E R F I G U R E N - D E F INIT der große Junge, die neue Königin Verortung der Erzählung im Wahrnehmungsraum E IN FÜHR U N G D E R F I G U R E N - N O MINAL Merlin, Emma, Frau Sahel Verortung der Erzählung im Wahrnehmungsraum E IN FÜHR U N G D E S R AU M S - IN D E F INIT in einem schönen Garten, in einem großen Schloss Etablierung einer Erzählerper‐ spektive E IN FÜHR U N G D E S R AU M S - D E F INIT in dem neuen Haus, auf dem schönen Schlossplatz Verortung der Erzählung im Wahrnehmungsraum E IN FÜHR U N G D E R Z E IT - IN D E F INIT es war einmal, eines schönen Tages Etablierung einer Erzählerper‐ spektive E IN FÜHR U N G D E R Z E IT - D E F INIT der letzte Tag im Jahr an, dem nächsten Wochenende Verortung der Erzählung im Wahrnehmungsraum Tab. 16: Sprachliche Realisierung zur Etablierung einer Erzählerperspektive auf Meso‐ ebene des Erzähltextes 171 5.5 Kategoriensystem zur Analyse der Ebenen des Narrativen in Erzähltexten Weiterführend kann innerhalb der Erzählerperspektive außerdem eine Prota‐ gonistenperspektive eröffnet werden (vgl. Kapitel 3.2.4). Diese zeichnet sich im Erzähltext durch den Gebrauch der Figuren- und Gedankenrede aus. Zur Figurenrede können die sprachlichen Formen der wörtlichen Rede, der erlebten Rede und der indirekten Rede gezählt werden (vgl. Bredel 2019, Pohl 2003). Angestrebt wird bei einem funktionalen Gebrauch der Figuren- und auch Gedankenrede die Verstärkung einer inneren Figurenwelt. Uhl (2015) kann in den kindlichen Erzählungen gerade bei einer geringen narrativen Vertextung aufzeigen, dass die wörtliche Rede auch zur Ereignisprogression verwendet wird, und spricht von „pseudo-dialogischen“ (ebd. 222) Erzählungen. Ein sprach‐ liches Merkmal der pseudo-dialogischen Erzählungen ist nach Uhl (2015) die fehlende Einführung der Figurenrede durch Verba Dicendi: „Die Ereignisprogression der Erzählungen wird in pseudo-dialogischen Erzählungen nicht mehr über die Erzählerperspektive, sondern über die Protagonistenperspektive gestaltet. Besonders deutlich erkennbar wird der pseudo-dialogische Charakter bei Erzählung 32 dadurch, dass temporär keine Verba Dicendi verwendet werden, um die Protagonistenperspektive anzumoderieren.“ (ebd. 222) Im Rahmen dieser Studie wird bei der Analyse zur Etablierung einer Prota‐ gonistenperspektive somit zwischen der Form einer Figurenrede und einer pseudo-dialogischen Rede unterschieden. Als Kriterium für die Zuordnung der Redebeiträge zu einer der beiden Formen wird der Gebrauch von Verba Dicendi herangezogen. Wird ein Redebeitrag durch ein Verbum Dicendi eingeführt, wird er als Figurenbzw. Gedankenrede ausgewertet und ist somit funktional zur Etablierung einer Protagonistenperspektive gebraucht. Die Redebeiträge, die ohne den Gebrauch eines Verbum Dicendi angeführt werden, werden als pseudo-dialogisch ausgewertet und demnach als Mittel zur Ereignisprogression interpretiert. Für beide Kategorien wird die Anzahl an Redebeiträgen innerhalb einer Erzählung ausgewertet. Als Redebeitrag wird ein zusammenhängender Textausschnitt gewertet, der auf die Gedanken bzw. Rede einer Figur zurückge‐ führt werden kann. Anschließend folgt ein Redebeitrag einer anderen Figur oder ein Ereignis auf Ebene der Erzählerperspektive. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Auswertungskategorien zur Etablierung einer Protagonis‐ tenperspektive in Unterscheidung von Form und Funktion: 172 5 Forschungsdesign E X E M P LA RI S C H E F O R M F U NKTI O N F I G U R E N R E D E Das Mädchen rief: „Schnell, wir müssen weg.“ Zur Etablierung einer Protago‐ nistenperspektive P S E U D O - DIAL O G I S C H E R E D E „Wir laufen los“, „Hey, was wollt ihr? “ Zur Ereignisprogression inner‐ halb der Erzählerperspektive Tab. 17: Sprachliche Realisierung zur Etablierung einer Protagonistenperspektive auf Mesoebene des Erzähltextes 5.5.3 Analysekategorien auf Makroebene des Erzähltextes Für die Analysekategorien auf Makroebene des Erzähltextes kann der Ge‐ brauch narrativ-strukturierender Gebrauchsmuster und poetisch-evozierender Gebrauchsmuster herausgestellt werden. Narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster heben das narrative Textmuster mit Orientierung, Komplikation und Auflösung hervor. Dazu konnten in Kapitel 3.2.5 einleitende Gebrauchsmuster zur Markierung der Orientierung, verket‐ tende Gebrauchsmuster oder kontrastierende Gebrauchsmuster zum Ausdruck der Komplikation und auflösende Gebrauchsmuster zur Hervorhebung der Auflösung herausgestellt werden. Als einleitende Gebrauchsmuster werden feste Formen ausgewertet, die mit Rückgriff auf verschiedene Studien (vgl. Augst et al. 2007, Weinhold 2000) als prototypisch für die Textsorte der Erzählung angesehen werden können (z. B. es war einmal, eines schönen Tages). Die Textmusterphase der Komplikation kann zum einen durch den Gebrauch verkettender Gebrauchsmuster eingeleitet werden und so eine lineare Ereignisprogression ausdrücken. Verkettende Gebrauchsmuster können formal durch temporale Junktionen (dann), kopulative Junktionen (und) oder Kombinationen aus temporalen und kopulativen Junktionen (und dann) markiert werden. Entscheidend für eine lineare Verkettung ist, dass vorangegangene und an‐ schließende Ereignisse ebenfalls durch den Gebrauch der gleichen Junktionen verknüpft werden, um die nach Augst et al. (2007) bzw. Baurmann/ Pohl (2011) prototypische lineare Ereignisabfolge zu erzeugen (und dann …, und dann …, und dann …). Zum anderen kann die Komplikation durch kontrastierende Gebrauchs‐ muster hervorgehoben werden und so eine hierarchische Ereignisprogression markieren. Prototypisch für eine hierarchische Hervorhebung der Komplika‐ tion sind einerseits komplexe, spannungsgeladene Phrase, wie z. B. doch dann geschah es, auf einmal oder doch eines schlimmen Tages. Andererseits können 173 5.5 Kategoriensystem zur Analyse der Ebenen des Narrativen in Erzähltexten kontrastierende Gebrauchsmuster gerade in frühkindlichen Erzählungen be‐ reits in Verbindung mit dem Gebrauch von adversativen Junktionen (z. B. aber, doch) oder kombinierten Junktionen (z. B. aber dann) realisiert werde (vgl. Binanzer/ Langlotz 2019) Allerdings können nicht nur adversative Junktionen, sondern auch adversativ gebrauchte Adverbien bzw. Adverbialphrasen (wie z. B. plötzlich oder auf einmal) funktional zur Verstärkung einer hierarchischen Struktur eingesetzt werden. Eine weitere Besonderheit stellt eine gezielt ver‐ wendete temporale Junktion (z. B. und dann) zur Hervorhebung eines Ereig‐ nisses dar, die lediglich zu Beginn der Textmusterphase der Komplikation ausge‐ macht werden kann. Im Gegensatz zu den verkettenden Gebrauchsmustern wird die temporale Junktion in diesem Zusammenhang einmalig und nicht innerhalb der gesamten Ereignisprogression genutzt. Zusammenfassend werden demnach prototypische Phrasen, adversativ gebrauchte Junktionen, Adverbien sowie temporale Junktionen zur Hervorhebung der hierarchischen Ereignisprogres‐ sion innerhalb der Komplikation als kontrastierende Gebrauchsmuster analy‐ siert. Bei der Kodierung kontrastierender Gebrauchsmuster ist Voraussetzung, dass die vorangegangenen und anschließenden Ereignisse nicht ebenfalls durch den Gebrauch dieser Sprachformen verknüpft werden. Begründet liegt diese Bedingung darin, dass bei einem aufeinanderfolgenden Gebrauch temporaler Junktionen (und dann …, und dann …, und dann …) bzw. Adverbien (da …, da …, da …) eine verkettende Ereignisprogression erzeugt wird. Mit dieser Begründung können außerdem wiederholende Adverbien (z. B. da), die anhand empirischer Studien häufig zur kontrastierenden Hervorhebung angeführt werden (vgl. u. a. Binanzer/ Langlotz 2019), auch als verkettende Gebrauchs‐ muster kodiert werden. Zuletzt kann innerhalb einer Erzählung die narrative Strukturphase der Auf‐ lösung sprachlich markiert werden. Dazu wurden auflösende Gebrauchsmuster theoretisch hergeleitet, welche sich formal durch verschiedene Junktionen und Adverbien wie trotzdem, endlich, schließlich oder phrasenhafte Ausdrücke doch am Ende, und zum Schluss auszeichnen. Auch zur Einleitung der Auflösung können vergleichbar mit der Textmusterphase der Komplikation Kombina‐ tionen mit adversativen oder temporalen Junktionen funktional als auflösende Gebrauchsmuster (z. B. und dann, aber dann) verwendet werden. Für die Aus‐ wertung der linguistischen Sprachformen als auflösende Gebrauchsmuster wird ebenfalls die einmalige Einbettung dieser in die Ereignisprogression berücksich‐ tigt. Eine Hervorhebung der Auflösung kann nur dann erschlossen werden, wenn das vorangegangene und anschließende Ereignis nicht durch die gleiche linguistische Sprachform verknüpft wird. 174 5 Forschungsdesign Zusammenfassend ergeben sich zur Erzähltextanalyse auf Metaebene vier Analysekategorien, die als narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster das Text‐ muster hervorheben: E X E M P LA RI S C H E F O R M F U NKTI O N E IN L E IT E N D E G E B R AU C H S ‐ M U S T E R phrasenhafte Formen zum Aus‐ druck des Anfangs der Erzäh‐ lung: es war einmal, eines schönen Tages, an einem wunderbaren Morgen Hervorhebung des Anfangs der Erzählung, die in einer fiktiven Erzählwelt verortet ist. V E R K E TT E N D E G E B R AU CH S ‐ M U S T E R (kombinierte) temporale und ko‐ pulative Relationen (in mehrfach aufeinanderfolgender Reihung): dann, darauf, und, und dann, und danach Darstellung der Ereignisse innerhalb der Komplikation als lineare Verkettung. K O N T R A S TI E R E N D E G E B R AU C H S ‐ M U S T E R phrasenhafte Formen zum Aus‐ druck der Kontrastierung wäh‐ rend der Erzählung: doch dann geschah es, doch eines schlimmen Tages (kombinierte) Sprachformen zum Ausdruck adversativer und temporaler Relationen, die al‐ leinstehend sind (ohne mehr‐ fach aufeinanderfolgende Ein‐ bettung): plötzlich, aber, jedoch, aber dann, und dann Hierarchische Hervorhe‐ bung eines Ereignisses in‐ nerhalb der Komplikation. A U F LÖ S E N D E G E B R AU C H S ‐ M U S T E R phrasenhafte Formen zum Aus‐ druck der Auflösung: doch am Ende, und zum Schluss (kombinierte) Sprachformen zum Ausdruck adversativer, tem‐ poraler oder weiterer Relationen (ohne mehrfach aufeinanderfol‐ gende Einbettung): am Ende, schließlich, dann, trotzdem, aber schließlich, doch noch, und nun Auflösung der Ereignisse aus der Komplikation. Tab. 18: Narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes Als weitere Kategorie auf Makroebene des Erzähltextes können poetisch-evo‐ zierende Gebrauchsmuster analysiert werden. Der Einsatz poetisch-evozier‐ 175 5.5 Kategoriensystem zur Analyse der Ebenen des Narrativen in Erzähltexten ender Gebrauchsmuster drückt zum einen die evaluierende Einstellung und die vorgestellten Erfahrungen der Erzählenden aus und erzeugt zum anderen einen ästhetischen Genuss für die Leser: innen. Es wird mit der Analyse poe‐ tisch-evozierender Gebrauchsmuster somit die Interaktion von Lesenden und Erzählenden fokussiert. Dazu konnten in Kapitel 3.2.5 verschiedene sprachliche Realisierungen her‐ ausgestellt werden, worunter evaluierende Mittel nach Boueke et al. (1995) (z. B. expressive Verben, evaluierende Adjektive, inhaltliche Ausschmückungen), stilistische Mittel nach Augst (2010) (z. B. Vergleiche, rhetorische Fragen) als auch literarische Sprachformen zum Ausdruck vorgestellter Erfahrungen nach Schüler (2020, 2019) (z. B. linguistische Figuren) gefasst werden können. Dazu führt Schüler (2020) z. B. als phonologische Figuren Lautmalereien (wie Knallbum), Wortspiele (z. B. Räuber Kotzenplotz), Reime, Dialekte und Allitera‐ tionen an (ebd. 129). Damit überschneiden sich Sprachgebrauchsmuster, die linguistisch unterschiedlich komplex sind: Alliterationen und Wortspiele, denen morphologische bzw. morphosyntaktische Strukturen zugrunde liegen, Reime, die auf die gesamte Satzstruktur zurückzuführen sind, und Lautmalereien, die aus dem Lautstrom resultieren. Um dieser Komplexität bei der Analyse des poetisch-evozierenden Sprachgebrauchs gerecht zu werden, ist eine Unterschei‐ dung des Sprachgebrauchs durch grammatische Kategorien sinnvoll, worauf auch Bubenhofer (2009) hinweist: „Und primär wurde entschieden, Sprachgebrauchsmuster als rekurrente Kombination von Wörtern zu definieren. Das ist zwar naheliegend, wenn die sprachliche Oberfläche als Ausgangspunkt für die Analysen dienen soll, aber auch die Textoberfläche böte mit Phonemen, Morphemen, typografischen Phänomenen, Kategorien der Textgliederung etc. alternative Elemente, die genutzt werden könnten.“ (ebd. 311) Für eine Kategorisierung der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster wird somit auf die Phonologie, die Morphologie, die Morphosyntax, die Syntax und die Pragmatik zurückgegriffen. Als weitere linguistische Subkategorie kann die Semantik genannt werden. Diese bezieht sich auf die Bedeutung von sprachlichen Zeichen (vgl. u. a. Auer 2013). Da mit Sprachgebrauchsmustern grundsätzlich die Bedeutungsebene der Sprache angesprochen ist, kann die Semantik bei der Kategorisierung der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster als querliegend zu den einzelnen linguistischen Subkategorien gedacht werden. Die Phonologie beschreibt die Kombination von Lauten und Lautsequenzen und deren Sprachfunktionen. Damit thematisiert die Phonologie den mündli‐ chen Sprachgebrauch und das Überführen mündlicher bzw. lautlicher Einheiten in schriftliche bzw. graphematische Einheiten (vgl. z. B. ausführlich Auer 2013). 176 5 Forschungsdesign Als Kriterium zur Beschreibung poetisch-evozierender Gebrauchsmuster der Phonologie zeichnet sich vor allem eine Nähe zum mündlichen Sprachgebrauch aus. Somit werden als poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Phonologie die schriftlichen Sprachformen gefasst, die auf den Lautstrom zurückzuführen sind und einen mündlichen Sprachgebrauch imitieren, z. B. Lautmalereien wie iih, mhh oder Interjektionen wie äh. Im Fokus der Morphologie steht das Wort. Poetisch-evozierende Gebrauchs‐ muster der Morphologie entsprechen somit Sprachformen auf Wortebene. Hierunter können nach Boueke et al. (1995) evaluierende Verben und expres‐ sive Verben sowie Adjektive gefasst werden. Aber auch literarisch verstärkte Substantive (z. B. Rattenräuber, Kerker) oder literarische Namensbezeichnungen (z. B. Herr Hund, Schweinchen Kurt) zählen dazu. Einzelne Wörter können zu‐ sätzlich als Kern einer Phrase fungieren. In ihrer Minimalausprägung entspricht eine Phrase lediglich dem Kern. Wird eine Phrase durch zusätzliche Elemente erweitert (z. B. Adjektive), wird von erweiterten Phrasen oder Wortgruppen gesprochen (vgl. u. a. Dürscheid 2012). Dieser Teilbereich der Linguistik wird durch die Morphosyntax beschrieben, sodass der funktionale Gebrauch ganzer Phrasen zur Verstärkung einer poetischen Leseart bzw. zum Ausdruck indivi‐ dueller Erfahrungen und Einstellungen auf die Morphosyntax zurückgeführt wird. Voraussetzung für die Differenzierung zwischen poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern auf morphologischer oder morphosyntaktischer Ebene ist die Erweiterung des Kerns einer Phrase durch zusätzliche Wörter (z. B. ein Tag zu ein wunderschöner, sonniger Tag). Der alleinstehende Kern wird der morphologischen Ebene zugeordnet, womit die Möglichkeit besteht, dass innerhalb eines poetisch-evozierenden Gebrauchsmusters der Morphosyntax auch poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphologie erfasst werden können, z. B. wenn der Kern einer Nominalphrase ein literarisch verstärkendes Substantiv ist (die hinterlistigen Räuber). Die Syntax fokussiert den Aufbau des Satzes und aller sprachlichen Struk‐ turen, die sich zu einem Satz zusammensetzen (vgl. u. a. Dürscheid 2012, 11). Übertragen auf die Kategorisierung der poetisch-evozierenden Gebrauchs‐ muster wird mit einer syntaktischen Charakterisierung somit ein narrativer Gebrauch ganzer Sätze erfasst. Hierbei wird die Minimaldefinition eines Satzes durch die Verbindung von Subjekt und Prädikat herangezogen, welche beliebig durch verschiedene Objekte erweitert werden kann. Mit Bezug auf die mögliche Realisierung narrativer Muster nach Schüler (2019) können hierunter z. B. ein wiederholender Satzbau, eine spezifische Satzumstellung mit einem Vorfeld oder ein komplexer Satzbau gefasst werden. Hierzu sind nach Augst (2010) auch stilistische Mittel wie rhetorische Fragen oder Vergleiche anzuführen. Die 177 5.5 Kategoriensystem zur Analyse der Ebenen des Narrativen in Erzähltexten herausgestellte Integration poetisch-evozierender Gebrauchsmuster der Mor‐ phologie innerhalb morphosyntaktischer Einheiten kann ausgeweitet werden auf poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Syntax. Innerhalb dieser können ebenfalls poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphosyntax oder auch der Morphologie erfasst werden. Begründet ist dies in der integrativen Verknüp‐ fung der Teildisziplinen, die auch Dürscheid (2012) mit dem folgenden Beispiel von Wort, Wortgruppe und Satz herausstellt: „Ihr Ziel ist es, Gesetzmäßigkeiten herauszuarbeiten, nach denen Wörter (z. B. das, klein, Haus) zu Wortgefügen (z. B. das kleine Kind) und zu einfachen bzw. komplexen Sätzen (z.B. das kleine Kind weint. Das kleine Kind weit, weil es Hunger hat.) zusam‐ mengefügt werden.“ (ebd. 11) Abschließend können noch poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Prag‐ matik beschrieben werden. Die Pragmatik stellt die Zusammenhänge eines sprachlichen Zeichens und des Handlungskontextes heraus (vgl. Auer 2013, 23). Mit poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Pragmatik können somit Sprachformen erfasst werden, die einen Handlungsvollzug metaphorisch aus‐ drücken wollen, z. B. Zischbum zum Ausdruck eines Raketenausbruchs. In der Comicforschung werden diese auch als „soundwords“ (Abel/ Klein 2016, 101) be‐ zeichnet. Abgegrenzt werden müssen poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Pragmatik von lautmalerischen Ausdrücken auf Ebene der Phonologie, die eine starke Nähe zum mündlichen Sprachgebrauch suggerieren (z. B. mhh, ähh). In einer induktiven Erprobung der Analysekategorien kann in allen 190 Erzähl‐ texten lediglich ein poetisch-evozierendes Gebrauchsmuster erfasst werden, welches als soundword der Pragmatik zugeordnet werden kann. Poetisch-evozie‐ rende Gebrauchsmuster der Phonologie kommen ebenfalls sehr wenige in dem Datenkorpus vor. Sie sind in 12 von 190 Erzähltexten auszumachen. Interessant ist, dass diese überwiegend innerhalb der Figurenrede genutzt werden. Augst (2010) zeigt, dass Zweitklässler: innen die Figurenrede sehr selten einsetzen (31 %), wobei die wenigen Figurenbeiträge in großen Teilen zur monologischen Rede genutzt werden (87 %). Gleichzeitig führt Augst (2010) Interjektionen und Lautmalereien als stilistische Mittel an und weist darauf hin, dass sie zur emotionalen Markierung dienen (vgl. Kapitel 3.2.6). Möglicherweise stellen Interjektionen und Lautmalereien als emotionale Verstärkung eine Vorstufe zum Ausdruck einer inneren Figurenwelt dar. Das wenige Auftreten dieser beiden Kategorien (Phonologie und Pragmatik) im Datenkorpus lässt darauf schließen, dass diese für die Analyse des poetisch-evozierenden Sprachgebrauchs nicht zielführend sind, sodass sie dem Kodierleitfaden nicht hinzugefügt werden. 178 5 Forschungsdesign Zusammenfassend werden bei der Analyse poetisch-evozierender Gebrauchs‐ muster somit drei Analysekategorien berücksichtigt: F O R M F U NKTI O N P O E TI S CH - E V O ZI E R E N D E G E B R AU CH S M U S T E R D E R M O R P H O L O G I E Sprachformen, die der Teildisziplin der Linguistik entsprechend auf das Wort zurückzuführen sind: evaluierende und expressive Verben, evaluierende und expressive Adjek‐ tive, evaluierende und expressive Substantive, literarisch geprägte Ad‐ verbien, literarische Namensbezeich‐ nungen Zum Ausdruck der individuellen Literacies der Er‐ zähler: innen und zur Verstärkung der poetischen Leseart für die Leser: innen. P O E TI S C H - E V O ZI E R E N D E G E B R AU C H S M U S T E R D E R M O R P H O S Y N TAX Sprachformen, die der Teildisziplin der Linguistik entsprechend auf Wortgruppen zurückzuführen sind. Entscheidend für die Zuordnung zu einer Wortgruppe ist die Erweite‐ rung des Kerns einer Phrase durch zusätzliche Wörter: expressive und evaluierende Verbal-, Adjektiv-, Nominal-, Präpositional- oder Adverbialphrasen Zum Ausdruck der individuellen Literacies der Er‐ zähler: innen und zur Verstärkung der poetischen Leseart für die Leser: innen. P O E TI S C H - E V O ZI E R E N D E G E B R AU C H S M U S T E R D E R S Y N TAX Sprachformen, die der Teildisziplin der Linguistik entsprechend auf die Satzstruktur oder den Satzaufbau zurückzuführen sind: wiederholender Satzbau, komplexer Satzbau, rhetorische Fragen Zum Ausdruck der individuellen Literacies der Er‐ zähler: innen und zur Verstärkung der poetischen Leseart für die Leser: innen. Tab. 19: Poetisch-evozierende Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes Vergleichbare Analysekategorien wie die der poetisch-evozierenden Ge‐ brauchsmuster sind in anderen Studien immer wieder in die Kritik geraten, da sie sich gerade durch Mangel an Objektivität auszeichnen. Analysen mit dem Ziel, den ästhetischen Charakter von Sprache herauszustellen, bringen die Ge‐ fahr von subjektiven Interpretationen mit sich. Um diesen entgegenzuwirken, werden die entsprechenden Analysekategorien anhand einer Reliabilitätsana‐ lyse auf ihre Gültigkeit überprüft. 179 5.5 Kategoriensystem zur Analyse der Ebenen des Narrativen in Erzähltexten 5.6 Reliabilitätsanalyse einzelner Analysekategorien Zur Überprüfung der Gültigkeit werden grundsätzlich die Kriterien der Vali‐ dität, Objektivität und Reliabilität herangezogen. Im Zusammenhang mit einer quantitativen Inhaltsanalyse von Text-Dokumenten ziehen Bortz/ Döring (2016) in erster Linie die Validität und Reliabilität heran: „Die psychometrischen Gütekriterien des Kategoriensystems, insbesondere Validität und Reliabilität sind zu prüfen und ihre mindestens ausreichende Qualität ist zu belegen (argumentativer Rückgriff auf Theorien und Forschungsstand zur Definition und Inhaltsvalidierung der Kategorien; Validitäts-Beurteilung der Kategorien bzw. des Kategoriensystems durch Fachexperten; empirische Reliabilitätsprüfung des Katego‐ riensystems).“ (Bortz/ Döring 2016, 553) Zur Sicherstellung der Validität sind die einzelnen Kategorien theoretisch fundiert und durch den Rückgriff auf Forschungsstudien einer empirischen Absicherung unterzogen. Zur Kontrolle der Reliabilität kann die Intercoder‐ reliabilität überprüft werden. Die Intercoderreliabilität wird durch das Ko‐ dieren gleicher Daten von verschiedenen Rater: innen geprüft. Anhand eines statistischen Vergleichs der Kodierungen der verschiedenen Rater: innen können Reliabilitätskoeffizienten berechnet werden, die einen Rückschluss über die Reliabilität der Kategorien ermöglichen. Bei der qualitativen Inhalts‐ analyse können statistisch verschiedene Reliabilitätskoeffizienten berechnet werden (vgl. Kuckartz 2018, 44). Kuckartz (2018) führt u. a. Krippendorffs Alpha, Cohens Alpha und Scotts Pi an. Bei metrisch skalierten Kategorien liefert die Berechnung von Krippendorffs Alpha aussagekräftige Daten, da in diesen Zusammenhang zum einen mehr als zwei Rater verglichen werden können und zum anderen die Größe der Differenzen sowie fehlende Werte zwischen den Kodierungen berücksichtigt werden (vgl. Krippendorff 2004). Krippendorff (2004) gibt an, dass bei einem α-Wert von α<0,667 die Reliabilität kritisch betrachtet werden kann. Bei einem α-Wert zwischen α = 0,667 und α = 0,800 lassen die Werte vorläufige Rückschlüsse zu und bei einem α-Wert von α>0,800 können die Kategorien als verlässlich betrachtet werden: „Rely only on variables with reliabilities above α = .800 [… ] Consider variables with reliabilities between α = .667 and α = .800 only for drawing tentative conclusions.“ (ebd. 241) Krippendorffs Alpha ist für die drei Kategorien der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster anhand der Kodierungen von drei Kodierer: innen bei elf zufällig ausgewählten Erzähltexten berechnet worden. Vorab wurden die Ko‐ dierer: innen mit einem Kodierleitfaden in die einzelnen Kategorien eingeführt 180 5 Forschungsdesign und in dem Umgang des Kodierleitfadens geschult. Die Kodierschulung erfolgte folgendermaßen: Zunächst wurden die fünf Kategorien anhand der Defini‐ tionen und der Ankerbeispiele im Kodierleitfaden erklärt. Dabei wurden Rück‐ fragen beantwortet. In einem zweiten Schritt sind zwei Beispielerzählungen gemeinsam kodiert worden, um Unklarheiten und Unsicherheiten vorzubeugen. Anschließend sind die elf randomisierten Erzähltexte ohne Unterstützung und in Einzelarbeit von den Kodierer: innen kodiert worden. Mithilfe statistischer Berechnungen konnte Krippendorffs Alpha anschließend für die drei Katego‐ rien der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster berechnet werden. Die Tabelle erfasst die Ergebnisse: K RI P P E N D O R F F S A P LHA P O E TI S CH - E V O ZI E R E N D E G E B R AU C H S M U S T E R D E R M O R P H O L O G I E 0,9515 P O E TI S CH - E V O ZI E R E N D E G E B R AU C H S M U S T E R D E R M O R P H O S Y N TAX 0,8187 P O E TI S C H - E V O ZI E R E N D E G E B R AU CH S M U S T E R D E R S Y N TAX 0,8578 Tab. 20: Intercoderreliabilität der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster (Krippen‐ dorffs Alpha) Das Krippendorffs Alpha für die poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Morphologie, Morphosyntax und Syntax liegt über dem erforderten Wert α>0,800 und lässt demnach darauf schließen, dass die Kodierungen bzw. die Kategorien reliabel sind. 5.7 Transkription der Daten Abschließend werden die Transkriptionsrichtlinien für die Aufbereitung der Erzähltexte erläutert. Im Anhang befindet sich eine Auswahl an Transkripten. Für die Transkriptionen werden die Erzählungen seiten- und zeilengetreu in der Schriftart Calibri verschriftet. Dazu sind folgende Konventionen und Bestimmungen berücksichtigt worden: 181 5.7 Transkription der Daten • (DS) für Druckschrift • (vS) für verbundene Schrift • <Wort? > für die vermutete Schreibung einer schwer entzifferbaren Stelle • <…> für gänzlich unlesbare Stellen • [Kritzelei] für Kritzeleien oder Gemaltes (etwas anderes als Schriftzeichen) • *…* für spiegelverkehrte Schreibungen • <Name des Kindes> für die Anonymisierung der Schreiber: in Außerdem sind keine Änderungen vorgenommen worden, weshalb nicht ge‐ setzte Diakritika oder untypische Groß- und Kleinbuchstaben übernommen werden. Können in den Erzählungen Änderungen ausgemacht werden, die von den Schreiber: innen selbst vorgenommen worden sind, werden diese folgendermaßen transkribiert: • [INT] ⎾ Wort ⏋ für interlineare Einfügungen • [INT] ⎾ … ⏋ für unlesbare interlineare Einfügungen • ⎾ Wort ⏋ für Randergänzungen • ⎾ … ⏋ für unlesbare Randergänzungen • ∣ Wort + für Streichungen • ∣ …+ für unlesbare Streichungen Für eine bessere Lesbarkeit werden die ausgewählten Erzähltexte zur quali‐ tativen Analyse aufbereitet. Dazu wird die Erzählung zum einen zeilenunge‐ bunden verschriftet und zum anderen werden für eine bessere Lesbarkeit fehlende Buchstaben bzw. Worte rekonstruiert sowie orthographische Verbes‐ serungen vorgenommen. Zu den orthographischen Verbesserungen zählen die Anpassung der Schreibungen an eine normgerechte Rechtschreibung, das Beheben von Zeichensetzungsfehlern sowie Flexionsfehlern. Da der Tem‐ pusgebrauch Gegenstand der Analyse ist, wird sichergestellt, dass bei der Anpassung der verbalen Flexion das gewählte Tempus beibehalten wird. Auch selbstgewählte Namen sowie Phantasiebezeichnungen werden buchstabenge‐ treu übernommen. Anhand der Gegenüberstellung eines Transkriptes und eines für die qualitative Analyse angepassten Transkripts können die Anpassungen verdeutlicht werden: 182 5 Forschungsdesign Abb. 36: Beispiel zur Transkription 183 5.7 Transkription der Daten 6 Empirische Analyse In der empirischen Erzähltextanalyse werden die Ergebnisse der sprachlich-nar‐ rativen Korpusanalyse anhand der narrativen Gebrauchsmuster auf den drei Ebenen des Narrativen dargestellt. Auf Mikroebene des Erzähltextes betrifft dies die kohäsive Verwendung von Adverbien und Adverbialphrasen sowie Junktionen und den Tempusgebrauch. Die Etablierung einer Erzähler- und Protagonistenperspektive wird auf Mesoebene des Erzähltextes analysiert. Die Makroebene des Erzähltextes umfasst den Gebrauch narrativ-strukturierender Gebrauchsmuster und poetisch-evozierender Gebrauchsmuster. Den Abschluss bildet eine Zusammenführung und Interpretation der Analyseergebnisse für den narrativen Sprachgebrauch ausgehend von narratoästhetischen Erzählim‐ pulsen. Die narrativen Gebrauchsmuster werden in ausgewählten Erzähltexten zu‐ nächst qualitativ analysiert. Dazu werden die zwei Erzähltexte zu den ver‐ schieden gestalteten Erzählimpulsen eines Kindes gegenübergestellt. Für die Ergebnisdarstellung der einzelnen Ebenen des Narrativen werden je Ebene (Mikro-, Meso-, Makroebene) drei verschiedene Erzähltextpaare ausgewählt. Es können in der qualitativen Analyse somit insgesamt neun verschiedene Erzähltextpaare angeführt werden (18 Erzähltexte). Beachtet werden bei der Auswahl der Erzähltextpaare die vorschulischen Literacy-Erfahrungen der Kinder (vgl. Topalović/ Drepper 2019; Kapitel 5.4). Die einzelnen Erzähltexte der Kinder sind transkribiert und im Fließtext angeführt (vgl. Kapitel 5.7). Formal werden beide Erzähltexte eines Kindes immer in einer mit Zeilen nummerierten Tabelle nebeneinander dargestellt. Dabei ist in jeder Tabelle die links abgebildete Erzählung zum ersten Erhebungszeitpunkt entstanden, der rechts abgebildete Erzähltext wurde zwei Wochen später zum zweiten Erhebungszeitpunkt verfasst. Anschließend folgen die Ergebnisse der quantitativen Analyse aller Erzähl‐ texte, wozu zunächst deskriptiv die Häufigkeiten der narrativen Gebrauchs‐ muster in den Erzähltexten zu den verschiedenen Erzählimpulsen gegenüber‐ gestellt werden. Daran anschließend werden durch eine Mittelwertanalyse bei verbundenen Stichproben Zusammenhänge zwischen der Häufigkeit der narrativen Gebrauchsmuster und dem Erzählimpuls herausgestellt. In Kapitel 5.4 konnte bereits aufgezeigt werden, dass dazu entsprechend dem Skalenni‐ veau der t-Test bei abhängigen Stichproben oder der Wilcoxon-Test heran‐ gezogen werden kann. Im Rahmen dieser Studie wird die Ausprägung der Analysekategorien mittels Ordinalskalen und metrischer Skalen bestimmt. Die Analysekategorien, die durch die Unterscheidung von nicht-vorhanden (0) oder vorhanden (1) ausgewertet werden, sind ordinalskaliert. Entscheidend ist hierbei, dass eine Rangfolge zwischen den Ausprägungen besteht, da vorhanden (1) besser als nicht vorhanden (0) eingestuft werden kann (vgl. Bortz/ Schuster 2010, 13). Zu den ordinalskalierten Analysekategorien zählen die folgenden zwei Analysekategorien: Etablierung der Erzählerperspektive (Mesoebene) und narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster (Makroebene). Die Ausprägung der anderen Analysekategorien kann mittels einer metrischen Skala abgebildet werden, da bei diesen durch die vorkommende Anzahl an Sprachformen in den Erzähltexten mehrere gleichgewichtete Abstufungen möglich sind (z. B. 0, 1, 2, 3 …). Zu den metrisch skalierten Analysekategorien zählen die Verwen‐ dung von Adverbien und Adverbialphrasen, der Junktionengebrauch sowie der Tempusgebrauch (Mikroebene), die Etablierung einer Protagonistenperspektive (Mesoebene) und poetisch-evozierende Gebrauchsmuster (Metaebene). In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten Merkmale für die quantitative Mittel‐ wertanalyse noch einmal zusammengefasst: Q U ANTITATIV E M ITT E LW E R TANAL Y S E T E S TV E R F AHR E N D E R M ITT E LW E R TANAL Y S E t-Test bei abhängigen Stich‐ proben Wilcoxon-Test N A R R ATIV E G E B R AU CH S M U S T E R • Adverbien und Adverbi‐ alphrase • Junktionengebrauch • Tempusgebrauch • Etablierung einer Prota‐ gonistenperspektive • poetisch-evozierende Gebrauchsmuster • Etablierung einer Er‐ zählerperspektive • narrativ-strukturie‐ rende Gebrauchs‐ muster E F F E KT G RÖẞE Dokumentvorlage • Narr Verlage | C 3.3 Anschließend folgen die Ergebnisse der quantitativen Analyse aller Erzähltexte, wozu zunächst deskriptiv die Häufigkeiten der narrativen Gebrauchsmuster in den Erzähltexten zu den verschiedenen Erzählimpulsen gegenübergestellt werden. Daran anschließend werden durch eine Mittelwertanalyse bei verbundenen Stichproben Zusammenhänge zwischen der Häufigkeit der narrativen Gebrauchsmuster und dem Erzählimpuls herausgestellt. In Kapitel 5.4 konnte bereits aufgezeigt werden, dass dazu entsprechend dem Skalenniveau der t-Test bei abhängigen Stichproben oder der Wilcoxon-Test herangezogen werden kann. Im Rahmen dieser Studie wird die Ausprägung der Analysekategorien mittels Ordinalskalen und metrischer Skalen bestimmt. Die Analysekategorien, die durch die Unterscheidung von nicht-vorhanden (0) oder vorhanden (1) ausgewertet werden, sind ordinalskaliert. Entscheidend ist hierbei, dass eine Rangfolge zwischen den Ausprägungen besteht, da vorhanden (1) besser als nicht vorhanden (0) eingestuft werden kann (vgl. Bortz/ Schuster 2010, 13). Zu den ordinalskalierten Analysekategorien zählen die folgenden zwei Analysekategorien: Etablierung der Erzählerperspektive (Mesoebene) und narrativstrukturierende Gebrauchsmuster (Makroebene). Die Ausprägung der anderen Analysekategorien kann mittels einer metrischen Skala abgebildet werden, da bei diesen durch die vorkommende Anzahl an Sprachformen in den Erzähltexten mehrere gleichgewichtete Abstufungen möglich sind (z.B. 0, 1, 2, 3 …). Zu den metrisch skalierten Analysekategorien zählen die Verwendung von Adverbien und Adverbialphrasen, der Junktionengebrauch sowie der Tempusgebrauch (Mikroebene), die Etablierung einer Protagonistenperspektive (Mesoebene) und poetisch-evozierende Gebrauchsmuster (Metaebene). In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten Merkmale für die quantitative Mittelwertanalyse noch einmal zusammengefasst: QUANTITATIVE MITTELWERTANALYSE TESTVERFAHREN DER MITTELWERTANALYSE t-Test bei abhängigen Stichproben Wilcoxon-Tests NARRATIVE GEBRAUCHSMUSTER • Adverbien und Adverbialphrase • Junktionengebrauch • Tempusgebrauch • Etablierung einer Protagonistenperspektive • poetisch-evozierende Gebrauchsmuster • Etablierung einer Erzählerperspektive • narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster EFFEKTGRÖßE d = |$| √&' r = . * √) . EFFEKTSTÄRKE d=0,20 kleiner Effekt d=0,40 mittlerer Effekt d=0,60 starker Effekt r=0,10 kleiner Effekt r=0,25 mittlerer Effekt r=0,40 starker Effekt Tab. 21: Übersicht quantitative Mittelwertanalyse 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes In diesem Kapitel werden drei Erzähltextpaare anhand der Analysekategorien auf Mikroebene qualitativ analysiert und entsprechend den verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen verglichen. Die Erzähltextpaare (sechs Erzähltexte) sind von drei Kindern mit verschieden stark ausgeprägten vorschulischen Literacy-Erfahrungen ausgewählt worden: Zunächst werden die Erzählungen von einem Kind angeführt, dessen Schrifterfahrungen bei Eintritt in die Schule einem buchstabenweisen Schreiben entsprechen und somit auf geringere Literacy-Erfahrungen verweisen (Kind 70). Anschließend folgen die Erzählungen eines Kindes, das in der ersten Schulwoche logographisch schreiben konnte und ein stärker ausgeprägtes Literacy-Konzept aufweist (Kind 43). Das letzte Erzähltextpaar ist von einem Kind, dessen Dokumentvorlage • Narr Verlage | C 3.3 Anschließend folgen die Ergebnisse der quantitativen Analyse aller Erzähltexte, wozu zunächst deskriptiv die Häufigkeiten der narrativen Gebrauchsmuster in den Erzähltexten zu den verschiedenen Erzählimpulsen gegenübergestellt werden. Daran anschließend werden durch eine Mittelwertanalyse bei verbundenen Stichproben Zusammenhänge zwischen der Häufigkeit der narrativen Gebrauchsmuster und dem Erzählimpuls herausgestellt. In Kapitel 5.4 konnte bereits aufgezeigt werden, dass dazu entsprechend dem Skalenniveau der t-Test bei abhängigen Stichproben oder der Wilcoxon-Test herangezogen werden kann. Im Rahmen dieser Studie wird die Ausprägung der Analysekategorien mittels Ordinalskalen und metrischer Skalen bestimmt. Die Analysekategorien, die durch die Unterscheidung von nicht-vorhanden (0) oder vorhanden (1) ausgewertet werden, sind ordinalskaliert. Entscheidend ist hierbei, dass eine Rangfolge zwischen den Ausprägungen besteht, da vorhanden (1) besser als nicht vorhanden (0) eingestuft werden kann (vgl. Bortz/ Schuster 2010, 13). Zu den ordinalskalierten Analysekategorien zählen die folgenden zwei Analysekategorien: Etablierung der Erzählerperspektive (Mesoebene) und narrativstrukturierende Gebrauchsmuster (Makroebene). Die Ausprägung der anderen Analysekategorien kann mittels einer metrischen Skala abgebildet werden, da bei diesen durch die vorkommende Anzahl an Sprachformen in den Erzähltexten mehrere gleichgewichtete Abstufungen möglich sind (z.B. 0, 1, 2, 3 …). Zu den metrisch skalierten Analysekategorien zählen die Verwendung von Adverbien und Adverbialphrasen, der Junktionengebrauch sowie der Tempusgebrauch (Mikroebene), die Etablierung einer Protagonistenperspektive (Mesoebene) und poetisch-evozierende Gebrauchsmuster (Metaebene). In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten Merkmale für die quantitative Mittelwertanalyse noch einmal zusammengefasst: QUANTITATIVE MITTELWERTANALYSE TESTVERFAHREN DER MITTELWERTANALYSE t-Test bei abhängigen Stichproben Wilcoxon-Tests NARRATIVE GEBRAUCHSMUSTER • Adverbien und Adverbialphrase • Junktionengebrauch • Tempusgebrauch • Etablierung einer Protagonistenperspektive • poetisch-evozierende Gebrauchsmuster • Etablierung einer Erzählerperspektive • narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster EFFEKTGRÖßE d = |$| √&' r = . * √) . EFFEKTSTÄRKE d=0,20 kleiner Effekt d=0,40 mittlerer Effekt d=0,60 starker Effekt r=0,10 kleiner Effekt r=0,25 mittlerer Effekt r=0,40 starker Effekt Tab. 21: Übersicht quantitative Mittelwertanalyse 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes In diesem Kapitel werden drei Erzähltextpaare anhand der Analysekategorien auf Mikroebene qualitativ analysiert und entsprechend den verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen verglichen. Die Erzähltextpaare (sechs Erzähltexte) sind von drei Kindern mit verschieden stark ausgeprägten vorschulischen Literacy-Erfahrungen ausgewählt worden: Zunächst werden die Erzählungen von einem Kind angeführt, dessen Schrifterfahrungen bei Eintritt in die Schule einem buchstabenweisen Schreiben entsprechen und somit auf geringere Literacy-Erfahrungen verweisen (Kind 70). Anschließend folgen die Erzählungen eines Kindes, das in der ersten Schulwoche logographisch schreiben konnte und ein stärker ausgeprägtes Literacy-Konzept aufweist (Kind 43). Das letzte Erzähltextpaar ist von einem Kind, dessen E F F E KT S TÄR K E d = 0,20 kleiner Effekt d = 0,40 mittlerer Effekt d = 0,60 starker Effekt r = 0,10 kleiner Effekt r = 0,25 mittlerer Effekt r = 0,40 starker Effekt Tab. 21: Übersicht quantitative Mittelwertanalyse 186 6 Empirische Analyse 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes In diesem Kapitel werden drei Erzähltextpaare anhand der Analysekategorien auf Mikroebene qualitativ analysiert und entsprechend den verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen verglichen. Die Erzähltextpaare (sechs Erzähltexte) sind von drei Kindern mit verschieden stark ausgeprägten vorschu‐ lischen Literacy-Erfahrungen ausgewählt worden: Zunächst werden die Erzäh‐ lungen von einem Kind angeführt, dessen Schrifterfahrungen bei Eintritt in die Schule einem buchstabenweisen Schreiben entsprechen und somit auf geringere Literacy-Erfahrungen verweisen (Kind 70). Anschließend folgen die Erzäh‐ lungen eines Kindes, das in der ersten Schulwoche logographisch schreiben konnte und ein stärker ausgeprägtes Literacy-Konzept aufweist (Kind 43). Das letzte Erzähltextpaar ist von einem Kind, dessen Schrifterfahrungen einem alphabetischen Schreiben entsprechen und somit auf reichhaltige Literacy-Er‐ fahrungen schließen lassen (Kind 26). Strukturell erfolgt die Erzähltextanalyse auf Mikroebene zunächst für die kohäsive Verwendung von Adverbien und Adverbialphrasen, anschließend für den Junktionengebrauch zur kohäsiven Verknüpfung und abschließend für den Tempusgebrauch. 6.1.1 Qualitative Analyse der Adverbien und Adverbialphrasen Für die Analyse der kohäsiv verwendeten Adverbien und Adverbialphrasen werden alle Adverbien bzw. Adverbialphrasen herangezogen, die zur kohäsiven Verknüpfung der Erzählung fungieren. In den folgenden Erzähltexten zur qualitativen Analyse sind die kodierten Adverbien und Adverbialphrasen zur Visualisierung farblich hervorgehoben. Die Adverbien werden hellgrau markiert. Die Adverbialphrasen werden dun‐ kelgrau hinterlegt. Um die Variation der kohäsiv verwendeten Adverbien und Adverbialphrasen hervorzuheben, werden wiederholt verwendete Adverbien und Adverbialphrasen eingerahmt. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 70 In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls von Kind 70 kann insgesamt ein kohäsiv verwendetes Adverb erfasst werden. In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls werden insgesamt fünf Adverbien kohäsiv verwendet. Demnach gebraucht Kind 70 in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls mehr Adver‐ bien als in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls: 187 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes 1. Die Torte ist weg! Diebe auf der Feier. 2. Es lebte im Wald eine Familie Hund. Die hat Heute hat Tina Geburtstag. Sie ist heute 7 3. einen großen Kirschkuchen gebacken. Herr Jahre alt. Sie hatte heute Mattis und Maia 4. Hund harkte nur noch zu Ende. Doch da kamen eingeladen und feierte. Ihra gefällt das gar 5. die Ratten und klauten den Kirschkuchen. Herr nicht. Sie schleicht sich mit Leon an und klauen 6. Hund und Frau Hund rannten hinterher. Die die Torte. Dann laufen die beiden in den Wald. 7. Ratten liefen zu ihrem Versteck. Doch da Maia ist sehr schnell, Mattes auch. „Los, 8. sprang Herr Hund auf die Ratten und fesselte hinterher! “, ruft Mattes und alle laufen in den 9. die beiden Ganoven an einen Baum. Jetzt holte Wald. Alle rufen: „Stehen bleiben! “ Doch die 10. Frau Hund die anderen Tiere und feierte 30 beiden hören sie nicht. Da sitzen sie. Ihra will 11. Jahre Diebe und jetzt nicht mehr. abhauen, aber Maia hält sie fest: „Den Kuchen, 12. wenn ich bitten darf! “ „Da steht er.“ „Gut, ihr 13. könnt laufen.“ Mit der Torte in der Hand gehen 14. sie zurück und feiern. Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 70-EfE) Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 70-EiE) Tab. 22: Adverbiengebrauch in den Erzähltexten von Kind 70 Allerdings ergibt sich ein anderes Ergebnis in Bezug auf die Variation an Adverbien. In dem Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls gebraucht das Kind zwei verschiedene Adverbien wiederholend, sodass die Type-Token-Relation mit einem Variationswert von 0,4 tendenziell geringer ist. In dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls ist die Type-Token-Relation zwar maximal, was allerdings darin begründet liegt, dass das Kind nur ein einzelnes Adverb verwendet. Dementsprechend werden mehr Adverbien in dem imaginären Erzählimpuls gebraucht. Allerdings gelingt es dem Kind nicht, diese höhere Anzahl an Adverbien auch maximal zu variieren. Bei einer qualitativen Betrachtung der kohäsiv verwendeten Adverbien zeigt sich, dass das Kind in dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls das Adverb jetzt innerhalb der Textmusterphase der Auflösung nutzt: „Jetzt holte Frau Hund die anderen Tiere und feierte 30 Jahre Diebe und jetzt nicht mehr.“ (Kind 70-EfE, Zeile 9-11) Syntaktisch nutzt das Kind das Adverb in einer Inversion. In diesem Zusammenhang markiert das Adverb jetzt den Beginn der Textmusterphase der Auflösung und wird somit zur kohäsiven Verknüpfung des narrativen Textmusters verwendet. Das Adverb jetzt fungiert damit gleichzeitig als auflösendes Gebrauchsmuster (vgl. Kapitel 3.2.5). Im weiteren Verlauf des Satzes verwendet das Kind ein zweites Mal das Adverb jetzt. Allerdings kann dieses im Kontext des Satzes nicht als kohäsives Mittel aufgefasst werden. Vielmehr bildet es einen Teil einer feststehenden Konstruktion, die als einen Slogan der Feier interpretiert werden kann: „30 Jahre Diebe und jetzt nicht mehr.“ (Kind 70-EfE, Zeile 10 f.) In dem Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls verwendet das Kind direkt zu Beginn der Erzählung dreimal in Folge das Adverb heute: „Heute hat Tina 188 6 Empirische Analyse Geburtstag. Sie ist heute sieben Jahre alt. Sie hatte heute Mattis und Maia eingeladen und feierte.“ (Kind 70-EiE, Zeile 2-4) Das Adverb entspricht einer deiktisch nahen Prozedur als zeitlicher Verweis innerhalb des Wahrnehmungs‐ raums. Demnach nimmt das Kind in diesem Zusammenhang keinen Bezug auf eine fiktive Erzählerperspektive, sondern verweist auf ein Sprachhandeln im Wahrnehmungsraum. Im ersten Satz wird das Adverb heute syntaktisch sogar in einer Inversion verwendet, sodass der zeitliche Bezug zum Wahrnehmungsraum nochmals hervorgehoben wird. In den zwei anschließenden Satzpropositionen wird das Adverb heute jeweils innerhalb einer linearen Satzabfolge verwendet. Im weiteren Verlauf der Erzählung nutzt das Kind in zwei Fällen das Adverb da und stellt damit räumliche Bezüge innerhalb des Handlungsstrangs heraus. Inhaltlich wird mit dem Adverb zunächst auf den Standort der Diebe hinge‐ wiesen: „Da sitzen sie.“ (Kind 70-EiE, Zeile 10) In Zeile 12 verweist das Kind mit dem Adverb da auf den Standort der Torte: „Da steht er.“ (Kind 70-EiE, Zeile 12) Weiterführend verwendet das Kind beide Adverbien syntaktisch in einer Inversion, womit der Verweis noch einmal stärker herausgestellt wird. Außerdem kann das Adverb da jeweils als deiktisch nahe Prozedur interpretiert werden, sodass der Adverbiengebrauch wieder auf eine Verortung der Sprach‐ handlung im Wahrnehmungsraum schließen lässt. In beiden Fällen wird das räumlich verweisende Adverb da innerhalb von Figurenbeiträgen verwendet, die allerdings nicht mittels Verba Dicendi eindeutig einer Figur zugeordnet werden können. Dementsprechend fungieren die Figurenbeiträge primär zur Ereignisprogression. Dies bekräftigt die Verortung der Sprachhandlung im Wahrnehmungsraum. Zusammenfassend nutzt das Kind 70 in dem Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls zwar deutlich mehr Adverbien. Diese werden allerdings wahr‐ nehmungsverankernd gebraucht. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls fungiert das kohäsiv verwendete Adverb jetzt zur Verstärkung des narrativen Textmusters, indem der Beginn der Auflösung sprachlich markiert wird. Damit gelingt es dem Kind, das kohäsiv verwendete Adverb ausgehend vom fiktiven Erzählimpuls funktional zum Ausdruck der Narration einzusetzen. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 43 Kind 43 verwendet zur kohäsiven Gestaltung der Erzählungen neben sechs Adverbien außerdem eine Adverbialphrase. In dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls von Kind 43 können zum einen die Adverbialphrase und insgesamt vier kohäsiv verwendete Adverbien erfasst werden. In dem Erzähltext zum ima‐ ginären Erzählimpuls werden insgesamt zwei Adverbien kohäsiv verwendet: 189 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes 1. Der Kuchen ist weg! Diebe auf der Feier 2. Zwei Hunde wohnten einmal in einem schönen Es waren einmal drei Kinder. Die hießen Ben, 3. und gemütlichen Haus. Sie waren gerade dabei Lia und Alina. Alina hatte Geburtstag. Sie 4. beschäftigt aufzuräumen. Da kamen zwei bekam eine Puppe, ein Springseil und was man 5. Mäuse und nahmen den Kuchen mit, den die sonst noch alles bekommt. Da kamen Luis und 6. Hunde gebacken haben. Die zwei Hunde Ane. Luis und Ane nahmen den Kuchen mit! 7. rannten den Dieben hinterher. Der Mann nahm Sie rannten die Straße entlang. Ben, Lia und 8. das Werkzeug mit, mit dem er vorher gearbeitet Alina rannten ihnen hinterher. Als sie die Diebe 9. hat. Inzwischen rannten die Mäuse zum Fluss eingeholt hatten, nahmen sie ihnen den Kuchen 10. hinunter. Als die Mäuse am Fluss angekommen weg. Dann gingen sie nach Hause und feierten 11. sind, packte der Mann die Mäuse und sie noch schön weiter. 12. kugelten auf der Wiese herum. Etwas später 13. saßen alle Freunde von den Hunden auf der 14. Wiese und aßen den Kuchen. Die Diebe waren 15. an einem Baum angebunden. Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 43-EfE) Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 43-EiE) Tab. 23: Adverbiengebrauch in den Erzähltexten von Kind 43 Insgesamt verwendet das Kind in dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls vier Adverbien und eine Adverbialphrase. Dabei gelingt es dem Kind, diese maximal zu variieren (Type-Token-Relation = 1). Die Erzählung zum imaginären Erzählimpuls wird mit Rückgriff auf zwei Adverbien gestaltet, die ebenfalls verschieden sind (Type-Token-Relation = 1). Eine genauere Analyse der verwendeten Adverbien zeigt, dass das Kind zu Beginn beider Erzählungen das Adverb einmal in Verbindung mit der prototypischen Phrase es war einmal gebraucht und damit eine zeitliche Distanz zum Wahrnehmungsraum markiert. Die kohäsive Verwendung des Adverbs einmal führt in beiden Erzähltexten zur Verstärkung der Narration innerhalb der Orientierung. In dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls verstärkt das Kind zusätzlich die Textmusterphase der Komplikation, indem durch das Adverb gerade das unerwartete Eintreten der anschließenden Komplikation hervorge‐ hoben wird: „Sie waren gerade dabei beschäftigt aufzuräumen. Da kamen zwei Mäuse und nahmen den Kuchen mit, den die Hunde gebacken haben.“ (Kind 43-EfE, Zeile 3-6) Zur nachfolgenden Ereignisdarstellung innerhalb der Komplikation gebraucht das Kind zwei weitere Adverbien und erzeugt so eine kohäsive Textstruktur: „Der Mann nahm das Werkzeug mit, mit dem er vorher gearbeitet hat. Inzwischen rannten die Mäuse zum Fluss hinunter.“ (Kind 43-EfE, Zeile 7-10) Mit beiden Adverbien werden temporale Bezüge zwischen den Ereignissen herausgestellt, sodass die Erzählung primär zeitlich sukzessiv verknüpft wird. Auch die zum Ende der Erzählung verwendete Adverbialphrase etwas später stellt eine zeitliche Relation her: „Etwas später saßen alle Freunde von den Hunden auf der Wiese und aßen den Kuchen.“ 190 6 Empirische Analyse 28 In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls verwendet das Kind in Zeile 5 ein weiteres Mal das Adverb noch. Dieses kann im Kontext des Satzes nicht als Ausdruck zeitlicher Relationen interpretiert werden, sondern als verstärkendes Partikel. (Kind 43-EfE, Zeile 12-14) In diesem Zusammenhang verknüpft die kohäsiv verwendete Adverbialphrase nicht nur die aufeinanderfolgenden Ereignisse, sondern dient auch funktional zur Markierung der Auflösung. Damit gelingt es dem Kind, bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls alle drei Textmusterphasen durch ein kohäsiv verwendetes Adverb zu verstärken oder in der Auflösung sogar explizit als narrativ-strukturierendes Gebrauchsmuster zu markieren. Zusätzlich werden innerhalb der Komplikation zwei weitere Adverbien (vorher, inzwischen) verwendet, die zeitliche Relationen zwischen den Ereignissen herausstellen. In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls kann neben dem Adverb einmal innerhalb der Orientierung ein weiteres kohäsiv verwendetes Adverb erfasst werden. In der Textmusterphase der Auflösung greift das Kind in dem abschließenden Satz auf das Adverb noch zurück: „Dann gingen sie nach Hause und feierten noch schön weiter.“ (Kind 43-EiE, Zeile 10 f.) Wie bereits in der Orientierung verwendet das Kind das Adverb noch auch in diesem Zusammen‐ hang mit einer prototypischen Formulierung und beschreibt den Abschluss der Erzählung. 28 Eine genauere Betrachtung der syntaktischen Einbettung der kohäsiv verwendeten Adverbien zeigt, dass diese in dem Erzähltext zum imagi‐ nären Erzählimpuls ausschließlich in eine lineare Satzfolge gegliedert werden. Die Adverbialphrasen und das Adverb inzwischen werden in dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls in einer Inversion verwendet. Die unterschiedliche syntaktische Einbettung resultiert aus der Verwendung der Adverbien in proto‐ typischen Phrasen. Die feste Konstruktion der prototypischen Phrase impliziert die Positionierung der Adverbien im Mittelfeld des Satzes. Zusammenfassend führt somit gerade der fiktive Erzählimpuls dazu, dass das Kind kohäsiv verwendete Adverbien bzw. eine Adverbialphrase häufiger und syntaktisch komplexer gebraucht. Ausgehend von dem imaginären Erzählim‐ puls können die Adverbien vor allem in Verbindung mit prototypischen Phrasen zu Beginn und zum Abschluss der Erzählung ausgemacht werden. Wohingegen das Kind in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls Adverbien zusätzlich innerhalb der einzelnen Textmusterphasen einsetzt und auf diese Weise die narrative Verknüpfung des Textmusters unterstützt. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 26 Die folgenden Erzähltexte von Kind 26 werden zusammengefasst durch neun kohäsiv verwendete Adverbien bzw. Adverbialphrasen gestaltet. Zum ersten 191 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes Erhebungszeitpunkt verfasst das Kind die Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls und greift in diesem Zusammenhang auf fünf kohäsiv verwendete Adverbien zurück. Zwei Wochen später können in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls drei Adverbien und zwei Adverbialphrasen zur kohäsiven Verknüpfung ausgemacht werden: 1. Es lebte einmal in einem Wald eine kleine Diebe auf der Feier! 2. Bärenfamilie. Sie hatten gerade einen Kuchen Es gab draußen mal eine Feier. Da gab es viele 3. gebacken, als zwei kleine Mäuse kamen und Geschenke und eine ganz, ganz schöne 4. den Kuchen vom Tisch nahmen. Die Geburtstagstorte. Auf einmal war die Torte 5. Bärenfamilie erschrak, als sie das sahen. Sofort weg. Zwei freche Kinder, ein Junge und ein 6. kam der Papa und rannte hinterher und bald Mädchen, haben die Torte geklaut. Die beiden 7. hatte der Papa die zwei Diebe und der Papa sind weggerannt. Die anderen Kinder sind 8. hatte die Torte und danach hatten sie wieder hinterher. Auf einmal blieben die Kinder und 9. schön geschmaust. Ende. gaben die Torte ab. Dann konnten sie schön 10. feiern. Ende. Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 26-EfE) Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 26-EiE) Tab. 24: Adverbiengebrauch in den Erzähltexten von Kind 26 Das Kind nutzt in beiden Erzählungen gleich viele Adverbien und Adverbial‐ phrasen. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls gelingt es dem Kind dar‐ über hinaus, die Adverbien maximal zu variieren (Type-Token-Relation = 1). Im Gegensatz dazu wird in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls die Adver‐ bialphrase auf einmal wiederholend verwendet, sodass die Type-Token-Relation der Adverbien und Adverbialphrasen bei 0,75 liegt. Die genauere Analyse der einzelnen Adverbien innerhalb der Erzählung zeigt, dass in beiden Erzähltexten innerhalb der Orientierung das Adverb einmal bzw. als Kurzform mal verwendet wird. Allerdings nutzt das Kind diese nicht direkt in Verbindung mit der prototypischen Phrase es war einmal. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls kann der einleitende Satz als abgeschwächte Form der prototypischen Phrase interpretiert werden: „Es lebte einmal in einem Wald eine kleine Bärenfamilie.“ (Kind 26-EfE, Zeile 1 f.) Entscheidend ist, dass das Kind das Adverb in diesem Kontext narrationsspezifisch als zeitlichen Verweis auf eine fiktive Erzählwelt nutzt. Zusätzlich wird durch die indefinite Einführung der Präpositionalphrase in einem Wald ein räumlicher Verweis auf die fiktive Erzählwelt gegeben. Als räumlicher Verweis fungiert in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls das Adverb draußen: „Es gab draußen mal eine Feier.“ (Kind 26-EfE, Zeile 2) In diesem Kontext stellt das Adverb einen räumlichen Bezug zum Wahrnehmungsraum her und fungiert erzähltheoretisch nicht primär als Verweis auf eine fiktive Erzählwelt (vgl. Kapitel 5.5.2). Durch die Kombination mit dem präteritalen Tempusgebrauch und dem verweisenden 192 6 Empirische Analyse Adverb (ein)mal wird die Etablierung einer fiktiven Erzählwelt allerdings bereits evoziert, sodass auch die Auswertung des räumlichen Bezugs durch das Adverb draußen innerhalb der Erzählwelt naheliegt. Anschließend führt das Kind das räumlich verortende Adverb da an und referiert auf die Feier. Die kohäsiv verwendeten Adverbien in Verbindung mit dem einleitenden Satz werden alle linear in die Satzkonstruktion eingegliedert, das räumlich verortende Adverb da wird als Partikel-Adverb genutzt. Im weiteren Verlauf der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls greift das Kind in zwei Fällen auf die Adverbialphrase auf einmal zurück und stellt eine zeitliche Verknüpfung zwischen den Ereignissen her. Einerseits wird die Adver‐ bialphrase zu Beginn der Komplikation verwendet und drückt das unerwartete Eintreten der Komplikation aus: „Auf einmal war die Torte weg.“ (Kind 26-EfE, Zeile 4 f.) Syntaktisch wird die Adverbialphrase vor das finite Verb gestellt und somit in einer Inversion verwendet. In diesem Kontext fungiert die kohäsiv verwendete Adverbialphrase als kontrastierendes Gebrauchsmuster und hebt die Textmusterphase der Komplikation hierarchisch hervor. Andererseits wird die Adverbialphrase auf einmal am Ende der Komplikation angeführt: „Auf einmal bleiben die Kinder und gaben die Torte ab.“ (Kind 26-EiE, Zeile 8 f.) An dieser Stelle verstärkt das Kind durch die Adverbialphrase das plötzliche Ende der Verfolgungsjagd. Das Kind verwendet die Adverbialphrase wieder in einer Inversion und hebt so die Zuspitzung der Ereignisse sprachlich hervor. Allerdings ist die Verwendung der Adverbialphrase in Bezug auf die inhaltlichen Zusammenhänge nicht logisch nachzuvollziehen. Erwartungsgemäß zielen die Diebe während der Verfolgungsjagd darauf ab, mit der Torte zu entwischen. Ein plötzliches Stehenbleiben der Diebe ist somit eher ungewöhnlich. Es könnte angenommen werden, dass das Kind an dieser Stelle inhaltlich einen Abschluss der Narration finden möchte und daher auf die bereits bekannte narrationsspe‐ zifische Adverbialphrase auf einmal zurückgreift. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls nutzt das Kind neben dem zeit‐ lichen Bezug durch das Adverb einmal in Verbindung mit der Textmusterphase der Komplikation das Adverb gerade: „Sie hatten gerade einen Kuchen gebacken, als zwei kleine Mäuse kamen und den Kuchen vom Tisch nahmen.“ (Kind 26-EfE, Zeile 2-4) In dieser Satzkonstruktion fungiert das Adverb verstärkend zum Ausdruck des unerwarteten Eintretens der Komplikation, indem zuvor die noch unbeschwerte Ausgangssituation beschrieben wird. Im weiteren Verlauf der Komplikation nutzt das Kind noch zwei weitere temporal verweisende Adverbien und verknüpft die aufeinanderfolgenden Ereignisse miteinander: „Sofort kam der Papa und rannte hinterher und bald hatte der Papa die zwei Diebe“ (Kind 26-EfE, Zeile 5-7). Das Adverb sofort verstärkt an dieser 193 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes Stelle aufgrund der syntaktischen Position vor dem infiniten Verb die schnelle Reaktion auf die eingetretene Komplikation. Im Anschluss verwendet das Kind das Adverb bald in Verbindung mit der Konjunktion und in einer Inversion und markiert damit das zeitliche Ende der Verfolgungsjagd. In dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls gelingt es dem Kind somit, alle Adverbien innerhalb der Komplikation narrationsverstärkend zu verwenden und darüber hinaus sogar gezielt das plötzliche Eintreten der Komplikation sprachlich hervorzuheben. Abschließend greift das Kind in der Textmusterphase der Auflösung noch auf das Adverb wieder zurück: „und danach hatten sie wieder schön geschmaust“ (Kind 26-EfE, Zeile 8 f.). Mit dem zeitlichen Ausdruck der Wiederholung durch das Adverb wieder gelingt es dem Kind, in der Auflösung einen Bezug zur Ausgangssituation herzustellen. Diese Satzkonstruktion entspricht zwar keiner feststehenden Formulierung für den Abschluss narrativer Texte, kann aber in einer vergleichbaren Funktion interpretiert werden. Zusammenfassend zeigt die qualitative Analyse der kohäsiv verwendeten Adverbien und Adverbialphrasen in den Erzählungen von Kind 26, dass diese alle unabhängig von der Gestaltung des Erzählimpulses narrationsspezifisch gebraucht werden. In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls greift das Kind sogar auf kohäsiv verwendete Adverbialphrasen zurück und setzt die Adverbialphrase auf einmal wiederholend ein. Demnach zeigt sich kein Unter‐ schied in dem funktionalen Einsatz der kohäsiv verwendeten Adverbien bzw. Adverbialphrasen zwischen den beiden Erzähltexten. Zusammenfassung der qualitativen Ergebnisse In der qualitativen Analyse der ausgewählten Stichprobe ist zur kohäsiven Verknüpfung der Erzählungen zum einen die Häufigkeit kohäsiv verwendeter Adverbien und Adverbialphrasen betrachtet worden. Zusätzlich ist die Ver‐ wendung der Adverbien und Adverbialphrasen im inhaltlichen Kontext der Erzählungen analysiert worden. In Bezug auf die Häufigkeit kohäsiv verwendeter Adverbien und Adverbi‐ alphrasen zeichnet die Analyse der ausgewählten Erzähltexte ab, dass alle Kinder ihre Erzählungen durch den Gebrauch von Adverbien und/ oder Adver‐ bialphrasen kohäsiv verknüpfen. Insgesamt werden dabei Adverbialphrasen deutlich seltener gebraucht als Adverbien. Bei einer Berücksichtigung des ausgehenden Erzählimpulses zur Erzählgestaltung zeigt sich, dass zwei der aus‐ gewählten Kinder in dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls mehr Adverbien und Adverbialphrasen zur kohäsiven Verknüpfung der Erzählung verwenden (vgl. Kind 43, Kind 26). Kind 70 greift in der Erzählung zum imaginären 194 6 Empirische Analyse 29 In einer Analyse der Anzahl an Propositionen in den Erzähltexten ergeben sich für beide Erzähltextkorpora vergleichbare Werte. Im Durchschnitt verwenden die Kinder in beiden Erzählungen 13 Propositionen. Der Mittelwert für den Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls entspricht M=13,2 mit einer Standardabweichung von SD=5,53. In dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls werden im Durchschnitt 13,07 Propositionen verwendet (M=13,07) mit einer Standardabweichung von SD=5,93. Aufgrund des unwesentlichen Unterschieds bei der Anzahl an Propositionen ist bei der quantitativen Analyse eine Berücksichtigung der verwendeten Adverbien und Adverbialphrasen im Verhältnis zur Anzahl an Propositionen nicht notwendig. Erzählimpuls auf mehr Adverbien zurück als in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls. Hervorzuheben sind die Ergebnisse der ausgewählten Erzähltexte in Bezug auf die Verwendung der kohäsiven Adverbien und Adverbialphrasen im inhalt‐ lichen Kontext der Erzählungen. In den Erzähltexten konnten drei verschiedene Verwendungen aufgezeigt werden, die mit dem Gebrauch kohäsiver Adverbien und Adverbialphrasen zusätzlich fokussiert werden: ein wahrnehmungsveran‐ kernder Gebrauch, eine narrationsspezifische Verwendung zur Hervorhebung der narrativen Struktur und ein Einsatz zur inhaltlichen Strukturierung der Ereignisse im Handlungsstrang. Ein wahrnehmungsverankernder Gebrauch der Adverbien und Adverbial‐ phrasen kann ausschließlich in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls von Kind 70 und damit bei dem Kind mit geringeren Literacy-Erfahrungen ausgemacht werden. Im Gegensatz dazu nutzen alle Kinder unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls Adverbien und Adverbialphrasen im inhaltlichen Kontext der Erzählungen, um die narrative Struktur der Erzählung zu verstärken (vgl. Kind 43, Kind 26, Kind 70). Die Verwendung der Adverbien zur inhaltlichen Strukturierung des Handlungsstrangs kann primär in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls erfasst werden und bei den Kindern mit stärker ausgeprägten Literacy-Erfahrungen (vgl. Kind 43, Kind 26). 