eBooks

Von der Schrift zum Buch - vom Ich zum Autor

2010
978-3-7720-5362-7
A. Francke Verlag 
Balázs J. Nemes

Vor dem Hintergrund der altgermanistischen Diskussion um den Umgang mit früh- und vormoderner Textualität und den Instanzen der Textautorisation findet im vorliegenden Buch eine kritische Auseinandersetzung mit dem,Ein Werk/ein Autor'-Modell der Mechthild-Forschung statt. Diese erfolgt in zwei Schritten. Zunächst gilt es, den textgeschichtlichen Status der beiden Überlieferungszweige des >Fließenden Lichts< neu zu verhandeln und die daraus resultierenden Konsequenzen für die Verfasserschaft zu reflektieren. Erwartungsgemäß ist die Herangehensweise an die Frage nach der Autorschaft des>Fließenden Lichts< in diesem Zusammenhang eine primärtextgeschichtliche bzw. produktionstechnische. Diese Sicht wird in einem zweiten Schritt in eine rezeptionsorientierte Perspektive überführt, so dass nach der ,Buchwerdung der Schrift' die Frage nach der ,Autorwerdung des Ich' im Mittelpunkt steht. Die Schlagworte dabei lauten: ,Autorkonkretisation' und ,Re-Personalisierung der Autorrolle'.

Balázs J. Nemes Von der Schrift zum Buch - vom Ich zum Autor Zur Text- und Autorkonstitution in Überlieferung und Rezeption des ›Fließenden Lichts der Gottheit‹ Mechthilds von Magdeburg Bibliotheca Germanica A. Francke Verlag Tübingen und Basel Bibliotheca Germanica HANDBÜCHER, TEXTE UND MONOGRAPHIEN AUS DEM GEBIETE DER GERMANISCHEN PHILOLOGIE HERAUSGEGEBEN VON HUBERT HERKOMMER , SUSANNE KÖBELE UND URSULA PETERS 55 Balázs J. Nemes Von der Schrift zum Buch - vom Ich zum Autor Zur Text- und Autorkonstitution in Überlieferung und Rezeption des ›Fließenden Lichts der Gottheit‹ Mechthilds von Magdeburg A. FRANCKE VERLAG TÜBINGEN UND BASEL Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter <http: / / dnb.d-nb.de> abrufbar. Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort und der Landesgraduiertenförderung des Landes Baden-Württemberg. © 2010 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Satz: CompArt satz+edition, Mössingen Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISSN 0067-7477 ISBN 978-3-7720-8362-4 Für meine Frau Vorwort Das vorliegende Buch wurde im Juli 2008 unter dem Titel «Eya herre got, wer hat dis buoch gemachet? Textstatus und Autorschaft des ›Fließenden Lichts der Gottheit‹ Mechthilds von Magdeburg» als Dissertation bei der Gemeinsamen Kommission der Philologischen, Philosophischen, Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg eingereicht. Die Promotion erfolgte im März 2009. Für den Druck wurde der Text leicht überarbeitet und bibliographisch auf den neuesten Stand gebracht. Dabei konnte die kurz vor dem Abschluss des Manuskripts erschienene Bekanntmachung des sensationellen Mechthild-Fundes aus Moskau durch Natalija Ganina und Catherine Squires nur noch punktuell berücksichtigt werden. Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich bei meiner Arbeit unterstützt haben. An erster Stelle sei hier Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer genannt, der die Dissertation betreut und dafür gesorgt hat, dass ich unter optimalen Bedingungen arbeiten konnte. Mein Dank gilt auch Prof. Dr. Freimut Löser (Augsburg), der sich bereit erklärt hat, die Aufgabe des Zweitgutachters zu übernehmen. Das Drittgutachten wurde von Prof. Dr. Peter Walter, dem Zweitbetreuer der vorliegenden Arbeit, erstellt. Auch ihm sei hier ausdrücklich gedankt. Zu Dank verpflichtet bin ich außerdem Prof. Dr. Nigel F. Palmer (Oxford), Prof. Dr. Burkhard Hasebrink und Prof. Dr. em. Ernst Hellgardt (München) für anregende Gespräche sowie für die kritische Vorablektüre von Teilen der Arbeit. Das Korrekturlesen des für den Druck eingereichten Manuskripts übernahm dankenswerterweise Dr. Almut Suerbaum (Oxford). Ebenso zu Dank verpflichtet bin ich den Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds, der Landesgraduiertenförderung Baden-Württemberg sowie der Internationalen Graduiertenakademie der Universität Freiburg, dass sie mein Dissertationsprojekt gefördert haben. Dank gebührt auch der Wissenschaftlichen Gesellschaft der Universität Freiburg sowie dem Promotionskolleg «Lern- und Lebensräume. Hof - Kloster - Universität. Komparatistische Mediävistik 500-1600». Durch ihre Hilfe konnte ich aufwändige Bibliotheksfahrten unternehmen, kostenspielige Reproduktionen von Handschriften erwerben und an wissenschaftlichen Tagungen im In- und Ausland teilnehmen. Last but not least sei der Graduiertenförderung des Landes Baden-Württemberg gedankt, dass sie mir durch eine großzügige finanzielle Unterstützung ermöglichte, den Hilary Term des akademischen Jahres 2006/ 07 als Academic Visitor an der University of Oxford zu verbringen. Vorwort Vorwort Von entscheidender Bedeutung für das Zustandekommen der vorliegenden Untersuchung war meine Mitarbeit im DFG-Sachmittelprojekt «Texteditionen lateinischer Mystik aus dem Kloster Helfta», Teilprojekt «Die Edition der Lux divinitatis Mechthilds von Magdeburg», das von Prof. Dr. em. Ernst Hellgardt (München) und Dr. Elke Senne (Berlin) initiiert wurde (mit der Publikation der Neuedition der Lux divinitatis bei de Gruyter ist 2011 zu rechnen). Nicht weniger förderlich für den Fortgang der Arbeit waren die Foren, in denen ich Teile meiner Dissertation vorstellen und diskutieren konnte. Das waren das Freiburger Promotionskolleg «Lern- und Lebensräume. Hof - Kloster - Universität. Komparatistische Mediävistik 500-1600» und das seit 2004 alljährlich stattfindende internationale Graduiertentreffen der altgermanistischen Seminare und Institute der Universitäten Freiburg/ Br., Freiburg/ CH, Genf und Oxford. Ferner waren es Vorträge an den Workshops der Forschungsprojekte «Literarische Topographie des alemannischen Raumes im 14. Jahrhundert» (Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Freiburg/ Br., Freiburg/ CH, Genf, Oxford und Harvard) und «The Gottesfreunde and the textual culture of vernacular mysticism in the Rhineland and the Low Countries (1300-1550)» (Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Freiburg/ Br., Leiden, Groningen und Oxford), die die Arbeit sachlich und methodisch vorangebracht haben. VG WORT und die Graduiertenförderung des Landes Baden-Württemberg ermöglichten durch ihre Zuschüsse die zügige Drucklegung. Freiburg i. Br., im Mai 2010 Balázs J. Nemes VIII Vorwort Inhalt I Einleitung. Kritische Bemerkungen zu einigen Grundannahmen der Mechthild-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I.1 Zugänge zur Autorschaft in der Mechthild-Forschung . . . . . . . . . . . 2 I.1.1 Textsicherung und Autorkonstituierung als Forschungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 I.1.2 Die vertexteten Stimmen des Autors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I.1.3 Der Autor als textliches Konstrukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I.2 Die Textausgaben des ›Fließenden Lichts‹ und das Postulat des einen Autortextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I.3 Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›Fließenden Lichts‹ vor dem Hintergrund der aktuellen altgermanistischen Diskussion um vormoderne Textualität und die Instanzen der Textautorisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 II Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹. Die deutsche und lateinische Überlieferung im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 II.1 Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 II.1.1 lector predictus dicta huius mehtildis omnia collegit … Zum Anteil Heinrichs von Halle an der Textgenese aus rezeptionsgeschichtlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 II.1.2 in sex partes illud distinxit … Zur Buch- und Kapitelfolge der Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 II.1.3 sicut legentibus nunc apparet. Zur Authentizität der Buch- und Kapitelfolge des ›Fließenden Lichts‹ . . . . . . . . . . 125 II.2 Varianz in Textbestand und Textfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II.2.1 Varianz in Textfolge. Umstellungen im deutschen und lateinischen Überlieferungszweig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II.2.2 Varianz in Textbestand. Ergänzungen im deutschen und lateinischen Überlieferungszweig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 II.2.3 Die ›Lux divinitatis‹ als Bearbeitung. Zu einigen Aspekten der Übersetzungsprogrammatik . . . . . . . . 192 II.2.4 Exkurs zum Entstehungsort der ›Lux divinitatis‹ und zu der Frage nach den möglichen Überlieferungswegen des deutschen und lateinischen Textes nach Basel . . . . . . . . . . . . . . . 208 II.3 Von der Schrift zum Buch. Oder: Wie original ist das Original des ›Fließenden Lichts‹? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Inhalt Inhalt III Vom Ich zum Autor. Autorkonstitution im Vollzug der Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 III.1 Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 III.2 Die Genese der Autorsignatur und ihre Präsenz in der Überlieferung und Rezeption des ›Fließenden Lichts‹ . . . . . . . . 317 III.3 Biographisierung der Autorrolle in der ›Lux divinitatis‹ . . . . . . . . . . . . 342 III.4 Die Frage nach dem Autor. Plädoyer für einen erweiterten Autorbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 IV Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 V Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 V.1 Vermeintliche Rezeptionszeugnisse des ›Fließenden Lichts‹ . . . 389 V.2 Ungedruckte Texte aus der Teil- und Exzerptüberlieferung des ›Fließenden Lichts‹ - Mit Kurzbeschreibung der Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 V.2.1 Augsburg, UB, Cod. III. 1. 4° 8 (Ha) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 V.2.2 Augsburg, UB, Cod. III. 1. 4° 32 (M 2 ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 V.2.3 Colmar, Bibliothèque de la Ville, Ms. CPC 2137 (C) . . . . . . . . 401 V.2.4 Heidelberg, UB, Cpg 418 (H) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 V.2.5 Karlsruhe, BLB, Cod. St. Georgen 78 (Ka) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 V.2.6 München, BSB, Cgm 116 (Mü 1 ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 V.2.7 München, BSB, Cgm 172 (Mü 2 ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 V.2.8 München, BSB, Cgm 181 (Mü 3 ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 V.2.9 München, BSB, Cgm 411 (Mü 4 ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 V.2.10 Privatbesitz von Joseph Maria von Radowitz, Karlsruhe (verschollen) (R) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 V.2.11 Salzburg, St. Peter, Stiftsbibl., b III 30 (Sa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 VI Abkürzungen und Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 VI.1 Abkürzungen von Zeitschriften und Serien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 VI.2 Sonstige Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 VI.3 Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 VII Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 VIII Handschriftenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 IX Namen-, Werk- und Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 X Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 X Inhalt I Einleitung.Kritische Bemerkungen zu einigen Grundannahmen der Mechthild-Forschung Blickt man auf die Anfänge der zunächst vor allem pastoraltheologisch und kirchenhistorisch, später jedoch auch germanistisch motivierten Beschäftigung mit dem ›Fließenden Licht‹ zurück, stellt man fest, dass es vor allem die Auseinandersetzungen um die Lebensgeschichte Mechthilds gewesen sind, die das Forschungsinteresse bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein dominiert haben. Der Text wurde auf historisch-biographisches Material hin durchforstet, man war bestrebt, ein mit möglichst präzisen Jahresangaben versehenes Curriculum der Autorin anhand von textinternen Aussagen zu erstellen. Diese an Mechthild als historische Autorpersönlichkeit interessierte Forschung sah sich allerdings schon früh mit textkritischen Fragen konfrontiert. Es stand zur Debatte, ob die heutige Reihenfolge der Kapitel der Chronologie der Aufzeichnungen entspricht bzw. inwieweit mit nachträglichen Ergänzungen und Bearbeitungen diverser Provenienz zu rechnen ist. Die Antwort auf diese Fragen war nicht nur bei der Klärung der Textgenese und der Erschließung der Lebensgeschichte Mechthilds von unmittelbarer Bedeutung. Sie hatte auch Auswirkungen auf die Verfasserfrage und die Bestimmung des textgeschichtlichen Status des allein in einer Einsiedler Handschrift vollständig enthaltenen ›Fließenden Lichts‹, stand doch die Authentizität des überlieferten Textes und damit die Verfasserschaft Mechthilds zur Debatte. Die Bemühungen der älteren Forschung, eine Autorin zu konstituieren und sie mit einem Text auszustatten, sollen in Kapitel I.1.1 skizziert werden. Dabei geht es vor allem um den Argumentationsgang und die Prämissen einer vornehmlich an Fragen der Text- und Lebensgeschichte interessierten Forschung, die zur Etablierung Mechthilds als Autorin geführt haben. Diese Prämissen werden in den beiden folgenden Teilkapiteln (I.1.2 und 3) mit den seit Anfang der achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts aufgekommenen neuen Paradigmen im Umgang mit Text und Autorfigur konfrontiert, denen die Mechthild-Forschung wertvolle Einsichten in die Mechanismen verdankt, wie Geltung textuell erzeugt wird und welche Folgen sich daraus für den Umgang mit der (textimmanent konstruierten) Autorfigur ergeben. Es wird sich zeigen, dass die Prämissen, auf welche die ältere Forschung rekurrierte, um eine Autorin aus der Taufe zu heben, ihre frühere Selbstverständlichkeit weitgehend eingebüßt haben. Es wäre zu erwarten, dass dies nicht nur für den interpretatorischen, sondern auch für den textkritischen Umgang mit dem überlieferten Text Folgen hatte. Doch ist das nicht der Fall. Sind im Bereich der Interpretation Einleitung Zugänge zur Autorschaft in der Mechthild-Forschung in den letzten beiden Jahrzehnten auch beachtliche Fortschritte erzielt worden, so befindet sich die Textkritik wegen des in diesem Bereich nach wie vor vorherrschenden emphatischen Autorbegriffes auf einem Forschungsstand, der in etwa dem der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts entspricht. Dies macht, wie es in Kap. I.2 zu zeigen gilt, nicht nur die von H ans N eumann in jahrzehntelanger Forschungsarbeit besorgte und 1990 posthum erschienene Edition des ›Fließenden Lichts‹, 1 sondern auch die Neuausgabe des Textes durch G isela V ollmann -P rofe aus dem Jahre 2003 deutlich, 2 letztere vor allem auch deshalb, weil sie in wesentlichen Fragen der Verfasserschaft sowie der Text- und Überlieferungsgeschichte N eumann und damit den Prämissen der älteren Forschung verpflichtet ist. Diese Prämissen werden in Kap. I.3 mit jener in der germanistischen Mediävistik seit einiger Zeit geführten Diskussion konfrontiert, die um die Frage nach der adäquaten editorischen Erschließung und literaturwissenschaftlichen Bewertung vormoderner Textualität entbrannt ist. Vor diesem Hintergrund gilt es, den Text- und Autorbegriff der Mechthild-Forschung neu zu diskutieren. 3 Diese Diskussion impliziert nicht nur eine kritische Auseinandersetzung mit den Vorgaben und Debatten der bisherigen Forschungsgeschichte, die in den eigentlichen Untersuchungsteilen II und III nachgezeichnet werden, sondern auch eine grundsätzliche Neuausrichtung im Umgang mit den Kategorien Text und Autor. Statt, wie so oft, einen an den Bedingungen der Buchkultur des 19. Jahrhunderts orientierten Autor- und Textbegriff a priori zu setzen, kommt es in der vorliegenden Arbeit darauf an, die Konstitution von Text und Autor von der Überlieferung und Rezeption des ›Fließenden Lichts‹ her zu problematisieren und die Implikationen dieses Prozesses von Buchwerdung bzw. Autorwerdung für unseren Text- und Autorbegriff zu reflektieren. I.1 Zugänge zur Autorschaft in der Mechthild-Forschung I.1.1 Textsicherung und Autorkonstituierung als Forschungsaufgaben Auf die geistliche Sammelhandschrift 277 des Einsiedler Benediktinerstiftes hat der seit 1835 dort amtierende Bibliothekar und Benediktinermönch, Pater G all M orel , als erster hingewiesen. Im Zuge der Katalogisierung der Klosterbestände ist er auf den Kodex 277 gestoßen. Zum Inhalt des im ersten Teil der Handschrift enthaltenen Textes vermerkt er, es handle sich um die Offenbarungen einer Nonne. 4 Zunächst ist dieser Offenbarungsschrift keine Auf- 2 Einleitung 1 N eumann (1990, 1993). 2 V ollmann -P rofe (2003). Vgl. jetzt auch V ollmann -P rofe (2008a) und (2010). 3 Einen kurzen Abriss über die Argumentation, die in der vorliegenden Arbeit verfolgt wird, findet man bei N emes (2008a). 4 Vgl. M orel (1840), S. 360 bzw. (1843), S. 742. merksamkeit geschenkt worden. 5 Die damalige (germanistische) Mystikforschung interessierte sich eher für die im Codex Einsidlensis 277 mitüberlieferten (Pseudo-)Eckhart-Texte. 