6.1.2 Quantitative Analyse der Adverbien und Adverbialphrasen Die Ergebnisse der quantitativen Erzähltextanalyse für den Gebrauch kohäsiver Adverbien und Adverbialphrasen in den Erzähltexten der gesamten Stichprobe (n = 95) wird für die Anzahl an Adverbien und Adverbialphrasen 29 in dem Er‐ zähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls (dunkelgrau) dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls (hellgrau) gegenübergestellt. Die grafische Ge‐ genüberstellung zeigt, dass in dem Datenkorpus zum fiktiven Erzählimpuls etwas mehr Adverbien und Adverbialphrasen erfasst werden können: 195 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes 243 202 24 21 0 50 100 150 200 250 300 Erzähltextkorpus fiktiver Erzählimpuls Erzähltextkorpus imaginärer Erzählimpuls kohäsiv verwendete Adverbialphrasen kohäsiv verwendete Adverbien kohäsiv verwendete Adverbialphrasen kohäsiv verwendete Adverbien Abb. 37: Anzahl an kohäsiv verwendeten Adverbien und Adverbialphrasen (n = 95) Die qualitative Analyse ausgewählter Erzähltexte hat bereits gezeigt, dass Ad‐ verbialphrasen sehr selten gebraucht werden. Dies bestätigt sich auch für die ge‐ samte Stichprobe. Insgesamt können 45 kohäsiv verwendete Adverbialphrasen erfasst werden. Bei einem Vergleich der beiden Erzähltextkorpora werden Ad‐ verbialphrasen minimal häufiger in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls verwendet (24 zu 21). Im Gegensatz zu Adverbialphrasen werden Adverbien insgesamt deutlich häufiger zur kohäsiven Textgestaltung verwendet. In beiden Erzähltextkorpora zusammen können 445 Adverbien ausgezählt werden. In dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls können 243 kohäsive Adverbien erfasst werden. Im Gegensatz dazu ist die Anzahl an kohäsiven Adverbien in dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls etwas geringer (202). Zusammenfassend zeigt die deskriptive Häufigkeitsanalyse im Vergleich der beiden Erzähltextkorpora, dass insgesamt etwas mehr kohäsiv verwendete Ad‐ verbien und Adverbialphrasen in den Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls gebraucht werden (267 zu 223). In dem methodischen Aufbau der Studie ist die Erhebungsreihenfolge durch ein Überkreuzdesign unterschieden worden (vgl. Kapitel 5.3). Dies eröffnet die Möglichkeit einer Überprüfung, ob sich die vorausgegangene Erzählgestal‐ tung positiv auf den narrativen Sprachgebrauch bei der Erzählkonstruktion zum zweiten Erhebungszeitpunkt auswirkt. Bei der Zuordnung zu den beiden 196 6 Empirische Analyse Erhebungsgruppen ist klassenweise vorgegangen worden, sodass sich kleinere Abweichungen in der Stichprobengröße ergeben. Zum ersten Erhebungszeit‐ punkt haben insgesamt 44 Kinder die Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls verfasst (n = 44). Dieselben Kinder gestalten zum zweiten Erhebungszeitpunkt die Erzählung zum imaginären Erzählimpuls. Die Erzähltexte dieser Kinder werden als Datenkorpus der Gruppe 1 erfasst. In der zweiten Erhebungsgruppe sind insgesamt 51 Kinder und die Erzähltexte werden als Datenkorpus der Gruppe 2 zusammengefasst (n = 51). Die Kinder der Gruppe 2 haben zum ersten Erhebungszeitpunkt die Erzählung zum imaginären Erzählimpuls verfasst. Zwei Wochen später gestalten dieselben Kinder die Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls. Aufgrund der unterschiedlichen Stichprobengröße wird für einen Vergleich des Adverbiengebrauchs die durchschnittliche Anzahl an kohäsiv verwendeten Adverbien und Adverbialphrasen pro Erzähltext berechnet. Die Grafik visualisiert die durchschnittliche Anzahl der kohäsiv verwendeten Ad‐ verbien und Adverbialphrasen in den Erzähltexten zu verschiedenen Erzählim‐ pulsen für die beiden Erhebungsgruppen. Die Ergebnisse zu den Erzähltexten ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls sind dunkelgrau hervorgehoben und ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls hellgrau: 2,57 2,55 2,11 2,14 0,23 0,27 0,32 0,14 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 1 Gruppe 2 fiktiver Erzählimpuls imaginärer Erzählimpuls n = 44 n = 51 kohäsiv verwendete Adverbialphrasen kohäsiv verwendete Adverbien kohäsiv verwendete Adverbialphrasen kohäsiv verwendete Adverbien Gruppe 1 Gruppe 2 n = 44 n = 51 Abb. 38: Durchschnittliche Verwendung an kohäsiv verwendeten Adverbien und Adver‐ bialphrasen 197 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes 30 Zur Vereinfachung der Leser: innenflüssigkeit wird im Folgenden von Adverbien gesprochen, wobei darunter sowohl die kohäsive Verwendung von Adverbien wie auch Adverbialphrasen gefasst werden. Die gegenübergestellten Werte der beiden Gruppen für die durchschnittliche Anzahl kohäsiv verwendeter Adverbien in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls zeigen zunächst keine nennenswerten Unterschiede. In beiden Gruppen verwendet ein Kind im Durchschnitt fast drei Adverbien bzw. Adver‐ bialphrasen 30 zur kohäsiven Verknüpfung der Erzählung (Gruppe 1: M = 2,8 und Gruppe 2: M = 2,82). Demnach nimmt der Erhebungszeitpunkt bei der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls keinen Einfluss auf den Gebrauch kohäsiv verwendeter Adverbien. Die Kinder greifen unabhängig von der Erhebungsrei‐ henfolge auf durchschnittlich 2,8 Adverbien zurück, um die Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls kohäsiv zu gestalten. Allerdings zeigt sich ein geringer Unterschied zwischen den Erhebungs‐ gruppen bei einem Vergleich der Erzähltextkorpora zum imaginären Erzählim‐ puls (Gruppe 1: M = 2,43 und Gruppe 2: M = 2,28). Dieser Unterschied zugunsten der ersten Erhebungsgruppe ist auf die Verwendung von Adverbialphrasen zurückzuführen. In den Erzähltexten zum imaginären Erzählimpuls der Gruppe 1 ist der durchschnittliche Gebrauch kohäsiv verwendeter Adverbialphrasen mehr als doppelt so hoch wie bei den Kindern der Gruppe 2 (0,32 zu 0,14). Aus dem geringen Unterschied ergibt sich für die Gruppe 2 bei einem Vergleich der Erzählungen zu den verschiedenen Erzählimpulsen eine größere Differenz in der durchschnittlichen Anzahl kohäsiv verwendeter Adverbien. Dazu kann für die Erhebungsgruppen jeweils von dem Mittelwert der kohäsiv verwendeten Adverbien in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls der jeweilige Mittelwert kohäsiv verwendeter Adverbien in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls subtrahiert werden. Demnach gebrauchen die Kinder der zweiten Erhebungs‐ gruppe bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls im Durchschnitt 0,54 Adverbien mehr, um die Erzählung kohäsiv zu verknüpfen. Bei der ersten Erhebungsgruppe ist die Differenz zwischen den beiden Erzähltextkorpora etwas geringer. Im Durchschnitt gebrauchen die Kinder der Gruppe 1 in der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls 0,37 kohäsiv verwendete Adverbien mehr. Möglicherweise kann die geringere Zunahme des Adverbiengebrauchs zur kohäsiven Erzähltextgestaltung der Gruppe 1 darauf verweisen, dass sich die Verfassung einer Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls positiv auf die anschließende Erzählkonstruktion zum imaginären Erzählimpuls auswirkt. Allerdings kann nicht grundsätzlich von einem Einfluss der vorausgegan‐ genen Erzählung ausgegangen werden. Denn der Vergleich der Erzähltexte von Gruppe 2 lässt nicht darauf schließen, dass sich die Erzählung zum ima‐ 198 6 Empirische Analyse 31 Da sich bei einer differenzierten Analyse der Adverbialphrasen anhand der einzelnen Erhebungsgruppen sowie der jeweiligen syntaktischen Einbettung sehr kleine Werte ergeben, werden die quantitativen Ergebnisse zur syntaktischen Verwendung für die Adverbien und Adverbialphrasen zusammenfassend als kohäsiv verwendete Adverbien dargestellt. ginären Erzählimpuls positiv auf den kohäsiven Adverbiengebrauch bei der Erzählgestaltung zwei Wochen später auswirkt (s. oben). Außerdem gebrauchen die Kinder der Gruppe 2 durchschnittlich genauso viel kohäsiv verwendete Adverbien in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls wie die Kinder der Gruppe 1, welche die Erzählung ohne eine vorausgegangene Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls verfassen. Weitergehend ist bei der qualitativen Analyse der Adverbien zur kohäsiven Textgestaltung die syntaktische Verwendung der Adverbien berücksichtigt worden. Für die Analyse der Erzähltexte der gesamten Stichprobe wird die syntaktische Ver‐ wendung der Adverbien und Adverbialphrasen quantitativ ermittelt. Die anschlie‐ ßende Grafik zeigt die anteilige Verwendung der kohäsiv verwendeten Adverbien und Adverbialphrasen 31 innerhalb einer linearen Satzabfolge in einer Inversion oder zur Nebensatzkonstruktion in den Erzähltexten unter Berücksichtigung der Erhebungsreihenfolge und in der entsprechenden Farbe: 0,59 0,53 0,55 0,53 0,40 0,46 0,43 0,45 0,01 0,01 0,02 0,02 0,00 0,20 0,40 0,60 0,80 1,00 Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 1 Gruppe 2 fiktiver Erzählimpuls imaginärer Erzählimpuls lineare Satzfolge Inversion Nebensatzkonstruktion lineare Satzfolge Inversion Nebensatzkonstruktion Gruppe 1 Gruppe 2 lineare Satzfolge n = 44 n = 51 Gruppe 1 Gruppe 2 lineare Satzfolge n = 44 n = 51 Abb. 39: Syntaktische Verwendung der kohäsiv verwendeten Adverbien 199 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes Der Grafik kann entnommen werden, dass Adverbien in allen Erhebungen über‐ wiegend in linearen Satzabfolgen oder Inversionen auftreten. Die Konstruktion eines Nebensatzes durch ein Adverb kommt in allen Erzähltexten lediglich sechs Mal vor und macht in den Datenkorpora im Durchschnitt ca. 1 % aus. Die Ein‐ bettung eines Adverbs innerhalb einer linearen Satzfolge wird durchschnittlich in 44 % der Fälle realisiert. Die syntaktisch komplexere Satzkonstruktion, in der das Adverb in einer Inversion verwendet wird, kommt unabhängig von der Gestaltung des narratoästhetischen Erzählimpulses am häufigsten vor (ca. 55 %). Damit ist der prozentuale Unterschied zwischen diesen beiden Formen der syn‐ taktischen Einbettung sehr gering (ca. 44 % zu ca. 55 %). Weiterführend können sowohl in Bezug auf die Erzählungen zu den verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen als auch mit Berücksichtigung der Erhebungsreihenfolge keine nennenswerten Unterschiede in der syntaktischen Einbettung der Adverbien erfasst werden. Anhand der deskriptiven Häufigkeitsanalyse zur syntaktischen Verwendung der Adverbien kann demnach geschlossen werden, dass die Ad‐ verbien syntaktisch in einem vergleichbaren Verhältnis mehrheitlich durch eine lineare Satzfolge oder eine Inversion in die Erzählstruktur eingebettet werden. Die bisherigen Analyseergebnisse beziehen sich auf eine deskriptive Korpus‐ analyse, in der alle Erzähltexte des jeweiligen Datenkorpus zusammengefasst betrachtet werden. Für eine differenziertere Analyse der einzelnen Erzähltexte werden zum Abschluss der deskriptiven Häufigkeitsanalyse die Anzahl sowie die Variation an kohäsiv verwendeten Adverbien innerhalb eines Erzähltextes betrachtet. Zunächst werden in einem Histogramm die Ergebnisse der Häufig‐ keitsverteilung zur unterschiedlichen Anzahl an Adverbien in einem Erzähltext entsprechend den verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen gegen‐ übergestellt. Dazu wird auf der y-Achse die mögliche Anzahl an Adverbien in einem Erzähltext angezeigt. Die x-Achse differenziert die möglichen Häufig‐ keiten für die Anzahl an Erzähltexten mit entsprechender Anzahl an kohäsiv verwendeten Adverbien. In der Grafik sind die Ergebnisse zur Visualisierung farblich hervorgehoben. Die dunkelgrau markierten Balken geben die Häufig‐ keitsverteilung der Erzähltexte ausgehend zum fiktiven Erzählimpuls wieder. Die Ergebnisse der Häufigkeitsanalyse für die Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls werden hellgrau visualisiert: 200 6 Empirische Analyse Abb. 40: Anzahl an kohäsiv verwendeten Adverbien in einem Erzähltext (n = 95) Die geringste Anzahl an kohäsiv verwendeten Adverbien in einem Erzähltext liegt für beide Erzähltextkorpora bei null. Insgesamt können sieben Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls und zwölf Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls erfasst werden, in denen kein Adverb zur kohäsiven Textgestaltung verwendet wird. Das Pendant dazu mit der höchsten Anzahl an Adverbien bildet ein Er‐ zähltext mit elf Adverbien. In beiden Datenkorpora kann jeweils ein Erzähltext mit elf kohäsiv verwendeten Adverbien ausgemacht werden. Damit erstreckt sich die Anzahl an kohäsiv verwendeten Adverbien innerhalb eines Erzähltextes für beide Erzähltextkorpora von null bis elf. Trotz einer vergleichbaren Spanne der möglichen Anzahl an Adverbien in einem Erzähltext lässt sich zwischen den zwei Erzähltextkorpora ein Unterschied in Bezug auf die Extrema aufzeigen. Der Anteil an Erzähltexten, in denen maximal ein Adverb gebraucht wird, entspricht für den Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls einer Anzahl von 36. Diese 36 Erzähltexte machen 37,9 % des Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls aus. Bei den Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls enthalten insgesamt 25 Erzähltexte maximal ein Adverb zur kohäsiven Textgestaltung. Diese 25 Erzähltexte entsprechen einem Anteil von 26,3 % des Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls. Es können bei einem Vergleich der Erzähltextkor‐ pora demnach weniger Erzähltexte mit maximal einem kohäsiv verwendeten Adverb in dem Datenkorpus zum fiktiven Erzählimpuls erfasst werden. Eine umgekehrte Tendenz zeigt sich für die Erzähltexte, in denen mehr als sieben Ad‐ verbien kohäsiv verwendet werden. In dem Erzähltextkorpus zum imaginären 201 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes Erzählimpuls können insgesamt zwei Erzähltexte mit mindestens sieben Adver‐ bien zur kohäsiven Verknüpfung erfasst werden. Diese machen insgesamt 2,1 % des Erzähltextkorpus aus. In dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls sind es insgesamt sieben Erzähltexte, sodass ein Anteil von 7,4 % der Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls mit dem Rückgriff auf mindestens sieben Adverbien gestaltet wird. Es können bei einem Vergleich der Erzähltextkorpora demnach mehr Erzähltexte mit mindestens sieben kohäsiv verwendeten Adverbien in dem Datenkorpus zum fiktiven Erzählimpuls erfasst werden. Der Anteil an Erzähltexten mit zwei bis fünf Adverbien ist in beiden Datenkorpora relativ ähnlich verteilt. Sie machen mit ca. 60 % jeweils den Großteil der Erzähltexte aus (61 Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls und 57 Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls). Zusammenfassend lässt die deskriptive Häufigkeitsanalyse zur Anzahl an Adverbien in einem Erzähltext darauf schließen, dass tendenziell geringfügig mehr Adverbien in einem Erzähltext enthalten sind, wenn dieser ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls gestaltet wird. Neben der Anzahl an Adverbien in einem Erzähltext ist die Variation der Adverbien in einem Erzähltext bestimmt worden. Zur Ermittlung der variierenden Verwendung von Adverbien wird für jeden Erzähltext die Häufigkeit an Adverbien insgesamt (token) im Verhältnis zu den Vorkommnissen verschiedener Adverbien (types) gesetzt. Eine maximale Variation ergibt sich bei einer Type-Token-Relation von eins. Diese lässt darauf schließen, dass alle kohäsiv verwendeten Adverbien ma‐ ximal verschieden sind. Bei einer wiederholenden Verwendung eines Adverbs ergibt sich dementsprechend ein geringerer Wert. Für die deskriptive Gegenüberstellung werden die Häufigkeiten auf die erste Nachkommastelle gerundet. Unberücksichtigt bleiben bei dieser Analyse die Erzähltexte, in denen gar keine Adverbien verwendet wurden. In der Grafik ist die Häufigkeitsverteilung für die einzelnen Klassen zur Variation der Adverbien für den Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls dunkelgrau dargestellt. Die hellgrau gefärbten Balken geben die Häufigkeiten für den Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls wieder: 202 6 Empirische Analyse Type-Token-Relation Adverbien Type-Token-Relation Adverbien Häufigkeiten Häufigkeiten fiktiver Erzählimpuls (n = 88) imaginärer Erzählimpuls (n = 83) Abb. 41: Variation kohäsiv verwendeter Adverbien in einem Erzähltext Die Häufigkeitsverteilung zeigt, dass sich in beiden Erzähltextkorpora mehr als die Hälfte der Erzähltexte durch eine maximale Variation an verwendeten Adverbien auszeichnet (Type-Token-Relation = 1). In dem Datenkorpus zum fik‐ tiven Erzählimpuls sind es insgesamt 73 Erzähltexte mit einer Type-Token-Re‐ lation = 1. Damit gelingt es bereits 83 % der Kinder, die Adverbien in ihren Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls maximal zu variieren. Bei den Erzäh‐ lungen zum imaginären Erzählimpuls entspricht die Type-Token-Relation der Adverbien in 62 Erzählungen dem Wert 1. Damit gelingt es 74,7 % der Kinder, die kohäsiv verwendeten Adverbien bei der Erzählgestaltung maximal zu variieren. Diese hohen Anteile an Erzähltexten mit maximaler Variation können u. a. darauf zurückgeführt werden, dass in beiden Erzähltextkorpora bereits in einer Vielzahl an Erzähltexten ausschließlich ein Adverb verwendet wird (18 Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls und 24 Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls, s. Abbildung 40). Wenn diese Erzähltexte in der Häufigkeitsver‐ teilung zur Variation an Adverbien in einem Erzähltext ausgeblendet werden, ist der Unterschied einer maximalen Variation in einem Erzähltext zwischen den beiden Erzähltextkorpora stärker zugunsten des Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls ausgeprägt (62,5 % zu 45,8 %). Demnach wird ein Erzähltext bei der Verwendung von mehr als einem Adverb tendenziell etwas häufiger maximal variiert, wenn er ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls gestaltet wird. Aus der großen Häufigkeit an Erzähltexten mit einer maximalen Variation resultiert, dass insgesamt sehr wenige Kinder ausgemacht werden können, die in ihren Erzähltexten mindestens ein Adverb wiederholend verwenden. Bei 203 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes 32 Es kann aufgrund der gerichteten Hypothese von einer einseitigen Signifikanz ausge‐ gangen werden. Diese resultiert aus der Hälfte der zweiseitigen Signifikanz (vgl. Kapitel 5.4). der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls sind es insgesamt 15 Kinder. Ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls verwenden insgesamt 21 Kinder mindestens ein Adverb wiederholend zur Erzählgestaltung. Dabei liegen die Werte der Type-Token-Relation zwischen 0,3 und 0,9 und sind in Bezug auf die beiden Erzähltextkorpora ähnlich verteilt. Es kann somit kein aussagekräftiger Unterschied zwischen den beiden Erzähltextkorpora in Bezug auf eine geringere Variation von Adverbien in einem Erzähltext aufgezeigt werden. Die deskriptiven Analyseergebnisse geben bisher Auskunft über die Häu‐ figkeiten der Adverbien innerhalb des jeweiligen Erzähltextkorpus. Anhand einer Mittelwertanalyse der einzelnen Erzähltextpaare jedes Kindes soll ab‐ schließend statistisch geprüft werden, ob sich ein Effekt in dem Gebrauch kohäsiv verwendeter Adverbien zugunsten der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls ergibt. Die Mittelwertanalyse wird unter Berücksichtigung der Erhebungsreihenfolge für die Anzahl an Adverbien berechnet. Die Ergebnisse der Mittelwertanalyse werden sowohl für die gesamte Stichprobe als auch für die beiden Erhebungsgruppen angeführt. Methodisch ist bereits in Kapitel 5.4 hergeleitet worden, dass für die Mittelwertanalyse zur Anzahl kohäsiv verwendeter Adverbien ein t-Test für abhängige Stichproben herangezogen werden kann. In der anschließenden Tabelle werden die Ergebnisse des t-Tests durch die Mittelwerte, den t-Wert, die Freiheitsgrade (df), die zweiseitige, asymptotische Signifikanz und die Effektstärke (d) zusammengetragen: A DVERBIEN ALS KOHÄSIVE M ITTEL imaginärer Erzählimpuls (t1) fiktiver Erzählimpuls (t2) t-Wert df asymptotische Sig. (2-seitig) Effektstärke (d) Mittelwert Std.-Abw. Mittelwert Std.-Abw. G ESAMTE S TICHPROBE (n = 95) 2,3474 1,9283 2,8105 2,0746 2,206 94 0,030 0,23 G RUPPE 1 (n = 44) 2,4318 2,0731 2,7955 2,0412 1,066 43 0,292 - G RUPPE 2 (n = 51) 2,2745 1,8119 2,8235 2,1233 2,110 50 0,040 0,30 Tab. 25: Ergebnisse Mittelwertanalyse Adverbien als kohäsive Mittel Für die gesamte Stichprobe kann ein t-Wert von t(94) = 2,206 ermittelt werden. Dieser weist mit einer einseitigen Signifikanz von p = 0,015 32 und einer Effektstärke von d = 0,23 auf einen geringen Effekt hin. Allerdings zeigt die Berücksichtigung der Erhebungsgruppen, dass dieser Effekt primär auf die Erzählgestaltung zum zweiten Erhebungszeitpunkt zurückgeführt werden kann. Die Mittelwertanalyse ergibt für die Kinder der zweiten Gruppe einen 204 6 Empirische Analyse t-Wert von t(50) = 2,110. Mit einer einseitigen Signifikanz (p = 0,02) kann eine Effektstärke von d = 0,30 berechnet werden. Das entspricht ebenfalls einem kleinen Effekt. Im Gegensatz dazu ergibt sich für die erste Erhebungsgruppe ein geringerer t-Wert von t(43) = 1,066. Aufgrund einer fehlenden Signifikanz kann in diesem Zusammenhang zwar keine Effektstärke berechnet werden. Ausgehend von dem positiven t-Wert kann aber angenommen werden, dass die Kinder der ersten Erhebungsgruppe tendenziell etwas mehr Adverbien bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls verwenden. Allerdings zeugt der geringere t-Wert der ersten Gruppe (t(43) = 1,066) im Verhältnis zum t-Wert der zweiten Erhebungsgruppe (t(50) = 2,110) davon, dass der Unterschied der Anzahl an Adverbien zwischen den Erzähltexten eines Kindes zugunsten des fiktiven Erzählimpulses für die zweite Erhebungsgruppe stärker ist. Allerdings zeigt die deskriptive Häufigkeitsanalyse, dass die Kinder beider Gruppen im Durchschnitt vergleichbar viele Adverbien in den Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls verwenden. Damit bestätigt die Mittelwertanalyse die Vermutung der Häufigkeitsanalyse, dass sich die vorausgegangene Erzähltextgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls tendenziell positiv auf die Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls auswirkt. Zusammenfassend lässt die quantitative Analyse zur kohäsiven Verwen‐ dung von Adverbien der gesamten Stichprobe schlussfolgern, dass alle Kinder unabhängig von der Erhebungsreihenfolge tendenziell mehr Adverbien zur kohäsiven Erzählgestaltung ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls nutzen. Speziell für die Verwendung von Adverbien bei der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls gelingt es den Kindern, im Durchschnitt etwas mehr Adverbien zu gebrauchen, wenn sie zwei Wochen zuvor bereits eine Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls verfasst haben. 6.1.3 Qualitative Analyse des Junktionengebrauchs Es folgt die Analyse der kohäsiv verwendeten Junktionen in den kindlichen Erzähltexten zu verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen. Sowohl bei der qualitativen Analyse einzelner Erzähltextpaare als auch bei der quantita‐ tiven Erzähltextanalyse der gesamten Stichprobe werden Junktionen in Bezug auf die semantischen Relationen und die syntaktische Verwendung betrachtet. Zur Hervorhebung der Junktionen innerhalb der Erzähltexte werden die verwendeten Junktionen farblich grau hinterlegt. 205 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 70 In der Analyse des Junktionengebrauchs von Kind 70 können mehr Junktionen in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls erfasst werden. Das Kind gebraucht in dieser Erzählung insgesamt fünf Junktionen, um die Erzählung kohäsiv zu verknüpfen. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls können insgesamt zwei kohäsiv verwendete Junktionen erfasst werden: 1. Die Torte ist weg! Diebe auf der Feier. 2. Es lebte im Wald eine Familie Hund. Die hat Heute hat Tina Geburtstag. Sie ist heute 7 3. einen großen Kirschkuchen gebacken. Herr Jahre alt. Sie hatte heute Mattis und Maia 4. Hund harkte nur noch zu Ende. Doch da kamen eingeladen und feierte. Ihra gefällt das gar 5. die Ratten und klauten den Kirschkuchen. Herr nicht. Sie schleicht sich mit Leon an und 6. Hund und Frau Hund rannten hinterher. Die klauen die Torte. Dann laufen die beiden in 7. Ratten liefen zu ihrem Versteck. Doch da den Wald. Maia ist sehr schnell, Mattes auch. 8. sprang Herr Hund auf die Ratten und fesselte „Los, hinterher! “, ruft Mattes und alle laufen 9. die beiden Ganoven an einen Baum. Jetzt holte in den Wald. Alle rufen: „Stehen bleiben! “ 10. Frau Hund die anderen Tiere und feierte 30 Doch die beiden hören sie nicht. Da sitzen sie. 11. Jahre Diebe und jetzt nicht mehr. Ihra will abhauen, aber Maia hält sie fest: 12. „Den Kuchen, wenn ich bitten darf! “ „Da 13. steht er.“ „Gut, ihr könnt laufen.“ Mit der 14. Torte in der Hand gehen sie zurück und feiern. Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 70-EfE) Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 70-EiE) Tab. 26: Junktionengebrauch in den Erzähltexten von Kind 70 Es kann zwischen den beiden Erzähltexten nicht nur ein Unterschied in der Anzahl an Junktionen ausgemacht werden, sondern auch in der Variation an se‐ mantischen Relationen. In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls gelingt es dem Kind, mit den Junktionen jeweils verschiedene semantische Relationen auszudrücken. Es können Junktionen zum Ausdruck temporaler, adversativer, kopulativer und konditionaler Relationen erfasst werden. In der Erzählgestal‐ tung zum fiktiven Erzählimpuls begrenzt sich der Ausdruck semantischer Relationen bei den verwendeten Junktionen auf das Herausstellen adversativer Zusammenhänge. Somit führt die Erzählung zum imaginären Erzählimpuls zu einer größeren Variation an semantischen Relationen im Junktionengebrauch. Ein qualitativer Vergleich der eingesetzten Junktionen zwischen den beiden Erzählungen zeigt, dass diese in verschiedenen inhaltlichen Zusammenhängen verwendet werden. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls nutzt das Kind jeweils zu Beginn und zum Ende der Komplikation eine Junktion. Zu Beginn der Komplikation markiert das Kind mit der adversativen Junktion doch da den unerwarteten Eintritt der Komplikation: „Herr Hund harkte nur noch zu Ende. Doch da kamen die Ratten und klauten den Kirschkuchen.“ (Kind 70-EfE, Zeile 3-5). Syntaktisch verwendet das Kind die Junktion als Konjunktion 206 6 Empirische Analyse mit Partikel-/ Adverb-Junktionen, sodass es dem Kind gelingt, die Junktionen narrationsspezifisch zur Hervorhebung der Textmusterphase zu verwenden. Bei der zweiten Junktion in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls am Ende der Komplikation handelt es sich ebenfalls um die adversative Junktion doch da, welche syntaktisch als Konjunktion mit Partikel-/ Adverb-Junktionen in den Satz integriert wird. Inhaltlich stellt das Kind damit den Abschluss der Verfolgungsjagd adversativ aus dem Handlungsverlauf heraus: „Doch da sprang Herr Hund auf die Ratten und fesselte die beiden Ganoven an einen Baum.“ (Kind 70-EfE, Zeile 7-9) In der Erzählung kann dieser adversativen Junktion somit ebenfalls eine narrationsspezifische Funktion zugeschrieben werden. In dem Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls gebraucht das Kind die zahlreichen Junktionen ebenfalls alle innerhalb der Textmusterphase der Kom‐ plikation. Allerdings fokussiert das Kind in diesem Zusammenhang nicht struk‐ turelle Merkmale der Erzählung und stellt den Beginn der Komplikation oder die Zuspitzung der Ereignisse besonders heraus. Die Junktionen fungieren in erster Linie dazu, inhaltliche Zusammenhänge zwischen den aufeinanderfolgenden Propositionen zu verstärken. Dazu verknüpft das Kind zunächst den sprachlich unmarkierten Beginn der Komplikation mit der darauffolgenden Reaktion. Das Kind greift dafür auf die temporale Adverb-Junktion dann zurück: „Dann laufen die beiden in den Wald.“ (Kind 70-EiE, Zeile 6 f.) Im weiteren Verlauf der Erzählung nutzt das Kind eine kopulative Junktion, wodurch das Rufen des Jungen und das Loslaufen der Geburtstagsgäste gleichrangig verknüpft werden: „ruft Mattes und alle laufen in den Wald.“ (Kind 70-EiE, Zeile 8 f.) Inhaltlich führen diese beiden Junktionen jeweils implizit visualisierte Ereignisse ein. Sowohl das Weglaufen der Diebe in den Wald als auch das Hinterherlaufen der Kinder wird nicht explizit auf dem narratoästhetischen Erzählimpuls abgebildet. Beide Figurengruppen werden jeweils direkt im Wald abgebildet. Damit gelingt es dem Kind, mittels der Junktion wichtige Inhalte für einen globalkohärenten Handlungsstrang kohäsiv in den Handlungsstrang einzubinden. Im weiteren Verlauf der Komplikation werden zwei Junktionen zum Aus‐ druck adversativer Relationen (doch, aber) verwendet, mit denen jeweils die Handlungen der beiden Figurengruppen gegenübergestellt werden: „Alle rufen: ,Stehen bleiben! ‘ Doch die beiden hören sie nicht. Da sitzen sie. Ihra will abhauen, aber Maia hält sie fest“ (Kind 70-EiE, Zeile 9-11). Durch die beiden adversativen Konjunktionen gelingt es dem Kind innerhalb der Kom‐ plikation, die Ereignisse der Verfolgungsjagd sprachlich als Reaktionen und Aktionen zu markieren. Die kohäsive Verknüpfung der Ereignisse führt zu einem verstärkenden Ausdruck von Spannung innerhalb der Komplikation. Außerdem handelt es sich bei diesen Ereignissen wieder um implizit visualisierte 207 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes Ereignisse (das Rufen von Mattes und das Nicht-Hören der Diebe), die das Kind für eine kohärente Erzählstruktur anführt. Demnach erzielen die beiden adversativen Konjunktionen doch und aber innerhalb der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls zum einen die narrationsspezifische Verstärkung einer spannungsgeladenen Komplikation. Zum anderen gelingt es dem Kind, mit der Integration der implizit visualisierten Ereignisse einen globalkohärenten Handlungsstrang zu erzeugen. Zuletzt verwendet das Kind innerhalb der Figurenrede sogar eine konditio‐ nale Junktion, die erzähltheoretisch im kindlichen Erzählgebrauch eher selten auszumachen ist: „,Den Kuchen, wenn ich bitten darf! ‘“ (Kind 70-EiE, Zeile 12) Syntaktisch wird diese Junktion stark in den Satz integriert und als Subjunktion verwendet, sodass es zur finiten Verbendstellung kommt. Die Satzkonstruktion weist allerdings eine Nähe zum mündlichen Sprachgebrauch auf, die sich im Zusammenhang mit der Figurenrede erklärt. Es gelingt dem Kind, mit der konditionalen Subjunktion die verbale Aufforderung sprachlich zu verstärken. Zusammenfassend zeigt die qualitative Analyse für die Erzähltexte zu verschie‐ denen Erzählimpulsen sowohl einen Unterschied in der Anzahl an kohäsiv verwendeten Junktionen als auch in dem funktionalen Gebrauch dieser. Die wenigen adversativen Junktionen in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls werden in erster Linie zur Verstärkung des narrativen Textmusters verwendet, indem das Kind die Junktionen u. a. als narrativ-strukturierende Gebrauchs‐ muster nutzt und die Komplikation hierarchisch aus dem Textmuster hervor‐ hebt. Zusätzlich werden die Zuspitzung der Ereignisse und somit der Höhepunkt der Komplikation in dem Textmuster sprachlich markiert. Im Gegensatz dazu fungieren die Junktionen innerhalb der imaginären Erzählgestaltung zur in‐ haltlichen Verstärkung oder zur kohäsiven Integration implizit visualisierter Ereignisse in den Handlungsstrang. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 43 Ein Vergleich des Junktionengebrauchs in den Erzähltexten von Kind 43 zeigt, dass das Kind in beiden Erzähltexten gleich viele Junktionen verwendet. Insge‐ samt können sechs Junktionen erfasst werden. In beiden Erzähltexten nutzt das Kind somit jeweils drei Junktionen: 208 6 Empirische Analyse 1. Der Kuchen ist weg! Diebe auf der Feier 2. Zwei Hunde wohnten einmal in einem schönen Es waren einmal drei Kinder. Die hießen Ben 3. und gemütlichen Haus. Sie waren gerade dabei Lia und Alina. Alina hatte Geburtstag. Sie 4. beschäftigt aufzuräumen. Da kamen zwei bekam eine Puppe, ein Springseil und was man 5. Mäuse und nahmen den Kuchen mit, den die sonst noch alles bekommt. Da kamen Luis und 6. Hunde gebacken haben. Die zwei Hunde Ane. Luis und Ane nahmen den Kuchen mit! 7. rannten den Dieben hinterher. Der Mann nahm Sie rannten die Straße entlang. Ben, Lia und 8. das Werkzeug mit, mit dem er vorher gearbeitet Alina rannten ihnen hinterher. Als sie die Diebe 9. hat. Inzwischen rannten die Mäuse zum Fluss eingeholt hatten, nahmen sie ihnen den Kuchen 10. hinunter. Als die Mäuse am Fluss angekommen weg. Dann gingen sie nach Hause und feierten 11. sind, packte der Mann die Mäuse und sie noch schön weiter. 12. kugelten auf der Wiese herum. Etwas später 13. saßen alle Freunde von den Hunden auf der 14. Wiese und aßen den Kuchen. Die Diebe waren 15. an einem Baum angebunden. Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 43-EfE) Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 43-EiE) Tab. 27: Junktionengebrauch in den Erzähltexten von Kind 43 In dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls werden die Junktionen zum Ausdruck temporaler und kopulativer Zusammenhänge verwendet. In der Er‐ zählung zum imaginären Erzählimpuls können alle Junktionen ausschließlich in temporaler Relation erfasst werden. Allerdings zeigt die Analyse der temporalen Junktion da für beide Erzählungen, dass diese nicht primär zum Erzeugen temporaler Zusammenhänge im Handlungsstrang verwendet werden. In beiden Erzähltexten fungiert die Junktion da zur Hervorhebung der eintretenden Kom‐ plikation. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls wird die Komplikation mit der Junktion wie folgt eingeleitet: „Da kamen zwei Mäuse und nahmen den Kuchen mit, den die Hunde gebacken haben.“ (Kind 43-EfE, Zeile 4-6) Das Kind gebraucht die Junktion syntaktisch als eine Adverb-Junktion und hebt damit den Eintritt der Komplikation hierarchisch hervor. Gleiches gilt für die Adverb-Junktion da in dem Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls: „Da kamen Luis und Ane.“ (Kind 43-EiE, Zeile 5 f.) Das Kind leitet hiermit das Auftauchen der beiden Kinder ein, welche im Anschluss den Kuchen klauen, und hebt dieses Ereignis als Komplikation hervor. Anhand der inhaltlichen Zusammenhänge wird deutlich, dass das Kind mit der Junktion da vielmehr eine narrative Strukturierung als eine temporale Verknüpfung fokussiert. Zum Ende der Komplikation verwendet das Kind in beiden Erzähltexten ein weiteres Mal die gleiche Junktion zur temporalen Verknüpfung analoger Ereignisse. Sprachlich nutzt das Kind die temporale Subjunktion als. In der Er‐ zählung zum fiktiven Erzählimpuls kann in diesem Zusammenhang außerdem noch die kopulative Junktion und ausgemacht werden: „Als die Mäuse am Fluss angekommen sind, packte der Mann die Mäuse und sie kugelten auf 209 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes der Wiese herum.“ (Kind 43-EfE, Zeile 10-12) Inhaltlich verknüpft das Kind damit das Ankommen am Fluss und das Ergreifen der Mäuse. Syntaktisch wird die Junktion als Subjunktion verwendet, sodass eine zeitliche Abhängigkeit zwischen den Ereignissen ausgedrückt wird. Inhaltlich ist hervorzuheben, dass das Kind in diesem Zusammenhang implizit visualisierte Ereignisse anführt und in den Handlungsstrang einbettet. Insgesamt können mit dem Ankommen der Tiere am Fluss und dem Packen der Ratten sogar zwei zusätzliche Ereignisse an‐ geführt werden, wodurch sich auch die Verwendung der aufeinanderfolgenden Junktionen erklären lässt. Der narratoästhetische Erzählimpuls visualisiert in diesem Kontext lediglich die kämpfenden bzw. kugelnden Tiere, sodass es dem Kind durch zeitliche und kopulative Verknüpfungen ergänzender Ereignisse gelingt, einen kohärenten Handlungsstrang zu erzeugen. In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls nutzt das Kind eine vergleich‐ bare Satzkonstruktion ebenfalls zur inhaltlichen Ereignisdarstellung am Ende der Komplikation: „Als sie die Diebe eingeholt hatten, nahmen sie ihnen den Kuchen weg.“ (Kind 43-EiE, Zeile 8-10) Die Junktion als wird in diesem Kontext syntaktisch als Subjunktion verwendet und drückt in dem Handlungsverlauf in vergleichbarer Form eine zeitliche Abhängigkeit aus. Das Einholen der Diebe als elementares Ereignis für einen zusammenhängenden Handlungsstrang wird mittels der Sub‐ junktion als in den Handlungsstrang eingegliedert. Hervorzuheben ist auch in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls, dass das Einholen der Diebe lediglich implizit aus der Kombination der visualisierten Ereignisse des narratoästhetischen Erzählimpulses erschlossen werden kann. Im Zusammenhang mit der Junktion dann innerhalb der Auflösung führt das Kind eine weitere Versprachlichung eines implizit visualisierten Ereignisses an: „Dann gingen sie nach Hause und feierten noch schön weiter.“ (Kind 43-EiE Zeile 10 f.) Syntaktisch wird die Junktion als Adverb-Junktion verwendet und fungiert somit gleichzeitig zur sprachlichen Markierung der Textmusterphase. Dem Kind gelingt es somit, bei der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls ebenfalls die Textmusterphase der Auflösung mittels einer Junktion sprachlich zu verknüpfen. Zusammenfassend setzt das Kind unabhängig vom narratoästhetischen Er‐ zählimpuls die Junktionen funktional zur Hervorhebung des narrativen Text‐ musters oder zur kohäsiven Integration implizit visualisierter Ereignisse in den Handlungsstrang ein. Zwei der eingesetzten Junktionen (und, als) können in den Erzähltexten jeweils in einem vergleichbaren inhaltlichen Kontext ausgemacht werden. Zusätzlich wird in jeder Erzählung jeweils eine weitere Junktion angeführt. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls fungiert die Konjunk‐ tion und zur kohäsiven Integration eines implizit visualisierten Ereignisses in den Handlungsstrang. In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls wird 210 6 Empirische Analyse die Junktion dann zum einen zur sprachlichen Markierung der Auflösung verwendet. Zum anderen wird gleichzeitig ein implizit visualisiertes Ereignis in den Handlungsstrang integriert. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 26 Die Gegenüberstellung der Erzähltexte von Kind 26 zeigt, dass dieses deutlich mehr Junktionen in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls verwendet. In dieser Erzählung können insgesamt fünf Junktionen zur kohäsiven Verknüp‐ fung des Handlungsstrangs erfasst werden. Zwei Wochen später zur Erzählge‐ staltung zum imaginären Erzählimpuls gebraucht das Kind eine Junktion: 1. Es lebte einmal in einem Wald eine kleine Diebe auf der Feier! 2. Bärenfamilie. Sie hatten gerade einen Kuchen Es gab draußen mal eine Feier. Da gab es viele 3. gebacken, als zwei kleine Mäuse kamen und Geschenke und eine ganz, ganz schöne 4. den Kuchen vom Tisch nahmen. Die Geburtstagstorte. Auf einmal war die Torte 5. Bärenfamilie erschrak, als sie das sahen. Sofort weg. Zwei freche Kinder, ein Junge und ein 6. kam der Papa und rannte hinterher und bald Mädchen, haben die Torte geklaut. Die beiden 7. hatte der Papa die zwei Diebe und der Papa sind weggerannt. Die anderen Kinder sind 8. hatte die Torte und danach hatten sie wieder hinterher. Auf einmal blieben die Kinder und 9. schön geschmaust. Ende gaben die Torte ab. Dann konnten sie schön 10. feiern. Ende. Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 26-EfE) Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 26-EiE) Tab. 28: Junktionengebrauch in den Erzähltexten von Kind 26 Die verwendeten Junktionen werden überwiegend zum Ausdruck temporaler Relationen verwendet. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls kann eine Junktion erfasst werden, die das Kind zur kopulativen Verknüpfung der Ereig‐ nisse verwendet. In einem qualitativen Blick auf die verwendeten Junktionen in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls fällt auf, dass diese erst in der Textmusterphase der Komplikation einsetzen. Zunächst wird der Beginn der Komplikation mit der temporalen Junktion als eingeführt: „Sie hatten gerade einen Kuchen gebacken, als zwei kleine Mäuse kamen und den Kuchen von Tisch nahmen.“ (Kind 26-EfE, Zeile 2-4) Im Gegensatz zu den bisherigen Erzähltextanalysen verwendet das Kind die Junktion, um einen temporalen Zusammenhang zwischen den aufeinanderfolgenden Textmusterphasen herauszustellen. Eine hierarchische Hervorhebung kann nicht ge‐ schlussfolgert werden. Syntaktisch wird die Junktion als Subjunktion verwendet und führt somit zu einer komplexeren Nebensatzkonstruktion. Auch die nachfolgenden Ereignisse werden mittels der Subjunktion als temporal verknüpft: „Die Bärenfamilie erschrak, als sie das sahen.“ (Kind 26-EfE, Zeile 4 f.) Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass mit der Subjunktion als in beiden Fällen zwei Ereignisse in den 211 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes Handlungsstrang integriert werden, die nicht explizit auf dem narratoästhetischen Erzählimpuls visualisiert sind. Zwischen den einzelnen Ereignissen wird außerdem durch die temporale Subjunktion als jeweils eine zeitliche Rangfolge erzeugt: Zum einen muss der Klau des Kuchens darauf folgen, dass gerade erst ein Kuchen gebacken wurde. Zum anderen ist das Erschrecken der Figuren zeitlich erst nach dem Sehen des Diebstahls möglich. Die zeitlichen Beziehungen zwischen den Ereignissen führen dazu, dass bei den jeweils eintretenden Reaktionen (Klau der Torte, Erschrecken) die Dramatik verstärkt wird. Somit stellt das Kind die Komplikation zwar nicht durch sprachliche Gebrauchsmuster hierarchisch heraus, mit der komplexen aufeinander‐ folgenden Nebensatzkonstruktion und der Subjunktion als gelingt es dem Kind aber, die Dramatik und Spannung der Komplikation inhaltlich zu verstärken. Zum Ende der Komplikation verwendet das Kind in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls zwei Mal aufeinanderfolgend die kopulative Konjunktion und: „Und bald hatte der Papa die zwei Diebe und der Papa hatte die Torte“ (Kind 26-EfE Zeile 6-8). Diese fungieren im inhaltlichen Kontext zur Verknüpfung der aufeinanderfolgenden Ereignisse, die auch der visualisierten Narration des narratoästhetischen Erzählimpulses entsprechen. Hervorzuheben ist die abschließend verwendete Kombination einer kopulativen Konjunktion mit Adverb-Junktion und danach: „und danach hatten sie wieder schön geschmaust.“ (Kind 26-EfE, Zeile 8 f.) Inhaltlich führt das Kind die abschließenden Ereignisse der Narration zusammen, sodass die Junktion an dieser Stelle zur sprachlichen Markierung der Textmusterphase der Auflösung fungiert. Die verwendete Junktion in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls kann in vergleichbarer Funktion erfasst werden: „Dann konnten sie schön feiern.“ (Kind 26-EiE, Zeile 9) Auch in diesem Zusammenhang verknüpft das Kind inhaltlich das Wiederbe‐ kommen der Torte und die Abschlusssituation, sodass die Junktion gleichzeitig als narrativ-strukturierendes Gebrauchsmuster fungiert. Zusammenfassend gebraucht das Kind in beiden Erzählgestaltungen eine Junktion, um die Textmusterphase der Auflösung sprachlich zu verstärken. Darüber hinaus können kohäsiv verwendete Junktionen in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls zur Integration implizit visualisierter Ereignisse in den Handlungsstrang ausgemacht werden. Diese fungieren gleichzeitig zur inhaltlichen Hervorhebung der Dramatik und Spannung innerhalb der Komplikation. Demnach verwendet das Kind nicht nur mehr Junktionen in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls, sondern setzte diese zur kohäsiven Einbettung zusätzlicher Ereignisse in den Handlungsstrang und der inhaltlichen Hervorhebung der Komplikation ein. 212 6 Empirische Analyse Zusammenfassung der qualitativen Ergebnisse Für die Analyse des Junktionengebrauchs in den ausgewählten Erzähltexten kann festgehalten werden, dass alle Kinder bei der Erzählgestaltung unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls auf Junktionen zur kohäsiven Ver‐ knüpfung zurückgreifen. Zunächst zeigt die Analyse der ausgewählten Stichprobe, dass bei dem Kind mit stärker ausgeprägten Literacy-Erfahrungen die Anzahl der Junktionen in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls höher als in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls ist (vgl. Kind 26). Das Kind mit geringen Literacy-Erfahrungen nutzt in dem Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls im Gegensatz zu dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls eine höhere Anzahl an Junktionen (vgl. Kind 70). Kind 43, dessen Literacy-Erfahrungen zu Schulbeginn auf ein logographisches Schreiben zurückzuführen sind, nutzt in beiden Erzählungen gleich viele Junktionen. In allen Erzähltexten sind die semantischen Relationen, die mit den Junktionen zur kohäsiven Verknüpfung der Ereignisse ausgedrückt werden, vielfältig. Allerdings überwiegt der Ausdruck adversativer, temporaler und kopulativer Relationen. Weiterführend zeigen die qualitativen Erzähltextanalysen in Bezug auf die syntaktische Verwen‐ dung der Junktionen, dass alle möglichen Formen der syntaktischen Verwendung in den Erzähltexten auszumachen sind. In der qualitativen Analyse der verwendeten Junktionen im inhaltlichen Kontext der Erzählung konnte herausgestellt werden, dass Junktionen bei der Erzählgestaltung entweder narrationsspezifisch zur sprachlichen Hervor‐ hebung der Textmusterphasen oder zur Integration inhaltlicher Ereignisse in den Handlungsstrang verwendet werden. Dazu kann unterschieden werden, ob ein explizit oder implizit visualisiertes Ereignis in den Handlungsstrang integriert wird, wobei der Einsatz der Junktionen zur kohäsiven Integration implizit visualisierter Ereignisse überwiegt. Zusammenfassend können die Junktionen in einer narrationsspezifischen Verwendung als auch zur Integration inhaltlicher Ereignisse in den Handlungsstrang unabhängig von dem narratoäs‐ thetischen Erzählimpuls in fast allen Erzähltexten der ausgewählten Stichprobe ausgemacht werden. Bei einem Vergleich der beiden Erzählungen des Kindes mit geringeren Literacy-Erfahrungen werden die zusätzlichen Junktionen in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls primär zur Integration inhaltlicher Ereignisse in den Handlungsstrang verwendet (vgl. Kind 70). Die zusätzliche Verwendung von Junktionen in der Erzählung ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls kann bei dem Kind mit einem stark ausgeprägten Literacy-Kon‐ zept bei Schuleintritt vorrangig als narrationsspezifische Hervorhebung der Textmusterphasen ausgemacht werden (vgl. Kind 26). 213 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes 33 Analog zur Analyse der Adverbien und Adverbialphrasen kann aufgrund des geringen Unterschieds in der Anzahl an Propositionen zwischen den beiden Erzähltextkorpora bei der Analyse des Junktionengebrauchs auf die Bestimmung der Junktionen in Bezug zur Anzahl an Propositionen verzichtet werden. 6.1.4 Quantitative Analyse des Junktionengebrauchs Für die quantitative Analyse des Junktionengebrauchs in den Erzähltexten der gesamten Stichprobe (n = 95) wird zunächst in einer deskriptiven Häufigkeits‐ analyse die Anzahl an Junktionen mit Berücksichtigung der semantischen Rela‐ tionen für die beiden Erzähltextkorpora gegenübergestellt. 33 Die Ergebnisse der Häufigkeitsanalyse zu den verschiedenen Erzähltextkorpora können in einem Balkendiagramm angegeben werden. Zur Visualisierung sind die Ergebnisse des Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls dunkelgrau markiert. Die je‐ weilige Anzahl der Junktionen in dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls ist in Hellgrau dargestellt. 145 8 148 156 76 62 8 13 20 14 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 Erzähltextkorpus fiktiver Erzählimpuls Erzähltextkorpus imaginärer Erzählimpuls weitere Relationen kausale Relation adversative Relation temporale Relation kopulative Relation weitere Relationen kausale Relation adversative Relation temporale Relation kopulative Relation Abb. 42: Anzahl an Junktionen zum Ausdruck verschiedener semantischer Relationen (n = 95) 214 6 Empirische Analyse Der Häufigkeitsverteilung kann entnommen werden, dass in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls insgesamt 397 Junktionen gebraucht werden. In dem Datenkorpus zum imaginären Erzählimpuls sind es 331 Junktionen. Damit zeigt die deskriptive Häufigkeitsverteilung, dass in Erzähltexten zum fiktiven Erzähl‐ impuls tendenziell mehr Junktionen verwendet werden als in Erzähltexten zum imaginären Erzählimpuls. Bei einer genauen Betrachtung der semantischen Relationen wird deutlich, dass mit einer Junktion in beiden Erzähltextkorpora am häufigsten eine kopulative oder temporale Relation ausgedrückt wird. Dieses Ergebnis deckt sich mit denen von Binanzer/ Langlotz (2019). Kopulative Rela‐ tionen werden in dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls insgesamt durch 145 Junktionen ausgedrückt. Diese machen einen Anteil von 36,5 % aller verwendeter Junktionen in den Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls aus. In dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls werden 86 Junktionen zum Ausdruck kopulativer Relationen verwendet. Diese Junktionen entsprechen anteilig 26 % aller Junktionen in dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls. Der Ausdruck einer temporalen Relation wird in dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls bei 148 Junktionen realisiert (37,3 %). In dem Erzähl‐ textkorpus zum imaginären Erzählimpuls sind es insgesamt 156 Junktionen in temporaler Verwendung. Diese machen fast die Hälfte aller verwendeten Junktionen in den Erzählungen zum imaginären Erzählimpuls aus (47,1 %). Es ergibt sich damit ein Unterschied zwischen den Erzähltextkorpora bei der anteiligen Verwendung der Junktionen zum Ausdruck kopulativer und tempo‐ raler Relationen: Ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls verknüpfen Kinder tendenziell häufiger Ereignisse temporal. Im Gegensatz dazu werden die Junktionen in dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls häufiger zum Ausdruck kopulativer Relationen verwendet. Kopulativ verwendete Junktionen konnten in den qualitativen Analysen vor allem zur Integration implizit visualisierter Er‐ eignisse in den Handlungsstrang ausgemacht werden. Möglicherweise könnte der höhere Anteil an kopulativ verwendeten Adverbien daraufhin weisen, dass die Kinder in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls mehr implizit visualisierte Ereignis verknüpfen. Adversative Relationen werden in gleichen Anteilen in beiden Erzähltext‐ korpora mittels einer Junktion ausgedrückt. Die 76 adversativ verwendeten Junktionen in dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls und die 62 Junktionen zum Ausdruck adversativer Relation in dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls sind jeweils auf ca. 19 % der verwendeten Junktionen zurückzuführen. Der Gebrauch einer Junktion zum Ausdruck einer kausalen Relation oder einer weiteren möglichen Relation ist in beiden Erzähltextkorpora sehr selten auszumachen. Der Anteil dieser Junktion macht jeweils ca. 7 % aus. 215 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes Analog zur quantitativen Analyse des Adverbiengebrauchs wird auch für die verwendeten Junktionen die Erhebungsreihenfolge berücksichtigt. Aufgrund der unterschiedlichen Stichprobengröße wird für eine vergleichende Analyse des Junktionengebrauchs die durchschnittliche Anzahl an Junktionen zum Ausdruck verschiedener semantischer Relationen pro Erzähltext berechnet. Die Grafik visualisiert die durchschnittliche Anzahl der Junktionen für die beiden Erhebungsgruppen in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls in Dunkelgrau und in den Erzähltexten zum imaginären Erzählimpuls in Hellgrau: 1,14 1,86 0,80 1,00 1,43 1,67 1,75 1,55 0,80 0,80 0,75 0,57 0,07 0,10 0,16 0,12 0,18 0,24 0,18 0,12 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 4,00 4,50 5,00 Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 1 Gruppe 2 fiktiver Erzählimpuls imaginärer Erzählimpuls weitere Relationen kausale Relation adversative Relation temporale Relation kopulative Relation weitere Relationen kausale Relation adversative Relation temporale Relation kopulative Relation Gruppe 1 Gruppe 2 weitere Relationen n = 44 n = 51 Gruppe 1 Gruppe 2 weitere Relationen n = 44 n = 51 Abb. 43: Durchschnittliche Verwendung an Junktionen zum Ausdruck verschiedener semantischer Relationen Die Ergebnisse der Häufigkeitsanalyse zeigen bei der durchschnittlichen Ver‐ wendung an Junktionen in einem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls einen ersichtlichen Unterschied zwischen den beiden Erhebungsgruppen. Die Kinder der Gruppe 1 verwenden insgesamt durchschnittlich 3,62 Junktionen in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls. Im Gegensatz dazu kann bei der zweiten Erhebungsgruppe ein durchschnittlicher Gebrauch von 4,67 Junktionen ausge‐ macht werden. Damit nutzen die Kinder bei der Erzählgestaltung zum fiktiven 216 6 Empirische Analyse Erzählimpuls im Durchschnitt eine Junktion mehr, wenn die Erzählung zum zweiten Erhebungszeitpunkt verfasst wird. Im Gegensatz dazu ergibt sich bei der Erzählung zum imaginären Erzähl‐ impuls in der durchschnittlichen Anzahl an Junktionen ein geringerer Unter‐ schied zwischen den Erhebungsgruppen. Die Kinder der Gruppe 1 gebrauchen zum zweiten Erhebungszeitpunkt im Durchschnitt 3,64 Junktionen. In einem Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls der zweiten Erhebungsgruppe kann durchschnittlich ein Junktionengebrauch von 3,36 Junktionen ermittelt werden. Damit nutzen die Kinder 0,28 Junktionen mehr zur Erzählgestaltung zum ima‐ ginären Erzählimpuls, wenn die Erzählung zum zweiten Erhebungszeitpunkt verfasst wird. Dem Diagramm kann außerdem entnommen werden, dass sich für die erste Erhebungsgruppe kein nennenswerter Unterschied im durchschnittli‐ chen Junktionengebrauch zwischen den beiden Erzähltextkorpora ergibt (3,62 zu 3,64). Demnach gebrauchen die Kinder der ersten Erhebungsgruppe unab‐ hängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls im Durchschnitt die gleiche Anzahl an Junktionen zur Erzählgestaltung. Zusammenfassend kann anhand der deskriptiven Häufigkeitsanalyse der beiden Erhebungsgruppen geschlussfolgert werden, dass bei einer vorausgegangenen Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls der Junktionengebrauch in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls tendenziell stärker ausgeprägt ist (Erhebungs‐ gruppe 2). Demnach könnte sich eine vorausgegangene Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls positiv auf den Gebrauch kohäsiv verwendeter Junktionen bei der anschließenden Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls zum zweiten Erhebungszeitpunkt auswirken. Für die Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls hingegen kann anhand der empirischen Daten keine Tendenz für eine mögliche Auswirkung auf eine anschließende Erzählgestaltung zum zweiten Erhebungszeit‐ punkt abgeleitet werden (Erhebungsgruppe 1). In Bezug auf die jeweilige semantische Relation, die durch die verwendeten Junktionen ausgedrückt wird, können keine erkennbaren Auffälligkeiten zwi‐ schen den Erhebungsgruppen herausgestellt werden. Wie bereits die deskriptive Häufigkeitsverteilung für die zusammengefassten Erzähltextkorpora gezeigt hat, werden die zusätzlich verwendeten Junktionen hauptsächlich zum Aus‐ druck kopulativer oder temporaler Junktionen verwendet. Neben den semantischen Relationen wird außerdem die syntaktische Ver‐ wendung der verwendeten Junktionen für die gesamte Stichprobe analysiert. Es kann bei der syntaktischen Verwendung einer Junktion zwischen Konjunk‐ tion, Partikel/ Adverb-Junktion, Konjunktion + Partikel/ Adverb-Junktion und Subjunktion unterschieden werden. Zur Visualisierung der Ergebnisse wird in Anlehnung an Binanzer/ Langlotz (2019) ein Junktionenprofil erstellt, welches 217 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes die semantischen Relationen und die syntaktische Verwendung der Junktionen kombiniert. Die deskriptiven Häufigkeitsanalysen haben bereits gezeigt, dass kausale und weitere Relationen sehr selten durch eine Junktion ausgedrückt werden. Die geringe Anzahl an Junktionen würde keine aussagekräftigen Ergebnisse liefern, sodass jeweils ein Junktionenprofil für kopulativ, adversativ und temporal verwendete Junktionen erstellt wird. In den Junktionenprofilen werden der Erzählimpuls sowie die Erhebungsreihenfolge entsprechend der Farbe und Anordnung berücksichtigt: 0,90 0,86 0,91 0,82 0,10 0,14 0,09 0,18 0,00 0,20 0,40 0,60 0,80 1,00 Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 1 Gruppe 2 fiktiver Erzählimpuls imaginärer Erzählimpuls Gruppe 1 Gruppe 2 n = 44 n = 51 Gruppe 1 Gruppe 2 n = 44 n = 51 Konjunktion + Partikel-/ Adverb-Junktion Konjunktion Konjunktion + Partikel-/ Adverb-Junktion Konjunktion Abb. 44: Junktionenprofil Kopulativität 218 6 Empirische Analyse 0,54 0,51 0,48 0,45 0,46 0,49 0,52 0,55 0,00 0,20 0,40 0,60 0,80 1,00 Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 1 Gruppe 2 fiktiver Erzählimpuls imaginärer Erzählimpuls Gruppe 1 Gruppe 2 n = 44 n = 51 Konjunktion + Partikel-/ Adverb-Junktion Konjunktion Konjunktion + Partikel-/ Adverb-Junktion Konjunktion Gruppe 1 Gruppe 2 Konjunktion + Partikel n = 44 n = 51 Abb. 45: Junktionenprofil Adversität 0,68 0,66 0,62 0,61 0,22 0,18 0,22 0,16 0,10 0,16 0,16 0,23 0,00 0,20 0,40 0,60 0,80 1,00 Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 1 Gruppe 2 fiktiver Erzählimpuls imaginärer Erzählimpuls Gruppe 1 Gruppe 2 n = 44 n = 51 Gruppe 1 Gruppe 2 n = 44 n = 51 Subjunktion Konjunktion + Partikel-/ Adverb-Junktion Konjunktion Subjunktion Konjunktion + Partikel-/ Adverb-Junktion Konjunktion Abb. 46: Junktionenprofil Temporalität 219 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes Die Junktionenprofile zeigen, dass kopulative und adversative Relationen entweder durch eine Konjunktion oder die Verbindung einer Konjunktion mit Partikel-/ Adverb-Junktion ausgedrückt werden. Temporal verwendete Junktionen werden als Partikel-/ Adverb-Junktion, als Konjunktion mit Par‐ tikel-/ Adverb-Junktion oder als Subjunktion in den Satz integriert. Bei dem Ausdruck temporaler Relationen überwiegt die Verwendung der Junktionen als Partikel-/ Adverb-Junktion. Mit Bezug auf die qualitativen Analysen der ausge‐ wählten Erzähltexte könnte dieser große Anteil an Partikel-/ Adverb-Junktionen auf die Verwendung der Adverbien dann und da zurückgeführt werden. Diese können in allen qualitativ analysierten Erzähltexten der Kinder ausgemacht werden. Zusammenfassend zeigen die Junktionenprofile, dass es sowohl für die Erhe‐ bungsreihenfolge als auch für die Erzähltexte zu verschiedenen Erzählimpulsen keine ausschlaggebenden Unterschiede in der syntaktischen Verwendung der Junktionen gibt. Dieses Ergebnis lässt darauf schließen, dass die Kinder kopu‐ lative, temporale und adversative Junktionen bei der Erzählgestaltung in einem vergleichbaren Verhältnis in den Satz integrieren. Zum Abschluss der deskriptiven Häufigkeitsanalyse wird die Anzahl an Junk‐ tionen in einem Erzähltext zwischen den beiden Erzähltextkorpora verglichen. In der folgenden Grafik ist in zwei Histogrammen die Häufigkeitsverteilung zur unterschiedlichen Anzahl an Junktionen in einem Erzähltext entsprechend den verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen gegenübergestellt. Dunkel‐ grau werden die Häufigkeiten ausgehend von dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls visualisiert. Die Ergebnisse für den Erzähltextkorpus zum imagi‐ nären Erzählimpuls sind hellgrau hervorgehoben: 220 6 Empirische Analyse Abb. 47: Anzahl an Junktionen in einem Erzähltext (n = 95) Die geringste Anzahl an Junktionen in einem Erzähltext liegt für beide Erzähl‐ textkorpora bei null. Insgesamt können zwei Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls und acht Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls erfasst werden, in denen gar keine Junktionen verwendet werden. In dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls mit den meisten Junktionen verwendet das Kind insgesamt 15 Junktionen. In dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls enthält ein Erzähltext zwölf Junktionen und kann damit die Höchstanzahl an Junktionen in einem Erzähltext für den Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls aufweisen. Damit erstreckt sich die Anzahl an Junktionen innerhalb eines Erzähltextes für den Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls von null bis 15 Junktionen. Für die Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls liegt die mögliche Anzahl an Junktionen innerhalb eines Erzähltextes zwischen null und zwölf. Innerhalb der jeweiligen Spanne zur Anzahl von Junktionen in einem Erzähl‐ text ist die Verteilung der Häufigkeiten in Bezug auf die beiden Erzähltextkor‐ pora ähnlich verteilt. In über zwei Drittel der Erzähltexte werden unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls zwischen einem und fünf Junkti‐ onen verwendet. Ein Unterschied zwischen Erzähltexten zu verschiedenen Erzählimpulsen kann primär in der Anzahl an Erzähltexten mit sehr vielen Junk‐ tionen ausgemacht werden. In dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls sind insgesamt 25 Erzähltexte enthalten, in denen mehr als fünf Junktionen verwendet werden. Dies macht einen Anteil von 26,3 % des Erzähltextkorpus aus. Im Gegensatz dazu werden in dem Erzähltextkorpus zum imaginären 221 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes Erzählimpuls lediglich 13,7 % und damit fast halb so viele Erzähltexte durch mehr als fünf Junktionen gestaltet (13). Zusammenfassend lässt die deskriptive Häufigkeitsanalyse somit darauf schließen, dass bei der Erzählgestaltung unabhängig vom Erzählimpuls über‐ wiegend ein bis fünf Junktionen verwendet werden. Eine höhere Anzahl an Junktionen in einem Erzähltext ist ausgehend von einem fiktiven Erzählimpuls wahrscheinlicher. Um zum Abschluss ausgehend von den deskriptiven Häufigkeitsanalysen sta‐ tistische Rückschlüsse über einen Unterschied im Junktionengebrauch zwischen den beiden Erzähltexten eines Kindes ziehen zu können, wird die Anzahl von Junktionen in einer Mittelwertanalyse verglichen. Die Mittelwertanalyse zur Anzahl an Junktionen kann aufgrund der metrischen Skalierung und der großen Stichprobe durch den t-Test bestimmt werden. Die deskriptive Häufigkeitsana‐ lyse offenbart bereits einen Unterschied in Bezug auf die Erhebungsgruppen, sodass der t-Test für die gesamte Stichprobe sowie entsprechend den beiden Gruppen durchgeführt wird. Die Ergebnisse des t-Tests werden durch die Mittelwerte, den t-Wert, die Freiheitsgrade (df), die zweiseitige, asymptotische Signifikanz und die Effektstärke (d) in der folgenden Tabelle dargestellt: J UNKTIONEN ALS KOHÄSIVE M ITTEL imaginärer Erzählimpuls (t1) fiktiver Erzählimpuls (t2) t-Wert df asymptotische Sig. (2-seitig) Effektstärke (d) Mittelwert Std.-Abw. Mittelwert Std.-Abw. G ESAMTE S TICHPROBE (n = 95) 3,4842 2,4446 4,1789 2,9136 2,347 94 0,021 0,24 G RUPPE 1 (n = 44) 3,6364 2,4504 3,6136 2,6344 -0,055 43 0,956 - G RUPPE 2 (n = 51) 3,3529 2,4562 4,6667 3,0768 3,233 50 0,002 0,46 Tab. 29: Ergebnisse Mittelwertanalyse Junktionen als kohäsive Mittel Für die gesamte Stichprobe können ein t-Wert von t(94) = 2,347 und eine einseitige Signifikanz von p = 0,0105 berechnet werden. Dieser Wert lässt mit einer Effektstärke von d = 0,24 auf einen geringen Effekt schließen. Eine separate Betrachtung der Erhebungsgruppen zeigt, dass die Mittelwertanalyse für die Erzähltexte der ersten Gruppe zu einem t-Wert von t(43) = -0,055 führen. Dieser ist aufgrund des sehr hohen Signifikanzwerts p = 0,956 nicht aussagekräftig und lässt damit keine Berechnung von Effektstärken zu. Der sehr geringe und negative t-Wert lässt darauf schließen, dass der Effekt der gesamten Stichprobe primär auf die zweite Erhebungsgruppe zurückgeführt werden kann: In den Erzähltexten der zweiten Gruppe zeigt die Mit‐ telwertanalyse mit einem t-Wert von t(50) = 3,233 und einer einseitigen Signifikanz mit p = 0,001, dass in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls signifikant häufiger Junktionen vorkommen. Die Effektstärke d liegt bei einem Wert von d = 0,46 und entspricht damit einem mittleren Effekt. 222 6 Empirische Analyse Zusammenfassend untermauert die Mittelwertanalyse somit die Ergebnisse der deskriptiven Häufigkeitsverteilung. Es kann angenommen werden, dass ein fiktiver Erzählimpuls bei der Erzählgestaltung zum zweiten Erhebungszeitpunkt tendenziell zu einem stärker ausgeprägten Junktionengebrauch führen könnte. Damit wirkt sich die vorausgegangene Erzählgestaltung positiv auf den Junkti‐ onengebrauch in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls aus. 6.1.5 Qualitative Analyse des Tempusgebrauchs Für den Tempusgebrauch werden die einzelnen Erzähltexte nun anhand der Ver‐ teilung präsentischer und präteritaler Tempora untersucht. Dabei werden nur die Tempora gewertet, die auch innerhalb der Erzählerperspektive gebraucht werden. Zur Visualisierung sind die Tempora in den kindlichen Erzähltexten farblich hervorgehoben. Die präteritalen Tempusformen werden in Hellgrau markiert und die präsentischen Tempora dunkelgrau hinterlegt. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 70 In der ersten Gegenüberstellung der Erzähltexte von Kind 70 zeigt die Analyse des Tempusgebrauchs, dass das Kind zur Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls überwiegend präteritale Tempora verwendet. In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls dominiert ein präsentischer Tempusgebrauch: 1. Die Torte ist weg! Diebe auf der Feier. 2. Es lebte im Wald eine Familie Hund. Die hat Heute hat Tina Geburtstag. Sie ist heute 7 Jahre 3. einen großen Kirschkuchen gebacken. Herr alt. Sie hatte heute Mattis und Maia eingeladen 4. Hund harkte nur noch zu Ende. Doch da kamen und feierte. Ihra gefällt das gar nicht. Sie 5. die Ratten und klauten den Kirschkuchen. Herr schleicht sich mit Leon an und klauen die 6. Hund und Frau Hund rannten hinterher. Die Torte. Dann laufen die beiden in den Wald. 7. Ratten liefen zu ihrem Versteck. Doch da Maia ist sehr schnell, Mattes auch. „Los, 8. sprang Herr Hund auf die Ratten und fesselte hinterher! “, ruft Mattes und alle laufen in den 9. die beiden Ganoven an einen Baum. Jetzt holte Wald. Alle rufen: „Stehen bleiben! “ Doch die 10. Frau Hund die anderen Tiere und feierte 30 beiden hören sie nicht. Da sitzen sie. Ihra will 11. Jahre Diebe und jetzt nicht mehr. abhauen, aber Maia hält sie fest: „Den Kuchen, 12. wenn ich bitten darf! “ „Da steht er.“ „Gut, ihr 13. könnt laufen.“ Mit der Torte in der Hand gehen 14. sie zurück und feiern. Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 70-EfE) Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 70-EiE) Tab. 30: Tempusgebrauch in den Erzähltexten von Kind 70 223 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes 34 Die Anführung „16 von 18“ steht für das Verhältnis von angeführten Tempusformen (im Beispiel 18) und der Anzahl der davon präterital bzw. präsentisch genutzten Tempora (im Beispiel 16 präsentische Tempusformen). In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls werden 88,9 % der Tempora präsentisch gebraucht (16 von 18 34 ). Im Gegensatz dazu überwiegt in dem Er‐ zähltext zum fiktiven Erzählimpuls mit 90,9 % der Anteil präteritale Tempora (10 von 11). Ein qualitativer Fokus auf die verwendeten Tempora in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls zeigt, dass der geringe Anteil präsentischer Tempora aus einer zu Beginn angeführten Perfektform resultiert: „Die hat einen großen Kirschkuchen gebacken.“ (Kind 70-EfE, Zeile 2-4) In diesem Fall handelt es sich um ein bereits vergangenes Ereignis innerhalb der Erzählstruktur, welches prototypischerweise als eine bereits angeschlossene Handlung innerhalb der Erzählwelt durch das Plusquamperfekt ausgedrückt würde. Erwerbstheoretisch kann der Gebrauch des Plusquamperfekts als größere Herausforderung be‐ trachtet werden (vgl. Müller/ Tophinke 2011), womit sich der Rückgriff auf das Perfekt erklären lässt. Vermutlich befindet sich das Kind zum Zeitpunkt der Erhebung in einem Erwerbsprozess und greift dementsprechend zum Ausdruck einer abgeschlossenen Handlung noch auf das Perfekt zurück. Allerdings gelingt es dem Kind, zum zweiten Erhebungszeitpunkt bei der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls, die einzige präterital gestaltete Proposition durch das Plusquamperfekt zu realisieren: „Sie hatte heute Mattis und Mais eingeladen und feierte.“ (Kind 70-EiE, Zeile 3 f.) In diesem Zusammenhang gelingt es dem Kind, mit dem Plusquamperfekt die Abgeschlossenheit der Handlung auszudrücken. Die restlichen Ereignisse zur Erzählkonstruktion ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls führt das Kind mit Rückgriff auf das Präsens an, sodass auf ein Sprachhandeln im nahen Wahrnehmungsraum verwiesen wird. Der präsentische Tempusgebrauch lässt darauf schließen, dass das Kind bei der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls primär im Wahrnehmungs‐ raum agiert und sich stärker an der visuellen Narration des Erzählimpulses orientiert. Im Gegensatz dazu gelingt es dem Kind, sich ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls mental von dem narratoästhetischen Erzählimpuls im Wahrnehmungsraum zu entfernen und die Erzählung durch den präteritalen Tempusgebrauch in einer fiktiven Erzählwelt zu verorten. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 43 In beiden Erzähltexten von Kind 43 ist der Anteil präteritaler Tempusformen besonders hoch, wobei der Anteil in der Erzählung zum imaginären Erzählim‐ puls mit 92,3 % präteritalen Tempusformen geringfügig höher ist: 224 6 Empirische Analyse 1. Der Kuchen ist weg! Diebe auf der Feier 2. Zwei Hunde wohnten einmal in einem schönen Es waren einmal drei Kinder. Die hießen Ben, 3. und gemütlichen Haus. Sie waren gerade dabei Lia und Alina. Alina hatte Geburtstag. Sie 4. beschäftigt aufzuräumen. Da kamen zwei bekam eine Puppe, ein Springseil und was man 5. Mäuse und nahmen den Kuchen mit, den die sonst noch alles bekommt. Da kamen Luis und 6. Hunde gebacken haben. Die zwei Hunde Ane. Luis und Ane nahmen den Kuchen mit 7. rannten den Dieben hinterher. Der Mann nahm Sie rannten die Straße entlang. Ben, Lia und 8. das Werkzeug mit, mit dem er vorher gearbeitet Alina rannten ihnen hinterher. Als sie die Diebe 9. hat. Inzwischen rannten die Mäuse zum Fluss eingeholt hatten, nahmen sie ihnen den Kuchen 10. hinunter. Als die Mäuse am Fluss angekommen weg. Dann gingen sie nach Hause und feierten 11. sind, packte der Mann die Mäuse und sie noch schön weiter. 12. kugelten auf der Wiese herum. Etwas später 13. saßen alle Freunde von den Hunden auf der 14. Wiese und aßen den Kuchen. Die Diebe waren 15. an einem Baum angebunden. Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 43-EfE) Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 43-EiE) Tab. 31: Tempusgebrauch in den Erzähltexten von Kind 43 Dem Kind gelingt es, beide Erzählungen überwiegend mit Rückgriff auf präte‐ ritale Tempora zu gestalten und auf diese Weise das Sprachhandeln in einer fiktiven Erzählwelt zu markieren. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls machen die präteritalen Tempora 80 % der Tempusformen aus (12 von 15), in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls 92,3 % (12 von 13). Es können in beiden Erzähltexten insgesamt sehr wenige präsentische Tempusformen ausgemacht werden. Für einen qualitativen Vergleich der beiden Erzähltexte ist die Betrachtung der wenigen präsentischen Tempusformen im inhaltlichen Kontext der jeweiligen Erzählung aufschlussreich. Zunächst kann die einzige präsentische Tempusform in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls inhaltlich in Verbindung mit der Beschreibung der Ausgangssituation erfasst werden: „Sie bekam eine Puppe, ein Springseil und was man sonst noch alles bekommt.“ (Zeile 3-5) In diesem Zusammenhang entspricht die präsentisch realisierte Proposition vielmehr einer verallgemei‐ nernden Aussage, sodass der Gebrauch des Präsens nicht untypisch ist. Im Gegensatz dazu können in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls auch Per‐ fektformen zur Realisierung der Ereignisprogression erfasst werden. Allerdings treten diese alle im Zusammenhang mit dem Ausdruck zeitlicher Relationen auf. Zunächst beschreibt das Kind zu Beginn der Komplikation das vorherige Kuchenbacken und nutzt dazu das Perfekt: „Da kamen zwei Mäuse und nahmen den Kuchen mit, den die Hunde gebacken haben.“ (Kind 43-EfE, Zeile 4-6) Es handelt sich bei dem präsentisch realisierten Ereignis um eine bereits abgeschlossene Handlung innerhalb der fiktiven Erzählwelt. Wie bereits bei der 225 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes Analyse der Erzähltexte von Kind 70 kann der ausbleibende Plusquamperfekt‐ gebrauch erwerbstheoretisch durch die Komplexität der Tempusform begründet werden. Der Satz zeichnet sich außerdem durch eine syntaktische Komplexität aus, indem das Kind die bereits abgeschlossene Handlung durch eine Neben‐ satzkonstruktion dem gerade stattfindenden Ereignis gegenüberstellt. Zwei vergleichbare syntaktische Konstruktionen können im weiteren Verlauf der Komplikation wieder jeweils in Verbindung mit dem Perfekt erfasst werden: „Der Mann nahm das Werkzeug mit, mit dem er vorher gearbeitet hat. […] Als die Mäuse am Fluss angekommen sind, packte der Mann die Mäuse und sie kugelten auf der Wiese herum.“ (Kind 43-EfE, Zeile 7-12) Zum einen wird das Arbeiten mit dem Werkzeug und zum anderen das Ankommen der Mäuse am Fluss zeitlich in Relation zu einem gerade stattfindenden Ereignis gesetzt. Die wenigen präsentischen Tempora in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls lassen sich im Zusammenhang komplexer Nebensatzkonstrukti‐ onen zum Ausdruck temporaler Relationen ausmachen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass eine ähnliche Satzkonstruktion zum Ausdruck zeitlicher Relationen auch in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls auszumachen ist: „Als sie die Diebe eingeholt hatten, nahmen sie ihnen den Kuchen weg.“ (Kind 43-EiE, Zeile 8-10) In diesem Kontext gelingt es dem Kind, die zeitliche Relation narrationsspezifisch mittels des Plusquamperfekts auszudrücken. Demnach greift das Kind zum Ausdruck zeitlicher Relationen erst zum zweiten Erhebungszeitpunkt bei der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls auf das Plusquamperfekt zurück. Möglicherweise lässt dieser Befund darauf schließen, dass bei einem wiederholten Verfassen der Narration und gerade in Verbindung mit dem imaginären Erzählimpuls auch komplexere Zeitrelationen narrationsspezifisch ausgedrückt werden können. Abschließend kann aufgrund des hohen Anteils präteritaler Tempora in beiden Erzähltexten festgehalten werden, dass es dem Kind unabhängig von der Gestaltung des narratoästhetischen Erzählimpulses bereits gelingt, eine fiktive Erzählwelt zu etablieren und weitestgehend aufrechtzuerhalten. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 26 Die Gegenüberstellung der Erzähltexte von Kind 26 zeigt in Bezug auf den Tem‐ pusgebrauch, dass es dem Kind in beiden Erzählungen gelingt, durch präteritale Tempora auf einen fiktiven Erzählkontext zu verweisen. Die Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls wird dazu durchgehend präterital gestaltet (11 von 11), wohingegen in dem Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls noch zu 33,33 % präsentische Tempora vorkommen (3 von 9): 226 6 Empirische Analyse 1. Es lebte einmal in einem Wald eine kleine Diebe auf der Feier! 2. Bärenfamilie. Sie hatten gerade einen Kuchen Es gab draußen mal eine Feier. Da gab es viele 3. gebacken, als zwei kleine Mäuse kamen und Geschenke und eine ganz, ganz schöne 4. den Kuchen vom Tisch nahmen. Die Geburtstagstorte. Auf einmal war die Torte 5. Bärenfamilie erschrak, als sie das sahen. Sofort weg. Zwei freche Kinder, ein Junge und ein 6. kam der Papa und rannte hinterher und bald Mädchen, haben die Torte geklaut. Die beiden 7. hatte der Papa die zwei Diebe und der Papa sind weggerannt. Die anderen Kinder sind 8. hatte die Torte und danach hatten sie wieder hinterher. Auf einmal blieben die Kinder und 9. schön geschmaust. Ende. gaben die Torte ab. Dann konnten sie schön 10. feiern. Ende. Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 26-EfE) Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 26-EiE) Tab. 32: Tempusgebrauch in den Erzähltexten von Kind 26 Die Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls zum ersten Erhebungszeitpunkt gestaltet das Kind durchgehend mit Rückgriff auf präteritale Tempora. Her‐ vorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass es dem Kind sogar gelingt, bereits eine zeitlich abgeschlossene Handlung durch das Plusquamperfekt zu markieren: „Sie hatten gerade einen Kuchen gebacken, als zwei kleine Mäuse kamen und den Kuchen vom Tisch nahmen.“ (Kind 26-EfE Zeile 2-4) Außerdem nutzt das Kind im letzten Satz ein weiteres Mal das Plusquamperfekt, welches in Verbindung mit einer narrationstypischen Phrase zum Abschluss vorkommt: „und danach hatten sie wieder schön geschmaust.“ (Kind 26-EfE Zeile 8 f.) Zusammenfassend gelingt es dem Kind, sich in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls mental vom Wahrnehmungsraum zu entfernen und die Sprachhandlung durch präteritale Tempora in einer fiktiven Erzählwelt zu verorten. Innerhalb der fiktiven Erzählwelt werden zeitliche Relationen durch den Gebrauch des Plusquamperfekts narrationsspezifisch ausgedrückt. In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls kann bereits eine Vielzahl präteritaler Tempora erfasst werden (66,7 %). Eine detailliertere Analyse der präteritalen Tempora zeigt allerdings, dass diese überwiegend in Verbindung mit narrationsspezifischen Sprachformen vorkommen. Zu Beginn der Erzählung nutzt das Kind eine Abwandlung der Form es war einmal und schreibt: „Es gab draußen mal eine Feier. Da gab es viele Geschenke“ (Kind 26-EiE, Zeile 2 f.). Zur Einführung in die Erzählung gelingt es dem Kind, mit einer prototypischen Anfangskonstruktion das Präteritum zu gebrauchen. Im Anschluss wird die Komplikation mit der Adverbialphrase auf einmal präterital eingeführt: „Auf einmal war die Torte weg.“ (Kind 26-EiE, Zeile 4 f.) Danach folgt die Aneinan‐ derreihung der Ereignisse innerhalb der Komplikation, die nicht durch eine narrationsspezifische Konstruktion realisiert wird. In diesem Abschnitt nutzt das Kind das Präsens oder Perfekt (vgl. Kind 26-EiE, Zeile 5-8). Erst wieder in 227 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes Verbindung mit der Adverbialphrase auf einmal greift das Kind auf präteritale Tempusformen zurück: „Auf einmal blieben die Kinder [stehen] und gaben die Torte ab.“ (Kind 26-EiE, Zeile 8 f.) Weiterführend gelingt es dem Kind auch in der anschließenden Auflösung, die temporal durch die Adverb-Junktion dann eingeleitet wird, das Präteritum zu nutzen: „Dann konnten sie schön feiern.“ (Kind 26-EiE, Zeile 9) Zusätzlich entspricht der abschließende Satz einer phrasenhaften Formulierung vergleichbar mit es war einmal zu Beginn einer Erzählung. Zusammenführend greift das Kind in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls immer in Verbindung mit narrationsspezifischen Formulierungen und/ oder narrativ-strukturierenden Gebrauchsmustern auf das Präteritum zum Ausdruck der Fiktionalität zurück. Möglicherweise hat das Kind aufgrund reichhaltiger Literacy-Erfahrungen narrationsspezifische Sprachformen bereits in Verbindung mit präteritalen Tempora verinnerlicht und verwendet diese vielmehr als feststehende Konstruktionen. Vergleichbare Konstruktionen lassen sich auch in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls ausmachen (z. B. Kind 26-EfE Zeile 8 f.). Allerdings gebraucht das Kind bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls zusätzlich in Satzkonstruktionen ohne narrationsspezifi‐ sche Sprachformen präteritale Tempusformen, z. B. „Sofort kam der Papa und rannte hinterher und bald hatte der Papa die zwei Diebe“ (Kind 26-EfE, Zeile 5-7). Es gelingt dem Kind, die Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls durch den Gebrauch präteritaler Tempora bereits vollständig in einer fiktiven Erzählwelt zu verorten. Dies lässt darauf schließen, dass das Kind ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls eine mentale Distanz zum Wahrnehmungsraum aufbaut und die Sprachhandlung in einer fiktiven Erzählwelt verortet. In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls kann ein präteritaler Tempusgebrauch auf den Gebrauch narrationsspezifischer Konstruktionen zurückgeführt werden. Zusammenfassung der qualitativen Ergebnisse Die qualitative Analyse des Tempusgebrauchs im Vergleich der ausgewählten Erzähltexte zu verschieden gestalteten Erzählimpulsen eröffnet interessante Er‐ kenntnisse. Zum einen können genauere Einsichten in den relativen Anteil prä‐ teritaler Tempora in den gegenübergestellten Erzählungen ermöglicht werden. Zum anderen zeigt die qualitative Analyse des Tempusgebrauchs, dass sich im inhaltlichen Kontext der Erzählungen gerade die Verwendung präsentischer Tempora zwischen den Erzählungen zu den verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen differenziert. Der Anteil präteritaler Tempora in den beiden Erzähltexten unterscheidet sich bei dem Großteil der Kinder zugunsten der Erzählung zum fiktiven Er‐ zählimpuls. Zwei der drei Kinder greift bei der Erzählgestaltung zum fiktiven 228 6 Empirische Analyse Erzählimpuls anteilig häufiger auf präteritale Tempora zurück (vgl. Kind 70, Kind 26). Bei der Gegenüberstellung der Erzähltexte von Kind 43 kann in beiden Erzähltexten ein sehr hoher Anteil präteritaler Tempora ausgemacht werden. Weitergehend ist hervorzuheben, dass in allen Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls der Anteil präteritaler Tempora über 50 % liegt. Bei den beiden Kindern mit stärker ausgeprägten Literacy-Erfahrungen ist der Anteil präteritaler Tempora ebenfalls in den Erzählungen zum imaginären Erzählimpuls relativ hoch. Bei der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls von Kind 70 mit geringen Literacy-Erfahrungen ist der Anteil präteritaler Tempora mit ca. 0,1 sehr viel geringer (vgl. Kind 70). Neben dem anteiligen Tempusgebrauch lässt die genauere Analyse des präsentischen Tempusgebrauchs in dem inhaltlichen Kontext der ausgewählten Erzählungen darauf schließen, dass die präsentischen Tempora in verschie‐ denen inhaltlichen Zusammenhängen verwendet werden: zur Realisierung der Ereignisprogression oder zum Ausdruck zeitlicher Relationen zwischen bereits abgeschlossenen Handlungen innerhalb der Erzählwelt. In diesem Fall werden bereits abgeschlossene Handlungen durch das Perfekt und nicht narrationsspezifisch durch das Plusquamperfekt versprachlicht. Handlungen zur Ereignisprogression werden im Präsens realisiert. In den ausgewählten Erzähltexten zum imaginären Erzählimpuls werden alle präsentischen Tempora zur Ereignisprogression verwendet, wohingegen in den Erzähltexten zum fik‐ tiven Erzählimpuls kein Ereignis durch den Gebrauch des Präsens in den Handlungsstrang integriert wird. Die wenigen präsentischen Tempusformen in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls können zum Ausdruck zeitlich abgeschlossener Handlungen und als Perfektformen ausgemacht werden (vgl. Kind 43, Kind 70). Es handelt sich um inhaltliche Zusammenhänge, die innerhalb der Erzählwelt zum Ausdruck kommen. Somit könnte bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls nicht die Markierung der Narration in einer fiktiven Erzählwelt durch präteritale Tempora eine Herausforderung darstellen, sondern die sprachliche Markierung zeitlicher Relationen innerhalb der fiktiven Erzähl‐ welt. 6.1.6 Quantitative Analyse des Tempusgebrauchs Für eine quantitative Analyse des Tempusgebrauchs in den Erzähltexten der gesamten Stichprobe (n = 95) werden die präsentischen und präteritalen Tem‐ pora in einem Erzähltext anteilig berechnet. Ein Vergleich der Erzähltexte zu den verschiedenen Erzählimpulsen erfolgt zunächst anhand einer deskriptiven Häufigkeitsverteilung des anteiligen Tempusgebrauchs in beiden Erzähltext‐ 229 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes korpora. Das anschließende Balkendiagramm visualisiert den anteiligen Tem‐ pusgebrauch im Durchschnitt für den Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls (dunkelgrau) und den Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls (hellgrau): 0,47 0,59 0,53 0,42 0,00 0,10 0,20 0,30 0,40 0,50 0,60 0,70 0,80 0,90 1,00 Erzähltextkorpus fiktiver Erzählimpuls Erzähltextkorpus imaginärer Erzählimpuls präteritale Tempora präsentische Tempora präteritale Tempora präsentische Tempora Abb. 48: Durchschnittliche Verteilung der Tempora (n = 95) Der Grafik kann entnommen werden, dass der durchschnittliche Anteil präteri‐ taler Tempora in dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls bei 0,53 liegt. In den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls werden somit im Durchschnitt 53 % der Tempora mit Rückgriff auf das Präteritum oder Plusquamperfekt reali‐ siert. In dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls werden 42 % prä‐ teritale Tempora verwendet. Zwar ist der Unterschied im Gebrauch präteritaler Tempora zwischen den beiden Erzähltextkorpora nicht sehr stark ausgeprägt. Dennoch kann angenommen werden, dass der Anteil präteritaler Tempora bei der Erzählgestaltung ausgehend vom fiktiven Erzählimpuls tendenziell etwas höher als ausgehend von einem imaginären Erzählimpuls ist. Weiterführend kann der durchschnittliche Tempusgebrauch differenzierter für die einzelnen Erhebungsgruppen analysiert werden. Dazu wird die durch‐ schnittliche Verteilung präsentischer und präteritaler Tempora in den Erzähl‐ texten zum fiktiven Erzählimpuls und zum imaginären Erzählimpuls entspre‐ chend den beiden Erhebungsgruppen separat angeführt. Die anschließende Grafik visualisiert den durchschnittlichen Anteil präsentischer und präteritaler 230 6 Empirische Analyse Tempora entsprechend den Farben in den Erzähltexten zu den verschiedenen Erzählimpulsen für beide Erhebungsgruppen: 0,48 0,47 0,45 0,68 0,52 0,53 0,55 0,32 0,00 0,10 0,20 0,30 0,40 0,50 0,60 0,70 0,80 0,90 1,00 Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 1 Gruppe 2 fiktiver Erzählimpuls imaginärer Erzählimpuls präteritale Tempora präsentische Tempora präteritale Tempora präsentische Tempora Gruppe 1 Gruppe 2 n = 44 n = 51 Gruppe 1 Gruppe 2 n = 44 n = 51 Abb. 49: Durchschnittliche Verteilung der Tempora Die Ergebnisse für die Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls zeigen keinen Unterschied im durchschnittlichen Anteil präteritaler Tempora zwischen den beiden Erhebungsgruppen. Die Kinder der Gruppe 1 nutzen bei der Er‐ zählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls zum ersten Erhebungszeitpunkt im Durchschnitt 52 % der Tempora präterital. Bei der Erzählgestaltung ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls zum zweiten Erhebungszeitpunkt nutzen die Kinder der Gruppe 2 im Durchschnitt zu 53 % präteritale Tempora. Bei der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls verweisen die präteri‐ talen Anteile im durchschnittlichen Tempusgebrauch auf ein anderes Ergebnis. In den Erzähltexten der Gruppe 1 liegt der anteilige Gebrauch präteritaler Tempora im Durchschnitt bei 0,55. Damit gebrauchen die Kinder bei der Er‐ zählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls zum zweiten Erhebungszeitpunkt in 55 % der Fälle das Präteritum oder Plusquamperfekt. Im Gegensatz dazu nutzen die Kinder zum ersten Erhebungszeitpunkt durchschnittlich in 32 % der Fälle präteritale Tempora zur Erzählgestaltung ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls. Damit liegt der durchschnittliche Anteil präteritaler Tempora in einem Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls deutlich höher, wenn dieser zum zweiten Erhebungszeitpunkt verfasst wird. 231 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes Abschließend können die Ergebnisse zum durchschnittlichen Tempusge‐ brauch in den Erzähltexten zu verschiedenen Erzählimpulsen jeweils für die einzelnen Erhebungsgruppen gegenübergestellt werden. Die Kinder der Gruppe 1 gebrauchen durchschnittlich in beiden Erzähltexten in etwas mehr als der Hälfte der Fälle präteritale Tempora (52 % und 55 %). Damit kann für die erste Erhebungsgruppe kein merklicher Unterschied im durchschnittlichen Anteil präteritaler Tempora bei der Erzählgestaltung zu den verschiedenen Erzählim‐ pulsen erfasst werden. Ein Unterschied im durchschnittlichen Anteil präteritaler Tempora ergibt sich allerdings für die zweite Erhebungsgruppe. Gegenüber der ersten Erhebungsgruppe gebrauchen die Kinder der Gruppe 2 im Durchschnitt zwar vergleichbar häufig präteritale Tempora bei der Erzählgestaltung zum fik‐ tiven Erzählimpuls (53 %), aber in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls ist der durchschnittliche Anteil präteritaler Tempora mit 0,32 deutlich geringer. Zusammenfassend lassen die Unterschiede in Bezug auf den durchschnittlichen Anteil präteritaler Tempora in einem Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls darauf schließen, dass sich möglicherweise die Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls positiv auf den präteritalen Tempusgebrauch zum zweiten Erhe‐ bungszeitpunkt auswirkt. Zusätzlich zeigen die deskriptiven Analyseergebnisse, dass unabhängig von der Erhebungsreihenfolge alle Kinder zur Erzählgestal‐ tung ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls tendenziell bereits die Hälfte der Tempora präterital verwenden. Ausgehend von den Ergebnissen zum durchschnittlichen Tempusgebrauch in den beiden Erzähltextkorpora wird zum Abschluss der deskriptiven Analyse der Anteil präteritaler Tempora in einem Erzähltext zwischen den Erzähltextkor‐ pora zu den beiden Erzählimpulsen verglichen. Dazu wird der Anteil präteritaler Tempora auf die erste Nachkommastelle gerundet. Die bisherigen Ergebnisse verweisen auf einen stärkeren Unterschied zwischen den Erhebungsgruppen, sodass bei der Analyse des Anteils präteritaler Tempora in einem Erzähltext die Erhebungsreihenfolge ebenfalls berücksichtigt wird. In zwei aufeinander‐ folgenden Grafiken wird die Häufigkeitsverteilung des jeweiligen Anteils prä‐ teritaler Tempora in den Erzähltexten für die einzelnen Erhebungsgruppen visualisiert. Zunächst folgen Ergebnisse für die erste Erhebungsgruppe. Farblich sind die Ergebnisse in einem Histogramm ausgehend von den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls dunkelgrau visualisiert. In Hellgrau ist die Häufigkeits‐ verteilung dargestellt, die auf die Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls zurückzuführen ist: 232 6 Empirische Analyse Abb. 50: Anteil präteritaler Tempora in einem Erzähltext (Gruppe 1: n = 44) Die Gegenüberstellung der Häufigkeitsverteilung der ersten Erhebungsgruppe zeigt, dass in beiden Erzähltextkorpora zehn Erzähltexte ohne Rückgriff auf präteritale Tempora verfasst werden (Anteil 0,00). Gleichzeitig können in beiden Erzähltextkorpora acht Erzählungen ausgemacht werden, die ausschließlich durch präteritale Tempora verfasst werden (Anteil 1,00). Ausgehend von beiden narratoästethischen Erzählimpulsen werden somit jeweils 18 Erzähltexte ent‐ weder ausschließlich durch präteritale Tempora oder ausschließlich durch präsentische Tempora gestaltet. Diese machen jeweils einen Anteil von 40,1 % des gesamten Erzähltextkorpus der ersten Erhebungsgruppe aus. Die weiteren 26 Erzähltexte zeichnen sich durch einen Wechsel von präsentischen und präteritalen Tempora aus. Dabei erstreckt sich der mögliche Anteil präteritaler Tempora in einem Erzähltext für beide Erzähltextkorpora zwischen 0,1 und 0,9. Die Häufigkeitsverteilung der Erzähltext mit einem sehr hohen Anteil präteritaler Tempora von mindestens 80 % zeigt, dass zwischen diesen kein merklicher Unterschied in Bezug auf die verschiedenen Erzählimpulse auszu‐ machen ist. In beiden Erzähltextkorpora können 13 bzw. zwölf Erzähltexte mit einem Anteil präteritaler Tempora von mindestens 80 % erfasst werden. Mit Bezug auf die bereits angeführten Ergebnisse gelingt es somit ausgehend von beiden narratoästethischen Erzählimpulsen fast der Hälfte der Kinder der ersten Erhebungsgruppe, die Erzählungen überwiegend präterital zu gestalten (ca. 46 %). Für die Erzähltexte mit einem geringeren Anteil präteritaler Tempora zeigen sich bei einem Vergleich der Erzähltextkorpora zu den verschiedenen Erzählimpulsen einige wenige und unbeträchtliche Differenzen in der Häufig‐ 233 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes keitsverteilung. Bei einem Anteil von 10 %, 40 % und 60 % präteritaler Tempora in einem Erzähltext können die größten Unterschiede herausgestellt werden, wobei jeweils gerade mal vier Erzähltexte mehr in dem Korpus mit dem entsprechenden Anteil präteritaler Tempora aufzuweisen sind. Zusammenfassend kann ausgehend von der Häufigkeitsverteilung der ersten Erhebungsgruppe festgehalten werden, dass sich unabhängig von dem narrato‐ ästhethischen Erzählimpuls fast die Hälfte der Erzähltexte durch einen sehr hohen Anteil präterialer Tempora auszeichnet. Aufgrund der vergleichbaren Häufigkeitsverteilung kann außerdem geschlussfolgert werden, dass beide Erzähltextkorpora der ersten Erhebungsgruppe eine ähnliche Anzahl an Erzähl‐ texten mit einem gleichen Anteil an präteritalen Tempora aufweisen. Eine andere Tendenz zeigt die Häufigkeitsverteilung der Anteile präteritaler Tempora in einem Erzähltext für die zweite Erhebungsgruppe: Abb. 51: Anteil präteritaler Tempora in einem Erzähltext (Gruppe 2: n = 51) Zunächst zeigt die Gegenüberstellung der Häufigkeitsverteilung, dass in beiden Erzähltextkorpora der zweiten Erhebungsgruppe Erzähltexte mit ausschließlich präteritalen Tempora und ausschließlich präsentischen Tempora enthalten sind. Ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls können sieben Erzähltexte erfasst werden, die ausschließlich präterital gestaltet werden (Anteil 1,0). In dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls zeichnen sich zwei Erzähltexte durch den ausschließlichen Gebrauch präteritaler Tempora aus. Ohne den Rück‐ griff auf präteritale Tempora werden ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls von der zweiten Erhebungsgruppe insgesamt neun Erzähltexte gestaltet. Bei den 234 6 Empirische Analyse Erzählungen zum imaginären Erzählimpuls sind es insgesamt 18 Erzähltexte, die von den Kindern der Gruppe 2 ausschließlich präsentisch gestaltet werden. Ein Vergleich der beiden Erzähltextkorpora zu den verschiedenen Erzählimpulsen zeigt demnach, dass sehr viel mehr Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls von den Kindern der zweiten Erhebungsgruppe ausschließlich durch präteritale Tempora gestaltet werden. Gleichzeitig zeichnen sich sehr viel weniger Erzähl‐ texte zum fiktiven Erzählimpuls durch einen durchgehenden Rückgriff auf präsentische Tempora aus. Für eine genauere Betrachtung der Erzähltexte der zweiten Erhebungs‐ gruppe, die sich durch einen Wechsel von präteritalen und präsentischen Tempora auszeichnen, können die Erzähltexte mit einem sehr hohen Anteil und einem etwas geringeren Anteil präteritaler Tempora differenziert werden. Insgesamt werden 15 Erzähltexte in dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Er‐ zählimpuls mit einem sehr hohen Anteil von mindestens 80 % präteritaler Tempora gestaltetet. Mit einem vergleichbar hohen Anteil präteritaler Tempora können insgesamt vier Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls ausgemacht werden. Mit Berücksichtigung der Erzähltexte, die bereits ausschließlich durch präteritale Tempora gestaltet werden, sind insgesamt bereits 22 Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls überwiegend präterital verfasst. Es gelingt damit bereits 43,1 % der Kinder aus der zweiten Erhebungsgruppe, die Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls primär präterital zu gestalten. Die Erzählungen zum imaginären Erzählimpuls zwei Wochen zuvor gestalten sechs Kinder überwiegend durch den Rückgriff auf präteritale Tempora (11,8 %). Die Häufigkeitsverteilung der Erzähltexte mit einem geringen Anteil präteri‐ taler Tempora ist bei einem Vergleich der Erzähltextkorpora ausgehend von den beiden narratoästhetischen Erzählimpulsen etwas stärker bei den Erzähltexten zum imaginären Erzählimpuls ausgeprägt. Am stärksten ist der Unterschied in der Anzahl an Erzähltexten mit einem Anteil präteritaler Tempora von 0,3 und 0,5. Insgesamt können zwei bzw. vier Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls erfasst werden, in denen in 30 % bzw. 50 % der Fälle auf das Präteritum oder Plusquamperfekt zurückgegriffen wird. In dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls sind es jeweils sieben Erzähltexte, die sich durch den entsprechenden Anteil präteritaler Tempora auszeichnen. Zusammengefasst lassen die Ergebnisse der Häufigkeitsverteilung der zweiten Erhebungsgruppe darauf schließen, dass es fast der Hälfte der Kinder ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls gelingt, die Erzählung stärker prä‐ terital zu gestalten. Im Gegensatz dazu zeichnen sich bereits mehr als ein Drittel der Erzähltexte ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls durch den ausschließlichen Gebrauch präsentischer Tempora aus. Mit Bezug auf 235 6.1 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes die Ergebnisse der Häufigkeitsverteilung der ersten Erhebungsgruppe führt ein fiktiver Erzählimpuls unabhängig von der Erhebungsreihenfolge bei ca. der Hälfte der Erzähltexte zu einem hohen Anteil präteritaler Tempora. Im Gegensatz dazu zeichnet sich eine vergleichbare Anzahl an Erzählungen zum imaginären Erzählimpuls lediglich zum zweiten Erhebungszeitpunkt durch einen hohen Anteil präteritaler Tempora aus. Demnach scheint sich ein fiktiver Erzählimpuls tendenziell positiv auf den präteritalen Tempusgebrauch in einer anschließenden Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls auszuwirken. Ausgehend von den deskriptiven Analysen zum präteritalen Tempusge‐ brauch ist abschließend von Bedeutung, ob die Mittelwertanalyse einen signifikanten Zusammenhang zwischen den Erzähltexten zu den verschieden gestalteten Erzählimpulsen aufzeigt. Die Mittelwertanalyse wird sowohl für die gesamte Stichprobe sowie unter Berücksichtigung der Erhebungsgruppen berechnet. Aufgrund des metrischen Skalenniveaus können die Anteile präte‐ ritaler Tempora mittels eines t-Tests in den beiden Erzähltexten verglichen werden. In der anschließenden Tabelle sind die Ergebnisse des t-Tests durch die Mittelwerte, den t-Wert, die Freiheitsgrade (df), die zweiseitige asymptotische Signifikanz und die Effektstärke (d) dargestellt: T EMPUSGEBRAUCH imaginärer Erzählimpuls (t1) fiktiver Erzählimpuls (t2) t-Wert df asymptotische Sig. (2-seitig) Effektstärke (d) Mittelwert Std.-Abw. Mittelwert Std.-Abw. G ESAMTE S TICHPROBE (n = 95) 0,4150 0,3677 0,5345 0,3808 2,658 94 0,009 0,27 G RUPPE 1 (n = 44) 0,5270 0,3978 0,5515 0,3861 0,374 43 0,710 - G RUPPE 2 (n = 51) 0,3185 0,3124 0,5197 0,3794 3,358 50 0,009 0,47 Tab. 33: Ergebnisse Mittelwertanalyse Tempusgebrauch Die Ergebnisse der gesamten Stichprobe ergeben einen t-Wert von t(94) = 2,685, der mit einer einseitigen Signifikanz von p = 0,0045 auf einen mittleren Effekt verweist (d = 0,27). Bei der differenzierten Betrachtung der beiden Erhebungs‐ gruppen ergibt sich für die Gruppe 1 ein t-Wert von t(43) = 0,375. Aufgrund des hohen Signifikanzwerts von p = 0,71 ist dieser nicht aussagekräftig und lässt keine Berechnung einer Effektstärke zu. Allerdings zeugt der sehr geringe t-Wert bereits davon, dass kein großer Unterschied zwischen den Erzählungen auszumachen ist. Dieses Ergebnis ist ausgehend von den deskriptiven Häufig‐ keitsanalysen zu erwarten gewesen. Hervorzuheben sind die Ergebnisse der Mittelwertanalyse der zweiten Erhebungsgruppe. Die Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls, die von den Kindern der zweiten Gruppe verfasst wurden, weisen mit einem t-Wert von t(50) = 3,358 einen starken Zuwachs an präteritalen Tempora auf. Dieser Zuwachs ist mit einer einseitigen Signifikanz von p = 236 6 Empirische Analyse 0,0045 hoch signifikant und lässt die Berechnung einer Effektstärke zu. Die Effektstärke beträgt d = 0,47 und verweist somit auf einen mittleren Effekt. Anhand der differenzierten Betrachtung der beiden Erhebungsgruppen kann der Unterschied, der sich bereits anhand der Häufigkeitsanalyse angedeutet hat, in der Mittelwertanalyse bestätigt werden: Ein positiver Effekt ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls kann ausschließlich für die Erzählungen, die zum zweiten Erhebungszeitpunkt verfasst wurden, geschlussfolgert werden (Gruppe 2). Im Zusammenhang mit der Häufigkeitsverteilung kann allerdings angenommen werden, dass der zunehmende Gebrauch präteritaler Tempora ausgehend von der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls vielmehr aus dem geringen Anteil präteritaler Tempora in den Erzähltexten zum imaginären Erzählimpuls resultiert. Zusammenfassend lässt die quantitative Analyse des Tempusgebrauchs in den Erzähltexten der gesamten Stichprobe darauf schließen, dass ein fiktiver Erzählimpuls einen präteritalen Tempusgebrauch begünstigen könnte. Tenden‐ ziell gelingt es bei der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls unabhängig von der Erhebungsreihenfolge bereits fast der Hälfte der Kinder, in mehr als 80 % der Fälle präteritale Tempora zu verwenden. Außerdem gelingt es den Kindern, bei der Erzählgestaltung ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls tendenziell häufiger präteritale Tempora zu verwenden, wenn sie bereits zwei Wochen zuvor die Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls verfasst haben. Die Erzählge‐ staltung zum fiktiven Erzählimpuls scheint sich positiv auf einen präteritalen Tempusgebrauch in der anschließenden Erzählgestaltung zum imaginären Er‐ zählimpuls auszuwirken. 6.2 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes In diesem Kapitel werden drei weitere Erzähltextpaare ausgewählt (sechs Erzähltexte) und anhand der Analysekategorien auf Mesoebene in Bezug auf die verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulse analysiert. Das Anführen der Erzähltexte von drei weiteren Kindern ermöglicht einen breiteren Einblick in die empirischen Daten. Bei der Auswahl der Kinder werden wieder die vorschulischen Literacy-Erfahrungen berücksichtigt, sodass die Erzählungen von einem Kind angeführt werden, dessen Schrifterfahrungen bei Eintritt in die Schule einem buchstabenweisen Schreiben entsprechen und somit auf geringere Literacy-Erfahrungen verweisen (Kind 74). Anschließend folgen die Erzählungen eines Kindes, das bereits in der ersten Schulwoche logographisch 237 6.2 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes schreiben konnte und ein stärker ausgeprägtes Literacy-Konzept aufweist (Kind 80). Die letzten zwei Erzähltexte sind von einem Kind verfasst worden, dessen Schrifterfahrungen vorschulisch alphabetische Schreibungen aufzeigten und somit auf reichhaltige Literacy-Erfahrungen schließen lassen (Kind 13). Strukturell erfolgt die Erzähltextanalyse auf Mikroebene zunächst für die Etablierung der Erzählerperspektive und anschließend für die Etablierung einer Protagonistenperspektive. 6.2.1 Qualitative Analyse der Gebrauchsmuster zur Etablierung einer Erzählerperspektive In der Analyse narrativer Gebrauchsmuster zur Etablierung einer Erzählerper‐ spektive wird die sprachliche Markierung einer personalen, räumlichen und zeitlichen Deixis untersucht. Erzähltheoretisch konnte herausgestellt werden, dass die Deixen für die Etablierung einer Erzählerperspektive auf die Deixis am Phantasma verweisen müssen. Sprachlich kann der Verweis auf die Deixis am Phantasma bei der Erzählgestaltung durch die indefinite Einführung der Figuren, Raum und Zeit zu Erzählbeginn realisiert werden. Bei der qualitativen Analyse werden in den gegenübergestellten Erzähltexten die jeweiligen Bezüge zur Visualisierung farblich hervorgehoben. Die sprach‐ liche Markierung der Figuren wird in Dunkelgrau hinterlegt. Die sprachliche Herausstellung eines zeitlichen Bezugs innerhalb der Erzählung wird hellgrau hinterlegt und die sprachliche Realisierung räumlicher Bezüge wird durch eine Umrahmung markiert. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 74 Die Analyse der sprachlichen Realisierung einer fiktiven Erzählerperspektive in den Erzähltexten von Kind 74 zeigt zunächst, dass in beiden Erzähltexten ein personaler Bezug herausgestellt wird. Darüber hinaus gelingt es dem Kind in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls, einen zeitlichen Bezug zu erklären. 238 6 Empirische Analyse 35 In diesem Zusammenhang wird davon ausgegangen, dass das bestimmte Zahlenwort zwei mit ausbleibendem definitem Artikel (die zwei Mäuse) als indefinite Einführung der noch unbekannten Figuren für die Leser: innen fungiert. 1. Angst beim Feiern! Ein gestohlener Kuchen! 2. „Juhuu, Ich habe eine Puppe im Geschenk! “ Es waren einmal zwei Mäuse. Sie arbeiteten 3. „Oh, da kommen ja die gefährlichsten Diebe! “ den ganzen Tag, denn sie erwarteten Besuch. 4. „Oh nein, sie klauen unseren Kuchen! “ Sie Doch oh Schreck! Der Kuchen ist plötzlich 5. laufen weg, schnell hinterher! „Ich kann nicht weg. Die Diebe haben aus Versehen eine Spur 6. mehr.“ „Dann laufen wir halt weiter, geh du gemacht. Die Mäuse rannten den Dieben 7. zurück und ruh dich aus.“ Wir laufen weiter hinterher. Und plötzlich hat die Maus sie 8. „Autsch! Ich bin über einen Stein gefallen. eingeholt und sie gefangen. Und dann waren 9. Mein Knie blutet.“ „Ich kann nicht mehr die Gäste schon da und sie konnten feiern. Ende 10. laufen. Lauf du weiter.“ „Hab dich und den 11. Kuchen auch! “ Wir sind wieder da! Und jetzt 12. essen wir den Kuchen. Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 74-EiE) Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 74-EfE) Tab. 34: Etablierung einer Erzählerperspektive in den Erzähltexten von Kind 74 In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls vollzieht das Kind den perso‐ nalen Verweis mit Rückgriff auf das Pronomen ich und nutzt somit eine definite Sprachform. In dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls hingegen wird zu‐ nächst ein zeitlicher Verweis in Verbindung mit der narrationsspezifischen Phrase es war einmal vollzogen, bevor anschließend die zwei noch unbekannten Figuren durch das Zahlenwort zwei indefinit eingeführt werden. 35 Es zeigt sich somit ein Unterschied in der sprachlichen Realisierung zur Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive zwischen den Erzähltexten: Ausschließlich ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls gelingt es dem Kind, personale und zeitliche Bezüge indefinit zu vollziehen und somit innerhalb einer fiktiven Erzählwelt zu erklären. Neben der sprachlichen Realisierung zeigt eine qualitative Analyse der inhalt‐ lichen Darstellung des Erzählbeginns ebenfalls einen eindeutigen Unterschied zwischen den beiden Erzähltexten des Kindes. In der Erzählung zum imagi‐ nären Erzählimpuls beginnt das Kind die Erzählung direkt mit einem Ausruf. Anschließend folgt die Gestaltung der Ausgangssituation aus Perspektive der handelnden Figur: „Juhuu! Ich habe eine Puppe im Geschenk! “ (Kind 74-EiE, Zeile 2) In diesem Zusammenhang erklärt sich auch der personale Verweis, der sprachlich durch ein Pronomen vollzogen wird. Das Kind markiert damit die Erzählgestaltung aus Perspektive der handelnden Figur. In Kombination mit dem lautmalerischen Ausruf Juhuu! entspricht die Darstellung der Aus‐ gangssituation vielmehr einer monologischen Gedankenrede. Möglicherweise 239 6.2 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes identifiziert sich das Kind sogar selbst mit der handelnden Figur und wählt daher das Pronomen ich. Daraus könnte resultieren, dass dem Kind der Aufbau einer mentalen Distanz zum Erzählimpuls erschwert wird und die Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive nicht gelingt. Weiterführend wird zur Darstellung der Ausgangssituation mit dem Hinweis auf die Puppe als Geschenk ein Ereignis der visualisierten Narration des narratoästhetischen Erzählimpulses verschrift‐ licht. Die inhaltliche Darstellung der Erzählung entspricht somit primär der Beschreibung der visuellen Narration und nicht der Konstruktion einer rahm‐ enden Ausgangssituation abgestimmt auf den weiteren Handlungsverlauf der Erzählung. Zusammenfassend kann in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls somit weder anhand sprachlicher Mittel noch inhaltlicher Merkmale die Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive geschlussfolgert werden. Zwei Wochen später bei der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls gelingt es dem Kind, mit dem einleitenden und anschließenden Satz eine rahmende Ausgangssituation zu gestalten: „Es waren einmal zwei Mäuse. Sie arbeiteten den ganzen Tag, denn sie erwarteten Besuch.“ (Kind 74-EfE, Zeile 2 f.) Her‐ vorzuheben ist in der dargestellten Ausgangssituation die Realisierung eines Handlungsplans (Besuch erwarten), der für den weiteren Verlauf der Erzählung bedeutsam ist. Dies zeigt sich z. B. darin, dass der erwartete Besuch zum Ende der Erzählung durch den Verweis auf die Gäste wieder aufgegriffen wird (vgl. Kind 74-EfE, Zeile 9). Das Kind realisiert mit der Erwartung des Besuchs einen Handlungsplan, der innerhalb der Komplikation durch einen Planbruch zunächst gefährdet ist. Zum Ende der Erzählung kann der Handlungsplan aber wieder verfolgt werden. Im Zusammenhang mit dem Gebrauch narrativ-struk‐ turierender Gebrauchsmuster und der inhaltlichen Gestaltung der Erzählung stellt sich die Realisierung eines Handlungsplans als entscheidendes inhaltliches Merkmal zur globalkohärenten Erzählgestaltung heraus (vgl. Kapitel 6.3.1). Der Handlungsplan wird aber nicht direkt auf dem narratoästhetischen Erzählimpuls visualisiert. Die inhaltliche Darstellung lässt somit darauf schließen, dass das Kind vielmehr angestoßen durch die visuelle Narration des narrato‐ ästhetischen Erzählimpulses selbstständig eine umfassende Ausgangssituation konstruiert. Zusammenfassend etabliert das Kind in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls somit sprachlich durch zwei indefinite Verweise eine fiktive Erzählerperspektive und stellt darüber hinaus inhaltlich eine umfassende Aus‐ gangssituation innerhalb der fiktiven Erzählwelt dar. Abschließend lässt sich ausgehend von der vergleichenden Analyse zur Eta‐ blierung einer fiktiven Erzählerperspektive ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden Erzähltexten erfassen. Ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls gelingt es dem Kind, sowohl sprachlich als auch inhaltlich einen Erzählbeginn 240 6 Empirische Analyse zu konstruieren, der auf eine fiktive Erzählwelt verweist und auf den weiteren Handlungsverlauf abgestimmt ist. Dabei dient die visuelle Narration des nar‐ ratoästhetischen Erzählimpulses vielmehr als Anstoß zur Konstruktion des Erzählimpulses. Die Gestaltung des Erzählbeginns in der Erzählung zum imagi‐ nären Erzählimpuls resultiert aus der Beschreibung der visuellen Narration. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 80 Die qualitative Analyse zur Etablierung einer Erzählerperspektive in den beiden Erzähltexten von Kind 80 zeigt ebenfalls einen deutlichen Unterschied zugunsten des fiktiven Erzählimpulses. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls gelingt es dem Kind, sowohl personale, räumliche als auch zeitliche Bezüge zu Beginn der Erzählung anzuführen. In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls hingegen wird ausschließlich ein personaler Bezug herausgestellt, wobei dieser sprachlich durch die Nominalform realisiert wird: 1. Diebe auf der Feier! Der gestohlene Kuchen 2. „Juhuu Weihnachten“, ruft Max, „Wann Es waren mal zwei Hunde. Sie hatten ein Haus 3. können wir die Geschenke auspacken? “ Mama mit einem See. Der eine Hund harkte den 4. sagt: „Gleich. Oh, was macht ihr da? “ „Wir Boden. Der andere Hund backte ein Kuchen. 5. klauen euren Kuchen.“ „Hey, lasst den Kuchen Und wenn man hinsah, sah man zwei Mäuse. 6. stehen.“ „Wir denken gar nicht dran.“ „Komm Als die Hunde nicht hinsahen, liefen die zwei 7. Ben, wir laufen weg.“ „Tom schneller, die Mäuse zum Kuchen und nahmen den Kuchen. 8. kommen uns nach.“ „Schneller, wir haben sie Die beiden Hunde liefen den Mäusen hinterher. 9. gleich.“ „Ja, ich hab dich, Ben und dich auch Die Mäuse liefen den Weg entlang zwischen 10. Tom. Gib mir den Kuchen hier! “ Zu Hause Bäumen. Der Hund packte sie, der andere Hund 11. angekommen. „Können wir den Kuchen schlug mit der Tasche zu. Als sie den Kuchen 12. essen? “ „Ja“, sagt Mama. wieder hatten, luden sie ihre Freunde ein. Die 13. beiden Mäuse waren gefesselt. Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 80-EiE) Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 80-EfE) Tab. 35: Etablierung einer Erzählerperspektive in den Erzähltexten von Kind 80 Die Erzählung zum imaginären Erzählimpuls zum ersten Erhebungszeitpunkt beginnt das Kind direkt mit einem Wechsel mehrerer Redebeiträge der Figuren. In diesem Zusammenhang führt das Kind jeweils in den begleitenden Rede‐ sätzen die noch unbekannten Figuren ein ( Jan, Mama). Sprachlich nutzt das Kind für die Figureneinführung die Nominalform, womit eine Bekanntheit der noch nicht eingeführten Figuren vorausgesetzt wird. Allerdings schreibt das Kind einer der Figuren durch die Bezeichnung als Mama bereits eine charak‐ teristische Rolle zu. Dennoch wird die sprachliche Einführung der Figuren nicht funktional zur Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive realisiert. Im Gegensatz dazu führt das Kind in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls die handelnden Figuren sowie die zeitliche und räumliche Ausgangslage 241 6.2 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes indefinit ein: „Es waren mal zwei Hunde. Sie hatten ein Haus mit einem See.“ (Kind 80-EfE, Zeile 2 f.) Das Kind beginnt die Erzählung mit einer abge‐ schwächten Form der narrationsspezifischen Phrase es war einmal und realisiert auf diese Weise eine zeitliche Verortung. In Verbindung mit der Phrase werden gleichzeitig die beiden noch unbekannten Figuren in indefiniter Form durch das Zahlwort zwei in die Erzählung eingeführt. Mit dem zweiten Satz kann ein räumlicher Bezug ausgemacht werden. In diesem Zusammenhang gelingt es dem Kind, durch die indefinite Form die noch unbekannte Raumsituation zu er‐ klären. Zusammenfassend werden in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls sowohl personale, zeitliche als auch räumliche Aspekte indefinit eingeführt, sodass für die Leser: innen sprachlich eine fiktive Erzählerperspektive etabliert wird. In der inhaltlichen Darstellung des Erzählbeginns unterscheiden sich die beiden Erzähltexte zunächst durch den Rückgriff auf die Figurenrede. Das Kind gestaltet den Erzählbeginn ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls ausschließlich durch einen Wechsel von Redebeiträgen der handelnden Figuren: „,Juhuu Weihnachten‘, ruft Max, ,Wann können wir die Geschenke auspacken? ‘ Mama sagt: ,Gleich. Oh, was macht ihr da? ‘“ (Kind 80-EiE, Zeile 2-4) Damit entspricht der Erzählanfang vielmehr einer dialogischen Erzählsituation, die durch den Ausruf des Jungen und der Rollenzuweisung der Figur als Mutter auf eine Familiensituation an Weihnachten verweist. Allerdings werden inhalt‐ lich nicht alle relevanten Information für eine umfassende Ausgangssituation versprachlicht, sodass der folgende Handlungsstrang für die Leser: innen nur schwer nachvollziehbar ist. Die Konstruktion eines Erzählbeginns, der auf den weiteren Handlungsverlauf abgestimmt ist, stellt für das Kind noch eine Herausforderung dar. Im Gegensatz dazu gestaltet das Kind in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls ohne Rückgriff auf die Figurenrede eine detailreiche und umfassende Ausgangssituation: „Es waren mal zwei Hunde. Sie hatten ein Haus mit einem See. Der eine Hund harkte den Boden. Der andere Hund backte ein Kuchen.“ (Kind 80-EfE, Zeile 2-4) Das Kind führt in diesem Zusammenhang die für den weiteren Handlungsverlauf relevante Torte an. Mit dem Harken des Hundes wird zwar eine visualisierte Handlung des narratoästhetischen Erzählimpulses beschrieben, womit die Darstellung der Ausgangssituation Parallelen zur vi‐ suellen Narration des narratoästhetischen Erzählimpulses aufweist. Dennoch zeugt der Erzählbeginn im Zusammenhang mit der Einführung des Kuchens und der sprachlichen Etablierung der Erzählerperspektive von der Konstruktion eines umfassenden Erzählanfangs in einer fiktiven Erzählwelt. 242 6 Empirische Analyse Zusammenfassend bestätigt die vergleichende Analyse der Erzähltexte von Kind 80 somit die bereits aufgezeigte Tendenz zugunsten des fiktiven Erzählim‐ pulses. Es können deutliche Unterschiede auf sprachlicher Ebene in Bezug auf die indefinite Einführung von Raum, Zeit und Figuren sowie auf inhaltlicher Ebene bei der Gestaltung des Erzählbeginns zwischen den Erzähltexten zu den verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen ausgemacht werden. Aus‐ gehend von dem fiktiven Erzählimpuls gelingt es dem Kind, einen Erzählbeginn zu konstruieren, in dem sprachlich eine fiktive Erzählerperspektive etabliert wird und inhaltlich eine umfassende und auf den Handlungsstrang abgestimmt Ausgangssituation gestaltet wird. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 13 Der abschließende Vergleich der beiden Erzählungen von Kind 13 zeigt keinen offensichtlichen Unterschied in Bezug auf die sprachliche Realisierung zur Eta‐ blierung einer Erzählerperspektive. In beiden Erzählungen wird ein zeitlicher sowie personaler Bezug indefinit herausgestellt: 1. Diebe auf der Feier. Die Tortendiebe. 2. Es waren einmal zwei Mädchen und ein Junge. Es waren einmal zwei Hunde. Sie hießen Tom 3. Der Junge hieß Max. Das eine Mädchen hieß und Lina. Als Lina Geburtstag hatte, schlichen 4. Tina und das andere Mila. Max hat heute sich die frechen Mäuse an. Sie haben es auf die 5. Geburtstag. Er hat ein echtes Flugzeug leckere Torte abgesehen. Als Tom im Garten 6. bekommen. Aber am liebsten würde er sofort arbeitete, rief Lina: „Die Torte ist weg! “ Da 7. den leckeren Kuchen mit seinen Freunden drehte sich Tom um und bemerkte zwei Mäuse 8. essen. Doch da kamen ihre Erzfeinde Paul und mit dem Kuchen. Da sprang er auf und jagte 9. Elli. Sie haben sich angeschlichen und den den Mäusen hinterher. Lina tat das gleiche. Die 10. Kuchen geklaut. Als Max sie sah, sagte er: Mäuse rannten immer schneller. Als sie am 11. „Das ist mein Kuchen.“ Doch Paul und Lilli Teich waren, packte Tom sie am Kragen. Da 12. sind einfach weggerannt. Da machten die Kids verprügelten die Mäuse Tom. Als Lina ankam, 13. sich auf den Weg, um den Kuchen haute sie den Mäusen auf den Kopf. Da ließen 14. wiederzuholen. Lilli und Paul liefen schneller sie den Kuchen fallen und er landete im See. 15. als die anderen. Da hatte Max eine Idee. Er Die Mäuse lagen auf den Boden und Lina 16. stieg in sein Flugzeug und holte die Diebe sagte: „Dann backen wir einen neuen Kuchen.“ 17. schnell ein. Paul und Lilli gaben den Kuchen ab Als der Kuchen fertig war, kamen die Gäste. 18. und die anderen gingen wieder auf die Feier. Eingeladen waren: ein Schwein, ein Waschbär, 19. Doch als Tina in den Kuchen biss, stotterte sie: ein Frosch, ein Chamäleon, und ein 20. „Das ist ein Papier Kuchen.“ Mila sagte: „Das Dinosaurier. Und was mit den Mäusen passiert 21. kann gar nicht sein.“ Aber als [sie] auch ist, wollt ihr auch bestimmt wissen. Sie wurden 22. reinbiss, sagte sie: „Oder auch doch.“ Sie an einen Baum gefesselt und geknebelt. Das 23. gingen heulen und ihre Erzfeinde freuten sich Ende. 24. über den echten Kuchen. Ende. Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 13-EiE) Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 13-EfE) Tab. 36: Etablierung einer Erzählerperspektive in den Erzähltexten von Kind 13 243 6.2 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes Das Kind nutzt in beiden Erzählungen zur zeitlichen Verortung die Phrase es waren einmal und führt anschließend die noch unbekannten Figuren indefinit ein. Außerdem kann in beiden Erzähltexten keine Einführung der Raumsitua‐ tion ausgemacht werden. Dem Kind gelingt es somit, unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls die Etablierung einer fiktiven Erzählerper‐ spektive sprachlich durch einen personalen und zeitlichen Bezug zu realisieren. Ein Unterschied zwischen den beiden Erzähltexten bleibt auch bei einer qualitativen Analyse der inhaltlichen Darstellung der Ausgangssituation aus. Das Kind gestaltet in beiden Erzähltexten unabhängig vom narratoästhetischen Erzählimpuls eine umfassende Ausgangssituation, die auf den weiteren Hand‐ lungsstrang abgestimmt ist. In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls gestaltet das Kind eine sehr umfangreiche Ausgangssituation (vgl. Kind 13-EiE, Zeile 2-8). Inhaltlich folgt in dieser nach der indefiniten Einführung der noch unbekannten Figuren eine nominale Beschreibung der Figuren, sodass diese für die Leser: innen zusätz‐ lich namentlich versehen sind. Weiterführend kann ein Ereignis ausgemacht werden, das nicht explizit auf dem narratoästhetischen Erzählimpuls visualisiert wird: „Er hat ein echtes Flugzeug bekommen.“ (Kind 13-EiE, Zeile 5 f.) Das Kind führt dieses als zusätzliches Element zu Beginn der Erzählung an und misst diesem eine elementare Bedeutung für den weiteren Handlungsverlauf zu: „Er stieg in sein Flugzeug und holte die Diebe schnell ein.“ (Kind 13-EiE, Zeile 15-17) Die gesamte Gestaltung des Erzählstrangs zeichnet sich durch die Kreativität des Kindes aus, angestoßen durch die visuelle Narration des imaginären Erzählimpulses, eine individuelle und ausgefallene Erzählung innerhalb einer fiktiven Erzählwelt zu konstruieren. Diese Schlussfolgerung lässt auch die inhaltliche Betrachtung des Erzählbe‐ ginns in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls zu. Das Kind gestaltet eine umfangreiche Ausgangssituation, in der sogar die Absicht der Diebe versprach‐ licht wird: „Als Lina Geburtstag hatte, schlichen sich die frechen Mäuse an. Sie haben es auf die leckere Torte abgesehen.“ (Kind 13-EfE, Zeile 3-5) Zusätzlich gelingt es dem Kind, durch den Geburtstag eine Situierung der Erzählung zu konstruieren, die nicht aus der visuellen Narration des fiktiven Erzählimpulses resultiert. Stattdessen wird ein umfassender Erzählbeginn innerhalb einer fiktiven Erzählwelt konstruiert, der auf den weiteren Handlungsverlauf abge‐ stimmt ist. Allerdings entspricht diese der visuellen Narration des imaginären Erzählimpulses, die Ausgangspunkt der Erzählgestaltung zwei Wochen zuvor war. Möglicherweise wirkt sich an dieser Stelle die imaginäre Vorlage auf die anschließende Gestaltung der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls aus. 244 6 Empirische Analyse Zusammenfassend können zwischen den Erzähltexten von Kind 13 keine Unterschiede in der sprachlichen wie auch inhaltlichen Gestaltung des Erzähl‐ beginns ausgemacht werden. Unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls ist das Kind in der Lage, sprachlich eine fiktive Erzählerperspektive zu etablieren und inhaltlich einen umfassenden und auf den weiteren Hand‐ lungsverlauf abgestimmten Erzählbeginn innerhalb einer fiktiven Erzählwelt zu konstruieren. Zusammenfassung der qualitativen Ergebnisse Die vergleichende Analyse der ausgewählten Erzähltexte der drei Kinder in Bezug auf die Etablierung einer Erzählerperspektive ergibt interessante Erkenntnisse. Dabei kann zwischen den Erkenntnissen zur sprachlichen Rea‐ lisierung personaler, zeitlicher und räumlicher Bezüge und zur inhaltlichen Darstellung des Erzählbeginns unterschieden werden. In Bezug auf die sprachliche Realisierung personaler, zeitlicher und räumli‐ cher Bezüge zu einer fiktiven Erzählwelt können in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls gegenüber der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls überwie‐ gend mehr (vgl. Kind 74, Kind 80) Bezüge in indefiniter Form ausgemacht werden. Dem Kind mit reichhaltigen Literacy-Erfahrungen zu Schulbeginn gelingt es in beiden Erzählungen den Erzählbeginn sprachlich in einer Erzähl‐ welt zu verorten (vgl. Kind 13). In erster Linie werden vor allem personale und zeitliche Bezüge zu Erzählbeginn erklärt. Der Verweis auf eine räumliche Ausgangssituation erfolgt selten und geht mit der zusätzlichen Einführung einer personalen und zeitlichen Ausgangslage einher (vgl. Kind 80). Für die ausgewählte Stichprobe lässt die Analyse der sprachlichen Realisierung zur Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive darauf schließen, dass zu Erzähl‐ beginn häufig zwei Bezüge sprachlich realisiert werden. Neben der sprachlichen Realisierung zur Etablierung einer fiktiven Erzäh‐ lerperspektive ist in der qualitativen Analyse die inhaltliche Darstellung des Erzählbeginns zwischen den beiden Erzähltexten zu verschiedenen Erzählim‐ pulsen betrachtet worden. Dazu stellen sich die Ausprägung der Ausgangssi‐ tuation in Abstimmung auf den folgenden Handlungsstrang sowie der Bezug zur visuellen Narration des narratoästhetischen Erzählimpulses in den beiden Erzähltexten als bedeutend heraus. Die qualitative Analyse der ausgewählten Erzähltexte zeigt, dass die Kinder in allen Erzähltexten zum fiktiven Erzählim‐ puls eine Ausgangssituation gestalten, die auf den weiteren Handlungsverlauf abgestimmt ist. Darüber hinaus zeugen die zusätzliche Anführung weiterer Ereignisse (z. B. die Einführung der Torte) und die ausschmückende Darstellung der Ausgangssituation davon, dass die Kinder vielmehr angestoßen durch den 245 6.2 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes fiktiven Erzählimpuls einen eigenen Erzählbeginn konstruieren. Die Konstruk‐ tion einer eigenen Erzählung gelingt ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls ausschließlich Kind 13, welches unabhängig von der Gestaltung des narratoästhetischen Erzählimpulses in beiden Erzähltexten einen umfassenden Erzählbeginn zur Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive gestaltet. Ge‐ rade bei diesem Kind kann aufgrund der Schreibungen mit Schuleintritt von stärker ausgeprägten Literacy-Erfahrungen ausgegangen werden. Möglicher‐ weise unterstützen die reichhaltigen Literacy-Erfahrungen eine inhaltliche Dar‐ stellung des Erzählbeginns losgelöst von der visuellen Narration des imaginären Erzählimpulses. 6.2.2 Quantitative Analyse der Gebrauchsmuster zur Etablierung einer Erzählerperspektive Im Folgenden werden die Erzähltexte der gesamten Stichprobe (n = 95) in Bezug auf die sprachliche Realisierung einer fiktiven Erzählerperspektive quantitativ analysiert. Die Ergebnisse der beiden Erzähltextkorpora werden jeweils in einem Balkendiagramm gegenübergestellt. Die Anzahl indefiniter Verweise zur personalen, zeitlichen und räumlichen Ausgangssituation in dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls ist dunklgrau hervorgehoben. Hellgrau sind die Ergebnisse zur deskriptiven Analyse der Erzähltexte in dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls visualisiert: 246 6 Empirische Analyse 47 32 60 42 18 5 0 20 40 60 80 100 120 140 Erzähltextkorpus fiktiver Erzählimpuls Erzähltextkorpus imaginärer Erzählimpuls indefinite Einführung des Raums indefinite Einführung der Zeit indefinite Einführung der Figuren indefinite Einführung des Raums indefinite Einführung der Zeit indefinite Einführung der Figuren Abb. 52: Anzahl indefiniter Verweise zur Etablierung einer Erzählerperspektive (n = 95) Der Grafik zur Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive kann entnommen werden, dass im gesamten Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls insge‐ samt 125 indefinite Verweise zu Erzählbeginn vollzogen werden. Die indefinite Einführung der Figuren erfolgt in 47 Erzähltexten und damit in knapp der Hälfte aller Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls (49,5 %). In 60 Erzähltexten wird ein indefiniter Verweis auf die zeitliche Ausgangslage realisiert, damit wird in ca. zwei Drittel der Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls die zeitliche Ausgangs‐ lage in einer fiktiven Erzählwelt verortet (63,2 %). Die indefinite Einführung der Raumsituation erfolgt seltener und kann in 18 Erzähltexten zum fiktiven Erzähl‐ impuls ausgemacht werden (18,9 %). Die deskriptive Häufigkeitsverteilung zur Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive in den Erzähltexten ausgehend von einem imaginären Erzählimpuls zeigt, dass insgesamt 79 indefinite Verweise zu Erzählbeginn realisiert werden. In 32 Erzähltexten werden die noch unbe‐ kannten Figuren indefinit eingeführt. Diese 32 Erzähltexte machen ein Drittel des Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls aus (33,7 %). Ein zeitlicher Verweis wird ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls in 42 Erzähltexten realisiert und damit in 44,2 % des Erzähltextkorpus. Weitergehend können fünf Erzähltexte ausgemacht werden, in denen die räumliche Ausgangslage 247 6.2 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes durch die indefinite Einführung beschrieben wird (5,3 %). Zusammenfassend ergibt sich damit in Bezug auf alle drei Perspektiven (personal, zeitlich und räumlich) ein quantitativer Unterschied zwischen den Erzähltextkorpora: In den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls können häufiger indefinite Verweise auf die personale, zeitliche und räumliche Ausgangslage erfasst werden als in den Erzähltexten ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls. Analog zur Analyse der Kategorien auf Mikroebene der Erzähltexte werden auch die quantitativen Ergebnisse zur Etablierung einer fiktiven Erzählerper‐ spektive für die beiden Erhebungsgruppen differenziert angeführt. Die folgende Grafik zeigt die durchschnittliche Verwendung indefiniter Verweise auf Per‐ sonen, Zeit und Raum in einem Erzähltext in Bezug auf die zwei Erhebungs‐ gruppen. Dunkelgrau sind die Ergebnisse zur Erzählgestaltung ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls und in Hellgrau wird die durchschnittliche Verwendung der indefiniten Verweise in einem Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls hervorgehoben: 0,52 0,47 0,3 0,37 0,64 0,63 0,43 0,45 0,2 0,18 0,09 0,02 0,00 0,20 0,40 0,60 0,80 1,00 1,20 1,40 Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 1 Gruppe 2 fiktiver Erzählimpuls imaginärer Erzählimpuls Gruppe 1 Gruppe 2 n = 44 n = 51 Gruppe 1 Gruppe 2 n = 44 n = 51 indefinite Einführung des Raums indefinite Einführung der Zeit indefinite Einführung der Figuren indefinite Einführung des Raums indefinite Einführung der Zeit indefinite Einführung der Figuren Abb. 53: Durchschnittliche Verwendung indefiniter Verweise zur Etablierung einer Erzählerperspektive 248 6 Empirische Analyse Anhand des Balkendiagramms kann bei der durchschnittlichen Verwendung indefiniter Verweise in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls kein merklicher Unterschied zwischen den Erhebungsgruppen aufgezeigt werden. Tendenziell realisieren die Kinder der Gruppe 1 im Durchschnitt minimal häu‐ figer einen indefiniten Verweis auf die personale, zeitliche als auch räumliche Ausgangslage. Bei der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls zeigt sich eine umgekehrte Tendenz. Ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls führen die Kinder der zweiten Erhebungsgruppe im Durchschnitt geringfügig häufiger die Figuren sowie die zeitliche Ausgangslage indefinit ein. Der sehr selten vorkommende Verweis auf eine räumliche Ausgangslage wird von den Kindern der Gruppe 1 durchschnittlich in 9 % der Fälle realisiert und damit etwas häufiger als in den Erzähltexten der zweiten Erhebungsgruppe (2 %). Zusammenfassend ergeben sich bei den jeweiligen Erzähltextkorpora keine nennenswerten Differenzen in der sprachlichen Realisierung einer fiktiven Erzählerperspektive zwischen den beiden Erhebungsgruppen. Der Unterschied in der Anzahl indefiniter Verweise zwischen den beiden Erzähltextkorpora lässt unabhängig von der Erhebungsreihenfolge darauf schließen, dass ausgehend von einem fiktiven Erzählimpuls tendenziell häufiger indefinite Verweise zur Etablierung einer Erzählerperspektive realisiert werden. Die qualitative Analyse der ausgewählten Erzähltexte hat speziell in Bezug auf die Einführung der handelnden Figuren gezeigt, dass die Kinder ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls sehr häufig auf die Nominalform zurückge‐ griffen haben. Aus diesem Grund wird die Einführung der Figuren in den Erzähltexten der gesamten Stichprobe expliziter analysiert. Der personale Ver‐ weis zu Erzählbeginn wird entsprechend der Unterscheidung einer indefiniten, definiten und nominalen Einführung in den beiden Erzähltextkorpora gegen‐ übergestellt. Die Ergebnisse können in einem Balkendiagramm visualisiert werden, wobei der entsprechenden Farben wieder die jeweiligen Erzähltextkor‐ pora hervorgehoben werden: 249 6.2 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes 0,52 0,47 0,3 0,37 0,43 0,39 0,11 0,12 0,05 0,14 0,57 0,51 0,00 0,10 0,20 0,30 0,40 0,50 0,60 0,70 0,80 0,90 1,00 Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 1 Gruppe 2 fiktiver Erzählimpuls imaginärer Erzählimpuls Gruppe 1 Gruppe 2 n = 44 n = 51 Gruppe 1 Gruppe 2 n = 44 n = 51 nominale Einführung definite Einführung indefinite Einführung nominale Einführung definite Einführung indefinite Einführung Abb. 54: Einführungen der Figuren Die Balkendiagramme visualisieren zunächst, wie bereits oben angeführt, dass die indefinite Einführung der Figuren in ca. 50 % der Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls und in ca. 35 % der Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls erfolgt. Weiterführend werden die Figuren in den weiteren Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls überwiegend definit eingeführt: in 43 % der Erzähltexte der ersten Erhebungsgruppe und in 39 % der Erzähltexte der Gruppe 2. Eine nominale Einführung in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls erfolgt somit tendenziell selten. Die erste Erhebungsgruppe nutzt in 5 % der Fälle die Nominalform zur Einführung der Figuren. Dies entspricht einem Erzähltext. In insgesamt sieben Erzähltexten der zweiten Erhebungsgruppe erfolgt ebenfalls eine nominale Einführung der noch unbekannten Figuren. Dies macht 14 % des Erzähltextkorpus der Gruppe 2 aus. Demnach unterscheidet sich die sprachliche Realisierung eines personalen Verweises bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls minimal in Bezug auf den Gebrauch der Nominalform. Es können tendenziell etwas häufiger Nominalformen in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls erfasst werden, wenn diese zum zweiten Erhebungszeitpunkt gestaltet werden. 250 6 Empirische Analyse 36 Die fehlenden Prozentwerte bei der Figureneinführung in den Erzähltexten zum imaginären Erzählimpuls der ersten Erhebungsgruppe ergeben sich daraus, dass ein Kind die Figuren gar nicht einführt. Bei der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls werden die han‐ delnden Figuren sehr häufig nominal eingeführt: Die Kinder der ersten Erhe‐ bungsgruppe greifen in über 57 % der Fälle bei der Figureneinführung auf die Nominalform zurück. Die definite Einführung der Figuren erfolgt in einem sehr viel geringeren Anteil der Erzähltexte (11 %) 36 . Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Erzähltexten zum imaginären Erzählimpuls der zweiten Erhebungsgruppe. Die Kinder führen in 51 % der Erzähltexte die Figuren nominal ein und nutzen insgesamt in 12 % der Erzähltexte die definite Form. Die Figuren werden in ca. der Hälfte der Erzählungen zum imaginären Erzählimpuls somit unabhängig von der Erhebungsreihenfolge durch die Nominalform eingeführt. Im Gegensatz dazu bleibt die nominale Einführung der Figuren in den Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls fast aus (ca. 10 %). Möglicherweise könnte sich in diesem Zusammenhang die Differenz bei der Häufigkeit einer nominalen Einführung in den Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls zwischen den beiden Erhebungs‐ gruppen erklären. Die Kinder der zweiten Erhebungsgruppe könnten aufgrund der vorausgegangenen Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls, in der eine nominale Einführung der Figuren dominiert, auch bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls die Nominalform für den personalen Verweis nutzen. Zusammenführend lässt die deskriptive Häufigkeitsanalyse darauf schließen, dass ein imaginärer Erzählimpuls unabhängig von der Erhebungsreihenfolge tendenziell häufiger zu einer nominalen Einführung der Figuren führt. Im Gegensatz dazu könnte ein fiktiver Erzählimpuls die indefinite Einführung der Figuren begünstigen. Zum Abschluss der deskriptiven Analyse der Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive ist von Bedeutung, wie sich die Erzähltexte in der umfas‐ senden Einführung der drei Ausgangslagen zu Erzählbeginn unterscheiden. Die qualitative Analyse der ausgewählten Erzähltexte hat gezeigt, dass es den Kindern bereits mit der sprachlichen Realisierung von zwei Verweisen gelingt, inhaltlich einen umfassenden Erzählbeginn zu konstruieren. Daher wird unter‐ schieden, ob in einem Erzähltext mindestens zwei Verweise, ein Verweis oder gar kein Verweis vollzogen wird. Entsprechend den beiden Erzähltextkorpora (fiktiv u. imaginär) werden die Häufigkeiten an Erzähltexten mit der jeweiligen Anzahl an Verweisen gegenübergestellt. Das folgende Diagramm visualisiert die Ergebnisse der deskriptiven Häufigkeitsanalyse zur Etablierung einer Er‐ zählerperspektive in einem Erzähltext. Aufgrund des Ausbleibens merklicher Unterschiede zwischen der Erhebungsreihenfolge kann diese unberücksichtigt 251 6.2 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes bleiben und die Häufigkeiten werden entsprechend dem insgesamten Erzähl‐ textkorpus abgebildet. Farblich werden die Häufigkeiten ausgehend von dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls dunkelgrau und ausgehend von dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls hellgrau hinterlegt: 25 26 44 47 33 15 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 kein Verweis ein Verweis mindestens zwei Verweise Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls Abb. 55: Etablierung einer Erzählerperspektive (n = 95) Dem Diagramm kann entnommen werden, dass in 25 Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls kein indefiniter Verweis auf die personale, zeitliche oder räum‐ liche Ausgangslage vollzogen wird. Diese machen 26,3 % des Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls aus. In dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls wird fast die Hälfte der Erzähltexte ohne die indefinite Einführung von Figuren, Raum und Zeit gestaltet (43,2 %). Insgesamt sind es 41 Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls ohne einen indefiniten Verweis zu Erzählbeginn. Ein Verweis zu Erzählbeginn kann in beiden Erzähltextkorpora in ähnlichen Verhältnissen ausgemacht werden: Es sind 26 Erzähltexte zum fiktiven Erzähl‐ impuls (27,4 %) und 32 Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls (33,7 %). Abschließend zeigt die deskriptive Häufigkeitsanalyse, dass in insgesamt 44 Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls zu Erzählbeginn mindestens zwei indefinite Verweise realisiert werden. Diese machen etwas weniger als die Hälfte des gesamten Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls aus (46,3 %). In dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls können insgesamt 22 Erzähltexte mit mindestens zwei indefiniten Verweisen zur sprachlichen 252 6 Empirische Analyse Realisierung einer fiktiven Erzählerperspektive erfasst werden. Diese machen 23,2 % des Erzähltextkorpus aus. Zusammenfassend zeigt die deskriptive Analyse zur sprachlichen Realisie‐ rung indefiniter Verweise in einem Erzähltext, dass ausgehend von einem fiktiven Erzählimpuls deutlich häufiger mindestens zwei indefinite Verweise vollzogen werden als ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls. Diese Ergebnisse decken sich mit den Befunden der qualitativen Analyse. In den ausgewählten Erzähltexten der qualitativen Analyse geht die sprachliche Rea‐ lisierung von mindestens zwei indefiniten Verweisen immer auch mit der um‐ fassenden inhaltlichen Gestaltung einer Anfangssituation einher. Damit könnte angenommen werden, dass den Kindern bei der sprachlichen Realisierung zweier indefiniter Verweise möglicherweise auch die umfassende inhaltliche Darstellung einer Ausgangssituation gelingen könnte. Außerdem können im Vergleich deutlich mehr Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls als zum fiktiven Erzählimpuls erfasst werden, in denen gar kein indefiniter Verweis zu Erzählbeginn auszumachen ist. Mit Bezug auf die Ergebnisse der qualitativen Analyse könnte das Fehler einer sprachlichen Realisierung mit einer ausblei‐ benden Gestaltung eines auf den weiteren Handlungsverlauf abgestimmten Erzählbeginns einhergehen. Zusammenführend könnte anhand der quantita‐ tiven und qualitativen Ergebnisse zur Etablierung einer Erzählerperspektive angenommen werden, dass ein fiktiver Erzählimpuls die sprachliche und in‐ haltliche Realisierung eines Erzählbeginns innerhalb einer fiktiven Erzählwelt tendenziell begünstigen könnte. Zum Abschluss der quantitativen Analyse kann anhand einer Mittelwert‐ analyse die sprachliche Realisierung zur Etablierung einer fiktiven Erzählerper‐ spektive statistisch auf den Einfluss des Erzählimpulses analysiert werden. Die deskriptiven Ergebnisse offenbaren für die indefinite Einführung von Per‐ sonen, Raum und Zeit keine nennenswerten Differenzen zwischen den beiden Erhebungsgruppen, sodass eine separate Analyse der einzelnen Erhebungs‐ gruppen nicht notwendig ist. Die deskriptiven Ergebnisse lassen allerdings darauf schließen, dass ein imaginärer Erzählimpuls den Verweis mittels der Nominalform begünstigen könnte, sodass bei der Mittelwertanalyse zusätzlich die nominale Einführung der Figuren berücksichtigt wird. Bei den deskriptiven Ergebnissen der Verweise von Figuren, Zeit und Raum handelt es sich um ordinalskalierte Werte, sodass der Wilcoxon-Test herangezogen wird (vgl. Kapitel 5.4). Die Ergebnisse des Wilcoxon-Tests werden durch den z-Wert, die zweiseitige asymptotische Signifikanz und die Effektstärke (r) zusammentragen und in der anschließenden Tabelle dargestellt: 253 6.2 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes E TA B LI E R U N G E IN E R E R ZÄHL E R P E R ‐ S P E KTIV E z-Wert asymptotische Sig. (2-seitig) Effektstärke (r) F I G U R E N IN D E F INIT (n = 95) 2,535 0,011 0,26 R AU M IN D E F INIT (n = 95) 2,837 0,005 0,29 Z E IT IN D E F INIT (n = 95) 2,920 0,004 0,30 F I G U R E N N O MINAL (n = 95) -6,332 0,000 0,65 Tab. 37: Ergebnisse Mittelwertanalyse Etablierung einer Erzählerperspektive Für die gesamte Stichprobe ergibt sich bei der indefiniten Einführung der Figuren, der Zeit und des Raums ein z-Wert der größer als 2,5 ist (Figuren: z = 2,535, Zeit: z = 2,920, Raum: z = 2,837). Für diese Ergebnisse kann aufgrund der hohen, einseitigen Signifikanzwerte (Figuren: p = 0,0055, Zeit: p = 0,025, Raum: p = 0,002) ein Irrtum mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Ausgehend von den z-Werten kann in Bezug auf die personale, räum‐ liche und zeitliche Verschiebung ein mittlerer Effekt zugunsten des fiktiven Erzählimpulses bestimmt werden. Die Effektstärken liegen bei r = 0,26 für die indefinite Einführung der Figuren, bei r = 0,30 für einen indefiniten Verweis auf die zeitliche Ausgangslage. Für eine räumliche Einführung in eine fiktive Erzählwelt liegt die signifikante Effektstärke bei r = 0,29. Damit bestätigt die Mittelwertanalyse die qualitativen und quantitativen Ergebnisse, dass ein fiktiver Erzählimpuls tendenziell die indefinite Einführung der gesamten Aus‐ gangslage zu Erzählbeginn begünstigt und somit die sprachliche Realisierung einer fiktiven Erzählerperspektive unterstützt. Bei der zusätzlichen Betrachtung einer nominalen Einführung der Figuren ergibt sich für die gesamte Stichprobe ein z-Wert von z = -6,332. Dieser ist mit einem Signifikanzwert von p = 0,00 hoch signifikant und verweist mit der Effektgröße r = 0,65 auf einen starken Effekt. Der negative z-Wert lässt aufgrund der Ausrichtung auf das Potential eines fiktiven Erzählimpulses also auf eine starke Abnahme der nominalen Einführung der Figuren in den Erzäh‐ lungen zum fiktiven Erzählimpuls schließen. Dies bedeutet umgekehrt, dass die Einführungen der Figuren zu Erzählbeginn ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls signifikant häufiger nominal erfolgt. Damit bekräftigt die Mittel‐ wertanalyse auch die Auffälligkeiten der deskriptiven Analyse der nominalen Einführung der Figuren. Tendenziell führt ein imaginärer Erzählimpuls zur Einführung der Figuren in der Nominalform. 254 6 Empirische Analyse 6.2.3 Qualitative Analyse der Gebrauchsmuster zur Etablierung einer Protagonistenperspektive Für die Analyse narrativer Gebrauchsmuster zur Etablierung einer Protagonis‐ tenperspektive wird im Folgenden die Verwendung der Figurenrede analysiert. Zur Visualisierung werden die Figuren- und Gedankenrede mit Verba Dicendi farblich hellgrau hinterlegt. Pseudo-dialogische Redebeiträge werden dunkel‐ grau markiert. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 74 Kind 74 führt in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls ausschließlich Figurenbeiträge an, die ohne Verba Dicendi verwendet werden, sodass durch den Gebrauch von Figurenbeiträgen keine fiktive Protagonistenperspektive etabliert wird. Stattdessen werden die Figurenbeiträge zur Ereignisprogression verwendet. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls sind weder Figuren‐ beiträge zur Ereignisprogression noch zur Etablierung einer Protagonistenper‐ spektive auszumachen: 1. Angst beim Feiern! Ein gestohlener Kuchen! 2. „Juhuu, Ich habe eine Puppe im Geschenk! “ Es waren einmal zwei Mäuse. Sie arbeiteten 3. „Oh, da kommen ja die gefährlichsten Diebe! “ den ganzen Tag, denn sie erwarteten Besuch. 4. „Oh nein, sie klauen unseren Kuchen! “ Sie Doch oh Schreck! Der Kuchen ist plötzlich 5. laufen weg, schnell hinterher! „Ich kann nicht weg. Die Diebe haben aus Versehen eine Spur 6. mehr.“ „Dann laufen wir halt weiter, geh du gemacht. Die Mäuse rannten den Dieben 7. zurück und ruh dich aus.“ Wir laufen weiter hinterher. Und plötzlich hat die Maus sie 8. „Autsch! Ich bin über einen Stein gefallen. eingeholt und sie gefangen. Und dann waren 9. Mein Knie blutet.“ „Ich kann nicht mehr die Gäste schon da und sie konnten feiern. Ende 10. laufen. Lauf du weiter.“ „Hab dich und den 11. Kuchen auch! “ Wir sind wieder da! Und jetzt 12. essen wir den Kuchen. Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 74-EiE) Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 74-EfE) Tab. 38: Etablierung einer Protagonistenperspektive in den Erzähltexten von Kind 74 Bei einer qualitativen Betrachtung der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls kann für einzelne Abschnitte nicht eindeutig unterschieden werden, ob diese inhaltlich als Figurenbeitrag oder als Ereignis des Handlungsstrangs angeführt werden. Anhand einer kleinschrittigen Analyse der Erzählung können die einzelnen Abschnitte begründet durch mündlich gebrauchte Ausrufe und die 255 6.2 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes 37 Der Duden (2016) nimmt bei den Personalpronomen der 1. und 2. Person Singular eine deiktische Funktion an: „Sie verweisen auf die sprechende bzw. auf die angesprochene Person.