6 Erst etwa 20 Jahre nach dem Hinweis von M orel auf die hier enthaltenen ‹Offenbarungen› sind die ersten Textdrucke erschienen. Es handelt sich um Textproben in neuhochdeutscher Übersetzung (vorwiegend aus den ersten beiden Büchern), die der Sankt Galler Bischof C arl G reith in seine für ein breiteres, vor allem religiös interessiertes Publikum bestimmte Ausgabe von Texten der deutschen Mystik aufgenommen hat. 7 Was den textgeschichtlichen Status der von M orel aufgefundenen Handschrift betrifft, ist G reith der Ansicht, der Einsiedler Textzeuge sei mit dem Original der Offenbarungsschriften identisch, die «Schwester Mechtilde Prediger-Ordens» (S. 53) in einem der Klöster Thüringens oder Sachsens in ihrer alemannischen Mundart aufgezeichnet habe. In Bezug auf die Art der schriftlichen Fixierung stellt er fest, die Aufzeichnung der Offenbarungsberichte dürfte auf «einzelnen fliegenden Blättern» (S. 207) erfolgt sein. Die ursprünglich losen Blätter sollen anschließend von Mechthilds dominikanischem Beichtvater «nach der scholastischen Weise in sieben Bücher und jedes derselben in bestimmte Kapitel eingetheilt und niedergeschrieben [worden sein]» (S. 55). Der Ansicht, auf den oberdeutschen Originaltext der Autorin Mechthild - wenn auch in einer Abschrift des 14. Jahrhunderts - gestoßen zu sein, war auch M orel selbst. Er hat den nach wie vor einzig bekannten, das ›Fließende Licht‹ vollständig überliefernden Textzeugen nicht nur entdeckt (s. Anm. 7), sondern auch im Jahre 1869 in einem unkritischen Textabdruck vorgelegt. 8 Wie schon G reith führt auch M orel das Überlieferte auf die eigenhändigen Aufzeichnungen der nun als Autorin geltenden Schwester Mechthild zurück, die mit dem Beinamen ‹von Magdeburg› versehen wird. Diesen verdankt Mechthild unter anderem einer lateinischen Randglosse, die M orel auf den Ort ihrer Schreibtätigkeit schließen ließ. 9 Es handelt sich um die Marginalie zu FL VI.3, die den in diesem Kapitel genannten Domherren als canonic[us] de Megdeburg identifiziert. Die anonyme swester des deutschen Vorberichts, der dis b v ch geoffent [wart] in túsche (Vorbericht: 12,6 [Vorbericht, Z. 34]), 10 heißt Zugänge zur Autorschaft in der Mechthild-Forschung 3 5 M orel (1844), S. 280 selbst hat zunächst nur das auf dem inneren Spiegel des hinteren Deckels eingetragene abecedarische Gedicht auf Nikolaus von Flüe abgedruckt. 6 Vgl. P feiffer (1851), S. 238-243 und (1857), S. VIII. Zu diesen Texten s. zuletzt W ebster (2005), S. 191-254. 7 Vgl. G reith (1861), S. 222-277. Die Aufgabe, die in Cod. 277 enthaltenen «Visionen einer Nonne […] auszugsweise herauszugeben», hat ihm M orel übertragen, s. G reith ebd., S. 53, Anm. 1 bzw. M orel (1843), S. 742. Die in der Forschungsliteratur kursierende Ansicht, die Entdeckung der Einsiedler Handschrift sei G reith zu verdanken, ist demnach ein Irrtum. 8 Vgl. M orel (1869), S. XXIIf. Die Einsiedler Textversion stellt auch für den Rezensenten W inter (1870), S. 432 das Original dar. Ähnlich W inter (1871), Bd. 2, S. 83 und 85. 9 Vgl. M orel (1869), S. XXVI. S. auch W inter (1870), S. 430. 10 Den Text des ›Fließenden Lichts‹ (im Folgenden: FL) zitiere ich, wenn nicht anders angegeben, nach V ollmann -P rofe (2003) unter Angabe der Buch- und Kapitelzählung von nun an Mechthild von Magdeburg. 11 Zwar verschweigt M orel nicht, dass einige Zeilen später von einem Predigerbruder die Rede ist, der das b v ch samente und schreib (Vorbericht: 12,13 [Vorbericht, Z. 39]), doch weist er ausdrücklich darauf hin, dass es sich lediglich um einen «scheinbare[n] Widerspruch» zur Autorschaft Mechthilds handle, ein Widerspruch, der «seine Lösung in dem Worte g e s a m m e l t [findet], so dass mit Greith (S. 207) anzunehmen ist, dieser Bruder habe die von Mechthild geschriebenen einzelnen Blätter gesammelt und abgeschrieben.» 12 Wohl gehören die Ansichten von G reith und M orel (genauso wie ihre Textausgaben) der Zeit der vorwissenschaftlichen Beschäftigung mit dem ›Fließenden Licht‹ an, doch deutet sich schon bei ihnen die Tendenz an, den Anteil fremder Instanzen an der Textgenese möglichst gering zu halten. Das ist auch an den Arbeiten des Münchener Kirchenhistorikers W ilhelm P reger abzulesen, der die Mechthild-Forschung auf neue Grundlagen gestellt hatte. Zwar konnte er nachweisen, dass der in Einsiedeln überlieferte Textzeuge keineswegs das Original der Aufzeichnungen, sondern nur eine hochdeutsche Übersetzung des ursprünglich (mittel)niederdeutsch geschriebenen Werkes darstellt, die im Kreis der Basler Gottesfreunde um Heinrich von Nördlingen 1343-1345 entstanden sein soll. 13 Was den Status des Einsidlensis betrifft, geht P reger jedoch von denselben Prämissen aus wie seine Vorgänger. Die Tatsache, dass «Mechthild mit eigner Hand die einzelnen Stücke geschrieben und dass sie diese ohne sachliche Ordnung, so wie sie in der Zeit nacheinander entstanden waren, zusammengeschrieben hat», 14 steht auch für ihn außer Frage. Diese Sicht auf die Entstehung des Textes ist insofern verständlich, als das Postulat der erhalten gebliebenen Reihenfolge der Aufzeichnungen P reger ja überhaupt erst ermöglichte, aus der Kombination textinterner Angaben auf biographische Details, wie das Jahr der Geburt und des Todes sowie den Zeitpunkt für Mechthilds (angeblicher) ‹Flucht› in die Magdeburger Beguinage, zu schließen. 15 Doch nicht nur in der Frage der bewahrten Chronologie der Aufzeichnungen stimmt 4 Einleitung sowie der Seiten- und Zeilenzahlen. In Klammern referiere ich auch die Buch-, Kapitel- und Zeilenzählung der Edition von N eumann (1990). 11 Skeptisch äußert sich D inzelbacher (2004), S. 157f. zur Lokalisierung Mechthilds in Magdeburg. D inzelbacher fragt sich: «Beweist die Erwähnung einer bestimmten lokalen Körperschaft [des oben genannten Domherren Dietrich] schon den Aufenthalt des Autors an diesem Ort? […] Anders gesagt: Mechthild kann genausogut in Merseburg, Naumburg, Halle oder sonstwo in der Umgebung gelebt und von dort aus die Verhältnisse im kirchlich im Mittelpunkt stehenden Erzbistum kritisch beobachtet haben» (S. 158). Auch V oigt (2007a), S. 384 weist darauf hin, dass selbst eine heute solch selbstverständlich scheinende Ansicht wie Mechthilds Magdeburger Aufenthalt noch immer nicht befriedigend geklärt sei (und wohl auch nicht befriedigend geklärt werden kann). 12 M orel (1869), S. XXII (Sperrung von M orel ). 13 Vgl. P reger (1869a), S. 98-100 und (1869b), S. 153-156. Zur Frage nach der Identität des Basler Übersetzerkreises s. S. 239f. weiter unten und vor allem N emes (2011). 14 P reger (1873), S. 202. Ähnlich P reger (1881), S. 453. 15 Vgl. P reger (1874), S. 91f., Anm. 1. Ähnlich bereits B oehmer (1871), S. 106, Anm. 11. P reger mit G reith und M orel überein. Auch was die Rolle des im lateinischdeutschen Vorbericht genannten Dominikaners betrifft - er wird anhand der in Basel aufgefundenen Handschriften der ›Lux divinitatis‹, der lateinischen Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹, mit Heinrich von Halle identifiziert 16 -, ist er der Ansicht, dass es sich um einen Sammler und Kopisten handeln muss, der Mechthilds chronologisch geordnete Aufzeichnungen zusammengetragen, in Büchern eingeteilt und abgeschrieben hat. Größere Lizenzen im Umgang mit dem Text räumt P reger Heinrich allein bei der ›Lux divinitatis‹ ein: Hat Heinrich bei der Entstehung des ›Fließenden Lichts‹ eine eher marginale Rolle gespielt, avanciert er bei der ›Lux divinitatis‹ zum Übersetzer und Bearbeiter, der eine neue Einteilung der Offenbarungen vornimmt, die chronologische Ordnung aufhebt und die Stücke sachlich neu ordnet. 17 Die Beschränkung von Heinrichs Eigenanteilen auf die des Sammlers und Abschreibers ist allem Anschein nach die Voraussetzung für die Annahme, der deutsche Text hätte die ursprüngliche Chronologie der Niederschriften bewahrt. Die ungestörte chronologische Reihenfolge wird ihrerseits zum Garanten für die Authentizität des überlieferten Textes und zum schlagenden Beweis für Mechthilds Autorschaft. Man trifft auf diesen Argumentationsgang nicht nur bei P reger , sondern auch bei einem Großteil der späteren Forschung, bis hin zur Akademie-Abhandlung von H ans N eumann (s. dazu weiter unten). Wie eng der Konnex zwischen der postulierten chronologischen Ordnung der Kapitelfolge und der Marginalisierung des Redaktors ist, macht, über M orel und P reger hinaus, der Kommentar von H einz T illmann zu FL II.26 deutlich. Der Text handelt von einem schriber, der das Buch nach Mechthild (na mir) geschrieben haben soll (138,9 [II.26,34f.]). T illmann identifiziert den anonymen Schreiber kurzerhand als Heinrich von Halle. Wie bereits M orel den Hinweis des deutschen Vorberichts, dis b v ch samente und schreib ein br v der des selben [predier] ordens als einen nur «scheinbare[n] Widerspruch» zur Verfasserschaft Mechthilds deutete und in dem anonymen Predigerbruder nur einen Sammler sehen wollte (s. oben Anm. 12 mit Text), so ist auf ähnliche Weise bei T illmann im Zusammenhang mit der genannten Stelle von «scheinbaren Widersprüchen» gegenüber den sonstigen Beteuerungen Mechthilds, selber geschrieben zu haben, die Rede. 18 Was FL II.26 betrifft, Zugänge zur Autorschaft in der Mechthild-Forschung 5 16 Vgl. P reger (1869b), S. 158-160. Auf die Handschrift B IX 11 (Sigle: Rb) der Basler Universitätsbibliothek hat unabhängig von P reger auch W inter (1870), S. 432f. hingewiesen. Die andere Basler Handschrift (Cod. A VIII 6, Sigle: Ra) wird zuerst bei P reger (1873), S. 203, Anm. 1 genannt. Auf der Grundlage dieser beiden Handschriften wurde die Textausgabe durch die Solesmenser Mönche unter der Leitung von L ouis P aquelin (zur Identität des Herausgebers s. den Hinweis bei R ottmanner 1884/ 1908, S. 243 und A ncelet -H ustache 1926, S. 8) angefertigt, s. Rev. Die Neuausgabe der lateinischen Übersetzung ist in Vorbereitung, s. H ellgardt / N emes / S enne (2011). Ich zitiere nach dem Typoskript (im Folgenden: LD). 17 Vgl. P reger (1873), S. 204 und (1869b), S. 159. 18 Vgl. T illmann (1933), S. 2, Anm. 7. betont T illmann nachdrücklich: «H. v. Halle hat abgeschrieben, aber n i c h t g e ä n d e r t.» 19 Die Emphase, mit der für den Erweis der ursprünglichen Folge der Aufzeichnungen eingetreten wird, dient nicht nur dazu, Mechthilds Rolle als einzige Textproduzentin sicherzustellen. Welche Konsequenzen sich daraus ergeben, wenn die chronologische Ordnung nicht gewährleistet ist, kann dem Beitrag eines ‹Anti-Chronologisten› wie H ubert S tierling entnommen werden. S tierling versucht in seiner 1907 erschienenen Dissertation den Nachweis zu erbringen, dass die ursprüngliche Reihenfolge der Aufzeichnungen durch die redaktionellen Eingriffe Heinrichs von Halle in das von Mechthild gelieferte Textmaterial aufgehoben sei. 20 Heinrich soll den von Mechthild gelieferten Text zergliedert und nach thematischen Gesichtspunkten neu zusammengesetzt sowie gelegentlich ergänzt haben, so dass das Prinzip der inhaltlichen Gliederung über den lateinischen Text hinaus auch für die Einsiedler Handschrift gesichert sei. 21 S tierling kommt im Zuge seiner textarchäologischen Untersuchungen zu der Überzeugung, dass sich Heinrichs Anteil an der Entstehung des Buches nicht auf das bloße Sammeln und Abschreiben von Vorlagen beschränken lässt. 22 Die «bedeutendste» Folge dieser Erkenntnis für den Umgang mit dem ›Fließenden Licht‹, wie ihn die ‹Chronologisten› pflegten, sieht S tierling darin, «daß uns nun der Blick auf M.s Entwicklung für immer verschlossen ist […]. Wir wissen nicht, wie M. angefangen hat, nicht, welche Gedanken ihren Gesichtskreis erweiterten, nicht, wann sie die wunderbare Gewalt der Sprache gewonnen hat.» 23 Eine weitere nicht weniger bedeutende Folge seiner Untersuchungen hat S tierling indes gar nicht erst in Betracht gezogen. Ich meine die Konsequenzen, die sich aus der Aufwertung der Redaktorenrolle für die Autorschaft und die Bestimmung des textgeschichtlichen Status der Einsiedler Handschrift ergeben. Sie führen uns jedoch zu der Frage, die schon bei M orel und T illmann (vgl. oben Anm. 12 und 19 jeweils mit Text) impliziert war und vom Kirchenhistoriker A lbert H auck , einem der schärfsten Kritiker von S tierling , unüberhörbar zur Sprache gebracht wird: «Aber besitzen wir überhaupt ein Buch Mechthilds? » 24 H auck bewendet diese Frage mit dem Hinweis auf einige Stellen des deutschen Textes, die belegen sollen, dass Mechthild ihre Schriften eigenhändig verfasst und niedergeschrieben habe. 25 Bei S tierling selbst spielt diese Problema- 6 Einleitung 19 Vgl. T illmann ebd. (Sperrung von T illmann ). Ähnlich S trauch (1883), S. 368-373 und (1885), S. 155. 20 Vgl. S tierling (1907). Ähnlich M ichael (1901) und (1903), S. 187-199. 21 Dass Heinrich von Halle Mechthilds Blätter «nach einer gewissen Ordnung» eingeteilt haben kann, hat bereits J. M üller (1881), Bd. 2, S. XV erwogen, ohne allerdings seine Ansicht argumentativ zu begründen. 22 Vgl. S tierling (1907), S. 17-19. Ähnlich O ehl (1911), S. 16-18. 23 S tierling (1907), S. 19. 24 H auck (1911), S. 187. 25 Die Belege sind allerdings nicht unproblematisch, weil sie entweder nicht zutreffen oder sogar H auck widersprechen, vgl. T illmann (1933), S. 2, Anm. 7. tik dagegen keine Rolle, denn die Verfasserschaft Mechthilds steht für ihn nicht zur Disposition. Die veränderte Reihenfolge der Niederschriften, die auf Heinrichs redaktionelle Eingriffe in den Textbestand zurückgeführt und mit dem fehlenden Interesse Mechthilds an der Sammlung und Anordnung ihrer eigenen Schriften begründet wird, 26 ist für S tierling nur im Hinblick auf den Umgang mit dem ›Fließenden Licht‹ als Quelle zur Erschließung der Lebensgeschichte und geistlichen Entwicklung Mechthilds von unmittelbarer Bedeutung: Mechthilds Autorschaft und die Authentizität des überlieferten Textes bleiben davon unberührt. Das ändert allerdings nichts daran, dass zwischen der Aufwertung der Rolle des Redaktors und der behaupteten Verfasserschaft Mechthilds ein Spannungsverhältnis besteht, ablesbar nicht nur an der oben zitierten Frage von H auck - eher provokativ als ernst gemeint -, sondern auch an der Argumentation von J eanne A ncelet -H ustache , die versucht, dieses Spannungsverhältnis aufzulösen. Wie schon H auck sieht sich A ncelet -H ustache mit folgendem Problem konfrontiert: «Dans quelle mesure le texte que nous possédons actuellement est-il conforme au texte de Henri de Halle, et d’autre part, Henri de Halle nous a-t-il oui ou non fidèlement transmis la pensée de Mechtilde? » 27 Der erste Teil der Frage zielt auf die Zuverlässigkeit der Überlieferung ab. A ncelet - H ustache ist der Ansicht, dass der geringe zeitlich-räumliche Abstand, der den überlieferten Text von Mechthild trennt, für schwerwiegende Entstellungen nicht gereicht hätte. Außerdem könne Heinrich von Nördlingen, dem (angeblichen) alemannischen Übersetzer ein sinnverstellender Umgang mit der seinerseits mit frommem Respekt («pieux respect») behandelten Vorlage nicht zugemutet werden. 28 Die Antwort auf den zweiten Teil der von A ncelet -H ustache gestellten Frage hängt davon ab, welche Rolle man bereit ist, Heinrich von Halle bei der Entstehung des Textes zuzuschreiben. A ncelet -H ustache argumentiert in der von M orel (s. oben Anm. 12 mit Text) und T illmann (s. oben Anm. 18 und 19 mit Text) her bekannten, defensiven Manier. Zwar wird die Tätigkeit des mit Heinrich identifizierten frater ordinis predicatorum im Vorwort des ›Fließenden Lichts‹ mit den Worten samente und schreib bzw. conscribere (im lateinischen Vorbericht) umschrieben und an einer Stelle der ›Lux divinitatis‹ vermerkt, Heinrich habe Mechthilds Worte (dicta) - wohlgemerkt nicht ihre Schriften! - gesammelt und zu einem Buch zusammengestellt (LD II.40, 12-17/ Rev. Bd. II.2, S. 517,5-7), doch gäbe es zum Glück («heureusement») auch Textstellen, die beweisen, dass Mechthild ihre Schriften selbst verfasst und Heinrich auf diese von ihr geschriebenen Blätter zurückgegriffen hätte. 29 Zugänge zur Autorschaft in der Mechthild-Forschung 7 26 Vgl. S tierling (1907), S. 26 und 62. Ähnlich M ichael (1903), S. 109 und O ehl (1911), S. 16 und S. 197, Anm. 1. 27 A ncelet -H ustache (1926), S. 13. 28 Vgl. A ncelet -H ustache ebd. Von einer «gewissen Pietät» bei der Übertragung der niederdeutsch-mitteldeutschen Vorlagehandschrift ins Oberdeutsche ist auch bei T ill mann (1933), S. 10 die Rede. 29 Vgl. A ncelet -H ustache (1926), S. 34: «Sans doute, les mots qui veulent expliquer la part prise par Henri de Halle à la redaction du livre sont parfois assez vagues «Liber iste … Wohl ist A ncelet -H ustache wie S tierling der Ansicht, dass Heinrich die ursprüngliche, chronologische Reihenfolge aufgehoben hat (S. 35 und 43), doch tangiere seine Redaktion die Verfasserschaft Mechthilds und die Authentizität des überlieferten Textes nicht im Geringsten: Lediglich die Stationen der seelischen Entwicklung Mechthilds seien durch den Eingriff Heinrichs in der Folge der Kapitel nicht mehr rekonstruierbar (S. 35). Die hier skizzierte Forschungskontroverse bildet den Hintergrund zu den Arbeiten von H ans N eumann , die im Vorfeld zu seiner erst 1990 und damit posthum publizierten textkritischen Ausgabe des ›Fließenden Lichts‹ erschienen sind. In einer Reihe von Einzeluntersuchungen, die aus seiner unveröffentlicht gebliebenen Göttinger Habilitationsschrift «Problemata Mechthildiana» (1947) hervorgegangen in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts publiziert wurden, 30 behandelte N eumann Fragen, die im Zusammenhang mit der Textgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ und der Lebensgeschichte Mechthilds den Gegenstand der kontrovers geführten Forschungsdiskussionen gebildet hatten. Dabei kam er zu Ergebnissen, die zu communis opinio geworden sind, vor allem was so zentrale Fragen der Mechthild-Philologie wie Mechthilds Verfasserschaft und den Status des in der Einsiedler Handschrift überlieferten Textes betrifft. Diese Ergebnisse bestimmen, wie in Kapitel I.2 zu zeigen sein wird, auch die vorliegenden Textausgaben des ›Fließenden Lichts‹. Das ist insofern bemerkenswert, als N eumann s Forschungsergebnisse auf einer Vorstellung von Autor und Text basieren, die zu dem Zeitpunkt, als seine textkritische Ausgabe in den Druck ging, in weiten Teilen der germanistischen Mediävistik bereits als problematisch angesehen wurden (s. dazu Kap. I.3). P reger war noch der Meinung, die Einsiedler Handschrift sei mit dem Basler Übersetzungsoriginal identisch. 