“ (ebd. 262) Die Verwendung der Personalpronomen der 1. Person kann zwar für mehrere Sprecher stehen, dem Duden nach ist dieser Gebrauch in der mündlichen Sprache aber eher selten auszumachen (ebd.). Im Gegensatz dazu wird mit Personal‐ pronomen in der 3. Person sowohl im Singular als auch Plural primär „anaphorisch (rückweisend) auf Personen, Dinge und Sachverhalte Bezug genommen“ (ebd. 264). Verwendung deiktisch verweisender Pronomen 37 der pseudo-dialogischen Rede zugeordnet werden: Der einleitende Satz der Erzählung beginnt mit einem Ausruf und gleicht einem inneren Monolog: „Juhuu, Ich habe eine Puppe im Geschenk! “ (Kind 74-EiE, Zeile 2) Die Interpretation als einen inneren Monolog lässt der deik‐ tische Verweis auf die eigene Person durch das Pronomen ich schließen. Außerdem zeugt der Ausruf Juhuu zu Beginn des Satzes von einem mündlichen Sprachgebrauch, sodass der einleitende Satz bereits als pseudo-dialogischer Redebeitrag interpretiert werden kann. Gleiches gilt für die zwei anschließenden Propositionen, die mit dem Ausruf oh bzw. oh nein beginnen (vgl. Kind 74-EiE, Zeile 3 f.). Anschließend folgt ein Ereignis auf Ebene der Erzählerperspektive: „Sie laufen weg! “ (Kind 74-EiE, Zeile 4 f.) Diese kann durch das Pronomen sie in der 3. Person als anaphorischer Verweis auf die visualisierten Diebe mit der Torte in dem narratoästhetischen Erzählimpuls interpretiert werden. Bei den anschließenden Propositionen verwendet das Kind immer wieder Pronomen der 1. Person Plural (wir) in Kombination mit Pronomen der 2. Person Singular (du), womit eine deiktische Funktion angenommen werden kann. Dementsprechend können diese Abschnitte als pseudo-dialogische Rede‐ beiträge verstanden werden. Interessant ist der Wechsel zwischen den deiktisch verweisenden Pronomen im Plural und Singular, wodurch eine dialogische Gesprächssituation zwischen mehreren Figuren erahnt werden kann. Die aus‐ bleibende Zuordnung der Redebeiträge zu einer Figur liegt zum einen in dem fehlenden redeeinleitenden Satz begründet. Aber zum anderen zeigt die Analyse zur Etablierung der Erzählerperspektive, dass das Kind die handelnden Figuren zu Beginn gar nicht einführt. Damit bleibt für die Leser: innen unklar, wie viele und welche Figuren in der Erzählung überhaupt agieren. Anhand der Zusammenführung der Ergebnisse auf Mesoebene könnte geschlussfolgert werden, dass sich die Etablierung einer Protagonistenperspektive bei einer unzureichenden Gestaltung der Erzählerperspektive als schwierig herausstellt. Innerhalb der Erzählerperspektive können in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls insgesamt lediglich drei Beiträge ausgemacht werden (vgl. Kind 74-EiE, Zeile 4 f., Zeile 7, Zeile 11 f.). Die Zuordnung dieser Abschnitte als 256 6 Empirische Analyse Ereignisse des Handlungsstrangs innerhalb der Erzählerperspektive erfolgt durch die alleinstehende Verwendung des Personalpronomens wir ohne ein deiktisch verweisendes Pronomen. Zusammenfassend zeigt sich zwar, dass in dem Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls eine hohe Anzahl an Figurenbeiträgen auszumachen ist. Diese werden aber nicht funktional zum Ausdruck der inneren Figurenwelt ver‐ wendet, sondern vorrangig zur Konstruktion einer Ereignisstruktur. Möglicher‐ weise stellt in diesem Zusammenhang die ausbleibende Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive eine Schwierigkeit dar. Interessanterweise können im Vergleich dazu in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls gar keine Figurenbeiträge ausgemacht werden. Dennoch gelingt es dem Kind in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls, eine Erzählerperspektive zu etablieren und die Ereignisse innerhalb dieser zu progressieren. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 80 Eine vergleichende Betrachtung der Erzählungen von Kind 80 zeigt, dass ausschließlich in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls Redebeiträge auszumachen sind. Diese werden überwiegend ohne redeeinleitende Sätze mit Verba Dicendi aneinandergereiht, sodass es sich um eine pseudo-dialogische Form der Figurenrede handelt: 1. Diebe auf der Feier! Der gestohlene Kuchen 2. „Juhuu Weihnachten“, ruft Max, „Wann Es waren mal zwei Hunde. Sie hatten ein Haus 3. können wir die Geschenke auspacken? “ Mama mit einem See. Der eine Hund harkte den 4. sagt: „Gleich. Oh, was macht ihr da? “ „Wir Boden. Der andere Hund backte ein Kuchen. 5. klauen euren Kuchen.“ „Hey, lasst den Kuchen Und wenn man hinsah, sah man zwei Mäuse. 6. stehen.“ „Wir denken gar nicht dran.“ „Komm Als die Hunde nicht hinsahen, liefen die zwei 7. Ben, wir laufen weg.“ „Tom schneller, die Mäuse zum Kuchen und nahmen den Kuchen. 8. kommen uns nach.“ „Schneller, wir haben sie Die beiden Hunde liefen den Mäusen hinterher. 9. gleich.“ „Ja, ich hab dich, Ben und dich auch Die Mäuse liefen den Weg entlang zwischen 10. Tom. Gib mir den Kuchen hier! “ Zu Hause Bäumen. Der Hund packte sie, der andere Hund 11. angekommen. „Können wir den Kuchen schlug mit der Tasche zu. Als sie den Kuchen 12. essen? “ „Ja“, sagt Mama. wieder hatten, luden sie ihre Freunde ein. Die 13. beiden Mäuse waren gefesselt. Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 80-EiE) Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 80-EfE) Tab. 39: Etablierung einer Protagonistenperspektive in den Erzähltexten von Kind 80 In einer qualitativen Analyse der Redebeiträge in dem Erzähltext zum ima‐ ginären Erzählimpuls ist auffällig, dass fast die gesamte Erzählung durch Redebeiträge der Figuren gestaltet ist. Damit wird bereits deutlich, dass das Kind die Ereignisprogression in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls primär über den Wechsel der Figurenrede gestaltet. Bei einer genaueren Betrachtung 257 6.2 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes der einzelnen Redebeiträge innerhalb der Textmusterphasen zeigt sich, dass das Kind gerade zu Erzählbeginn noch auf Figurenbeiträge mit redeeinleitendem Satz zurückgreift. Erst mit Eintritt der Komplikation werden die folgenden Figurenbeiträge primär pseudo-dialogisch konstruiert: „Mama sagt: ,Gleich. Oh, was macht ihr da? ‘ ,Wir klauen euren Kuchen.‘ ,Hey, lasst den Kuchen stehen.‘ ,Wir denken gar nicht dran.‘“ (Kind 80-EiE, Zeile 3-6) Der letzte, sehr kurze Wortbeitrag Ja kann durch einen redeeinleitenden Satz wieder einer Figur zugeordnet werden. Die überwiegende Verwendung der redeeinleitenden Sätze zu Beginn legt die Vermutung nahe, dass das Kind die redeeinleitenden Sätze vielmehr zur Einführung der handelnden Figuren verwendet. Die Interpreta‐ tion der Figurenbeiträge lässt allerdings darauf schließen, dass mehr Figuren als die zwei eingeführten Figuren kommunizieren. Die aneinandergereihten Redebeiträge entsprechen vielmehr einem Frage-Antwort-Spiel zwischen den eingeführten Figuren und noch weiteren Figuren. Im inhaltlichen Kontext wird deutlich, dass es sich dabei um mindestens zwei weitere Figuren handelt, die gemeinsam die Torte geklaut haben. Der fehlenden Zuordnung wirkt das Kind entgegen, indem in den anschließenden Redebeiträgen die weiteren Figuren namentlich angesprochen werden: „,Wir denken gar nicht dran.‘ ,Komm Ben, wir laufen weg.‘ ,Tom schneller, die kommen uns nach.‘“ (Kind 80-EiE, Zeile 6-8) Das Hinzufügen der Namen suggeriert, dass die Figuren sich gegenseitig direkt ansprechen, womit diese Abschnitte ebenfalls als Figurenbeiträge inter‐ pretiert werden können. Es folgen noch weitere Abschnitte, in denen entweder auf Fragen geantwortet wird oder Figuren explizit mit Namen angesprochen werden. Insgesamt wird die gesamte Ereignisprogression in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls demnach über die Figurenrede vollzogen. Der Anteil der Figurenreden ist somit zwar hoch, wird aber nicht funktional zur Verstärkung der inneren Figurenwelt eingesetzt. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls gelingt es dem Kind, zu Beginn der Erzählung eine Erzählerperspektive zu etablieren und die handelnden Fi‐ guren einzuführen. Die Ereignisprogression erstreckt sich ausschließlich inner‐ halb der Erzählerperspektive und wird nicht durch die Figurenrede konstruiert. Damit lässt die Erzähltextanalyse darauf schließen, dass möglicherweise die ausbleibende Etablierung einer Erzählerperspektive in der Erzählung zum ima‐ ginären Erzählimpuls erklären könnte, weshalb die anschließende Figurenrede primär pseudo-dialogisch vollzogen wird. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 13 In der abschließenden Gegenüberstellung der Erzähltexte von Kind 13 können in beiden Erzählungen Redebeiträge erfasst werden. Diese werden durchge‐ 258 6 Empirische Analyse hend funktional zur Etablierung einer Protagonistenperspektive eingesetzt. Insgesamt können in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls zwei Figu‐ renbeiträge mehr erfasst werden als in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls: 1. Diebe auf der Feier. Die Tortendiebe. 2. Es waren einmal zwei Mädchen und ein Junge. Es waren einmal zwei Hunde. Sie hießen Tom 3. Der Junge hieß Max. Das eine Mädchen hieß und Lina. Als Lina Geburtstag hatte, schlichen 4. Tina und das andere Mila. Max hat heute sich die frechen Mäuse an. Sie haben es auf die 5. Geburtstag. Er hat ein echtes Flugzeug leckere Torte abgesehen. Als Tom im Garten 6. bekommen. Aber am liebsten würde er sofort arbeitete, rief Lina: „Die Torte ist weg! “ Da 7. den leckeren Kuchen mit seinen Freunden drehte sich Tom um und bemerkte zwei Mäuse 8. essen. Doch da kamen ihre Erzfeinde Paul und mit dem Kuchen. Da sprang er auf und jagte 9. Elli. Sie haben sich angeschlichen und den den Mäusen hinterher. Lina tat das gleiche. Die 10. Kuchen geklaut. Als Max sie sah, sagte er: Mäuse rannten immer schneller. Als sie am 11. „Das ist mein Kuchen.“ Doch Paul und Lilli Teich waren, packte Tom sie am Kragen. Da 12. sind einfach weggerannt. Da machten die Kids verprügelten die Mäuse Tom. Als Lina ankam, 13. sich auf den Weg, um den Kuchen haute sie den Mäusen auf den Kopf. Da ließen 14. wiederzuholen. Lilli und Paul liefen schneller sie den Kuchen fallen und er landete im See. 15. als die anderen. Da hatte Max eine Idee. Er Die Mäuse lagen auf den Boden und Lina 16. stieg in sein Flugzeug und holte die Diebe sagte: „Dann backen wir einen neuen Kuchen.“ 17. schnell ein. Paul und Lilli gaben den Kuchen ab Als der Kuchen fertig war, kamen die Gäste. 18. und die anderen gingen wieder auf die Feier. Eingeladen waren: ein Schwein, ein Waschbär, 19. Doch als Tina in den Kuchen biss, stotterte sie: ein Frosch, ein Chamäleon, und ein 20. „Das ist ein Papier Kuchen.“ Mila sagte: „Das Dinosaurier. Und was mit den Mäusen passiert 21. kann gar nicht sein.“ Aber als [sie] auch ist, wollt ihr auch bestimmt wissen. Sie wurden 22. reinbiss, sagte sie: „Oder auch doch.“ Sie an einen Baum gefesselt und geknebelt. Das 23. gingen heulen und ihre Erzfeinde freuten sich Ende. 24. über den echten Kuchen. Ende. Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 13-EiE) Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 13-EfE) Tab. 40: Etablierung einer Protagonistenperspektive in den Erzähltexten von Kind 13 In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls verwendet das Kind insgesamt vier Redebeiträge, wohingegen in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls nur halb so viele Beiträge vorkommen. Bei der Betrachtung der einzelnen Redebeiträge in der Erzählung zum imagi‐ nären Erzählimpuls wird deutlich, dass diese alle in Form der Figurenrede auf‐ treten und immer einer zu Erzählbeginn eingeführten Figur zugeordnet werden können. Es gelingt dem Kind, bei der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls innerhalb einer etablierten Erzählerperspektive die innere Figurenwelt durch die Etablierung einer Protagonistenperspektive zum Ausdruck zu bringen. Zu‐ sätzlich zeigt die qualitative Analyse der einzelnen Redebeiträge im inhaltlichen Kontext der Erzählung, dass das Kind die einzelnen Figurenbeiträge zur Verstär‐ kung inhaltlicher Zusammenhänge einsetzt. Die erste Figurenaussage kann im Anschluss an die unerwartet eingetretene Komplikation erfasst werden: „Als 259 6.2 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes Max sie sah, sagte er: ,Das ist mein Kuchen.‘“ (Kind 13-EiE, Zeile 10 f.) Das Kind drückt damit zum einen die polemische Handlung des Tortenklauens aus und stellt zum anderen die Besitzansprüche des Kuchens aus Perspektive des Jungen dar. Die Figurenrede fungiert in diesem Kontext somit vor allem als verstär‐ kender Ausdruck des unerwartet eingetretenen und polemischen Ereignisses als Komplikation. Die weiteren Redebeiträge können zum Ende der Erzählung ausgemacht werden, indem das Kind den individuellen und kreativen Abschluss der Erzählung gestaltet: „Doch als Tina in den Kuchen biss, stotterte sie: ,Das ist ein Papier Kuchen.‘ Mila sagte: ,Das kann gar nicht sein.‘ Aber als [sie] auch reinbiss, sagte sie: ,Oder auch doch.‘“ (Kind 13-EiE, Zeile 19-22) Inhaltlich stellt das Kind die Feier mit dem vermeidlich wiederbekommenen Kuchen dar und löst die Ereignisse durch die wechselnde Figurenrede auf. In diesem Zusammenhang setzt das Kind die Figurenrede mehrfach aufeinanderfolgend ein, um die eigenen Ideen innerhalb des Handlungsstrangs zu versprachlichen. Zusammenfassend gelingt es dem Kind in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls somit, die Figurenbeiträge innerhalb der etablierten Erzählerperspektive zu verwenden, um die inhaltlichen Zusammenhänge des Handlungsstrangs der Erzählung verstärkend zum Ausdruck zu bringen. Für die genauere Betrachtung der Figurenbeiträge in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls kann zunächst ebenfalls festgehalten werden, dass alle Figuren zu Erzählbeginn eingeführt werden. Das Kind etabliert zu Beginn der Erzählung eine fiktive Erzählerperspektive, womit die Zuordnung der einzelnen Redebeiträge zu den entsprechenden Figuren eindeutig und inhalt‐ lich nachvollziehbar ist. Es gelingt dem Kind somit auch, in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls innerhalb einer etablierten Erzählerperspektive die innere Figurenwelt durch die Etablierung einer Protagonistenperspektive zum Ausdruck zu bringen. Mit Bezug auf die Verwendung der einzelnen Redebeiträge im inhaltlichen Kontext der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls zeigt sich zunächst, dass das Kind wieder mit dem Eintritt der Komplikation einen Redebeitrag anführt: „Als Tom im Garten arbeitete, rief Lina: ,Die Torte ist weg! ‘“ (Kind 13-EfE, Zeile 5 f.) Inhaltlich führt das Kind den Klau der Torte zuvor aber erst als Absicht an, sodass durch die Figurenrede die Komplikation sogar erst explizit versprachlicht wird. Somit nimmt die Figurenrede in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls eine entscheidende Bedeutung für das Verständnis der inhaltlichen Zusammenhänge ein. Gleiches gilt für den zweiten Wortbeitrag, den das Kind zum Ende der Komplikation anführt: „Die Mäuse lagen auf den Boden und Lina sagte: ‚Dann backen wir einen neuen Kuchen.‘“ (Kind 13-EfE, Zeile 15 f.) Im inhaltlichen Kontext der Erzählung beschreibt das Kind unmittelbar vor der Figurenrede, dass der Kuchen in den See fällt. Damit 260 6 Empirische Analyse kann angenommen werden, dass dieser nicht mehr für den Geburtstag zur Verfügung steht. In der Figurenrede führt das Kind ein wichtiges Ereignis an, durch welches der weitere Verlauf der Erzählung nachvollzogen werden kann. Somit nehmen beide Redebeiträge in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls im inhaltlichen Kontext eine entscheidende Rolle bei der logischen Verknüpfung des Handlungsstrangs ein. Zusammenfassend gelingt es dem Kind in der Erzählung zum fiktiven Erzähl‐ impuls somit, neben einer Erzählerperspektive zusätzlich eine Protagonisten‐ perspektive zu etablieren. Innerhalb dieser drückt das Kind nicht nur eine innere Figurenwelt aus, sondern nutzt die Figurenbeiträge zusätzlich zur inhaltlichen Verknüpfung des Handlungsstrangs. Abschließend zeigt die qualitative Analyse der beiden Erzählungen zur Etablierung einer Protagonistenperspektive, dass das Kind unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls Figurenbeiträge anführt. Diese zeichnen sich in beiden Erzähltexten dadurch aus, dass sie durchgehend auf die eingeführten Figuren zu Erzählbeginn zurückgeführt werden können. Außerdem werden die Redebeiträge in beiden Erzählungen inhaltlich in den Handlungsstrang eingebunden und stellen ein wichtiges Element für das logische Nachvollziehen der Narration dar. Zusammenfassung der qualitativen Ergebnisse Bei einer Betrachtung der Erzähltexte mit Figurenrede zeigt sich ein Unterschied zwischen einer funktionalen Verwendung der Figurenrede zum Ausdruck der inneren Figurenwelt und der Verwendung einer pseudo-dialogischen Rede zur Ereignisprogression: Zwei Kinder nutzen in der Erzählung zum imaginären Er‐ zählimpuls Formen der Figurenbeiträge als pseudo-dialogische Rede (vgl. Kind 74, 80). Ausgehend von diesen wird keine Protagonistenperspektive etabliert. In beiden Erzählungen zum imaginären Erzählimpuls erstreckt sich der Gebrauch der pseudo-dialogischen Rede fast über den gesamten Erzähltext, sodass die gesamte Ereignisprogression mittels der pseudo-dialogischen Rede vollzogen wird. Kind 13, dessen Literacy-Erfahrungen bei Schuleintritt reichhaltig waren, nutzt Figurenbeiträge zum Ausdruck einer inneren Figurenwelt und etabliert auf diese Weise eine Protagonistenperspektive. Dies geschieht unabhängig vom narratoästhetischen Erzählimpuls in beiden Erzählungen. Außerdem stellt sich anhand der qualitativen Analyse möglicherweise die Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive als bedeutend für die Etablierung einer Protagonistenperspektive heraus. In den Erzählungen von Kind 13 mit funktional verwendeten Figurenbeiträgen konnte immer auch eine umfassende Etablierung der Erzählerperspektive ausgemacht werden. Im Gegensatz dazu 261 6.2 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes 38 Aufgrund der geringeren Anzahl wird die Erhebungsreihenfolge in der quantitativen Analyse nicht berücksichtigt. Diese würde keine aussagekräftigen Rückschlüsse zu‐ lassen. dominiert die Verwendung der Figurenrede mit pseudo-dialogischem Charakter gerade dann, wenn zu Erzählbeginn keine fiktive Erzählerperspektive etabliert wurde (vgl. Kind 74, 80). Damit liegt für die ausgewählte Stichprobe die Schlussfolgerung nahe, dass die Verwendung pseudo-dialogischer Redebeiträge zur Ereignisprogression vor allem bei der ausbleibenden Etablierung einer Erzählerperspektive auftritt. 6.2.4 Quantitative Analyse der Gebrauchsmuster zur Etablierung einer Protagonistenperspektive Ausgehend von der qualitativen Analyse der ausgewählten Erzähltexte werden die Erzähltexte der gesamten Stichprobe (n = 95) in Bezug auf die Etablierung einer Protagonistenperspektive analysiert. Allerdings zeigt sich, dass nicht in allen Erzähltexten überhaupt die Verwendung von Figurenbeiträgen auszuma‐ chen ist. In einer deskriptiven Häufigkeitsanalyse können in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls insgesamt 34 Erzähltexte mit Figurenbeiträgen ausgemacht werden. In dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls sind es insgesamt 48 Erzähltexte. Demnach wird häufiger ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls auf Formen der Figurenbeiträge zurückgegriffen. Für eine vergleichende Analyse werden im weiteren Verlauf die Erzähltexte mit Figurenbeiträgen herausgenommen (n = 82) und genauer analysiert. 38 Zunächst kann das Verhältnis zwischen Figurenbeiträgen als Figurenrede zum Ausdruck einer inneren Figurenwelt und als pseudo-dialogische Redebeiträge verglichen werden. In einem Balkendiagramm wird die anteilige Realisierung der Figurenbeiträge in der jeweiligen Form für die beiden Erzähltextkorpora gegenübergestellt. Farblich sind die Ergebnisse für den Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls dunkelgrau hervorgehoben. Hellgrau werden die Ergeb‐ nisse für den Erzähltextkorpus ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls dargestellt: 262 6 Empirische Analyse 1,71 1,40 0,94 1,56 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 Erzähltextkorpus fiktiver Erzählimpuls Erzähltextkorpus imaginärer Erzählimpuls pseudo-dialogische Rede Figurenrede pseudo-dialogische Rede Figurenrede Erzähltextkorpus fiktiver Erzählimpuls Erzähltextkorpus imaginärer Erzählimpuls n = 34 n = 48 Abb. 56: Durchschnittliche Verwendung der Figurenbeiträge Die Ergebnisse der deskriptiven Häufigkeitsanalyse ergeben für die herausge‐ nommenen Erzähltexte ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls, in denen mindestens ein Figurenbeitrag ausgemacht werden kann (n = 34), einen durchschnittlichen Gebrauch der Figurenrede zum Ausdruck einer inneren Figurenwelt von 1,71 Redebeiträgen. Pseudo-dialogische Redebeiträge können in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls im Durchschnitt 0,94 Mal erfasst werden. In den herausgenommenen Erzähltexten zum imaginären Erzählimpuls (n = 48) werden durchschnittlich 1,56 pseudo-dialogische Redebeiträge pro Erzähltext verwendet. Der Gebrauch eines Figurenbeitrags als Figurenrede zum Ausdruck einer inneren Figurenwelt kommt in den herausgenommenen Erzähltexten zum imaginären Erzählimpuls im Durchschnitt 1,4 Mal vor. Bei einem Vergleich der beiden Erzähltextkorpora verwenden die Kinder in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls im Durchschnitt etwas häufiger einen Figurenbeitrag zum Ausdruck einer inneren Figurenwelt. Im Gegensatz dazu zeichnet sich eine Erzählung zum imaginären Erzählimpuls durchschnittlich durch mehr pseudo-dialogische Redebeiträge aus. Dieser Befund deckt sich mit den Erkenntnissen aus der qualitativen Analyse der ausgewählten Stichprobe. In der qualitativen Analyse der ausgewählten Erzähltexte zeigt sich, dass die pseudo-dialogische Rede häufig zur Konstruktion des Handlungsstrangs 263 6.2 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes eingesetzt wird und nicht zum Ausdruck einer Protagonistenperspektive. Damit einher geht in allen Erzähltexten der qualitativen Analyse eine ausbleibende Etablierung der Erzählerperspektive. Im Folgenden werden die Erzähltexte mit pseudo-dialogischen Redebeiträgen in Bezug auf die sprachliche Realisie‐ rung einer Erzählerperspektive untersucht. Da aufgrund der geringen Anzahl an Erzähltexten mit pseudo-dialogischen Redebeiträgen keine signifikanten Korrelationen berechnet werden können, wird der Zusammenhang deskriptiv anhand eines Streudiagramms aufgezeigt. Es wird die Anzahl an indefiniten Verweisen zur Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive (x-Achse) der Anzahl an pseudo-dialogischen Redebeiträgen (y-Achse) gegenübergestellt. In dem anschließenden Streudiagramm sind die Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls durch dunkelgraue Punkte markiert. Die Erzählungen zum imaginären Erzählimpuls werden hellgrau verortet: Abb. 57: Zusammenhang Protagonistenperspektive und Erzählerperspektive (n = 21) In dem Streudiagramm können insgesamt zwölf Erzähltexte mit pseudo-dialo‐ gischen Redebeiträgen erfasst werden, in denen gleichzeitig kein indefiniter Verweis zur Etablierung einer Erzählerperspektive realisiert wird. Davon wird ein Erzähltext ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls verfasst, wobei dieses Kind ebenfalls in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls pseudo-dialogi‐ sche Redebeiträge ohne eine etablierte Erzählerperspektive verwendet (Kind 264 6 Empirische Analyse 39 Die größere Anzahl an Erzähltexten bei der Ergebnisdarstellung zur durchschnittlichen Verwendung der Figurenbeiträge in Abbildung 56 resultiert daraus, dass in einigen Erzähltexten sowohl Figurenbeiträge zur pseudo-dialogischen Rede als auch zur Figu‐ renrede verwendet werden. 92). Die elf weiteren Erzähltexte ohne sprachlich etablierte Erzählerperspektive und mit pseudo-dialogischen Redebeiträgen resultieren aus der Erzählgestal‐ tung zu dem imaginären Erzählimpuls. Weiterführend können insgesamt fünf Erzähltexte mit einem indefiniten Verweis zur Etablierung einer Erzählerper‐ spektive und pseudo-dialogischen Redebeiträgen erfasst werden. Von diesen fünf Erzähltexten sind zwei ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls und drei Erzähltexte angestoßen durch den imaginären Erzählimpuls gestaltet worden. Bei der sprachlichen Realisierung einer fiktiven Erzählerperspektive durch zwei oder drei indefinite Verweise kann für vier Erzähltexte zusätzlich der Gebrauch pseudo-dialogischer Redebeiträge ausgemacht werden. Diese Erzählungen sind alle ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls entstanden. Zusammenfassend lässt sich anhand des Streudiagramms festhalten, dass in allen Erzähltexten zum imaginären Erzählimpuls, in denen der Gebrauch pseudo-dialogischer Redebeiträge erfasst werden kann, maximal ein indefiniter Verweis zur Etablierung einer Erzählerperspektive erfolgt. Demnach könnte die Verwendung einer pseudo-dialogischen Rede in den Erzähltexten zum imagi‐ nären Erzählimpuls möglicherweise im Zusammenhang mit der ausbleibenden Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive stehen. In den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls zeigt sich dieser Zusammenhang für fünf Erzähltexte. Allerdings wird in vier Erzähltexten trotz der Verwendung pseudo-dialogischer Redebeiträge mit der sprachlichen Realisierung von mindestens zwei indefiniten Verweisen eine Erzählerperspektive etabliert. Möglicherweise könnte in diesen Erzähltexten die Realisierung der Ereignisprogression durch pseudo-dialogische Redebeiträge erst nach der Gestaltung des Erzählbeginns einsetzen. Für eine abschließende Mittelwertanalyse der Verwendung pseudo-dialog‐ ischer Redebeiträge sowie der Figurenrede zum Ausdruck der inneren Figuren‐ welt ist eine Stichprobengröße von n = 30 notwendig (vgl. Kapitel 5.4). Bei einer separaten Betrachtung der Erzähltexte mit pseudo-dialogischen Redebeiträgen und Figurenbeiträgen zum Ausdruck einer inneren Figurenwelt ergibt sich für die Verwendung pseudo-dialogischer Redebeiträge eine geringere Anzahl (n = 23). Demnach kann die Mittelwertanalyse ausschließlich für die Verwen‐ dung der Figurenrede zum Ausdruck einer inneren Figurenwelt herangezogen werden (n = 44) 39 . In der Mittelwertanalyse zur Verwendung der Figurenrede wird die Anzahl an Figurenbeiträgen in den beiden Erzähltexten eines Kindes verglichen. Aufgrund des metrisch skalierten Maßstabs kann der t-Test zur 265 6.2 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Mesoebene des Erzähltextes Berechnung der Mittelwertanalyse genutzt werden. Die Ergebnisse des t-Tests werden durch die Mittelwerte, den t-Wert, die Freiheitsgrade (df), die zweiseitige asymptotische Signifikanz und die Effektstärke (d) in der folgenden Tabelle dargestellt: F IGURENREDE ZUR E TABLIERUNG EINER P ROTAGONISTENPERSPEKTIVE imaginärer Erzählimpuls (t1) fiktiver Erzählimpuls (t2) t-Wert df asymptotische Sig. (2-seitig) Effektstärke (d) Mittelwert Std.-Abw. Mittelwert Std.-Abw. H ERAUSGENOMMENE E RZÄHLTEXTE (n = 44) 1,57 1,910 1,32 1,877 -0,640 43 0,525 - Tab. 41: Ergebnisse Mittelwertanalyse Figurenrede zur Etablierung einer Protagonisten‐ perspektive Die Ergebnisse der Mittelwertanalyse für die herausgenommenen Erzähltexte mit mindestens einem Beitrag zur Figurenrede ergeben einen t-Wert von t(44) = -0,640 mit einer einseitigen Signifikanz von p = 0,2625. Der hohe Signifikanzwert lässt die Berechnung einer Effektgröße nicht zu, sodass lediglich anhand des negativen t-Werts ein Rückgang der Figurenbeiträge bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls erkennbar ist. Dieser ist aufgrund des sehr geringen t-Werts allerdings nicht stark ausgeprägt. Mit Bezug auf die qualitativen Ana‐ lyseergebnisse der ausgewählten Erzähltexte ist dieser Befund nicht überra‐ schend. In der qualitativen Analyse konnte herausgestellt werden, dass Kind 13 mit der Verwendung der Figurenrede in beiden Erzähltexten unabhängig vom Erzählimpuls eine Protagonistenperspektive etablieren. Zusammenfassend kann anhand der deskriptiven Analyse für die gesamte Stichprobe festgehalten werden, dass die Figurenrede grundsätzlich selten verwendet wird. In den Erzähltexten ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls, in denen überhaupt eine Form der Figurenrede verwendet wird, treten diese gerade in pseudo-dia‐ logischer Form bei einer ausbleibenden Etablierung der Erzählerperspektive auf. Die Verwendung einer Figurenrede zum Ausdruck der inneren Figurenwelt gelingt den Kindern in beiden Erzähltexten. Demnach könnte die Etablierung einer Protagonistenperspektive tendenziell unabhängig von dem narratoästhe‐ tischen Erzählimpuls erfolgen, aber begünstigt werden, wenn zu Erzählbeginn eine Erzählerperspektive etabliert wurde. 266 6 Empirische Analyse 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes In diesem Kapitel werden nun drei weitere Erzähltextpaare (sechs Erzähltexte) anhand der Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes analysiert und entsprechend den verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen vergli‐ chen. Zunächst wird das Erzähltextpaar eines Kindes angeführt, dessen Schrift‐ erfahrungen bei Schuleintritt einem buchstabenweisen Schreiben entsprechen und demnach auf geringere Literacy-Erfahrungen schließen lassen (vgl. Kind 84). Anschließend folgen die Erzähltexte des Kindes, dessen Schrifterfahrungen mit Schuleintritt aufgrund logographischer Schreibungen stärker ausgeprägt sind (vgl. Kind 78). Zum Abschluss werden die Erzählungen eines Kindes analysiert, das bereits mit Schulbeginn alphabetische Schreibungen aufweist und demnach mit reichhaltigen Literacy-Erfahrungen in die Schule gekommen ist (vgl. Kind 11). Strukturell erfolgt die Erzähltextanalyse auf Makroebene zunächst für die Verwendung narrativ-strukturierender Gebrauchsmuster, bevor im Anschluss die Analyse der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster folgt. 6.3.1 Qualitative Analyse der narrativ-strukturierenden Gebrauchsmuster In diesem Kapitel werden die narrativ-strukturierenden Gebrauchsmuster zur Markierung der Textmusterphasen in den Erzähltexten zu den verschiedenen Erzählimpulsen analysiert. Neben der sprachlich-formalen Markierung der Textmusterphasen wird die inhaltliche Ereignisdarstellung zur Erzählkonstruk‐ tion berücksichtigt. In den ausgewählten Erzähltexten zur qualitativen Analyse werden die narrativ-strukturierenden Gebrauchsmuster zur Hervorhebung farblich grau hinterlegt. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 84 In der Gegenüberstellung der Erzählungen von Kind 84 kann in der Verwen‐ dung narrativ-strukturierender Gebrauchsmuster kein Unterschied aufgezeigt werden. In beiden Erzähltexten wird ein kontrastierendes Gebrauchsmuster zur Hervorhebung der Komplikation verwendet. Außerdem wird die Textmus‐ terphase der Auflösung sprachlich durch ein auflösendes Gebrauchsmuster eingeführt: 267 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes 1. Diebe auf der Feier! Die Torte ist weg! 2. Jonas hat Geburtstag. Jonas ist gerade am Herr und Frau Hund wollen all ihre Freunde 3. Geschenke auspacken. Seine Schwester freut einladen und mit ihnen feiern. Herr Hund harkt 4. sich, weil sie auch etwas bekommen hat. Seine gerade die Terrasse und Frau Hund guckt aus 5. andere Schwester hilft Jonas die Geschenke dem Fenster. Da kommen zwei Gauner aus 6. auszupacken. Seine Schwestern heißen Lea dem Wald. Es sind Eralt und Karl. Sie 7. und Lu. Da kommen zwei Kinder und nehmen schnappen sich die Torte und rennen 8. sich einfach die Geburtstagstorte vom Tisch. blitzschnell wieder in den Wald, Herr und Frau 9. „Hey, lasst das! “ Die beiden Kinder hießen Hund hinterher. Die beiden Ratten rennen so 10. Alex und Kim. Sie rannten den Weg entlang. schnell sie ihre Beine tragen, doch Frau und 11. Jonas, Lea, und Lu rannten hinterher. Und eine Herr Hund schneller. Herr Hund packt die 12. wilde Verfolgungsjagd begann. Endlich hatten beiden und hält sie fest. Die beiden Ratten 13. die drei Alex und Kim eingeholt. Alex und Kim geben den Kuchen wieder her und sitzen jetzt 14. mussten ihnen die Torte zurückgeben und die im Kerker, weil sie wurden schon lange 15. drei konnten ungestört Jonas Geburtstag feiern gesucht. Aber dann konnte das Fest doch noch 16. und hatten dabei riesen Spaß. stattfinden und alle kamen und brachten etwas 17. mit. Es wurde ein schönes Fest. Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 84-EiE) Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 84-EfE) Tab. 42: Narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster in den Erzähltexten von Kind 84 Zum ersten Erhebungszeitpunkt verfasst das Kind die Erzählung zum imagi‐ nären Erzählimpuls und beginnt die Beschreibung der Ausgangssituation ohne den Rückgriff auf ein einleitendes Gebrauchsmuster. Damit einher geht die ausbleibende Etablierung eines fiktiven Erzählkontextes, indem Figuren, Raum und Zeit indefinit eingeführt werden und das Präsens verwendet wird. Das Kind beginnt die Erzählung mit der nominalen Einführung des Protagonisten und setzt damit die Bekanntheit der Figur voraus: „Jonas ist gerade am Geschenke auspacken.“ (Kind 84-EiE, Zeile 2 f.) In vergleichbarer Form führt das Kind die zwei weiteren Figuren neben dem Jungen Jonas ein: „Seine Schwester freut sich, weil sie auch etwas bekommen hat. Seine andere Schwester hilft Jonas die Geschenke auszupacken. Seine Schwestern heißen Lea und Lu.“ (Kind 84-EiE, Zeile 3-7) In diesem Zusammenhang gelingt es dem Kind inhaltlich mit dem Ausdruck der Freude, die Darstellung der Ausgangssituation emotional zu verstärken. Übergreifend zeugt die Ereignisdarstellung in erster Linie davon, dass der Handlungsstrang aus der genauen Beschreibung der visualisierten Narration des imaginären Erzählimpulses resultiert. Für eine stärker bildbe‐ schreibende Erzählgestaltung spricht außerdem, dass die Einführung der Torte unberücksichtigt bleibt, obwohl diese für den weiteren Handlungsverlauf von Bedeutung ist. Die anschließende Textmusterphase der Komplikation wird durch das kon‐ trastierende Gebrauchsmuster da sprachlich hervorgehoben: „Da kommen zwei Kinder und nehmen sich einfach die Geburtstagstorte vom Tisch.“ (Kind 84-EiE, 268 6 Empirische Analyse Zeile 7 f.) Die zusätzliche Verwendung des Adverbs einfach markiert dabei den Klau der Torte noch stärker als polemisches Ereignis. Interessant ist bei der sprachlichen Gestaltung der Komplikation darüber hinaus, dass das Kind die bisher nicht erwähnte Torte definit einführt und diese damit für die Leser: innen als bekannt voraussetzt. Die indefinite Einführung der Torte lässt auf eine stärkere Orientierung an dem narratoästhetischen Erzählimpuls im Wahrneh‐ mungsraum schließen. Auch die anschließende Figurenrede zeugt von einer Nähe zum mündlichen Sprachgebrauch: „,Hey lasst das! ‘“ (Kind 84-EiE, Zeile 9) Die Figurenrede wird ohne Verbum Dicendi verwendet und kann keiner Figur eindeutig zugeordnet werden, sondern entspricht als verstärkender Ausruf viel‐ mehr einer individuellen Beurteilung der Handlung. Die indefinite Einführung der Torte und der Ausruf lassen auf einen stärker wahrnehmungsverankernden Sprachgebrauch schließen, der vermutlich aus der Beschreibung der visuali‐ sierten Narration des narratoästhetischen Erzählimpulses resultiert. Interessant ist außerdem, dass das Kind bis zu diesem Satz für die Erzählgestaltung auf präsentische Tempora zurückgreift, die ausschließlich im Zusammenhang mit der Figurenrede normgerecht verwendet wurden. Erst mit der anschließenden Ereignisdarstellung greift das Kind auf präteritale Tempora zurück: „Die beiden Kinder hießen Alex und Kim. Sie rannten den Weg entlang. Jonas, Lea, und Lu rannten hinterher.“ (Kind 84-EiE, Zeile 9-11) Trotz des präteritalen Tempusge‐ brauchs entspricht die inhaltliche Ereignisdarstellung innerhalb der Komplika‐ tion weiterhin einer Beschreibung der visuellen Narration des Erzählimpulses. Durch die spezifischen Verben entlangrennen und hinterherrennen gelingt es dem Kind, vereinzelnd kohäsive Zusammenhänge zwischen Ereignissen herauszu‐ stellen, wobei einige Zusammenhänge, wie z. B. das Weglaufen der Diebe oder das Aufbrechen der Geschwister, weiterhin implizit bleiben. Hervorzuheben ist die Ereignisdarstellung zum Ende der Komplikation, in der es das Kind schafft, sich von der Beschreibung der visuellen Narration zu lösen und den Ereignissen der Komplikation durch ein poetisch-evozierendes Gebrauchsmuster einen fiktiven Ausdruck zu verleihen: „Und eine wilde Verfolgungsjagd begann.“ (Kind 84-EiE, Zeile 11 f.) Direkt im Anschluss leitet das Kind durch das narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster endlich die Textmusterphase der Auflösung ein und löst die Verfolgungsjagd damit inhaltlich auf. In diesem Zusammenhang ist die Ereignisdarstellung auf die Versprachlichung implizit dargestellter Ereignisse zurückzuführen, womit der narrative Gehalt der Erzählung verstärkt zum Ausdruck kommt und ein inhaltlich-kohärenter Erzählstrang erzeugt wird: „Alex und Kim mussten ihnen die Torte zurückgeben und die drei konnten ungestört Jonas Geburtstag feiern und hatten dabei riesen Spaß.“ (Kind 84-EiE, 269 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes Zeile 13-16) Demnach setzt mit der poetisch-evozierenden Satzkonstruktion und eine wilde Verfolgungsjagd beginnt die Konstruktion einer inhaltlich-kohä‐ renten Erzählung ein, für die der narratoästhetische Erzählimpuls vielmehr als Anstoß dient. Im Gegensatz dazu überwiegt bei der Erzählgestaltung in der Textmusterphase der Orientierung und zu Beginn der Komplikation noch ein bildbeschreibender Charakter, der eine stärkere Ausrichtung auf den narrato‐ ästhetischen Erzählimpuls schließen lässt. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls kann formal für die Markie‐ rung der Komplikation und Auflösung jeweils ein narrativ-strukturierendes Gebrauchsmuster erfasst werden. Die Textmusterphase der Orientierung be‐ ginnt das Kind allerdings in der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls ohne einleitende Phrase: „Herr und Frau Hund wollen all ihre Freunde einladen und mit ihnen feiern.“ (Kind 84-EfE, Zeile 2 f.) Sprachlich werden die Protago‐ nisten der Erzählung Herr und Frau Hund definit eingeführt und somit als bekannt vorausgesetzt. Allerdings zeugen die Namensbezeichnungen in diesem Fall von literarischem Charakter und können als poetisch-evozierend interpre‐ tiert werden (vgl. Kapitel 3.2.6). In der Analyse der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster stellt sich eine literarische Namensbezeichnung noch als ein Merkmal zur Markierung eines fiktiven Erzählkontextes heraus (vgl. Kapitel 6.3.3). Hervorzuheben ist, dass das Kind mit der Einführung der Hunde gleich‐ zeitig einen Handlungsplan der Figuren formuliert. Dieser stellt eine inhaltliche Orientierung für den weiteren Handlungsverlauf dar. Die Realisierung eines Handlungsplans gilt nach Quasthoff (1980) als inhaltlich-strukturelles Merkmal zur Konstruktion narrativer Erzählungen. Der Handlungsplan wird im weiteren Verlauf der Erzählung durch einen plötzlich auftretenden Planbruch innerhalb der Komplikation gefährdet. Bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählim‐ puls führt das Kind im Anschluss an die Realisierung des Handlungsplans zunächst die Ausgangslage der Erzählung weiter aus, indem die jeweiligen Handlungen der beiden Protagonisten beschrieben werden. Interessanterweise erzeugt die Ereignisdarstellung trotz des präsentischen Tempusgebrauchs und des verweisenden Adverbs gerade die Verortung der Erzählung in einen narra‐ tiven Kontext. Durch die Realisierung des Handlungsplans gelingt es dem Kind, die Erzählung in einer fiktive Erzählwelt zu verorten, sodass die anschließenden inhaltlichen Realisierungen wie auch sprachlichen Ergänzungen ebenfalls in‐ nerhalb der fiktiven Erzählwelt ausgewertet werden. In der Textmusterphase der Komplikation markiert das Kind das narrative Textmuster sprachlich und hebt ein Ereignis durch das kontrastierende Ge‐ brauchsmuster da hierarchisch hervor: „Da kommen zwei Gauner aus dem Wald. Es sind Eralt und Karl.“ (Kind 84-EfE, Zeile 5 f.) Besonders herauszustellen 270 6 Empirische Analyse ist die literarische Bezeichnung der Diebe als Gauner und die anschließende inhaltliche Ergänzung aus dem Wald. Es gelingt dem Kind, das Auftauchen der Diebe für die Leser: innen inhaltlich auszuschmücken und auf diese Weise die eigene Erzählkonstruktion fortzusetzen. Allerdings wird die in der Orientierung nicht explizit angeführte Torte auch in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls definit eingeführt: „Sie schnappen sich die Torte.“ (Kind 84-EfE, Zeile 6 f.) Im Zusammenhang mit der Realisierung des Handlungsplans als eine Feier mit Freunden kann das Vorhandensein einer Torte von den Leser: innen zwar selbst erschlossen werden, dennoch scheint eine entsprechende sprachliche Realisie‐ rung auch ausgehend vom fiktiven Erzählimpuls für das Kind vereinzelnd noch eine Herausforderung darzustellen. Die weitere inhaltliche Ereignisdarstellung zeugt davon, dass das Kind angestoßen durch den narratoästhetischen Erzähl‐ impuls an der eigenen Erzählkonstruktion festhält: „Sie schnappen sich die Torte und rennen blitzschnell wieder in den Wald, Herr und Frau Hund hinterher. Die beiden Ratten rennen so schnell sie ihre Beine tragen, Frau und Herr Hund schneller.“ (Kind 84-EfE, Zeile 6-11) Es gelingt dem Kind, durch sprachliche Mittel (wieder, hinterherrennen) einen kohäsiven Handlungsstrang zu erzeugen und die Erzählung sogar zusätzlich durch sprachlich-literarische Ergänzungen wie blitzschnell, so schnell sie ihre Beine tragen weiter auszuschmücken. Bei der inhaltlichen Ereignisdarstellung ist hervorzuheben, dass das Kind sogar implizit visualisierte Ereignisse versprachlicht (z. B. das Wegrennen der Ratten) und auf diese Weise inhaltliche Zusammenhänge für die Leser: innen herausstellt. Die umfassende Erzählgestaltung setzt sich bis zum Ende der Komplikation auf bemerkenswerte Weise fort: „Herr Hund packt die beiden und hält sie fest. Die beiden Ratten geben den Kuchen wieder her und sitzen jetzt im Kerker, weil sie wurden schon lange gesucht.“ (Kind 84-EfE, Zeile 11-15) Dem Kind gelingt es, durch vielzählige Ergänzungen eine globalkohärente Ereignisstruktur zu konstruieren, die auf eine zusammenhängende Erzählung schließen lässt. Damit einher geht die Vielzahl poetisch-evozierender Gebrauchsmuster, die auf einen literarischen Sprachgebrauch schließen lässt (vgl. Kapitel 6.3.3). Lediglich der abschließende Satz verweist aufgrund der fehlenden Verb-Endstellung auf einen stärker mündlich orientierten Sprachgebrauch. Vermutlich liegt dies in der komplexen Nebensatzkonstruktion begründet, denn direkt im Anschluss gelingt es dem Kind, die Textmusterphase der Auflösung mit dem auflösenden Ge‐ brauchsmuster aber dann einzuleiten und die Erzählgestaltung durch literarisch geprägte Formulierungen fortzusetzen: „Aber dann konnte das Fest doch noch stattfinden und alle kamen und brachten etwas mit. Es wurde ein schönes Fest.“ (Kind 84-EfE, Zeile 15-17) Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammen‐ hang, dass das Kind den zu Beginn der Erzählung realisierten Handlungsplan 271 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes inhaltlich wieder aufgreift und damit eine globalkohärente Narration erzeugt. Zusätzlich kann die Versprachlichung implizit visualisierter Ereignisse erfasst werden, durch die das Kind inhaltliche Zusammenhänge herausstellt (z. B. das Mitbringen weiterer Sachen für das Fest). Zusammenfassend lässt die Erzähltextanalyse darauf schließen, dass das Kind ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls angestoßen wird, eine globalkohä‐ rente und literarisch-verstärkte Erzählung zu konstruieren. Diese überzeugt durch die Verwendung sprachlich-formaler Mittel und die Versprachlichung implizit visualisierter Ereignisse, die von einem literarischen Sprachgebrauch geprägt sind. Eine Gegenüberstellung der beiden Erzähltextanalysen für Kind 84 zeigt zwar, dass formal kein Unterschied in der Anzahl narrativ-strukturierender Gebrauchsmuster ausgemacht werden kann. In einer genaueren Analyse der in‐ haltlichen Ereignisdarstellung stellt sich aber heraus, dass der Handlungsverlauf in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls vorrangig aus der Beschreibung der visuellen Narration des Erzählimpulses resultiert. Dies zeigt sich vor allem im Zusammenhang mit der Versprachlichung impliziter Ereignisse, die bei der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls überwiegend ausbleiben. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls gelingt es dem Kind in bemerkenswerter Weise, eine globalkohärente Erzählung zu konstruieren. Angestoßen durch den narratoästhetischen Erzählimpuls konstruiert das Kind einen Handlungsstrang, in dem neben der visuellen Narration auch die inhaltlichen Zusammenhänge für die Leser: innen herausgestellt werden. Der inhaltliche Zusammenhang resultiert in erster Linie aus der Realisierung eines Handlungsplans innerhalb der Orientierung, der durch einen Planbruch in der Komplikation gefährdet wird und letztendlich in der Auflösung wieder aufgegriffen und umgesetzt werden kann. Des Weiteren stellen sich die vielzähligen Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse und inhaltlichen Ergänzungen als bedeutsam heraus. Für eine narrative Strukturierung der Erzählung erscheinen somit auch inhalt‐ lich-strukturierende Merkmale wie die Realisierung eines Handlungsplans und die Versprachlichung impliziter Ereignisse von Relevanz. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 78 Eine vergleichende Analyse der Verwendung narrativ-strukturierender Ge‐ brauchsmuster in den beiden Erzähltexten von Kind 78 lässt zunächst auf keinen Unterschied schließen. In beiden Erzählungen markiert das Kind alle drei Textmusterphasen durch ein narrativ-strukturierendes Gebrauchsmuster: 272 6 Empirische Analyse 1. Es war ein schöner Tag. Zwei Mädchen und ein Es war ein schöner Sommermorgen. Die Sonne 2. Junge haben Geschenke bekommen. Plötzlich schien auf ein Haus, wo zwei Hunde wohnten. 3. wurde der Kuchen gestohlen. Zwei Kinder Das Haus stand an einer Lichtung nah am 4. rannten den Weg entlang. Sie hatten den Wald. Der Vater Hund harkte draußen im Beet. 5. Kuchen in der Hand. Die drei Kinder rannten Da! sah die Hundemutter zwei Ratten, die den 6. hinterher. Endlich haben die drei Kinder die Kuchen klauen wollten. Schnell rannten beide 7. zwei Kinder eingeholt. Zu Hause haben sich Hunde hinter den Ratten her. Die Ratten liefen 8. die drei Kinder gefreut und haben den Kuchen und liefen immer schneller. Doch sie waren 9. aufgegessen. sehr erschöpft. Endlich hatte der Hundevater 10. die beiden Ratten. Dann holten die beiden 11. Hunde ihre Freunde zusammen und sie feierten 12. ein großes Fest. Die beiden Ratten haben sie an 13. einen Baum festgebunden. Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 78-EiE) Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 78-EfE) Tab. 43: Narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster in den Erzähltexten von Kind 78 Zum ersten Erhebungszeitpunkt verfasst das Kind die Erzählung zum imagi‐ nären Erzählimpuls. Zur Markierung der Orientierung wird die Erzählung durch eine Abschwächung der prototypischen Phrase es war einmal und durch den Gebrauch des Präteritums eingeführt: „Es war ein schöner Tag.“ (Kind 78-EiE, Zeile 1) In diesem Zusammenhang wird außerdem ein zeitlicher Fiktionsmarker (ein schöner Tag) gesetzt, sodass der Einleitungssatz die Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive suggeriert. Die Etablierung einer fiktiven Erzäh‐ lerperspektive wird im anschließenden Satz durch die indefinite Einführung der Figuren noch einmal verstärkt: „Zwei Mädchen und ein Junge haben Geschenke bekommen.“ (Kind 78-EiE, Zeile 1-3) Inhaltlich zeugt die Darstellung eher von einer Beschreibung der visuellen Narration des Erzählimpulses als von der Konstruktion einer narrativen Ausgangssituation. Damit einher geht, dass für die umfassende Darstellung der Ausgangssituation die Einführung der Torte ausbleibt, obwohl diese im weiteren Handlungsverlauf von Relevanz ist. Direkt im anschließenden Satz beschreibt das Kind inhaltlich den Klau der Torte und markiert dieses Ereignis durch das kontrastierende Gebrauchsmuster plötzlich als Komplikation. Die Torte wird in diesem Zusammenhang definit eingeführt und somit für die Leser: innen als bekannt markiert. Es bleibt somit ungewiss, um welche Torte es sich handelt. Außerdem wird nicht eindeutig herausgestellt, von wem die Torte geklaut wird. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass während der Komplikation nicht die Konstruktion einer kohärenten und narra‐ tiven Handlungsstruktur im Vordergrund steht, sondern die Versprachlichung der visuell dargestellten Ereignisse des narratoästhetischen Erzählimpulses. Auch die Ereignisdarstellung im weiteren Verlauf der Komplikation bestätigt diese Annahme: „Zwei Kinder rannten den Weg entlang. Sie hatten den Kuchen 273 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes in der Hand. Die drei Kinder rannten hinterher.“ (Kind 78-EiE, Ziele 3-5) Die Ereignisdarstellung kann ausschließlich auf die Versprachlichung explizit visualisierter Bildinhalte zurückgeführt werden. Daraus resultiert, dass inhalt‐ liche Zusammenhänge nicht erklärt werden und von den Leser: innen selbst erschlossen werden müssen. Diese Tendenz zeigt sich auch in der Textmusterphase der Auflösung. Zwar nutzt das Kind ein auflösendes Gebrauchsmuster zur Markierung der Textmus‐ terphase, trotzdem entspricht auch die Darstellung der Abschlusssituation in erster Linie der Beschreibung der visualisierten Ereignisse: „Endlich haben die drei Kinder die zwei Kinder eingeholt. Zu Hause haben sich die drei Kinder gefreut und haben den Kuchen aufgegessen.“ (Kind 78-EiE, Zeile 6-9) Zusam‐ menfassend zeigt die Analyse der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls, dass die Verwendung der narrativ-strukturierenden Gebrauchsmuster einer sprachlich-formalen Funktion entspricht und nicht die Konstruktion einer narrativen und globalkohärenten Ereignisstruktur verstärkt. Die Erzählung resultiert vielmehr aus der Wiedergabe der visuellen Narration des imaginären Erzählimpulses. Interessant ist die Gegenüberstellung der Erzählung zum fiktiven Erzählim‐ puls, in welcher bereits innerhalb der Orientierung die Konstruktion einer Ereignisstruktur innerhalb einer fiktiven Erzählwelt fokussiert wird. Die Text‐ musterphase der Orientierung wird durch einen prototypischen Einleitungssatz markiert, der einer Abwandlung der Phrase es war einmal entspricht: „Es war ein schöner Sommermorgen.“ (Kind 78-EfE, Zeile 1) Mit diesem Einleitungssatz und den anschließenden Sätzen innerhalb der Orientierung gelingt es dem Kind, durch die indefinite Einführung von Figuren, Raum und Zeit sowie einen präteritalen Tempusgebrauch sprachlich eine fiktive Erzählwelt zu markieren: „Die Sonne schien auf ein Haus, wo zwei Hunde wohnten. Das Haus stand an einer Lichtung nah am Wald.“ (Kind 78-EfE, Zeile 1-4) Inhaltlich greift das Kind die visuell abgebildeten Elemente des Erzählimpulses (z. B. das Haus) auf und bettet diese durch ausschmückende Ergänzungen (z. B. die Sonne) in die fiktive Erzählwelt ein. Erst im Anschluss an die sprachliche sowie inhaltliche Etablierung der fiktiven Erzählwelt beschreibt das Kind die visualisierte Hand‐ lung des Hundes, sodass diese als fiktives Ereignis innerhalb der narrativen Handlungsstruktur interpretiert werden kann: „Der Vater Hund harkte draußen im Beet.“ (Kind 78-EfE, Zeile 4) Unberücksichtigt bleibt bei der Darstellung der Ausgangssituation allerdings die für den weiteren Handlungsverlauf relevante Torte. Im Anschluss folgt die Textmusterphase der Komplikation, die das Kind sprachlich durch das eher für den mündlichen Sprachgebrauch typische Ge‐ 274 6 Empirische Analyse brauchsmuster da markiert. Das Kind verstärkt das kontrastierende Gebrauchs‐ muster explizit durch ein direkt anschließendes Ausrufezeichen, welches auf einen schriftsprachlichen Kontext zurückgeht: „Da! sah die Hundemutter zwei Ratten, die den Kuchen klauen wollten.“ (Kind 78-EfE, Zeile 5 f.) Inter‐ essanterweise führt das Kind inhaltlich nicht den Klau der Torte direkt an, sondern formuliert die Komplikation als Handlungsabsicht der zwei Ratten. Möglicherweise erkennt das Kind während der Erzählkonstruktion die fehlende Einführung der Torte innerhalb der Orientierung und umgeht diesen Aspekt durch die Formulierung einer Handlungsabsicht. Allerdings resultiert aus der formulierten Handlungsabsicht, dass der Klau der Torte für die Leser: innen offenbleibt. Erst durch die weiteren Ereignisse innerhalb der Komplikation kann implizit erschlossen werden, dass die Torte letztendlich von den Ratten geklaut wurde. Die anschließenden Ereignisse der Verfolgungsjagd verknüpft das Kind kohäsiv miteinander und erzeugt so eine narrativ Handlungsstruktur: „Schnell rannten beide Hunde hinter den Ratten her. Die Ratten liefen und liefen immer schneller.“ (Kind 78-EfE, Zeile 6-8) Weiterführend verstärkt das Kind die narrative Handlungsstruktur durch eine emotionale Ergänzung: „Doch sie waren sehr erschöpft.“ (Kind 78-EfE, Zeile 8 f.) Diese Ergänzung wird nicht explizit auf dem narratoästhetischen Erzählimpuls visualisiert, stellt sich aber für eine kohärente Ereignisstruktur als bedeutend heraus. Durch die Erschöpfung der Ratten kann die direkt anschließende Auflösung inhaltlich begründet werden: „Endlich hatte der Hundevater die beiden Ratten.“ (Kind 78-EfE, Zeile 9 f.) Sprachlich markiert das Kind den Beginn der Textmusterphase durch das auflösende Gebrauchsmuster endlich. Für die weitere inhaltliche Handlungsdarstellung innerhalb der Auflösung berücksichtigt das Kind wieder die Versprachlichung implizit visualisierter Ereignisse: „Dann holten die beiden Hunde ihre Freunde zusammen und sie feierten ein großes Fest. Die beiden Ratten haben sie an einen Baum festgebunden.“ (Kind 78-EfE, Zeile 10-13) Erst durch die Versprachlichung der implizit visualisierten Ereignisse entsteht eine globalkohärente und zusammenhängende Erzählung, die über die visuelle Narration des narratoästhetischen Erzählimpulses hinausgeht und inhaltlich nachvollziehbar ist. Zusammenfassend zeigt die Erzähltextanalyse, dass es dem Kind angestoßen durch den fiktiven Erzählimpuls überwiegend gelingt, eine Erzählung zu konstruieren, die sowohl globalkohärent strukturiert ist, als auch in einer fiktiven Erzählwelt verortet ist. Inhaltlich gibt das Kind nicht nur die Ereig‐ nisse der visualisierten Narration wieder, sondern konstruiert durch die Ver‐ sprachlichung expliziter und impliziter Ereignisse eine zusammenhängende und ausgeschmückte Erzählung. Formal werden dazu alle drei Textmusterphasen 275 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes durch ein narrativ-strukturierendes Gebrauchsmuster hervorgehoben. Obwohl das Kind auch bei der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls auf sprachlich-formale Gebrauchsmuster zurückgreift, zeugt die Erzählgestaltung nicht von einem narrativ-strukturierten Handlungsstrang in einer fiktiven Erzählwelt. Vielmehr entsteht die Ereignisprogression durch eine beschrei‐ bende Aneinanderreihung der visualisierten Ereignisse des imaginären Erzähl‐ impulses. Demnach lassen die Erzähltextanalysen darauf schließen, dass eine phantastische Gestaltung des narratoästhetischen Erzählimpulses für Kind 78 die Konstruktion einer global-strukturierten Erzählung und die Verortung in einer fiktiven Erzählwelt begünstigt. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 11 In einer vergleichenden Analyse der Erzählungen von Kind 11 zeigt sich ebenfalls kein Unterschied in der sprachlich-formalen Markierung der Textmus‐ terphasen. In beiden Erzähltexten hebt das Kind die drei Textmusterphasen durch ein narrativ-strukturierendes Gebrauchsmuster hervor: 1. Diebe auf der Feier! Die zwei Raten Pik und Pit. 2. Es war ein sonniger Tag. James hat Geburtstag Es war ein schöner Sommermorgen. Die 3. und hat zwei Kinder eingeladen. Sie heißen Familie Kreker räumt auf, denn heute ist eine 4. Sarah und Sofi. Sarah hat braune Haare und Geburtstagsfeier. Auf einmal kamen Pik und 5. trägt eine blaue Hose und ein rosa T-Shirt. Sofi Pit und stahlen den Kuchen. Die beiden Ratten 6. hat blonde Haare und ein lila Kleid. James liefen mit dem Kuchen in den Wald. Die beiden 7. wartete schon auf sie. Er musste eine Stunde Hunde Anika und Manuel liefen hinterher. 8. warten. In der Zeit backte er den Kuchen. Nach fünf Minuten waren sie neben den beiden 9. Endlich sind sie da. Sie packten gerade die Ratten und Manuel der Hund schmiss sich auf 10. Geschenke aus, da kommen die Nachbarn und die beiden Ratten. Jetzt feiern sie ein Fest und 11. klauten den Kuchen. Die Nachbarn laufen so alle kriegen einen Kuchen. 12. schnell, dass James nicht hinterher kam. Doch 13. jetzt haben sie die Räuber und bringen den 14. Kuchen zum Platz und essen den Kuchen auf. 15. Ende. Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 11-EiE) Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 11-EfE) Tab. 44: Narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster in den Erzähltexten von Kind 11 Zum ersten Erhebungszeitpunkt gestaltet das Kind die Erzählung zum imagi‐ nären Erzählimpuls und beginnt diese mit einer abgeschwächten Form der prototypischen Phrase es war einmal. Mit dieser Konstruktion wird gleichzeitig ein zeitlicher Bezug hergestellt: „Es war ein sonniger Tag.“ (Kind 11-EiE, Zeile 2) Anschließend folgt die Einführung des Protagonisten der Erzählung, welcher sprachlich durch die Nominalform angeführt wird und somit für die Leser: innen einen stärkeren Bekanntheitsgrad suggeriert. Inhaltlich stellt 276 6 Empirische Analyse das Kind in diesem Zusammenhang eine rahmende Ausgangssituation der Erzählung dar: „James hat Geburtstag und hat zwei Kinder eingeladen.“ (Kind 11-EiE, Zeile 2 f.) Sowohl die Beschreibung der eingeladenen Kinder als auch eine Situierung als Geburtstag ist aufgrund der Anzahl der abgebildeten Kinder sowie der Visualisierung einer Girlande, der Geschenke und des Kuchens auf dem narratoästhetischen Erzählimpuls naheliegend. Das Kind orientiert sich somit bei der inhaltlichen Darstellung der Ausgangssituation stark an dem narratoästhetischen Erzählimpuls. Auf eine starke Orientierung an dem narra‐ toästhetischen Erzählimpuls lässt auch die anschließende lange und detailreiche Beschreibung des Aussehens der beiden eingeladenen Kinder schließen. Dieser Abschnitt der Orientierung gleicht vielmehr einer Personenbeschreibung: „Sie heißen Sarah und Sofi. Sarah hat braune Haare und trägt eine blaue Hose und ein rosa T-Shirt. Sofi hat blonde Haare und ein lila Kleid.“ (Kind 11-EiE, Zeile 2-6) Im weiteren Verlauf der Orientierung distanziert sich das Kind von der Beschreibung des narratoästhetischen Erzählimpulses und führt inhaltlich das Warten des Jungen auf die eingeladenen Kinder und das Backen des Kuchens an: „James wartete schon auf sie. Er musste eine Stunde warten. In der Zeit backte er den Kuchen.“ (Kind 11-EiE, Zeile 6-8) Damit werden Ereignisse versprachlicht, die sich zeitlich vor der visualisierten Narration des Erzählimpulses ereignet haben. Auffällig ist der Tempusgebrauch innerhalb der Orientierung: Den bildbeschreibenden Abschnitt realisiert das Kind zunächst durch den Gebrauch präsentischer Tempora. Mit Beginn der Versprachlichung der Ereignisse, die sich vor der visualisierten Narration ereignen, greift das Kind auf das Präteritum zurück. Der wechselnde Tempusgebrauch lässt darauf schließen, dass das Kind während der Bildbeschreibung im Wahrnehmungs‐ raum agiert. Erst mit der Distanz zur Narration des Erzählimpulses setzen ein präteritaler Tempusgebrauch und somit das Sprachhandeln in einer fiktiven Erzählwelt ein. Ebenfalls auf das Präteritum greift das Kind bereits in Verbin‐ dung mit dem einleitenden Gebrauchsmuster es war einmal zurück. Demnach könnten die Verwendung des einleitenden Gebrauchsmusters und die zeitliche Verortung in Verbindung mit dem Präteritum vielmehr als eine automatisierte Verwendung sprachlicher Formen in narrativen Kontexten interpretiert werden. Zusammenführend besteht die Darstellung des Erzählbeginns in der Textmus‐ terphase der Orientierung aus einem bildbeschreibenden Abschnitt, der auf eine starke Ausrichtung auf den narratoästhetischen Erzählimpuls schließen lässt. Erst zum Ende der Orientierung gelingt es dem Kind, eine Erzählung aus zeitlich vorangegangenen Ereignissen zu konstruieren, die aus dem Anstoß des narratoästhetischen Erzählimpulses resultieren. 277 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes Anschließend folgt die Textmusterphase der Komplikation, die durch ein narrativ-strukturierendes Gebrauchsmuster eingeleitet wird: „Sie packten ge‐ rade die Geschenke aus, da kommen die Nachbarn und klauten den Kuchen.“ (Kind 11-EiE, Zeile 9-11) Sprachlich gelingt es dem Kind, den Klau der Torte durch das kontrastierende Gebrauchsmuster da hierarchisch herauszustellen. In der Kombination mit dem Adverb gerade im vorausgegangenen Satz wird das unerwartete Auftreten der Komplikation nochmal stärker herausgestellt. Die weitere Ereignisdarstellung innerhalb der Komplikation reduziert das Kind auf einen Satz: „Die Nachbarn laufen so schnell, dass James nicht hinterher kam.“ (Kind 11-EiE, Zeile 11 f.) Diese wird nicht kohärent in die Ereignisstruktur eingebettet. Es muss von den Leser: innen selbst erschlossen werden, dass die Diebe mit der geklauten Torte davonrennen und die Kinder der Geburtstagsfeier aufbrechen und ihnen folgen. In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass das Kind in erster Linie die visualisierten Ereignisse des narratoästhetischen Erzählimpulses beschreibt und nicht an einer global-kohärenten Erzählkonstruktion festhält. Interessanterweise verfällt das Kind in diesem Zusammenhang wieder in einen präsentischen Tempusgebrauch und markiert damit das Sprachhandeln in einem nahen Wahrnehmungsraum. Dieser Befund bestätigt die Annahme, dass das Kind sich bei der Erzählgestaltung stärker am narratoästhetischen Erzählimpuls orientiert. Im anschließenden Satz und in Verbindung mit der Textmusterphase der Auflösung werden die Ereignisse durch ein auflösendes Gebrauchsmuster doch jetzt kohäsiv verknüpft und inhaltlich aufgelöst: „Doch jetzt haben sie die Räuber und bringen den Kuchen zum Platz und essen den Kuchen auf.“ (Kind 11-EiE, Zeile 12-14) Anschließend wird ein implizit visualisiertes Ereignis (den Kuchen zum Platz bringen) versprachlicht, um für die Leser: innen auf diese Weise einen Zusammenhang zur visualisierten Ausgangssituation herzustellen. Es gelingt dem Kind, einen nachvollziehbaren Handlungsstrang zu erzeugen. Allerdings können innerhalb der Auflösung einige inhaltliche Unklarheiten ausgemacht werden: Zum einen schreibt das Kind, „doch jetzt haben sie die Räuber“ (Kind 11-EiE, Zeile 12 f.) und verweist durch den Plural auf mehrere Verfolger: innen, obwohl innerhalb der Komplikation nur das Kind James ange‐ führt wird. Zum anderen wird der Kuchen zum Platz gebracht, wobei auch hier für die Leser: innen nicht nachvollziehbar ist, welcher Platz gemeint ist. Diese Unklarheiten lassen darauf schließen, dass das Kind bei der Versprachlichung vermutlich auf die bildlich dargestellten Elemente des narratoästhetischen Erzählimpulses zurückgreift (den Tisch als Platz, alle Kinder auf dem Bild als sie) und den eigens erzeugten Handlungsstrang der Erzählung vernachlässigt. In 278 6 Empirische Analyse diesem Zusammenhang könnte sich der weiter anhaltende präsentische Tem‐ pusgebrauch erklären, der auf ein Agieren im Wahrnehmungsraum verweist. Die Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls beginnt das Kind mit einem einleitenden Gebrauchsmuster, welches einer schwächeren Abwandlung der prototypischen Phrase es war einmal entspricht. Dabei greift das Kind auf das Präteritum zurück und stellt einen zeitlichen Bezug heraus: „Es war ein schöner Sommermorgen.“ (Kind 11-EfE, Zeile 2) Eine vergleichbare Satzkonstruktion ist auch in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls auszumachen, wobei hervorzuheben ist, dass das Kind ausgehend vom fiktiven Erzählimpuls den Kern der Nominalphrase durch ein ausdrucksstärkeres Substantiv (Sommer‐ morgen) ersetzt. Die Relevanz ausdrucksstarker Substantive für den narrativen Charakter der Erzählungen zeigt sich in der Analyse poetisch-evozierender Gebrauchsmuster (vgl. Kapitel 6.3.3). Trotz der sprachlichen Verweise auf ein Sprachhandeln im Wahrnehmungsraum bei der Einführung der Figuren oder dem Tempusgebrauch versprachlicht das Kind die Ausgangssituation durch ein übergeordnetes Rahmenereignis: „Die Familie Kreker räumt auf, denn heute ist eine Geburtstagsfeier.“ (Kind 11-EfE, Zeile 2-4) Dabei gelingt es dem Kind, die einzelnen Ereignisse der visuellen Narration (der harkende Hund, der Kuchen, der Hund im Fenster) aufzugreifen, um angestoßen durch den narratoästhetischen Erzählimpuls eine rahmende Ausgangssituation für die eigene Erzählkonstruktion zu versprachlichen. Unberücksichtigt bleibt bei der inhaltlichen Darstellung der Ausgangssituation allerdings die Torte, die für den weiteren Handlungsverlauf von Bedeutung ist. Mit der Darstellung einer Geburtstagssituation könnte das Vorhandensein einer Torte impliziert werden. Möglicherweise wirkt sich an dieser Stelle die vorausgegangene Erzählgestal‐ tung zum imaginären Erzählimpuls mit der Visualisierung einer Geburtstags‐ feier auf die anschließende Erzählgestaltung aus. Zusammenfassend gelingt es dem Kind, ausgehend vom fiktiven Erzählimpuls in der Orientierung in erster Linie inhaltlich eine übergeordnete Rahmenhandlung zu realisieren, die auf den weiteren Handlungsverlauf abgestimmt ist. Die Textmusterphase der Komplikation leitet das Kind sprachlich durch die Adverbialphrase auf einmal als kontrastierendes Gebrauchsmuster ein: „Auf einmal kamen Pik und Pit und stahlen den Kuchen.“ (Kind 11-EfE, Zeile 4 f.) Im weiteren Verlauf der Komplikation werden die einzelnen Ereignisse inhalt‐ lich-kohärent verknüpft, indem das Weglaufen der Ratten mit dem Kuchen, das Hinterherlaufen der Hunde sowie die Überwältigung der Ratten beschrieben werden: „Die beiden Ratten liefen mit dem Kuchen in den Wald. Die beiden Hunde Anika und Manuel liefen hinterher. Nach fünf Minuten waren sie neben den beiden Ratten.“ (Kind 11-EfE, Zeile 5-10) In diesem Zusammenhang können 279 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes in Bezug auf die Figuren einige inhaltliche Unklarheiten ausgemacht werden. So werden die Protagonisten in der Orientierung als Familie Kreker eingeführt und innerhalb der Komplikation als die beiden Hunde Anika und Manuel bezeichnet. Des Weiteren werden die Diebe zu Beginn der Komplikation namentlich als Pik und Pit bezeichnet und im anschließenden Satz durch die Nominalphrase die beiden Ratten beschrieben. In beiden Fällen müssen die Leser: innen mit Bezug auf die Orientierung bzw. die Überschrift die Zuordnung der Figuren implizit treffen. Allerdings gelingt es dem Kind in der gesamten Komplikation, den Handlungsstrang durch eine Vielzahl an Adverbien und Präpositional- und Adverbphrasen inhaltlich kohäsiv zu verknüpfen (mit dem Kuchen in den Wald, hinterherlaufen, nach fünf Minuten, neben den beiden Ratten). Der kohäsiv-strukturierte Handlungsstrang zeugt davon, dass das Kind sich bei der Erzählgestaltung mental von dem narratoästhetischen Erzählimpuls löst und durch diesen vorrangig zur eigenen Erzählkonstruktion angestoßen wird. Auf diese Annahme lässt auch der durchgehende präteritale Tempusgebrauch während der Textmusterphase der Komplikation schließen. Erst mit Beginn der Auflösung und der Beschreibung der Abschlusssituation nutzt das Kind wieder das Präsens: „Jetzt feiern sie ein Fest und alle kriegen einen Kuchen.“ (Kind 11-EfE, Zeile 10 f.) Sprachlich markiert das Kind die Textmusterphase durch das auflösende Gebrauchsmuster jetzt. Möglicherweise verweist das Gebrauchsmuster als deiktischnahe Prozedur gleichzeitig wieder auf eine Nähe zum Wahrnehmungsraum und auf die Orientierung am narratoästhetischen Erzählimpuls, womit sich auch der präsentische Tempusgebrauch erklären lässt. Darüber hinaus zeugt die inhaltliche Darstellung der Abschlusssituation von einer stärkeren Orientierung an der Narration des Erzählimpulses, da das Verteilen des Kuchens an die anderen Tiere der visualisierten Handlung des letzten Bildes entspricht. Sprachlich kann durch die indefinite Anführung der Feierlichkeit als ein Fest kein eindeutiger Bezug zur Ausgangssituation innerhalb der Orientierung hergestellt werden. Für eine kohärente und zurückführende Ereignisprogression wäre sprachlich ein definiter Verweis auf die Geburtstags‐ feier bzw. Feier angemessen. Vielmehr kann die Phrase ein Fest feiern als prototypisches Gebrauchsmuster zur inhaltlichen Darstellung von Abschluss‐ situationen in literarischen Kontexten interpretiert werden (vgl. Kapitel 3.2.6). Somit stellt in der Textmusterphase der Auflösung ein globalkohärenter Bezug zur Ausgangssituation noch eine Herausforderung dar. Dennoch gelingt es dem Kind bereits durch literarisch geprägte Formulierung, die Ereignisse der Komplikation aufzulösen und einen nachvollziehbaren Abschluss der Erzählung zu konstruieren. 280 6 Empirische Analyse Zusammenfassend zeigt die Erzählanalyse zum fiktiven Erzählimpuls, dass das Kind gerade innerhalb der Orientierung und Komplikation angestoßen durch den narratoästhetischen Erzählimpuls eine eigene Erzählung konstruiert. Diese ist durch inhaltliche und sprachliche Verweise überwiegend globalkohä‐ rent strukturiert. Erst mit Beginn der Textmusterphase der Auflösung stellt der Bezug zur Ausgangssituation eine Herausforderung dar, sodass die Erzählung durch ein prototypisches Gebrauchsmuster in literarischen Kontexten (ein Fest feiern) abgeschlossen wird. Demnach könnte gerade ein abschließender Bezug zur Ausgangssituation für Kind 11 eine besondere Herausforderung bei der globalkohärenten Erzählkonstruktion darstellen. Im Gegensatz dazu können in der Erzählanalyse zum imaginären Erzählimpuls überwiegend Erzählabschnitte ausgemacht werden, die sich stark an der Beschreibung der visuellen Narra‐ tion des Erzählimpulses orientieren. Erst mit der Versprachlichung impliziter Ereignisse zum Ende der Orientierung gelingt es dem Kind, einen kohärenten Handlungsstrang zu konstruieren, der bis zum Beginn der Komplikation auf‐ rechtgehalten wird. Anschließend setzt das Kind die Erzählgestaltung wieder orientiert an der Beschreibung der visuellen Narration des narratoästhetischen Erzählimpulses fort. Zusammenfassung der qualitativen Ergebnisse Eine zusammenfassende Betrachtung der vergleichenden Erzähltextanalysen eröffnet gewinnbringende Einsichten in die narrative Erzähltextgestaltung zu verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen. Ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls gelingt es den Kindern, sich zunehmend von der visuellen Narration des Erzählimpulses zu entfernen und vielmehr angestoßen durch den narratoästhetischen Erzählimpuls eine eigene Erzählung zu konstruieren. Die Erzähltextanalysen ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls lassen darauf schließen, dass die Erzählungen in erster Linie durch die Beschreibung der visuellen Narration des narratoästhetischen Erzählimpulses entstehen. Das Kind mit stärker ausgeprägten Literacy-Erfahrungen schafft es, sich auch bei dem imaginären Erzählimpuls stärker von der visuellen Narration zu entfernen und in Teilen die Konstruktion einer eigenen Erzählung zu verfolgen (vgl. Kind 11). Ein Vergleich der sprachlichen Markierung der Textmusterphasen in den ausgewählten Erzähltexten zeigt, dass alle Kinder das Textmuster in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls genauso stark sprachlich markieren wie in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls. In Bezug auf die Unter‐ scheidung von einleitenden, verkettenden, kontrastierenden und auflösenden Gebrauchsmustern ist zunächst auffällig, dass in keiner Gegenüberstellung 281 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes ein verkettendes Gebrauchsmuster ausgemacht werden kann. Kontrastierende Gebrauchsmustern hingegen werden in allen Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls sowie zum imaginären Erzählimpuls verwendet. Demnach heben alle Kinder unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls die Komplika‐ tion hierarchisch hervor. Die Unterschiede in der globalkohärenten Erzählstruktur zeigen sich vor allem durch die inhaltliche Gestaltung der drei Textmusterphasen. Innerhalb der Textmusterphase der Orientierung führen die Realisierung eines Hand‐ lungsplans, die Realisierung einer Ausgangssituation oder das Aufgreifen der Torte zur Verstärkung einer globalkohärenten Erzählstruktur. Diese verstärken inhaltlich die Etablierung einer fiktiven Ausgangslage und werden bei den ausgewählten Erzähltexten ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls realisiert (vgl. Kind 84, Kind 11). Neben dem Gebrauch inhaltlicher Merkmale zur Etablierung einer fiktiven Ausgangslage ist in der Textmusterphase der Auflö‐ sung die Bezugnahme zur etablierten Ausgangslage für eine globalkohärente Erzählstruktur entscheidend. Die qualitativen Erzähltextanalysen zeigen, dass es einem Kind in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls gelingt, die etablierte Ausgangssituation inhaltlich aufzugreifen (vgl. Kind 84). Neben der inhaltli‐ chen Realisierung und Bezugnahme einer etablierten Ausgangslage kann die globalkohärente Erzählstruktur in der gesamten Erzählgestaltung und gerade in der Textmusterphase der Komplikation durch die Versprachlichung implizit visualisierter Ereignisse befördert werden. Diese stellen zum einen inhaltliche Zusammenhänge für die Leser: innen heraus und repräsentieren zum anderen, dass sich die Kinder während der Erzählgestaltung stärker von der Beschreibung der visuellen Narration des narratoästhetischen Erzählimpulses lösen. In den ausgewählten Erzähltexten gelingt es allen Kindern, in einzelnen Abschnitten der Erzählung bereits implizit visualisierte Ereignisse zu versprachlichen und in den Handlungsstrang zu integrieren. Bei einem Vergleich einer größeren Anzahl an Versprachlichungen impliziter Ereignisse in den Erzähltexten zu den verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen ist die offensichtliche Anzahl an implizit visualisierten Ereignissen im Erzählimpuls entscheidend. Die detaillierte Analyse der narratoästhetischen Erzählimpulse (vgl. Kapitel 5.2) zeigt, dass in dem fiktiven Erzählimpuls fünf offensichtliche Ereignisse nicht visualisiert werden (Klau der Torte, Weglaufen der Ratten, Aufbrechen der Hunde, der Verbleib der Torte, das Zusammenkommen der Tiere). Im Gegensatz dazu sind es vier implizit visualisierte Ereignisse in dem imaginären Erzählimpuls (das Weglaufen der Diebe, das Aufbrechen der Kinder, der Verbleib der Diebe, das Zurückkommen der Kinder). Der Unterschied liegt somit in dem Klau der Torte, der in dem fiktiven Erzählimpuls nicht explizit visualisiert wird. 282 6 Empirische Analyse Darüber hinaus können die Kinder noch weitere Ereignisse versprachlichen, die nicht unter den offensichtlich implizit visualisierten Ereignissen gefasst werden (vgl. Kind 78, Kind 11). Diese führen zu einer inhaltlichen Ausschmückung des Handlungsstrangs und können in den ausgewählten Erzähltexten primär bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls ausgemacht werden. 6.3.2 Quantitative Analyse der narrativ-strukturierenden Gebrauchsmuster In der qualitativen Analyse ausgewählter Erzähltexte stellt sich für eine glo‐ balkohärente Erzählkonstruktion neben der Verwendung narrativ-strukturie‐ render Gebrauchsmuster auch die Berücksichtigung inhaltlicher Merkmale als bedeutsam heraus. Daher werden in der quantitativen Erzähltextanalyse der gesamten Stichprobe (n = 95) sowohl die narrativ-strukturierenden Gebrauchs‐ muster als auch die inhaltlichen Merkmale zur globalkohärenten Erzählgestal‐ tung ausgewertet. Zunächst wird die Verwendung narrativ-strukturierender Gebrauchsmuster quantitativ dargelegt. Die Ergebnisse der Korpusanalyse können für die beiden Erzähltextkorpora differenziert nach den einzelnen narrativ-strukturierenden Gebrauchsmustern in einem Balkendiagramm gegenübergestellt werden. Dun‐ kelgrau wird die Anzahl an narrativ-strukturierenden Gebrauchsmustern in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls visualisiert. Die Ergebnisse für den Er‐ zähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls werden hellgrau hervorgehoben: 283 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes 64 38 11 8 75 67 69 41 0 50 100 150 200 250 Erzähltextkorpus fiktiver Erzählimpuls Erzähltextkorpus imaginärer Erzählimpuls Erzähltextkorpus fiktiver Erzählimpuls Erzähltextkorpus imaginärer Erzählimpuls auflösende Gebrauchsmuster verkettende Gebrauchsmuster kontrastierende Gebrauchsmuster einleitende Gebrauchsmuster Erzähltextkorpus imaginärer Erzählimpuls auflösende Gebrauchsmuster verkettende Gebrauchsmuster kontrastierende Gebrauchsmuster einleitende Gebrauchsmuster Abb. 58: Anzahl narrativ-strukturierender Gebrauchsmuster (n = 95) In dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls können insgesamt 219 nar‐ rativ-strukturierende Gebrauchsmuster zur Markierung der Textmusterphasen erfasst werden. In dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls sind es deutlich weniger. In den Erzählungen zum imaginären Erzählimpuls werden insgesamt 154 narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster zur sprachlichen Markierung der Textmusterphasen verwendet. Betrachtet man die differenzierte Analyse der einzelnen narrativ-strukturierenden Gebrauchsmuster für die je‐ weiligen Textmusterphasen, fällt auf, dass sich vor allem bei der sprachlichen Markierung der Orientierung sowie Auflösung ein Unterschied zwischen den Erzähltextkorpora ergibt: In dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls können insgesamt deutlich mehr einleitende Gebrauchsmuster zur Markierung der Orientierung erfasst werden als in dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls (64 zu 38). Es ergibt sich zwischen den beiden Erzähltextkorpora eine Differenz von 26 Gebrauchsmustern, sodass ca. ein Viertel der Erzähl‐ texte zum fiktiven Erzählimpuls mehr durch ein einleitendes Gebrauchsmuster sprachlich markiert wird. Es schaffen ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls 40 % der Kinder, die Textmusterphase der Orientierung sprachlich zu markieren. Bei der Erzähltextgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls sind es 284 6 Empirische Analyse ca. zwei Drittel der Kinder (67,4 %), denen die sprachliche Hervorhebung der Textmusterphase gelingt. Eine ähnliche Tendenz zeigt sich bei den auflösenden Gebrauchsmustern zur Markierung der Textmusterphase der Auflösung. Insgesamt können in fast der Hälfte aller Erzähltexte des Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls auflösende Gebrauchsmuster erfasst werden (43,2 %). Damit gelingt es 41 Kindern, die Textmusterphase der Auflösung sprachlich zu markieren. In dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls können insgesamt 69 Erzähltexte erfasst werden, in denen die Textmusterphase der Auflösung durch ein narrativ-strukturierendes Gebrauchsmuster eingeleitet wird (72,6 %). Es ergibt sich somit eine Differenz zwischen den beiden Erzähltextkorpora von 28 Gebrauchsmustern, sodass der Anteil von Erzähltexten mit einer sprachlich markierten Auflösung in dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls um fast ein Drittel höher ist. Interessant ist bei der Häufigkeitsverteilung, dass sich kein nennenswerter Unterschied zwischen den beiden Erzähltextkorpora in der Verwendung kon‐ trastierender Gebrauchsmuster zur hierarchischen Hervorhebung eines Ereig‐ nisses in der Komplikation erfassen lässt. Es können sieben kontrastierende Gebrauchsmuster mehr in dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls erfasst werden. In beiden Erzähltextkorpora ist die Anzahl an kontrastierenden Gebrauchsmustern sehr hoch (75 und 67). Somit gelingt es einem Großteil der Kinder bereits unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls, die Text‐ musterphase der Komplikation durch ein kontrastierendes Gebrauchsmuster zu markieren und ein Ereignis des Handlungsstrangs hierarchisch herauszustellen. Die hohe Anzahl an kontrastierenden Konstruktionen erklärt das geringe Vorkommen an verkettenden Gebrauchsmustern, welche die Komplikation linear in den Handlungsstrang einfügen. Insgesamt können elf verkettende Gebrauchsmuster in dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls und acht verkettende Gebrauchsmuster in dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls ausgemacht werden. Weitergehend wird die Verwendung narrativ-strukturierender Gebrauchs‐ muster mit Berücksichtigung der Erhebungsreihenfolge ausgewertet. Aufgrund der unterschiedlichen Stichprobengröße der Erhebungsgruppen wird die antei‐ lige Verwendung narrativ-strukturierender Gebrauchsmuster angegeben. Die Grafik visualisiert die aufsummierten Anteile der einzelnen narrativ-struktu‐ rierenden Gebrauchsmuster für die beiden Erhebungsgruppen den Farben entsprechend: 285 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes 0,73 0,62 0,43 0,39 0,09 0,14 0,05 0,12 0,77 0,80 0,71 0,71 0,75 0,71 0,39 0,47 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 1 Gruppe 2 fiktiver Erzählimpuls imaginärer Erzählimpuls Gruppe 1 Gruppe 2 n = 44 n = 51 Gruppe 1 Gruppe 2 n = 44 n = 51 Gruppe 1 Gruppe 2 n = auflösende Gebrauchsmuster kontrastierende Gebrauchsmuster verkettende Gebrauchsmuster einleitende Gebrauchsmuster auflösende Gebrauchsmuster kontrastierende Gebrauchsmuster verkettende Gebrauchsmuster einleitende Gebrauchsmuster Abb. 59: Anzahl narrativ-strukturierender Gebrauchsmuster Ein Vergleich der relativen Häufigkeitsverteilungen für die Verwendung nar‐ rativ-strukturierender Gebrauchsmuster in den Erzählungen zum fiktiven Er‐ zählimpuls zeigt, dass keine nennenswerten Unterschiede in Bezug auf die Erhebungsgruppen zu erkennen sind. Der Unterschied ist immer bei maximal 5 %. Ausschließlich für die Verwendung einleitender Gebrauchsmuster in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls ergibt sich ein etwas größerer Unterschied in Bezug auf die Erhebungsreihenfolge. Die Orientierung wird von den Kindern der ersten Erhebungsgruppe häufiger sprachlich eingeleitet (+11 %). Bei der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls ergibt sich für die Verwendung auflösender Gebrauchsmuster ein Unterschied zwischen der Erhebungsreihenfolge: Die Kinder der zweiten Erhebungsgruppe markieren in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls häufiger die Textmusterphase der Auflösung sprachlich (+8 %). Allerdings sind beide Unterschiede zwischen den Erhebungsgruppen minimal und lassen nicht auf einen Einfluss durch die Erhebungsreihenfolge schließen. Zusammenfassend lassen die Befunde der gesamte Stichprobe darauf schließen, dass sich unabhängig von der Erhebungsreihenfolge ein Unterschied bei der Verwendung narrativ-strukturierender Gebrauchsmuster zwischen den 286 6 Empirische Analyse narratoästhetischen Erzählimpulsen gerade bei der sprachlichen Markierung der Orientierung sowie Auflösung zeigt. Zwar gelingt es bereits einer Viel‐ zahl an Kindern, ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls diese beiden Textmusterphasen sprachlich zu markieren. Dennoch ist die Anzahl einer sprachlich markierten Orientierung sowie Auflösung in dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls um 26 bzw. 28 Erzähltexte höher. Die Textmusterphase der Komplikation stellen die Kinder fast immer un‐ abhängig vom Erzählimpuls sprachlich heraus und greifen dazu auf ein kon‐ trastierendes Gebrauchsmuster zurück. Somit ist eine quantitative Analyse zur sprachlichen Markierung der Komplikation in Kombination mit weiteren narrativ-strukturierenden Gebrauchsmustern für die gesamte Stichprobe von Bedeutung. Dies kann anhand einer Analyse der sprachlichen Markierung der Textmusterphasen zum Ausdruck des gesamten Textmusters in einem Erzähltext erfolgen. Das narrative Textmuster kann durch die sprachliche Markierung aller drei Textmusterphasen zum Ausdruck kommen. Diese Möglichkeit der sprachlichen Markierung lässt auf einen hierarchisch-strukturierten Erzähltyp schließen. Des Weiteren kann das narrative Textmuster durch den Gebrauch kontrastierender Gebrauchsmuster in Kombination mit einem einleitendenden oder auflösenden Gebrauchsmuster zum Ausdruck kommen. Außerdem kann bei der Erzähl‐ textgestaltung ausschließlich auf ein kontrastierendes Gebrauchsmuster zur hierarchischen Hervorhebung der Komplikation zurückgegriffen werden. Zwar konnte in der qualitativen Erzähltextanalyse kein Erzähltext erfasst werden, in dem kein kontrastierendes Gebrauchsmuster, aber dafür ein anderes nar‐ rativ-strukturierendes Gebrauchsmuster bzw. eine Kombination aus weiteren narrativ-strukturierenden Gebrauchsmustern verwendet wird (z. B. ein einlei‐ tendes und auflösendes Gebrauchsmuster in einem Erzähltext). Bei der Analyse der Erzähltexte der gesamten Stichprobe wird diese Möglichkeit zur sprachli‐ chen Markierung der Textmusterphasen als Ausdruck eines narrativen Text‐ musters dennoch berücksichtigt und in einer Kategorie zusammengefasst. Diese Kategorie wird als narrativ-strukturierende(s) Gebrauchsmuster ausgeschlossen des kontrastierenden Gebrauchsmusters bezeichnet. Als letzte Möglichkeit kann die Erzählung ohne die sprachliche Markierung einer Textmusterphase realisiert werden, sodass keine narrativ-strukturierenden Gebrauchsmuster zur Erzähl‐ gestaltung verwendet werden. Anhand der verschiedenen Möglichkeiten zur sprachlichen Markierung der narrativen Textmusterphasen wird die Realisie‐ rung eines narrativen Textmusters in einem Erzähltext zwischen den beiden Erzähltextkorpora verglichen. Das Balkendiagramm stellt die Ergebnisse der 287 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes deskriptiven Häufigkeitsanalyse für die beiden Erzähltextkorpora in den ent‐ sprechenden Farben gegenüber: 45 31 7 13 0 16 30 21 17 11 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 hierarchisch-strukturierter Erzähltyp kontrastierendes Gebrauchsmuster + einleitendes oder auflösendes Gebrauchsmuster ausschließlich ein kontrastierendes Gebrauchsmuster narrativ-strukturierende(s) Gebrauchsmuster ausgeschlossen des kontrastierenden Gebrauchsmusters kein narrativstrukturierendes Gebrauchsmuster Erzähltextkorpus fiktiver Erzählimpuls Erzähltextkorpus imaginärer Erzählimpuls Abb. 60: Sprachliche Markierung der Textmusterphasen zum Ausdruck des narrativen Textmusters (n = 95) Die Ergebnisse der deskriptiven Häufigkeitsanalyse für die gesamte Stichprobe zeigen, dass sich zwischen den beiden Erzähltextkorpora gerade in Bezug auf die Realisierung eines hierarchisch-strukturierten Erzähltyps ein bedeu‐ tender Unterschied aufzeigt. Insgesamt gelingt es 45 Kinder in dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls, alle drei Textmusterphasen durch ein einleitendes, kontrastierendes und auflösendes Gebrauchsmuster sprachlich zu markieren. Ausgehend von der sprachlich-formalen Markierung der Textmusterphasen durch narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster lässt somit fast die Hälfte der Erzähltexte des Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls auf einen hierarchisch-strukturierten Erzähltyp schließen (47,4 %). Im Gegensatz dazu zeichnen sich 16,8 % der Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls durch die sprachliche Markierung der Textmusterphasen mittels der angeführten nar‐ rativ-strukturierenden Gebrauchsmuster aus (16 Erzähltexte). Weitergehend ist hervorzuheben, dass kein Unterschied zwischen den Erzähltextkorpora in Bezug auf die kombinierende Verwendung eines kontrastierenden Gebrauchsmusters mit einem etablierenden oder auflösenden Gebrauchsmuster auszumachen ist. In beiden Erzähltextkorpora gelingt es ca. 30 % der Kinder, neben der Textmusterphase der Komplikation eine weitere Textmusterphase sprachlich zu markieren. Interessant ist allerdings, dass zusammenfassend bereits in 288 6 Empirische Analyse 76 Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls das narrative Textmuster durch die Kombination eines kontrastierenden Gebrauchsmusters mit mindestens einem weiteren narrativ-strukturierenden Gebrauchsmuster ausgedrückt wird. Dies macht 80 % des Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls aus. In dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls sind es 46 Erzähltexte, in denen durch ein kontrastierendes Gebrauchsmuster und mindestens ein weiteres narrativ-strukturierendes Gebrauchsmuster die Textmusterphasen sprachlich-formal markiert werden. Das entspricht damit ca. der Hälfte aller Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls (48,4 %). Für die alleinige Verwendung eines narrativ-strukturierenden Gebrauchs‐ musters ohne ein kontrastierendes Gebrauchsmuster zur sprachlichen Hervor‐ hebung der Komplikation ergibt sich kein nennenswerter Unterschied zwischen den beiden Erzähltextkorpora (13 zu 17). Erst bei der Anzahl an Erzähltexten ohne sprachliche Hervorhebung der Textmusterphasen differenzieren sich die beiden Erzähltextkorpora: Ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls kann kein Erzähltext ohne narrativ-strukturiertes Gebrauchsmuster ausgemacht werden. In dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls sind es insgesamt elf Erzählungen ohne sprachliche Markierung der Textmusterphasen. Damit kann anhand der sprachlichen Markierung der Textmusterphasen angenommen werden, dass ein imaginärer Erzählimpuls tendenziell häufiger dazu führt, dass in einem Erzähltext eine geringere Anzahl an Gebrauchsmustern bzw. gar keine narrativen Gebrauchsmuster zur sprachlichen Hervorhebung der Textmusterphasen ausgemacht werden können. In der qualitativen Analyse der ausgewählten Erzähltexte stellt sich heraus, dass neben der sprachlichen Markierung der Textmusterphasen das Anführen verschiedener inhaltlicher Merkmale (z. B. die Realisierung eines Handlungs‐ plans, die Versprachlichung implizit visualisierter Ereignisse) für eine global‐ kohärente Erzählstruktur und die Verstärkung einer etablierten Erzählwelt relevant ist. Anhand der qualitativen Analyse der ausgewählten Erzähltexte können sechs verschiedene Merkmale herausgestellt werden, die die Kinder auf inhaltlicher Ebene dazu veranlassen, eine globalkohärente Erzählkonstruktion zu verfassen. Zum einen kann speziell in der Orientierung die Realisierung eines Handlungsplans bzw. einer rahmenden Ausgangssituation oder das Einführen der Torte als inhaltliche Merkmale einer globalkohärenten Erzählung angeführt werden. Als Pendant dazu kann in der Auflösung das Aufgreifen des Hand‐ lungsplans oder der inhaltliche Bezug zur Ausgangssituation als inhaltliches Merkmal angeführt werden. Der inhaltliche Bezug zur Ausgangssituation kann zum einen durch das Zurückführen der Handlung zur rahmenden Ausgangssi‐ tuation und zum anderen durch das explizite Aufgreifen der eingeführten Torte 289 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes realisiert werden. Mit der Begrenzung auf die Explizitheit bei dem Aufgreifen der eingeführten Torte wird die Versprachlichung der auf dem Erzählimpuls visualisierten Handlung als das Essen der Torte oder das Wiederhaben der Torte nicht als inhaltliches Merkmal zur globalkohärenten Erzählkonstruktion betrachtet. Außerdem ist unabhängig von den einzelnen Textmusterphasen die Ver‐ sprachlichung implizit visualisierter Ereignisse für eine zusammenhängende Ereignisprogression relevant. Für die Versprachlichung impliziter visualisierter Ereignisse konnte in der qualitativen Analyse bereits herausgestellt werden, dass sich die beiden narratoästhetischen Erzählimpulse in der Anzahl an implizit visualisierten Ereignissen um ein Ereignis unterscheiden. In dem fiktiven Erzählimpuls wird der Klau der Torte zusätzlich implizit abgebildet. Allerdings stellt dieses Ereignis innerhalb des Handlungsverlaufs die Komplikation dar, sodass die Versprachlichung des Klauens der Torte als Komplikation bereits als struktureller Aspekt gefordert ist. Damit erklärt sich auch der Befund, dass alle Kinder dieses Ereignis bei der Erzähltextgestaltung anführen. Aus diesem Grund wird für eine Vergleichbarkeit der quantitativen Analyseergebnisse zur Versprachlichung implizit visualisierter Ereignisse der Klau der Torte in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls nicht berücksichtigt. Damit werden auf beiden narratoästhetischen Erzählimpulsen fünf offensichtliche Ereignisse implizit visualisiert. Zusammenfassend ergeben sich damit sechs weitere Ana‐ lysekategorien, die eine inhaltliche Analyse der Erzählungen fokussieren: In der Textmusterphase der Orientierung die Realisierung eines Handlungsplans, die Realisierung einer Ausgangssituation oder die Einführung der Torte; Innerhalb der Textmusterphase der Auflösung die Bezugnahme zum Handlungsplan oder die Bezugnahme zur Ausgangssituation; während der gesamten Erzählung die Versprachlichung implizit visualisierter Ereignisse. Die folgende Grafik visualisiert die deskriptiven Analyseergebnisse der inhaltlichen Merkmale zur globalkohärenten Erzählgestaltung für die beiden Er‐ zähltextkorpora, die entsprechend der jeweiligen Farbe hervorgehoben werden: 290 6 Empirische Analyse 488 310 19 4 14 9 57 26 8 42 28 0 100 200 300 400 500 600 700 Erzähltextkorpus fiktiver Erzählimpuls Erzähltextkorpus imaginärer Erzählimpuls Bezugnahme zur Orientierung Bezugnahme zum Handlungsplan Einführung der Torte Realisierung einer Ausgangssituation Realisierung eines Handlungsplans Versprachlichung implizit visualisierter Ereignisse Bezugnahme zur Orientierung Einführung der Torte Realisierung einer Ausgangssituation Realisierung eines Handlungsplans Versprachlichung implizit visualisierter Ereignisse Abb. 61: Anzahl inhaltlicher Merkmale zur globalkohärenten Erzählgestaltung (n = 95) In dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls können insgesamt deut‐ lich mehr inhaltliche Merkmale zur globalkohärenten Erzählgestaltung erfasst werden als in den Erzählungen zum imaginären Erzählimpuls (628 zu 377). Am stärksten ist der Unterschied in Bezug auf die Einführung der Torte und die Versprachlichung implizit visualisierter Ereignisse. Betrachtet man die Einfüh‐ rung der Torte als entscheidendes Merkmal für die auftretende Komplikation und den weiteren Handlungsverlauf, kann diese in 57 Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls erfasst werden. Demnach greifen 60 % der Kinder ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls die Torte innerhalb der Orientierung auf und führen inhaltlich somit ein relevantes Merkmal für die weitere Erzählung an. Bei der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls macht der Anteil an Erzähltexten, in denen die Torte inhaltlich eingeführt wird, 27,4 % aus. Insgesamt berücksichtigen damit 26 Kinder ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls die Einführung der Torte. Der Unterschied zwischen den beiden Erzähltextkor‐ pora lässt darauf schließen, dass eine inhaltliche Berücksichtigung der Torte zur globalkohärenten Erzählgestaltung deutlich häufiger von dem fiktiven Erzählimpuls ausgeht. Eine ähnliche Tendenz zeigt sich für die Realisierung 291 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes einer Ausgangssituation bzw. die Realisierung eines Handlungsplans, wobei diese beiden inhaltlichen Merkmale grundsätzlich seltener in den Erzähltexten auszumachen sind: In dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls wird in 33 Erzähltexten entweder ein Handlungsplan oder eine Ausgangssituation realisiert. In den Erzählungen zum imaginären Erzählimpuls berücksichtigen 13 Kinder die Realisierung eines Handlungsplans bzw. einer Ausgangssituation. Damit zeigt sich, dass die inhaltliche Realisierung eines Handlungsplans bzw. einer Ausgangssituation als übergeordnete Rahmensituation für die Kinder unabhängig von der Gestaltung des narratoästhetischen Erzählimpulses noch eine Herausforderung darstellt. Dennoch gelingt es bereits etwas mehr als einem Drittel der Kinder, diese inhaltlichen Merkmale bei der Erzählgestaltung zu berücksichtigen, wenn der Erzählimpuls stärker phantastisch gestaltet ist (34,7 %). Bei einer zusammenfassenden Betrachtung der drei Möglichkeiten zur Realisierung einer übergeordneten Rahmensituation zeigt sich, dass fast alle Kinder bei der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls ein inhaltliches Merkmal anführen (94,7 %). Die Anzahl von 90 Erzähltexten lässt darauf schließen, dass nahezu jedes Kind bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls eine über‐ geordnete Rahmensituation realisiert. Bei der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls sind es zusammengefasst 39 Kinder, die bereits eine übergeordnete Rahmensituation realisieren (41,1 %). Ausgehend von den Ergebnissen der qua‐ litativen Analyse konnte bereits angenommen werden, dass durch einen fiktiven Erzählimpuls eine globalkohärente Erzählgestaltung begünstigt werden könnte. Diese Annahme verfestigt sich durch die quantitativen Analyseergebnisse der gesamten Stichprobe, die eine deutlich größere Anzahl inhaltlicher Merkmale innerhalb der Orientierung in dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls aufzeigen. Neben der Realisierung einer übergeordneten Rahmensituation können au‐ ßerdem die quantitativen Analyseergebnisse der gesamten Stichprobe für die Bezugnahme zur übergeordneten Rahmensituation innerhalb der Auflösung genauer betrachtet werden. In 52,6 % der Fälle kann bei den Erzähltexten ausgehend vom fiktiven Erzählimpuls in der Textmusterphase der Auflösung ein inhaltlicher Bezug zum Handlungsplan bzw. zur Orientierung ausgemacht werden. Insgesamt entspricht der Anteil von 52,6 % einer Anzahl von 50 Erzähl‐ texten. In dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls sind es insge‐ samt deutlich weniger Erzähltexte: Es wird ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls in 28 Erzähltexten bei der Gestaltung der Auflösung inhaltlich Bezug zur Orientierung genommen. Diese 28 Erzähltexte machen einen Anteil von 29,5 % aus. Die quantitativen Analyseergebnisse der gesamten Stichprobe zeigen demnach, dass die Kinder im Verhältnis deutlich häufiger Bezug zum 292 6 Empirische Analyse Handlungsplan oder zur Orientierung nehmen, wenn die Erzählgestaltung von dem fiktiven Erzählimpuls ausgeht. Dieser Befund entspricht den Ergebnissen der qualitativen Analyse der ausgewählten Stichprobe. Für die inhaltlichen Merkmale innerhalb der Textmusterphase der Auflösung konnte anhand der qualitativen Analyse ausgewählter Erzähltexte ebenfalls ein Unterschied zu‐ gunsten des fiktiven Erzählimpulses erschlossen werden. Ein Vergleich zwi‐ schen den inhaltlichen Merkmalen in der Orientierung und der Auflösung zeigt, dass die Bezugnahme zur übergeordneten Rahmensituation in der Auflösung eine größere Herausforderung darstellt als die Realisierung der übergeordneten Rahmensituation in der Textmusterphase der Orientierung. In dem fiktiven Erzählimpuls können nur sehr wenige visuelle Hinweise für eine Verknüpfung der Ausgangs- und Abschlusssituation ausgemacht werden. Möglicherweise könnte darin die Herausforderung der Bezugnahmen zum Handlungsplan und zur Orientierung und die damit verbundene geringe Anzahl an Erzähltexten mit der inhaltlichen Bezugnahme zur übergeordneten Rahmensituation begründet liegen. Abschließend können für die inhaltlichen Merkmale einer globalkohärenten Erzählgestaltung noch die Ergebnisse zur Versprachlichung implizit visuali‐ sierter Ereignisse angeführt werden. Anhand der deskriptiven Häufigkeiten für die gesamte Stichprobe wird bereits ersichtlich, dass Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse deutlich häufiger in dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls erfasst werden können (488 zu 310). Ausgehend von den beiden narratoästhetischen Erzählimpulsen müssen primär fünf implizit visuali‐ sierte Ereignisse versprachlicht werden, um inhaltliche Zusammenhänge inner‐ halb der visuellen Narration für die Leser: innen zu verdeutlichen. Die qualitative Betrachtung der ausgewählten Erzähltexte zeigt, dass darüber hinaus weitere implizit visualisierte Ereignisse angeführt werden können. Diese schmücken den Handlungsstrang stärker aus. Für eine vergleichende Analyse der Ver‐ sprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse ist in erster Linie die Anzahl dieser innerhalb eines Erzähltextes aussagekräftig. In einer Gegenüberstellung der Häufigkeitsverteilung der Anzahl an Erzähltexten mit verschiedenen An‐ zahlen an Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse in den beiden Erzähltextkorpora können die Ergebnisse visualisiert werden. In Dunkelgrau ist die Häufigkeitsverteilung für den fiktiven Erzählimpuls hervorgehoben und hellgrau für den imaginären Erzählimpuls. Da die durchschnittliche Anzahl an Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse bisher nicht angegeben wurde, werden in der Grafik der jeweilige Mittelwert (M) sowie die entspre‐ chende Standardabweichung (SD) ergänzt: 293 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes Abb. 62: Anzahl an Versprachlichung implizit visualisierter Ereignisse in einem Erzähl‐ text (n = 95) Der Mittelwert für die Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls liegt bei M = 5,14 und lässt darauf schließen, dass in jeder Erzählung durchschnittlich fünf implizit visualisierte Ereignisse versprachlicht werden. Im Gegensatz dazu liegt der Mittelwert in den Erzählungen zum imaginären Erzählimpuls bei M = 3,26 und lässt auf durchschnittlich etwas mehr als drei Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse schließen. Damit werden in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls im Durchschnitt fast zwei implizit visualisierte Ereignisse mehr versprachlicht. Die Häufigkeitsverteilung zeigt, dass in dem Erzähltext‐ korpus zum fiktiven Erzählimpuls die geringste Anzahl an Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse bei einer einzelnen Versprachlichung liegt. Es sind drei Erzähltexte mit einer Versprachlichung. In dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls können drei Erzähltexte ohne eine Versprach‐ lichung implizit visualisierter Ereignisse erfasst werden. Das Maximum an Versprachlichung implizit visualisierter Ereignisse in einem Erzähltext liegt ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls bei 21 und ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls bei elf. Es ist jeweils ein Erzähltext mit der höchsten Anzahl an Versprachlichung implizit visualisierter Ereignisse in jedem Erzähl‐ textkorpus enthalten. Damit erstreckt sich die Spanne der möglichen Anzahl an Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse in einem Erzähltext in dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls von eins bis 21 und in dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls von null bis elf. Innerhalb der Spanne ist der Vergleich einer sehr geringen Anzahl und einer sehr hohen 294 6 Empirische Analyse Anzahl an Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse zwischen den beiden Erzähltextkorpora aufschlussreich. Für eine sehr geringe Anzahl an Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse können deutlich mehr Er‐ zähltexte im Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls erfasst werden. In insgesamt 40 Erzähltexten zum imaginären Erzählimpuls werden maximal zwei implizit visualisierte Ereignisse versprachlicht. Diese 40 Erzähltexte machen einen Anteil von 42,1 % des Erzähltextkorpus aus. Im Gegensatz dazu sind lediglich in 11,6 % der Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls maximal zwei Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse auszumachen (11). Eine umgekehrte Tendenz zeigt sich für eine sehr hohe Anzahl an Versprachlich‐ ungen implizit visualisierter Ereignisse. Insgesamt können in 36 Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls mindestens sechs implizit visualisierte Ereignisse ausgemacht werden. Damit zeichnen sich 37,9 % der Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls darin aus, dass sie überdurchschnittlich viele Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse enthalten. Im Gegensatz dazu können in dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls insgesamt zehn Erzähltexte erfasst werden, in denen die Kinder mindestens sechs implizit visualisierte Ereignisse versprachlichen. Das macht 10,5 % des Erzähltextkorpus aus. Zusammenfassend zeigt die Häufigkeitsverteilung, dass die Kinder ausge‐ hend von der phantastischen Gestaltung des narratoästhetischen Erzählim‐ pulses häufiger implizit visualisierte Ereignisse versprachlichen. Anhand der qualitativen Erzähltextanalyse der ausgewählten Erzählungen zum imaginären Erzählimpuls wird deutlich, dass die Erzählgestaltung bei einer ausbleibenden bzw. sehr geringen Anzahl von Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse primär auf die Beschreibung der visuellen Narration des Erzählim‐ pulses schließen lässt. Damit könnte die Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls bei etwas weniger als der Hälfte der gesamten Stichprobe auf die Beschreibung der visuellen Narration des Erzählimpulses zurückgeführt werden. Ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls kann dies für ca. ein Zehntel (11,6 %) angenommen werden. Im Gegensatz dazu zeichnet sich sogar knapp die Hälfte der Erzähltext darin aus, dass mehr als fünf Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse enthalten sind und damit mehr als die Anzahl an offensichtlich implizit visualisierten Ereignissen in den narratoästhetischen Erzählimpulsen. Zwar kann anhand der quantitativen Ergebnisse nicht explizit erschlossen werden, dass damit auch alle fünf offensichtlich angeführten implizit visualisierten Ereignisse des narratoästhetischen Erzählimpulses auf‐ gegriffen werden. Allerdings zeigt die qualitative Erzähltextanalyse der ausge‐ wählten Stichprobe, dass eine höhere Anzahl von Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse mit einer zunehmend globalkohärenten Erzählstruktur 295 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes 40 Verkettende Gebrauchsmuster werden in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt, da die deskriptive Analyse bereits gezeigt hat, dass diese in sehr wenigen Erzähltexten vorkommen und somit keine ausreichende Datenmenge gegeben ist. und einem stärker ausgeschmückten Handlungsstrang einhergeht. Anhand der Häufigkeitsverteilungen für die gesamte Stichprobe kann damit angenommen werden, dass es den Kindern ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls zuneh‐ mend gelingt, die Erzählung globalkohärent und inhaltlich ausgeschmückt zu gestalten. Aus den verschiedenen deskriptiven Häufigkeitsanalysen der inhaltlichen Merkmale sowie narrativ-strukturierenden Gebrauchsmustern kann bereits für alle Kategorien entnommen werden, dass diese deutlich häufiger in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls vorkommen. Durch die Häufigkeits‐ verteilung können allerdings keine Rückschlüsse gezogen werden, ob der Unterschied auch auf die beiden Erzähltexte eines Kindes zurückzuführen ist. Dazu können abschließend die Ergebnisse der inhaltlichen Merkmale und der Verwendung narrativ-strukturierender Gebrauchsmuster zur globalkohä‐ renten Erzählkonstruktion für eine Gegenüberstellung aller Erzähltextpaare in einer Mittelwertanalyse statistisch geprüft werden. Chronologisch folgen zunächst die Ergebnisse der narrativ-strukturierenden Gebrauchsmuster. In diesem Zusammenhang wird außerdem die sprachliche Markierung der Text‐ musterphasen zum Ausdruck des narrativen Textmusters in einem Erzähltext berücksichtigt. Erstrebenswert ist die hierarchisch-strukturierte Markierung des Textmusters durch ein einleitendes, kontrastierendes und auflösendes Gebrauchsmuster. Dieses hebt die Struktur der Erzählung sprachlich als dra‐ matisierendes Textmuster hervor. Daher wird bei dem Mittelwertvergleich außerdem die sprachliche Markierung eines hierarchisch-strukturierten Erzähl‐ typs berücksichtigt. Die narrativ-strukturierenden Gebrauchsmuster 40 sowie ein hierarchisch-strukturierter Erzähltyp werden anhand einer Ordinalskala bestimmt, sodass für einen Mittelwertvergleich der Wilcoxon-Test angeführt und die Effektstärke r berechnet wird. Die anschließende Tabelle zeigt die Ergebnisse des Wilcoxon-Tests durch den z-Wert, die asymptotische Signifikanz und die Effektstärke für die narrativ-strukturierenden Gebrauchsmuster und die sprachliche Markierung eines hierarchisch-strukturierten Erzähltyps der gesamten Stichprobe: 296 6 Empirische Analyse N A R R ATIV - S T R UKT U RI E R E N D E G E B R AU C H S M U S T E R z-Wert asymptotische Sig. (2-seitig) Effektstärke (r) E IN L E IT E N D E G E B R AU C H S M U S T E R (n = 95) 4,110 0,000 0,42 K O NT R A S TI E R E N D E G E B R AU C H S M U S T E R (n = 95) 1,400 0,162 - A U F LÖ S E N D E G E B R AU CH S M U S T E R (n = 95) 3,883 0,000 0,40 D R AMATI S I E R E N D E S T E XTM U S T E R (n = 95) 5,843 0,000 0,60 Tab. 45: Ergebnisse Mittelwertanalyse narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster Die Ergebnisse der Mittelwertanalyse zeigen, dass bei der Verwendung von einleitenden und auflösenden Gebrauchsmustern ein starker Effekt zugunsten der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls auszumachen ist (r = 0,42 und r = 0,40). Die Effektgrößen sind jeweils mit einem Signifikanz-Wert von p = 0,000 hoch signifikant. Es kann dementsprechend angenommen werden, dass ein Kind die Textmusterphase der Orientierung und Auflösung tendenziell häufiger in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls sprachlich markiert. Für die sprachliche Markierung der Komplikation können ein z-Wert von z = 1,400 und eine einsei‐ tige Signifikanz von p = 0,162 ermittelt werden. Aufgrund des zu hohen Signifi‐ kanzwertes ist eine Effektberechnung unzulässig. Dieses Ergebnis war aufgrund des sehr hohen Vorkommens der kontrastierenden Gebrauchsmuster in beiden Erzähltextkorpora zu erwarten. Demnach wird die Textmusterphase der Kom‐ plikation unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls sprachlich markiert und sogar überwiegend hierarchisch in dem Textmuster herausgestellt. Dieser Befund lässt vermuten, dass die Komplikation als Kernstück einer Erzäh‐ lung unabhängig von der Gestaltung des narratoästhetischen Erzählimpulses wahrgenommen und dementsprechend sprachlich markiert wird. Besonders hervorzuheben ist das Ergebnis der Mittelwertanalyse für die Realisierung einer hierarchisch-strukturierten Erzählung. Der z-Wert von z = 5,843 lässt mit einer hohen Signifikanz von p = 0,000 und der Effektstärke r = 0,60 auf einen starken Effekt schließen. Zusammenfassend kann für die Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls mit einer hohen Signifikanz die zunehmende Ausprägung eines hierarchisch-strukturierten Erzähltyps angenommen werden. Damit werden die Ergebnisse der quantitativen Häufigkeitsanalysen für die gesamte Stichprobe noch einmal untermauert: Ein fiktiver Erzählimpuls begünstigt tendenziell 297 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes die sprachlich-formale Markierung der Orientierung und Auflösung sowie die sprachliche Gestaltung eines hierarchisch-strukturierten Erzähltyps. Neben dem statistischen Mittelwertvergleich für die narrativ-strukturierten Gebrauchsmuster kann die Mittelwertanalyse der inhaltlichen Merkmale zur globalkohärenten Erzählgestaltung berechnet werden. Für die deskriptive Häu‐ figkeitsanalyse der inhaltlichen Merkmale werden innerhalb der Orientierung die Realisierung eines Handlungsplans bzw. einer Ausgangssituation und die Einführung der Torte berücksichtigt. Die Ergebnisse der quantitativen Häu‐ figkeitsanalyse zeigen, dass innerhalb der einzelnen Kategorien jeweils eine geringe Anzahl erfasst werden konnte. Für eine ausreichende Datengrundlage zur Mittelwertanalyse ist die Zusammenfassung der inhaltlichen Merkmale innerhalb der Orientierung sinnvoll. Da in einem Erzähltext entweder die Rea‐ lisierung eines Handlungsplans oder die Realisierung einer Ausgangssituation oder das Einführen der Torte ausgewertet wurden, können für die Mittelwert‐ analyse alle drei Kategorien gemeinsam als Realisierung einer übergeordneten Rahmensituation erfasst werden. Eine Zusammenfassung der inhaltlichen Merk‐ male ist aus gleichen Gründen ebenfalls für die inhaltlichen Merkmale der Auflösung sinnvoll. Die Bezugnahme zum Handlungsplan und die Bezugnahme zur Orientierung werden in der Mittelwertanalyse als Bezugnahme zur überge‐ ordneten Rahmensituation zusammengefasst. Trotz der Zusammenfassung der inhaltlichen Merkmale ist in jeder Erzähltextgestaltung lediglich eine Realisie‐ rung der übergeordneten Rahmensituation sowie die einmalige Bezugnahme zur übergeordneten Rahmensituation möglich. Demnach handelt es sich auch bei diesen Kategorien um eine Ordinalskala, da die beiden Möglichkeiten nicht vorhanden (0) und vorhanden (1) in eine Rangfolge gebracht werden können. Zusätzlich zu den beiden Kategorien sind in den Erzähltexten Versprachlich‐ ungen erfasst worden, die implizit visualisierte Ereignisse des narratoästheti‐ schen Erzählimpulses wiedergeben. Diese werden entsprechend der Anzahl ausgewertet, sodass sich bei dieser Kategorie mehrere gleichgewichtete Abstu‐ fungen ergeben. Diese entsprechen einem metrischen Skalenniveau, weshalb der Mittelwertvergleich durch den t-Test bestimmt werden kann. Die Ergebnisse der Mittelwertanalyse der inhaltlichen Merkmale werden in der anschließenden Tabelle durch den z-Wert bzw. t-wert, der asymptotischen Signifikanz und der Effektstärke zusammengetragen: 298 6 Empirische Analyse I NHALTLICHE M ERKMALE ZUR GLOBAL-KOHÄRENTEN E RZÄHLGESTALTUNG z-Wert asymptotische Sig. (2-seitig) Effektstärke (r) R EALISIERUNG EINER ÜBERGEORDNETEN R AHMENSITUATION (n = 95) 6,733 0,000 0,69 B EZUGNAHME ZUR ÜBERGEORDNETEN R AHMENSITUATION (n = 95) 1,896 0,058 0,19 imaginärer Erzählimpuls (t1) fiktiver Erzählimpuls (t2) t-Wert df asymptotische Sig. (2-seitig) Effektstärke (d) Mittelwert Std.-Abw. Mittelwert Std.-Abw. V ERSPRACHLICHUNG IMPLIZITER B ILDINHALTE (n = 95) 3,26 1,881 5,14 2,898 6,560 94 0,000 0,68 Tab. 46: Ergebnisse Mittelwertanalyse inhaltlicher Merkmale zur globalkohärenten Er‐ zählgestaltung Die Ergebnisse des Wilcoxon-Tests zeigen zunächst, dass die Kinder ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls eine übergeordnete Rahmensituation innerhalb der Orientierung realisieren. Der z-Wert z = 6,733 verweist mit einer Signifikanz von p = 0,000 auf einen starken Effekt (r = 0,69). Für die Bezugnahme zu der realisierten Ausgangssituation kann anhand des Mittelwertvergleichs lediglich auf einen geringen Effekt mit r = 0,19 geschlossen werden. Die Effektstärke resultiert aus einem z-Wert von z = 1,896 und ist bei einer einseitigen Signifikanz von p = 0,029 signifikant. Diese Ergebnisse der Mittelwertanalyse bestätigen die Befunde der einzelnen qualitativen Erzähltextanalysen sowie der quantitativen Häufigkeitsanalysen für die gesamte Stichprobe: Die Realisierung einer überge‐ ordneten Rahmensituation wird durch den fiktiven Erzählimpuls tendenziell begünstigt. Außerdem stellt das Aufgreifen der übergeordneten Rahmensitua‐ tion für die Kinder unabhängig von der Gestaltung des narratoästhetischen Erzählimpulses noch eine Herausforderung dar. Mit einem geringen Effekt kann darauf geschlossen werden, dass die Kinder etwas häufiger bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls Bezug zur eingangs realisierten Rahmensituation nehmen. Weiterführend kann für die Versprachlichung implizit visualisierter Ereig‐ nisse anhand des t-Werts t(94) = 6,560 eine Effektstärke von d = 0,68 ermittelt werden. Diese ist bei einem Signifikanzwert von p = 0,000 hoch signifikant und lässt darauf schließen, dass die Kinder ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls tendenziell mehr implizit visualisierte Ereignisse versprachlichen. Ausgehend von den qualitativen Ergebnissen der ausgewählten Erzähltextanalysen lässt dieses Ergebnis darauf schließen, dass mit der größeren Anzahl von Versprach‐ lichungen implizit visualisierter Ereignisse eine zunehmende globalkohärente Erzählgestaltung einhergehen könnte. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse 299 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes der Mittelwertanalyse für die inhaltlichen Merkmale somit, dass gerade der fik‐ tive Erzählimpuls die Konstruktion einer globalkohärenten Erzählung befördert. 6.3.3 Qualitative Analyse der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster Im Folgenden werden die Ergebnisse der poetisch-evozierenden Gebrauchs‐ muster angeführt. Es werden zur Analyse der poetisch-evozierenden Ge‐ brauchsmuster nicht wie bisher zunächst der Erzähltext zum ersten Erhebungs‐ zeitpunkt und anschließend die zweite Erzählung analysiert. Aufgrund des Umfangs der Analyse einer Erzählung werden die beiden Erzähltexte jeweils für die einzelnen Analysekategorien vergleichend gegenübergestellt. Strukturell erfolgt die Analyse der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster anhand der sukzessiven Integration von Satzebene über Wortgruppenebene zur Wortebene, sodass zunächst die poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Syntax, an‐ schließend die poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Morphosyntax und dann die poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Morphologie in beiden Erzähltexten eines Kindes betrachtet werden. In den Erzähltexten werden diese durch verschiedene Farben hervorgehoben: poetisch-evozierende Ge‐ brauchsmuster der Syntax (hellgrau), poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphosyntax (dunkelgrau) und poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphologie (gerahmt). Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 84 Für die Gegenüberstellung der Erzählungen von Kind 84 zeigt sich eine positive Tendenz zugunsten des fiktiven Erzählimpulses. Das Kind gebraucht in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls deutlich mehr poetisch-evozierende Ge‐ brauchsmuster als in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls (28 zu 16): 300 6 Empirische Analyse 1. Diebe auf der Feier! Die Torte ist weg! 2. Jonas hat Geburtstag. Jonas ist gerade am Herr und Frau Hund wollen all ihre Freunde 3. Geschenke auspacken. Seine Schwester freut einladen und mit ihnen feiern. Herr Hund harkt 4. sich, weil sie auch etwas bekommen hat. Seine gerade die Terrasse und Frau Hund guckt aus 5. andere Schwester hilft Jonas die Geschenke dem Fenster. Da kommen zwei Gauner aus 6. auszupacken. Seine Schwestern heißen Lea dem Wald. Es sind Eralt und Karl. Sie 7. und Lu. Da kommen zwei Kinder und nehmen schnappen sich die Torte und rennen 8. sich einfach die Geburtstagstorte vom Tisch. blitzschnell wieder in den Wald, Herr und Frau 9. „Hey, lasst das! “ Die beiden Kinder hießen Hund hinterher. Die beiden Ratten rennen so 10. Alex und Kim. Sie rannten den Weg entlang. schnell sie ihre Beine tragen, doch Frau und 11. Jonas, Lea, und Lu rannten hinterher. Und eine Herr Hund schneller. Herr Hund packt die 12. wilde Verfolgungsjagd begann. Endlich hatten beiden und hält sie fest. Die beiden Ratten 13. die drei Alex und Kim eingeholt. Alex und geben den Kuchen wieder her und sitzen jetzt 14. Kim mussten ihnen die Torte zurückgeben und im Kerker, weil sie wurden schon lange 15. die drei konnten ungestört Jonas Geburtstag gesucht. Aber dann konnte das Fest doch noch 16. feiern und hatten dabei riesen Spaß. stattfinden und alle kamen und brachten etwas 17. mit. Es wurde ein schönes Fest. Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 84-EiE) Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 84-EfE) Tab. 47: Poetisch-evozierende Gebrauchsmuster in den Erzähltexten von Kind 84 Zum ersten Erhebungszeitpunkt verfasst das Kind die Erzählung zum imagi‐ nären Erzählimpuls und greift dazu auf drei poetisch-evozierende Gebrauchs‐ muster der Syntax zurück. Zwei der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster können innerhalb der Textmusterphase der Komplikation erfasst werden. Zunächst nutzt das Kind eine wiederholende Satzkonstruktion (Subjekt + rannten), um die aufeinanderfolgenden Ereignisse der Verfolgungsjagd für die Leser: innen hervorzuheben: „Sie rannten den Weg entlang. Jonas, Lea, und Lu rannten hinterher.“ (Kind 84-EiE, Zeile 10 f.) Literarischen Charakter kann den Ereignissen der Komplikation vor allem durch den anknüpfenden Satz zugeschrieben werden: „Und eine wilde Verfolgungsjagd begann.“ (Kind 84-EiE, Zeile 11 f.) Innerhalb der Komplikation greift das Kind somit auf zwei poetisch-evozierende Gebrauchsmuster zurück, die sich zum einen in einem wiederholenden Satzbau zeigen und zum anderen durch eine Nähe zu literari‐ schen Sprachformen auszeichnen. In der Textmusterphase der Auflösung folgt ein weiteres poetisch-evozierendes Gebrauchsmuster der Syntax. Vergleichbar mit einem prototypischen Einleitungssatz schließt das Kind die Erzählung mit einer literarischen Satzkonstruktion ab: „und die drei konnten ungestört Jonas Geburtstag feiern und hatten dabei riesen Spaß.“ (vgl. ebd. Zeile 14-16). Insgesamt können in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls somit drei poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Syntax ausgemacht werden, von denen eines durch den syntaktischen Aufbau die Ereignisse der Komplikation 301 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes hervorhebt. Die anderen zwei Gebrauchsmuster verstärken in erster Linie den literarischen Kontext der Erzählung. Die fünf poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster auf Satzebene in der Er‐ zählung zum fiktiven Erzählimpuls können ebenfalls auf einen spezifischen Satzbau oder einen literarischen Sprachgebrauch zurückgeführt werden. Das erste Gebrauchsmuster kann in der Textmusterphase der Komplikation erfasst werden, wozu das Kind zunächst die einzelnen Handlungszüge der Ratten anführt und anschließend in einer Ellipse die Verfolgung der Hunde beschreibt: „Sie schnappen sich die Torte und rennen blitzschnell wieder in den Wald, Herr und Frau Hund hinterher.“ (Kind 84-EfE, Zeile 6-9) Mit der elliptischen Konstruktion, die sich durch die verbale Auslassung auszeichnet, gelingt es dem Kind, die Geschwindigkeit der Verfolgungsjagd verstärkt zum Ausdruck zu bringen. Eine vergleichbare syntaktische Konstruktion lässt sich durch die Ellipse doch Herr und Frau Hund schneller eine Zeile später ausmachen: „Die beiden Ratten rennen so schnell sie ihre Beine tragen, doch Frau und Herr Hund schneller.“ (Kind 84-EfE, Zeile 9-11) Die zweifach aufeinanderfolgende Verwendung elliptischer Einheiten ist bemerkenswert und zeigt das Potential bei der sprachlichen Gestaltung zur inhaltlichen Verstärkung der Narration. Zusätzlich greift das Kind direkt vor der zweiten Ellipse auf einen metaphori‐ schen Vergleich zurück, der die Geschwindigkeit und Anstrengung der Ratten beim Weglaufen für die Leser: innen zum Ausdruck bringt: „Die beiden Ratten rennen so schnell sie ihre Beine tragen.“ (Kind 84-EfE, Zeile 9 f.) Insgesamt können in der Komplikation somit drei poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Syntax angeführt werden, mit denen das Kind die Verfolgungsjagd in einer ausdrucksstarken und poetischen Weise für die Leser: innen narrativ beschreibt. Von poetisch-literarischem Charakter zeugen auch die Gebrauchs‐ muster innerhalb der Auflösung. Am Ende der Erzählung führt das Kind einen prototypischen Abschlusssatz an, wie er in vergleichbarer Form in zahlreichen literarischen Erzählungen aufgezeigt werden kann: „Aber dann konnte das Fest doch noch stattfinden und alle kamen und brachten etwas mit.“ (Kind 84-EfE, Zeile 15-17) Der literarische Charakter der Abschlusssituation wird direkt im Anschluss durch ein zweites Gebrauchsmuster untermauert: „Es wurde ein schönes Fest.“ (Kind 84-EfE, Zeile 17) In beiden Erzähltexten des Kindes können Gebrauchsmuster in der Komplikation sowie in der Auflösung zur Markierung eines literarischen Kontextes erfasst werden, sodass hervorzu‐ heben ist, dass das Kind in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls in jeder der Textmusterphasen ein poetisch-evozierendes Gebrauchsmuster der Syntax mehr anführt als in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls. Außerdem zeigt die qualitative Analyse, dass alle Gebrauchsmuster in dem fiktiven Erzähl- 302 6 Empirische Analyse impuls syntaktisch durch den metaphorischen Vergleich und die elliptischen Einheiten in bemerkenswerter Weise eingesetzt werden. Ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls nutzt das Kind nicht nur mehr poetisch-evozierende Gebrauchsmuster, sondern bindet diese auch in sprachlich komplexerer Form in den Handlungsstrang ein. Die poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Morphosyntax können in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls jeweils innerhalb der beiden litera‐ rischen Satzkonstruktionen erfasst werden. Zum einen nutzt das Kind innerhalb der Komplikation zur Beschreibung der Verfolgungsjagd eine ausschmückende Nominalphrase: „Und eine wilde Verfolgungsjagd begann.“ (Kind 84-EiE, Zeile 11 f.) Zum anderen kann in dem abschließenden Satz der Auflösung eine ausschmückende Nominalphrase erfasst werden, welche vor allem die positive Stimmung der Abschlusssituation für die Leser: innen verstärkt (riesen Spaß in Zeile 16). In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls sind die verwendeten poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Morphosyntax nicht nur vielzäh‐ liger, sondern kommen auch losgelöst von den literarischen Satzkonstruktionen und in allen drei Textmusterphasen vor. In der Komplikation werden die aus‐ schmückenden Präpositionalphrasen (aus dem Wald in Zeile 5 f. und in den Wald in Zeile 8) wiederholend verwendet, um die Handlungszüge der Protagonisten räumlich zu präzisieren. Besonders hervorzuheben ist innerhalb der Komplika‐ tion ein weiteres poetisch-evozierendes Gebrauchsmuster der Morphosyntax, das das Kind als verstärkende Verbalphrase zum Ausdruck der Geschwindigkeit nutzt: „Sie schnappen sich die Torte und rennen blitzschnell wieder in den Wald.“ (Kind 84-EfE, Zeile 6-8) Aber auch in der Orientierung sowie Auflösung führen ausschmückende Nominalphrasen (all ihre Freunde in Zeile 2 und ein schönes Fest in Zeile 17) dazu, dass die Ereignisse der Narration für die Leser: innen verstärkt herausgestellt werden. Es kann in dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls somit eine Vielzahl an Gebrauchsmustern erfasst werden, die in allen drei Textmusterphasen durch erweiterte und ausschmückende Phrasen narrative Imaginationsprozesse der Leser: innen begünstigt. Gleichzeitig zeugen diese davon, dass das Kind angestoßen durch den Erzählimpuls selbst mit narrativen Imaginationen agiert und diese durch die Verwendung poetisch-evozierender Gebrauchsmuster versprachlicht. Des Weiteren lassen sich in dem Erzähltext zwei poetisch-evozierende Ge‐ brauchsmuster der Morphosyntax erfassen, die den kohäsiven Zusammenhang der einzelnen Ereignisse verstärken (schon lange in Zeile 14 und doch noch in Zeile 15) und somit narrativ-strukturierender Funktion sind. Diese folgen direkt aufeinander und verknüpfen die Textmusterphase der Komplikation mit der Auslösung: „Die beiden Ratten geben den Kuchen wieder her und sitzen jetzt im 303 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes Kerker, weil sie wurden schon lange gesucht. Aber dann konnte das Fest doch noch stattfinden und alle kamen und brachten etwas mit.“ (Kind 84-EfE, Zeile 12- 17) Die Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls zeichnet sich somit durch deutlich mehr poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphosyntax aus. Diese verstärken innerhalb der gesamten Erzählung zum einen strukturell die Ereignisse der Narration. Zum anderen werden durch ausschmückende Phrasen kindliche Imaginationsprozesse deutlich und leserseitige Imaginationsprozesse zur Konstruktion der Narration eröffnet. Abschließend kann die Verwendung poetisch-evozierender Gebrauchs‐ muster der Morphologie genauer betrachtet werden, für welche ebenfalls mehr Gebrauchsmuster in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls erfasst werden können (16 zu 12). Die Variation an verschiedenen Formen poetisch-evozier‐ ender Gebrauchsmuster der Morphologie ist in beiden Erzähltexten sehr hoch. Dem Kind gelingt es, unabhängig vom Erzählimpuls verschiedene morphologi‐ sche Gebrauchsmuster zur Verstärkung der Narration zu verwenden. In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls gebraucht das Kind sowohl expressive bzw. evaluierende Verben (freuen in Zeile 3 rennen in Zeile 10 und 11, einholen in Zeile 13) wie auch expressive bzw. evaluierende Adjek‐ tive (wilde in Zeile 12, ungestört in Zeile 15 riesen in Zeile 17). Durch die Beschreibung der Torte als Geburtstagstorte und der expliziten Bezeichnung der Verfolgungsjagd können außerdem zwei ausschmückende Substantive erfasst werden. Diese morphologischen Gebrauchsmuster führen dazu, dass gerade in der Komplikation sowie der Auflösung ein literarischer Kontext markiert wird. Innerhalb der Orientierung wird ausschließlich das evaluierende Verb freuen verwendet. Fast die gesamte Textmusterphase der Orientierung gestaltet das Kind ohne Rückgriff auf poetisch-evozierende Gebrauchsmuster. Damit einher geht, dass gerade die anfängliche Erzählgestaltung vielmehr dem Bericht einer Geburtstagssituation in der kindlichen Lebenswelt entspricht (vgl. Kapitel 6.3.1). Hervorzuheben ist innerhalb der Orientierung die Namensbezeichnung der beiden Figuren, für die das Kind mit den gleichen Anfangsbuchstaben auf eine Alliteration zurückgreift: „Seine Schwestern heißen Lea und Lu.“ (Kind 84-EiE, Zeile 6 f.) Die Alliteration kann als literarische Stilform interpretiert werden und zeugt davon, dass das Kind die Mädchen als literarische Figuren charakterisiert. Außerdem kann mit Einführung der Schwestern zunehmend ein literarisch verstärkender Sprachgebrauch verzeichnet werden, der sich in der ansteigenden Verwendung der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster zeigt. Strukturell geht damit auch der Beginn der Komplikation einher, der durch die Verwendung eines Adverbs markiert wird: „Da kommen zwei Kinder und nehmen sich einfach die Geburtstagstorte vom Tisch.“ (Kind 84-EiE, Zeile 304 6 Empirische Analyse 6 f.) Somit scheinen die Charakterisierung der Figuren und der Beginn der Komplikation zu einem stärkeren Ausdruck der Narration zu führen. Die Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls beginnt das Kind direkt mit der li‐ terarischen Namensbezeichnung der beiden handelnden Figuren und beschreibt in Verbindung mit einer poetisch-evozierenden Phrase die Handlungsabsicht der Figuren: „Herr und Frau Hund wollen all ihre Freunde einladen und mit ihnen feiern.“ (Kind 84-EfE, Zeile 2 f.) Die literarische Namensbezeichnung der Figuren als poetisch-evozierendes Gebrauchsmuster der Morphologie wird in der gesamten Erzählgestaltung weitergeführt (vgl. Zeile 2, 3, 4, 8 f., 10 f., 11 und 11). Darüber hinaus zeichnet sich der Erzähltext durch weitere poe‐ tisch-evozierende Gebrauchsmuster aus. Insgesamt können vier expressive bzw. evaluierende Verben (schnappen in Zeile 7, rennen in Zeile 7 und 9, packen in Zeile 11), fünf expressive bzw. evaluierende Adjektive (blitzschnell in Zeile 8, schnell in Zeile 10 und 11, lange in Zeile 14, schön in Zeile 17) sowie zwei expressive bzw. evaluierende Substantive (Gauner in Zeile 5, Kerker in Zeile 14) erfasst werden. Besonders hervorzuheben ist die Bezeichnung der Ratten als Gauner, mit welcher eine polemische Charakterisierung der Figuren erfolgt und die unerwartete Komplikation verstärkt wird: „Da kommen zwei Gauner aus dem Wald.“ (Kind 84-EfE, Zeile 5 f.) Bemerkenswert ist außerdem die Variation bei dem Adjektiv schneller. Zum einen wird mit der Verwendung von blitzschnell der plötzliche Klau der Torte noch deutlicher hervorgehoben und zum anderen wird die Geschwindigkeit während der Verfolgungsjagd durch die aufeinanderfolgende Steigerung des Adjektivs schnell - schneller gezielt verstärkt. Zusammenführend zeigt die Analyse der Verwendung poetisch-evozierender Gebrauchsmuster der Morphologie, dass das Kind ausgelöst durch den fiktiven Erzählimpuls wie bereits auf morphosyntaktischer bzw. syntaktischer Ebene auf verschiedene Gebrauchsmuster zurückgreift, um gerade den Klau der Torte, die Verfolgungsjagd und den Kampf um die Torte narrativ verstärkend zu versprachlichen. Dies zeugt zum einen von narrativen Imaginationen des Kindes während der Verarbeitung des narratoästhetischen Erzählimpulses, die literarische Vorerfahrungen zum Ausdruck bringen. Zum anderen werden mit den poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern narrative Imaginationsprozesse für die Leser: innen eröffnet. Zusammenfassend zeugen beide Erzähltexte von einer Variation an poe‐ tisch-evozierenden Gebrauchsmustern, wobei diese in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls durch eine häufigere und syntaktisch komplexere Ver‐ wendung auszumachen sind. In diesem Zusammenhang können vor allem die metaphorischen Vergleiche und elliptischen Einheiten als poetisch-evozierende 305 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes Gebrauchsmuster der Syntax herausgestellt werden. Außerdem kann die Einbet‐ tung der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster innerhalb des gesamten Text‐ musters für die Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls hervorgehoben werden. In der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls zeugt gerade die Text‐ musterphase der Orientierung von einem geringeren poetisch-evozierenden Charakter. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 78 Auch in der Gegenüberstellung der Erzählungen von Kind 78 kann in Bezug auf die Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern bereits ein starker Unterschied herausgestellt werden. Das Kind gebraucht in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls insgesamt 23 Gebrauchsmuster und damit mehr als doppelt so viele wie in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls (9). Am deutlichsten wird der Unterschied auf syntaktischer und morphosyntaktischer Ebene, da das Kind ausgehend vom fiktiven Erzählimpuls auf viermal so viele Gebrauchsmuster zur poetisch-evozierenden Gestaltung zurückgreift: 1. Es war ein schöner Tag. Zwei Mädchen und ein Es war ein schöner Sommermorgen. Die 2. Junge haben Geschenke bekommen. Plötzlich Sonne schien auf ein Haus, wo zwei Hunde 3. wurde der Kuchen gestohlen. Zwei Kinder wohnten. Das Haus stand an einer Lichtung nah 4. rannten den Weg entlang. Sie hatten den am Wald. Der Vater Hund harkte draußen im 5. Kuchen in der Hand. Die drei Kinder rannten Beet. Da! sah die Hundemutter zwei Ratten, 6. hinterher. Endlich haben die drei Kinder die die den Kuchen klauen wollten. Schnell 7. zwei Kinder eingeholt. Zu Hause haben sich rannten beide Hunde hinter den Ratten her. Die 8. die drei Kinder gefreut und haben den Kuchen Ratten liefen und liefen immer schneller. Doch 9. aufgegessen. sie waren sehr erschöpft. Endlich hatte der 10. Hundevater die beiden Ratten. Dann holten die 11. beiden Hunde ihre Freunde zusammen und sie 12. feierten ein großes Fest. Die beiden Ratten 13. haben sie an einen Baum festgebunden. Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 78-EiE) Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 78-EfE) Tab. 48: Poetisch-evozierende Gebrauchsmuster in den Erzähltexten von Kind 78 Eine vergleichende Analyse der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Syntax zeigt, dass das Kind in beiden Erzähltexten auf eine ähnliche literarisch geprägte Satzkonstruktion zur Einleitung der Erzählungen zurückgreift. In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls beginnt das Kind die Erzählung ange‐ lehnt an die prototypische Phrase es war einmal mit dem einleitenden Satz: „Es war ein schöner Tag.“ (Kind 78-EiE, Zeile 1) Diese Konstruktion verwendet das Kind ebenfalls in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls, wobei hier der Kern der Nominalphrase ein schöner Tag durch ein ausdrucksstärkeres Substantiv 306 6 Empirische Analyse ersetzt wird: „Es war ein schöner Sommermorgen.“ (Kind 78-EfE, Zeile 1) Damit kann zwar in beiden Erzähltexten eine vergleichbare literarische Satzkonstruk‐ tion erfasst werden. Aber gerade in dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls erzeugt das Kind mit dem ausdrucksstarken Substantiv Sommermorgen eine Vor‐ stellung, die in besonderem Maß an narrative Kontexte erinnert und leserseitige Imaginationsprozesse anstößt. Als Anstoß leserseitiger Imaginationsprozesse kann ebenfalls die direkt im Anschluss folgende Satzkonstruktion interpretiert werden: „Die Sonne schien auf ein Haus, wo zwei Hunde wohnten.“ (Kind 78-EfE, Zeile 1-3) Durch die beiden aufeinanderfolgenden Gebrauchsmuster gelingt es dem Kind, den Zustand und die Stimmung zu Beginn der Erzählung literarisch zu beschreiben. Die literarische Beschreibung der Ausgangssituation bietet den Leser: innen die Möglichkeit, durch narrative Imaginationsprozesse eigene Vorstellungen der fiktiven Erzählwelt zu konstruieren. Neben den verstärkenden Gebrauchsmustern zur Vorstellungsbildung der fiktiven Erzählwelt in der Textmusterphase der Orientierung kann innerhalb der Komplikation ein weiteres Gebrauchsmuster der Syntax ausgemacht werden. Dieses fällt vor allem aufgrund der syntaktischen Konstruktion auf. Dem Kind gelingt es, mit der wiederholenden Aneinanderreihung des Verbs laufen und der anschließenden Wortgruppe immer schneller die Dauer und Geschwindigkeit während der Verfolgungsjagd zum Ausdruck zu bringen: „Die Ratten liefen und liefen immer schneller.“ (Kind 78-EfE, Zeile 7 f.) In der Textmusterphase der Komplikation greift das Kind somit auf eine spezifische Satzkonstruktion zurück, um die Ereignisse zusätzlich literarisch zu verstärken. Zum Ende der Erzählung kann ein weiteres poetisch-evozierendes Gebrauchsmuster auf Satzebene erschlossen werden, welches vergleichbar zur Ausgangssituation die Auflösung der Erzählung durch einen literarischen Sprachgebrauch markiert: „Dann holten die beiden Hunde ihre Freunde zusammen und sie feierten ein großes Fest.“ (Kind 78-EfE, Zeile 10-12) Besonders hervorzuheben ist das Ereignis zu Beginn des Satzes (die Hunde holen ihre Freunde zusammen), welches innerhalb der visualisierten Narration im narratoästhetischen Erzählimpuls nicht abgebildet wird. Zum Abschluss der Erzählung werden die Hunde mit weiteren Tieren gemeinsam auf einer Wiese abgebildet. Ausgelöst durch diese visuelle Sequenz konstruiert das Kind eine eigene Vorstellung über die narrativen Zusammenhänge und bringt diese in der eigenen Erzählproduktion zum Ausdruck (vgl. Kapitel 6.3.1). Die Nähe zu prototypischen Abschlusssätzen in Verbindung mit dem präteritalen Tempusgebrauch lässt darauf schließen, dass das Kind mental in einer fiktiven Erzählwelt agiert und für die sprachliche Gestaltung auf das literarische Vorwissen zurückgreift. 307 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes In Bezug auf die poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Morphosyntax greift das Kind in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls, wie bereits angeführt, in Verbindung mit dem einleitenden Satz auf die Nominalphrase ein schöner Tag zurück. Zusätzlich kann eine weitere Präpositionalphrase erfasst werden, die zu einer näheren Angabe der räumlichen Verortung des Kuchens führt: „Sie hatten den Kuchen in der Hand.“ (Kind 78-EiE, Zeile 4 f.) Die Formu‐ lierung erweckt den Anschein, dass das Kind die visualisierte Situation des Er‐ zählimpulses mittels der Präpositionalphrase genauer beschreiben möchte. Der Gebrauch der vermeintlich poetisch-evozierenden Sprachform nimmt damit eine stärker bildbeschreibende Funktion ein. Im Gegensatz dazu zeugen die ver‐ wendeten Präpositionalphrasen in dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls davon, dass das Kind den Anstoß narrativer Imaginationsprozesse unterstützen möchte: „Das Haus stand an einer Lichtung nah am Wald.“ (Kind 78-EfE, Zeile 3 f.) Mit der näheren Beschreibung, wo genau das Haus der Hunde steht, kommen die kindlichen Vorstellungen zur fiktiven Erzählwelt zum Ausdruck und ermöglichen gleichzeitig leserseitige Imaginationsprozesse. Es können in vergleichbarer Funktion noch drei weitere Präpositionalphrasen erfasst werden, die im Kontext der gesamten Erzählung die mentale Konstruktion der fiktiven Erzählwelt unterstützen (im Beet in Zeile 4 f., hinter den Ratten in Zeile 7, an einem Baum in Zeile 13). Darüber hinaus können zwei ausschmückende Nominalphrasen sowie Adjektivphrasen erfasst werden. Die Nominalphrasen kommen beide in Verbindung mit den prototypischen literarischen Satzkonst‐ ruktionen in der Orientierung sowie Auflösung der Erzählung vor. Zum einen zählt dazu die ausdrucksstarke Phrase ein schöner Sommermorgen, die bereits im Zuge des syntaktischen Gebrauchsmusters hervorgehoben wurde. Zum anderen die erweiterte Nominalphrase ein großes Fest am Ende der Erzählung, mit welcher die Bedeutung des Abschlussfestes noch einmal explizit hervorge‐ hoben wird. Die erweiterten Adjektivphrasen nutzt das Kind innerhalb der Komplikation und beschreibt inhaltlich den Zustand der Ratten während der Verfolgungsjagd: „Die Ratten liefen und liefen immer schneller. Doch sie waren sehr erschöpft.