31 Die seitdem bekannt gewordene, mehr oder weniger umfangreiche Exzerpte des Gesamttextes umfassende Parallelüberlieferung hat jedoch gezeigt, dass mit mehreren Zwischenstufen zwischen dem Original der alemannischen Umschrift und dem Einsiedler Kodex zu rechnen ist. Es ist das Verdienst von N eumann nachgewiesen zu haben, dass der Einsiedler Text nicht den Basler Archetyp der alemannischen Übersetzung, sondern nur einen «sterile[n] Seitentrieb einer reicher entwickelten Überlieferung» 32 darstellt, von welcher - wie die bislang aufgefundenen Handschriften 8 Einleitung conscriptus a fratre quodam», «De fratre Henrico lectore qui compilavit librum istum»; un autre passage peut même paraître inquiétant: «lector praedictus dicta hujus Mechtildis omnia collegit et in unum volumen redegit», mais nous trouvons heuresement d’autres textes qui nous permettent d’affirmer que Henri de Halle a recueilli, non des paroles, mais des pages écrites par Mechtilde elle-même» (Kursivierung durch A ncelet - H ustache ). 30 Vgl. S tackmann (1992), S. 189-192. 31 Vgl. P reger (1869a), S. 100 bzw. (1869b), S. 155f. 32 N eumann (1954a), S. 217. Dass die Einsiedler Handschrift die oberdeutsche Übertragung lediglich in einer späteren Abschrift überliefert, scheint O ehl (1911), S. 25 als Erster angedeutet zu haben. belegen - keine unmittelbaren Impulse auf die spätere Überlieferung ausgegangen sind. 33 Angesichts des beträchtlichen zeitlichen und räumlichen Abstands, der die ihm bekannte Überlieferung vom Ort und Zeitpunkt der Textentstehung trennt, hatte N eumann zunächst der Frage nachzugehen, in welchem Verhältnis der einzige vollständige Textzeuge des ›Fließenden Lichts‹ zum postulierten ‹Original› der Niederschriften Mechthilds steht. N eumann geht davon aus, dass konservativ eingestellte Schreiber und der den Text mit «behutsamer Pietät» 34 behandelnde Basler Kreis von ‹gottesfreundlichen› Übersetzern um Heinrich vo Nördlingen dafür gesorgt haben, dass das Original den Literaturtransfer vom Norden nach Süden unversehrt übersteht, so dass wir es in der Abschrift der Einsiedler Handschrift - N eu mann datiert sie auf die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts 35 - weitgehend in der Form vor uns haben, wie es Mechthild zwischen 1250-1282 konzipiert hatte. 36 Seine Ansicht über den behutsamen Umgang mit Mechthilds Werk im Basler Gottesfreundekreis begründet N eumann sowohl mit textkritischen als auch mit psychologisierenden Argumenten. Zum einen hebt er die Integrität des Einsiedler Wortlauts gegenüber einer Überlieferung hervor, die «kurze Fetzen aus Mechthilds Werk nur noch als Geröllstücke oder als ganz abge- Zugänge zur Autorschaft in der Mechthild-Forschung 9 33 Dies gilt auch für die Textzeugen, die erst im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Vorschein kamen, vgl. N eumann (1990), S. XIV-XVIII. Ergänzend kommen jene Handschriften hinzu, die ein von N eumann bei der Konstitution seines kritischen Textes nicht berücksichtigtes Exzerpt aus FL I.22 (38,21-40,19 [I.22,7-34]) im Rahmen der Spruchsammlung des Pseudo-Engelhart von Ebrach tradieren (H, Mü 1 -Mü 4 , Sa, s. Kap. V.2 passim), sowie ein «stark verkürzendes Gedächtnis-Zitat» (N eumann 1963, S. 322) aus dem gleichen Kapitel, das in eine von P feiffer (1857), S. 169,1ff. abgedruckte Predigt des Codex Einsidlensis 278, der Schwesterhandschrift von Cod. 277, eingegangen ist (N eumann 1963, S. 322 spricht fälschlicherweise von einer Straßburger Handschrift). - Zudem ist auf eine bislang völlig übersehene Exzerptüberlieferung von FL III.10 in einer als verschollen geltenden Handschrift aus dem Besitz von Joseph Maria von Radowitz hinzuweisen (Sigle: R), identifiziert von B anz (1908), S. 51, Anm. 1 und dann wieder von S chwarz -M ehrens (1985), S. 9, Anm. 2 und S. 157, Anm. 2, abgedruckt bei M one (1846), Bd. 1, S. 129-131 (s. dazu S. 165ff. und 477ff. weiter unten). - Wie sich das vor einigen Jahren aufgefundene Bonner Fragment aus dem Privatbesitz von Oliver Kessler (s. http: / / www.handschriftencensus.de/ 7397, Sigle: Bo) zu E verhält, kann vorerst nicht festgestellt werden. - Unabhängig von E, ja von der Basler Tradition überhaupt, ist der vor kurzem geglückte Sensationsfund aus Moskau, ein mit niederdeutschen Elementen vermengtes mitteldeutsches Fragment eines wohl niederdeutsch-sprachigen Kopisten aus der Zeit vor bzw. um 1300 (Sigle: Mo), vgl. G anina / S quires (2009) und (2010). 34 N eumann (1948/ 1950), S. 161. 35 Vgl. N eumann (1987a), Sp. 261. V ollmann -P rofe (1990), S. 42 dagegen spricht sich für das dritte Viertel des 14. Jahrhunderts aus (ähnlich W ebster 2005, S. 28-41 und S cheepsma 2007, S. 263, mit Berufung auf ein Gutachten von Karin Schneider). Deutlich früher wird die Handschrift von K. S chneider (2009), Bd. 2, S. 150 datiert: «nach den sehr konservativen Buchstabenformen zu schließen wohl kaum sehr lang nach der Jahrhundertmitte geschrieben.» 36 Ähnliche Argumentation bei A ncelet -H ustache , s. oben Anm. 28 mit Text. schliffene Kiesel im Bachbett einer schreibseligen Buchmystik» 37 bietet. In Auseinandersetzung mit den in der älteren Literatur geäußerten Ansichten, beim oberdeutschen Text handle es sich um eine «aus dem Ganzen gestaltende Neuschöpfung» 38 bzw. eine im Vergleich zu den Briefzitaten Heinrichs von Nördlingen weniger geglückte Übersetzung, 39 weist N eumann wiederholt darauf hin, dass das ›Fließende Licht‹ in der Einsiedler Handschrift konservativer überliefert ist als in den sonstigen Textzeugen. 40 Die mitteldeutsch-niederdeutschen Sprachrelikte sprächen außerdem dafür, dass die Basler Übersetzer ihre Vorlage mit einer «gewissen mechanischen Pedanterie» 41 ins Alemannische übertragen hätten. Nach der Sichtung der überlieferten Handschriften auf ihre Zuverlässigkeit und ihren textkritischen Wert hin kommt N eumann zum Ergebnis, dass «E den besten Wortlaut besitzt und den Anspruch erheben darf, der Urschrift Mechthilds nahe zu bleiben.» 42 N eumann argumentiert aber nicht nur textkritisch, sondern auch psychologisierend, um den besonderen Wert des Einsiedler Textes als eine originalnahe Abschrift herauszustellen. Er spricht sich energisch dafür aus, dass «Ehrfurcht und Treue als erhaltende Faktoren» nicht unterschätzt werden dürfen, denn «das Problem der textlichen Integrität ist […] nicht allein eine Sache textkritischer und stilkundlicher Beobachtung, sondern zugleich auch eine psychologische Frage, die sich auf das seelische Verhältnis des Überliefernden zum Überlieferten hinrichten muß.» 43 Wie schon A ncelet -H ustache und T illmann - sie sprachen von ‹frommem Respekt› («pieux respect») bzw. einer «gewissen Pietät» im Umgang der Basler Devoten mit Mechthilds Text, ohne selber textkritisch zu argumentieren (s. oben Anm. 28 mit Text) - attestiert auch N eumann der Überlieferung und vor allem Heinrich bzw. seinen Geistesverwandten «behutsame Pietät» und «abstandsvolle Ehrfurcht» vor dem Werk der «großen» Magdeburger Visionärin, denn «sie müßen gespürt haben, daß hier jede Zutat nur entstellen konnte, jeder willkürliche Pinselstrich das Bild entwerten würde.» 44 10 Einleitung 37 N eumann (1948/ 50), S. 152. 38 M uschg (1935), S. 302. 39 S trauch (1882), S. 380 hat im Zusammenhang der von ihm entdeckten Mechthild- Zitate, die Heinrich von Nördlingen in seine an Margareta Ebner gerichteten Briefe einfließen ließ, die Vermutung geäußert, Heinrich könnte - da er die alemannische Übersetzung zum Zeitpunkt des Briefschreibens nicht mehr hatte - das «Original» (d. i. die mittelniederdeutsche Übersetzungsvorlage) «aufs Neue eingesehen haben; so erklären sich dann auch die Abweichungen zwischen seiner früheren Übersetzung und unserm Citate. HvN scheint das zweite Mal richtiger übersetzt zu haben […].»Ähnlich S tierling (1907), S. 4. 40 Vgl. N eumann (1948/ 50), S. 145-155, (1954c), (1963) sowie (1967). 41 N eumann (1948/ 50), S. 167. Ähnlich T illmann (1933), S. 10. 42 N eumann (1954c), S. 175. Zur Kritik dieser Position s. Kap. I.2 weiter unten. 43 N eumann (1948/ 50), S. 144. 44 N eumann ebd., S. 172. Sollte diese von Ehrfurcht und Bewunderung bestimmte Rezeptionshaltung gegenüber der aus dem Norden stammenden Übersetzungsvorlage die Basler Übersetzer davon abgehalten haben, in den Wortlaut einzugreifen und ihn zu verfälschen, bliebe immer noch zu klären, ob ihre Vorlagehandschrift überhaupt einen im textkritischen Sinn authentischen Text geboten hat. Ein pietätvolles Verhältnis zum Text postuliert N eumann in seiner weite Teile der Mechthild-Forschung bis heute prägenden Akademie-Abhandlung von 1954 nicht nur bei der Überlieferung, sondern auch bereits bei der Entstehung des ›Fließenden Lichts‹. Demzufolge soll Mechthilds angeblicher Beichtvater und Redaktor ihrer Schriften, Heinrich von Halle, eine «ehrfürchtige Treue» 45 im Umgang mit den Aufzeichnungen seiner Beichttochter offenbart haben. In Übereinstimmung mit den ‹Chronologisten› (s. oben) behauptet N eumann , Heinrich habe die ursprüngliche Reihenfolge der Aufzeichnungen bewahrt und jeden Eingriff in den Textbestand gescheut. Seine Rolle im Verschriftlichungsprozess wird auf die Strukturierung des Geschriebenen beschränkt. Er soll die Bücher I-V umfassende Erstausgabe der Schriften Mechthilds lediglich geprüft, in Bücher und Kapitel eingeteilt und mit Kapitelüberschriften versehen sowie anschließend eine saubere, kalligraphische Abschrift davon erstellt haben. 46 Zwar zog N eumann später auch die Möglichkeit in Betracht, Heinrich hätte manche Kapitel (besonders die des ersten Buches) in kleinere Texteinheiten geteilt, doch lässt er dies nicht gelten, weil die Aufgliederung des Textes in Kapitel in den meisten Fällen wohl auf Mechthild selbst zurückgeht. 47 Den unwiderlegbaren Beweis für den postulierten, von Ehrfurcht geprägten Umgang Heinrichs mit den Schriften Mechthilds sieht N eumann vor allem darin, dass «der Einsiedler Text keiner auch nur irgendwie faßbaren Ordnung gehorcht, sondern selbst ein buntes Gemengsel von Niederschriften bietet, wie sie nach und nach die Pergamentlagen auf Mechthilds Tisch gefüllt haben.» 48 Mit dem Hinweis auf die fehlende inhaltliche Gliederung des Textes, wie sie etwa in der lateinischen Übersetzung durchgeführt wurde, rehabilitiert N eumann die von P reger (s. oben Anm. 14 mit Text) vertretene Position, so dass die oberdeutsche Übersetzung auch für ihn die prozessuale und ungesteuerte Entstehung der eigenhändigen Aufzeichnungen Mechthilds wiederspiegelt, die Art und Weise, wie Mechthild ihre Offenbarungen sukzessive aufgezeichnet hat, handelt es sich doch um «ein sehr fraulich, unsystematisches Werk.» 49 Wohl räumt N eumann ein, dass es Interpolationen und einzelne Kapitel gibt, die gegen die chronologische Ordnung des Ganzen zu verstoßen scheinen, doch führt er sie nicht etwa auf die ordnende Hand einer außenstehenden Zugänge zur Autorschaft in der Mechthild-Forschung 11 45 N eumann (1954b), S. 39. 46 Vgl. N eumann ebd., S. 65 und (1987a), Sp. 262. 47 Vgl. N eumann (1993), S. 201. 48 N eumann (1954b), S. 61. 49 N eumann ebd., S. 68. Auch H auck (1911), S. 188 erklärt die fehlende thematische Struktur des deutschen Textes wie folgt: «so planlos entstehen die Bücher der literarisch Ungebildeteten.» Person (etwa des Beichtvater-Redaktors) oder auf überlieferungsbedingte Umstände zurück, sondern auf Mechthild selbst: Sie habe manche erklärenden Textpassagen und sogar ganze Kapitel in ihr Buch eingefügt, als die Bücher I-V in die Erstpublikation gingen. 50 Das ist das Zugeständnis, welches bereits H auck angesichts der von M ichael und S tierling (s. oben Anm. 20) vorgetragenen Kritik machen musste, 51 ohne indes die Überzeugung aufzugeben, es ließe sich nicht nachweisen, «dass so eingreifende Umgestaltungen vorgenommen wurden, dass die ganze Gestalt des Buchs durch sie eine Änderung erlitt.» 52 Ähnlich ist N eumann der Ansicht, die Nachträge vermochten den Gesamteindruck nicht trüben, dass «die Hauptmasse der Kapitel in den Büchern I bis V in ihrem ursprünglichen chronologischen Gefüge stehengeblieben ist.» 53 Gegen die Meinung der älteren Forschung, Mechthild habe sich um die Ordnung ihrer Schriften nicht bemüht, sondern diese Aufgabe dem Sammler Heinrich überlassen, 54 geht N eumann entscheidend in die Offensive, wenn er behauptet, Mechthild habe ihr Buch «mit eigener Hand zu einem Ganzen gestaltet.» 55 Folglich muss die übliche Vorstellung ausscheiden, Mechthild hätte ihrem Beichtvater lediglich einen Haufen von durcheinandergeworfenen losen Blättern zur Verfügung gestellt, woraufhin dieser sie zu einem Sammelband vereinigte. 56 Verständlicherweise tangiert Heinrichs Redaktorenrolle die Autorschaft Mechthilds nicht im Geringsten, da ihm lediglich ein «gewisse[r] Anteil» 57 bei der Textentstehung eingeräumt wird. Dies ist N eumann s Replik auf die jahrzehntelang vor ihm so kontrovers diskutierte Frage, inwieweit der Einsiedler Text noch die ursprüngliche Folge von Mechthilds Niederschriften widerspiegelt. N eumann s Haltung in diesem Streit ist genauso verständlich wie problematisch. Um die Biographie und das Seelenleben Mechthilds sowie die Entfaltung ihres schriftstellerischen Ausdrucks aus dem überlieferten Text selbst zu erschließen, ist er auf das Postulat, die heutige Reihenfolge der Kapitel bezeuge die prozessuale Entstehung des Textes, geradezu angewiesen, denn «[d]er Zeugniswert ihrer [Mechthilds] inneren Biographie muß weithin fragwürdig bleiben, wenn die Zeitkategorie der Entwicklung nicht anwendbar erscheint, weil die Blätter der Niederschrift heillos durcheinandergeworfen oder planvoll umgeordnet sind.» 58 Um jedem 12 Einleitung 50 N eumann (1954b), S. 60f. und 66-68. 51 H auck (1911), S. 190 hat immerhin offen gelassen, ob Einschiebseln auf Rechnung eines Redaktors oder Mechthilds selbst kommen. 52 H auck ebd., S. 192. 53 N eumann (1954b), S. 68. 54 In diesem Sinne äußern sich S tierling , M ichael und O ehl , s. Anm. 26 mit Text. 55 N eumann (1954b), S. 60. N eumann schließt sich in diesem Punkt der Position von B ecker (1951), S. 45f., Anm. 1, S. 138 und 197 an. 56 Vgl. N eumann (1954b), S. 42. 57 N eumann ebd., S. 60. 58 N eumann ebd., S. 29. N eumann argumentiert hier gegen S tierling (s. Anm. 23 mit Text). Die Unordnung des Textes muss auch noch in neueren Untersuchungen für die bewahrte Zweifel an der chronologischen Ordnung des Ganzen zuvorzukommen, muss N eumann , wie alle ‹Chronologisten›, die Text- und Entstehungsgeschichte dem Einfluss fremder Hände entziehen und sie in die alleinige Veranwortung Mechthilds legen. Erst dieser taktische Zug schafft die Voraussetzungen für die von N eumann avisierte Textausgabe. Diese setzt sich zum Ziel, ausgehend von der Einsiedler Handschrift zu einem Text vorzustoßen, von dem behauptet werden kann, er stünde dem verlorenen Original näher und sei deshalb auch authentischer als jede andere überlieferte Handschrift N eumann s Ansichten über die Verfasserschaft des ›Fließenden Lichts‹ und den textgeschichtlichen Status der Einsiedler Handschrift haben demnach ihre (forschungsgeschichtlich bedingten) Prämissen, werden doch die text- und entstehungsgeschichtlichen Überlegungen einem primär an der inneren und äußeren Lebensgeschichte Mechthilds orientierten Interesse untergeordnet. Ein solcher Zugang zu Autor und Werk ist in den letzten Jahrzehnten allerdings problematisch geworden. Infolge der seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts anhaltenden Diskussion um die Literarizität des ›Fließenden Lichts‹ hat N eumann s Vertrauen auf den Text als authentisches Zeugnis für Mechthilds innere und äußere Biographie viel von seiner früheren Selbstverständlichkeit eingebüßt. Damit wird an den Grundlagen des von N eumann entworfenen entstehungsgeschichtlichen Modells gerüttelt. Es ist zu erwarten, dass die neuen Erkenntnisse über die literarische Machart des Textes nicht ohne Folgen für die Bestimmung der Urheberschaft des ›Fließenden Lichts‹ und des textgeschichtlichen Status der Einsiedler Handschrift bleiben. I.1.2 Die vertexteten Stimmen des Autors Es war nicht nur die lose Folge der angeblich chronologisch geordneten Einzelkapitel, die das ›Fließende Licht‹ für einen Teil der älteren Forschung als Tagebuch ausweisen sollte. Auch aus dem Charakter des Werkganzen meinte man, auf ein lebensbegleitendes Schreiben schließen zu können. So war die leidenschaftliche Minnesprache des ersten Buches für N eumann ein eindeutiges Indiz dafür, dass die hier enthaltenen Kapitel «sichtlich im ersten Sturm der poetischen Selbstbefreiung […] aufs Pergament geworfen worden» 59 sind. Auch T illmann war der Ansicht, die dichterischen Anfänge Mechthilds hätten «unter dem ersten unmittelbaren Eindruck ihrer Ekstase» gestanden, wohingegen in den späteren Büchern ein «langsames Abklingen» 60 zu registrieren sei. Daran anschließend schreibt W olfgang M ohr , im ›Fließenden Licht‹ Zugänge zur Autorschaft in der Mechthild-Forschung 13 ursprüngliche Reihenfolge des Textganzen herhalten, um die Entwicklung der theologischen Gedankenwelt Mechthilds zu erschließen, vgl. V erlaguet (2005). 