“ (Kind 78-EfE, Zeile 7-9) Somit gelingt es dem Kind, zum Ende der Komplikation mit der Adjektivphrase immer schneller die zunehmende Geschwindigkeit der Ratten zum Ausdruck zu bringen und eine Zuspitzung der Ereignisse darzustellen. Durch die anschließende Adjektivphrase sehr erschöpft können inhaltlich die Überwältigung der Ratten und strukturell der Übergang in die Auflösung erklärt werden. Zusammenfassend nutzt das Kind ausgelöst durch den fiktiven Erzählimpuls nicht nur eine Vielzahl an poetisch-evozier‐ enden Gebrauchsmustern der Morphosyntax, sondern nutzt diese zudem in verschiedenen Funktionen zur Verstärkung struktureller, inhaltlicher und lite‐ 308 6 Empirische Analyse rarischer Aspekte. In einem Vergleich der beiden Erzähltexte sticht vor allem der unterschiedliche Gebrauch an Präpositionalphrasen heraus. Während diese aus‐ gehend vom imaginären Erzählimpuls eher auf eine bildbeschreibende Funktion schließen lassen, werden Präpositionalphrasen in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls zur Verstärkung narrativer Imaginationsprozesse herangezogen. Abschließend kann die Verwendung poetisch-evozierender Gebrauchs‐ muster auf der morphologischen Ebene analysiert werden. In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls können überwiegend evaluierende und expressive Verben erfasst werden (stehlen in Zeile 3, rennen in Zeile 4 und 5, einholen in Zeile 7 und freuen in Zeile 8). Des Weiteren kann ein evaluierendes Adjektiv in Verbindung mit der syntaktischen Konstruktion es war einmal ein schöner Tag angeführt werden. In dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls können über die gesamte Erzählung deutlich mehr poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphologie erfasst werden. Dabei handelt es sich sowohl um evaluierende und expressive Verben (klauen in Zeile 6, rennen in Zeile 7, laufen in Zeile 8) als auch um evaluierende und expressive Adjektive (schön in Zeile 1, schnell in Zeile 6 und 8, erschöpft in Zeile 9, groß in Zeile 12) und literarisch geprägte Namensbezeichnungen (Vater Hund in Zeile 4, Hundemutter in Zeile 5, Hunde‐ vater in Zeile 10) sowie ein evaluierendes Substantiv (Sommermorgen in Zeile 1). Das Kind greift bei der Erzähltextgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls somit auf deutlich mehr Gebrauchsmuster zurück und variiert diese in der Wortart deutlich stärker. Hervorzuheben ist auch der Vergleich der gewählten Verben eines Wortfeldes in den beiden Erzähltexten: Das Kind nutzt in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls zur Versprachlichung der einzelnen Handlungen in‐ nerhalb der Komplikation ausdrucksstärkere Verben und ergänzt diese darüber hinaus durch evaluierende Adjektive. Das Klauen der Torte drückt das Kind ausgehend vom imaginären Erzählimpuls durch das Verb stehlen aus, wobei in der fiktiven Erzählgestaltung das Verb klauen angeführt wird. Außerdem wird die Verfolgungsjagd in dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls durch das Verb rennen und die wiederholte Anführung des Verbs laufen ausgedrückt. In beiden Zusammenhängen nutzt das Kind zusätzlich das Adjektiv schneller. Bei der Erzähltextgestaltung zum imaginären Erzählimpuls verwendet das Kind zum Ausdruck der Verfolgungsjagd ausschließlich das Verb rennen. Ausgehend vom fiktiven Erzählimpuls verwendet das Kind die verschiedenen Verben somit ausdrucksstärker (klauen), variierend (laufen, rennen) und ergänzt durch Adjektive (schnell). Zusammenfassend wird bei der vergleichenden Analyse der Erzähltexte deutlich, dass in dem Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls ein poetisch-evo‐ zierender Sprachgebrauch in erster Linie in Verbindung mit dem prototypischen 309 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes Satzanfang es war einmal einhergeht. Dies lässt darauf schließen, dass dem Kind dieser prototypische Einleitungssatz bereits häufig begegnet ist und daher bei der Erzählkonstruktion eher automatisiert verwendet wurde. Im Gegen‐ satz dazu kann in dem Erzähltext ausgehend vom fiktiven Erzählimpuls eine Vielzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern erfasst werden, die auf narrative Imaginationsprozesse und ein Sprachhandeln in fiktiven Erzählwelten schließen lassen. Auffällig ist außerdem, dass gerade der wiederholend verwen‐ dete Einleitungssatz in Verbindung mit es war einmal in dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls durch das ausdrucksstarke Substantiv Sommermorgen ergänzt wird. In Bezug auf die Verortung im narrativen Textmuster können poetisch-evozierende Gebrauchsmuster über die gesamte Erzählung hinweg in allen drei Textmusterphasen erschlossen werden. Dem Kind gelingt es somit, ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls während der gesamten Erzählung den literarischen Charakter verstärkt zum Ausdruck zu bringen. Qualitative Analyse der Erzähltexte von Kind 11 Bei der vergleichenden Analyse der Erzähltexte von Kind 11 ist der Unterschied in der Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern etwas geringer. Das Kind verfasst zum ersten Erhebungszeitpunkt die Erzählung zum imaginären Erzählimpuls und nutzt insgesamt weniger poetisch-evozierende Gebrauchs‐ muster als in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls (13 zu 17). Der Unter‐ schied in dem poetisch-evozierenden Sprachgebrauch zugunsten des fiktiven Erzählimpulses zeichnet sich auf allen linguistischen Ebenen ab: 1. Diebe auf der Feier! Die zwei Raten Pik und Pit. 2. Es war ein sonniger Tag. James hat Geburtstag Es war ein schöner Sommermorgen. Die 3. und hat zwei Kinder eingeladen. Sie heißen Familie Kreker räumt auf, denn heute ist eine 4. Sarah und Sofi. Sarah hat braune Haare und Geburtstagsfeier. Auf einmal kamen Pik und 5. trägt eine blaue Hose und ein rosa T-Shirt. Sofi Pit und stahlen den Kuchen. Die beiden Ratten 6. hat blonde Haare und ein lila Kleid. James liefen mit dem Kuchen in den Wald. Die 7. wartete schon auf sie. Er musste eine Stunde beiden Hunde Anika und Manuel liefen 8. warten. In der Zeit backte er den Kuchen. hinterher. Nach fünf Minuten waren sie neben 9. Endlich sind sie da. Sie packten gerade die den beiden Ratten und Manuel der Hund 10. Geschenke aus, da kommen die Nachbarn und schmiss sich auf die beiden Ratten. Jetzt feiern 11. klauten den Kuchen. Die Nachbarn laufen so sie ein Fest und alle kriegen einen Kuchen. 12. schnell, dass James nicht hinterher kam. Doch 13. jetzt haben sie die Räuber und bringen den 14. Kuchen zum Platz und essen den Kuchen auf. 15. Ende. Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls / erster Erhebungszeitpunkt (Kind 11-EiE) Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls / zweiter Erhebungszeitpunkt (Kind 11-EfE) Tab. 49: Poetisch-evozierende Gebrauchsmuster in den Erzähltexten von Kind 11 310 6 Empirische Analyse Auf syntaktischer Ebene kann in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls direkt zu Beginn in Verbindung mit der prototypischen Phrase es war einmal ein poetisch-evozierendes Gebrauchsmuster ausgemacht werden. In diesem Zusammenhang führt das Kind einen zeitlichen Verweis an: „Es war ein schöner Tag.“ (Kind 11-EiE, Zeile 2) Diese literarisch geprägte Satzkonstruktion zeugt davon, dass dem Kind bereits die Verwendung einleitender Sätze aus literari‐ schen Kontexten bekannt ist. Diese nutzt das Kind für die eigene Erzählgestal‐ tung und markiert damit für die Leser: innen einen literarischen Kontext. Eine weitere Satzkonstruktion mit poetisch-evozierendem Charakter kann zum Ende der Komplikation aufgrund der syntaktischen Komplexität erfasst werden: „Die Nachbarn laufen so schnell, dass James nicht hinterher kam.“ (Kind 11-EiE, Zeile 11 f.) Das Kind stellt mit der syntaktisch komplexen Nebensatzkonstruktion die Geschwindigkeit während der Verfolgungsjagd besonders heraus. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls nutzt das Kind ebenfalls lite‐ rarisch geprägte und komplexe Satzkonstruktionen, die auf einen poetischevozierenden Sprachgebrauch schließen lassen. Als literarisch geprägte Satz‐ konstruktion kann zunächst der einleitende Satz in Verbindung mit der Phrase es war einmal ausgemacht werden. An diese knüpft ein zeitlicher Verweis an, der im Vergleich zur Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls durch den Kern der Phrase Sommermorgen literarisch verstärkt herausgestellt wird: „Es war ein schöner Sommermorgen.“ (Kind 11-EfE, Zeile 2) Die Gegenüberstellung der beiden einleitenden Sätze verdeutlichen, dass das Kind ausgelöst durch den fiktiven Erzählimpuls zu einem ausdrucksstärkeren Sprachgebrauch neigt. Von einem ausdrucksstarken Sprachgebrauch in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls zeugt auch das Gebrauchsmuster in der Textmusterphase der Auflösung, welches den positiven Ausgang der Erzählung literarisch verstärkt: „Jetzt feiern sie ein Fest und alle kriegen einen Kuchen.“ (vgl. Kind 11-EfE, Zeile 10 f.) Somit gelingt es dem Kind mittels zweier poetisch-evozierender Ge‐ brauchsmuster in der Orientierung und Auflösung, die Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls zu rahmen und in einem literarischen Kontext zu markieren. In der Textmusterphase der Komplikation kann ein weiteres Gebrauchsmuster auf Satzebene erschlossen werden, das sich durch den komplexen Aufbau auszeichnet. Das Kind nutzt eine wiederholende Satzstruktur, durch welche die inhaltliche Verfolgungsjagd syntaktisch gestützt wird: „Die beiden Ratten liefen mit dem Kuchen in den Wald. Die beiden Hunde Anika und Manuel liefen hinterher.“ (Kind 11-EiE, Zeile 5-8) Zusammenführend können auf syntaktischer Ebene in den beiden Erzähl‐ texten zu vergleichbaren inhaltlichen Zusammenhängen poetisch-evozierende Satzkonstruktionen erschlossen werden, wobei diese angeregt durch den fik‐ 311 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes tiven Erzählimpuls in allen drei Textmusterphasen auszumachen sind und von einem ausdrucksstärkeren Sprachgebrauch zeugen. Die Anzahl poetisch-evozierender Gebrauchsmuster der Morphosyntax un‐ terscheidet sich zwischen den beiden Erzähltexten geringfügig. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls nutzt das Kind eine Phrase mit poetisch-evozie‐ rendem Charakter mehr als in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls. In beiden Erzähltexten kann innerhalb der einleitenden Satzkonstruktion der zeit‐ liche Verweis als poetisch-evozierendes Gebrauchsmuster interpretiert werden. Die Nominalphrase ein sonniger Tag in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls und die Phrase ein schöner Sommermorgen bei der Erzählung ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls fungieren in beiden Zusammenhängen als ein Ausdruck narrativer Imaginationen, wobei der Kern der Phrase Sommermorgen in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls ausdrucksstärker wahrgenommen werden kann. Die weiteren poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Mor‐ phosyntax entsprechen in beiden Erzähltexten Präpositionalbzw. Adverbial‐ phrasen. In der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls können insgesamt zwei Gebrauchsmuster erfasst werden, die beide in erster Linie zur kohäsiven Verknüpfung der Ereignisse innerhalb der Komplikation dienen (in der Zeit in Zeile 8 und zum Platz in Zeile 14). In diesem Zusammenhang nimmt die Phrase in der Zeit eine spezielle Rolle bei der Erzähltextgestaltung ein: Zuvor entspricht der Text inhaltlich vielmehr einer Bildbeschreibung, in der das genaue Aussehen der Figuren wiedergegeben wird. Anschließend führt das Kind Ereignisse an, die vor der visualisierten Narration geschehen sind. In diesem Zusammenhang wird auch die Entstehung der Torte beschrieben. Erst mit Beginn der Adverbialphrase in der Zeit eröffnet das Kind die Versprachlichung der visualisierten Narration, womit auch der narrative Charakter des Textes und die Anzahl an poetischevozierenden Gebrauchsmustern zunimmt. Die Phrase zum Platz verwendet das Kind zum Abschluss der Erzählung: „und bringen den Kuchen zum Platz und essen den Kuchen auf.“ (Kind 11-EiE, Zeile 13 f.) In diesem Zusammenhang fungiert die poetisch-evozierende Phrase bildbeschreibend, indem die auf dem Tisch stehende Torte in der visuellen Narration versprachlicht wird. In der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls werden neben der Phrase im einleitenden Satz drei weitere poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphosyntax innerhalb der Komplikation verwendet. Diese fungieren als räumliche und zeitliche Kontextualisierung der Ereignisse. Zunächst werden zwei Phrasen direkt aufeinanderfolgend genutzt, um das Verschwinden der Ratten mit der Torte zu konkretisieren: „Die beiden Ratten liefen mit dem Kuchen in den Wald.“ (Kind 11-EfE, Zeile 5 f.) In diesem Zusammenhang orientiert sich das Kind stärker an der visuellen Narration des Erzählimpulses, auf der die 312 6 Empirische Analyse beiden Ratten mit der Torte in der Hand neben einem Baum abgebildet werden. Erst die zeitliche Kontextualisierung durch die Phrase nach fünf Minuten kann als zusätzliche Ergänzung zur detaillierteren Darstellung der Verfolgungsjagd interpretiert werden: „Nach fünf Minuten waren sie neben den beiden Ratten.“ (Kind 11-EfE, Zeile 8 f.) Mit der poetisch-evozierenden Phrase gelingt es dem Kind, die inhaltlichen Zusammenhänge auszuschmücken. Als ein Ausdruck narrativer Imaginationen zeugt die poetisch-evozierende Phrase davon, dass das Kind während der Verarbeitung der visuellen Narration stärker an der Konstruktion einer fiktiven Erzählwelt orientiert ist. Im Gegensatz dazu über‐ wiegt bei der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls die Verwendung poetisch-evozierender Gebrauchsmuster der Morphosyntax zur detaillierteren Darstellung der räumlichen Zusammenhänge der visuellen Narration. Abschließend können die poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Mor‐ phologie in den beiden Erzähltexten des Kindes betrachtet werden. In dem imaginären Erzählimpuls verwendet das Kind gerade zum Ende der Erzählung häufiger evaluierende und expressive Verben (klauen und laufen in Zeile 10), Adjektive (sonniger in Zeile 2, schnell in Zeile 12) sowie auch Substantive (Räuber in Zeile 13). Bei der Analyse der narrativ-strukturierenden Gebrauchs‐ muster konnte die Erzählgestaltung zu Beginn primär auf die Beschreibung der visuellen Narration zurückgeführt werden. Es zeigt sich demnach, dass im Zusammenhang mit dem nachlassenden bildbeschreibenden Erzählstil auch ein poetisch-evozierender Sprachgebrauch verstärkt zum Ausdruck kommt. Es können außerdem drei Adverbien zum stärkeren Ausdruck struktureller Zusammenhänge ausgemacht werden (schon in Zeile 7, endlich und gerade in Zeile 9). Besonders hervorzuheben ist die Verwendung des Adverbs gerade in Verbindung mit der Komplikation: „Sie packten gerade die Geschenke aus, da kommen die Nachbarn und klauten den Kuchen.“ (Kind 11-EiE, Zeile 9-11) Dem Kind gelingt es, das Unerwartete der Komplikation mit dem kontrastierend gegenübergestellten Adverb gerade stärker herauszustellen. In vergleichbarer Funktion werden die Adverbien schon und endlich eingesetzt. Zusammenfassend zeigen die Befunde, dass der Gebrauch poetisch-evozierender Gebrauchsmuster der Morphologie in der Erzählung des imaginären Erzählimpulses mit dem Aus‐ bleiben einer bildbeschreibenden Erzählgestaltung einhergeht und die narrative Struktur der Erzählung verstärkt. Im Gegensatz dazu können die Gebrauchs‐ muster in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls über die gesamte Erzählung ausgemacht werden und überzeugen durch eine literarische Ausdrucksstärke. Das Kind nutzt zum einen evaluierende und expressive Verben (stehlen in Zeile 5, laufen in Zeile 6, 7, schmeißen in Zeile 10), Adjektive (schöner in Zeile 2) sowie auch Substantive (Sommermorgen in Zeile 2, Geburtstagsfeier in Zeile 4). Diese 313 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes werden in der Orientierung und Komplikation verwendet und geben die Mög‐ lichkeit für eine detaillierte und ausgeschmückte Repräsentation der Narration. Besonders hervorzuheben sind die literarischen Namensbezeichnungen für die handelnden Protagonisten, die von einer sprachlichen Raffinesse zeugen: Zum einen führt das Kind in der Überschrift für die beiden Namen der Ratten eine Alliteration an: Pik und Pit. Zum anderen wird bei der Bezeichnung der Hunde‐ familie auf eine umgekehrte Buchstabenfolge re und er zurückgegriffen: Familie Kreker. Damit können in der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls mehr poetisch-evozierende Gebrauchsmuster als in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls erfasst werden, die über die gesamte Erzählgestaltung hinweg einen poetisch-evozierenden Sprachgebrauch ausdrücken. Zusammenfassend zeugen beide Erzählungen des Kindes von einem Rück‐ griff auf poetisch-evozierende Gebrauchsmuster, um einen literarischen Kon‐ text zu markieren. Bei der Analyse der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls wird die Relevanz der Konstruktion einer Erzählung losgelöst von der visuellen Narration deutlich: Erst mit dem Ausbleiben einer bildbeschreibenden Erzähl‐ gestaltung nimmt ein poetisch-evozierender Sprachgebrauch zu. Damit erklärt sich der durchgehende Rückgriff auf poetisch-evozierende Gebrauchsmuster bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls, die bereits von Beginn an auf eine Erzählkonstruktion angestoßen durch die visuelle Narration schließen lassen. Zusammenfassung der qualitativen Ergebnisse Die qualitativen Analysen der ausgewählten Erzähltexte liefern aufschluss‐ reiche Ergebnisse für die Verwendung poetisch-evozierender Gebrauchsmuster in den Erzähltexten zu verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen. So konnte für alle Gegenüberstellungen festgestellt werden, dass die Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls größer als in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls ist. Her‐ vorzuheben ist außerdem, dass alle Kinder unabhängig vom Erzählimpuls Ge‐ brauchsmuster auf syntaktischer, morphosyntaktischer und morphologischer Ebene verwenden. Poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Syntax werden in erster Linie als prototypische Phrasen zur Markierung der Orientierung und/ oder Auflösung gebraucht (z. B. es war einmal ein schöner Sommermorgen in der Orientierung oder und nun feierten sie ein großes Fest in der Auflösung). Alle Kinder greifen auf mindestens eine dieser poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster in der Erzähltextgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls zurück. Auch ausgehend vom imaginären Erzählimpuls gelingt es allen drei Kindern, syntaktische Konstruk‐ 314 6 Empirische Analyse tionen anzuführen, die prototypischerweise die Orientierung oder Auflösung markieren. Außerdem zeugen einige poetisch-evozierende Gebrauchsmuster in den Erzähltexten unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls von syntaktischer Komplexität (vgl. Kind 11, Kind 84, Kind 78). Besonders hervor‐ zuheben sind an dieser Stelle die elliptischen Einheiten und metaphorischen Vergleiche in dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls von Kind 84. In Bezug auf die poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Morphosyntax kann ein Unterschied bezüglich der funktionalen Verwendung der Phrasen festgestellt werden. In allen Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls überwiegt die Verwendung poetisch-evozierender Gebrauchsmuster der Morphosyntax als ausschmückende Phrasen, die im Sinne narrativer Imaginationen die kind‐ lichen Vorstellungen zur visuellen Narration widerspiegeln und gleichzeitig detailreiche Anstoßpunkte zur Rekonstruktion der fiktiven Erzählwelt für die Leser: innen bieten. Im Gegensatz dazu überwiegt in den ausgewählten Erzählungen zum imaginären Erzählimpuls eine Verwendung der morphosyn‐ taktischen Gebrauchsmuster zur narrativen Strukturierung oder Beschreibung der visuellen Narration (vgl. Kind 78). Für die poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Morphologie zeigt sich zunächst ein qualitativer Unterschied in der Variation der Wortformen (Verben, Adjektive, Substantive, Namensbezeichnungen, Adverbien), die als poetisch-evozierende Gebrauchsmuster verwendet werden. In zwei Erzähl‐ texten zum imaginären Erzählimpuls greifen die Kinder primär auf expressive und evaluierende Verben zurück (vgl. Kind 78, Kind 11). In den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls können verschiedene Wortarten mit poetisch-evozie‐ rendem Charakter erfasst werden. Zudem könnten literarische Namensbezeich‐ nungen ein spezifisches Gebrauchsmuster der fiktiven Erzähltexte darstellen. Diese kommen in zwei Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls vor (vgl. Kind 84, Kind 11). Kind 84 gelingt es ebenfalls, bei der Erzähltextgestaltung zum ima‐ ginären Erzählimpuls die Figuren durch eine spezifische Namensbezeichnung literarisch zu charakterisieren. In dem Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls von Kind 84 nimmt die literarische Namensbezeichnung eine besondere Funk‐ tion ein, da beginnend mit dieser der bildbeschreibende Sprachstil nachlässt und die Erzählung zunehmend narrativen Charakter bekommt. Neben der Variation an Wortarten zeichnet sich der Unterschied zwischen den ausgewählten Erzähltexten zu verschiedenen Erzählimpulsen in der Aus‐ drucksstärke der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster ab. Bei allen Gegen‐ überstellungen der Erzähltexte kann aufgezeigt werden, dass die Kinder in den Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls auf deutlich ausdrucksstärkere Gebrauchsmuster zur Versprachlichung der Handlungen zurückgreifen (vgl. 315 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes Kind 11, Kind 84, Kind 78). So werden Gebrauchsmuster wie schnappen, fesseln, Ganoven, Gauner, Versteck und blitzschnell in den Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls gebraucht, wohingegen in den Erzählungen zum imaginären Er‐ zählimpuls Gebrauchsmuster wie laufen, klauen, schnell und Diebe dominieren. Abschließend können die Ergebnisse in Bezug auf die Verwendung der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster innerhalb der einzelnen Textmuster‐ phasen zusammengefasst dargestellt werden. Ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls nutzen zwei Kinder poetisch-evozierende Gebrauchsmuster in‐ nerhalb der gesamten Erzählung und in allen drei Textmusterphasen (vgl. Kind 11, Kind 78). Dagegen zeigt sich bei zwei Erzähltextgestaltungen zum imagi‐ nären Erzählimpuls, dass eine vermehrte Verwendung poetisch-evozierender Gebrauchsmuster erst zu Beginn der Komplikation einsetzt (vgl. Kind 84, Kind 11). Bei Kind 78 konnte der Großteil der Gebrauchsmuster in der Orientierung erfasst werden, wobei diese sich fast ausschließlich auf Gebrauchsmuster in Verbindung mit der prototypischen Phrase es war einmal beschränken. 6.3.4 Quantitative Analyse der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster Für die quantitative Analyse der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster werden die Erzähltexte aller Kinder gegenübergestellt und die Vorkommen poetisch-evozierender Gebrauchsmuster verglichen. In einer deskriptiven Häu‐ figkeitsverteilung wird die Anzahl poetisch-evozierender Gebrauchsmuster in den beiden Erzähltextkorpora auf den einzelnen linguistischen Ebenen gegen‐ übergestellt. Die Ergebnisse für den Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls sind dunkelgrau dargestellt. In Hellgrau werden die Ergebnisse des Erzähltext‐ korpus zum imaginären Erzählimpuls hervorgehoben: 316 6 Empirische Analyse Abb. 63: Anzahl poetisch-evozierender Gebrauchsmuster (n = 95) Insgesamt können 1726 poetisch-evozierende Gebrauchsmuster in dem Erzähl‐ textkorpus zum fiktiven Erzählimpuls erfasst werden, und damit deutlich mehr als in dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls. In diesem sind insgesamt 1066 poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster auszumachen. Weitergehend kann der Grafik entnommen werden, dass in dem Erzähltext‐ korpus zum fiktiven Erzählimpuls auf syntaktischer Ebene insgesamt 268 poetisch-evozierende Gebrauchsmuster ausgemacht werden können. Im Ge‐ gensatz dazu werden 153 poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Syntax ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls verwendet. Es sind demnach 115 Gebrauchsmuster mehr in dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls, womit im Durchschnitt 1,21 poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Syntax pro Erzähltext mehr verwendet werden. Die Anzahl an morphosyntaktischen Gebrauchsmustern mit poetischevozierendem Charakter liegt in dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählim‐ puls bei 378. Ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls werden insgesamt 214 poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphosyntax verwendet. Die Differenz an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Morphosyntax zwi‐ schen den beiden Erzähltextkorpora liegt bei 164, sodass auf morphologischer 317 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes Ebene im Durchschnitt 1,73 poetisch-evozierende Gebrauchsmuster ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls mehr verwendet werden. Auf morphologischer Ebenen können insgesamt 1080 poetisch-evozierende Gebrauchsmuster in dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls erfasst werden. Im Gegensatz dazu werden 699 poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphologie in den Erzähltexten ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls verwendet. Die Differenz an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Morphologie zwischen den beiden Erzähltextkorpora lässt darauf schließen, dass bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls durchschnittlich 4,05 poetisch-evozierende Gebrauchsmuster mehr verwendet werden. Zusammenführend gebrauchen die Kinder auf der syntaktischen, morpho‐ syntaktischen und morphologischen Ebene ausgehend von dem fiktiven Er‐ zählimpuls im Durchschnitt mindestens ein poetisch-evozierendes Gebrauchs‐ muster mehr zur Erzählgestaltung als bei der Erzählgestaltung ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls. Im Folgenden wird geprüft, ob dieser Unterschied in der Anzahl poetischevozierender Gebrauchsmuster zwischen den Erzähltextkorpora in Bezug auf die Erhebungsreihenfolge ähnlich ausgeprägt ist. Aufgrund der unterschied‐ lichen Stichprobengrößen wird die durchschnittliche Verwendung eines poe‐ tisch-evozierenden Gebrauchsmusters pro Erzähltext berücksichtigt. Wie der grafischen Gegenüberstellung der aufsummierten Anteile unter Berücksichti‐ gung der beiden Erhebungsgruppen zu entnehmen ist, bleiben vergleichbare Differenzen der Verteilung poetisch-evozierender Gebrauchsmuster zwischen den Erzähltextkorpora unabhängig von der Erhebungsreihenfolge bestehen: 318 6 Empirische Analyse 11,84 10,96 7,52 7,22 4,34 3,67 2,41 2,12 2,84 2,8 1,75 1,49 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 1 Gruppe 2 fiktiver Erzählimpuls imaginärer Erzählimpuls Gruppe 1 Gruppe 2 n = 44 n = 51 Gruppe 1 Gruppe 2 n = 44 n = 51 poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Syntax poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphosyntax poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphologie poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Syntax poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphosyntax poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphologie Abb. 64: Durchschnittliche Verwendung poetisch-evozierender Gebrauchsmuster Die deskriptiven Häufigkeiten zeigen, dass beide Erhebungsgruppen deut‐ lich mehr Gebrauchsmuster in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls verwenden. Durch die Berechnung der durchschnittlichen Anzahl an poe‐ tisch-evozierenden Gebrauchsmustern zeigt sich, dass die Kinder der ersten Erhebungsgruppe in beiden Erzähltexten tendenziell geringfügig mehr poe‐ tisch-evozierende Gebrauchsmuster auf morphologischer, morphosyntakti‐ scher und syntaktischer Ebene verwenden. Dies gilt allerdings sowohl für die Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls als auch für die Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls. Damit sind die jeweiligen Differenzen nicht auf die Erhebungsreihenfolge zurückzuführen, sondern zeugen davon, dass die Kinder der ersten Erhebungsgruppe grundsätzlich mehr poetisch-evozierende Gebrauchsmuster verwenden. Zum Abschluss der deskriptiven Häufigkeitsanalyse wird die Anzahl an poe‐ tisch-evozierenden Gebrauchsmustern innerhalb eines Erzähltextes zwischen den beiden Erzähltextkorpora verglichen. Da sich kein gravierender Unter‐ schied zwischen den Erhebungsgruppen ergibt, können die anschließenden Ergebnisse für die gesamte Stichprobe angeführt werden. Die Ergebnisse der Häufigkeitsanalysen werden anhand einer Gegenüberstellung zweier Histogr‐ 319 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes amme visualisiert. In Dunkelgrau sind die Häufigkeiten für die Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls visualisiert. Die Ausprägung der Häufigkeiten für die Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls wird hellgrau dargestellt. Zunächst folgt die Häufigkeitsverteilung zur Anzahl poetisch-evozierender Gebrauchsmuster der Syntax in einem Erzähltext für die beiden Erzähltextkor‐ pora: Abb. 65: Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Syntax in einem Erzähltext (n = 95) Die geringste Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Syntax in einem Erzähltext liegt für beide Erzähltextkorpora bei null. Insgesamt können vier Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls und 20 Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls erfasst werden, in denen keine poetisch-evozierenden Gebrauchs‐ muster der Syntax verwendet werden. In dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls mit den meisten poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Syntax sind insgesamt elf Gebrauchsmuster vorhanden. In dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls weist der Erzähltext mit den meisten poetischevozierenden Gebrauchsmustern der Syntax insgesamt fünf Gebrauchsmuster auf. Damit erstreckt sich die Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmus‐ tern der Syntax innerhalb eines Erzähltextes für den Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls von null bis elf und für den Erzähltextkorpus zum imagi‐ nären Erzählimpuls von null bis fünf. Der Vergleich eines sehr geringen und eines sehr hohen Vorkommens an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Syntax liefert aufschlussreiche Ergebnisse: In den Erzählungen, die ausge‐ 320 6 Empirische Analyse hend von einem imaginären Erzählimpuls gestaltet werden, gebraucht mehr als die Hälfte der Kinder (48) maximal ein poetisch-evozierendes Gebrauchsmuster auf Satzebene (50,5 %). In den Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls sind es 15 Kinder und somit 15,8 % der gesamten Stichprobe. Im Gegensatz dazu können deutlich mehr Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls mit einer höheren Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Syntax erfasst werden. Insgesamt greifen 25 Kinder bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls auf mindestens vier poetisch-evozierende Gebrauchsmuster zurück. Dies macht einen Anteil von 26,3 % aus. Im Gegensatz dazu sind es 9,5 % Erzähltexte, die ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls mindestens vier syntakti‐ sche Gebrauchsmuster mit poetisch-evozierendem Charakter aufweisen (9). Es können demnach deutlich mehr Erzähltexte mit einer höheren Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Syntax in den Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls erfasst werden und deutlich mehr Erzähltexte mit einer sehr geringen Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Syntax in dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls. Das anschließende Histogramm zeigt die Ergebnisse der Häufigkeitsanalyse der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Morphosyntax in einem Er‐ zähltext: Abb. 66: Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Morphosyntax in einem Erzähltext (n = 95) Für die poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Morphosyntax liegt die geringste Anzahl in einem Erzähltext für beide Erzähltextkorpora bei null. 321 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes Insgesamt können fünf Erzähltexte zum fiktiven Erzählimpuls und 18 Erzähl‐ texte zum imaginären Erzählimpuls erfasst werden, die ohne den Rückgriff auf poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphosyntax verfasst werden. Auch die maximale Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Morphosyntax in einem Erzähltext ist in beiden Erzähltextkorpora gleich. In dem Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls sind drei Erzähltexte mit elf poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Morphosyntax enthalten. In Ge‐ gensatz dazu kann in dem Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls ein Erzähltext mit elf poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Morphosyntax ausgemacht werden. Damit erstreckt sich die Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Morphosyntax innerhalb eines Erzähltextes von null bis elf Gebrauchsmustern. Für die Analyse der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Morpho‐ syntax zeigt sich bei einem Vergleich der Erzähltextkorpora in Bezug auf die Extreme die gleiche Tendenz zugunsten der Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls wie bei dem Vergleich der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Syntax: Anhand des Histogramms wird deutlich, dass sich die Erzähltexte ausgelöst durch die verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulse gerade in einer geringen und in einer sehr hohen Anzahl an Gebrauchsmustern unterscheiden. Es kann fast in der Hälfte der Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls (46,3 %) maximal ein poetisch-evozierendes Gebrauchsmuster der Morphosyntax erfasst werden (44). Bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls greifen 20 % der Kinder auf maximal ein poetisch-evozierendes Gebrauchsmuster der Morphosyntax zurück (19). Bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls werden häufiger sehr viele poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphosyntax genutzt. In 21 Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls können mehr als fünf Gebrauchsmuster erfasst werden. Die Anzahl im Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls mit mehr als fünf poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Morphosyntax liegt bei sechs Erzählungen. Zusammenführend kann ein häufiger Gebrauch poetisch-evozierender Ge‐ brauchsmuster der Morphosyntax in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls verzeichnet werden. Eine geringe Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern kann vor allem bei der Erzählgestaltung ausgelöst durch einen imaginären Erzählimpuls erfasst werden. In der deskriptiven Häufigkeitsverteilung für die Anzahl an poetischevozierenden Gebrauchsmustern der Morphologie in einem Erzähltext ist der Unterschied zwischen den Erzähltextkorpora zu den verschiedenen narratoäs‐ thetischen Erzählimpulsen im Vergleich zur Verwendung poetisch-evozierender 322 6 Empirische Analyse Gebrauchsmuster auf morphosyntaktischer und syntaktischer Ebene stärker ausgeprägt: Abb. 67: Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Morphologie in einem Erzähltext (n = 95) Die geringste Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Morpho‐ logie in einem Erzähltext liegt für beide Erzähltextkorpora bei zwei. Insgesamt können ein Erzähltext zum fiktiven Erzählimpuls und sechs Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls mit zwei poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Morphologie erfasst werden. In dem Erzähltext zum fiktiven Erzählim‐ puls mit den meisten poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Morpho‐ logie verwendet das Kind insgesamt 44 Gebrauchsmuster. In dem Erzähltext‐ korpus zum imaginären Erzählimpuls enthalten drei Erzähltexte jeweils 14 poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphologie und können damit die Höchstanzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Morphologie für den Erzähltextkorpus zum imaginären Erzählimpuls aufweisen. Damit erstreckt sich die Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Mor‐ phologie innerhalb eines Erzähltextes für den Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls von zwei bis 44 Gebrauchsmustern. Für die Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls liegt die Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchs‐ mustern der Morphologie innerhalb eines Erzähltextes zwischen zwei und 25. Die große Streuung kann durch die hohe Anzahl an Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls mit sehr vielen poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern erklärt werden: Insgesamt können zehn Erzähltexte erfasst werden, in denen die Kinder 323 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes mindestens auf 19 poetisch-evozierende Gebrauchsmuster der Morphologie zurückgreifen. Außerdem ist auffällig, dass unabhängig vom Erzählimpuls kein Erzähltext erfasst werden kann, in dem kein poetisch-evozierendes Gebrauchs‐ muster der Morphologie gebraucht wird. Auf morphologischer Ebene scheint die Verwendung poetisch-evozierender Gebrauchsmuster für eine narrative Erzählgestaltung demnach prototypisch. Dies kann darin begründet liegen, dass bereits evaluierende und expressive Wörter des alltäglichen Wortschatzes (z. B. laufen, schnell) als poetisch-evozierende Gebrauchsmuster erfasst wurden. Da diese Definition für die Auswertung beider Erzähltexte gilt, ist aber kein Einfluss auf die vergleichenden deskriptiven Analyseergebnisse anzunehmen. Dennoch lässt sich für die beiden Erzähltextkorpora ein Unterschied in Bezug auf eine geringe Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Morphologie aufzeigen: In mehr als einem Fünftel der Erzähltexte zum imaginären Erzählim‐ puls werden vier oder weniger Gebrauchsmuster auf morphologischer Ebene verwendet (23,2 %). In den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls macht der Anteil an Erzählungen mit maximal vier poetisch-evozierenden Gebrauchsmus‐ tern der Morphologie 5,3 % aus (5). Es wird demnach häufiger eine große Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern in einem Erzähltext verwendet, wenn dieser aus einem fiktiven Erzählimpuls als Erzählanlass resultiert. Zusammenfassend zeigen die Häufigkeitsverteilungen der Anzahl an poe‐ tisch-evozierenden Gebrauchsmustern in den einzelnen Erzähltexten somit zunächst, dass die Kinder unabhängig vom Erzählimpuls poetisch-evozierende Gebrauchsmuster auf allen drei linguistischen Ebenen verwenden. Aber gerade ausgehend vom fiktiven Erzählimpuls zeugen die Erzähltexte grundsätzlich von einer höheren Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern. Diese Tendenz der quantitativen Analyse bestätigt die Ergebnisse der qualitativen Analysen der drei gegenübergestellten Erzähltextpaare. Um abschließend zu überprüfen, ob sich ein signifikanter Effekt für den Gebrauch poetisch-evozierender Gebrauchsmuster zwischen allen Erzähltext‐ paaren der Gesamtstichprobe auf den fiktiven Erzählimpuls zurückführen lässt, kann ein Mittelwertvergleich der metrisch skalierten Kategorien anhand des t-Test vollzogen werden. In der anschließenden Tabelle werden die Ergebnisse des t-Tests durch die Mittelwerte, den t-Wert, die Freiheitsgrade (df), die zweiseitige asymptotische Signifikanz und die Effektstärke (d) für die drei Kategorien zusammengetragen: 324 6 Empirische Analyse P OETISCH - EVOZIERENDE G EBRAUCHSMUSTER imaginärer Erzählimpuls (t1) fiktiver Erzählimpuls (t2) t-Wert df asymptotische Sig. (2-seitig) Effektstärke (d) Mittelwert Std.-Abw. Mittelwert Std.-Abw. P OETISCH - EVOZIERENDE G EBRAUCHS- MUSTER DER S YNTAX (n = 95) 1,61 1,249 2,82 1,537 7,450 94 0,000 0,77 P OETISCH - EVOZIERENDE G EBRAUCHS- MUSTER DER M ORPHOSYNTAX (n = 95) 2,25 2,078 3,98 2,764 6,622 94 0,000 0,68 P OETISCH - EVOZIERENDE G EBRAUCHS- MUSTER DER M ORPHOLOGIE (n = 95) 7,36 3,842 11,37 6,620 7,184 94 0,000 0,74 Tab. 50: Ergebnisse Mittelwertanalyse poetisch-evozierende Gebrauchsmuster Die Ergebnisse der Mittelwertanalyse sprechen bei einer Verwendung poe‐ tisch-evozierender Gebrauchsmuster auf syntaktischer, morphosyntaktischer und morphologischer Ebene eindeutig für einen starken Effekt in Bezug auf die Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls. Für die poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Morphologie ist mit einem t-Wert von t(94) = 7,184 mit hoher Signifikanz (p = 0,000) eine Effektstärke von d = 0,74 zu verzeichnen. Auf Wortgruppenebene konnte ein t-Wert von t(94) = 6,622 ermittelt werden. Die Effektstärke liegt bei d = 0,68 und entspricht ebenfalls einem hoch signifi‐ kanten Effekt (p = 0,000). Der Mittelwertvergleich für die poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster der Syntax ergibt einen t-Wert von t(94) = 7,450. Die daraus resultierende Effektstärke liegt bei d = 0,77 und ist mit p = 0,000 hoch signifikant. Dementsprechend kann der Mittelwertvergleich für die poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster die bisherigen Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Analysen bestätigen: Ein fiktiver Erzählimpuls führt mit hoher Wahrscheinlich‐ keit zu einem Erzähltext, der sich durch eine stärker ausgeprägte Verwendung an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern auf Wort-, Wortgruppen- und Satzebene auszeichnet. In der qualitativen Analyse konnte gezeigt werden, dass die Verwendung der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster in den Er‐ zählgestaltungen zum fiktiven Erzählimpuls als Ausdruck kindlicher Imaginati‐ onsprozesse während der Verarbeitung des narratoästhetischen Erzählimpulses fungiert. Gebrauchsmuster zum Ausdruck narrativer Imaginationen stellen die fiktive Erzählwelt in allen drei Textmusterphasen ausschmückender dar und bieten gleichzeitig Anstoßpunkte für leserseitige Imaginationsprozesse. 325 6.3 Analyse der narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes 6.4 Zusammenführung und Interpretation der Ergebnisse Die empirische Analyse der narrativen Gebrauchsmuster in Erzähltexten aus‐ gehend von verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen war geleitet von der übergeordneten Fragestellung der Arbeit, die lautet: Welche Wir‐ kungspotentiale hat die Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse (fiktiv u. imaginär) für den narrativen Sprachgebrauch? Anhand der Analyseergeb‐ nisse kann angenommen werden, dass sich die Ausprägung der narrativen Ge‐ brauchsmuster bei der schriftlichen Erzähltextgestaltung zwischen den beiden Erzähltexten tendenziell zugunsten des fiktiven Erzählimpulses unterscheidet. Statistisch lassen die Effektstärken ausgehend von den Mittelwertanalysen der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikro-, Meso- und Makroebene der Erzähltext‐ gestaltung darauf schließen, dass auf allen Ebenen des Narrativen die narrativen Gebrauchsmuster zugunsten des fiktiven Erzählimpulses stärker ausgeprägt sind. Ausschließlich die Etablierung einer Protagonistenperspektive ist in den wenigen Erzähltexten, in denen eine Verwendung der Figurenrede zum Aus‐ druck der inneren Figurenwelt überhaupt ausgemacht werden kann, gleicher‐ maßen ausgeprägt. Zusammenführend kann in Bezug auf die übergeordnete Fragestellung somit herausgestellt werden, dass ein Potential für die stärkere Ausprägung narrativer Gebrauchsmuster primär in dem fiktiven Erzählimpuls liegt. Interessant ist allerdings, dass sich die Ausprägung der Effektstärken in Bezug auf die verschiedenen Ebenen des Narrativen unterscheiden. Die Mittelwertanalyse ergibt für die Ausprägung der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene der Erzählung einen kleinen Effekt für die Erzählgestaltung ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls. Außerdem scheint auf Mikroebene des Erzähltextes die Erhebungsreihenfolge auf die Ausprägung der narrativen Gebrauchsmuster Einfluss zu nehmen. Auf Mesoebene lässt die Analyse auf einen mittleren Effekt und für die narrativen Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes auf einen starken Effekt zugunsten des fiktiven Erzählimpulses schließen. Diese Ergebnisse beziehen sich auf die zweite Forschungsfrage der Arbeit, die lautet: Welche Wirkungspotentiale hat die Gestaltung narratoästhe‐ tischer Erzählimpulse (fiktiv u. imaginär) für den narrativen Sprachgebrauch auf Mikro-, Meso- und Makroebene? Die Fragestellung kann anhand einer differenzierten Interpretation der qualitativen sowie quantitativen Analyseer‐ gebnisse für die einzelnen Ebenen des Narrativen beantwortet werden. In diesem Zusammenhang kann anhand der Ergebnisse der qualitativen Analyse auch der dritten Forschungsfrage nachgegangen werden: Welche Relevanz haben vorschulische Literacy-Erfahrungen beim schriftlichen Erzählen zu nar‐ ratoästhetischen Erzählimpulsen (imaginär u. fiktiv)? 326 6 Empirische Analyse 6.4.1 Mikroebene des Erzähltextes Auf Mikroebene des Erzähltextes wird die Narration durch linguistische Sprachformen als Fiktionalitätsmarkierer verstärkt. Zu den linguistischen Sprachformen zählen die Verwendung von Adverbien bzw. Adverbialphrasen und Junktionen als kohäsive Satzkonnektoren sowie der präteritale Tempusge‐ brauch. Bei der Erzählgestaltung gelingt es fast allen Kindern, unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls auf linguistische Sprachformen zum Ausdruck der Fiktionalität zurückzugreifen. Bei einem Vergleich der Erzähl‐ texte schaffen es einige Kinder ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls die einzelnen linguistischen Sprachformen ausgiebiger zu verwenden und die Fikti‐ onalität in den Erzähltexten stärker zum Ausdruck zu bringen. Die quantitativen Analysen lassen auf einen Einfluss der Erhebungsreihenfolge schließen, der sich bei den einzelnen linguistischen Sprachformen unterschiedlich auswirkt: Der Gebrauch von Junktionen nimmt bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Er‐ zählimpuls merklich zu, wenn diese zum zweiten Erhebungszeitpunkt verfasst wird. Die Verwendung von Adverbien und der Anteil präteritaler Tempora unterscheidet sich zwischen den beiden Erhebungsgruppen nicht in der Erzäh‐ lung zum fiktiven Erzählimpuls, sondern in den Erzähltexten zum imaginären Erzählimpuls: In Bezug auf die Erhebungszeitpunkte nimmt die Anzahl an Adverbien und präteritalen Tempora bei der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls zu, wenn diese zum zweiten Erhebungszeitpunkt erfolgt. Eine mögliche Erklärung für die unterschiedlichen Auswirkungen der Erhebungsrei‐ henfolge kann ausgehend von den qualitativen Analysen der linguistischen Sprachformen vom inhaltlichen Kontext ausgewählter Erzählungen abgeleitet werden. Adverbien sowie Junktionen als kohäsive Satzkonnektoren können in den ausgewählten Erzähltexten der qualitativen Analyse zum einen zur inhaltlichen Verknüpfung der aufeinanderfolgenden Ereignisse im Handlungsstrang erfasst werden. Zum anderen nutzen die Kinder die kohäsiven Satzkonnektoren, um das narrative Textmuster zusätzlich zu verstärken. In diesem Zusammenhang fungieren die Satzkonnektoren vielmehr zur kohärenten Textstrukturierung, woraus die zusätzliche Auszählung der Satzkonnektoren als narrativ-strukturie‐ rende Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes resultiert (vgl. Kapitel 6.3.1). Unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls können in den ausgewählten Erzähltextpaaren gleichermaßen Adverbien sowie Junktionen sowohl zur inhaltlichen Verknüpfung als auch in der zusätzlichen Verstärkung des narrativen Textmusters ausgemacht werden. Der Unterschied in der Anzahl kohäsiv verwendeter Adverbien zwischen den Erzähltexten zu verschiedenen Erzählimpulsen kann auf die höhere Anzahl an kohäsiven Adverbien zur 327 6.4 Zusammenführung und Interpretation der Ergebnisse Verknüpfung inhaltlicher Ereignisse im Handlungsstrang in dem Erzähltext zum imaginären Erzählimpuls zurückgeführt werden (vgl. Kind 70). Bei der Verwendung der Junktionen zeigt die qualitative Analyse der ausgewählten Erzähltexte eine andere Tendenz: Bei den Erzählungen der qualitativen Analyse führen die Kinder ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls zusätzliche Junkti‐ onen u. a. zur strukturellen Hervorhebung eines weiteren Ereignisses innerhalb der Komplikation an (vgl. Kind 26, Kind 43). Demnach könnte der Unterschied in der Anzahl an Junktionen bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls vor allem aus einer zusätzlichen Verstärkung der narrativen Textmusterphase der Komplikation resultieren. Die unterschiedliche Verwendung zwischen den zusätzlich angeführten kohäsiven Adverbien und Junktionen bei dem qualita‐ tiven Vergleich ausgewählter Erzähltextpaare könnte eine Erklärung für die verschiedenen Einflüsse in der Erhebungsreihenfolge in den quantitativen Ergebnissen sein. Die Verwendung von Adverbien zur inhaltlichen Verknüpfung steht mit dem Handlungsstrang der Erzählung in Verbindung, der in erster Linie aus dem Handlungsstrang der visuellen Narration des narratoästheti‐ schen Erzählimpulses resultiert. Die beiden narratoästhetischen Erzählimpulse zeichnen sich durch einen ähnlichen Handlungsstrang aus, sodass sich die vorausgegangene Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls positiv auf die zusätzliche Verwendung von Adverbien zur inhaltlichen Verknüpfung bei der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls auswirken könnte. Im Gegen‐ satz dazu ist der zusätzliche Gebrauch von Junktionen zur Verstärkung narrati‐ onsspezifischer Ereignisse (wie z. B. die Zuspitzung der Komplikation) stärker auf die globalkohärenten Merkmale der visuellen Narration zurückzuführen. Diese zeichnen sich nicht alleine durch den Handlungsstrang der visuellen Narration der narratoästhetischen Erzählimpulse aus, sondern werden durch die Gestaltungsmerkmale der visuellen Narration markiert. Die unterschiedliche Ausprägung der Gestaltungsmerkmale der visuellen Narration zwischen den beiden Erzählimpulsen könnte erklären, dass die Kinder ausschließlich bei dem fiktiven Erzählimpuls zusätzliche Junktionen anführen. Demnach liegt bei einer wiederholenden Erzählgestaltung gerade in dem fiktiven Erzählimpuls das Potential, kohäsive Satzkonnektoren zur verstärkenden Hervorhebung der Narration zu verwenden. Zusammenfassend könnte angenommen werden, dass in dem Handlungs‐ strang der narratoästhetischen Erzählimpulse das Potential für die Verwendung kohäsiver Satzkonnektoren zur inhaltlichen Strukturierung liegt. Für die Ver‐ wendung von Satzkonnektoren zur globalkohärenten Verstärkung der Narra‐ tion könnte die Gestaltung der visuellen Narration von besonderer Relevanz sein. 328 6 Empirische Analyse Der präteritale Tempusgebrauch zum Ausdruck der Fiktionalität ist in den Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls unabhängig von der Erhebungsreihen‐ folge in vergleichbarer Weise ausgeprägt. Es gelingt fast der Hälfte der Kinder, die Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls mit einem Anteil von mindestens 80 % präteritaler Tempora zu gestalten. Damit verorten die Kinder ihre Er‐ zählungen in einem deiktisch fernen Vorstellungsraum und markieren die Sprachhandlung in einer fiktiven Erzählwelt. Erwerbstheoretisch ist dieser hohe Anteil präteritaler Tempora in den kindlichen Erzähltexten im Anfangsunter‐ richt bemerkenswert (vgl. Kapitel 3.2.2). Weiterführend zeigt die qualitative Analyse der ausgewählten Erzähltexte, dass die präteritalen Tempora in den Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls fast ausnahmslos zur Versprachlichung der Ereignisprogression verwendet werden. Die präsentischen Tempusformen können in Verbindung mit dem Ausdruck zeitlich abgeschlossener Handlungen ausgemacht werden (vgl. Kind 43). Dabei werden mittels des Perfekts inhaltliche Relationen herausgestellt, die innerhalb der fiktiven Erzählwelt zum Ausdruck kommen. Bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls könnte demnach nicht die Markierung der Ereignisprogression in einer fiktiven Erzählwelt durch präteritale Tempora eine Herausforderung darstellen, sondern die sprachliche Markierung inhaltlicher Relationen innerhalb der fiktiven Erzählwelt. Gleich‐ zeitig lässt die qualitative Analyse des Tempusgebrauchs ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls darauf schließen, dass die Kinder die visuelle Narration des narratoästhetischen Erzählimpulses mit Bezug auf einen fiktionalen Be‐ wusstseinsraum verarbeiten. Bei der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls zeigt die qualitative Analyse der ausgewählten Erzähltexte, dass die Kinder ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls die präsentischen Tempora zur Konstruktion der Ereignispro‐ gression verwenden (vgl. Kind 26, Kind 70). Demnach wird der gesamte Handlungsstrang der Erzählung nicht in einer fiktiven Erzählwelt verortet. Die Verwendung präsentischer Tempora zur Ereignisprogression lässt darauf schließen, dass die Kinder bei der Konstruktion des Handlungsstrangs stärker an der visuellen Narration des narratoästhetischen Erzählimpulses im Wahrneh‐ mungsraum orientiert sind. Damit könnte angenommen werden, dass die Kinder die visuelle Narration des narratoästhetischen Erzählimpulses eher mit Bezug auf einen imaginären Bewusstseinsraum verarbeiten. Bei der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls im Anschluss an die Erzäh‐ lung zum fiktiven Erzählimpuls zum zweiten Erhebungszeitpunkt gelingt es einigen Kindern, in ähnlichem Ausmaß präteritale Tempora zu gebrauchen. Ein möglicher Rückschluss aus der unterschiedlich starken Ausprägung präteritaler Tempora bei der Erzählgestaltung zum imaginären Erzählimpuls zwischen 329 6.4 Zusammenführung und Interpretation der Ergebnisse den beiden Erhebungsgruppen ist die Auswirkung der Erhebungsreihenfolge. Demnach könnte von der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls ein positiver Einfluss ausgehen, der scheinbar zu einem vergleichbar starken Ausdruck der Fiktionalität in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls zum zweiten Erhebungszeitpunkt führt. Mit Berücksichtigung der weiteren Ergebnisse kann der positive Einfluss aber ausschließlich auf die narrativen Gebrauchsmuster auf Mikroebene des Erzähltextes und in diesem Ausmaß speziell auf den Tempusgebrauch beschränkt werden. Die Ergebnisse zur Erzählgestaltung auf Meso- und Makroebene lassen nicht darauf schließen, dass die Fiktionalität in den Erzählungen zum imaginären Erzählimpuls zum zweiten Erhebungszeitpunkt in ähnlicher Weise wie in den Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls zum Ausdruck gebracht wird. Möglicherweise könnte das spezielle Potential für einen präteritalen Tempusgebrauch auf Mikroebene des Erzähltextes daher nicht ausschließlich in dem narratoästhetischen Erzählimpuls liegen. Für den Tempusgebrauch als Fiktionalitätsmarker konnte gerade das mentale Handeln in Erzählkontexten als bedeutend herausgestellt werden (vgl. Topalović/ Uhl 2014a). In dem Erhebungssetting ergibt sich der Erzählkon‐ text nicht allein aus dem narratoästhetischen Erzählimpuls, sondern aus der gesamten rahmenden Lernsituierung. Die Kinder konstruieren innerhalb des situierten Lernarrangements eine Erzählung für einen Bildergeschichten-Wett‐ bewerb. Mit der Situierung werden bereits die Textsorte und die Funktion des zu schreibenden Textes herausgestellt (vgl. Kapitel 5.3). Die Situierung in Verbindung mit dem fiktiven Erzählimpuls ermöglicht es den Kindern, einen fiktiven Erzählkontext zu etablieren, in dem sie durch einen hohen Anteil präteritaler Tempora ihre Erzählungen in einer fiktiven Erzählwelt verorten. Den etablierten Erzählkontext könnten die Kinder womöglich mit der gesamten Erhebungssituation des Bildergeschichten-Wettbewerbs verbinden, sodass zum zweiten Erhebungszeitpunkt die identische Erhebungssituation als impliziter Anstoß fungiert. Dieser implizite Anstoß könnte zu einer Re-Aktivierung der mentalen Haltung führen und somit den Gebrauch präteritaler Tempora be‐ günstigen. Zusammenfassend könnte demnach der fiktive Erzählimpuls sowohl als unterstützende Aktivierung eines fiktionalen Bewusstseinsraums dienen als auch zur Übertragung einer rahmenden Kontextualisierung auf das situierte Lernarrangement führen. 6.4.2 Mesoebene des Erzähltextes Der Ausdruck der Narration auf Mesoebene des Erzähltextes wird durch die Etablierung einer Erzählerperspektive sowie einer Protagonistenperspektive 330 6 Empirische Analyse verstärkt. Eine Erzählerperspektive kann sprachlich durch die indefinite Einfüh‐ rung der handelnden Figuren sowie der zeitlichen und räumlichen Ausgangs‐ lage realisiert werden. Bei der Erzählgestaltung gelingt es einer Vielzahl der Kinder, unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls zu Erzählbeginn bereits einzelne indefinite Verweise anzuführen. In einem Vergleich der Erzähl‐ texte wird die Etablierung einer Erzählerperspektive durch mindestens zwei indefinite Verweise zu Erzählbeginn häufiger in den Erzähltexten ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls realisiert. Die Erzählerperspektive wird zu Erzählbeginn sprachlich primär durch zeit‐ liche und personale Verweise herausgestellt. Die indefinite Einführung der räumlichen Ausgangssituation erfolgt insgesamt sehr selten und fast überhaupt nicht in der Erzählung zum imaginären Erzählimpuls. Die sehr geringe Her‐ ausstellung indefiniter Bezüge zur Raumsituation lässt darauf schließen, dass diese unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls für die Kinder noch eine Herausforderung darstellt. Die qualitative Analyse der ausgewählten Erzähltexte zeigt außerdem, dass ein zeitlicher und personaler Bezug häufig in Kombination mit der Phrase es war einmal ein/ eine herausgestellt wird (vgl. Kind 74, Kind 80, Kind 13). Demnach könnten gerade feste Konstruktionen den Kindern zu Beginn der Erzählung zur Etablierung einer fiktiven Erzähler‐ perspektive und speziell zur sprachlichen Realisierung zeitlicher und personaler Angaben verhelfen. Außerdem unterscheiden sich die beiden Erzähltexte ausgehend von den verschiedenen Erzählimpulsen bei der Einführung der handelnden Figuren. Für die sprachliche Realisierung personaler Bezüge zu Beginn der Erzählung kann geschlussfolgert werden, dass gerade der fiktive Erzählimpuls eine inde‐ finite Einführung begünstigt. Im Gegensatz dazu kann in einem Erzählbeginn ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls vermehrt eine nominale Einfüh‐ rung der Figuren ausgemacht werden. Mit der Einführung der handelnden Figuren beziehen sich die Kinder primär auf die dargestellten Figuren in der erzählten Welt. Die visuelle Gestaltung der Figuren unterscheidet sich in den beiden narratoästhetischen Erzählimpulsen: Der imaginäre Erzählimpuls zeugt von einer lebensweltlichen Darstellung der Figuren, die sich stark an den Konzeptionen und Strukturen der kindlichen Lebenswelt orientieren (z. B. menschliche Figuren). Im Gegensatz dazu werden die Figuren in dem fiktiven Erzählimpuls phantastisch dargestellt und weisen eine größere Distanz zur Realität auf (z. B. tierische Figuren). Mit der lebensweltlichen Figurendarstellung in dem imaginären Erzählimpuls geht eine stärkere Nähe zur Lebenswelt der Kinder einher. Durch die nominale Einführung in den Erzählungen verorten die Kinder die Figuren auch sprachlich im Wahrnehmungsraum, was mögli‐ 331 6.4 Zusammenführung und Interpretation der Ergebnisse cherweise aus der lebensweltlichen Figurendarstellung resultieren könnte. Im Gegensatz dazu werden mit der phantastischen Figurendarstellung in dem fiktiven Erzählimpuls die Konzeptionen der Lebenswelt durchbrochen. Diese könnte in der Erzählgestaltung die indefinite Einführung der Figuren in einer fiktiven Erzählwelt begünstigen und erklären, wieso die Kinder die Figuren überwiegend indefinit einführen. Zusammenfassend würde demnach gerade in der phantastischen Gestaltung der Figuren des fiktiven Erzählimpulses das Potential für die sprachliche Realisierung personaler Verweise in Bezug auf eine fiktive Erzählwelt liegen. Zur Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive kann neben der sprachli‐ chen Realisierung indefiniter Verweise anhand der qualitativen Analyse ausge‐ wählter Erzähltexte die inhaltliche Darstellung des Erzählbeginns als bedeutend herausgestellt werden. Die inhaltliche Darstellung des Erzählbeginns zeichnet sich durch die Ausprägung der Ausgangssituation in Abstimmung auf den Handlungsstrang sowie durch den Bezug zur visuellen Narration des narrato‐ ästhetischen Erzählimpulses aus. In den ausgewählten Erzähltexten gelingt es allen Kindern, in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls eine Ausgangssi‐ tuation zu gestalten, die auf den weiteren Handlungsverlauf abgestimmt ist. Darüber hinaus zeugen die zusätzliche Anführung weiterer Ereignisse (z. B. die Einführung der Torte) und die ausschmückende Darstellung der Ausgangs‐ situation davon, dass die Kinder vielmehr angestoßen durch den fiktiven Erzählimpuls einen eigenen Erzählbeginn konstruieren. Im Gegensatz dazu entspricht die inhaltliche Darstellung des Erzählbeginns ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls vielmehr einer Beschreibung der visuellen Narration des imaginären Erzählimpulses. Interessanterweise unterscheidet sich in Bezug auf die Ausgangssituation nicht nur die sprachliche Gestaltung der Erzähltexte, sondern auch die visuelle Gestaltung der narratoästhetischen Erzählimpulse. Die Unterschiede in der visuellen Gestaltung der Ausgangssituation bei den beiden narratoästhetischen Erzählimpulsen zeigen sich sowohl im Ausdruck der visuellen Narration als auch in der Darstellung der erzählten Welt. In dem fiktiven Erzählimpuls wird durch eine weite Einstellung und eine leicht von oben ausgerichtete Perspektive auf die Ausgangssituation eine größere Distanz zwischen visueller Narration und den Betrachter: innen erzeugt. Außerdem wird durch eine Vielzahl an visuellen Elementen (Tisch, Haus, Harke, Stühle …) und eine umfassende Hintergrundgestaltung gerade räumlich eine umfassende Erzählwelt erzeugt. Im Gegensatz dazu ist in dem imaginären Erzählimpuls eher ein Ausschnitt der Erzählwelt dargestellt, der sich außerdem durch eine reduzierte Hintergrundgestaltung auszeichnet. Bei dem Ausdruck einer visu‐ ellen Narration führen die halbtotale Einstellung, die gerade Ausrichtung auf 332 6 Empirische Analyse das Bild sowie die direkte Ausrichtung des Blickes der rechten Figuren auf die Betrachter: innen zu einer stärkeren Involvierung der Betracht: innen (vgl. Kapitel 2.2.1.1). Möglicherweise spiegeln sich diese Unterschiede der visuellen Gestaltung der Erzählimpulse in der inhaltlichen Darstellung des Erzählbeginns wider, sodass von einem starken Ausdruck einer visuellen Narration und einer phantastischen Gestaltung der erzählten Welt bei der Darstellung der Ausgangs‐ situation das Potential für die inhaltliche Konstruktion eines Erzählbeginns in einer fiktiven Erzählwelt ausgeht. Die Konstruktion eines Erzählbeginns in einer fiktiven Erzählwelt ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls gelingt bei den ausgewählten Erzähltexten in der qualitativen Analyse gerade dem Kind, dessen Schreibungen mit Schul‐ eintritt auf reichhaltige Literacy-Erfahrungen schließen lassen (vgl. Kind 13). Gleichzeitig schafft dieses Kind es, bereits einzelne Bezüge indefinit zur sprach‐ lichen Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive herauszustellen. Mögli‐ cherweise unterstützen die reichhaltigen Literacy-Erfahrungen die inhaltliche Darstellung des Erzählbeginns ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls, der aufgrund der visuellen Gestaltung die Etablierung einer Erzählerperspektive erschwert. Somit könnte anhand der ausgewählten Kinder der qualitativen Analyse angenommen werden, dass eine sprachliche sowie inhaltliche Etablie‐ rung einer Erzählerperspektive ausgehend von einem imaginären Erzählimpuls reichhaltige Literacy-Erfahrungen der Kinder voraussetzt. Für die Etablierung einer Erzählerperspektive ausgehend von einem fiktiven Erzählimpuls können keine Rückschlüsse zur Relevanz der vorschulischen Literacy-Erfahrungen gezogen werden: Es gelingt sowohl Kindern mit geringeren als auch mit stärker ausgeprägten Literacy-Erfahrungen, eine fiktive Erzählerperspektive zu Erzählbeginn zu realisieren. Damit liegt in der Gestaltung des fiktiven Erzählimpulses das Potential, sowohl die inhaltliche Darstellung eines eigenen Erzählbeginns als auch die Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive durch sprachliche Verweise für alle Kinder unabhängig von den individuellen Lite‐ racy-Erfahrungen zu ermöglichen. Eine Protagonistenperspektive fungiert zum Ausdruck einer inneren Figu‐ renwelt und kann in der Erzählgestaltung durch die Verwendung von Figuren‐ beiträgen in Form der Figurenrede mit Verba Dicendi versprachlicht werden. Eine Protagonistenperspektive wird insgesamt von sehr wenigen Kindern durch die Verwendung der Figurenrede etabliert. Die geringe Verwendung einer Figurenrede zum Ausdruck einer inneren Figurenwelt erklärt sich ent‐ wicklungstheoretisch: Die Kinder befinden sich zum Zeitpunkt der Erhebung in der zweiten Klasse, in der sich nach Pohl (2003) nur ein Anteil von ca. 20 % der Erzähltexte durch den Gebrauch der wörtlichen Rede auszeichnet. 333 6.4 Zusammenführung und Interpretation der Ergebnisse Augst (2010) kommt auf ca. 30 % von Zweitklässler: innen, die in Erzählungen die Figurenrede gebrauchen. Möglicherweise liegt der sehr geringe Anteil an Erzähltexten mit Figurenrede in der Klassenstufe begründet und nimmt mit zunehmender Klassenstufe erst zu. Aufgrund des geringen Unterschieds an Figurenbeiträgen zur Etablierung einer Protagonistenperspektive zwischen den beiden Erzähltextkorpora zu den verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen liegt das Potential für die Verwendung der Figurenrede möglicherweise nicht in dem Erzählimpuls bzw. in der Gestaltung des Erzählimpulses. In der qualitativen Analyse der ausgewählten Erzähltexte stellt sich vielmehr die Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive zu Erzählbeginn als bedeutend für die Etablierung einer Protagonistenperspektive heraus: Unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls konnte in den ausgewählten Erzählungen der qualitativen Ana‐ lyse mit funktional verwendeten Figurenbeiträgen immer auch eine umfas‐ sende Etablierung der Erzählerperspektive ausgemacht werden. In Bezug auf die erzähltheoretische Modellierung einer Protagonistenperspektive innerhalb einer Erzählerperspektive (vgl. Uhl 2017) ist dieses Ergebnis nicht erstaunlich, bekräftigt aber empirisch, dass eine Etablierung der Protagonistenperspektive erst vor dem Hintergrund einer etablierten Erzählerperspektive möglich ist. Dieser Befund wird außerdem durch die Ergebnisse zur Analyse der pseudo-dialogischen Redebeiträge bekräftigt: Bei einer ausbleibenden Erzäh‐ lerperspektive können vermehrt Figurenbeiträge ausgemacht werden, die nicht einer Figur zugeordnet werden können und als Ereignisprogression fungieren. Darin liegt möglicherweise die Begründung, dass pseudo-dialogische Redebei‐ träge zur Ereignisprogression in den Erzähltexten zum imaginären Erzählimpuls deutlich häufiger auftreten. In den ausgewählten Erzählungen der qualitativen Analyse erstreckt sich der Gebrauch der pseudo-dialogischen Rede sogar über den ganzen Erzähltext, sodass die gesamte Ereignisprogression mittels der pseudo-dialogischen Rede vollzogen wird. Zusammenführend stellt die Erzähl‐ textanalyse auf Mesoebene des Erzähltextes die Bedeutung einer sprachlichen sowie inhaltlichen Realisierung des Erzählbeginns sowohl für die Etablierung einer Erzählerperspektive als auch für eine Protagonistenperspektive heraus. 