59 N eumann (1954b), S. 57. 60 T illmann (1933), S. 21. In der nachlassenden Vitalität der Autorin sah auch L. M eyer (1951), S. 24 den Grund dafür, dass der individuelle Brautbegriff im Verlauf der sieben Bücher von einem pluralistischen abgelöst wird. schienen sich «die Erfahrungen einer ekstatischen Mystik unmittelbar in Sprache und sprachliche Form umzusetzen», 61 so dass man so etwas wie einen «Jugend- und Altersstil» unterscheiden könne, der sich im Fortgang der sieben Bücher dokumentiere, da Heinrich von Halle die Bücher und Kapitel «offensichtlich nicht systematisch, sondern soweit wie möglich biographisch» 62 geordnet habe. Schreiben aus Affekt, Poesie als Ausdruck der unbändigen Vitalität einer noch jungen Dichterpersönlichkeit, Erlebnisfrische und Unmittelbarkeit als Kennzeichen eines elementaren poetischen Äußerungswillens. Diese der romantischen Dichtungstradition entnommenen Theoreme, die mit T ill mann Eingang in die Mechthild-Forschung gefunden haben, waren dazu berufen, der These vom Tagebuchcharakter des ›Fließenden Lichts‹ eine zusätzliche Evidenz zu verleihen. 63 Schon der N eumann -Schüler E rnst B ecker äußerte Zweifel daran, ob die Bezeichnung ‹Tagebuch› und ‹Autobiographie› für ein Schriftwerk des Mittelalters nicht «wohl doch einen zu vagen Begriff» 64 darstellt. Außerdem liege einer solchen Begrifflichkeit die Ansicht zugrunde, das Werkganze hätte sich organisch entwickelt (S. 146), ein Postulat, das dem Bedürfnis der (damals) modernen Literaturwissenschaft, ein literarisches Werk nach den Kategorien «Entwicklung» und «Zeitfrage» (S. 137) zu beurteilen, entgegenkommt. Dass die dem ›Fließenden Licht‹ immer wieder nachgesagte Unmittelbarkeit nicht affektbedingt ist, sondern eine besondere Qualität des Textes, einen einkalkulierten Effekt darstellt, arbeiteten in jüngster Zeit W alter H aug und K laus G rubmüller heraus. H aug gibt zu bedenken, dass die Verschriftlichung jeder Erfahrung aus der Distanz und im Hinblick auf ein bestimmtes Publikum erfolgt. Dies führe «zwangsläufig zu einer Stilisierung des mystischen Vorgangs bei der Niederschrift, ja möglicherweise schon der Erfahrung selbst.» 65 Zwar leugnet H aug den beim Lesen des ›Fließenden Lichts‹ sich gleichsam von selbst einstellen- 14 Einleitung 61 M ohr (1963) S. 375. Auf eine solche Beurteilung des ›Fließenden Lichts‹ trifft man auch noch in der Folgezeit. W ehrli (1980), S. 629 sieht in Mechthilds Werk «eine wilde, wahrhaft ursprüngliche Welt […] in ihrem Rang und ihrer Unmittelbarkeit unvergleichlich.» Auch R uh (1985a), S. 247 ist der Ansicht, im ›Fließenden Licht‹ teile sich dem Leser «die Echtheit und Unmittelbarkeit der religiösen Erfahrung in spontaner Weise mit.» Für J. H einzle (1984), S. 107f. erweckt der Text den Eindruck, «als seien die festen Konventionsformen der literarischen Tradition zurückgenommen in die Ursprünglichkeit eines elementaren Äußerungszwanges.» 62 M ohr (1963), S. 378. Hinter einer solchen Sicht auf das Geschriebene steht eine biologistische Einschätzung des Phänomens Mystik, ablesbar etwa an der folgenden Äußerung von G ürsching (1950), S. 44: «Die Mystik stellt sich ja überhaupt, geschichtlich und literarisch, als eine Art Jugendbewegung dar.» 63 In dieser Tradition steht das vielzitierte und vielfach abgewandelte Dictum von M ohr (1963), S. 378, das ›Fließende Licht‹ stelle «Fragmente einer inneren Biographie» dar. Zu ähnlichen Ansichten s. auch Z inter (1931), S. 6 und B ihlmeyer (1933), S. 518. 64 B ecker (1951), S. 46, Anm. 1. 65 H aug (1984/ 1995), S. 556. den Eindruck nicht, der Text könnte aus der Unmittelbarkeit der Einheitserfahrung entstanden sein, doch betont er nachdrücklich, es handle sich um eine «vermittelte Unvermitteltheit» (S. 574), die mit literarischen Mitteln erzeugt werde. Die postulierte Unmittelbarkeit des Textes unterminiert H aug auch dadurch, dass er die längst fällige Dissoziation von autobiographischem und Erzähler-Ich einführt (S. 556). H aug tut dies in Abgrenzung zu einer Forschungsrichtung, die von einem weitgehend ungebrochenen lebensweltlichreferenzialisierenden Sprechen des sich im Text artikulierenden Subjekts, das kurzerhand mit der genuinen Autorenstimme Mechthilds identifiziert wurde, ausgeht und den überlieferten Text als eine durch das Ich-bezogene Sprechen der Autorin verbürgte Autobiographie und als ein Dokument versteht, in welchem das ursprüngliche religiöse Erlebnis unmittelbar und unverfälscht in die Sprache übergeht, so als ob vom Text aus wieder auf das dahinter liegende Erfahrungssubstrat geschlossen werden könnte. 66 Die von H aug eingeführte Unterscheidung von autobiographischem und Erzähler-Ich und die von ihm minutiös ausgearbeiteten literarischen Techniken der Präsenzerzeugung (vor allem in dialogischen Partien), um die Unio- Erfahrung (diese wird als außerliterarisches Faktum postuliert) mittels des an sich Distanz schaffenden Mediums, des Textes und der Sprache selbst, wieder einzuholen, lenkte die Aufmerksamkeit der neueren Forschung auf den Text als literarisches Artefakt, auf seine Erzählstruktur und Erzählperspektiven. Zur Erzählhaltung im ›Fließenden Licht‹ stellte G rubmüller in einem wegweisenden Aufsatz fest: Mechthild «vervielfacht die Sprecherposition und vermengt die Perspektiven; das Subjekt der Botschaft entzieht sich in eine undeutliche, aber suggestive Pluralität des Redens und Erfahrens.» 67 War Mechthild in der älteren Forschung der Referenzpunkt des Textes schlechthin, 68 erscheint sie nun substituierbar, ihr Ich löst sich in einem situationsbedingten Rollenpluralismus auf. Denn «[d]argestellt und ins Wort umgesetzt wird ein von vielen Beteiligten getragener Prozeß: der der präzisen Sonderung nicht mehr bedürftige, sie viel mehr überschreitende Vorgang der unio, die sich in der Verschmelzung der Personen, der Perspektiven, der Sprechweisen abbildet.» 69 Diese auf inhaltlicher Ebene diagnostizierte Unbestimmtheit der Sprecherpositionen erklärt G rubmüller mit der Entstehungsgeschichte des Textes. Zugänge zur Autorschaft in der Mechthild-Forschung 15 66 Weiterführend dazu B ildhauer (2007). 67 G rubmüller (1992), S. 343. Auf die Variationenfülle, die die Präsentation des Ich im ›Fließenden Licht‹ auszeichnet, hat bereits M ohr (1963), S. 380 hingewiesen. 68 Man vergleiche etwa die Emphase bei T illmann (1933), S. 82f.: «Im Mittelpunkt des Werkes steht s i e, das ganze Werk handelt von i h r und i h r e m Verhältnis zu Gott […]. Zusammengehalten wird es nur durch s i e. Es sind i h r e Offenbarungen. Es ist i h r Tagebuch» (Sperrungen von T illmann ). 69 G rubmüller (1992), S. 345. Dass die von G rubmüller behauptete Undefiniertheit der Sprecherpositionen allerdings nicht für das ganze Buch gleichermaßen gilt, betonen K asten (1995), S. 9-16 und V ollmann -P rofe (1994), S. 150. Er stellt - anders als N eumann 70 - dem heute als Buchwerk par excellance organisierten Text eine ursprünglich lockere, keinesfalls feste Sammlung von Einzelstücken gegenüber. War das von Mechthild Geschriebene ein von ihr in der Reihenfolge der Stücke zwar festgelegtes, aber nicht durch Buchcharakteristika organisiertes und kommentiertes Ganzes, so stellt sich auf der Ebene der Textkomposition, so argumentiert G rubmüller , derselbe Eindruck ein, der auch bei den Sprecherrollen beobachtet werden konnte: «[Derjenige] der Simultanität unterschiedlichster Formen, Inhalte und Sprecherhaltungen, eines im Flusse sich herstellenden, sich der Verfestigung entziehenden, auf Syn- Opsen und Syn-Ästhesien gerichteten Textes, der seine Einheit erst im Rezipienten findet und so den Prozeßcharakter der mystischen Erfahrung (im A n s c h e i n einer gemachten, geplanten, nicht naturwüchsigen Unmittelbarkeit) gegen die Bedrohung einer unangemessenen Erstarrung rettet» (S. 347, Sperrung von G rubmüller ). Die Folge einer solchen, auf die «Minimalisierung des Kontextes» 71 hin tendierenden Präsentationsform - man begegnet ihr auch heute noch vor allem im ersten Buch, sofern man die Überschriften wegdenkt - ist, dass das Ich undefiniert bzw. mehrdeutig bleibt. 72 Während die ältere Forschung den Konvergenzpunkt aller Ich-Rollen in der Person Mechthilds sah und sie einseitig biographisch deutete, konstatiert man heute ihre «Substituierbarkeit» und «Inkonsistenz». 73 Behauptet wird eine unvollzogen gebliebene Individuation des Sprecher-Ich: «Es bestehen keine absoluten Grenzen, die dieses Sprecher-Ich als eigenständiges Gebilde zusammenhalten und es von anderen Gestalten trennen.» 74 Zwar wird nicht ausgeschlossen, dass das autobiographische Ich eine der Stimmen des Textes darstellen und mit dem Erzähler-Ich vor allem dort ein hohes Maß an Identität erlangen kann, wo dieses Ich sein Sprechen und Schreiben reflektiert, 75 «absolut fallen sie jedoch nicht zusammen.» 76 Diese neuen Erkenntnisse über 16 Einleitung 70 Für N eumann schreibt Mechthild, wie oben gezeigt, nicht auf lose Blätter, sondern sie verfasst vom Anfang an ein Buch. Vgl. dazu auch das Kommentar von N eumann zu FL II.26: 136,15f.: «Auch diese Stelle [es geht um eine Buchallegorese, B.J.N.] spricht gegen die These, daß ein oder auch mehrere Stapel loser Blätter Mechthilds Manuskript gebildet hätte» (N eumann 1993, S. 46, Anm. zu II.26,11f.). 71 H aas (1989), S. 217. 72 Paradigmatisch dafür, welche Interpretations- und Identifikationsmöglichkeiten sich auftun, wenn ein unbezeichnetes Ich als sprechendes Subjekt erscheint, ist die Diskussion um das Prooemium zum ›Fließenden Licht‹. Das Sprecher-Ich wurde in der Forschung verschiedentlich mit Mechthild oder mit Gott identifiziert, um die Frage letztlich damit zu bewenden, dass die Sprecheridentität bewusst und durchaus im Einklang mit dem gesamten Text offen gehalten wird, s. dazu zusammenfassend und weiterführend D icke (2003), S. 267-270 (mit Angaben zur älteren Literatur). 73 H asebrink (2000), S. 161. 74 V olfing (2003), S. 257. Auch B eling (2000), S. 110 stellt fest, die Autorin sei «textimmanent zersplittert und historisch kaum zu fassen.» 75 Vgl. K asten (1995), S. 6. 76 H aug (1984/ 1995), S. 556. Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Hinweis von S uer baum (2009), S. 27f. auf die «Versuchung», das sprechende Ich umstandslos mit der die «Poetik literarischer Ich-Rollen» 77 und über die «Strategien der Geltungssicherung» 78 haben nicht nur dem naiven Unmittelbarkeitsglauben und dem Vertrauen der älteren Forschung auf den Text als authentisches Dokument des mystischen Innenlebens Mechthilds den Boden entzogen, sondern erschweren es auch, die genuine Autorenstimme im Text zu identifizieren. 79 Damit wurde das oben referierte, der romantischen Dichtungstradition entstammende Genesemodell - berufen, um der These der chronologischen Ordnung der Kapitelfolge und damit indirekt der Autorschaft Mechthilds eine zusätzliche Stütze zu verleihen - ihrer eigentlichen Prämissen beraubt. 80 Nicht viel anders steht es um die Prämissen des von N eumann vorgetragenen entstehungsgeschichtlichen Modells, das eine klare Aufgabenverteilung zwischen Autorin und Beichtvater favorisiert, um die Auswertbarkeit des Textes auf die (äußere) Lebensgeschichte Mechthilds hin zu garantieren. Auch dieses Argument hat in den letzten Jahren deutliche Kritik einstecken müssen. I.1.3 Der Autor als textliches Konstrukt «In der Textgeschichte dokumentiert sich die Lebensgeschichte der Autorin.» 81 So resümiert C hrista O rtmann all jene Interpretationsmodelle, die im ›Fließenden Licht‹ eine historische Quelle, ein autobiographisches Zeugnis bzw. den Beleg einer vergangenen mystischen Erfahrung Mechthilds von Magdeburg sehen wollen. Mit Hinweis auf die von G rubmüller angestoßene Diskussion um die Literarizität des Textes fordert sie: «Um die literarische »Machart« des ›Fließenden Lichts‹ […] funktional zu beschreiben und als bewußtes Gestaltungsprinzip aufzuweisen, das das Werk als Typus kennzeichnet, muß ein Rahmen aufgesucht werden, in dem Autobiographie und Mystik als außerliterarisch bezogene »Sach«-Phänomene keine determinierende Funktion haben» (S. 166). Um die von O rtmann geforderte Bestimmung des literarischen Status des ›Fließenden Lichts‹ geht es vor allem dem von U rsula P eters begründeten, an der neueren Hagiographieforschung orientierten gattungs- und diskursanalytischen Ansatz. 82 Im Gegensatz zu einer Forschung, die in einem Zirkelschlussverfahren vom literarischen Text auf die außerliterarische Realität und von hier aus wiederum zurück auf die Literatur geschlossen hat, lenkt P eters die Aufmerksamkeit auf die Selbstreferenzialität und Konzeptionalität frauenmystischer Zugänge zur Autorschaft in der Mechthild-Forschung 17 Autorin zu identifizieren, um den Text anschließend «einer Autorin namens Mechthild zuzuschreiben und ihn dann als biographischen Bericht zu lesen.» 77 H asebrink (1998), S. 150. 78 H asebrink (2006), S. 392. 79 Vgl. P oor (2006), S. 196: «The intermingling of traditions and voices in combination with the dialogic form make a single authorial voice difficult to isolate.» 80 Vgl. dazu auch H asebrink (1998), S. 150 und 152. 81 O rtmann (1992), S. 163. 82 Zu den theoretischen und methodischen Voraussetzungen dieses Ansatzes s. P eters (1985), S. 192-197 und (1999), S. 185-191. Texte. Der Titel ihrer grundlegenden Monographie, «Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum» 83 ist durchaus als Programm zu verstehen. Es besagt, im Falle des seit dem 13. Jahrhundert aufkommenden frauenmystischen Schrifttums handle es sich - und das mag tautologisch erscheinen - vor allem und in erster Linie um Literatur, die den Gattungsnormen der Hagiographie unterworfen gattungsspezifische Konzepte der Heiligkeit transportiere. Deshalb sei zu erwarten, dass die textimmanent präsentierte ‹Auto(r)biographie› von Konzepten, die auf die Heiligkeit einer Person abzielen, nicht unbeeinflusst bleibt. Doch nicht nur die thematisch-ideologische Ausrichtung und das Autorschaftskonzept von Texten aus dem Bereich der Frauenmystik stehen im Mittelpunkt des Forschungsinteresses von P eters , sondern auch die kulturhistorischen und organisatorischen Voraussetzungen der Entstehung einer solchen Literatur. P eters ist der Meinung, dass die Herausbildung einer aszetisch-mystischen Literatur religiös bewegter Frauen im 13. Jahrhundert nach wie vor von wenig abgesicherten, generellen Forschungshypothesen hinsichtlich ihrer Entstehung überschattet sei. Um diesen Hypothesen entgegenzuwirken, wird eine Untersuchung vorgelegt, die «als eine kritische Überprüfung wirkungsmächtiger Forschungspositionen und damit zugleich als ein Beitrag zur Genese und Funktion frauenmystischer Literatur gedacht ist.» 84 Da der Ansatz, Texte aus dem Bereich der Frauenmystik unter dem Aspekt ihrer institutionellen Einbindung sowie ihres programmatischen und funktionalen Impetus zu deuten, Schule gemacht und Nachfolger gefunden hat, 85 empfiehlt es sich, auf diese Forschungsposition detaillierter einzugehen, zumal die hier diskutierten Fragen sowohl für den Autorbegriff, als auch für die Entstehungsgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ von unmittelbarer Relevanz sind. Diese Forschungsrichtung bietet ein avanciertes, wenn auch nicht unproblematisches, Gegenmodell zu dem von N eumann bzw. seinen Vorgängern entworfenen und weiterhin wirksamen Bild von Mechthild als Autorin des ›Fließenden Lichts‹ und zu den Umständen der Textgenese. Zu den von P eters kritisierten, wirkungsmächtigen Forschungspositionen gehört sowohl die Einschätzung, Mechthild sei eine Begine gewesen, als auch die Auffassung, die Entstehung des ›Fließenden Lichts‹ würde auf ein spezifisches Zusammenwirken der Visionärin Mechthild mit ihrem Beichtvater Heinrich von Halle zurückgehen. Was den Status Mechthilds als Begine betrifft, konstatiert P eters zunächst das Fehlen von textexternen Dokumenten im Sinne eines historischen Zeugnisses. 86 Die Kenntnis von Mechthilds Beginenstatus verdankt die Forschung 18 Einleitung 83 P eters (1988a). Die Hauptthesen dieses Buches haben sich schon in einem früheren Aufsatz von P eters angekündigt, s. P eters (1984). 84 P eters (1988a), S. 8. 85 Vgl. R uhrberg (1995), N isters (1997) sowie die Publikationen von B ürkle in der Literaturliste. 