6.4.3 Makroebene des Erzähltextes Auf Makroebene des Erzähltextes werden narrative Gebrauchsmuster ange‐ führt, die vor allem die wechselseitige Interaktion zwischen Erzählenden und Lesenden zum Ausdruck bringen. Dazu zählen in den Erzähltexten zum einen die 334 6 Empirische Analyse Ausprägung des narrativen Textmusters und zum anderen der poetisch-evozie‐ rende Sprachgebrauch. Die Ausprägung des narrativen Textmusters zeichnet sich durch die Verwen‐ dung narrativ-strukturierender Gebrauchsmuster und die Anführung inhalt‐ licher Merkmale zur globalkohärenten Erzählkonstruktion aus. Unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls gebrauchen die Kinder sowohl nar‐ rativ-strukturierende Gebrauchsmuster als auch inhaltliche Merkmale zur Er‐ zählgestaltung. Aber gerade ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls gelingt es den Kindern, sich zunehmend von der visuellen Narration des Erzählimpulses zu entfernen und angestoßen durch den narratoästhetischen Erzählimpuls eine eigene globalkohärente Erzählung zu konstruieren. Im Gegensatz dazu zeichnen sich die Erzählungen zum imaginären Erzählimpuls in erster Linie durch die Beschreibung der visuellen Narration des narratoästhetischen Erzählimpulses aus. Die differenzierte Erzählgestaltung kann einerseits anhand der sprachli‐ chen Markierung der Textmusterphasen begründet werden. Andererseits un‐ terscheiden sich die Erzählungen zu den verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen auf inhaltlicher Ebene durch die Realisierung verschiedener Merkmale zur globalkohärenten Erzählkonstruktion. Bei der sprachlichen Markierung der Textmusterphasen ist der Unterschied in der umfassenden Hervorhebung aller drei Textmusterphasen zwischen den Erzähltexten zu verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen bemerkens‐ wert: Bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls gelingt es fast der Hälfte der Kinder, alle drei Textmusterphasen sprachlich zu markieren, sodass diese Erzählungen auf einen hierarchisch-strukturierten Erzähltyp schließen lassen. Im Gegensatz dazu zeichnen sich gerade einmal 16 Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls durch die umfassende Markierung der drei Text‐ musterphasen aus. Anhand der differenzierten Betrachtung der narrativ-struk‐ turierenden Gebrauchsmuster ergibt sich vor allem ein Unterschied in der sprachlichen Markierung der Orientierung und Auflösung. Diese werden er‐ heblich häufiger von einem Kind realisiert, wenn die Erzählgestaltung von einem fiktiven Erzählimpuls ausgeht. Interessanterweise unterscheidet sich auch die Gestaltung der visuellen Narration für die Ausgangssituation sowie die Abschlusssituation zwischen den beiden narratoästhetischen Erzählimpulsen. In Bezug auf die Ausgangssituation konnte bereits für die Interpretation der Erzählgestaltung auf Mesoebene herausgestellt werden, dass der fiktive Erzählimpuls durch den stärkeren Ausdruck der visuellen Narration und die phantastische Gestaltung der erzählten Welt die Etablierung einer fiktiven Erzählerperspektive begünstigt. Diese könnte gleichzeitig den Unterschied in dem Rückgriff einleitender Gebrauchsmuster zur sprachlichen Markierung 335 6.4 Zusammenführung und Interpretation der Ergebnisse der Orientierung erklären. In der visuellen Gestaltung der Abschlusssituation unterscheiden sich die beiden narratoästhetischen Erzählimpulse in vergleich‐ barer Weise wie zur Darstellung der Ausgangssituation: Die visuelle Narration in dem fiktiven Erzählimpuls führt aufgrund einer weiten Einstellung und der von oben ausgerichteten Perspektive zu einer geringeren Involvierung der Betrachter: innen als bei der Gestaltung des imaginären Erzählimpulses. Außerdem zeugt die erzählte Welt in dem fiktiven Erzählimpuls von einer phantastischen Darstellung im Gegensatz zur lebensweltlichen Darstellung der erzählten Welt in dem imaginären Erzählimpuls. Möglicherweise resultiert aus der differenzierten Gestaltung der Erzählimpulse die unterschiedliche Ausprä‐ gung einleitender und auflösender Gebrauchsmuster, sodass von einem starken Ausdruck einer visuellen Narration und einer phantastischen Gestaltung der erzählten Welt bei der Darstellung der Ausgangs- und Abschlusssituation das Potential für die sprachliche Markierung der beiden Textmusterphasen ausgeht. Im Gegensatz dazu wird die Textmusterphase der Komplikation unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls sehr häufig und fast ausschließlich durch ein kontrastierendes Gebrauchsmuster markiert. Es ist auffällig, dass in allen Erzählungen sehr selten ein verkettendes Gebrauchsmuster zur Markie‐ rung der Komplikation ausgemacht werden kann. Die hierarchische Hervorhe‐ bung der Komplikation bei der Erzählgestaltung unabhängig von dem narrato‐ ästhetischen Erzählimpuls könnte in dem Handlungsstrang begründet liegen. Inhaltlich zeichnet sich die Komplikation ausgehend von beiden Erzählimpulsen durch das gleiche unerwartet eintretende Ereignis aus: der Tortenklau. Darüber hinaus wird die eintretende Komplikation in beiden narratoästhetischen Erzählimpulsen durch die schockierten Gesichtszüge als Reaktion der Figuren in ähnlicher Weise ausgedrückt. Mit dem vergleichbaren Handlungsstrang und der ähnlichen Darstellung der Figurenemotionen zur eintretenden Komplikation in den narratoästhetischen Erzählimpulsen könnte der geringe Unterschied zwi‐ schen der Verwendung kontrastierender Gebrauchsmuster zwischen den beiden Erzähltextkorpora erklärt werden. Gleichzeitig würde diese Annahme bedeuten, dass die sprachliche Hervorhebung der Komplikation nicht ausschließlich auf die Gestaltung der narratoästhetischen Erzählimpulse zurückgeführt werden kann, sondern vielmehr auf den zugrunde liegenden Handlungsstrang der Narration. Neben der sprachlichen Markierung der Textmusterphasen differenziert sich die kindliche Erzählgestaltung ausgehend von den verschiedenen Erzählimpulsen bei der Konstruktion eines globalkohärenten Handlungsstrangs auf inhaltlicher Ebene. Innerhalb der Textmusterphase der Orientierung führen die Realisierung eines Handlungsplans, die Realisierung einer Ausgangssitua‐ 336 6 Empirische Analyse tion oder das Aufgreifen der Torte zur Verstärkung einer globalkohärenten Erzählstruktur. Diese erzeugen im inhaltlichen Kontext der Erzählung eine übergeordnete Rahmensituation und werden vor allem ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls realisiert. In der qualitativen Analyse der ausgewählten Erzähltexte zum imaginären Erzählimpuls beschränkt sich die inhaltliche Dar‐ stellung einer übergeordneten Rahmensituation auf die Einführung der Torte (vgl. Kind 11). Die Torte wird auf dem imaginären Erzählimpuls als visuelles Element explizit abgebildet, sodass sich die wenigen inhaltlichen Merkmale zur Darstellung einer übergeordneten Rahmensituation möglicherweise durch die Nähe zum imaginären Erzählimpuls auszeichnen. Die häufigere Gestaltung einer übergeordneten Rahmensituation in dem Erzähltextkorpus zum fiktiven Erzählimpuls bekräftigt die Annahme, dass die Gestaltung der Ausgangssitua‐ tion im fiktiven Erzählimpuls neben der sprachlichen Markierung der Orientie‐ rung auch die inhaltliche Darstellung des Erzählbeginns begünstigt. In der Textmusterphase der Auflösung ist die inhaltliche Bezugnahme zur übergeordneten Rahmensituation entscheidend für eine globalkohärente Erzählstruktur. Bei einem Vergleich der beiden Erzähltextkorpora gelingt es den Kindern, ausgehend vom fiktiven Erzählimpuls häufiger inhaltlich Bezug zur Ausgangssituation zu nehmen als bei der Erzählgestaltung zum imagi‐ nären Erzählimpuls. Dennoch lässt eine geringere Ausprägung inhaltlicher Bezüge in der Erzählung zum fiktiven Erzählimpuls darauf schließen, dass das Herausstellen des Bezugs zur übergeordneten Rahmensituation für viele Kinder noch eine Herausforderung darstellt. Dies könnte möglicherweise in den ausbleibenden visuellen Ankerpunkten, die eine Verknüpfung zwischen der Ausgangs- und Abschlusssituation der visuellen Narration erzeugen, des fiktiven Erzählimpulses begründet liegen: In dem fiktiven Erzählimpuls können abgesehen von den Figuren und der Torte keine visuellen Hinweise für einen Zusammenhang zur Ausgangssituation ausgemacht werden. Möglicherweise würde eine rahmende Bildgestaltung durch verknüpfende Ankerpunkte zur visuellen Ausgangssituation (z. B. in der Raumgestaltung) die Bezugnahme zur übergeordneten Rahmensituation bei der Erzähltextgestaltung unterstützten. Zusammenfassend geht von dem imaginären Erzählimpuls eine Erzählgestal‐ tung hervor, die eine Beschreibung der visuellen Narration des Erzählimpulses eröffnet (z. B. die Torte in der Einführung). In dem fiktiven Erzählimpuls liegt das Potential, eine globalkohärente Erzählkonstruktion anzustoßen. Neben der Realisierung und Bezugnahme einer etablierten Ausgangslage stellt sich in der gesamten Erzählgestaltung die Versprachlichung implizit visualisierter Ereignisse für eine globalkohärente Erzählstruktur als bedeutsam heraus. Durch diese gelingt es den Kindern, inhaltliche Zusammenhänge im 337 6.4 Zusammenführung und Interpretation der Ergebnisse Handlungsstrang für die Leser: innen herauszustellen. Hervorzuheben ist, dass alle Kinder unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls bei der Erzählgestaltung bereits implizit visualisierte Ereignisse versprachlichen und somit das Herausstellen inhaltlicher Zusammenhänge berücksichtigen. Ausge‐ hend von dem fiktiven Erzählimpuls zeichnen sich die Erzählungen durch eine deutlich höhere Anzahl an Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse aus. Dennoch können in einigen Erzählungen zu beiden narratoäs‐ thetischen Erzählimpulsen teilweise noch offengebliebene Zusammenhänge ausgemacht werden, die von den Leser: innen selbst erschlossen werden müssen. Offengebliebene Zusammenhänge könnten möglicherweise in dem Format des Erzählanstoßes begründet liegen. Ausgehend von einem narratoästhetischen Erzählimpuls liegt dem Kind bereits die gesamte Erzählstruktur in visueller Form vor. Für die anschließende verbale Erzählkonstruktion muss die Perspek‐ tive der Leser: innen berücksichtigt werden, da diesen der narratoästhetische Erzählimpuls nicht vorliegt. Die Berücksichtigung der leserseitigen Perspektive stellt während des Erzählprozesses bei einer stärkeren Orientierung an der visuellen Narration des Erzählimpulses aber eine größere Herausforderung dar. Damit erklärt sich auch der Unterschied zwischen den Erzählgestaltungen zu verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen: Die starke Orientierung an der visuellen Narration des imaginären Erzählimpulses könnte dazu führen, dass die Berücksichtigung der leserseitigen Perspektive zwischenzeitig vernachläs‐ sigt wird. Es werden weniger implizit visualisierte Ereignisse versprachlicht. Im Gegensatz dazu könnte die Konstruktion einer eigenen Erzählung angestoßen durch den fiktiven Erzählimpuls die Fokussierung der leserseitigen Perspektive begünstigen und so zu einer stärker ausgeprägten Versprachlichung implizit visualisierter Ereignisse führen. Demnach untermauert die höhere Anzahl an Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse die Annahme, dass die Kinder ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls stärker auf die Konstruktion einer Erzählung als auf die Beschreibung der Narration fokussiert sein könnten. Zusammenfassend zeigt die Analyse der narrativ-strukturierten Gebrauchs‐ muster sowie der inhaltlichen Erzählgestaltung, dass mit der Gestaltung des imaginären Erzählimpulses primär eine bildbeschreibende Erzählhaltung er‐ öffnet wird, indem der narratoästhetische Erzählimpuls als „Erzählvorlage“ fungiert. Im Gegensatz dazu fungiert ein fiktiver Erzählimpuls als „Erzählan‐ stoß“ zur globalkohärenten Erzählgestaltung. In diesem Zusammenhang liegt in der Auswahl und Gestaltung visueller Ankerpunkte das Potential, relevante Zusammenhänge z. B. zwischen der Ausgangs- und Abschlusssituation heraus‐ zustellen. Ein poetisch-evozierender Sprachgebrauch zum Ausdruck individueller 338 6 Empirische Analyse Literacy-Erfahrungen und zur Verstärkung einer poetischen Leseart kann in allen Erzähltexten ausgemacht werden. Der poetisch-evozierende Sprachge‐ brauch ist entsprechend den linguistischen Subkategorien auf syntaktischer, morphosyntaktischer und morphologischer unterschieden worden. Ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls ist ein poetisch-evozierender Sprachgebrauch deutlich stärker ausgeprägt und lässt darauf schließen, dass eine phantastische Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse die Verwendung poetisch-evo‐ zierender Gebrauchsmuster begünstigen könnte. Mit Bezug zu der qualitativen Analyse ausgewählter Erzähltexte können detailliertere Ergebnisse für die Verwendung der poetisch-evozierenden Ge‐ brauchsmuster bei der Erzählgestaltung zu den verschiedenen narratoästheti‐ schen Erzählimpulsen herausgestellt werden. In den qualitativen Analysen der ausgewählten Erzähltexte zeigt sich, dass mit den poetisch-evozierenden Ge‐ brauchsmustern in den beiden Erzähltexten eines Kindes neben der höheren An‐ zahl auch verschiedene übergeordnete Funktionen einhergehen. Primär können dazu poetisch-evozierende Gebrauchsmuster zur Verstärkung der narrativen Struktur, zur genauen Beschreibung räumlicher Gegebenheiten der visuellen Narration und zum Ausdruck narrativer Imaginationen erfasst werden. Die Verwendung poetisch-evozierender Gebrauchsmuster zur Verstärkung der narrativen Struktur der Erzählungen kann in der qualitativen Analyse anhand der ausgewählten Erzähltexte unabhängig von dem narratoästhetischen Erzählimpuls zur Erzählgestaltung erfasst werden. In den Erzähltexten können die poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster vorrangig im Zusammenhang mit der Textmusterphase der Komplikation erfasst werden (vgl. Kind 84, Kind 11). Bereits für die Verwendung kontrastierender Gebrauchsmuster konnte herausgestellt werden, dass sich die visuelle Gestaltung der Komplikation in den beiden narratoästhetischen Erzählimpulsen nicht stark differenziert, sodass die sprachliche Gestaltung der Komplikation möglicherweise stärker von dem Handlungsstrang bestimmt wird. Demnach könnte für die Verwendung poe‐ tisch-evozierender Gebrauchsmuster zur narrativen Verstärkung das Potential der narratioästhetischen Erzählimpulse in dem Handlungsstrang der visuellen Narration liegen. Die Verwendung poetisch-evozierender Gebrauchsmuster zur genauen Be‐ schreibung räumlicher Gegebenheiten der visuellen Narration konnte bei der qualitativen Analyse der ausgewählten Erzähltexte häufiger bei der Erzählge‐ staltung ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls ausgemacht werden als ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls. Die poetisch-evozierenden Ge‐ brauchsmuster zur möglichst genauen Beschreibung räumlicher Gegebenheiten der visuellen Narration lassen auf eine stärkere Orientierung an der visuellen 339 6.4 Zusammenführung und Interpretation der Ergebnisse Narration schließen, sodass die Kinder sich stark an dem narratoästhetischen Erzählimpuls orientieren und nicht die Konstruktion einer eigenen Erzählung fokussieren. Zusammenführend bestätigt sich durch den Gebrauch der poe‐ tisch-evozierenden Gebrauchsmuster die Annahme, dass von einem imaginären Erzählimpuls eine stärker bildbeschreibende Erzählgestaltung unterstützt wird und der imaginäre Erzählimpuls vielmehr als Erzählvorlage dient. Bei der Verwendung poetisch-evozierender Gebrauchsmuster als Ausdruck narrativer Imaginationen verschriftlichen die Kinder ihre individuellen Vor‐ stellungen, die während der Verarbeitung der visuellen Erzählimpulse durch visuelle Ankerpunkte angestoßen werden. Dehn (2019) spricht von Transfer‐ prozessen, in denen visuelle und verbale Rezeptionserfahrungen bzw. narra‐ tive Imaginationen ausgehandelt und schließlich in die eigene sprachliche Produktion überführt werden. Neben dem Ausdruck der narrativen Imagi‐ nationsprozesse fungieren die versprachlichten Imaginationen in Form der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster gleichzeitig als Anstoßpunkte für le‐ serseitige Imaginationsprozesse. In dieser Funktion kann in der qualitativen Analyse gerade in den ausgewählten Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls eine Vielzahl der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster erfasst werden. Durch die starke Ausprägung eines poetisch-evozierenden Sprachgebrauchs in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls bestätigt sich die theoretisch hergeleitete Annahme, dass in der Gestaltung des fiktiven Erzählimpulses ein größeres Potential liegt, narrative Imaginationsprozesse anzustoßen. In diesem Zusammenhang kann hervorgehoben werden, dass sich keine Unterschiede in den verschieden stark ausgeprägten Literacy-Erfahrungen der Kinder aufzeigen lassen. Unabhängig von den vorschulischen Erfahrungen mit Literarität und Literalität gelingt es allen Kindern, die narrativen Imaginationen zur visuellen Narration in Transferprozessen für die eigene Erzählgestaltung zu nutzen. Entgegen den empirischen Daten modelliert Augst (2010) den Gebrauch von literarischen Sprachformen ontogenetisch und sieht neben den individuellen Vorerfahrungen eine große Bedeutung in den schulischen Instruktionen. Die qualitative Analyse der ausgewählten Erzähltexte zeigt, dass es den Kindern bereits ohne schulische Instruktionen zum schriftlichen Erzählen gelingt, poe‐ tisch-evozierende Gebrauchsmuster zu verwenden. Zusammenfassend lässt der poetisch-evozierende Sprachgebrauch zum Ausdruck narrativer Imaginationen darauf schließen, dass in einem fiktiven Erzählimpuls das Potential liegt, allen Kindern unabhängig der Literacy-Erfahrungen einen Zugang zu narrativen Imaginationsprozessen zu eröffnen. 340 6 Empirische Analyse 7 Diskussion und Erkenntnisgewinn Die Ergebnisse dieser Studie lassen darauf schließen, dass die Gestaltung eines Erzählimpulses für den sprachdidaktischen Forschungsdiskurs von besonderer Relevanz ist. Dies spiegelt sich in der unterschiedlichen Ausprägung des nar‐ rativen Sprachgebrauchs der Kinder ausgehend von verschieden gestalteten Erzählimpulsen wider. In einer abschließenden Diskussion können die Ergeb‐ nisse in Bezug auf die Ebenen des Narrativen in Bild und Text theoretisch reflektiert werden. Ziel ist es, zusammenführend die Wirkungspotentiale von Bildimpulsen als narratoästhetische Erzählimpulse für das schriftliche Erzählen herauszustellen. Abschließend kann ausgehend von den Wirkungspotentialen der Erkenntnisgewinn für den sprachdidaktischen Forschungsdiskurs aufge‐ zeigt werden. 7.1 Diskussion der Ebenen des Narrativen im Bild In der empirischen Analyse konnte aufgezeigt werden, dass imaginäre Erzähl‐ impulse eine bildbeschreibende Erzählgestaltung und fiktive Erzählimpulse eine globalkohärente Erzählkonstruktion begünstigen. Nach Weidenmann (1994) können den narratoästhetischen Erzählimpulsen damit verschiedene Funk‐ tionen zugeschrieben werden: Ein imaginärer Erzählimpuls nimmt primär eine aktivierende Funktion ein, sodass die Betrachter: innen die visuelle Narration in eine verbale Erzählung übertragen. Einem fiktiven Erzählimpuls kann eine ersetzende sowie konstruierende Funktion zugeschrieben werden, sodass die Erzählung durch einen (handelnden) Umgang mit narrativen Gebrauchsmus‐ tern verbalisiert wird. Im Zusammenhang mit dem Wissenserwerb geht nach Weidenmann (1994) mit der Funktion eines Bildes eine spezifische Gestaltung einher: „Die optimale Gestaltung eines Bildes sollte sich nach der Funktion richten, die es vermutlich bei den Lernern erfüllen wird. Bei der Aktivierungsfunktion kann ein Bild sehr sparsam sein; es muß lediglich die wesentlichen Schlüsselinformationen enthalten. Bei der Ersatzfunktion dagegen muß das Bild die ganze Vielfalt von Informationen übermitteln, die in der Wissensstruktur des Lerners fehlt.“ (ebd. 36) Für die Gestaltung narratoästhetischer Bilder können die Informationen im Bild durch visuelle Ankerpunkte modelliert werden. Die Verarbeitung narra‐ toästhetischer Bilder erfordert im besonderen Maß die Interaktion mit den individuellen Visual Literacies, womit durch die Annahme von Nikolajeva (2012) eine hierarchische Strukturierung von visuellen Ankerpunkten bzw. visuellen Codes auf drei Ebenen des Narrativen argumentiert werden kann (vgl. Kapitel 2.3). Aufgrund der bildbeschreibenden Erzählgestaltung kann angenommen werden, dass die Kinder primär die visuellen Ankerpunkte auf Mikroebene des Erzähltextes durch einen geringeren Rückgriff auf Visual Literacies verarbeiten. Im Gegensatz dazu kann anhand der globalkohärenten und ausschmückenden Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls geschlussfolgert werden, dass die Kinder auf allen drei Ebenen der Bilder visuelle Ankerpunkte verarbeiten und tiefergehend zur Konstruktion der Narration angestoßen werden. Zusam‐ menführend liegt demnach in den visuellen Ankerpunkten auf Mikroebene narratoästhetischer Bilder das Potential für eine aktivierende Funktion. Visuelle Ankerpunkte auf Meso- und Makroebene hingegen eröffnen die Möglichkeit, dass narratoästhetische Bilder eine ersetzende und konstruierende Funktion einnehmen. Die bildbeschreibende Erzählgestaltung und somit aktivierende Funktion von Bildern wird durch die Präsenz des Erzählimpulses im Wahrnehmungsraum be‐ gründet (vgl. u. a. Becker/ Stude 2017, Becker 2001, Bredel 2001). Diese erschwert den Aufbau einer mentalen Distanz zum Wahrnehmungsraum und die Veror‐ tung der Sprachhandlung in einer fiktiven Erzählwelt (vgl. Bredel 2001). Dieser Kritik kann somit bei der Erzählgestaltung zu einem imaginären Erzählimpuls nachgekommen werden. Allerdings lässt der narrative Sprachgebrauch in den kindlichen Erzählungen diese Annahme nicht für die Verarbeitung des fiktiven Erzählimpulses zu. Den Kindern gelingt es dabei, sich von dem Erzählimpuls im Wahrnehmungsraum zu distanzieren und die Sprachhandlungen in einer fiktiven Erzählwelt zu verorten. Damit verstärken die empirischen Daten der Arbeit, dass neben dem Aufbau einer Distanz zum narratoästhetischen Erzähl‐ impuls die Evaluation des Erzählimpulses und die mentale Bewusstseinshaltung von Relevanz sind. Daraus resultieren Transformationsprozesse, in denen die visuelle und verbale Narration ausgehandelt werden. Diese können durch nar‐ rative Imaginationen zum Ausdruck kommen, sodass narrative Imaginationen nicht nur als ein Bindeglied zwischen visueller und verbaler Narration interpre‐ tiert werden (vgl. u. a. Dehn 2019, Glas 2019, Sowa 2019), sondern auch als Brücke des mentalen Handelns im Wahrnehmungs- und Erzählraum fungieren: „Einerseits sucht die Imagination ihr Objekt im Bereich der Wahrnehmung und zielt auf die wahrnehmbaren Elemente und andererseits bzw. zugleich ist sie spontan und schöpferisch im Entwerfen fiktiver Bildwelten.“ (Uhlig 2012, 118) 342 7 Diskussion und Erkenntnisgewinn Gerade in den qualitativen Analysen der kindlichen Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls konnte eine Vielzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmus‐ tern erfasst werden, die auf narrative Imaginationen schließen lassen. Die empirischen Daten dieser Arbeit bestätigen damit die Relevanz narrativer Imaginationen und bestärken die von Mechthild Dehn bereits 2007 erstmalig angeführte Bedeutung der Transformationsprozesse von visuellen und verbalen Narrationen für das sprachliche Lernen. Dabei liegt gerade in einem fiktiven Erzählimpuls das Potential, durch visuelle Ankerpunkte auf Meso- und Makro‐ ebene der narratoästhetischen Bilder narrative Imaginationen für Transforma‐ tionsprozesse anzustoßen. 7.2 Diskussion der Ebenen des Narrativen im Text Der narrative Sprachgebrauch in Erzähltexten zu den verschiedenen Erzählim‐ pulsen ist unterschiedlich stark ausgeprägt und lässt damit Rückschlüsse auf den etablierten Erzählkontext zu. Topalović/ Uhl (2014a) stellen für die Markierung von Erzählkontexten exemplarisch den Tempusgebrauch heraus, wonach ein präteritaler Tempusgebrauch einen fiktiven Erzählkontext auszeichnet. Auf Grundlage erzähltheoretischer sowie empirischer Studien (vgl. u. a. Schüler 2019, Langlotz/ Binanzer 2019, Uhl 2015, Augst et al. 2007, Becker 2001) konnten weitere narrative Gebrauchsmuster herausgestellt werden, die prototypischer‐ weise in fiktiven Erzähltexten zur Erzählgestaltung verwendet werden. Ausge‐ hend von der empirischen Analyse des narrativen Sprachgebrauchs in den Erzähltexten lässt eine stärkere Ausprägung der Gebrauchsmuster somit darauf schließen, dass die Erzählgestaltung von einem fiktiven Erzählkontext gerahmt ist und die Sprachhandlung in einer fiktiven Erzählwelt verortet ist. Im Gegen‐ satz dazu kann eine geringe Ausprägung des narrativen Sprachgebrauchs auf einen imaginären Erzählkontext zurückgeführt werden. Zwar konnte in der Arbeit keine quantitative Analyse zum Einfluss der Literacy-Erfahrungen der Kinder erbracht werden, da mit der differenzierten Ausprägung der vorschulischen Literacy-Erfahrungen keine ausreichende Stichprobengröße erreicht werden konnte. Allerdings zeigt die qualitative Analyse unter Berücksichtigung der vorschulischen Literacy-Erfahrungen, dass ausgehend von einem fiktiven Erzählimpuls alle Kinder auf narrative Gebrauchsmuster zurückgreifen und dies darüber hinaus deutlich stärker als im Vergleich zu der Erzählgestaltung ausgehend von einem imaginären Erzählim‐ puls. Besonders markierend sind die Ergebnisse zum Ausdruck der Narration auf Mesoebene des Erzähltextes: Die Etablierung einer Erzählerperspektive gelingt 343 7.2 Diskussion der Ebenen des Narrativen im Text ausgehend von dem imaginären Erzählimpuls ausschließlich dem Kind mit stark ausgeprägten Literacy-Erfahrungen. Im Gegensatz dazu gelingt ausgehend von einem fiktiven Erzählimpuls allen Kindern unabhängig von der Ausprägung der Literacy-Erfahrungen die Etablierung einer Erzählerperspektive. Damit er‐ öffnen eine phantastische Darstellung der erzählten Welt und der starke Ausdruck einer visuellen Narration allen Kindern die Möglichkeit, die Fiktion in dem visuellen Erzählimpuls zu entdecken. Zusammenführend liegt in einem fiktiven Erzählimpuls somit das Potential, allen Kindern einen Zugang zu fiktiven Erzählwelten zu eröffnen und Freiraum für Kreatives und Ästhetisches zu schaffen. Differenzierte Rückschlüsse zur Ausprägung eines narrativen Sprachge‐ brauchs ermöglichen eine Diskussion der narrativen Gebrauchsmuster in Bezug auf die verschiedenen Ebenen des Narrativen. Die empirische Analyse der kindlichen Erzähltexte zu verschiedenen narratoästhetischen Erzählimpulsen hat gezeigt, dass der Ausdruck der Narration auf den Ebenen des Erzähltextes unterschiedlich stark ausgeprägt ist. In den Erzählungen zum fiktiven Erzählim‐ puls kann sowohl auf Mikro-, Mesoals auch Makroebene des Erzähltextes eine starke Ausprägung narrativer Gebrauchsmuster ausgemacht werden. Eine Er‐ zählung zum imaginären Erzählimpuls zeichnet sich im Verhältnis zum fiktiven Erzählimpuls durch eine schwächere Ausprägung narrativer Gebrauchsmuster aus. Die Modellierung der Ebenen des Narrativen in Erzähltexten ist angelehnt an die Annahme eines Hierarchienkonstrukts in narrativen Texten von Barthes (1988) und Zeman (2020). Obwohl Zeman (2020) diese Modellierung gerade in literatur- und sprachwissenschaftlichen Kontexten auf Erzählungen von Erwachsenen anwendet, zeichnet sich eine Ebenenhierarchie auch in den kindlichen Erzählungen zum fiktiven Erzählimpuls dieser Studie ab. Folgt man den Annahmen von Zeman (2020), resultiert die hierarchische Ausprägung narrativer Gebrauchsmuster innerhalb der kindlichen Erzähltexte aus einer zugrunde liegenden Perspektivenstruktur der Narration. Zeman (2020) geht sogar so weit, dass Fiktionalitätsmerkmale eine Konsequenz aus der Perspekti‐ venkonstellation der Narration sind: „Vielmehr sind die sekundären Fiktionalitätseffekte eine mögliche Konsequenz der Perspektivenkonstellation der Narration, die nicht nur die Distanzierung der erzählten Ereignisse auf der lokalen, temporalen und modalen Ebene (und damit eine große Vielfalt von narrativen Konstellationen) erlaubt, sondern zusätzlich eine Ablesung der illokutiven Kraft vom Aussagesubjekt als Abweichung von der konversation‐ ellen Default-Situation ermöglicht. Narrativität und Fiktionalität sind damit nicht gleichzusetzen, basieren aber gleichermaßen auf dem Prinzip des ‚Decoupling‘ (Cos‐ 344 7 Diskussion und Erkenntnisgewinn mides/ Tooby 2000) bzw. dem grammatischen Prinzip der Versetzungsdeixis (Bühler 1934).“ (Zeman 2020, 488) Die Perspektivenstruktur nimmt während des Erzählprozesses eine besondere Bedeutung ein und erfolgt nach Zeman et al. (2017) aus der Evaluation des Erzählanlasses (vgl. Kapitel 4.1.1). In dieser Studie sind die beiden narratoäs‐ thetischen Erzählimpulse als Erzählanlässe herangezogen worden, die sich bei unterschiedlicher Gestaltung auch durch eine unterschiedlich starke Ausprä‐ gung des narrativen Sprachgebrauchs auszeichnen. Damit liegt in einem fiktiven Erzählimpuls ein größeres Potential zur Evaluation der Erzählwürdigkeit und dem Erzeugen einer Perspektivenstruktur. Die Modellierung von Ebenen des Narrativen kann der Konstruktionsgram‐ matik nach auch als Konstruktikon verstanden werden (vgl. u. a. Ziem 2014, Goldberg 1995): „Vor diesem Hintergrund schlägt die Konstruktionsgrammatik zur einheitlichen Modellierung von sprachlichem Wissen das Format der Konstruktion vor: konventi‐ onalisierte Form-Bedeutungspaare variierender Komplexität und Spezifität. In einem Netzwerk von Konstruktionen, dem so genannten Konstruktikon, so die Annahme, seien diese systematisch verbunden.“ (Ziem 2014, 15) Gerade für den kindlichen Sprachgebrauch ist eine empirische Evidenz hierar‐ chischer und integrierter Bedingungen des Sprachgebrauchs bisher rar (vgl. u. a. Schaller 2018), sodass mit der empirischen Analyse des narrativen Sprach‐ gebrauchs in dieser Arbeit ein erster Anhaltspunkt dafür gegeben wird, dass sich narrative Gebrauchsmuster bzw. Konstruktionen in kindlichen Erzählungen als ein Ebenenkonstrukt modellieren lassen. Allerdings fällt anhand der empirischen Daten auf, dass die Ausprägungen der narrativen Gebrauchsmuster auf den einzelnen Ebenen zwischen den Erzähltexten zu verschiedenen Erzählimpulsen different sind. Entsprechend der integrativen Modellierung der Ebenen ist der Unterschied am stärksten auf Mak‐ roebene des Erzähltextes gegeben und verringert sich über die Mesoebene bis zur Mikroebene immer stärker. In der konstruktionsgrammatischen Forschung zur Beschaffenheit von Konstruktikons wird angenommen, dass Relationen zwischen einzelnen hierarchischen Konstruktionen bestehen können (vgl. u. a. die Beiträge in Lasch/ Ziem 2014). Fischer (2014) untersucht angelehnt an die empirische Studie von Abbot-Smith/ Behrens (2006) den Sprachgebrauch Erwachsener gerichtet an einen kindlich simulierenden Roboter. In diesem Zusammenhang nimmt Fischer (2014) u. a. an, dass „konzeptuelle Relationen zwischen Konstruktionen“ (Fischer 2014, 256) bestehen können: 345 7.2 Diskussion der Ebenen des Narrativen im Text „Zum einen gibt es Relationen zwischen Konstruktionen, die durch die Struktur der konzeptualisierten Szene bedingt sind. Damit gibt es Evidenz für konzeptuelle Rela‐ tionen zwischen Konstruktionen, insofern als einige Konstruktionen von den Tutoren als Grundlage für das Verständnis anderer Konstruktionen verwendet werden.“ (ebd.) Übertragen auf den narrativen Sprachgebrauch könnte dies bedeuten, dass zum Ausdruck der Narration in schriftlichen Erzählungen konzeptuelle Rela‐ tionen zwischen den narrativen Gebrauchsmustern bestehen, welche durch das Ebenenkonstrukt erfasst werden. Die unterschiedlich starken Differenzen an narrativen Gebrauchsmustern zwischen den Ebenen lassen darauf schließen, dass eine Verwendung narrativer Gebrauchsmuster möglicherweise vor dem Hintergrund der übergeordneten Ebene begünstigt wird. Dies gelingt den Kin‐ dern gerade bei der Erzählgestaltung zum fiktiven Erzählimpuls. Demnach geht mit einem fiktiven Erzählimpuls das Potential einher, die Narration auf allen Ebenen des Erzähltextes zum Ausdruck zu bringen und narrative Gebrauchs‐ muster konzeptuell zu verknüpfen. Zwar war diese Studie nicht längsschnittlich ausgelegt und hat damit nicht den Anspruch, einen Entwicklungsverlauf nachzuskizzieren. Dennoch sind Erkenntnisse zu einem Ebenenkonstrukt auch aus sprachentwicklungstheore‐ tischer Perspektive besonders interessant: Der Ausbau narrativer Gebrauchs‐ muster könnte sich möglicherweise ebenfalls vor dem Hintergrund der Eben‐ enhierarchie vollziehen, sodass narrative Gebrauchsmuster höherer Ebenen den Ausbau untergeordneter Gebrauchsmuster unterstützen und anregen können (vgl. Schaller 2018, 111). Dieses gilt es in weiterführenden Forschungen empi‐ risch zu überprüfen. 7.3 Wirkungspotentiale narratoästhetischer Erzählimpulse Abschließend gilt es ausgehend von der Diskussion der Ebenen des Narra‐ tiven, die Wirkungspotentiale von narratoästhetischen Erzählimpulsen für die schriftliche Erzählfähigkeit herauszustellen. Die schriftliche Erzählfähigkeit zeichnet sich in der Ausprägung eines narrativen Sprachgebrauchs aus, der auf den etablierten Erzählkontext zurückgeführt werden kann (vgl. Kapitel 3). Anhand der empirischen Analyse der kindlichen Erzähltexte zeichnen sich die Erzähltexte ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls durch die starke Ausprägung des narrativen Sprachgebrauchs aus. Die Erzählungen ausgehend von einem imaginären Erzählimpuls lassen auf eine schwächere Ausprägung des narrativen Sprachgebrauchs schließen, sodass sich die Wirkungspotentiale 346 7 Diskussion und Erkenntnisgewinn narratoästhetischer Erzählimpulse für einen narrativen Sprachgebrauch wie folgt bestätigen lassen: G ESTALTUNG B EWUSST- SEINS- HALTUNG V ERWEIS- RAUM E RZÄHL- KONTEXT N ARRATIVER S PRACH- GEBRAUCH I MAGINÄRER E RZÄHLIMPULS schwacher Ausdruck einer visuellen Narration u. lebensweltliche Darstellung der erzählten Welt vorstellendimaginär alltäglicher Vorstellungsraum Imaginäres schwächer ausgeprägt F IKTIVER E RZÄHLIMPULS starker Ausdruck einer visuellen Narration u. phantastische Darstellung der erzählten Welt vorstellendfiktiv fiktiver Erzählraum Fiktives stark ausgeprägt Tab. 51: Wirkungspotentiale narratoästhetischer Erzählimpulse für einen narrativen Sprachgebrauch Die Unterscheidung zwischen einem imaginären und fiktiven Erzählimpuls ergibt sich durch die Analyse der Gestaltungsmerkmale zum Ausdruck der visuellen Narration und der Darstellung der erzählten Welt. Die empirische Analyse der Sprachdaten ermöglicht keine eindeutige Zurückführung auf die Bedeutung einzelner Gestaltungsmerkmale für den narrativen Sprachgebrauch. Aber es bestätigt sich die theoretisch fundierte Modellierung der Gestaltungs‐ kontinuen für narratoästhetische Erzählimpulse darin, dass in einer stärkeren Ausprägung der visuellen Narration ein größeres Potential zum Aufbau einer mentalen Distanz zum Erzählimpuls liegt. Eine Herausforderung stellt allerdings eine eindeutige Verortung der er‐ zählten Welt zwischen einer lebensweltlichen und phantastischen Darstellung dar, was bereits in der Beschaffenheit eines Kontinuums begründet liegt (vgl. z. B. die Kritik einer schwer überprüfbaren Zuordnung an dem viel rezipierten Nähe-Distanz-Modell von Koch/ Oesterreicher bei Albert 2013, 60). Für die Auswahl von Erzählimpulsen erscheint eine fließende Differenzierung der Gestaltung von visuellen Erzählimpulsen allerdings bedeutsam: „Die Einteilung der unterschiedlichen Bilderbuchtypen gemäß ihrem Anspruch an die Erzählkompetenz und die Visual Literacy soll es Kindern und Jugendlichen, Eltern, Lehrern, Erziehern und Bibliothekaren erleichtern, eine adressatengerechte Auswahl 347 7.3 Wirkungspotentiale narratoästhetischer Erzählimpulse im unüberschaubaren Angebot an textlosen Bilderbüchern zu treffen.“ (Krichel 2020, 47) Übertragen auf die Gestaltungskontinuen der erzählten Welt können durch den Anspruch von Visual Literacies bei der Bildverarbeitung Abstufungen zwischen einer lebensweltlichen und phantastischen Handlungs-, Figuren- und Raumdarstellung bestimmt werden, die als Orientierung eine Analyse und Auswahl von narratoästhetischen Erzählimpulsen unterstützen. Wie hoch der Anspruch an Visual Literacies für die Verarbeitung visueller Codes ist, hängt nach Nikolajeva (2012) mit dem Grad des „impossible space“ (ebd. 34) zusammen. Für die Raumgestaltung kann der impossible space in Anlehnung an Piatti (2009) durch den Grad der realistischen Konzeptionen erfasst werden, sodass sich die Raumgestaltung durch literarisierte, fingierte und magische Räume differen‐ zieren lässt (vgl. Kapitel 2.2.2.2). Darüber hinaus haben sich in der empirischen Analyse die Ausschmückung und Semantisierung des Raums als bedeutsam für die Etablierung eines fiktiven Erzählkontextes herausgestellt, sodass das Kontinuum zur Raumdarstellung durch einen minimalistischen Raum ergänzt werden kann. Mit einer minimalistischen Raumgestaltung wird ein Raum durch einzelne Elemente angedeutet, aber nicht vollständig nachgestellt (z. B. die Raumdarstellung in „Warum? Darum! “ von Jonny Lambert, 2017). Literarisierte Räume stellen entsprechend der Definition von Piatti (2009) ein Abbild der realen Welt dar (z. B. das Bilderbuch zur Stadt Hamburg „Hamburg entdecken und erleben“ von Claudia Stodte und Peter Fischer, 2019). Bei einer fingierten Darstellung handelt es sich um frei erfundene Räume, bei denen realistische Konzeptionen der Lebenswelt übernommen werden, sodass diese existieren könnten (z. B. die Raumdarstellung in „Die Torte ist weg! “ von Thé Tjong-Khing, 2006). Bei der Darstellung magischer Räume handelt es sich ebenfalls um frei erfundene Räume, die allerdings Merkmale aufweisen, die den Konzeptionen und Strukturen der realen Welt nicht entsprechen (z. B. die Raumdarstellung in „Die Fundsache“ von Shaun Tan, 2009). Bei der Handlungsdarstellung zeigt sich der impossible space in der Mög‐ lichkeit, dass die Handlung in der realen Welt vollzogen werden kann. Mit literarisierten Handlungen werden wahre Gegebenheiten und damit wirklich stattgefundene Handlungsstränge dargestellt (z. B. die Handlungsskizzierung in „Edison und die Erfindung des Lichts“ von Luca Novelli, 2006). Wird eine Handlung fingiert dargestellt, so ist diese nicht auf ein existierendes Ereignis zurückzuführen, könnte aber in der realen Welt stattgefunden haben (z. B. der Klau einer Torte in „Die Torte ist weg! “ von Thé Tjong-Khing, 2006). Eine magische Handlungsdarstellung erfasst Handlungszüge, die nicht den 348 7 Diskussion und Erkenntnisgewinn Konzeptionen der realen Welt entsprechen (z. B. das Fliegen auf dem Teppich in „Jim Knopf und der fliegende Teppich“ von Charlotte Lyne, 2017). Auch für die Figurengestaltung kann die Unterscheidung zwischen literari‐ sierter, fingierter und magischer Darstellungsform übernommen werden. Mit literarisierten Figuren wird die Darstellung von Personen oder Lebewesen erfasst, die auch in der realen Welt existieren bzw. existiert haben (z. B. die Darstellung von Einstein in „Einstein. Die fantastische Reise einer Maus durch Raum und Zeit“ von Thorben Kuhlmann, 2020). Bei einer fingierten Figurendar‐ stellung werden die Konzeptionen und Merkmale der realen Welt übernommen, sodass die Figuren in dieser Form auch in der Lebenswelt existieren könnten (z. B. die Figurendarstellung in den „Conni“-Büchern von Liane Schneider, 2010). Bei einer frei erfundenen Figurendarstellung mit Merkmalen, sodass eine Existenz in der realen Welt ausgeschlossen werden kann, können zwei verschiedene Formen unterschieden werden. Erfolgt die Figurendarstellung durch die Personifizierung von nicht-menschlichen Lebewesen, Gegenständen, o. ä. (z. B. tierische Figuren, sprechende Bäume), können diese als personifizierte Figuren bezeichnet werden (z. B. die Figuren in „Die Torte ist weg! “ von Thé Tjong-Khing, 2006). Zeichnen sich Figuren durch magische oder überirdische Merkmale aus, kann die Figurendarstellung als magisch bezeichnet werden (z. B. Figuren in „Hieronymus“ von Thé Tjong-Khing, 2016). Zusammenführend kann zur Erfassung der Gestaltungspotentiale narrato‐ ästhetischer Erzählimpuls ein ausdifferenziertes Kontinuum für die visuelle Narration und die Darstellung der erzählten Welt angeführt werden, welches die Auswahl und Analyse von narratoästhetischen Erzählimpulsen ermöglicht: 349 7.3 Wirkungspotentiale narratoästhetischer Erzählimpulse literarisierte Handlungen fingierte Handlungen magische Handlungen literarisierte Figuren fingierte Figuren personifizierte Figuren magische Figuren minimalistischer Raum literarisierter Raum fingierter Raum magischer Raum Visuelle Erzählinstanz Bildkompositorische Narrationsmarker Bildinhaltliche Narrationsmarker H ANDLUNG lebensweltlich phantastisch Lich F IGUREN lebensweltlich phantastisch Lich R AUM lebensweltlich phantastisch Lich schwach V ISUELLE N ARRATION stark Abb. 68: Gestaltungskontinuum narratoästhetischer Erzählimpulse 7.4 Erkenntnisgewinn für den sprachdidaktischen Forschungsdiskurs Aus den Wirkungspotentialen narratoästhetischer Erzählimpulse für einen narrativen Sprachgebrauch können verschiedene Erkenntnisse für den sprach‐ didaktischen Forschungsdiskurs abgeleitet werden. Zunächst können die Ergebnisse zur unterschiedlichen Ausprägung des narrativen Sprachgebrauchs bei der Erzählgestaltung zu verschiedenen Erzählimpulsen einen wichtigen Beitrag für den sprachdidaktischen Diskurs zum Ausbau narrativer Fähigkeiten leisten. Ein schwächer ausgeprägter narrativer Sprachgebrauch beschränkt sich primär auf die Verwendung linguistischer Sprachformen als Fiktionalitätsmarker (präteritale Tempora, Adverbien und Junktionen). Es zeigt sich allerdings, dass diese alleine für die Konstruktion einer globalkohärenten Erzählung in fiktiven Erzählkontexten nicht ausreichen. Die Verortung einer Erzählung in einer fiktiven Erzählwelt kommt erst mit der Etablierung einer Erzählerperspektive zum Ausdruck und erlangt vor allem dann eine besondere narrative Ausdrucksstärke, wenn eine wechselseitige 350 7 Diskussion und Erkenntnisgewinn Interaktion zwischen Erzählenden und Lesenden sprachlich zum Ausdruck kommt. Damit bestärken die Erkenntnisse dieser Arbeit die weitreichende Kritik einer normativen Schreibdidaktik (vgl. u. a. Bredel 2019, Schüler 2019, Uhl 2015, Hochstadt 2015): Den Funktionen des Erzählens kann nicht durch einen alleinigen Gebrauch linguistischer Sprachformen gerecht werden. Erst vor dem Hintergrund narrativer Gebrauchsmuster zur Etablierung einer Erzähler- und Protagonistenperspektive sowie narrativer Gebrauchsmuster zur wechsel‐ seitigen Interaktion zwischen Erzählenden und Lesenden können linguistische Sprachformen zum Ausdruck des Sprachhandelns in fiktiven Erzählwelten fungieren. Bredel (2019) weist darauf hin, dass „sprachliches Lernen kontextu‐ alisiertes Lernen ist“ (ebd. 27) und wirft in diesem Zusammenhang die folgende Frage auf: „In Bezug auf die Förderung tritt die Frage, ob ‚Focus on Form‘, also eine Konzentration auf formale Strukturen und Muster als zentrale Lernunterstützung, oder ,Focus on Meaning‘, also eine Konzentration auf Bedeutungen und Funktionen von sprachlichen Handlungen als zentrale Lernunterstützung (vgl. Rösch/ Stanat 2011), einen angemes‐ seneren Unterstützungsrahmen bieten, gegenüber dem Konzept einer reziproken Bezugnahme zueinander zurück. Ob und inwieweit sich das (schriftliche) Erzählen als Erwerbsanlass in diesem Sinne dann auch dazu eignet, sprachliches Können zu fördern, das über das Erzählen hinausweist, ist bislang noch nicht umfassend erforscht.“ (Bredel 2019, 27) Die starke Ausprägung des narrativen Sprachgebrauchs ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls bestärkt die Relevanz eines kontextualisierten Lernens. In sprachdidaktischen Zusammenhängen sollte die Etablierung eines lernförderli‐ chen Kontextes beabsichtigt werden, in dem die Kinder ihr sprachliches Können im vollen Ausmaß ausschöpfen können. Bei der Erhebung der Sprachdaten sind keine expliziten Hinweise zur Ver‐ wendung linguistischer Sprachformen angeführt worden und die Aufgabenstel‐ lung wird offen als eine Aufforderung zum Schreiben einer Erzählung formu‐ liert: Schreibe für den Wettbewerb eine Geschichte zu den Bildern. Stattdessen werden mit der Gestaltung des narratoästhetischen Erzählimpulses Kontextua‐ lisierungen geschaffen, die implizit eine narrative Lernsituation für die Kinder erzeugen. Das Potential von Kontextualisierungen für implizite Lernprozesse zeigt sich z. B. im Tempusgebrauch, indem die Kinder die Herausforderung des Ausdrucks zeitlicher Relationen innerhalb einer fiktiven Erzählwelt durch den Wechsel zum Perfekt ausdrücken. Angemessen wäre an dieser Stelle der Ge‐ brauch des Plusquamperfekts, wobei es sich um grammatisches Wissen handelt, das erst in den Kompetenzerwartungen für die weiterführenden Schulstufen 351 7.4 Erkenntnisgewinn für den sprachdidaktischen Forschungsdiskurs angeführt wird (vgl. Kernlehrplan Sekundarstufe I, 19). Kinder können aber bereits vor der expliziten Vermittlung ein Wissen über die funktionale Verwen‐ dung von Tempora zum Ausdruck zeitlicher Relationen erwerben (vgl. hierzu auch Drepper 2022, Uhl/ Drepper 2019), sodass die empirischen Ergebnisse der Studie für eine früher einsetzende und progressive Vermittlung grammatischen Wissens sprechen. Es sollten bereits in der Grundschule Lernsettings geschaffen werden, die Schüler: innen den Erwerb und Gebrauch grammatischer Konstruk‐ tionen in funktionalen Zusammenhängen implizit ermöglichen. Die Bedeutung eines kontextualisierten Lernens entkräftet auch die Kritik um die Erzählungen zu Bildergeschichten. Die empirische Ergebnisse können einen bildbeschreibenden Charakter nicht für die Entstehung der Erzählung zum fik‐ tiven Erzählimpuls aufzeigen. Gerade die hohe Anzahl an Versprachlichungen implizit visualisierter Ereignisse und die Realisierung inhaltlicher Merkmale (z. B. einen Handlungsplan) zeugen davon, dass die Kinder ausgehend von dem fiktiven Erzählimpuls über die visuelle Narration hinaus eine Erzählung konstruieren. Zusätzlich gelingt es den Kindern, narrative Imaginationsprozesse zu versprachlichen. Dies lässt außerdem darauf schließen, dass auch eine Bildergeschichte den Kindern bei entsprechender Gestaltung den geforderten Freiraum für Kreatives und Ästhetisches (vgl. Becker 2019) bieten kann. Zusam‐ menfassend können die Ergebnisse dieser Studie der Kritik zu Bildergeschichten entgegenwirken bzw. diese vielmehr konkretisieren. Eine Bildergeschichte als Erzählanlass führt nicht per se als Erzählvorlage zu einer bildbeschreibenden Erzählgestaltung, vielmehr verbirgt sich in einer entsprechenden Gestaltung der Bildergeschichte das Potential eines Erzählanlasses, der zu einer globalko‐ härenten Erzählgestaltung und dem Ausdruck narrativer Imaginationen führen kann. Schüler (2019) weist in der empirischen Analyse eines literarischen Sprachgebrauchs in narrativen Kontexten bereits darauf hin: „In dem Bestreben mit einem Impuls, der keine Sprache enthält, sprachliche Kompe‐ tenzen möglichst unabhängig von der Aufgabenstellung erfassen zu können, gerät leicht aus dem Blick, dass auch Bilder als Darstellungsformen unterschiedliche Zugänge für Vorstellungsbildung und Formen der Bezugnahme bei der sprachlichen Darstellung eröffnen.“ (ebd. 354) Die empirischen Ergebnisse dieser Studie bestärken, dass die Berücksichtigung der Gestaltung von Bildern bei der Auswahl von Erzählanlässen bedeutender ist und mehr Einfluss auf den kindlichen Sprachgebrauch nimmt, als bisher angenommen. In den Fokus der schreibdidaktischen Forschung rücken damit visuelle Ankerpunkte, die den Kindern die Entdeckung der Fiktion und den Zugang zu fiktiven Erzählwelten eröffnen (vgl. Bredel 2001). Diese können 352 7 Diskussion und Erkenntnisgewinn die Kinder im Sinne eines kontextualisierten Lernens bei dem Aufbau einer mentalen Distanz zum Wahrnehmungsraum und der Etablierung eines fiktiven Erzählkontextes unterstützen. Im sprachdidaktischen Forschungsdiskurs ist im Zusammenhang mit einem narrativen Lernen die Berücksichtigung der individuellen Literacy-Erfahrungen der Kinder bedeutsam. Von Bedeutung für die sprachdidaktische Forschung ist in diesem Zusammenhang, dass nicht die Ausprägung der individuellen Literacy-Erfahrungen der Kinder alleine als ausschlaggebender Punkt für das Ausbleiben sprachlicher Fähigkeiten betrachtet werden kann. Vielmehr sollte hinterfragt werden, ob ein Schreibimpuls die Verwendung eines spezifischen Sprachgebrauchs auch für die Kinder impliziert. Die Ergebnisse dieser Arbeit können somit im besonderen Maß aufzeigen, dass die Berücksichtigung der Wirkungspotentiale von Erzählimpulsen in sprachlichen Kontexten von großer Relevanz sein kann. Dieses Potential gilt es für das narrative Lernen zu nutzen, indem Kindern mit einem Erzählanlass narrative Kontextualisierungen geboten werden, die ihnen auch ein Ausschöpfen ihres gesamten narrativen Könnens eröffnen. Dazu wird mit dem theoretisch fundierten und empirisch überprüften Gestaltungskontinuum ein Mittel geschaffen, die Wirkungspotentiale narrato‐ ästhetischer Erzählimpulse zu analysieren. 353 7.4 Erkenntnisgewinn für den sprachdidaktischen Forschungsdiskurs 8 Resümee und Ausblick Von dieser Arbeit geht das Erkenntnisinteresse aus, Wirkungspotentiale von Bildern für das schriftliche Erzählen zu untersuchen. Dazu wurden im ersten Teil der Arbeit die theoretischen Grundlagen zu narratoästhetischen Bildern, dem Erzählen und narratoästhetischen Erzählimpulsen herausgestellt. Hierzu konnte zunächst für die Verarbeitung narratoästhetischer Bilder aufgezeigt werden, dass der Ablauf mentaler Bildverstehensprozesse in besonderem Maß durch die Interaktion individueller Visual Literacies und visueller Ankerpunkte im Bild gesteuert wird. Dazu können mentale Verarbeitungsprozesse auf hierar‐ chieniedriger und hierarchiehöherer Ebene des Bildverstehens unterschieden werden, die sich durch den Grad der Interaktion mit Visual Literacies zwischen einem routinierten Erfassen von visuellen Ankerpunkten (hierarchieniedrig) und dem Anstoß von Interpretations- und Deutungsprozessen zur Konstruktion der Bildinhalte (hierarchiehöher) differenzieren. In diesem Zusammenhang wurden visuelle Ankerpunkte im Bild als möglicher Anstoß für eine stärkere Interaktion von Visual Literacies und der Konstruktion der Bildinhalte herausge‐ arbeitet (vgl. Kapitel 2.1). Zur Spezifizierung der Ankerpunkte wurden mit Rück‐ griff auf kunst- und literaturdidaktische Studien die Gestaltungsmöglichkeiten narratoästhetischer Bilder angeführt. Es stellten sich zwei Ausgangspunkte zur Gestaltung narratoästhetischer Bilder heraus: die visuelle Narration und die erzählte Welt mit Handlungen, Raum und Figuren. Die visuelle Narration präsentiert und markiert die erzählte Welt als eine visuelle Erzählinstanz durch bildkompositorische und inhaltliche Merkmale (vgl. Krichel 2020). Die erzählte Welt erfasst die Handlungen, Räume und Figuren der visuellen Narration und kann durch visuelle Codes (vgl. Nikolajeva 2012) im Bild dargestellt werden. Die verschiedenen Gestaltungsmerkmale der erzählten Welt lassen sich in ihrem Potential als visuelle Ankerpunkte für den Bildverarbeitungsprozess darin unterscheiden, ob diese stärker durch ein automatisiertes Erfassen oder durch die mentale Konstruktion zur Erschließung der erzählten Welt anregen. Zusammenführend mit der Gestaltung einer visuellen Narration ergeben sich damit drei Ebenen des Narrativen in narratoästhetischen Bildern: Gestaltungs‐ merkmale zum automatisierten Erfassen der erzählten Welt auf Mikroebene, Gestaltungsmerkmale zur Konstruktion der erzählten Welt auf Mesoebene und Gestaltungsmerkmale einer visuellen Narration auf Makroebene (vgl. Kapitel 2.3). Bei der Gestaltung narratoästhetischer Bilder lag der Fokus auf der bildimmanenten Gestaltung, womit nach der Bilderbuchanalyse von Staiger (2019) und auch Kurwinkel (2017) die paratextuelle und materielle Dimension des Mediums außer Acht gelassen worden ist. Darunter fällt u. a. die Zugäng‐ lichkeit des Mediums in analoger oder digitaler Form. Dieser Aspekt könnte in weiterführenden Forschungen zur Entwicklung von Unterrichtsmaterialien von besonderem Interesse sein, um das Potential narratoästhetischer Bilder in digitalen Formaten stärker herauszustellen. Weiterführend ist in Kapitel 3 das Erzählen Gegenstand der theoretischen Erarbeitungen gewesen. Eine differenzierte Betrachtung der Erzählkontexte aus sprachhandlungstheoretischer Perspektive und der Relevanz eines erzäh‐ lenswerten Ereignisses als Erzählanlass (vgl. Ehlich 1983a) reduziert die Be‐ rücksichtigung von Erzählkontexten in Lernsettings auf die Unterscheidung von Imaginärem und Fiktivem (vgl. Kapitel 3.1.1). Charakteristisch für das schriftliche Erzählen in verschiedenen Erzählkontexten sind die Orientierung an mentalen Verweisräumen (vgl. Fienemann 2006, Rehbein 1980) und die Origoverschiebung (vgl. Bühler 1934 [1965]): In imaginären Erzählkontexten be‐ ziehen sich die Erzählenden während der Sprachhandlung auf einen alltäglichen Vorstellungsraum, der sich durch eine stärkere Nähe zur demonstratio ad oculos auszeichnet. Fiktive Erzählkontexte zeichnen sich durch die Verortung der Sprachhandlung in einer fiktiven Erzählwelt und den Verweis auf eine Deixis am Phantasma aus. Anhand empirischer Studien konnten verschiedene narrative Gebrauchsmuster herausgearbeitet werden, die auf das Sprachhandeln in einem fiktiven Erzählkontext schließen lassen (vgl. Kapitel 3.2). Dazu konnten als linguistische Gebrauchsmuster die kohäsive Verwendung von Adverbien und Junktionen sowie ein präteritaler Tempusgebrauch angeführt werden. Weiter‐ führend zeichnet sich ein narrativer Sprachgebrauch durch die Etablierung einer Erzählersowie Protagonistenperspektive aus, die durch die indefinite Einfüh‐ rung von Figuren, Zeit und Raum sowie der Figurenrede an der Erzähltextober‐ fläche zum Ausdruck kommen. Aus struktureller Perspektive stellt sich die Mar‐ kierung eines narrativen Textmusters durch Gebrauchsmuster als bedeutend heraus. Die literarische und ästhetische Komponente eines narrativen Sprachge‐ brauchs kommt durch poetisch-evozierende Gebrauchsmuster zum Ausdruck. Diese können sowohl als ein Ausdruck individueller Literacy-Erfahrungen verstanden werden als auch zur Verstärkung einer poetischen Leseart beitragen. Mit Bezug auf die narrative Perspektivenstruktur nach Zeman (2020) und der Ebenenhierarchie nach Barthes (1988) können die narrativen Gebrauchsmuster ineinander integriert als drei Ebenen des Narrativen in Erzähltexten modelliert werden: linguistische Sprachformen auf Mikroebene, Gebrauchsmuster zur Etablierung einer Erzählersowie Protagonistenperspektive auf Mesoebene 356 8 Resümee und Ausblick und narrativ-strukturierende und poetisch-evozierende Gebrauchsmuster auf Makroebene (vgl. Kapitel 3.3). In dem vierten Kapitel wurden die Verarbeitung und Gestaltung narratoäs‐ thetischer Erzählimpulse durch die Zusammenführung der theoretischen Merk‐ male zu narratoästhetischen Bildern und dem Erzählen herausgestellt. Bei dem Erzählen zu narratoästhetischen Erzählimpulsen als Zusammenspiel visueller und verbaler Narrationen konnte narrativen Imaginationen eine bedeutende Rolle zugeschrieben werden. Für die Verarbeitung von narratoästhetischen Erzählimpulsen konnten mit dem Konzept der narrativen Perspektivierung nach Zeman (2020) und der Unterscheidung verschiedener Bewusstseinshal‐ tungen nach Sartre 1940 [1994] entscheidende Voraussetzungen herausgear‐ beitet werden: der Aufbau einer mentalen Distanz zum narratoästhetischen Erzählimpuls im Wahrnehmungsraum und die Verknüpfung zu bereits erwor‐ benen Narrationserfahrungen (vgl. Kapitel 4.1). Durch die Berücksichtigung dieser beiden Voraussetzungen bei der Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse eröffnet sich das Potential für einen narrativen Sprachgebrauch. Die Ausprägung der Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse wurde für die visuelle Narration und die erzählte Welt jeweils in einem Kontinuum model‐ liert, welches sich auf die theoretisch hergeleiteten Gestaltungsmöglichkeiten narratoästhetischer Bilder stützt (vgl. Kapitel 4.2). In dem Kontinuum bilden eine schwache oder starke Ausprägung der visuellen Narration sowie eine lebensweltliche oder phantastische Gestaltung der erzählten Welt die jeweiligen Endpunkte. Zurückführend auf die Etablierung von Erzählkontexten wird ein Erzählimpuls mit einer stärkeren Ausprägung der visuellen Narration und einer phantastischen Gestaltung der erzählten Welt als fiktiver Erzählimpuls bezeichnet. Das Pendant bildet ein imaginärer Erzählimpuls, der sich durch eine schwächere Ausprägung der visuellen Narration und einer lebensweltli‐ chen Gestaltung der erzählten Welt auszeichnet. Die Arbeit leistet mit der Modellierung der beiden Gestaltungskontinuen einen großen Beitrag für den sprachdidaktischen Forschungsdiskurs, indem ein theoretisch fundiertes und empirisch überprüftes Mittel zur Betrachtung narratoästhetischer Bildimpulse geschaffen worden ist. Die Ergebnisse der Studie lassen bereits erahnen, dass in einzelnen Gestaltungskomponenten des Erzählimpulses eine größere Bedeutung stecken könnte (z. B. die Anführung visueller Ankerpunkte in der Abschlusssituation). Wünschenswert wäre für weiterführende Forschungen, das spezifische Potential der einzelnen Komponenten der Gestaltungskontinuen empirisch detaillierter zu überprüfen. Die beiden Kontinuen zur Gestaltung narratoästhetischer Erzählimpulse dienen im fünften Kapitel als Grundlage für die Analyse der zwei eingesetzten 357 8 Resümee und Ausblick Erzählimpulse. Ausgehend von diesen beiden Erzählimpulsen verfassen 95 Kinder in zwei gleich situierten Schreibsettings jeweils eine Erzählung. In einer umfassenden korpusbasierten Analyse der Erzähltexte konnte der narra‐ tive Sprachgebrauch zu verschieden gestalteten Erzählimpulsen qualitativ und quantitativ untersucht werden. Anhand eines Vergleichs der verwendeten Ge‐ brauchsmuster in den Erzähltexten zu den beiden narratoästhetischen Erzählimpulsen konnte herausgestellt werden, dass der narrative Sprachgebrauch ausgehend von einem fiktiven Erzählimpuls deutlich stärker ausgeprägt ist. Auf allen Ebenen des Narrativen gelingt es den Kindern, die Narration stärker in den Erzähltexten zum fiktiven Erzählimpuls zum Ausdruck zu bringen. In einer Zusammenführung und Interpretation der Ergebnisse konnten die Unterschiede in einen narrativen Sprachgebrauch ausgehend von den beiden narratoästhetischen Erzählimpulsen herausgestellt werden: Ein imaginärer Erzählimpuls führt zu einer stärker bildbeschreibenden Erzählgestaltung, wo‐ hingegen ein fiktiver Erzählimpuls die Konstruktion einer globalkohärenten Erzählung begünstigt. Ein imaginärer Erzählimpuls stellt demnach die ein‐ gangs angeführte Herausforderung dar und ermöglicht primär Kindern mit stark ausprägten Literacy-Erfahrungen den Zugang in eine fiktive Erzählwelt. Im Gegensatz dazu evoziert ein fiktiver Erzählimpuls unabhängig von den Literacy-Erfahrungen der Kinder eine starke Ausprägung des narrativen Sprachgebrauchs. Es konnte darüber hinaus aufgezeigt werden, dass ausgehend von einem fiktiven Erzählimpuls im besonderen Maß die Versprachlichung nar‐ rativer Imaginationsprozesse begünstigt wird. In einem fiktiven Erzählimpuls liegt somit das Potential, den eingangs angeführten Freiraum für Ästhetisches und Kreatives zu schaffen (vgl. Becker 2019). Zurückführend auf das Wirkungs‐ potential narratoästhetischer Erzählimpulse kann festgehalten werden, dass eine phantastische Darstellung der erzählten Welt und der starke Ausdruck einer visuellen Narration somit allen Kindern die Möglichkeit eröffnen, die Fiktion in dem visuellen Erzählimpuls zu entdecken. Es kann angenommen werden, dass ausgehend von einem visuellen Erzähl‐ impuls nicht den Kindern per se die „Entdeckung der Fiktion“ (Becker 2001, 16) misslingt, vielmehr gelingt es mit einem visuellen Erzählimpuls nicht per se, das Potential der Fiktion vollkommen auszuschöpfen und den Kindern Ankerpunkte zur Entdeckung der Fiktion zu bieten. Damit kann geschlussfolgert werden, dass nicht jede narrativ ausgerichtete Schreibsituation grundsätzlich dazu führt, dass Kinder ihr narratives Können im vollen Umfang ausschöpfen. Die Kontextua‐ lisierung der Schreibsituation erweist sich für das kindliche Ausschöpfen als bedeutend und kann bereits durch die Gestaltung des Schreibanlasses begünstigt werden. 358 8 Resümee und Ausblick Zusammenfassend sind die empirischen Ergebnisse der Studie für die sprach‐ didaktische Forschung wie auch die schulische Praxis von besonderem Interesse, weil sie das Wirkungspotential von Bildimpulsen nachweisen konnten. Die Gestaltung von visuellen Schreibimpulsen - in analoger wie digitaler Form - sollte in (inklusiven) Lehr-Lern-Arrangements bewusst gewählt werden, um dem Können aller Kinder im vollen Umfang gerecht zu werden. In der theoretischen Diskussion sind Erkenntnisse der Erzählforschung, der Sprach‐ erwerbsforschung, der Visual-Literacy-Forschung und der kognitionspsycho‐ logischen Forschung zusammengeführt worden, um das Gestaltungspotential narratoästhetischer Erzählimpulse als narrative Kontextualisierungen in einem Kontinuum zu erfassen. Der gewählte Zugriff demonstriert, wie inter- und int‐ radisziplinäre Ansätze fruchtbare Impulse für virulente sprachdidaktische For‐ schungsthemen bieten. Außerdem stellen die empirischen Ergebnisse heraus, dass Kinder bereits vor einer institutionellen Vermittlung grammatisches und narratives Wissen erwerben können, sodass die Bedeutsamkeit impliziter Er‐ werbsprozesse in deutschdidaktischen Studien (noch) stärker in den Fokus rücken sollte. In weiterführenden Studien könnte herausgearbeitet werden, wie kontextualisierte Lehr-Lern-Settings bereits frühzeitig implizite Lernprozesse anregen und für den weiteren Erwerbsprozess progressiv ausgebaut werden können. 359 8 Resümee und Ausblick Literaturverzeichnis Abbot-Smith, Kirsten & Behrens, Heike (2006): How known constructions influence the acquisition of other constructions: the german passive and future constructions. In: Cognitive science 30 (6), S. 995-1026. Abel, Julia & Klein, Christian (2016): Comics und Graphic Novels. Eine Einführung. Stuttgart: J.B. Metzler. Abraham, Ulf (2015): Literarisches Lernen in kulturwissenschaftlicher Sicht. In: Leser‐ äume Zeitschrift für Literalität in Schule und Forschung 2 (2), S. 6-15. Online verfügbar unter leseräume.de/ wp-content/ uploads/ 2015/ 10/ lr-2015-1-abraham.pdf. Adamzik, Kirsten (2019): Textsorten und ihre Beschreibung. In: Nina Janich (Hg.): Textlinguistik. 15 Einführungen und eine Diskussion. 2., aktualisierte und erweiterte Aufl. Tübingen: Narr, S. 135-168. Ágel, Vilmos (2010): Explizite Junktion. Theorie und Operationalisierung. In: Arne Ziegler und Christian Braun (Hg.): Historische Textgrammatik und historische Syntax des Deutschen. Traditionen, Innovationen, Perspektiven. Berlin: de Gruyter. Ágel, Vilmos & Diegelmann, Carmen (2010): Theorie und Praxis der expliziten Junktion. In: Vilmos Ágel und Mathilde Hennig (Hg.): Nähe und Distanz im Kontext variations‐ linguistischer Forschung. Berlin: de Gruyter, S. 345-394 Albert, Georg (2013): Innovative Schriftlichkeit in digitalen Texten: syntaktische Varia‐ tion und stilistische Differenzierung in Chat und Forum. Berlin: Akademie Verlag. Anskeit, Nadine (2019): Schreibarrangements in der Primarstufe. Eine empirische Unter‐ suchung zum Einfluss der Schreibaufgabe und des Schreibmediums auf Texte und Schreibprozesse in der 4. Klasse. Münster: Waxmann. Anskeit, Nadine & Steinhoff, Torsten (2014): Schreibarrangements für die Primarstufe. Konzeption eines Promotionsprojekts und erste Ergebnisse zum Gebrauch von Schlüs‐ selprozeduren. In: Thomas Bachmann und Helmuth Feilke (Hg.): Werkzeuge des Schreibens. Beiträge zu einer Didaktik der Textprozeduren. Stuttgart: Fillibach bei Klett, S. 129-155. Anz, Thomas (Hg.) (2007): Handbuch Literaturwissenschaft. Gegenstände und Grundbe‐ griffe. Band I. Stuttgart/ Weimar: J. B. Metzler. Arizpe, Evelyn (2013): Meaning-making from wordless (or nearly wordless) picture‐ books: what educational research expects and what readers have to say. In: Cambridge Journal of Education, 43 (2). Auer, Peter (2013): Sprachwissenschaft. Grammatik - Interaktion - Kognition. Stuttgart: Metzler. Augst, Gerhard; Disselhoff, Katrin; Henrich, Alexandra; Thorsten, Pohl & Völzing, Paul-Ludwig (2007): Text-Sorten-Kompetenz. Eine echte Longitudinalstudie zur Ent‐ wicklung der Textkompetenz im Grundschulalter. Frankfurt am Main: Peter Lang GmbH. Augst, Gerhard. (2010): Zur Ontogenese der Erzählungskompetenz in der Primar- und Sekundarstufe. In: Thorsten Pohl & Torsten Steinhoff (Hg.): Textformen als Lernformen. Duisburg: Gilles & Francke, S. 63-96. Avgerinou, Maria (2007): Towards a Visual Literacy Index. In: Journal of Visual Literacy 27/ 1, S. 29-46. Bachmann, Thomas & Becker-Mrotzek, Michael (2010): Schreibaufgaben situieren und profilieren. In: Thorsten Pohl und Torsten Steinhoff (Hg.): Textformen als Lernformen. Duisburg: Gilles & Francke, S. 191-209. Barthes, Roland (1974): S/ Z. New York: Hill and Wang. Barthes, Roland (1988): Das semiologische Abenteuer. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Bartlett, Frederic C. (1932): Remembering. A study in experimental and social psychology. Cambridge: Cambridge University Press. Baurmann, Jürgen & Pohl, Thorsten. (2009): Schreiben - Texte verfassen. In: Albert Bremerich-Vos, Dietlinde Granzer, Ulrike Behrens und Olaf Köller (Hg.): Bildungs‐ standards für die Grundschule. 6. Aufl. Berlin: Cornelsen; Institut zur Qualitätsent‐ wicklung im Bildungswesen, S. 75-103. Becker, Tabea (2001): Kinder lernen Erzählen. Zur Entwicklung der narrativen Fä‐ higkeiten von Kindern unter Berücksichtigung der Erzählform. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Becker, Tabea (2009): Erzählentwicklung beschreiben, diagnostizieren und fördern. In: Michael Krelle und Carmen Spiegel (Hg.): Sprechen und Kommunizieren. Entwick‐ lungsperspektiven, Diagnosemöglichkeiten und Lernszenarien in Deutschunterricht und Deutschdidaktik. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 64-81. Becker, Tabea (2013): Narrative Muster und literale Konzeptionalisierung in mündlichen und schriftlichen Erzählungen. In: Tabea Becker und Petra Wieler (Hg.): Erzähl‐ forschung und Erzähldidaktik heute. Entwicklungslinien, Konzepte, Perspektiven. Tübingen: Stauffenburg Verlag, S. 193-213. Becker, Tabea (2019): Erzählte Bilder - zu Bildern erzählen. In: Bettina Uhlig, Gabriele Lieber und Irene Pieper (Hg.): Erzählen zwischen Bild und Text (IMAGO), S. 361-372. Becker, Tabea & Busche, Natalie (2019): Tempusgebrauch in Kindererzählungen. In: Anja Binanzer, Miriam Langlotz und Verena Wecker (Hg.): Grammatik in Erzählungen - Grammatik für Erzählungen. Erwerbs-, Entwicklungs- und Förderperspektiven. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 103-123. Becker, Tabea & Stude, Juliane (2017): Erzählen. Kurze Einführung in die Germanistische Linguistik. Heidelberg: Winter. 362 Literaturverzeichnis Behrens, Heike (2009): Konstruktionen im Spracherwerb. In: Zeitschrift für germanisti‐ sche Linguistik 37 (3), S. 427-444. Behrens, Heike (2011): Grammatik und Lexikon im Spracherwerb: Konstruktionspro‐ zesse. In: Stefan Engelberg, Anke Holler und Kristel Proost (Hg.): Sprachliches Wissen zwischen Lexikon und Grammatik. Berlin: de Gruyter, S. 375-396. Binanzer, Anja (2018): Bildimpulse und Bildfolgen. Elizitation von Sprachproduktions‐ daten anhand visueller Stimuli. In: Jan Boelmann (Hg.): Empirische Forschung in der Deutschdidaktik. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 179-202. Binanzer, Anja & Langlotz, Miriam (2019): Junktion und Narration - Schreibentwick‐ lungsprozesse ein- und mehrsprachiger Kinder. In: Anja Binanzer, Miriam Langlotz und Verena Wecker (Hg.): Grammatik in Erzählungen - Grammatik für Erzählungen. Erwerbs-, Entwicklungs- und Förderperspektiven. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 125-150. Blaschitz, Verena (2014): Narrative Qualifizierung. Dimensionen ihrer Erfassung bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache. Münster, New York: Waxmann (Sprach-Ver‐ mittlungen, Band 14). Boettcher, Wolfgang (2009): Grammatik verstehen. Tübingen: Niemeyer (Niemeyer-Stu‐ dienbuch). Bortz, Jürgen & Döring, Nicola (2016): Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. 4., überarbeitete Aufl. Berlin, Heidelberg: Springer. Bortz, Jürgen & Schuster, Christof (2010): Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler. 7., vollständig überarbeitete und erweiterte Aufl. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag. Boueke, Dietrich; Schülein, Frieder; Büscher, Hartmut; Terhorst, Evamaria & Wolf, Dagmar (1995): Wie Kinder erzählen. Untersuchungen zur Erzähltheorie und zur Entwicklung narrativer Fähigkeiten. München: Wilhelm Fink Verlag. Bredel, Ursula (2001): Ohne Worte - Zum Verhältnis von Grammatik und Textproduktion am Beispiel des Erzählens von Bildergeschichten. In: Didaktik Deutsch (11), S. 4-21. Bredel, Ursula (2008): Deixis in Mündlichkeit und Schriftlichkeit. In: Bernt Ahrenholz, Ursula Bredel, Martina Rost-Roth, und Romuald Skiba (Hg.): Empirische Forschung und Theorienbildung. Beiträge aus Soziolinguistik, Gesprochene-Sprache- und Zweit‐ spracherwerbsforschung. Frankfurt am Main: Peter Lang, S. 129-138. Bredel, Ursula (2019): Erzählen als sprachliches Handlungsmuster - Theorie- und Erwerbsfragen. In: Anja Binanzer, Miriam Langlotz und Verena Wecker (Hg.): Gram‐ matik in Erzählungen - Grammatik für Erzählungen. Erwerbs-, Entwicklungs- und Förderperspektiven. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 9-33. Bredel, Ursula & Kemp, Robert F. (2008): Morphologisch-syntaktische Basisqualifikation. In: Konrad Ehlich, Ursula Bredel & Hans H. Reich (Hg.): Referenzrahmen zur altersspe‐ zifischen Sprachaneignung. Forschungsgrundlagen. Berlin/ Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung, S. 77-102. 363 Literaturverzeichnis Bredel, Ursula & Lohnstein, H. (2003): Die Verankerung von Sprecher und Hörer im verbalen Paradigma des Deutschen. In: Ludger Hoffmann (Hg.): Funktionale Syntax. Die pragmatische Perspektive. Berlin: de Gruyter, S. 122-155. Bredel, Ursula & Töpler, Cäcilia (2007): Verb. In: Ludger Hoffmann (Hg.): Handbuch der deutschen Wortarten. Berlin: Walter de Gruyter (De Gruyter Studienbuch), S. 823-901. Brinker, Klaus; Cölfen, Hermann & Pappert, Steffen (2018): Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. 9., durchgesehene Aufl. Berlin: Erich Schmidt Verlag. Bruner, Jerome S. (1983): Child’s Talk. Learning to Use Language. Oxford: Oxford University Press. Bubenhofer, Noah (2009): Sprachgebrauchsmuster. Korpuslinguistik als Methode der Diskurs- und Kulturanalyse. Berlin/ New York: de Gruyter. Bubenhofer, Noah (2018): Serialität der Singularität: Korpusanalyse narrativer Muster in Geburtsberichten. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 48 (2), S. 358 -387. Bubenhofer, Noah; Müller, Nicole & Scharloth, Joachim (2013): Narrative Muster und Diskursanalyse: Ein datengeleiteter Ansatz. In: Zeitschrift für Semiotik, Methoden der Diskursanalyse 35, S. 419-444. Bühler, Karl (1934 [1982]): Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Stutt‐ gart: Gustav Fischer Verlag. Cohen, Jacob (1992): Statistical Power Analysis. In: Current Directions in Psychological Science 1 (3), S. 98-101. Coltheart, Max (2005): Modeling Reading: The Dual-Route Approach. In: Charles Hulme und Margaret J. Snowling (Hg.): The science of reading. A handbook. New ed. Oxford: Blackwell Publishing Ltd, S. 6-23. Cosmides, Leda & Tooby, John (2000): Consider the Source. The Evolution of Adaptations for Decoupling and Metarepresentations. In: Dan Sperber (Hg.): Metarepresentations. A multidisciplinary perspective. Oxford: Oxford Univ. Press, S. 53-116. Dannerer, Monika (2012): Narrative Fähigkeiten und Individualität. Mündlicher und schriftlicher Erzählerwerb im Längsschnitt von der 5. bis zur 12. Schulstufe. Tübingen: Stauffenburg. Dehn, Mechthild (2007): Visual Literacy und Sprachbildung. In: Kinder und Jugendlite‐ ratur und Medien (59), Heft 07.3, S. 11-20. Dehn, Mechthild (2019): Visual Literacy, Imagination und Sprachbildung. In: Ulf Abraham und Julia Knopf (Hg.): Bilderbücher: Band 1. Theorie. 2., vollständig überarbeite und erweiterte Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 125-134. Dehn, Mechthild; Merklinger, Daniela & Schüler, Lis (2011): Texte und Kontexte. Schreiben als kulturelle Tätigkeit in der Grundschule. Seelze: Kallmeyer. 364 Literaturverzeichnis Deighton, Russell M. & Traue, Harald C. (2003): Emotion und Kultur im Spiegel emotio‐ nalen Wissens. In: Achim Stephan und Henrik Walter (Hg.): Natur und Theorie der Emotion. Paderborn: Mentis-Verlag, S. 240-261. Dolle-Weinkauff, Bernd (2014): Vom Einzelbild zur Erzählung. Narrative Dynamik in Bildgeschichte und Comic. In: Lars Christian Grabbe, Dimitri Liebsch und Patrick Rupert-Kruse (Hg.): Auf dem Sprung zum bewegten Bild. Narration, Serie und (proto-)filmische Apparate. Köln: von Halem, S. 81-114. Drepper, Laura (2022): Tempuserwerb zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit - Empirische Ergebnisse zum vorschulischen Erwerb von implizitem Handlungswissen über die Tempusverwendung in narrativen Kontexten. In: Birgit Mesch und Benjamin Uhl (Hg.): Temporalität - empirische Zugänge zum Erwerb von Zeitlichkeit, S. 43-69. Duden (2016): Die Grammatik. 9., vollständig überarbeitete und aktualisierte Aufl. Hg. v. Angelika Wöllstein. Berlin: Dudenverlag. Duncker, Ludwig & Lieber, Gabriele (2013a): Bildliteralität im Vor- und Grundschulalter. In: Ludwig Duncker und Gabriele Lieber (Hg.): Bildliteralität und Ästhetische Alpha‐ betisierung. Konzepte und Beispiele für das Lernen im Vor- und Grundschulalter. München: Kopaed, S. 13-36. Duncker, Lieber & Lieber, Gabriele (Hg.) (2013b): Bildliteralität und Ästhetische Alpha‐ betisierung. Konzepte und Beispiele für das Lernen im Vor- und Grundschulalter. München: Kopaed. Duncker, Ludwig (1999): Begriff und Struktur ästhetischer Erfahrung. Zum Verständnis unterschiedlicher Formen ästhetischer Praxis. In: Norbert Neuß (Hg.): Ästhetik der Kinder. Interdisziplinäre Beiträge zur ästhetischen Erfahrung von Kindern. Frankfurt am Main: Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, S. 9-21. Duncker, Ludwig (2013): Bild und Erfahrung - Strukturmomente einer Anthropologie des Sehens. In: Gabriele Lieber (Hg.): Lehren und Lernen mit Bildern. Ein Handbuch zur Bilddidaktik. 2., grundlegend überarbeitete und ergänzte Neuauflage. Baltmanns‐ weiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 23-30. Dürscheid, Christa (2012): Syntax. Grundlagen und Theorien. 6., aktualisierte Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Eder, Ulrike (2015): „Alles gut“ für den DaZ- und Deutschunterricht. Exemplarische Literaturanalyse eines mehrsprachigen Bilderbuchs als Basis für mögliche Didaktisie‐ rungen. In: Ulrike Eder (Hg.): Theorien, Modelle und Perspektiven für den Deutsch als Zweitsprachenunterricht. Wien: Praesens Verlag, S. 143-175. Ehlich, Konrad (1979): Verwendungen der Deixis beim sprachlichen Handeln. Linguis‐ tisch-philologische Untersuchungen zum hebräischen deiktischen System. Teil 1 und 2. Frankfurt am Main, Bern, Las Vegas: Peter Lang GmbH (Forum Linguisticum, 24). 365 Literaturverzeichnis Ehlich, Konrad (1983a): Alltägliches Erzählen. In: Willy Sanders und Klaus Wegenast (Hg.): Erzählen für Kinder, erzählen von Gott. Begegnung zwischen Sprachwissen‐ schaft und Theologie. Stuttgart: Kohlhammer, S. 128-150. Ehlich, Konrad (1983b): Text und sprachliches Handeln. Die Entstehung von Texten aus Bedürfnis nach Überlieferung. In: Aleida Assmann, Jan Assmann und Christof Hardmeier (Hg.): Schrift und Gedächtnis. Beiträge zur Archäologie der literarischen Kommunikation. 