86 Vgl. P eters (1988a), S. 54. in der Tat nicht etwa Urkunden oder historischen Quellen im engeren Sinne des Wortes. Mechthilds semireligiose Existenz wurde (und wird) aus dem Text selbst abgeleitet, und zwar aus den immanenten Anspielungen auf ein vermeintlich feindlich gesinntes Umfeld bzw. aus den Prologen zum deutschen und lateinischen Überlieferungszweig. Beide Ebenen, die des vermeintlichen Selbst- und diejenige des Fremdzeugnisses, liefern dabei Puzzleteile, aus welchen die Forschung die Lebensskizze einer in der Welt lebenden mulier religiosa zusammenmontiert hat. P eters ist der Meinung, dass diese Textpartien uns nicht etwa über Mechthild als historische Person informieren, sondern eher «die prägnanten Spuren einer in der Vitenliteratur des 13. Jahrhunderts gängigen, geradezu idealtypischen vita religiosa» 87 zeigen. Diese im deutschen Text verstreuten Informationen über das heiligmäßige Leben der Protagonistin, die sich unter den Anfeindungen der Welt bewähren muss, wurden, so P eters , in den programmatischen Einleitungskapiteln zur Einsiedler Handschrift und der lateinischen Übersetzung aufgegriffen, systematisiert und mit weiteren scheinbar detailrealistischen Fakten zur einer Lebensgeschichte amplifiziert. Doch sind sie nicht etwa als realbiographische Aussagen zu verstehen, sondern «sie gehören […] in erster Linie zur biographischen Präzisierung eines spezifischen lebensweltlichen Konzepts von Gotteserfahrung, zur programmatischen Stilisierung und hagiographischen Konkretisierung des Mechthild-Korpus.» 88 Sie verweigern damit eine rein autobiographische Lesart und lassen keine Rückschlüsse auf Mechthilds Magdeburger Beginenexistenz zu. P eters geht sogar einen Schritt weiter und behauptet, der Text liefere keinerlei Erkenntnisse über die literarischen Aktivitäten einer Begine. 89 Nachdem P eters die Beginenthese und ihre Implikationen für die Textgenese relativiert hat (zur Kritik an diesem überzogenen Skeptizismus von P eters s. S. 323ff. weiter unten), will sie Entstehung, redaktionelle Bearbeitung und Distribution des ›Fließenden Lichts‹ in Helfta verorten. 90 Damit steht aber der Beichtvaterstatus Heinrichs von Halle und sein Anteil an der Textgenese auf dem Prüfstand. Wie im Fall der ‹Lebensgeschichte› rechnet P eters auch bei der textimmanenten Darstellung der Werkgeschichte mit einer erst nachträglich erfolgten Ver- Zugänge zur Autorschaft in der Mechthild-Forschung 19 87 P eters ebd., S. 57. Dazu gehören unter anderem die Unwissenheit des Kindes, frühe religiöse Erfahrungen, der freiwillige Verzicht auf ein angenehmes Leben im Elternhaus, die Abkehr von Verwandten und Freunden und der Rückzug aus der Welt. S uerbaum (2003), S. 248-255 ergänzt dieses Bild um weitere Elemente, wie die Stellvertreterfunktion beim Bittgebet, die Einsicht in die eigene Sündhaftigkeit und gleichzeitige Auserwähltheit im Leiden, die kaum einer Heiligenvita fehlen. Dass die Heiligkeit Mechthilds sich nicht nur in ihrem geistigen Wesen, sondern auch in ihrem literarisch konstruierten körperlichen Erscheinungsbild manifestiert, zeigt N isters (1997), S. 32-44. 88 P eters (1988a), S. 58. 89 Vgl. P eters ebd. und P eters (1988b), S. 92f. Auch R uhrberg (1995), S. 173, Anm. 115 ist der Ansicht, «dass es kein textproduktives Milieu unter Beginen gab.» 90 Vgl. P eters (1988a), S. 65f. netzung und Amplifikation von quasi bio-bibliographischen Informationen zum eindrucksvollen Entstehungsszenario in der ›Lux divinitatis‹. Das in LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 516-517) entworfene Szenario hat die Forschung, so P eters , dazu veranlasst, in Heinrich von Halle den Beichtvater und Förderer Mechthilds bzw. Bearbeiter ihrer Schriften zu sehen. Doch wie verlässlich sind eigentlich die Angaben der lateinischen Textpartien und der ›Lux divinitatis‹? P eters argumentiert wie folgt: «Man wird […] sie gelegentlich eher als hagiographische Versuche einer detailrealistischen lebensweltlich-biographischen Konkretisierung mehr oder weniger persönlich gehaltener historisch-biographischer Anspielungen des deutschen Textes betrachten müssen.» 91 Demnach ist P eters nicht bereit, die Aussagen der ›Lux divinitatis‹ als einen Hinweis auf eine langjährige literarisch-spirituelle Zusammenarbeit Mechthilds mit ihrem Beichtvater Heinrich zu deuten. Eher wird man davon ausgehen müssen, «daß Heinrich von Halle, der überhaupt nur in der lateinischen Übersetzung genannt wird, bestenfalls an dieser Fassung von Mechthilds Text beteiligt gewesen sein kann.» 92 Überhaupt sei es wenig wahrscheinlich, meint P eters , dass ein Geistlicher an der Entstehung des volkssprachlichen Textes Teil genommen hat. Zum einen sei die Stelle, die immer wieder als Beleg dafür zitiert wird, dass Mechthild auf die Veranlassung ihres bihter angefangen habe, ihr b v ch zu schreiben, wenig aussagekräftig, denn «der Beichtvater ist hier [in FL IV.2: 236,33] nicht mehr als eine schematische Rollenfigur, die keine kulturhistorische Kommentierung des Schreibbefehls im Sinne eines literarischen Zusammenwirkens von Mechthild mit ihrem Seelsorger erlaubt.» 93 Zum anderen wüssten die in Helfta entstandenen Visionstexte über eine literarische Zusammenarbeit zwischen Mechthild und einem Dominikaner, der von der Forschung mit Heinrich von Halle identifiziert wird und als Beichtvater um die Redaktion der von Mechthild eigenhändig niedergeschriebenen geistlichen Erfahrungen gekümmert haben soll, nichts zu berichten. Deshalb frage man sich, «ob die Vorstellung eines engen Zusammenwirkens Mechthilds von Magdeburg mit ihrem dominikanischen Berater Heinrich von Halle nicht eher zu den Mythen einer Mystikforschung gehört, die die Entstehung frauenmystischer spiritueller Erfahrungstexte vornehmlich unter dem Gesichtspunkt einer Kooperation der begnadeten Frauen mit ihren Seelsorgern gesehen hat.» 94 Die Tatsache, dass literarische Texte auch ohne die Mitwirkung eines gelehrten Geistlichen, in diesem Fall im Kreis von literarisch ambitionierten Schwestern entstehen können, demonstriert P eters anhand des Helftaer Schrifttums. 95 Wenn der Beichtvater-Komplex als literarischer Topos lediglich zur Legitimation des Schreibaktes dient und die vom Text gebotene Lebensgeschichte 20 Einleitung 91 P eters ebd., S. 121. 92 P eters ebd., S. 120. 93 P eters ebd., S. 118. 94 P eters ebd., S. 125. 95 P eters ebd., S. 125-129. nichts anderes als eine exemplarische vita religiosa bietet, stellt sich die Frage, was man über Mechthild als Autorin und die konkreten Umstände der Textgenese überhaupt noch sagen kann. P eters ist der Meinung, dass wir zur biographisch-historischen Autorexistenz allein anhand von literarischen Texten nie vorstoßen werden. Was uns unmittelbar zugänglich ist, ist die literarische Szenerie der Autorbilder, Autorrollen und Autorstilisierungen. Dass sich die Merkmale der literarischen Autorexistenz zu Autorentypen, d.h. zu typenspezifischen Autor-Stilisierungen zusammenfassen lassen, zeigt P eters in einem späteren Aufsatz. 96 Demnach scheinen die frauenmystischen Texte des 13. und 14. Jahrhunderts einen ausgeprägten Autorinnentypus zu profilieren, den Typus einer Frau, die - im klösterlichen Milieu oder in saeculo - «ein striktes Leben der Abgeschiedenheit und Selbstkasteiung, der humilitas und wechselnden Gotteserfahrungen führt und nach langen Jahren der Askese, der körperlichen Leiden und Visionen ihre göttlichen Begnadungen niederschreibt oder aufzeichnen läßt; eine Autorin wider Willen, die nicht aus eigener Initiative, sondern im Gehorsam gegenüber Gottes Befehl bzw. der Aufforderung ihres Beichtvaters aus der Abgeschiedenheit ihrer vita religiosa heraustritt, um mit der Niederschrift ihrer Gnadenerfahrungen, ihres Lebens der Askese und göttlichen Wunder das gnadenvolle Wirken Gottes in der Welt zu dokumentieren.» 97 Was die Historizität dieser textuell präsentierten Autorfigur betrifft, ist P eters der Ansicht, das Bild der begnadeten, schreibenden Schwester informiere weniger über die faktische Entstehung der frauenmystischen Werke als vielmehr über ihre Programmatik. Dazu gehört nicht nur eine exemplarisch gestaltete, von göttlichen Gnadentaten gezeichnete und sich in der Welt bewährende Lebensführung, sondern auch die in den Texten immer wieder angesprochene «Vorstellung der heimlichen, von Gott und dem Beichtvater gewünschten Aufzeichnungen der begnadeten Schwestern.» 98 Demzufolge ist außer Gott und dem Beichtvater auch die Figur der schreibenden Frau, die eine text- und typenspezifische Konkretisierung erfährt, ein konstitutiver Bestandteil des literarischen Entstehungsszenarios. 99 P eters resümiert: «Die in der Heimlichkeit ihrer vita religiosa schreibende, illiterate mulier religiosa ist eine in den Texten angelegte Autorinnenrolle, die zwar einen guten Eindruck von dem vornehmlich an Frauen demonstrierten Programm mystischer Gottesliebe vermitteln mag, uns jedoch keine hinreichenden Informationen über die faktische Entstehung frauenmystischer Texte, über das gesellschaftliche und spirituelle Umfeld ihrer Verfasserinnen liefert.» 100 Auch S usanne B ürkle ist der Ansicht, dass die Figur der begnadeten Mystikerin und göttlich inspirierten Visionärin seit Mechthild von Magdeburg um Zugänge zur Autorschaft in der Mechthild-Forschung 21 96 Vgl. P eters (1991). 97 P eters ebd., S. 42. 98 P eters ebd., S. 45. 99 Vgl. P eters ebd., S. 45f. S. auch P eters (1988a), S. 173-175 und vor allem B ürkle (1999), S. 294-306. 100 P eters (1991), S. 47. die der Autorin erweitert worden sei. 101 Die Figurierung der Mystikerin als schreibende Autorin, die sich ihres Schreibens in einem selbstreflexiven Akt immer wieder vergewissert und das Schreiben des b v ches literarisch als Niederschrift vorausgegangenen Lebens bzw. aktueller Erfahrung deutet, stellt laut B ürkle ein typenspezifisches Merkmal einzelpersönlicher Viten- und Offenbarungsliteratur dar, eines Typus, dem auch das ›Fließende Licht‹ zuzurechnen sei. 102 Im Gegenzug zur Etablierung der Handlungsrolle der ‹schreibenden Mystikerin› wird die Figur des vertrauten frater in diesen Texten zum Akteur des Schreibbefehls, zum Initiator und gelegentlich zum spiritus rector der Schrift degradiert. 103 Wie P eters wirft B ürkle der Forschung vor, die in volkssprachlichen Viten- und Offenbarungstexten sich wiederholenden Äußerungen zum Anlass des Schreibens und zum Verschriftlichungsprozess, die thematisierte Zusammenarbeit von Seelsorger und Nonne als bloße Reformulierungen von faktischer Textgenese und tatsächlichen Entstehungsimpulsen frauenmystischer Texte (miss)verstanden zu haben. Da in den einzelpersönlichen Viten- und Offenbarungstexten sowohl die Beichtvaterthematik, als auch die Präsentation der Autorschaft eine typenspezifische Gestaltung erfährt, sei es unmöglich, so B ürkle weiter, über die Programmatik des Textes hinaus zur faktischen Schreib- und Produktionssituation vorzustoßen: «Die allmähliche, geradezu sukzessiv erscheinende Verschriftlichung des Gnadengeschehens, das Spannungsreiche des Öffentlichmachens der sich in der heimlichkeit vollziehenden Begnadung, der ‹Veröffentlichung› der an die swester gerichteten Offenbarungen der tougen Gottes geben nicht etwa Auskunft über den faktischen Entstehungsprozess der Texte, sondern sind sehr direkt in den spirituellen ‹Weg› des ‹Mystikerin› zu Gott und damit in die grundlegende Thematik der Gottesbegegnung eingebunden.» 104 Trotz der behaupteten Unmöglichkeit, etwas über die Entstehungsumstände des Textes aussagen zu können, betrachtet B ürkle das ›Fließende Licht‹ als «‹Gemeinschaftsprojekt› eines personell wie auch immer zusammengesetzten Autorenkollektivs.» 105 Ob dieses Autorenteam in Helfta zu suchen ist, wie P eters vorschlägt (s. oben Anm. 90 mit Text), lässt B ürkle allerdings offen. Die hier skizzierte, den Erkenntnissen der neuen Hagiographieforschung verpflichtete Kritik richtet sich gegen den in der Frauenmystikforschung lange Zeit als selbstverständlich geltenden Zirkelschluss vom Text zur außerliterarischen Realität, ein Verfahren, das auch N eumann s Umgang mit der Textge- 22 Einleitung 101 Vgl. B ürkle (1994), S. 139. 102 Vgl. B ürkle (1999), S. 265f. 103 Vgl. B ürkle ebd., S. 267. 104 B ürkle (1994), S. 139f. Vgl. auch S uerbaum (2003), S. 250: «Wenngleich diese das eigene Sprechen und Schreiben reflektierenden Kapitel immer wieder wegen ihrer möglichen biographischen Bezüge untersucht worden sind, enthüllen sie doch mehr über die in aller Demut sich der eigenen von Gott geoffenbarten Autorität bewußten Sprecher- Rolle als über konkrete Lebensumstände.» 105 B ürkle (1994), S. 138. schichte des ›Fließenden Lichts‹ und Lebensgeschichte Mechthilds bestimmt und seine Ergebnisse präjudiziert. B ürkle und P eters sind der Ansicht - um es noch einmal auf den Punkt zu bringen -, dass sowohl die textintern präsentierte Lebensgeschichte Mechthilds (eine exemplarische vita religiosa), als auch die Werkgeschichte zur Programmatik des Textes gehören und sich einer lebensweltlich-referenzialisierenden Lesart entziehen. Über die Umstände der Textentstehung lasse sich deswegen nichts sagen, weil sowohl der Beichtvater, der ihrer geistlichen Tochter den Befehl zum Aufschreiben der besonderen Gnadenerweise erteilt und den Schreibprozess begleitet haben soll, wie die schreibende Mystikerin selbst, die über ihre heimlicheit eigenhändig, d.h. ohne die Vermittlung eines Dritten, Rechenschaft ablegt, literarische Rollen darstellen. Wurde der Anteil des Beichtvaters am ›Fließenden Licht‹ schon in der früheren Forschung auf das gebotene Mindestmaß reduziert, erscheint er nun aus dem Schreibprozess ganz verdrängt. Bemerkenswert ist dabei, dass die Verabschiedung des Beichtvaters als textliches Konstrukt nicht dazu führt, dass dem überlieferten Text ein Mehr an Authentizität (auch im textkritischen Sinn) zugeschrieben wird. Die Weigerung von P eters und B ürkle , in Heinrich, dem vermeintlichen Beichtvater Mechthilds, den Initiator und Begleiter des Schreibprozesses zu sehen, ist wohl damit zu erklären, dass der in FL IV.2 formulierte Schreibbefehl eines Beichtvaters (236,34 [IV.2,130]) den Eindruck erweckt, als stünden selbstgeschriebene Aufzeichnungen ganz privater Art am Anfang der Textgeschichte, literarisch wenig anspruchsvolle Notizen also, die den Ausgangspunkt eines mehrstufigen Redaktions- und Literarisierungsprozesses bildeten. Dieses Postulat verleite den Philologen dazu, argumeniert B ürkle , eine angeblich ursprünglichere, i.e. literarisch noch nicht umformte, Textschicht durch die Anwendung der analytischen Mittel der Literaturwissenschaft und Textkritik aufzudecken, ähnlich wie es etwa S iegfried R ingler bei der Untersuchung der Textgeschichte der Adelheid Langmann-Vita getan hat. 106 B ürkle befürchtet, dadurch werde der authentische Erlebnisgehalt als Kategorie dieser Texte «quasi durch die Hintertür» 107 wieder eingeführt. Dass diese Befürchtung im Falle des ›Fließenden Lichts‹ nicht ganz unbegründet ist, zeigen N eumann s Versuche, die Anteile von Mechthild und Heinrich am b v ch säuberlich voneinander abzuheben, indem Heinrichs Beitrag zur Text- und Buchgenese auf «Beiläufiges» 108 begrenzt wird. Darin sieht N eumann nicht nur die inhaltliche, sondern auch die textkritische Authentizität des ›Fließenden Lichts‹ gewährleistet. Einer Lektürepraxis, die in der postulierten Urschrift tagebuchartige Aufzeichnungen eines religiösen Subjekts und die Manifestationsform eines zur Artikulation drängenden Initialerlebnisses sehen will, setzen P eters und stärker noch B ürkle die Konzeptionalität, Funktionalität und dezidierte Literari- Zugänge zur Autorschaft in der Mechthild-Forschung 23 106 Vgl. R ingler (1980), S. 79-82. 107 B ürkle (1999), S. 272ff. S. auch B ürkle (2000), S. 487ff. 108 So R uh (1993), S. 249. zität frauenmystischer Texte entgegen. Sie tun dies im Bewusstsein, dass die Texte nicht hintergehbar sind und auf ein vermeintliches Erfahrungssubstrat hin nicht befragt werden können, 109 dass auch in den so genannten ursprünglichen Aufzeichnungen der Frauen etablierte literarische Formen stecken. 110 Dies zu betonen, hält P eters im Falle von Mechthild für umso wichtiger, als ihr immer wieder angenommener Beginenstatus einer subjektbezogenen Interpretation Vorschub leistete, die in den Texten den unmittelbaren Ausdruck einer semireligiosen, an der Grenze zur Heterodoxie stehenden Lebensform sah. Das habe die Forschung dazu verleitet, die Beginenmystik als konventikelhafte, nicht-offizielle, ausgegrenzte Literatur zu sehen, die abseits der geistlichen Institutionen bzw. im kleinsten Kreis religiöser Frauen quasiverborgen entstanden und verbreitet gewesen sein soll, 111 ein Literaturbegriff, der «merkwürdig quer zu unseren sonstigen Informationen über die literarische Produktion im Mittelalter steht.» 112 P eters gibt zu bedenken, dass die «Möglichkeit einer im Umkreis einer geistlichen Institution unter der geistlichen Führung der Bettelorden lebenden geachteten Beginenexistenz» noch nicht einmal in Erwägung gezogen wurde. P eters verortet den Text in der «institutionell abgesicherte[n] Gemeinschaft eines Nonnenkonvents, die die literarischen Aktivitäten ihrer Mitglieder fördert.» 113 Nichts liegt näher, als die Entstehung, Redaktion und Distribution des ›Fließenden Lichts‹ nach Helfta zu verlegen. 114 Diese Anbindung an eine Klostergemeinschaft soll dem Text jene Öffentlichkeit sichern, die die Partizipation an etablierten literarischen 24 Einleitung 109 Vgl. auch H aas (1986), S. 322: «Denn was haben wir anderes als Texte? Wir haben nicht die Erfahrung, sondern nur die Texte, in denen von ihnen berichtet wird. An diese objektiv vorhandenen Gegebenheiten müssen wir uns halten», und weiter S. 329: «Die mystische Erfahrung […] begegnet uns, sofern sie uns überhaupt begegnet, in Form von Sprache, Mystologie.» 110 Vgl. dazu K üsters / L anger (1991), S. 40. B ürkle (2000), S. 488 betont in Abgrenzung zu R ingler (1980), S. 80, der eine zurückgedrängte «autobiographische Komponente der Urschrift» hinter der überlieferten Adelheid Langmann-Vita sehen wollte, eine solche Urschrift sei «durch keinen Text der Viten- und Offenbarungsliteratur i n d i e s e r F o r m » belegbar (Sperrung von B ürkle ). 111 P eters (1988b), S. 92 referiert die Ansicht von R uh (1977/ 1984), S. 243, wonach Mechthild «nie von sich aus daran gedacht hat, ihre Aufzeichnungen einer Öffentlichkeit preiszugeben.» Zu ähnlichen Ansichten aus der älteren Forschung s. Anm. 26 mit Text. 112 P eters (1988a), S. 58 und (1988b), S. 92f. 113 P eters (1988a), S. 67. 114 Vgl. P eters ebd., S. 65f. und daran anschließend R uhrberg (1995), S. 172, Anm. 115, N isters (1997), S. 34f., Anm. 57, K asten (1995), S. 9 und 10f. bzw. (1999), S. 19 und H ubrath (1996), S. 36. Überraschend ist dabei die Selbstverständlichkeit, mit der die von den Helftaer Texten gebotenen Buchentstehungsgeschichten als literatursoziologisch verwertbare Fakten gelesen werden. Dass das von ›Liber specialis gratiae‹ Mechthilds von Hackeborn transportierte, mit Nonnen konnotierte ‹heimliche Schreiben über andere› möglicherweise über mehr als die faktische Textentstehung informiert, deutet B ürkle (1999), S. 243-245 mit Rekurs auf Beispiele aus dem (frauen)mystischen Schrifttum des 14. Jahrhunderts an. Formen garantiert und zugleich die Vorstellung im Keime erstickt, es handle sich um prädiskursive, private Aufzeichnungen einer literarisch nicht ambitionierten und unerfahrenen Frau, um Textdokumente also, in welchen die subjektive Perzeption der Autorin bzw. ihre individuell-praktischen Erfahrungen wegen der fehlenden Literarizität und Konzeptionalität des Textes unmittelbaren Niederschlag gefunden haben. Trotz der nicht unproblematischen Postulate des N eumann schen Modells der Textgenese und der von P eters und B ürkle vorgeschlagenen Neubestimmung des literarischen Status des ›Fließenden Lichts‹ mit all ihren Implikationen für die Entstehungsgeschichte des Textes und für den interpretatorischen Umgang mit dem Thema Autorschaft trifft man auch heute noch auf Ansichten, die «den prinzipiellen Fortbestand der von Hans Neumann gesetzten Prämissen bestätigen.» 115 So stellt das ›Fließende Licht‹ - um ein besonders prominentes Beispiel zu nennen - für G isela V ollmann -P rofe das «Dokument eines personalen Entwicklungsu. Reifungsprozesses» 116 dar, der den von Buch I bis VII beobachtbaren Wandel der Inhalte und Darbietungsformen, aber auch denjenigen des auktorialen Selbstverständnisses bedingt haben soll, handelt es sich doch um ein «in seiner Form einmaliges Werk der biographischen Gattung, nicht als Lebensbeschreibung angelegt und geplant, aber durch lebensbegleitendes Schreiben dazu geworden.» 117 Seine Einmaligkeit sieht V ollmann -P rofe «in der Einmaligkeit der Form, in einem ›persönlichen Erfahrungsstil‹ und einer ›biographischen Struktur‹.» 118 Um Missverständnisse zu vermeiden, stellt sie fest, die letzten beiden Singularitätsausweise zielten nicht darauf ab, «ob die historische Mechthild die geschilderten Erfahrungen gemacht hat.» Eher geht es, so V ollmann -P rofe weiter, um «die literarische Konzeptionierbarkeit persönlicher Erfahrungen.» 119 In diesem Punkt steht V ollmann -P rofe dem von P eters und B ürkle vertretenen Standpunkt nahe. Was sie indes verweigert, ist eine Lesart des Textes, die ihn als literarische Inszenierung versteht mit all ihren Implikationen für die Entstehungsgeschichte und Autorschaft. 120 In der Gegenbeweisführung von V ollmann -P rofe Zugänge zur Autorschaft in der Mechthild-Forschung 25 115 N isters (1997), S. 27, Anm. 24. Hier werden einige «exemplarische Beispiele» geboten. Sie ließen sich beliebig vermehren, so etwa mit der Charakterisierung des ›Fließenden Lichts‹ als «Chronik eines Frauenlebens» durch L ückel (2005), S. 181. 116 V ollmann -P rofe (1990), S. 41. Ähnlich V ollmann -P rofe (2007b), S. 60. 117 V ollmann -P rofe (1994), S. 156. 118 V ollmann -P rofe (2000), S. 153. 119 V ollmann -P rofe ebd., S. 153. 120 Besonders deutlich wird dies in einem kürzlich erschienen Aufsatz von V ollmann - P rofe (2008b), in dem es um die Frage geht, ob und, wenn ja, in welcher Form die Béguinage «zu einem neuen Bewusstsein - Selbstbewusstsein - der Frauen führte» (S. 203). Noch vor der Frage nach einer möglichen Konzeption neuer Frauenrollen lässt V oll mann -P rofe diejenigen Rollen Revue passieren, die Mechthild vertraut sein konnten. In diesem Zusammenhang wird auch auf die «Rolle der schreibenden Frau» hingewiesen, «die gerade erst dabei war, sich zu etablieren und der Mechthild neue Züge hinzufügte» spielt, wie schon in N eumann s Argumentation gegen die ‹Anti-Chronologisten›, die referierte «Einmaligkeit der Form» eine entscheidende Rolle: Sie soll dem ›Fließenden Licht‹ eine «Sondersituation» 121 unter den sonstigen Texten der Viten- und Offenbarungsliteratur des 13. und 14. Jahrhunderts sichern, eine «besondere Situation», 122 deren Grund in der langen Entstehungszeit des Textes und dessen Veröffentlichung in mehreren Publikationsschüben gesehen wird. Wie man unschwer erkennen kann, muss hier wieder einmal die Struktur des Textes für dessen Authentizität herhalten - ein nicht unproblematisches Argument, wie es noch zu zeigen gilt (s. dazu S. 150f. weiter unten). Unter diesen Voraussetzungen verwundert es nicht, wieder auf das N eumann sche Modell der Textgenese mit ihrer klaren Rollenverteilung zu stoßen, wobei V ollmann -P rofe den Anteil Heinrichs - infolge eines Missverständnisses - weiter einschränkt: Mit Hinweis auf N eumann bezieht sie die Feststellung von LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 516-517), Henricus dictus de Hallis habe Mechthilds Schriften in sex partes […] distinxit sicut legentibus nunc apparet, auf die Anordnung der sechs Bücher im lateinischen Text und behauptet, Heinrichs Redaktorentätigkeit tangiere die These von einem in «Teilveröffentlichungen» bekannt gewordenen Werk keineswegs. 123 N eumann bezog LD II.40 jedoch auf den deutschen Text. 124 Die Tradition, in der V ollmann -P rofe steht und die sie weiterführt, baut auf eine problematische Argumentation (s. dazu Kap. I.1.1). Das soll indes nicht dahingehend interpretiert werden, als könnte man dem von P eters und B ürkle vorgeschlagenen Alternativmodell blindlings vertrauen. P eters ’ Plädoyer für die Anbindung der Entstehung, der redaktionellen Bearbeitung (! ) und der Distribution des ›Fließenden Lichts‹ ans Kloster Helfta hat ebenfalls ihre Prämissen (Ablehnung der Beginenthese, Demaskierung des Beichtvaters als «schematische Rollenfigur», institutionelle Verankerung der Textgenese zwecks Partizipation an etablierte literarische Traditionen). Außerdem lässt P eters offen, mit welchen Modalitäten der Textentstehung in einem Kloster zu rechnen ist, wo Berichte über das Gnadenleben von Mitschwestern Ergebnis einer literarischen Zusammenarbeit sind, und ob bzw. inwieweit Mechthild unter solchen Umständen überhaupt noch und wenn ja, in welchem Sinne, als Autorin des ›Fließenden Lichts‹ gelten darf. Was man in P eters ’ Überlegungen vermisst, ist eine text- und überlieferungsgeschichtliche Fundierung des von ihr 26 Einleitung (S. 204). Bemerkenswert ist, dass sich diese Feststellung auf Mechthild als historische Person und nicht auf das textuell evozierte Bild der ‹schreibenden Mystikerin› bezieht. 121 V ollmann -P rofe ebd., S. 146, Anm. 3. 122 V ollmann -P rofe ebd., S. 146f. 123 Vgl. V ollmann -P rofe (1994), S. 147, Anm. 5. Ähnlich V ollmann -P rofe (2003), S. 798 (hier mit Hinweis auf P eters ). 124 Vgl. N eumann (1954b), S. 43. Ähnlich N eumann (1993), S. 26, Anm. zu II.26,34f. Zur Frage, ob die Notiz über Heinrichs Anteil an der Textgenese auf das ›Fließende Licht‹ oder die ›Lux divinitatis‹ zu beziehen ist, s. Kap. II.1.1. vorgetragenen Modells der Textgenese. 125 Dasselbe gilt auch für die Feststellung von B ürkle , das ›Fließende Licht‹ sei das Werk einer Autorengruppe. Sie argumentiert wie folgt: «Rekonstruktionen der handschriftlichen Überlieferung lassen in Verbindung mit den entsprechenden Textbefunden nicht nur die dominikanischen Nonnenbücher, sondern auch die Offenbarungen Mechthilds von Magdeburg oder das Christine-Ebner-Corpus weniger deutlich als Produkte einer individuellen Autorin erkennen als vielmehr als ‹Gemeinschaftsprojekte› eines personell wie auch immer zusammengesetzten Autorenkollektivs.» 126 Diese Behauptung mag auf die Schwesternbücher und das Ebner-Corpus zutreffen. Beim ›Fließenden Licht‹ jedoch sind die vorliegenden textgeschichtlichen Untersuchungen darauf angelegt, genau das Gegenteil zu erweisen, postuliert doch N eumann einen von Mechthild in eigener Regie verfassten Text. Wohl war N eumann bereit einzugestehen, dass es «viele fremde Hände» gab, die «von der ersten Redaktion der Mechthildschen Urschriften durch den Dominikaner Heinrich von Halle bis zum letzten Schreiber der uns einzig das ganze Werk in deutscher Sprache bewahrenden Einsiedler Handschrift […] an Mechthilds Aufzeichnungen gewerkelt» 127 haben, doch spricht er sich dafür aus, dass die Authentizität des Wortlauts weder an der redaktionellen Bearbeitung durch Heinrich noch an der langen Überlieferung, die den Wechsel aus einer Schriftsprache in eine andere mit einschließt, Schaden genommen hat, so dass die Einsiedler Handschrift als eine mit dem mechthildischen Original nahezu identische Kopie gelesen werden kann, dem nun das Interesse des Editors gelten soll. Mit welchen methodischen Problemen eine solche editorische Zielsetzung belastet ist, wird im folgenden Kapitel zu zeigen sein. Eingegangen wird jedoch nicht nur auf N eumann s Textausgabe, sondern auch auf die vor einigen Jahren erschienene Edition von G isela V ollmann -P rofe , die in ihrer Zielsetzung zwar anders ist, in den Grundannahmen über den Status des in Einsiedeln überlieferten Textes und seiner Urheberschaft jedoch N eumann s Forschungsergebnissen verpflichtet bleibt. I.2 Die Textausgaben des ›Fließenden Lichts‹ und das Postulat des einen Autortextes Trotz bedeutender Handschriftenfunde im Laufe des 20. Jahrhunderts, die durch den erst vor kurzem bekannt gewordenen Sensationsfund in Moskau überboten werden (s. dazu oben Anm. 33), hat sich die Textgrundlage, auf welche der Herausgeber des ›Fließenden Lichts‹ seine Ausgabe aufbauen Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 27 125 Vgl. dazu K üsters / L anger (1991), S. 40: «Redaktionsgeschichtliche Analysen, wie sie P eters vorlegt, setzen Textkritik, Literarkritik und formgeschichtliche Untersuchungen voraus.» 126 B ürkle (1994), S. 138. 127 N eumann (1948/ 50), S. 144. Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes muss, seit M orel s Erstdruck aus dem Jahre 1869 nicht wesentlich verändert: Nach wie vor muss der Codex Einsidlensis 277 als Leithandschrift für jede Mechthild-Edition genommen werden. Eine denkbar ungünstige Überlieferungslage für einen Editor, der, wie N eumann , vom Überlieferten ausgehend nicht nur den Inhalt, sondern auch den Wortlaut als authentisch, d.h. dem Original nahe stehend, erweisen, gegebenenfalls aber auch erschließen will. 128 Nicht ohne Resignation musste deshalb N eumann 1967 feststellen: «Über einen bereinigten Handschriftenabdruck der alemannischen Version hinaus zum niederdeutsch-mitteldeutschen Original vorzustoßen, erweist sich beim heutigen Stand der Überlieferung als nicht angängig.» 129 Für die Neuausgabe des ›Fließenden Lichts‹ gilt jedoch das, was etwa im Zusammenhang von FL I.22: 38,26-40,19 als editorisches Ziel formuliert wird: «der Ausdrucksweise Mechthilds möglichst nahe zu kommen.» 130 Ungeachtet der zugegebenermaßen ungünstigen Überlieferungssituation geht es N eumann also darum, ans mechthildische Original so nahe heranzuführen, wie es mit den Mitteln der Textkritik nur möglich ist. Für den editorischen Umgang mit der Leithandschrift bedeutet das: «Wo der Text des Einsidlensis offenkundig verderbt ist, wird dieser verbessert, teils aufgrund der Parallelüberlieferung, teils per coniecturam.» 131 Die Lektüre des N eumann schen Textes zeigt, dass das Urteil, eine Verderbnis sei «offenkundig», nicht nur für mechanische Fehler wie Zeilensprünge, sinnlose Lesungen, Kako- und Dittographie etc. gilt, sondern vor allem für Lesarten, die dem am präsupponierten Mechthildischen orientierten iudicium des Editors als Fehlleistungen der Überlieferung erscheinen. Zur Behebung einer als solche verstandenen Korruptel geht N eumann von Stelle zu Stelle unterschiedlich vor. Eine wichtige Rolle bei der Bewertung einer Lesart spielt die ›Lux divinitatis‹, die lateinische Übersetzung, die bekanntlich nur die ersten sechs Bücher des ›Fließenden Lichts‹ überliefert. Da sie auf eine textgeschichtlich ältere Stufe zurückführt als die N eumann einzig bekannte, erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts einsetzende oberdeutsche Überlieferung (die N eumann noch unbekannten Moskauer Fragmente datieren auf die Zeit vor bzw. um 1300), deren Textzeugen zudem um mehrere Textstufen vom Übersetzungsoriginal entfernt sind, ist die ›Lux divinitatis‹ dazu berufen, Lesarten des deutschen Textes entweder zu bestätigen oder, wenn es sich um 28 Einleitung 128 So S tackmann (1992), S. 190. Mit welchen Argumenten sich N eumann über die mit der Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ verbundenen Unabwägbarkeiten hinweggesetzt hat, dürfte aus Kap. I.1.1 deutlich geworden sein. 129 N eumann (1967), S. 45f. 130 N eumann (1993), S. 14, Anm. zu I.22,12-34. Ähnlich ist an anderen Stellen von der «Rekonstruktion des originalen Wortlauts» (N eumann 1993, S. 24f., Anm. zu I.44,64-68) bzw. von Annäherung an den «von der Autorin intendierten [Sinn]» (N eumann 1993, S. 51, Anm. zu III.1,173) die Rede. Vgl. auch oben Anm. 42 mit Text. 131 Vgl. Prolegomena N eumann (1990), S. XXI (die Prolegomena gehen zwar auf G isela V ollmann -P rofe zurück, doch legen sie über die Prinzipien Rechenschaft ab, nach denen N eumann die Ausgabe erstellt hat, s. das Vorwort von H ans F romm ebd., S. VIII). offenkundige oder mutmaßliche Korruptelen handelt, zu korrigieren. 132 Auf diese Weise will N eumann dem postulierten Original ein gutes Stück näher kommen. Bietet die lateinische Übersetzung keine Hilfe, werden Emendationen nach der deutschen Parallelüberlieferung - soweit vorhanden - vorgenommen. Bei der Rekonstruktion des ‹ursprünglichen›, d.h. des von N eumann angenommenen mechthildischen Wortlauts bedient sich der Herausgeber aber nicht nur der deutschen und lateinischen Überlieferung, sondern auch seiner Kenntnis des Mittelniederdeutschen und seinem bewundernswerten sprachhistorischen Gespür. Die auf diese Weise erschlossenen und für Mechthild bzw. das Original reklamierten Lesarten werden zudem durch Parallelen aus dem Text bzw. der geistlichen Literatur gestützt, die in der deutschen Überlieferung identifizierten Fehler sprachhistorisch und schreiberpsychologisch erklärt. Im Hinblick auf die Aufsätze, die N eumann im Vorfeld zu seiner Textausgabe vorgelegt hatte, stellte K urt R uh 1956/ 57 fest, hier sei «eine Feinheit der Methode» 133 am Werk, eine Diagnose, die für die 1990 erschienene Edition zweifelsohne nicht minder gilt. Es genügt, N eumann mit dem von M orel vorgelegten unkritischen, vor stillschweigenden Konjekturen nicht zurückschreckenden und von zahlreichen Lesefehlern belasteten Handschriftenabdruck zu vergleichen, um den «unermeßlichen Fortschritt» 134 zu sehen, der erzielt wurde. Man hat indes über die Ausgabe auch geurteilt, sie böte einen Text, dem sich der Leser «restlos anvertrauen darf», 135 mit dem man «verläßlich arbeiten kann.» 136 Als verlässlich darf die Ausgabe in der Tat insofern gelten, als im Unterschied zu M orel jede Abweichung von der Leithandschrift dokumentiert und begründet wird. Anders ist dagegen das Editionsprinzip zu beurteilen, das die Überlieferung zur Rückgewinnung des e i n e n Textes benutzt, um den Eindruck zu vermitteln, es habe ein einziger Text, ein einziges Original, am Anfang der Textgeschichte gestanden. Problematisch ist dieses Urteil und die darauf aufbauende editorische Vorgehensweise nicht allein wegen der neueren Erkenntnisse über die Bedingungen der Produktion, Distribution und Rezeption mittelalterlicher Literatur und der Folgen, die sich daraus für den editorischen Umgang mit überlieferten Texten ergeben (s. dazu Kap. I.3). Vielmehr liegen die mit einer solchen editorischen Zielsetzung verbundenen Probleme in der Text- und Überlieferungsgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ selbst: Sie werden von der N eumann schen Ausgabe eher verdeckt als offengelegt, wie den folgenden Ausführungen zu entnehmen ist. Bei der Auffindung und Heilung von Korruptelen rekurriert N eumann immer wieder auf Parallelstellen, die er dem Gesamttext entnimmt. P aul Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 29 132 Vgl. N eumann (1967), S. 45. 133 R uh (1956/ 57), S. 138. 134 H ellgardt (1996a), S. 140. Ähnlich S chröder (1996/ 1999), S. 154. 135 R uh (1995a), S. 99. 136 M ichel (1995a), S. 30. M ichel gab im Hinblick auf das ›Fließende Licht‹ zu bedenken, die Beweiskraft solcher Parallelstellen verringere sich, «je größer die Vielfalt der Textsorten [innerhalb des ›Fließenden Lichts‹] ist, weil so immer mit der je verschiedenen Monosemierung des entsprechenden Wortes zu rechnen ist.» 137 Der Hinweis auf Parallelformulierungen unterstelle zudem, «daß der Text über das Corpus homogen und über die Lebensspanne konstant geblieben ist (Mechthilds Aufzeichnungen erstrecken sich über 30 Jahre).» 