3., unveränd. Aufl. München: Fink, S. 24-45. Ehlich, Konrad (1996): Funktion und Struktur schriftlicher Kommunikation. In: Hartmut Günther und Otto Ludwig (Hg.): Schrift und Schriftlichkeit = Writing and its use: an interdisciplinary Handbook of international research. Ein interdisziplinäres Hand‐ buch internationaler Forschung. Berlin, New York: Walter de Gruyter, S. 18-41. Ehlich, Konrad (1998): Funktionale Pragmatik. Terme, Themen und Methoden. In: Ludger Hoffmann (Hg.): Sprachwissenschaft. Ein Reader. Berlin: de Gruyter, S. 214-231. Ehlich, Konrad (2000): Lexikoneinträge. In: Helmut Glück (Hg.): Metzler Lexikon Sprache. Stuttgart, Weimar: Metzler. Ehlich, Konrad & Rehbein, Jochen (1979): Sprachliche Handlungsmuster. In: Hans-Georg Soeffner (Hg.): Interpretative Verfahren in den Sozial- und Textwissenschaften. Stuttgart: J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, S. 243-274. Ehlich, Konrad & Rehbein, Jochen (1986): Muster und Institution. Tübingen: Narr. Fahrenwald, Claudia (2019): Zwischen Imagination, Innovation und Integration. Er‐ zählen im Kontext neuer Lernkulturen. In: Bettina Uhlig, Gabriele Lieber und Irene Pieper (Hg.): Erzählen zwischen Bild und Text (IMAGO), S. 113-125. Feilke, Helmuth (2014): Argumente für eine Didaktik der Textprozeduren. In: Thomas Bachmann und Helmuth Feilke (Hg.): Werkzeuge des Schreibens. Beiträge zu einer Didaktik der Textprozeduren. Stuttgart: Fillibach bei Klett, S. 11-34. Fienemann, Jutta (2006): Erzählen in zwei Sprachen. Diskursanalytische Untersuchungen von Erzählungen auf Deutsch und Französisch. Münster: Waxmann. Fischer, Kerstin (2014): „Konspirative“ Relationen zwischen Konstruktionen beim Sprachlernen. In: Alexander Lasch und Alexander Ziem (Hg.): Grammatik als Netz‐ werk von Konstruktionen. Sprachwissen im Fokus der Konstruktionsgrammatik. Berlin: de Gruyter, S. 243-262. Fix, Martin (2008): Texte schreiben. Schreibprozesse im Deutschunterricht. Paderborn: Schöningh Verlag. Fludernik, Monika (1993): The Fictions of Language and the Languages of Fiction: The Linguistic Representation of Speech and Consciousness. London: Routledge. Friedman, Alinda (1979): Framing pictures: The role of knowledge in automatized encoding and memory for gist. In: Journal of Experimental Psychology: General 108(3), S. 316-355. 366 Literaturverzeichnis Garbe, Christine (2010): Lesesozialisation. In: Christine Garbe, Karl Holle und Tatjana Jesch (Hg.): Texte lesen. Lesekompetenz - Textverstehen - Lesedidaktik - Lesesozia‐ lisation. 2., durchges. Aufl. Paderborn: Schöningh Verlag, S. 197-222. Glas, Alexander (2007): Was eine Kinderzeichnung erzählt. Geschichte der Kinderzeich‐ nungsforschung. In: Kunst + Unterricht 309/ 310, S. 43-46. Glas, Alexander (2019): Erzählungen brauchen Bilder - Bilder brauchen Erzählungen. Zur Relation von homo narrans und homo pictor in Zeichnungen von Kindern und Jugendlichen. In: Bettina Uhlig, Gabriele Lieber und Irene Pieper (Hg.): Erzählen zwischen Bild und Text (IMAGO), S. 327-342. Goffman, Erving (1974): Frame analysis. An essay on the organization of experience. Boston: Northeastern Univ. Press. Goldberg, Adele E. (1995): Constructions: A Construction Grammar Approach to Argu‐ ment Structure. Chicago u.a.: Univ. of Chicago Press. Goldberg, Adele E. (2006): Constructions at work. The nature of generalization in language. Oxford: Oxford Univ. Press. Grießhaber, Wilhelm (2005): Sprachstandsdiagnose im kindlichen Zweitspracherwerb: Funktional-pragmatische Fundierung der Profilanalyse. Online verfügbar unter sp zwww.uni-muenster.de/ ~grießha/ dpc/ profile/ profilhintergrund.html Erscheint dem‐ nächst in: Arbeiten zur Mehrsprachigkeit. Grießhaber, Wilhelm (2012): Die Entwicklung der Grammatik in Texten vom 1. bis zum 4. Schuljahr. In: Bernt Ahrenholz (Hg.): Kinder mit Migrationshintergrund. Spracherwerb und Fördermöglichkeiten. 2., unv. Aufl. Freiburg im Breisgau: Fillibach bei Klett, S. 150-167. Grießhaber, Wilhelm (2013): Die Profilanalyse für Deutsch als Diagnoseinstrument zur Sprachförderung. Online verfügbar unter www.uni-due.de/ imperia/ md/ content/ prod az/ griesshaber_profilanalyse_deutsch.pdf. Hamburger, Käte (1957): Die Logik der Dichtung. Stuttgart: Klett-Cotta. Hattie, John (2013): Lernen sichtbar machen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohen‐ gehren. Haueis, Eduard von (1999): Bildergeschichten nacherzählen - leichter gesagt als getan! In: Grundschule 31 (4), S. 11-13. Heinke, Susanne (2013): Wahrheit - Täuschung - Lüge? Illustrationen zu Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ und deren Potential zur Sinnerschließung des Textes. In: Christoph Jantzen und Stefanie Klenz (Hg.): Text und Bild - Bild und Text. Bilderbücher im Deutschunterricht. Stuttgart: Fillibach bei Klett, S. 13-37. Heller, Vivien (2018): Jenseits des Wir-Hier-Jetzt: Multimodale Verfahren der Versetzung beim Erzählen junger Kinder. In: Zeitschrift für Gesprächsforschung 18, S. 242-274. Hochstadt, Christiane (2015): Mimetisches Lernen im Grammatikunterricht. Baltmanns‐ weiler: Schneider Verlag Hohengehren. 367 Literaturverzeichnis Hoel, Trude (2015): Young readers’ narratives based on a picture book: model readers and empirical readers. In: European Early Childhood Education Research Journal, S. 1-17. Hoffmann, Jeanette (2019): „guck mal jetzt (-) jetzt hat die katze drei köpfe“. Aneignung narrativer Bilder im Kindergarten am Beispiel von David Wiesners Herr Schnuffels. In: Bettina Uhlig, Gabriele Lieber und Irene Pieper (Hg.): Erzählen zwischen Bild und Text (IMAGO), S. 165-180. Hug, Michael (2001): Aspekte zeitsprachlicher Entwicklung in Schülertexten. Eine Untersuchung im 3., 5. und 7. Schuljahr. Frankfurt am Main: Lang. Hurrelmann, Bettina (2006): Ein erweitertes Konzept von Lesekompetenz und Kon‐ sequenzen für die Leseförderung. In: Georg Auernheimer (Hg.): Schieflagen im Bildungssystem. Die Benachteiligung der Migrantenkinder. 2., überarbeitete und erw. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 161-176. Hüttis-Graff, Petra (2014): Die Schulanfangsbeobachtung. In: Mechthild Dehn (Hg.): Zeit für die Schrift - Lesen und Schreiben im Anfangsunterricht. Mit Beiträgen von Petra Hüttis-Graff. 2. Aufl. Berlin: Cornelsen Scriptor, S. 164-195. Iser, Wolfgang (1991): Das Fiktive und das Imaginäre. Perspektiven literatischer Anthro‐ pologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Jakobson, Roman (1960 [1979]): Linguistik und Poetik. In: Jens Ihwe (Hg.): Literaturwis‐ senschaft und Linguistik. Frankfurt am Main: Athenäum Verlag, S. 142-178. Kieferle, Christa (2006): Was wissen Dritt- und Viertklässler über die Bildung von Vergangenheitsformen? - Eine Analyse. In: Tabea Becker und Corinna Peschel (Hg.): Gesteuerter und ungesteuerter Grammatikerwerb. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 75-86. Kintsch, Walter (1979): Levels of processing language material: Discuisson of papers. In: Laird S. Cermak und Fergus I. M. Craik (Hg.): Levels of processing in human memory. New York: Psychology Press, S. 211-222. Kirchner, Constanze (1999): Ästhetisches Verhalten von Kindern im Dialog mit bildender Kunst. In: Norbert Neuß (Hg.): Ästhetik der Kinder. Interdisziplinäre Beiträge zur ästhetischen Erfahrung von Kindern. Frankfurt am Main: Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, S. 303-325. Kirchner, Constanze (2013): Zur Rezeption zeitgenössicher Kunst von Grundschulkin‐ dern. Vermittlungsansätze und Bildungschancen. In: Gabriele Lieber (Hg.): Lehren und Lernen mit Bildern. Ein Handbuch zur Bilddidaktik. 2., grundlegend überarbeitete und ergänzte Neuauflage. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 255-267. Kirchner, Constanze & Gunter, Otto (1998): Praxis und Konzept des Kunstunterrichts. In: Kunst + Unterricht 223/ 224, 1, 4-11. Klemm, Michael & Stöckl, Hartmut (2011): Bildlinguistik - Standortbestimmung, Über‐ blick, Forschungsdesiderate. In: Hajo Diekmannshenke, Michael Klemm und Hartmut 368 Literaturverzeichnis Stöckl (Hg.): Bildlinguistik: Theorien - Methoden - Fallbeispiele. Berlin: Erich Schmidt Verlag, S. 7-18. Klenz, Stefanie (2013): Fremdheit im Bilderbuch. Text- und Bildeindrücke verhandelbar machen. In: Christoph Jantzen und Stefanie Klenz (Hg.): Text und Bild - Bild und Text. Bilderbücher im Deutschunterricht. Stuttgart: Fillibach bei Klett, S. 13-37. Knapp, Werner (2001): Erzähltheorie und Erzählerwerb. In: Didaktik Deutsch 10, S. 26-48. Krapp, Andreas & Weidenmann, Bernd (2006): Pädagogische Psychologie. Ein Lehrbuch. 5., vollständig überarbeitete Aufl. Weinheim: Beltz. Kress, Gunther & van Leeuwen, Theo (2006): Reading images. 2 ed. New York: Routledge. Krichel, Anne (2020): Textlose Bilderbücher. Visuelle Narrationsstrukturen und erzähl‐ didaktische Konzeptionen für die Grundschule. Münster, New York: Waxmann. Krippendorff, Klaus (2004): Content analysis: An introduction to its methodology. Thousand Oaks: Sage Publication. Kruse, Iris (2013): Literarisches Lernen in der Primarstufe - mit Lesetagebüchern literarische Kompetenz herausfordern und fördern. In: Steffen Gailberger und Frauke Wietzke (Hg.): Handbuch kompetenzorientierter Deutschunterricht. Wein‐ heim, Basel: Beltz, S. 70-93. Kruse, Iris (2015): „Hin- und herblättern und schauen und suchen…“. Literarisches Lernen mit textlosen Bilderbüchern. In: Grundschule Deutsch 48 (Literarisches Lernen), S. 27-29. Kruse, Iris (2016): Ästhetisches Lernen, Sprachbildung und Teilhabe. Ästhetische Objekte als Lerngegenstände im inklusiven Unterricht. Basisartikel. In: Grundschulunterricht Deutsch 63 (1), S. 4-8. Kruse, Iris & Sabisch, Andrea (2013): Fragwürdiges Bilderbuch. Skizzen zu Theorie, Methodologie und Didaktik - Zur Einleitung. In: Iris Kruse und Andrea Sabisch (Hg.): Fragwürdiges Bilderbuch. Blickwechsel - Denkspiele - Bildungspotenziale. München: Kopaed, S. 7-22. Kuckartz, Udo (2018): Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstüt‐ zung. 4. Aufl. Weinheim, Basel: Beltz Juventa. Kuhlmann, Thorben (2020): Einstein. Die fantastische Reise einer Maus durch Raum und Zeit. Zürich: NordSüd Verlag. Kuhn, Markus (2011): Filmnarratologie. Ein erzähltheoretisches Analysemodell. Berlin: de Gruyter. Kümmerling-Meibauer, Bettina (2006): Literacy. In: Jack Zipes (Hg.): The Oxford encyc‐ lopedia of children’s literature. Oxford: Oxford Univ. Press, S. 452-453. Kümmerling-Meibauer, Bettina (2012): Bilder intermedial. Visuelle Codes erfassen. In: Anja Pompe (Hg.): Literarisches Lernen im Anfangsunterricht. Theoretische Refle‐ xionen - empirische Befunde - unterrichtspraktische Entwürfe. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 58-72. 369 Literaturverzeichnis Kümmerling-Meibauer, Bettina (2014): Von Bilderbüchern lernen. Zum Zusammenhang von früher Literacy und der sprachlichen und kognitiven Entwicklung des Kindes. In: JuLit 40 (2), S. 14-22. Kümmerling-Meibauer, Bettina (2018): The Routledge Companion to Picturebooks. New York: Routledge. Kurwinkel, Tobias (2017): Bilderbuchanalyse. Narrativistik - Ästetik - Didaktik. Tü‐ bingen: Francke. Kurwinkel, Tobias; Schmerheim, Philipp & Jakobi, Stefanie (2020): Handbuch Kinder- und Jugendliteratur. Stuttgart: J.B. Metzler Verlag. Labov, William & Waletzky, Joshua (1967 [1973]): Erzählanalyse: mündliche Versionen persönlicher Erfahrungen. In: Ihwe, Jens (Hg.): Literaturwissenschaft und Linguistik. Frankfurt am Main: Athenäum Verlag, S. 78-126. Lambert, Jonny (2017): „Warum? Darum! “. Bad Rodach: HABA. Langacker, Ronald W. (2000): A dynamic usage-based model. In: Michael Barlow und Suzanne Kemmer (Hg.): Usage-based models of language. Stanford, Californian: CSLI, S. 1-63. Langlotz, Miriam (2014): Junktion und Schreibentwicklung. Eine empirische Untersu‐ chung narrativer und argumentativer Schülertexte. Berlin: de Gruyter. Langlotz, Miriam (2016): Themenentfaltungsmuster und spezfische Ausdrucksformen. Junktionsausdrucksprofile von Erzählung und Argumentation im Vergleich. In: Ulrike Behrens und Olaf Gätje (Hg.): Mündliches und schriftliches Handeln im Deutschun‐ terricht. Wie Themen entfaltet werden. Frankfurt a.M.: Peter Lang, S. 170-191. Lasch, Alexander & Ziem, Alexander (Hg.) (2014): Grammatik als Netzwerk von Kon‐ struktionen. Sprachwissen im Fokus der Konstruktionsgrammatik. Berlin: de Gruyter. Lieber, Gabriele (2013a): Vermittlungsmedien neu und anders denken. Perspektiven des Konzepts Bildliteralität auf ein traditionelles Medium. In: Ludwig Duncker und Gabriele Lieber (Hg.): Bildliteralität und Ästhetische Alphabetisierung. Konzepte und Beispiele für das Lernen im Vor- und Grundschulalter. München: Kopaed, S. 239-246. Lieber, Gabriele (Hg.) (2013b): Lehren und Lernen mit Bildern. Ein Handbuch zur Bild‐ didaktik. 2., grundlegend überarbeitete und ergänzte Neuauflage. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Lieber, Gabriele (2019): Wortlose Bilderbücher. Erzählen und Bildlichkeit am Beispiel von Suzy Lees Welle. In: Bettina Uhlig, Gabriele Lieber und Irene Pieper (Hg.): Erzählen zwischen Bild und Text (IMAGO), S. 257-270. Lyne, Charlotte (2017): Jim Knopf und der fliegende Teppich. Stuttgart: Thienemann-Es‐ singer Verlag. Martínez, Matías & Scheffel, Michael (2016): Einführung in die Erzähltheorie. 10., überarbeitete Aufl. München: C.H. Beck. Mayer, Mercer (1969): Frog, Where Are you? Dial Books. 370 Literaturverzeichnis Mitchell, William J. T. (2008): Visual Literacy or Literary Visualcy? In: James Elkins (Hg.): Visual literacy. New York: Routledge, S. 11-29. Müller, Anja & Schönfelder, Mandy (2019): Das topologische Modell aus spracherwerbs‐ theoretischer Perspektive. In: Doris Tophinke, Elvira Topalović und Katharina Roh‐ lfing (Hg.): Sprachstrukturelle Modelle. Konvergenzen theoretischer und empirischer Forschung. Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes. Göttingen: V&R unipress, S. 313-319. Müller, Astrid & Tophinke, Doris (2011): Verben in Sätzen. In: Praxis Deutsch 38 (226), S. 4-11. Nickel, Sven (2018): Literacy. In: Jochen Hering und Nickel Sven (Hg.): Hochschuldidakti‐ sche Handreichungen. Sprach- und Literaturdidaktik im Elementarbereich. PIK-Profis in Kitas. Bremen: Universität Bremen. Nikolajeva, Maria (2003): Verbal and Visual Literacy. The role of Picturebooks in the Reading Experience of Young Children. In: Nigel H. Hall, Joanne V. Peeples und Jackie Marsh (Hg.): Handbook of early childhood literacy. London: SAGE, S. 235-248. Nikolajeva, Maria (2012): Interpretative Codes and Implied Readers of Children’s Pictu‐ rebooks. In: Teresa Colomer (Hg.): New directions in picturebook research. New York: Routledge, S. 27-40. Nikolajeva, Maria & Scott, Carole (2006): How Picturebooks Work. New York: Routledge. Novelli, Luca (2006): Edison und die Erfindung des Lichts. Würzburg: Arena. Oetken, Mareile (2017): Wie Bilderbücher erzählen - Analysen multimodaler Strukturen und bimedialen Erzählens im Bilderbuch. Online verfügbar unter oops.uni-oldenbur g.de/ 3204/ 1/ oetken_bilderbuecher_habil_2017.pdf. Ohlhus, Sören (2014): Erzählen als Prozess. Tübingen: Stauffenburg-Verlag. Peez, Georg (2012): Einführung in die Kunstpädagogik. 4., aktualisierte Aufl. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer. Piaget, Jean (1976): Piaget’s Theory. In: Bärbel Inhelder (Hg.): Piaget and his school. A reader in developmental psychology. New York: Springer. Piatti, Barbara (2009): Die Geographie der Literatur. Schauplätz, Handlungsräume, Raumphantasien. 2. Aufl, Göttingen: Wallstein Verlag. plauen, e. o. (2000): Vater und Sohn. In: Gesamtausgabe Erich Ohser. Konstanz Südverlag. Pohl, Thorsten (2003): Die wörtliche Rede als sprachliches Gestaltungsmittel im frühen schriftlichen Erzählen. In: SPAsS - Siegener Papiere zur Aneignung sprachlicher Struk‐ turformen, hg. v. Helmuth Feilke, Klaus-Peter Kappest, Clemens Knobloch 2003 (11). Press, Hans Jürgen (1981): Der kleine Herr Jakob: Bilder, die Geschichten erzählen. Otto Maier Verlag. Propson, Ingeborg (Hg.) (2012): Xa-Lando 2. Deutsch- und Sachbuch. Paderborn: Schön‐ ingh Verlag. 371 Literaturverzeichnis Propson, Ingeborg (Hg.) (2012): Xa-Lando 2. Deutsch- und Sachbuch. Arbeitsheft. Paderborn: Schöningh Verlag. Przybilla, Patrycja (2012): Szenische und narrative Imagination. Qualitativ-empirische Untersuchung zum malerischen Prozess bei Realschülern. In: Hubert Sowa (Hg.): Kunstpädagogische Theorie, Praxis und Forschung im Bereich einbildender Wahr‐ nehmung und Darstellung. Oberhausen: Athena-Verlag, S. 379-391. Quasthoff, Uta M. (1980): Erzählen in Gesprächen. Tübingen: Narr. Quasthoff, Uta M. & Stude, Juliane (2018): Narrative Interaktion: Entwicklungsaufgabe und Ressource des Erzählerwerbs. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Lingu‐ istik 48, S. 249-275. Raible, Wolfgang (1992): Junktion: Eine Dimension der Sprache und ihre Realisierungs‐ formen zwischen Aggregation und Integration. Vorgetragen am 4. Juli 1987 (Sitzungs‐ berichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Philosophisch-Historische Klasse 1992,2). Heidelberg: Winter. Rehbein, Jochen (1977): Komplexes Handeln: Elemente zur Handlungstheorie der Sprache. Stuttgart: Metzler. Rehbein, Jochen (1980): Sequenzielles Erzählen. Erzählstrukturen von Immigranten bei Sozialberatungen in England. In: Konrad Ehlich (Hg.): Erzählen im Alltag. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 64 -108. Rehbein, Jochen (1988): Ausgewählte Aspekte der Pragmatik. In: Ulrich Ammon, Norbert Dittmar und Klaus Mattheier (Hg.): Sociolinguistics/ Soziolinguistik. Ein internatio‐ nales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft. Berlin: de Gruyter, S. 1181-1195. Rezat, Sara & Feilke, Helmuth (2018): Textsorten im Deutschunterricht - Was sollten LehrerInnen und SchülerInnen können und wissen? In: Informationen zur deutschdi‐ daktik (ide) 2, S. 24-38. Richter, Karin & Plath, Monika (2012): Lesemotivation in der Grundschule. Empirische Befunde und Modelle für den Unterricht. Unter Mitarbeit von Franziska Goethe, Leonore Jahn und Falk Radisch. Weinheim, Basel: Beltz Juventa. Rickheit, Gerd & Schade, Ulrich (2000): Kohärenz und Kohäsion. In: Thomas Johnen (Hg.): Text- und Gesprächslinguistik, Linguistics of Text and Conversation: Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung, An International Handbook of Contemporary Research. Volume 2 (30), S. 275-283. Ritter, Michael (2019): Literarisches Lernen in der Grundschule. Zwei empirische Studien im Vergleich. In: Didaktik Deutsch 24 (46), S. 128-132. Rösch, Heidi & Stanat, Petra (2011): Bedeutung und Form (BeFo): Formfokussierte und bedeutungsfokussierte Förderung in Deutsch als Zweitsprache. In: Natalia Hahn, und Thorsten Roelcke (Hg.): Grenzen überwinden in Deutsch. 37. Jahrestagung des 372 Literaturverzeichnis Fachverbandes Deutsch als Fremdsprache an der Pädagogischen Hochschule Freiburg i. B. Göttingen: Universitätsverlag, S. 149-161. Rosebrock, Cornelia & Nix, Daniel (2014): Grundlagen der Lesedidaktik. Und der sys‐ tematischen schulischen Leseförderung. 9., korr. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Rowe, Anne (1996): Voices Off. Reading Wordless Picture Books. In: Morag Styles (Hg.): Voices off. Texts, contexts and readers. London: Cassell, S. 219-234. Roy, Brandon C.; Frank, Michael C. & Roy, Deb (2012): Relating Activity Contexts to Early Word Learning in Dense Longitudinal Data. Proceedings of the 34th Annual Meeting of the Cognitive Science Society. Sapporo, Japan. Online verfügbar unter langcog.stanford.edu/ papers/ RFR-cogsci2012.pdf. Roy, Brandon C.; Frank, Michael C.; DeCamp, Philip; Miller, Matthew & Roy, Deb (2015): Predicting the birth of a spoken word. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS). Online verfügbar unter doi.org/ 10. 1073/ pnas.1419773112. Rüßmann, Lars; Steinhoff, Torsten; Marx, Nicole & Wenk, Anne Kathrin (2016): Schreib‐ förderung durch Sprachförderung? Zur Wirksamkeit sprachlich profilierter Schreib‐ arrangements in der mehrsprachigen Sekundarstufe I unterschiedlicher Schulformen. In: Didaktik Deutsch 40, S. 41-59. Sartre, Jean-Paul (1940 [1994]): Das Imaginäre. Phänomenologische Psychologie der Einbildungskraft. Aus dem Franz. von Hans Schöneberg. Überarb. von Vincent von Wroblewsky. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Schaller, Pascale (2018): Konstruktion von Sprache und Sprachwissen. Eine empiri‐ sche Studie zur Schriftsprachaneignung sprachstarker und sprachschwacher Kinder. Berlin, Boston: de Gruyter. Scheerer-Neumann, Gerheid (2003): Entwicklung der basalen Lesefähigkeit. In: Ursula Bredel, Hartmut Günther, Peter Klotz, Jakob Ossner und Gesa Siebert-Ott (Hg.): Didaktik der deutschen Sprache. Paderborn u.a.: Schöningh Verlag, S. 513-524. Scherer, Gabriela & Schröder, Klarissa (2019): Erzählen im und auf dem Rücken von Bildern. In: Bettina Uhlig, Gabriele Lieber und Irene Pieper (Hg.): Erzählen zwischen Bild und Text (IMAGO), S. 271-285. Scherer, Gabriela & Volz, Steffen (2013): Zur Rezeption zeitgenössischer Bildbücher durch Grundschulkinder (Erste) Überlegungen und Erkundungen. In: Iris Kruse und Andrea Sabisch (Hg.): Fragwürdiges Bilderbuch. Blickwechsel - Denkspiele - Bildungspotenziale. München: Kopaed, S. 109-124. Scherer, Gabriela; Volz, Steffen & Wiprächtiger-Geppert, Maja (Hg.) (2015): Bilderbuch und literar-ästhetische Bildung. Aktuelle Forschungsperspektiven. Unter Mitarbeit von Andrea Wetterauer. Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier. 373 Literaturverzeichnis Schmid, Verena (2012): Vorher - Jetzt - Nachher. Die Bildung narrativer Imaginations‐ strukturen bei Kindern. In: Hubert Sowa (Hg.): Kunstpädagogische Theorie, Praxis und Forschung im Bereich einbildender Wahrnehmung und Darstellung. Oberhausen: Athena-Verlag, S. 392-411. Schmidlin, Regula (1999): Wie deutschschweizer Kinder schreiben und erzählen lernen. Textstruktur und Lexik von Kindertexten aus der Deutschschweiz und aus Deutsch‐ land. Tübingen: Francke. Schneider, Liane (2010): Das große Conni-Buch. Hamburg: Carlsen. Schnotz, Wolfgang (2002): Wissenserwerb mit Texten, Bildern und Diagrammen. In: Is‐ sing, Ludwig J. (Hg.): Information und Lernen mit Multimedia und Internet. Lehrbuch für Studium und Praxis. 3., vollst. überarb. Aufl. [Nachdr.]. Weinheim: Beltz, S. 65-81. Schnotz, Wolfgang (2006): Was geschieht im Kopf des Lesers? Mentale Konstruktions‐ prozesse beim Textverstehen aus der Sicht der Psychologie und der kognitiven Linguistik. In: Ulrich Hermann Waßner, Hardarik Blühdorn und Eva Breindl (Hg.): Text - Verstehen: Grammatik und darüber hinaus (Institut für Deutsche Sprache. Jahrbuch, 2005). Berlin: de Gruyter, S. 222-238. Schnotz, Wolfgang (2010): Visuelles Lernen. In: Detlef H. Rost (Hg.): Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. 3., überarb. und erw. Aufl. Weinheim: Beltz, S. 927-935. Schnotz, Wolfgang & Bannert, Maria (1999): Influence of the type of visualization on the construction of mental models during picture and text comprehension. In: Zeitschrift für Experimentelle Psychologie 46, S. 217-236. Schomaker, Claudia (2013): Mit und in Bildern denken (lernen) - Zur Bedeutung von Bildern für den Sachunterricht. In: Gabriele Lieber (Hg.): Lehren und Lernen mit Bildern. Ein Handbuch zur Bilddidaktik. 2., grundlegend überarbeitete und ergänzte Neuauflage. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 246-254. Schüler, Lis (2019): Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild. Eine empirische Studie zum schriftlichen Erzählen in der Grundschule. Berlin: J.B. Metzler. Schüler, Lis (2020): Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung. Schriftliches Erzählen im Kontext von Wort und Bild. In: Leseräume Zeitschrift für Literalität in Schule und Forschung 7 (6), S. 1-23. Online verfügbar unter leseräume.d e/ wp-content/ uploads/ 2020/ 02/ lr-erg-2020-1-Schüler.pdf. Schütz, Alfred & Luckmann, Thomas (2017): Strukturen der Lebenswelt. 2., überarbeitete Aufl. Konstanz, München: UVK. Schüwer, Martin (2002): Erzählen in Comics. Bausteine einer Plurimedialen Erzählthe‐ orie. In: Vera Nünning und Nünning Ansgar (Hg.): Erzähltheorie transgenerisch, intermedial, interdisziplinär. Trier: Wiss. Verl. Trier, S. 185-216. Searle, John R. (1969 [1983]): Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 374 Literaturverzeichnis Serafini, Frank (2017): Visual Literacy. In: Frank Serafini (Hg.): Oxford Research Encyc‐ lopedia of Education: Oxford University Press. Singer, Wolf (2004): Das Bild in uns - Vom Bild zur Wahrnehmung. In: Christa Maar (Hg.): Iconic turn. Die neue Macht der Bilder. Köln: DuMont, S. 56-76. Sowa, Hubert (2012): Erzählen (Einleitung). In: Hubert Sowa (Hg.): Kunstpädagogische Theorie, Praxis und Forschung im Bereich einbildender Wahrnehmung und Darstel‐ lung. Oberhausen: Athena-Verlag, S. 357-361. Sowa, Hubert (2015): Gemeinsam vorstellen lernen. Theorie und Didaktik der koopera‐ tiven Vorstellungsbildung. München: Kopaed (IMAGO). Spieß, Constanze & Tophinke, Doris (2018): Alltagspraktiken des Erzählens. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 48 (2), S. 193-201. Spinner, Kaspar H. (2015): Elf Aspekte auf dem Prüfstand. Verbirgt sich in den elf As‐ pekten literarischen Lernens eine Systematik? In: Leseräume Zeitschrift für Literalität in Schule und Forschung 2 (2), S. 188-194. Online verfügbar unter leseräume.de/ wp-c ontent/ uploads/ 2015/ 10/ lr-2015-1-spinner.pdf. Staiger, Michael (2012): Bilder erzählen. Zum Umgang mit visueller Narrativität im Deutschunterricht. In: Ingelore Oomen-Welke (Hg.): Bilder in Medien, Kunst, Li‐ teratur, Sprache, Didaktik. Festschrift für Adalbert Wichert. Unter Mitarbeit von Adalbert Wiechert. Freiburg im Breisgau: Fillibach bei Klett, S. 41-51. Staiger, Michael (2017): Besonderheiten entdecken. Ein Werkzeugkasten für die Bilder‐ buchanalyse. In: Sache - Wort - Zahl (162), S. 8-10. Staiger, Michael (2019): Erzählen mit Bild-Schrifttext-Kombinationen. Ein fünfdimen‐ sionales Modell der Bilderbuchanalyse. In: Ulf Abraham und Julia Knopf (Hg.): Bilderbücher: Band 1. Theorie. 2., vollständig überarbeite und erweiterte Aufl. Balt‐ mannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 125-134. Staiger, Michael (2020): Von der ‚Wende zum Bild‘ zum ‚multimodalen Turn‘. Perspek‐ tiven und Potenziale für eine Deutschdidaktik als Medienkulturdidaktik. In: Der Deutschunterricht 5, S. 65-75. Stark, Linda (2016): Vorlesen und Präteritum. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohen‐ gehren. Stefanowitsch, Anatol (2008): Konstruktionsgrammatik und Korpuslinguistik. In: Kerstin Fischer, Anatol Stefanowitsch, Alexander Lasch, Jörg Bücker und Alexander Ziem (Hg.): Konstruktionsgrammatik: Von der Anwendung zur Theorie. Tübingen: Stauf‐ fenburg-Verlag, S. 151-176. Steinhoff, Torsten (2017): Funktionale Schreibdidaktik. In: Yüksel Ekinci, Elke Montanari und Lirim Selmani (Hg.): Grammatik und Variation. Festschrift für Ludger Hoffmann zum 65. Geburtstag. Unter Mitarbeit von Ludger Hoffmann. Heidelberg: Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren Synchron Publishers, S. 321-332. 375 Literaturverzeichnis Stiller, Jürgen (2013): Lernstandserhebung im Fachunterricht Kunst? - Visuelle Litera‐ lität, Standards und Kompetenzen. In: Gabriele Lieber (Hg.): Lehren und Lernen mit Bildern. Ein Handbuch zur Bilddidaktik. 2., grundlegend überarbeitete und ergänzte Neuauflage. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 277-284. Stöckl, Hartmut (2004): Die Sprache im Bild - Das Bild in der Sprache. Zur Verknüpfung von Sprache und Bild im massenmedialen Text; Konzepte, Theorien, Analyseme‐ thoden. Berlin: de Gruyter. Stodte, Claudia & Fischer, Peter (2019): Hamburg entdecken und erleben. Bremen: Temmen Verlag. Szagun, Gisela (2016). Sprachentwicklung beim Kind: ein Lehrbuch. 4., aktualisierte Aufl. Weinheim: Beltz. Tan, Shaun (2009): Die Fundsache. Hamburg: Carlsen. Thieroff, Rolf (1992): 3 Das finite Verb im Deutschen. Tempus - Modus - Distanz. Tübingen: Narr. Thoma, Dieter & Tracy, Rosemarie (2006): Deutsch als frühe Zweitsprache: zweite Erst‐ sprache? In: Bernt Ahrenholz (Hg.): Kinder mit Migrationshintergrund. Spracherwerb und Fördermöglichkeiten. Freiburg im Breisgau: Fillibach bei Klett, S. 58-79. Tjong-Khing, Thé (2006): Die Torte ist weg! Eine spannende Verfolgungsjagd. Frankfurt am Main: Moritz-Verlag. Tjong-Khing, Thé (2016): Hieronymus. Frankfurt a. M.: Moritz Verlag Tomasello, Michael (2008): Konstruktionsgrammatik und früher Erstspracherwerb. In: Kerstin Fischer, Anatol Stefanowitsch, Alexander Lasch, Jörg Bücker und Alexander Ziem (Hg.): Konstruktionsgrammatik: Von der Anwendung zur Theorie. Tübingen: Stauffenburg-Verlag, S. 19-37. Toniolo, Giandomenico (2019): Introduction to frame analysis. First and second order theories (Springer tracts in civil engineering). Topalović, Elvira (2016): Was hat Zeit mit Erzählen zu tun? Zeitformen und Zeitadverbiale untersuchen. In: Praxis Deutsch 256, S. 12-17. Topalović, Elvira & Drepper, Laura (2019): Nähe-Distanz als multimodaler Strukturie‐ rungsraum: Empirische Daten zum vorschulischen Schriftspracherwerb. In: Doris Tophinke, Elvira Topalović und Katharina Rohlfing (Hg.): Sprachstrukturelle Modelle. Konvergenzen theoretischer und empirischer Forschung. Göttingen: V&R unipress, S. 320-326. Topalović, Elvira, Drepper, Laura & Härtel, Kira (i. V.): Lerngegenstand ,Doppelkonso‐ nanz‘ in der Grundschule: Explizites und implizites Lernen im Längsschnitt. In: Melanie Bangel und Iris Rautenberg (Hg.): Schriftspracherwerb im Spannungsfeld zwischen Wissen und Können. Schneider Verlag. Topalović, Elvira & Uhl, Benjamin (2014a): Linguistik des literarischen Erzählens. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 40, S. 26-49. 376 Literaturverzeichnis Topalović, Elvira & Uhl, Benjamin (2014b): „In der Gegenwart erzählen wir im Präsens! “ Wie die Tempora des Deutschen vermittelt werden. In: Die Grundschulzeitschrift 277, S. 42-45. Topalović, Elvira; Tophinke, Doris & Uhl, Benjamin (2013): Kleine Wörter - große Wirkung: Texte schreiben mit „und“, „trotzdem“ und „weil“. In: Doris Tophinke (Hg.): Kleine Wörter. Praxis Deutsch. Zeitschrift für den Deutschunterricht 238. S. 22-31. Uhl, Benjamin (2011): Grammatisch-temporale Phänomene in schriftlichen Erzählungen von Schülern der Primarstufe. In: Klaus-Michael Köpcke und Christina Noack (Hg.): Sprachliche Strukturen thematisieren. Sprachunterricht in Zeiten der Bildungsstan‐ dards. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 138-155. Uhl, Benjamin (2015): Tempus-Narration-Medialität. Eine Studie über die Entwicklung schriftlicher Erzählfähigkeit an der Schnittstelle zwischen Grammatik und Schreiben. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Uhl, Benjamin (2017): Texte schreiben und grammatisches Lernen - Wie grammatisches Wissen schreibschwachen Schülerinnen und Schülern beim Ausbilden einer schrift‐ lichen Narrationsfähigkeit helfen kann. In: Iris Rautenberg und Stefanie Helms (Hg.): Der Erwerb schriftsprachlicher Kompetenzen. Empirische Befunde - didaktische Kon‐ sequenzen - Förderperspektiven. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 172-197. Uhl, Benjamin (2019): Topologie und sprachliches Lernen - vier Argumente für das gram‐ matikdidaktische Potenzial des Stellungsfeldermodells. In: Doris Tophinke, Elvira Topalović und Katharina Rohlfing (Hg.): Sprachstrukturelle Modelle. Konvergenzen theoretischer und empirischer Forschung. Mitteilungen des Deutschen Germanisten‐ verbandes. Göttingen: V&R unipress, S. 356-367. Uhl, Benjamin (2021): Scaffolding, Normorientierung und Individualisierung - sprachdi‐ daktische und spracherwerbstheoretische Zugänge zum frühen Schreiben und Lesen in heterogenitätssensiblen Lernsettings. In: Ralph Köhnen und Björn Rothstein (Hg.): Normativität. Weinheim: Beltz Juventa. Uhl, Benjamin & Drepper, Laura (2019): Verbale Distanz als sprachliches Werkzeug des Erzählens - Über die Vermittlung von textgrammatischem Handlungswissen an einer inklusiven Kindertagesstätte. In: Anja Binanzer, Miriam Langlotz und Verena Wecker (Hg.): Grammatik in Erzählungen - Grammatik für Erzählungen. Erwerbs-, Entwick‐ lungs- und Förderperspektiven. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 33-58. Uhl, Benjamin & Drepper, Laura (2022): Narrative Schemaaktivierung und vorschulischer Erzählerwerb. Eine gebrauchsbasierte Analyse über die Verwendung narrativer Kon‐ struktionen zur Gestaltung temporaler Handlungsabfolgen. In: Birgit Mesch und Benjamin Uhl (Hg.): Temporalität - empirische Zugänge zum Erwerb von Zeitlichkeit, S. 71-100. 377 Literaturverzeichnis Uhlig, Bettina (2005): Kunstrezeption in der Grundschule. Zu einer grundschulspezifi‐ schen Rezeptionsmethodik. München: Kopaed. Uhlig, Bettina (2008): Welche Bilder interessieren Kinder? Eine Revision angeblich kindgemäßer Bilder. In: Impulse. Kunstdidaktik 4 4/ Nov. 2008, S. 3-13. Uhlig, Bettina (2012): Imagination und Imaginationsfähigkeit in der frühen Kindheit. In: Hubert Sowa (Hg.): Kunstpädagogische Theorie, Praxis und Forschung im Bereich einbildender Wahrnehmung und Darstellung. Oberhausen: Athena-Verlag, S. 114-129. Uhlig, Bettina (2013): Imaginieren lernen. In: Grundschulzeitschrift 262.263, 38-42. Uhlig, Bettina (2016): Die narrativen Dimensionen des kindlichen Bildkonzeptes. In: Gabriele Lieber und Bettina Uhlig (Hg.): Narration. Transdisziplinäre Wege zur Kunstdidaktik. München: Kopaed, S. 167-178. Ulich, Michaela (2003): Literacy - sprachliche Bildung im Elementarbereich. In: Kinder‐ garten heute 3, S. 6-18. van Dijk, Teun A. & Kintsch, Walter (1983): Strategies of discourse comprehension. New York: Academic Press. Vollmer, Wolfgang (2004): Gibt es Regeln für die Bildgestaltung? In: Martin Scholz und Ute Helmbold (Hg.): Stolpersteine. Gibt es Regeln für die Bildgestaltung? Wiesbaden: DUV, S. 19-33. von Polenz, Peter (2008): Deutsche Satzsemantik. Grundbegriffe des Zwi‐ schen-den-Zeilen-Lesens. 3., unveränderte Aufl. Berlin/ New York: de Gruyter. Wagner, Ernst & Schönau, Diederik (Hg.) (2016): Cadre Européen Commun de Référence pour la Visual Literacy. Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Visual Literacy. Münster, New York: Waxmann. Weidenmann, Bernd (1988): Psychische Prozesse beim Verstehen von Bildern. Bern, Stuttgart, Toronto: Huber (Huber-Psychologie-Forschung). Weidenmann, Bernd (1994): Lernen mit Bildmedien. Weinheim, Basel: Beltz Verlag. Weinhold, Swantje (2000): Text als Herausforderung. Zur Textkompetenz am Schulan‐ fang. Freiburg im Breisgau: Fillibach bei Klett. Weinrich, Harald (1964): Tempus - Besprochene und erzählte Welt. Mainz: Kohlhammer. Whitehead, Marian R. (2007): Sprachliche Bildung und Schriftsprachkompetenz (literacy) in der frühen Kindheit. In: Wassilos Fthenakis und Pamela Oberhuemer (Hg.): Früh‐ pädagogik international. Bildungsqulalität im Blickpunkt. Wiesbaden: VS, S. 295-311. Whitehurst, Grover J. & Lonigan, Christopher J. (1998): Child Development and Emergent Literacy. In: Child Development 69, S. 848-872. Wieler, Petra (1997): Vorlesen in der Familie. Fallstudien zur literarisch-kulturellen Sozialisation von Vierjährigen. Weinheim, München: Juventa Verlag. Wieler, Petra (2013): Die Bildergeschichte als Lerngegenstand vs. Geschichtenerzählen zu Bildern mit mehrsprachigen Grundschulkindern. In: Tabea Becker und Petra Wieler 378 Literaturverzeichnis (Hg.): Erzählforschung und Erzähldidaktik heute. Entwicklungslinien, Konzepte, Perspektiven. Tübingen: Stauffenburg-Verlag, S. 255-278. Wieler, Petra (2015): Gespräche und Geschichten mehrsprachiger Grundschulkinder zu einem Bilderbuch ohne Text. Literarisches Lernen und der Erwerb schriftsprach‐ licher Textualität. In: Ulrike Eder (Hg.): Sprache erleben und lernen mit Kinder- und Jugendliteratur I. Theorien, Modelle und Perspektiven für den Deutsch als Zweitsprachenunterricht. Wien: Praesens Verlag, S. 119-142. Wiprächtiger-Geppert, Maja & Mathis, Regula (2014): Perspektivenübernahme als grund‐ legende Rezeptionskompetenz beim Verstehen zeitgenössischer Bilderbücher. In: Gabriela Scherer, Steffen Volz und Maja Wiprächtiger-Geppert (Hg.): Bilderbuch und literar-ästhetische Bildung. Aktuelle Forschungsperspektiven. Unter Mitarbeit von Andrea Wetterauer. Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier, S. 59-73. Zeman, Sonja (2016): Chapter 1. Perspectivization as a link between narrative microand macro-structure. In: Natalia Igl und Sonja Zeman (Hg.): Perspectives on Narrativity and Narrative Perspectivization, Bd. 21. Amsterdam: John Benjamins Publishing Company, S. 15-42. Zeman, Sonja (2017): Confronting perspectives: Modeling perspectival complexity in language and cognition. In: Glossa: a journal of general linguistics 2 (1), S. 1-22. Zeman, Sonja (2018): What is a Narration - and why does it matter? In: Annika Hübl und Markus Steinbach (Hg.): Linguistic Foundations of Narration in Spoken and Sign Languages, Bd. 247. Amsterdam: John Benjamins Publishing Company, S. 173-206. Zeman, Sonja (2020): Grammatik der Narration. In: Zeitschrift für germanistische Lingu‐ istik 48 (3), S. 457-494. Zeman, Sonja; Blanck, Wiebke; Ott, Christine; Rödel, Michael & Staffeldt, Sven (2017): Was bedeutet eigentlich erzählen? Linguistische und didaktische Annäherungen an einen schwierigen Begriff. In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbands 64, S. 307-329. Ziem, Alexander (2014): Konstruktionsgrammtische Konzepte eines Konstruktikons. In: Alexander Lasch und Alexander Ziem (Hg.): Grammatik als Netzwerk von Konstruk‐ tionen. Sprachwissen im Fokus der Konstruktionsgrammatik. Berlin: de Gruyter, S. 15-36. Ziem, Alexander & Lasch, Alexander (2018): Konstruktionsgrammatische Zugänge zu narrativen Texten. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 48 (2), S. 389- 410. 379 Literaturverzeichnis Anhang Geschichten zum fiktiven Erzählimpuls LIPa-02-07 (vS) Seite 1 1. Es waren mall zwei Hunde. 2. Der eine hate Geburstag sie 3. machten grade den hof 4. saber da wurde Kuchen 5. gest|e+ohlen. Aber sofort verfol- 6. gkten sie die Reuber und 7. hoten sie ein. E|e+s kam ein 8. kurzer Kam|…+pf und die 9. R|a+euber wurden an einen 10. Baum gefeselt. Dann feierten 11. die beiden Hunde frölich 12. mit ihren Freunden Gebuts- 13. tag LIPa-02-11 (DS und vS) Seite 1 1. Die zwei Raten, Pik, und, Pit. 2. Es war ein schöner Som|er+mer 3. |mo+Morgen. Die Familie Kreker 4. Reu |auf+mt auf denn Heute ist 5. eine Geburstag feier. Auf 6. einma Kammen Pik und Pit 7. und |S+ stelten den |k+ Kuchen. 8. Die beiden Raten lifen mit 9. |…+ den Kuchen in den Wald. 10. |…+ Die bei den Hunde Anika 11. und Manuel Lifen hin|d+erher. 12. Nach fünf minuten waren 13. sie neben den|r+ beiden Raten 14. und |der+ Manuel der Hund schmis 15. sich auf die beiden Raten LIPa-02-11 (DS und vS) Seite 2 1. jetzt Feiern sie ein Fest 2. und alle krigen ein |k+Kuchen. LIPa-02-13 (vS) Seite 1 1. Die Tortendiebe, 2. Es |…+ wareneinmal zwei Hunde sie 3. hießen Tom und Lina. Als Lina |…+Geburtz 4. tag hatte schlichen sich die frechen 5. Mäuse an. Sie haben es auf die 6. leckere Torte abgesen. Als Tom in 7. Garten arbeite rief Lina: Die Torte 8. ist weg! Da drehte sich Tom um 9. und bemerkte zwei Mäuse mit 10. den Kuchen. Da schprang er auf 11. und jagte den Mäusen hinterher 12. Lina t|…+at das gleiche. Die Mäuse 13. ranten immer schneller. Als sie 14. am Teich waren packte Tom sie 15. am kragen. Da ferprügelten die LIPa-02-13 (vS) Seite 2 1. Mäuse Tom. ALs Lina ankam haute 2. sie den Mäusen auf den Kopf. Da 3. liesen sie den Kuchen fallen und 4. er landete im See. Die Mäuse lagen 5. auf den boden und Lina sagte: 6. Dann backen wir einen neuen Kuchen. 7. |Da+ Als der Kuchen fertig war |kam+ 8. kamen die gäste eingeladen 9. waren: ein Schwein, ein Waschbär, 10. ein Frosch, ein Kamelieon, und ein 11. Dinosauriea. |…+ Und was mit den 12. Mäusen pasiert ist wollt ihr 13. auch beschtümt wissen. Sie wurden 14. an einen Baum gefeselt und 15. geknebelt. Das Ende, 382 Anhang LIPa-02-21 (DS) Seite 1 1. Die Torte ist weg 2. Es war einmal ein Hund der 3. Hun d h ate Ge butztag 4. er mach te ales sehr sehr 5. schön Fertig und stelte den 6. Kuchen auf den Tisch und 7. fing an und die Einladungen 8. zuferteilen. Er frakteseinen 9. besten freund Hugo o ber 10. kommen kann? Darief Hugo 11. fredi zu gukt mal die 12. Raten klauen deinen Kuchen! 13. Hugo und Fredi waren 14. Empört und lie fen hin ter 15. her Hugo hate noch eine LIPa-02-21 (DS) Seite 2 1. Tü|T+te da bei und Fredi 2. hate n|a+ch seine Hake in der 3. hand sie liefe und schrin 4. und irgent wan haten sie die 5. Raten eingeholt und 6. Fredie war so wü te nd 7. das er diraten ferpügeln 8. möchte Hugo hate mit 9. seine Tasche ges ch l eu dert 10. hat dahat Hugo eine ide 11. ge habt Fre di bring mir ein 12. Seil Fredi brach tim ein 13. Seil und Feselte die Raten 14. und namen sichden Kuchen 15. und asen inaufund |d+ haten nochei 16. schönes Fest. 383 Anhang LIPa-02-26 (vS) 1. Es |…+ lebte |…+ einmal in einem 2. Wald eine |…+ kleine |…+Bären 3. Fa |mil+ mielie. |s+Sie haten gerade 4. einen Kuchen gebacken. 5. |al+ Als zwei kleine mäuse 6. kam|en+en und denn kuchen 7. vom Tisch namen. Die 8. Bären Familie eschrack 9. als sie das sahen. |s+ Sofort 10. kam der Papa und rante 11. hinter und bald hate 12. der Papa die zwei diebe 13. und der Papa hate die 14. Torte und danach haten 15. sie wieder sch|…+ön 16. geschmaust. Ende. LIPa-02-37 (DS) 1. Die Torte ist weg 2. E|S+s war ein mal ein Bär, 3. der war mit seiner Frau, 4. sie haten einen Kuchen ge- 5. backen. |d+ Da Kamen zwei Raten, 6. |s+ Sie Klauten sich den Kuchen. 7. Die Bären Ranten hinter her. 8. Alle ranten und ranten. Da 9. ramte der Papa die Raten, 10. und nun sind alle frölhlich 11. und die Raten sind gefeselt. LIPa-02-40 (vS) Seite 1 1. Die Torte ist weg! 2. Es ist ein schöner Sommertag. zwei 3. Hunde haben eine Torte Gebacken, 4. danach hat der eine Hund ein Geschenk 5. von seinem Bruder bekommen. |Jetzt+ 6. Sein Bruder |…+reumnt den Hof auf. 7. |d+Drausen ist schon der Tisch gedeckt, 384 Anhang 8. plözlich |…+ ruft sein Bruder zwei Mäuse 9. haben die |Kuchen+Torte entdeckt und 10. wollen |…+ sie schnapen! |schn+ Schnell 11. laufen die Beiden den Mäusen nach. 12. Doch die Mäuse sind schneller |die+ 13. eine Maus hält die Torte fest die 14. andere läuft und dann kommen 15. die beiden inen nach und Kämpfen LIPa-02-40 (vS) Seite 2 1. mit inen. dann geht ales ganz schnell 2. sie |b+ packen die Torte, und danach 3. rufen sie alle Freunde und nachban, 4. und teilen mit inen die Torte. |und+ 5. Die Mäuse sind angebunden. |…+Jezt 6. essen alle die Torte und sogar der 7. Dino krigt |sogar+ auch von der Torte 8. ab. |d+ Das ist die Geschichte von der 9. Torte. LIPa-02-43 (DS) Seite 1 1. |Da+ Der Kuchen ist weg! 2. Zwei Hund wohn |t+ ten einmal 3. in einem schönem und gemütli|c+- 4. chem Haus. Sie waren gerade 5. dabei bescheftigt aufzuräumen. 6. Da kammen zwei Mäuse und 7. namen den Kuchen mit. Den die 8. Hunde gebacken haben, Die zwei 9. Hunde ran|t+nten den Dieben 10. hinter|her+her Der Man nam das 11. Wergzeug mit. |…+ Mit dem er |for+ 12. vorher gearbeitet hat. Inzwischen 13. rannten die M|e+äuse zum Fluss 14. hinunter. Alls die M|e+äuse am 15. Fluss angekommen sind 385 Anhang LIPa-02-43 (DS) Seite 2 1. packte der Man die Mäuse 2. |Und+ und sie kugelten auf der |Wiese+ Wiese 3. her um, Etwas später saßen alle|s+ 4. Freunde von den Hunden auf der 5. Wiese. Und aßen den Kuchen. 6. Die Diebe waren an einem Baum 7. angebunden. LIPa-02-54 (DS) 1. |die+ Die Torte ist weg! 2. an eine sonen mogen oma tin 3. a und Opa Kol|a+a sind werlibt. 4. Oma Tina Hat rat|e+ ebent ist 5. die Torte fertie aber da Kom 6. en die Raten und sie Koln 7. die Torte Wek nemen und 8. es siet Oma Tina und es siet 9. opa Kola una es Keet Hinter 10. er sie Rennen under die Raten 11. sehen Renen noch seneler und oma 12. Tina sie hotte die Torte Wek 13. und Opa Kola hat sich die Torte 14. und sie Talen sie Torte. und 15. sie |…+ sind Vor. LIPa-02-66 (vS) 1. Es waren eimal zwei Hunde. Sie 2. lebten in einem kleinen Häuschen. 3. Sie backten einen Kuchen denn sie 4. erwarteten besuch. Dann machten 5. sie sich schick. Doch da kam|a+en 6. zwei Ratten und schnappten sich 7. |…+den Kuchen die Hunde bemerk|en+ten 8. es und liefen den Ratten mit 9. gebrüll hinterher. Die Ratten 10. waren zwar schnell doch 11. die Hunde holten sie ein und 12. namen den Ratt die Torteweg. 386 Anhang 13. |…+ Dann fesselten siedie Ratten. |…+ Danach 14. kamen die Geste und asen und 15. tranken frölich mit|t+ den Hunden. LIPa-02-70 (vS) 1. Die Torte ist weg! 2. Es lebte im wald eine |Familie+ 3. |…+ Familie |ein+ Hund. |…+ die hat einen |gr-+ 4. großen Kirschkuchen gebaken. 5. Herr Hund hagte nur noch zu- 6. ende. doch da kammen die 7. Ratten und klauten den 8. Kirschkuchen. Herr Hund und 9. Frau Hund ranten hinterher. 10. die Ratten liefen zu irem fersteck 11. doch da sp|i+rang Herr Hund auf 12. die Ratten und feselte die 13. beiden Ganoven an einen Baum. 14. Jetzt Holte Frau Hund die 15. anderen Tiere und feierte 16. 30 Jahre Diebe und jetzt nicht 17. meher. LIPa-02-74 (vS) 1. Ein gest|o+olener Kuchen! 2. Es waren einmal 2. Mäuse. |s+Sie 3. arbeiteten den ganzen Tag denn 4. sie erwateten Besuch. Doch oschrek! 5. der Kuchen ist plötslich weg. 6. Die Diebe haben ausfersehen eine 7. Spur gemacht. Die Mäuse ranten den 8. Dieben hinterher. Und plotzlich 9. hat die Maus sie |…+ eingeholt und 10. sie gefangen. Und dan waren die 11. geste schon da |U+ und sie konten 12. feiern. |er+ Ende 387 Anhang LIPa-02-78 (vS) Seite 1 1. Es war ein schöner Sommer Morgen. 2. Sie Sonne schien auf ein Haus fo 3. zwei Hunde wonten. Das Haus 4. schtant an einer Lichtung na 5. am Walt. Der Vater Hud Hackte 6. Drausn im Bet. Da! san die Hunde 7. Mutter zwei Ratten die den Kuchen 8. Klauen wolten. Schnel randen beite 9. Hunde hinter den Ratten her. 10. Die Ratten lifen und lifen imer 11. schneler doch die wan ser er 12. schobwt entlich Hade der Hunde 13. Vater die beiten Ratten. Dan 14. Holten die Beiden Hunde |ire+ire Freunde 15. zusamen und |sie+sie Feierten 16. ein kroses Fest. Die Beiten Ratten 17. Haben sie an |D+Einen Baum LIPa-02-78 (vS) Seite 2 1. West gebunden. LIPa-02-80 (vS) Seite 1 1. Der Gestolener Kuchen 2. Es waren mall 2 Hunde. Sie haten 3. ein Haus mit einem See. Der eine Hu- 4. nd hakde den Boden. Der andere 5. Hund backte ein Kuchen. Und 6. wenn man hinsah sah man 7. zwei Mäuse. Alls die Hund nicht 8. hinsah liefen die zwei Mäuse 9. zum Kuchen und namen den 10. Kuchen. Die beiden Hunde liefen 11. den |…+ Mäusen hinter her. Die 12. Mäuse liefen den weg entlang 13. zwischen Bäume. Der Hund packte 14. |…+sie der anere Hund schlug 15. mit der Tasch zu. Alls sie 388 Anhang LIPa-02-80 (vS) Seite 2 1. den Kuchen wieder haten luden 2. sie ire Freund ein, Die beiden 3. Mäuse waren gefeselt. LIPa-02-84 (vS) Seite 1 1. Die Torte ist weg! 2. Hern und Frau |Bär+Hund 3. wollen all ihre Freunde 4. einladen und mit ihnen 5. |…+Feiern. Hern |Bär+Hund 6. Hakt gerade die Terasse und 7. Frau |Bär+Hund guckt aus dem 8. Fenster. Da kammen zwei 9. Gauner aus dem Wal|t+d. 10. Es sind Eralt und Karl. 11. |s+Sie schna|l+p en sich die 12. Torte und |…+ rennen 13. blitz|…+schn|ll+ell wieder 14. in den Wald. Hern 15. und Frau |Bär+Hund hinterher. LIPa-02-84 (vS) Seite 2 1. Die Beiden Ratten |so+ rennen so 2. schnell sie i|…+hre Be|n+ine 3. tragen dach Frau und 4. Hern Hund |sind+ 5. schnel|ler+ler Hern Hund 6. packt die beiden und 7. hält sie fest. Die Beiden 8. Ratten geben den Kuchen 9. wieder her und si|z+tzen 10. jezt im Kerker weil 11. sie wurden schon lange 12. gesucht aber dann ko|…+ nnte 13. das Fest doch noch 14. statfinden und alle 15. kammen und brachten 16. etwas mit es wurde 389 Anhang 17. |…+ ein schönes Fest. LIPa-02-91 (vS) Seite 1 1. |Ein auf Mall+ 2. Auf ein mal war die 3. Torteweg 4. Zwei Bären wohnen 5. in einem Haus. Da! Zwei 6. Mäus kam und bracht 7. eine |Tar+Torte. |…+ nach 8. 2 minuten kam zwei 9. Gespnstermäuse. Und 10. namdie Torte und ranten 11. |wa +weg die Baren hınter 12. her. Da fieng die Beiden 13. Baren sie. Und feslten 14. sie danach und bıden 15. alle. zu |D+Torte essen LIPa-02-91 (vS) Seite 2 1. ein. Da hate enenr eine 2. |i+|Ir+Ide wir machen 3. eine Parti! Ein Ferstanden? 4. |Ja+alle rufen |J+ ja! 5. Und sie feirten eine Parti. Geschichten zum imaginären Erzählimpuls LIPa-02-07 (vS) 1. Diebe auf der Feier 2. Es war mal ein Mädchen 3. |das+ Das hate Geburstag es lut 4. ihre Freunde ein. |doch+ Doch gra- 5. de beim geschnke auspacken 6. wurde der gestohlen. Doch 7. die gäste und das Geburstags- 8. kind verfolgten die Diebe. 9. Die Diebe wurden gefast dan 10. asen sie den kuchen 390 Anhang LIPa-02-11 (DS und vS) Seite 1 1. Diebe auf der Feier! 2. Es war ein Sonniger Tag. 3. James hat geburztag und 4. hat zwei Kinder eingeladen. 5. Sie heise Sarah und Sofi. 6. Sarah hat |d+ |B+ braune |…+ Haare und 7. eine Blaue Hose und ein 8. rosa |…+ T-|s+Shirt. Sofi hat 9. blonde Haare und ein lila 10. Kleid. James wartete schon 11. auf sie |und+ er muste eine Stunde 12. warten. In der zeit bakte |e+ er 13. den Kuchen. Eenklich sind sie 14. da. Sie |b+ Packten gerade die 15. Geschenke aus da |…+ kommen LIPa-02-11 (DS und vS) Seite 2 1. die |M+ Nach bahn und klauten 2. den Kuchen. Die |M+ Nachban 3. laufen so schnell das James 4. nicht hinterher kamm. Doch 5. jetzt haben sie die |…+ Reuber. 6. Und bringen den Kuchen 7. zum plaz. |u+ Und essen den 8. Kuchen auf. Ende LIPa-02-13 (vS) Seite 1 1. Diebe auf der Feier Teil.1 2. Es waren einmal zwei Mädchen und 3. ein Junge. Der Junge hies Max, |d+ Das 4. eine Mädch hies Fina, und das andere 5. Mila. Max hat heute Geburtstag. 6. Er hat ein |E+echtes Flugzeug bekomen. 7. Aber am libsten würde er sofort den 8. leckeren Kuchen mit seinen Freunden 9. essen. Doch da kamen ihre Erzfein- 10. de. Paul und Elli. Sie haben sich an- 11. geschlichen und den Kuchen geklaut. 391 Anhang 12. Als Max sie sah sagte er: Das ist mein 13. Kuchen. Doch Paul und Lilli sind ein- 14. fach weggerant. Da machten die 15. Kids sich auf den weg um den LIPa-02-13 (vS) Seite 2 1. Diebe auf der Feier Teil.2 2. Kuchen |…+ wiederzuholen. Lilli und 3. Paul liefen schneller als die 4. anderen. Da hate Maxs eine ide. 5. Er stieg in sein Flugzeug und 6. holte die Diebe schnell ein. Paul 7. und Lilli gaben den Kuchen ab 8. und |…+ die andern gingen wieder auf 9. die Feier. Doch als Fina in den Ku- 10. chen bis |…+ stotertesie.D.Das ist ein 11. Papier Kuchen. Mila sagte: Das 12. kann gar nicht sein., aber als 13. auch reinbis sagte sie: Oder auch 14. doch. Sie gingen heulen und 15. ihre ertzfeine freuten sich über 16. den echten Kuchen. Ende LIPa-02-21 (DS) Seite 1 1. Die*b*e auf der Feier 2. Soe hat Geburtztag sie hat 3. 8 kinder ein geladen weiel ihre 4. Muter sagt wen du 8 wirst 5. dar fst du 8 Kinder ein 6. *l*aden die Kinder vom 7. Geburtztag heisen Tobi, 8. Emma, Leoni, Tom, Felix, 9. Mäg, Ella und Lulu die Kinder 10. holen ihre Geschenke 11. u n d Soe darf sie öfnen 12. sie bekomnt Puppen, 13. Autos, und vieles mehr 14. Soes Mutter hatte einen 15. schönen Kuchen gebaken 392 Anhang 16. sie waren noch sehr fertieft 17. im Geschenke aus paken LIPa-02-21 (DS) Seite 2 1. da kmmen Mıa,und Tom und 2. klaute den Kuchen und 3. rannten los die Kinder vom 4. Geburztag warn sehr erschroken 5. und Felix rief hinterher 6. sie ranten so schnelles 7. ging sie ranten und ranten 8. und irgent wann haten sie 9. Mia un*d* Tom eingeholt 10. und sie riefen gib den 11. Kuchen her undas machte sie 12. 10 mal dan ga|d+ben sie in 13. her dan gingen sie wieder 14. nach hause und dann hattensie 15. noch einen schönen Geburtztag LIPa-02-26 (vS) Seite 1 1. Diebe auf der Feier! 2. Es gab draußen mal eine Feier. 3. Da |a+ gab es viele 4. Geschenke. Und eine 5. ganz |…+ ganz schöne 6. Geburtztagstorte. 7. Auf einmal war die 8. Torte weg zwei Freche 9. Kinder ein Junge 10. und ein Mädchen 11. haben die Tare gecklaut. 12. die beiden sind weg 13. gerant die anderen 14. Kinder sin|t+d hinter 15. her aufeinmal blieben 16. die Kinder und gaben die 17. Torte ab. dan kannte 393 Anhang LIPa-02-26 (vS) Seite 2 1. sie schön Feiern Ende, LIPa-02-37 (vS) 1. Diebe auf der Feier 2. Jonas hat Geburtstag, er hat 3. alle Freunde eingeladen. Da 4. |k+Kammen zwei Kinder und 5. nahmen sich den Kuchen 6. und ranten dafon. Sie ranten 7. ihnen indgegen, bei der Ecke 8. trafen sie sich und die Diebe 9. mussten den Kuchen abgeben. 10. Jonas und seine Freunde 11. Freuten sich. LIPa-02-40 (vS) Seite 1 1. Diebe auf der Feier! 2. Jan hat Geburztag er |…+ krigt gans 3. fiele Geschenke doch auf einmal 4. klaut jemand den Kuchen. |w+ Wer 5. war das! Die Diebe sin|nd+d schon weg 6. mit dem Kuchen. Die Diebe sind 7. |…+ gerade weg gegangen. Da sagt das 8. M|…+adchen wir müssen den Kuchen 9. zürückgeben. Die anderen gehen schon 10. und suchen. Das eine Medchen weint, 11. und das andere Medchen |…+ ist garnicht 12. mer frölich. Und |der Junge+ Jan sagt 13. weiter wir müssen sie finden! 14. Da kommen die Diebe sag ein 15. Medchen! Die Diebe haben geweint LIPa-02-40 (vS) Seite 2 1. doch Jan tröstet sieund das 2. Medchen giebt den Kuchen zurück. 3. Und dan gehen die Diebe nach- 4. hause. |u+ Und die anderen feiern zuende. 394 Anhang LIPa-02-43 (DS) 1. Diebe auf der Feier 2. Es waren einmal drei Kinder. 3. Die hießen Ben, Lia und Alina, 4. Alina hate Geburtztag. Sie bekamm 5. eine Puppe, ein Springseil und was 6. man sonst noch allen bekomm. 7. Da kammen Luis und Ane. Luis und 8. Ane namen den Kuchen mit! 9. Sie rannten die Straße endlang, 10. Ben, Lia und Alina rannten inen 11. hinterher. Als sie die Diebe 12. eingeholt haten namen sie 13. inen den Kuchen weg, Dan|n+ gingen 14. sie nach Hause und feierten 15. noch schön weiter LIPa-02-54 (DS) 1. |a+ An einen sönen Gebustag sin 2. Tim und Catie Gebustag ist 3. komt Leini und Lars Koldmdie 4. Torte und Renen weg und 5. Tim und Catie Renen Rinter 6. er und dan Habensie die 7. Torte wieda dann undschut 8. ig die beiden Sie|e+ ch dan 9. esen die Torte auf esen. LIPa-02-66 (vS) 1. Heute ist Weınachten. Lisa, Anna, und 2. Paul treffen sich zum zu feiern. Es gibt 3. Torte, Geschenke und freude. Doch da 4. kommen Aufeinmal zwei Gestalten 5. und klauen die Torte. Sie laufen mit 6. der Torte weg. Lisa, Anne und Paul 7. lassen sich das nicht gefallen sie 8. laufen den zwei |di+ Dieben hinteher 9. her. Die drei Kinder holen die 10. Diebe ein und Anne nimmt der 395 Anhang 11. Dieben die Torte weg. Macht das 12. nie wiede|n+r sagt Anna. Dann gehen 13. die Diebe beleidigt nach Hause. |u+Und 14. Lisa, Anna und Paul gehen auch mit 15. der Torte nach Hause |…+ und essen Torte. LIPa-02-70 (vS) Seite 1 1. Diebe auf der Feier 2. heute hat Tina Geburtstag, 3. sie ist heute 7 Jahre alt, 4. sie hate heute|t+ Mattis und 5. Maia ein geladen. Und feiertete 6. ih|…+ra gefalt das garmicht sie 7. schleicht sich mit Leon an 8. und klauen die Torte dan. 9. Laufen die beiden in den Wald. 10. Maia ist ser Schnel Mattes 11. auch los, hnter her. Ruft 12. Matte|r+s und alle laufen in 13. den Wald. |a+ Alle rufen schten- 14. bleiben doch die |…+ beiden 15. horen sie nicht. Da sitzen sie LIPa-02-70 (vS) Seite 2 1. ihra will abhauen aber Maia 2. halt sie fest den Kuchen, 3. wenn ich biten darf. Da 4. stet er. Gut ihr könt laufen. 5. mit der Torte in der |h+Hand 6. |…+ gehen sie zurück und feiern. LIPa-02-74 (vS) 1. Angst beim feiern! 2. Juhuu! Ich habe eine Pupe im geschenk! 3. |o+ O da komen Ja die geferliksten 4. Diebe! Onein sie klauen unseren 5. Kuchen! Sie laufen wek! Schnel 6. hinter-her. Ich kann nıchtmer. 7. Dann laufen wir halt weiter gehe 396 Anhang 8. du zurück und ruhe dich aus. 9. Wir laufen weiter. Autsch! Ich bin 10. über ein Stein gefalen. Mein Knie 11. lutet. Ich kann nicht mer 12. laufen. Lauf du weiter. hab 13. dich! Und den Kuchen auch! Wir 14. sind wieder da! Und Jetst esen 15. wir denn Kuchen. LIPa-02-78 (vS) 1. Es far ein schöner Tag zwei Mätjem 2. und ein Junge haben Geschenge 3. begomen blötzlich wurte der 4. Kuchen geschtolen. Zwei Kinder 5. randen den Weg endlang sie haten 6. den Kuchen in der hand. Die drei 7. Kinder randen hinder her. Endlich 8. haben die drei Kinder die zwei 9. Kinder eingeholt. Zuhauze haben 10. sich die |die+drei Kinder gewroit und 11. haben den Kuchen aufgegesen. LIPa-02-80 (vS) Seite 1 1. Diebe auf der Feier! 2. Juhuu Weinachten ruft Max. 3. Wann können wir die Ge- 4. schnke auspaken. Mama 5. sagt: gleich. Oh, was macht 6. ihr da. Wir klauen euern 7. Kuchen. He lasst den Kuchen 8. stehen. Wie denken garnicht 9. drann. Kamm Ben wir laufen 10. weg. Tom schneller die kom- 11. men uns nach. Schneller wir 12. haben sie gleich. Ja ich 13. hab dich Ben und dich 14. auch Tom. Gib mir denn 15. Kuchen hier. Zu Hause an- 16. gekommen. Können wir den 397 Anhang 17. Kuchen essen. Ja sagt LIPa-02-80 (vS) Seite 2 1. Mama LIPa-02-84 (vS) Seite 1 1. Diebe auf der Feier! 2. Jonas hat Geburstag. Jonas 3. ist gerade am Geschenke 4. auspacken. |s+ Seine |s+ Schwes|cke+t 5. er freut sich weil sie 6. auch etwas bekommen hat. 7. Seine andere Schwester 8. hielft Jonas die Geschenke 9. auszupacken. Seine Schwestern 10. heißen Lea und Lu. Da 11. kommen zwei Kinder 12. und nehmen sich einfach 13. die Geburstgstorte vom Tisch. 14. He last das! |…+ Die Beiden Kin- 15. der hießen Alex und Kim. LIPa-02-84 (vS) Seite 2 1. Sie ranten den Weg entlang. 2. Jonas, Lea, und |…+ Lu rannten 3. hinterher. Und eine wilde 4. vervolgungsȷag|d+t begann. 5. Enlich haten die drei Alex 6. und Kim eingeholt. 7. Alex und Kim musten 8. [i] ⎾ h ⏋ nen die Torte zurück 9. geben und die drei konn- 10. ten ungestört Jonas 11. Geburstag feiern und hat- 12. ten dabei riesenpaß. LIPa-02-91 (vS) Seite 1 1. Diebe auf der Feier. 2. Ein Junge hat Gebustag. 398 Anhang 3. Da! Ein schtüg der 4. Torte ist weg. Wer war 5. das! Der June weind. 6. Die Mutter tröstet in. 7. Sie sagt wir suchen in. 8. |dr+Da! |s+ Sen sie zwei 9. Kinder mit einer Torte. 10. |d+ Da was ist? es sin Tom 11. und Tim! Die zwei Nachbarn 12. Da renn sie los und 13. fang sie ein. Wieso 14. klaut ir die Torte? ! 15. Wier wollen auch ein 16. Stüg. grne! wiso aber 17. abt ır ihr das LIPa-02-91 (vS) Seite 2 1. nicht gsagt! Wir ham 2. unz nicht gtraut. 399 Anhang Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Exemplarische Bildergeschichte eingesetzt im 2. Schuljahr (Dezember) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Abb. 2: Integratives Modell des Text-Bild-Verstehens nach Schnotz/ Bannert (1999) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Abb. 3: Mikroebene des Narrativen in narratoästhetischen Bildern 60 Abb. 4: Mikro- und Mesoebene des Narrativen in narratoästhetischen Bildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Abb. 5: Hierarchische Modellierung der Ebenen des Narrativen in narratoästhetischen Bildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Abb. 6: Reale, imaginäre und fiktive Erzählkontexte nach Topalović/ Uhl (2014a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Abb. 7: Erzählen 1 als Architerm (Ehlich 1983a) . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Abb. 8: Versetzung in einen Erzählraum nach Fienemann (2006) . . 71 Abb. 9: Erzählen als Kontinuum nach Becker/ Stude (2017) . . . . . . . 73 Abb. 10: Erzähler- und Protagonistenperspektive nach Uhl (2017) . . 88 Abb. 11: Figuren- und Gedankenrede nach Martínez/ Scheffel (2016) 90 Abb. 12: Organonmodell der Sprache nach Bühler 1934 [1982] . . . . . 101 Abb. 13: Modellierung der Sprachfunktionen nach Jakobson (1960 [1979]) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Abb. 14: Struktur narrativer Texte nach Zeman (2020, 2018) . . . . . . . 108 Abb. 15: Mikroebene des Narrativen in Erzähltexten . . . . . . . . . . . . 109 Abb. 16: Mikro- und Mesoebene des Narrativen in Erzähltexten . . . 109 Abb. 17: Hierarchische Modellierung der Ebenen des Narrativen in Erzähltexten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Abb. 18: Kontinuum zur Gestaltung einer visuellen Narration . . . . 131 Abb. 19: Kontinuum zur Gestaltung einer erzählten Welt . . . . . . . . . 135 Abb. 20: Fiktiver Erzählimpuls (Aus: Tjong-Khing, Thé (2006): Die Torte ist weg! Eine spannende Verfolgungsjagd. Frankfurt am Main: Moritz-Verlag.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Abb. 21: Gestaltung der visuellen Erzählinstanz im fiktiven Erzählimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Abb. 22: Gestaltung der bildkompositorischen Narrationsmarker im fiktiven Erzählimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Abb. 23: Gestaltung der bildinhaltlichen Narrationsmarker im fiktiven Erzählimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Abb. 24: Gestaltung der Handlungen im fiktiven Erzählimpuls . . . . 146 Abb. 25: Gestaltung der Räume im fiktiven Erzählimpuls . . . . . . . . . 146 Abb. 26: Gestaltung der Figuren im fiktiven Erzählimpuls . . . . . . . . 148 Abb. 27: Imaginärer Erzählimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Abb. 28: Gestaltung der visuellen Erzählinstanz im imaginären Erzählimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Abb. 29: Gestaltung der bildkompositorischen Narrationsmarker im imaginären Erzählimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Abb. 30: Gestaltung der bildinhaltlichen Narrationsmarker im imaginären Erzählimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Abb. 31: Gestaltung der Handlungen im imaginären Erzählimpuls . 154 Abb. 32: Gestaltung der Räume im imaginären Erzählimpuls . . . . . . 154 Abb. 33: Gestaltung der Figuren im imaginären Erzählimpuls . . . . . 156 Abb. 34: Gegenüberstellung der Gestaltung des fiktiven und imaginären Erzählimpulses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Abb. 35: Vorschulische Literacy-Erfahrungen nach Topalović/ Drepper (2019) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Abb. 36: Beispiel zur Transkription . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Abb. 37: Anzahl an kohäsiv verwendeten Adverbien und Adverbialphrasen (n = 95) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Abb. 38: Durchschnittliche Verwendung an kohäsiv verwendeten Adverbien und Adverbialphrasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Abb. 39: Syntaktische Verwendung der kohäsiv verwendeten Adverbien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Abb. 40: Anzahl an kohäsiv verwendeten Adverbien in einem Erzähltext (n = 95) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Abb. 41: Variation kohäsiv verwendeter Adverbien in einem Erzähltext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Abb. 42: Anzahl an Junktionen zum Ausdruck verschiedener semantischer Relationen (n = 95) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Abb. 43: Durchschnittliche Verwendung an Junktionen zum Ausdruck verschiedener semantischer Relationen . . . . . . . . 216 Abb. 44: Junktionenprofil Kopulativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Abb. 45: Junktionenprofil Adversität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Abb. 46: Junktionenprofil Temporalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Abb. 47: Anzahl an Junktionen in einem Erzähltext (n = 95) . . . . . . . 221 Abb. 48: Durchschnittliche Verteilung der Tempora (n = 95) . . . . . . . 230 Abb. 49: Durchschnittliche Verteilung der Tempora . . . . . . . . . . . . . . 231 402 Abbildungsverzeichnis Abb. 50: Anteil präteritaler Tempora in einem Erzähltext (Gruppe 1: n = 44) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Abb. 51: Anteil präteritaler Tempora in einem Erzähltext (Gruppe 2: n = 51) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Abb. 52: Anzahl indefiniter Verweise zur Etablierung einer Erzählerperspektive (n = 95) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Abb. 53: Durchschnittliche Verwendung indefiniter Verweise zur Etablierung einer Erzählerperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Abb. 54: Einführungen der Figuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Abb. 55: Etablierung einer Erzählerperspektive (n = 95) . . . . . . . . . . 252 Abb. 56: Durchschnittliche Verwendung der Figurenbeiträge . . . . . 263 Abb. 57: Zusammenhang Protagonistenperspektive und Erzählerperspektive (n = 21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Abb. 58: Anzahl narrativ-strukturierender Gebrauchsmuster (n = 95) 284 Abb. 59: Anzahl narrativ-strukturierender Gebrauchsmuster . . . . . . 286 Abb. 60: Sprachliche Markierung der Textmusterphasen zum Ausdruck des narrativen Textmusters (n = 95) . . . . . . . . . . . 288 Abb. 61: Anzahl inhaltlicher Merkmale zur globalkohärenten Erzählgestaltung (n = 95) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Abb. 62: Anzahl an Versprachlichung implizit visualisierter Ereignisse in einem Erzähltext (n = 95) . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Abb. 63: Anzahl poetisch-evozierender Gebrauchsmuster (n = 95) . . 317 Abb. 64: Durchschnittliche Verwendung poetisch-evozierender Gebrauchsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Abb. 65: Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Syntax in einem Erzähltext (n = 95) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Abb. 66: Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Morphosyntax in einem Erzähltext (n = 95) . . . . . . . . . . . . . 321 Abb. 67: Anzahl an poetisch-evozierenden Gebrauchsmustern der Morphologie in einem Erzähltext (n = 95) . . . . . . . . . . . . . . . 323 Abb. 68: Gestaltungskontinuum narratoästhetischer Erzählimpulse 350 403 Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Tab. 1: Adverbien und Adverbialphrasen als kohäsive Satzkonnektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Tab. 2: Semantische Relationen nach von Polzen (2008) . . . . . . . . . . . . 79 Tab. 3: Junktionen als kohäsive Satzkonnektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Tab. 4: Funktion der präsentischen und präteritalen Tempora nach Bredel/ Töpler (2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Tab. 5: Deiktische und kognitive Annahmen für den Tempusgebrauch beim Erzählen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Tab. 6: Sprachliche Realisierung zur Etablierung einer Erzählerperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Tab. 7: Sprachliche Realisierung zur Etablierung einer Protagonistenperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Tab. 8: Narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster als Merkmale von Erzähltypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Tab. 9: Stilistische Mittel zur ästhetischen Erzählgestaltung nach Augst (2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Tab. 10: Mögliche Sprachfunktionen der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Tab. 11: Erhebungsreihenfolge und Klassenzuordnung . . . . . . . . . . . . . 158 Tab. 12: Übersicht der narrativen Gebrauchsmuster auf Mikro-, Meso- und Makroebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Tab. 13: Adverbien und Adverbialphrasen auf Mikroebene des Erzähltextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Tab. 14: Junktionengebrauch auf Mikroebene des Erzähltextes . . . . . . . 168 Tab. 15: Tempusgebrauch auf Mikroebene des Erzähltextes . . . . . . . . . . 170 Tab. 16: Sprachliche Realisierung zur Etablierung einer Erzählerperspektive auf Mesoebene des Erzähltextes . . . . . . . . 171 Tab. 17: Sprachliche Realisierung zur Etablierung einer Protagonistenperspektive auf Mesoebene des Erzähltextes . . . 173 Tab. 18: Narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Tab. 19: Poetisch-evozierende Gebrauchsmuster auf Makroebene des Erzähltextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Tab. 20: Intercoderreliabilität der poetisch-evozierenden Gebrauchsmuster (Krippendorffs Alpha) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Tab. 21: Übersicht quantitative Mittelwertanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Tab. 22: Adverbiengebrauch in den Erzähltexten von Kind 70 . . . . . . . . 188 Tab. 23: Adverbiengebrauch in den Erzähltexten von Kind 43 . . . . . . . . 190 Tab. 24: Adverbiengebrauch in den Erzähltexten von Kind 26 . . . . . . . . 192 Tab. 25: Ergebnisse Mittelwertanalyse Adverbien als kohäsive Mittel . 204 Tab. 26: Junktionengebrauch in den Erzähltexten von Kind 70 . . . . . . . 206 Tab. 27: Junktionengebrauch in den Erzähltexten von Kind 43 . . . . . . . 209 Tab. 28: Junktionengebrauch in den Erzähltexten von Kind 26 . . . . . . . 211 Tab. 29: Ergebnisse Mittelwertanalyse Junktionen als kohäsive Mittel 222 Tab. 30: Tempusgebrauch in den Erzähltexten von Kind 70 . . . . . . . . . . 223 Tab. 31: Tempusgebrauch in den Erzähltexten von Kind 43 . . . . . . . . . . 225 Tab. 32: Tempusgebrauch in den Erzähltexten von Kind 26 . . . . . . . . . . 227 Tab. 33: Ergebnisse Mittelwertanalyse Tempusgebrauch . . . . . . . . . . . . 236 Tab. 34: Etablierung einer Erzählerperspektive in den Erzähltexten von Kind 74 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Tab. 35: Etablierung einer Erzählerperspektive in den Erzähltexten von Kind 80 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Tab. 36: Etablierung einer Erzählerperspektive in den Erzähltexten von Kind 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Tab. 37: Ergebnisse Mittelwertanalyse Etablierung einer Erzählerperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Tab. 38: Etablierung einer Protagonistenperspektive in den Erzähltexten von Kind 74 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Tab. 39: Etablierung einer Protagonistenperspektive in den Erzähltexten von Kind 80 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Tab. 40: Etablierung einer Protagonistenperspektive in den Erzähltexten von Kind 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Tab. 41: Ergebnisse Mittelwertanalyse Figurenrede zur Etablierung einer Protagonistenperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Tab. 42: Narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster in den Erzähltexten von Kind 84 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Tab. 43: Narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster in den Erzähltexten von Kind 78 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Tab. 44: Narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster in den Erzähltexten von Kind 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Tab. 45: Ergebnisse Mittelwertanalyse narrativ-strukturierende Gebrauchsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Tab. 46: Ergebnisse Mittelwertanalyse inhaltlicher Merkmale zur globalkohärenten Erzählgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 406 Tabellenverzeichnis Tab. 47: Poetisch-evozierende Gebrauchsmuster in den Erzähltexten von Kind 84 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Tab. 48: Poetisch-evozierende Gebrauchsmuster in den Erzähltexten von Kind 78 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Tab. 49: Poetisch-evozierende Gebrauchsmuster in den Erzähltexten von Kind 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Tab. 50: Ergebnisse Mittelwertanalyse poetisch-evozierende Gebrauchsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Tab. 51: Wirkungspotentiale narratoästhetischer Erzählimpulse für einen narrativen Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 407 Tabellenverzeichnis ISBN 978-3-7720-8784-4 Bilder, die eine Geschichte erzählen, werden in verschiedenen Kontexten als Erzählanlässe genutzt, z.B. in Vorlesesituationen, zur Sprachförderung oder als Schreibanlass. Allerdings bleibt bei der Auswahl narrativer Bilder (z.B. von Bildimpulsen oder Bildergeschichten) häufig das narratoästhetische Potential der Bildgestaltung unberücksichtigt. In dieser Arbeit werden Wirkungspotentiale von Bildern durch einen interdisziplinären Zugriff theoretisch entfaltet und in einer qualitativ-quantitativen Erzähltextanalyse empirisch untersucht. Dabei zeigt sich, dass die Bildgestaltung Einfluss auf den narrativen Sprachgebrauch nimmt und bei visuellen Erzählimpulsen berücksichtigt werden sollte. Ein wichtiges Ergebnis für die deutschdidaktische Forschung und die schulische Praxis gleichermaßen stellt ein Gestaltungskontinuum für narratoästhetische Erzählimpulse dar. Es kann genutzt werden, um narrative Bilder kategoriengeleitet zu analysieren und ihr Potential für das sprachlich-ästhetische Lernen im Deutschunterricht zu bewerten.