138 Darüber hinaus suggeriere das Argument der Parallelstellen eine Textkohärenz, die nur schwer nachvollziehbar sei, sind doch für Mechthild «thematische Neueinsätze und spätere leicht schräge Wiederaufnahmen, plötzlich einschießende Gedanken, kühne Metaphern und Bild-Überblendungen, abrupte Wechsel der ‹Darbietungsformen› (W. Mohr), eigenwillige Verschiebungen von Topoi, Paradoxien» 139 als typisch anzusehen. Diese Textphänomene erklärt M ichel zwar damit, dass wir es mit einer Autorin zu tun haben, die «gegen die Tradition anschreibt», doch zieht er immerhin in Betracht, es könnte «eine Überschichtung von verschiedenen Redaktionen» vorliegen, «wobei es sich durchaus auch um ein und denselben Redaktor in verschiedenen Lebensphasen handeln kann.» 140 Ob dieser Redaktor Mechthild selbst ist, wie es M ichel mit Rekurs auf N eumann s Akademie-Abhandlung nahe legt, 141 oder aber ein «kongenialer Sachwalter», 142 soll an dieser Stelle nicht problematisiert werden (s. dazu ausführlich Kap. II.3). Wichtig scheint mir, dass es offenbar für möglich erachtet wird, die oben genannten Textphänomene nicht nur als eine Frage des Stils und der literarischen Technik anzusehen, sondern auch von der Text- und Entstehungsgeschichte her anzugehen. Letztere sollte bei der argumentativen Verwendung von Parallelstellen umso mehr beachtet werden, als nicht nur die Entstehung des ›Fließenden Lichts‹, sondern - und das wird meist übersehen - auch seine Umsetzung ins Alemannische ein langer Prozess, eine mehrere Jahre andauernde Arbeit am Text war. Zudem waren an der alemannischen Übertragung mehrere Personen beteiligt. Unter diesen Bedingungen stellt sich verstärkt die Frage nach der Berechtigung einer Vorgehensweise, die auf die Beweiskraft von Parallelstellen vertraut, um über die Echtheit bzw. Unechtheit einer Formulierung zu urteilen. Dazu folgende Hinweise: 30 Einleitung 137 M ichel (1995b), S. 174. 138 M ichel (1995a), S. 31. M ichel scheint damit andeuten zu wollen, dass die Möglichkeit eines Stilwandels mitbedacht werden muss, vgl. M ichel (1986), S. 522. Reserviert äußert sich dazu H aug (1984/ 1995), S. 555. Auch V olfing (2003), S. 265 mahnt, man sollte sich davor hüten, das ›Fließende Licht‹ allzu linear zu deuten. 139 M ichel (1995a), S. 31. S. auch M ichel (1995c), S. 62. 140 M ichel (1995b), S. 175. 141 Vgl. M ichel ebd., Anm. 9. 142 Den Ausdruck habe ich D icke (2003), S. 268, Anm. 5 entliehen. D icke führt ihn im Zusammenhang der Frage ein, wer der Verfasser des ersten Prooemiums zum ›Fließenden Licht‹ sein kann, eines Textes wohlgemerkt, der aus lauter Versatzstücken besteht, die unterschiedlichen Kapiteln des Gesamttextes entnommen worden sind. Aus einem an Margareta Ebner und ihre Medinger Mitschwestern gerichteten Brief Heinrichs von Nördlingen, der auf das Jahr 1345 datiert wird, erfahren wir, dass die Übertragung des ›Fließenden Lichts‹ ins Alemannische ein Gemeinschaftsunternehmen war. Nach einer detaillierten Lektüreanweisung, wie der Text aufzunehmen sei, vermerkt Heinrich: […] und wolchiü wort ir nit verstandint, die zeichend und schribentz mir, so betützsch ichs euch, wan es ward uns gar in fremdem tützsch gelichen, das wir wol zwai jar flisz und arbeit hetint, ee wirs ain wenig in unser tützsch brachtint. 143 Aus dem unvermittelten Numeruswechsel in der zitierten Briefstelle - Heinrich spricht plötzlich von uns und wir - darf mit N eumann darauf geschlossen werden, 144 dass mehrere Personen an der Übertragung des Textes aus dem fremden in unser tützsch beteiligt waren. 145 Offen bleibt dabei, welchen Anteil Heinrich selbst daran hatte. 146 Heinrichs flüchtige Notiz über die Entstehungsumstände der alemannischen Umschrift ist, wie D agmar G ottschall neulich treffend feststellte, der «Dreh- und Angelpunkt der Mechthild-Forschung.» 147 Sie wirft die Frage auf, wie man sich die hier angedeutete Zusammenarbeit vorzustellen hat und wie sich die Übertragung aus dem einen, offenbar als fremd empfundenen Dialekt in einen anderen auf die Textkonstitution und die Text- und Autorschaftsfrage der Mechthild-Forschung auswirkt. Bekannte Parallelfälle - es handelt sich um Übertragungen aus dem Mittelniederländischen in oberdeutsche Dialekte - und einzelne textgeschichtliche Indizien helfen, etwas Licht in diese entscheidende Phase der Überlieferungsgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ zu bringen. Das ist der Weg, den auch G ottschall einschlägt, um die oben gestellten Fragen ‹von außen› anzugehen. Die interessanten Einzelbeobachtungen, die G ottschall dadurch gewinnt, werde ich zum Ausgangspunkt meiner Überlegungen machen, um die Probleme aufzuzeigen, die mit dem Rekurs auf Parallelstellen als Kontroll- und Beglaubigungsmittel editorischer Entscheidungen im Dienste der Autorin Mechthild verbunden sind. Ergänzend dazu werde ich die neu aufgefundenen Moskauer Bruchstücke einer mittelniederdeutschen Exzerpthandschrift des ›Fließenden Lichts‹ (Sigle: Mo) heranziehen. Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 31 143 S trauch (1882), S. 246f.,134-138 (Brief Nr. XLIII). 144 Vgl. N eumann (1948/ 50), S. 162. 145 Dies übersieht etwa M c G inn (2008), S. 686, wenn er an mehreren Stellen seiner Mystikgeschichte Heinrich als Übersetzer postuliert. Was die Identität des oder der Übersetzer des ›Fließenden Lichts‹ ins Alemannische anbelangt, so findet man unterschiedliche, teilweise wiedersprüchliche Ansichten in der Mechthild-Forschung, s. dazu mein Referat in N emes (2011). 146 Eines dürfte gewiss sein: Heinrich wird an der alemannischen Umschrift als Schreiber nicht beteiligt gewesen sein, denn «es fehlt […] jede eindeutige Spur seines mütterlichen Schwäbisch in den erhaltenen Handschriften und Fragmenten, während seine Briefe es überall aufweisen» (N eumann 1948/ 50, S. 163). Dass Heinrich mit der Übertragung des ›Fließenden Lichts‹ ins Alemannische zu tun hat, bezweifeln auch R uh (1956/ 57), S. 225 und S chmidt (1969), S. 173*. S. dazu auch meine Überlegungen auf S. 239f. weiter unten und vor allem N emes (2011). 147 G ottschall (2007), S. 159. Ausgehend von der sprachlichen Differenz, die zwischen Oberlant und Niderlant schon in der Wahrnehmung der Zeitgenossen bestand, 148 fragt sich G ottschall , auf welche Art und Weise ein ‹Oberländer› die Kenntnis eines fremden Dialekts erwerben konnte und wer in Basel als Übersetzer überhaupt in Frage kam. Mit Hinweis auf Heinrichs Zeitgenossen und Landsmann Konrad von Megenberg - er bietet in seinem ›Buch von den natürlichen Dingen‹ einige mundartliche Varianten im Bereich der Lexik - vermutet sie, es müsse jemand gewesen sein, der seine Kompetenz im fremden Dialekt durch einen längeren Aufenthalt in der entsprechenden Region erworben hat. Eine solche Erklärung liegt durchaus im Bereich des Denkbaren, wie die oberdeutsche Rezeption der Traktate Jans van Leeuwen illustriert. 149 Auf seinem Weg vom Kloster Böddeken (bei Paderborn) über das Augustinerchorherrenkloster Kirschgarten (bei Worms) nimmt Peter van Zutphen ein niederländisches Exemplar der Traktate mit nach Rebdorf (bei Eichstätt), wo er sie ins Deutsche überträgt. Die Sprache der Übersetzung ist allerdings nicht das Bairische, sondern ein persönliches Idiom von Peter. Er schreibt die Sprache eines Niederländers, der sich ein westliches Mitteldeutsch infolge seines langjährigen Aufenthalts in Böddeken angeeignet hat. Aufschlussreich für den Transformationsprozess, dem ein nur partiell eingedeutschter Text unterworfen ist, ist das weitere Schicksal dieser Übertragung. Sie ist in Peters Autograph erhalten: Pommersfelden, Gräflich Schönbornsche Bibliothek, Cod. 280/ 2881. Man findet, so R uh , besonders im ersten Traktat der Handschrift häufig stehengebliebene niederländische, im Deutschen unverständliche oder doch kaum gebräuchliche Wörter in interlinearer Technik durch einen wirklich deutschen, d.h. in diesem Fall bairischen, Begriff ersetzt. Ob es sich um die nachbessernde Hand Peters oder eine zweite (wenig spätere) Hand handelt, kann nicht entschieden werden. 150 «Wie immer es sich verhält», stellt R uh fest, «wir werden hier auf einen Prozeß aufmerksam gemacht, den wir auch häufig bei Übertragungen aus dem Latein beobachten können: die a l l m ä h l i c h e, durch die Tätigkeit mehrerer Schreiber erfolgte Eindeutschung.» 151 Einen vergleichbaren Transformationsprozess darf man auch bei der mundartlichen Umsetzung des ›Fließenden Lichts‹ ins Alemannische annehmen. G ottschall stellt sich dies im Einzelnen so vor: Ein des Mitteldeutsch-Nie- 32 Einleitung 148 Dazu grundlegend W illiams -K rapp (1986) und (2003). 149 Zu den folgenden Ausführungen s. R uh (1964/ 1984), S. 105-107 und (1999a), S. 103. 150 Peter wird sich bald nach seiner Ankunft in Rebdorf gewisse Kenntnisse des Bairischen angeeignet haben, denn die anderen Handschriften, in denen er als Schreiber identifiziert werden kann (München, BSB, Cgm 371, fol. 254 ra- 313 vb und Cgm 798), weisen ein bereits leicht bairisch gefärbtes westliches Mitteldeutsch auf, s. W illiams -K rapp (2003), S. 48, Anm. 30. Ob Peter auch in diesen Fällen Übersetzer war, wäre zu untersuchen, meint W illiams -K rapp (2006), S. 71. 151 R uh (1964/ 1984), S. 114 (Sperrung von R uh ). Zu vergleichen wäre in diesem Zusammenhang auch der Fall des aus Köln stammenden und in Sankt Gallen auf Alemannisch schreibenden Benediktinermönches Friedrich Kölner, s. dazu S tocker (1996). derdeutschen mächtiger Berufsschreiber wird beim Kopieren des Buches - es handelt sich ja um einen den alemannischen Übersetzern des ›Fließenden Lichts‹ nur geliehenen Text - eine erste sprachliche Anpassung vorgenommen haben. 152 Diese Adaptation kann sich allerdings als nicht gelungen erwiesen haben, «sonst würde Heinrich nicht von zweijähriger Arbeit sprechen, in der die Gruppe den Erstentwurf überarbeitete. Bis zur letzten Perfektion ist er nie gelangt, wie Heinrich zugeben muss.» 153 Wie man sich den Übertragungsprozess im Einzelnen auch vorzustellen hat, wichtig ist die Frage, was über die Arbeitsweise der an der alemannischen Übertragung Beteiligten gesagt werden kann. Ausgehend von den mittelniederdeutschen Formen im Bereich der Lexik und stellenweise auch der Syntax, 154 die in den Handschriften des oberdeutschen Überlieferungszweiges stehengeblieben sind bzw. in Kenntnis des Mittelniederdeutschen erschlossen werden können, sprach N eumann von einer «gewissen mechanischen Pedanterie» 155 im Umgang der Basler Übersetzer mit ihrer Vorlage. Das ist, wie G ottschall mit Hinweis auf die etwa gleichzeitig erfolgte Umsetzung Ruusbroecs ›Geestelijcke brulocht‹ ins Alemannische im Kreis der Straßburger Gottesfreunde feststellt, nichts Ungewöhnliches, sondern geradezu die Regel 156 und findet seine Bestätigung in Mo. 157 G ottschall gibt indes zu bedenken, dass das Wort- und Begriffsmaterial der Ausgangssprache wohl ohne nennenswerte Probleme in die Zielsprache übernommen werden kann, so dass Synonyma gar nicht erst gesucht werden müssen. «Doch das bedeutet, dass die feinen Bedeutungsunterschiede bei gleichem Vokabular unberücksichtigt bleiben.» 158 In der Tat ließe sich anhand von Textbeispielen zeigen, so G ottschall , dass bei der Übertragung des ›Fließenden Lichts‹ in den Basler Stadtdialekt nicht nur keine Professionalisten auf dem sprachlichen Sektor herangezogen wurden, sondern dass man es auch unterlassen hat, Theologen zu konsultieren (für G ottschall waren die Übersetzer Laien, die aus dem Kreise der sogenannten ‹Gottesfreunde› rekrutierten). Für das Rezeptionsverhalten der alemannischen Übersetzer gelte es: «Entscheidend war die sprachliche Oberfläche, der Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 33 152 Dass die Umsetzung von Texten in die Sprachform des Entstehungsraums und der Entstehungszeit einer Handschrift ‹au fil de la plume› eines Kopisten erfolgt, dürfte im Mittelalter eine Selbstverständlichkeit gewesen sein, ablesbar vor allem daran, dass der Prozess der Verdeutschung erst dann thematisiert wird, wenn Schwierigkeiten auftauchen. Für Beispiele s. S eidel (2003a), S. 145 und 151. Zu den Änderungen, die im Zuge eines interdialektalen bzw. interlingualen Texttransfers auftreten, s. jetzt T. K lein (2009). 153 G ottschall (2007), S. 162. 154 Zu der in E bewahrten mittelniederdeutschen Stellung der Komparative in Korrelativsätzen s. N eumann (1963). 155 N eumann (1948/ 50), S. 167. 156 Ähnliche Beobachtungen macht man auch bei anderen in oberdeutsche Dialekte übertragenen Werken aus dem mittelniederländischen Raum, s. R uh (1964/ 1984), S. 112-117, E ichler (1968), S. 211 und F reienhagen -B aumgardt (1998), S. 59. 157 Vgl. Textabdruck und Apparat bei G anina / S quires (2010). 158 G ottschall (2007), S. 164. schöne Klang, das ästhetische Erlebnis, das stimulierend wirkte, und nicht philosophische Spekulation.» 159 G ottschall resümiert: «Dank ihrer Liebe zu erbauenden Texten hat Mechthilds Fließendes Licht der Gottheit bis heute überlebt, doch weniger als philologisch exakte Adaptation, sondern als Offenbarungsbuch der Gottesfreunde.» 160 Bevor ich die methodischen Probleme erörtere, die das zur Konjektur scheinbar problematischer Lesarten eingesetzte Argument der Parallelstellen beim Vorliegen einer arbeitsteiligen Übersetzungstechnik mit sich bringt, möchte ich hier auf eine Textstelle näher eingehen, die - nimmt man Arbeitsteiligkeit als Übersetzungsprinzip ernst - in ein neues Licht gerückt wird und die Frage aufwirft, wie zuverlässig eigentlich der in E überlieferte Text ist. G ott schall ist, wie wir gesehen haben, der Meinung, das ›Fließende Licht‹ stelle weniger eine philologisch exakte Adaptation als das Offenbarungsbuch der ‹Gottesfreunde› dar. Zwar steht diese Setzung in einer gewissen Spannung zu dem von N eumann behaupteten Vertrauen, die oberdeutsche Mechthildrezeption biete «einen mit Geschick und Sorgsamkeit mundartlich umgeschriebenen Text, der erstaunlich treu seiner Vorlage folgt.» 161 Allerdings relativiert G ottschall ihre Behauptung insofern selbst, als sie feststellt: «da keine Zeile von Mechthilds Original bzw. der Redaktion des Heinrich von Halle erhalten ist, bleibt jede Beurteilung der Übertragungsleistung zu einem Teil immer Spekulation.» 162 Wohl ist die Übersetzungsvorlage des ›Fließenden Lichts‹ nicht erhalten, doch gibt es - und das ist G ottschall entgangen - ein Kapitel, das möglicherweise einen, wenn auch nur flüchtigen Blick in die Werkstatt der Übersetzer gewährt. Es handelt sich um ein Kapitel, das in E doppelt überliefert ist, und zwar einmal im Buch VI als Nr. 22 und ein zweites Mal im Buch VII als Nr. 45. Über das Textstück lässt sich mit N eumann folgendes sagen: 163 Da es in der lateinischen Übersetzung keine Entsprechung hat, geht man davon aus, dass das Kapitel vor seiner Verdoppelung im siebten Buch seinen Platz gehabt hat. In seiner heutigen Doppelform wird es im Rahmen des Ganzen eine längere unabhängige Überlieferung hinter sich haben, denn FL VI.22 und VII.45 können nicht unmittelbar voneinander abgeschrieben worden sein. Die entscheidende Frage lautet nun, wann diese Verdoppelung aufgetreten ist. N eu mann will sie erst für das oberdeutsche Übersetzungsoriginal ansetzen. «Aber schwerlich viel später: dafür sind der Abweichungen nun schon wieder zu viele.» 164 Da die Art der Varianz, die die beiden Kapitel voneinander trennt, im weiteren Verlauf meiner Argumentation eine Rolle spielen wird, sollen die Abweichungen aufgelistet werden: 165 34 Einleitung 159 G ottschall ebd., S. 168. 160 G ottschall ebd., S. 169. 161 N eumann (1948/ 50), S. 169. 162 G ottschall (2007), S. 160. Ähnlich E ichler (1969), S. 36f. 163 Vgl. N eumann (1948/ 50), S. 147f. 164 N eumann ebd., S. 149. 165 FL VI.22 zitiere ich nach der Ausgabe von N eumann (den Text von FL VI.22, wie ihn E überliefert, findet man bei N eumann unter FL VII.45 abgedruckt! ), FL VII.45 nach deres mir VII.45 (S. 616,5): mir es VI.22 (VII.45,4) - m o ge vergessen VII.45 (S. 616,5f.): vergesse VI.22 (VII.45,4) - versumekeit VII.45 (S. 616,9): dú versumekeit VI.22 (VII.45,6) - Das ander ist VII.45 (S. 616,11): Das ander VI.22 VII.45,7) - herre, das ich VII.45 (S. 616,11): das ich herre VI.22 (VII.45,7) - mir VII.45 (S. 616,12): fehlt VI.22 (VII.45,8) - din unr u wig gerunge VII.45 (S. 616,14): die fúrige gerunge VI.22 (VII.45,9) - iemer VII.45 (S. 616,15): in mir VI.22 (VII.45,10) - der VII.45 (S. 616,16): din VI.22 (VII.45,10) - von dem andern VII.45 (S. 616,24): von den andern VI.22 (VII.45,16) - was das si wirken VII.45 (S. 616,23): was si wirken VI.22 (VII.45,16) - ieglicher VII.45 (S. 616,24): iegliches VI.22 (VII.45,17) - usgelúhen VII.45 (S. 616,25): usgeleit VI.22 (VII.45,17) - die er hie … beginnet VII.45 (S. 616,26f.): die hie … beginnet VI.22 (VII.45,18f.) - enpfinden VII.45 (S. 616,29): v u len VI.22 (VII.45,21) - wunnenklich VII.45 (S. 616,30): wie wunnenklich VI.22 (VII.45,21) - wie rich VII.45 (S. 616,30f.): wie unzergenglicher vr o den vol VI.22 (VII.45,22) - der eweclich in im wonen sol VII.45 (S. 616,31): 166 der da eweklich wonen sol VI.22 (VII.45,22f.) - in VII.45 (S. 616,32): fehlt VI.22 (VII.45,23) - die sint vil manigvalt ane zal vnd ane geschen iemer me erlich gezogen wand si swebent vs von dem lebendigen gotte VII.45 (S. 616,33-618,1): fehlt VI.22 (vgl. VII.45,24f.) - vliessent VII.45 (S. 618,2): vlússet VI.22 (VII.45,26) - úberswenkig VII.45 (S. 618,2f.): úberswendig VI.22 (VII.45,26f.) - ane VII.45 (S. 618,4): doch ane VI.22 (VII.45,28). N eumann deutet den Befund wie folgt: Mängel und Vorzüge der Textgestalt sind fast gleichmäßig verteilt. 167 Die Abweichungen erweisen sich, abgesehen von den «eingesprengten Trümmersätzchen» in FL VII.45, als «einfache Flüchtigkeiten, unerhebliche Wortumstellungen und inhaltlich belanglosere Auslassungen.» Man könne, argumentiert N eumann , demnach davon ausgehen, dass «der Sinngehalt des Kapitels innerhalb der Basler Texttradition offenkundig so wenig Einbuße erlitten [hat] wie die Ausdrucksform.» 168 Der Befund kann aber auch anders gedeutet werden. Ausgehend von der oberdeutschen Überlieferung von Jan van Ruusbroec ›Van den blinckenden Steen‹ hat W olf gang E ichler vier Stufen der Tradition eines übersetzten Textes unterschieden: 1. die umschriftliche Aneignung, 2. die geringfügig bearbeitete, von Zusätzen und Auslassungen geprägte, an der Substanz des Textes jedoch noch nichts zersetzende Redaktion, 3. das in einen verwandten Zusammenhang gestellte Exzerpt und 4. die Verwertung in einem fremden Zusammenhang. 169 Vergleicht man die oben aufgezeigten Divergenzen zwischen FL VI.22 und VII.45 mit dem von E ichler entwickelten Vier-Stufen-Modell, so lassen sie auf eine Textgestalt schließen, die der zweiten Tradierungsstufe eines übersetzten Textes zuzuordnen ist. Dafür sprechen die von N eumann (verharmlosend) als «eingesprengte Trümmersätzchen», «unerhebliche Wortumstellungen», «inhaltlich belanglosere Auslassungen» bezeichneten Abweichungen. Zudem haben wir es an zwei Stellen mit einem Wortersatz zu tun, der im Zeichen der sprachlandschaftlichen An- Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 35 jenigen von V ollmann -P rofe . Auch N eumann (1948/ 50), S. 147f. bietet ein Variantenverzeichnis. Es ist aber stellenweise mit Fehlern belastet. 166 N eumann (1990), S. 291 liest im Apparat bi im statt in im und vermerkt: «verb. aus eweclich in nu? » 167 Vgl. N eumann (1948/ 50), S. 148. 168 N eumann ebd., S. 149. 169 Vgl. E ichler (1968), S. 213. passung des Textes steht: aus v u len (VI.22) wird enpfinden (VII.45), 170 úberswendig (VI.22) wird zu úberswenkig (VII.45) ‹verlesen›, letzteres «eine Art Modewort der nacheckhartischen Mystik.» 171 Angesichts der Mängel und Vorzüge, die beiden Kapiteln zueigen sind und eine Entscheidung über die Echtheit des einen gegenüber dem anderen erschweren, 172 fragt man sich, ob die Textveränderungen, die beide Kapitel auszeichnen, erst in der oberdeutschen Texttradition aufgetreten sind (das ist die Position von N eumann ) oder ob sie schon während der Übertragung des ›Fließenden Lichts‹ ins Alemannische entstanden sein könnten. Letzteres würde voraussetzen, dass die Verdoppelung des Kapitels nicht erst, wie von N eumann vermutet, im alemannischen Übersetzungsoriginal, sondern bereits in seiner mittelniederdeutschen Vorlage aufgetreten war. Dies hat auch N eumann erwogen. Der Grund war dafür allerdings, ein zusätzliches Argument für die These von der Worttreue der Basler Übertragung zu gewinnen. Man liest bei ihm: «Falls der [! ] alemannische Übersetzer bereits in seiner Vorlage diese Doppelung des Kapitels […] vorgefunden haben sollte und die immerhin um 64 Kapitel entfernten Abschnitte unabhängig voneinander zweimal übertragen hätte, dann wäre das freilich ein Beweis für die Genauigkeit der Wiedergabe von Wort zu Wort, wie er schlagkräftiger nicht gedacht werden könnte.» 173 Interessanterweise spricht N eumann an dieser Stelle von d e m alemannischen Übersetzer, während einige Seiten weiter von einer Gemeinschaftsarbeit die Rede ist. Dort wird die Ansicht vertreten, dass Heinrich, insofern er wirklich an der Übersetzung beteiligt war, Mithelfer zur Verfügung standen. 174 Wenn dies der Fall ist, so müssen die Divergenzen zwischen FL VI.22 und VII.45 nicht unbedingt erst im Zuge der oberdeutschen Überlieferung aufgetreten sein, sondern könnten bereits in der Entstehungssphase der alemannischen Übersetzung verortet werden. 175 Demnach wären sie nicht als überlieferungsbedingte Korruptele anzusehen, sondern von der arbeitsteiligen Übersetzungstechnik des Basler Kreises her zu deuten. 176 Die 36 Einleitung 170 S. dazu V izkelety / K ornrumpf (1968), S. 295 und N eumann (1993), S. 25, Anm. zu I.44,86. 171 Vgl. N eumann (1993), S. 159, Anm. zu VII.45,26f. 172 Dies machen auch die Editionen deutlich: N eumann hält die Überlieferung im siebten Buch für weniger zuverlässig, deshalb legt er FL VII.45 den Text aus dem sechsten Buch zugrunde. V ollmann -P rofe dagegen druckt im siebten Buch jene Version des Kapitels ab, die in E dort tatsächlich überliefert ist. 173 N eumann (1948/ 50), S. 149. 174 Vgl. N eumann ebd., S. 162. 175 In der mittelniederdeutschen Vorlage der lateinischen Übersetzung war die Verdoppelung noch nicht aufgetreten, wie es den Verweisen auf die Buch- und Kapitelzählung des deutschen Textes in den Überschriften von Rb und den Querverweisen in E zu entnehmen ist (s. dazu Kap. II.1.2). Das Inhaltsverzeichnis, das dem sechsten Buch vorangestellt ist, enthält das heutige Kapitel FL VI.22 allerdings bereits. Es muss also hier eingeschoben worden sein, nachdem der deutsche Text zur Übersetzung freigegeben wurde, spätestens anlässlich der Gesamtredaktion des alle sieben Bücher umfassenden Corpus. 176 Der Vergleich doppelt überlieferter Textstellen in der ›Lux divinitatis‹, die in Wortwahl und Satzfügung «recht weit auseinander [liegen]», hat auch B ecker (1951), S. 40f. zu der Schlussfolgerung geführt, die Abweichungen wären aus der Tätigkeit zweier Übersetzer zu erklären, vgl. LD V.25,18-23 (Rev. Bd. II.2, 610,30ff.) und LD VI.8,2-6 (Rev. Bd. II.2, S. 625,12ff.) bzw. LD Prol. 5,17-24 (Rev. Bd. II.2, S. 442,28ff.) und LD VI.24,2-7 (Rev. Bd. II.2, S. 642,4ff.). Von zwei Übersetzern spricht auch N eumann (1987a), Sp. 262. Abweichungen, die die Dublette auszeichnen, sprächen demnach dafür, dass das Prinzip der Texttreue nicht für jeden innerhalb der Gruppe gleichermaßen galt. Wenn es zutrifft - und dies wird man wohl in Erwägung ziehen müssen -, dass die Umsetzung des ›Fließenden Lichts‹ ins Alemannische die Gemeinschaftsarbeit einer Gruppe von Übersetzern aus dem Umfeld Heinrichs war, die bei ihrer Übersetzungsarbeit mit der Vorlage unterschiedlich treu und theologisch kompetent vorgegangen sind, so stellt sich die Frage, was das für die von N eumann zur Textkonstitution oft angewandte Methode, die Authentizität bestimmter Lesarten mit dem Hinweis auf Parallelstellen aus dem Gesamttext zu begründen, bedeutet. Das Argument der Parallelstellen übersieht nicht nur die je nach Textsorte verschiedene Monosemierung des gleichen Wortes, wie M ichel zu bedenken gibt (s. oben Anm. 137 mit Text), sondern täuscht auch über mögliche Differenzen hinweg, die mit einer auf Arbeitsteilung beruhenden Übersetzungstechnik einhergehen. Zudem werden diese Differenzen im Sinne einer präsupponierten mechthildischen Ausdrucksweise nivelliert. Ein Beispiel für die mit dem Argument der Parallelstellen einhergehende Nivellierung bietet jener aus Korrelativsätzen bestehende Teil von FL I.22, der wie ein erratischer Block innerhalb des Kapitels anmutet. Der Gleichlauf der Sätze ist stellenweise gestört, was nicht verwundert, da das jeweils mit der Konjunktion ie ansetzende zweigliedrige Schema die Entsprechungssätze für mechanische Abschreibefehler (wie etwa Zeilensprung) überaus anfällig macht. Einen solchen gestörten Korrelativsatz stellt FL I.22: 40,1 (I.22,18) dar. E liest: ie si gebietiger ist (der zweite Teil des Vergleichssatzes fehlt). N eumann emendiert gebietiger (‹gewaltiger›) in gebeitiger (‹geduldiger›). Dabei beruft er sich zum einen auf den lateinischen Überlieferungszweig, der longanimior (LD I.29,11/ Rev. Bd. II.2, S. 474,18) bzw. langwiriger (LG I.29,17) 177 liest, zum anderen argumentiert er, gebietig fehle sonst im ›Fließenden Licht‹, gebeitig sei dagegen gut bezeugt. 178 Der auf Nivellierung abzielende Eingriff in den Text ist in diesem Fall umso auffälliger, als auch Heinrich von Nördlingen in einem seiner Briefzitate gebietiger bietet. 179 Allerdings verfügen Heinrichs Briefzitate für N eumann über wenig Beweiskraft, denn er traut ihm grundsätzlich wenig Authentisches zu, vor allem dann nicht, wenn es sich um Lesarten handelt, die (anders als das eben angeführte Beispiel) von E abweichen und von der lateinischen Übersetzung nicht gestützt werden. Dieses Misstrauen ist insofern bemerkenswert, als die in Heinrichs Briefe eingegangenen Zitate die überhaupt ältesten Zeugnisse der oberdeutschen Übertragung des ›Fließenden Lichts‹ darstellen und zeitlich viel näher an das alemannische Übersetzungsoriginal heranreichen als die erst einige Jahrzehnte später entstandene Handschrift E. 180 Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 37 177 Die alemannische Rückübersetzung zitiere ich nach S enne (2002) (im Folgenden: LG). 178 Vgl. N eumann (1993), S. 15, Anm. zu I.22,18. 179 Vgl. S trauch (1882), S. 252,46 (Brief XLVI). V ollmann -P rofe (2003), S. 40,1 lässt die E-Lesart gemäß den von ihr verfolgten Editionsgrundsätzen unverändert stehen, s. dazu weiter unten. 180 Zwar sind Heinrichs Briefe an Margareta Ebner nur in einer Handschrift aus dem 17., womöglich sogar dem 18. Jahrhundert (nicht 1598! ) überliefert (London, British Library, N eumann s ablehnende Haltung den Lesarten gegenüber, die Heinrich abweichend von der Einsiedler Handschrift bietet, ist forschungsgeschichtlich bedingt. P hilipp S trauch deutete die Eigenständigkeit der von Heinrich in seine Briefe eingeflochtenen Zitate aus dem ›Fließenden Licht‹ wie folgt: Heinrich dürfte «Mechthilds Original aufs Neue eingesehen haben; so erklären sich dann auch die Abweichungen zwischen seiner früheren Übersetzung und unserm Citate. H. v. N. scheint das zweite Mal richtiger übersetzt zu haben.» 181 Dass N eumann diese Ansicht nicht akzeptieren kann, ist von seiner Position her gesehen nur allzu verständlich, geht es ihm doch darum, die besondere Qualität der Einsiedler Handschrift und ihren originalnahen Status zu erweisen. Denn sollte S trauch Recht behalten, so wäre die Leithandschrift der Edition, wie es N eumann selbst zugibt, «mit dem argen Makel einer geringeren Treue in der Wiedergabe ihrer Vorlage» 182 belastet. Im Folgenden geht es mir nur um jene Abweichungen zwischen den Briefzitaten Heinrichs und E, die auf eine ältere Textstufe zurückzuführen scheinen. 183 Sie lassen die Lesarten von E entweder als überlieferungsbedingte sekundäre Lesung oder als Ergebnis der redaktionellen Überarbeitung einer früheren Textstufe der alemannischen Umschrift im Sinne von G ottschall erscheinen (s. oben Anm. 153 mit Text). Die erhaltenen Textzeugen gehen nicht nur im Falle von FL I.22: 40,1 (I.22,18), sondern auch bei FL I.22: 38,27 (I.22,13) auseinander. In E liest man: Ie si vr o licher lebt, ie si mer ervert. ervert entspricht in der lateinischen Tradition experitur (LD I.29,9/ Rev. Bd. II.2, S. 474) bzw. erfart (LG I.29,14). Heinrich von Nördlingen bietet dagegen entweret. 184 Die Handschriften der Spruchsammlung des Pseudo-Engelhart von Ebrach, in die dieser Abschnitt von FL I.22 eingegangen ist, lesen wirwet/ wirbet (Mü 1 , Ka, M 2 ) bzw. werket (Mü 4 ). 185 S trauch hat aus den divergierenden Lesarten der ihm bekannten Handschriften für Mechthilds Original auf eruuert/ entuuert (‹wird zunichte›) geschlossen, das im deutschen und lateinischen Überlieferungszweig über erwert/ entwert zu ervert verlesen wurde. Er war der Ansicht, Heinrich käme der ursprünglichen Lesart am nächsten. 186 N eumann hielt die Konjektur von S trauch in seinem Beitrag von 1948/ 50 zwar für «überzeugend» und meinte, das Original habe «zweifellos» entuuert gehabt, 187 in seiner kritischen Ausgabe bietet er jedoch trotzdem ervert. Das heißt, eine früher als authentisch angesehene Lesart, die zudem mittelniederdeutsch belegt ist - ein wichtiges Kriterium bei N eumann s editorischen Entscheidungen für oder gegen die Authentizität einer Lesart -, wird entgegen der sonst geltenden Edi- 38 Einleitung Add. 11430, s. dazu demnächst F ederer 2010), die konservative Schreibweise lässt jedoch darauf schließen, dass eine wesentlich ältere, in der Mitte des 14. Jahrhunderts zu verortende Vorlage abgeschrieben wurde, vgl. S trauch (1882), S. XXIX und N eumann (1954c), S. 162f. S. dazu weiterführend Kap. III.4. 181 S trauch (1882), S. 380. 182 N eumann (1948/ 50), S. 157. 183 Die restlichen Abweichungen lassen sich dagegen als Aufschwellungen im Sinne des sonstigen Sprachgebrauchs Heinrichs oder als Angleichungen an die sprachlichen Gepflogenheiten des alemannischen Raumes charakterisieren, vgl. N eumann (1948/ 50), S. 157-160. 184 Vgl. S trauch (1882), S. 252,43 (Brief XLVI). 185 Vgl. die entsprechenden Textabdrucke in Kap. V.2 passim bzw. bei K. S chneider (2006), S. 60, Nr. 133,6. 186 Vgl. S trauch (1882), S. 380. Zustimmend L üers (1926), S. 46. 187 N eumann (1948/ 50), S. 157. tionsprinzipien in den Text nicht übernommen. Warum eigentlich? N eumann argumentiert in der von FL I.22: 40,1 (I.22,18) her bekannten Manier (s.o.): Es ließen sich keine Parallelen für erwerden und entwerden im ›Fließenden Licht‹ nennen, Mechthild kenne sie also nicht. Stattdessen spricht er sich für die Ursprünglichkeit von ervaren aus, das wie die konkurrierende Lesart Heinrichs mittelniederdeutsch bezeugt, vor allem aber durch die ›Lux divinitatis‹ gedeckt ist. 188 Es stellt sich die Frage, ob entwerden über E hinausweist und eine ältere Textstufe der alemannischen Übertragung erkennen lässt. In den Kontext der paradoxen Korrelativa, die den ersten, auf den Gleichlauf von syntaktisch identischen Entsprechungssätzen gründenden Teil von FL I.22 eröffnen, passt entwerden genau so gut wie das angeblich echte ervaren. 189 Die mit ›Lux divinitatis‹ übereinstimmende Lesart von E spricht nicht gegen die Priorität von entwerden, denn diese Übereinstimmung kann folgenden Grund haben. Wie schon die lateinischen Übersetzer bzw. die zu ihrer Vorlage hinführende mittelniederdeutsche Tradition könnte auch die zu E hinführende oberdeutsche Überlieferung mittelniederdeutsches entwerden/ erwerden missverstanden bzw. ‹zurecht gelesen› haben. Liegt im ersten Fall ein Übersetzungs- oder ein früher Überlieferungsfehler vor, so wäre der zweite ein Beleg dafür, dass die oberdeutsche Textgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ «die Geschichte seiner allmählichen Integration ins Oberdt.» 190 darstellt. Dass die Möglichkeit einer in beiden Überlieferungszweigen unabhängig voneinander erfolgten Fehllesung des gleichen mittelniederdeutschen Wortes nicht auszuschließen ist, lässt sich anhand von folgenden Textstellen zeigen. So erwägt N eumann im Zusammenhang von volgere (statt volgare, ‹ganz fertig gekocht›) in FL V.14: 348,17 (V.14,11): «Beide dt. Hss. und die ›Rev.‹ haben den Text mißverstanden.» 191 In der Tat liest man in E und C: Als si [der armen pfaffen selen] denne nach irem [gemeint sind die geiste und túfel im Fegefeuer] willen volgere warent, so vrassen si si mit iren sneblen. Die lateinische Übersetzung bietet: sicque pro libitu crvciatos rostris laniatos crvdelibus deuorabant (LD VI.9,8f./ Rev. Bd. II.2, S. 627,15, LG VI.9,14f.: vnd do sie diese also grúelich hettent gepinigt zerrissent sie die selbigen mit den schnabeln grielichen zúfiessen). Allerdings könnte hier genauso gut ein früher Fehler vorliegen, der schon im Basistext des deutschen und lateinischen Überlieferungszweigs enthalten war (s. dazu S. 263f. weiter unten) Aussagekräftiger ist eine andere Stelle. In FL VI.8: 446,25 (VI.8,9) heißt es: Ja, ein ieglich tugent, die hie in ertrich wirt gefrúmet mit g v tem willen sunder valsch […], das sint in himmelrich die seiten etc. Statt gefrúmet liest man in C gevormet bzw. formam accipit in LD VI.14,5 (Rev. Bd. II.2, S. 631,21f., ähnlich LG VI.14,8). E bietet N eumann zufolge die Primärlesart, weil sie im Mittelniederdeutschen in der Bedeutung ‹schaffen›, ‹gewinnen› belegt sei, was für das von C und dem lateinischem Text nahe gelegte vormen indes nicht zutrifft. 192 N eumann erklärt die Abweichungen damit, dass mnd. vromen «durch die häufige, aber nicht konsequent durchgeführte Metathese des r im mittelnie- Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 39 188 Vgl. N eumann (1993), S. 14f., Anm. zu I.22,13. 189 So auch V ollmann -P rofe (2003), S. 714, Anm. zu 38,27. Ausschlaggebend für die Beibehaltung der E-Lesart ist für V ollmann -P rofe wie für N eumann selbst die Beobachtung, dass Mechthild entwerden, erwerden nicht kennt. 190 V izkelety / K ornrumpf (1968), S. 300. 191 N eumann (1993), S. 90. Ähnlich V ollmann -P rofe (2003), S. 799. 192 Vgl. N eumann (1993), S. 116, Anm. zu VI.8,9. derdeutschen Text als vormen erscheinen konnte, was die Hallenser Übersetzer im Sinn von formare verstanden und ebenso wohl auch die Verfasser der alem. Übertragung nach Ausweis von C. In E ist dagegen das Verb richtig erkannt und in seine obd. Gestalt überführt worden.» 193 Vor allem dieses letztere Beispiel macht im Hinblick auf FL I.22: 38,27 (I.22,13) deutlich, dass das Zusammengehen von E und den Handschriften des lateinischen Textes gegenüber dem Briefzitat des Heinrich von Nördlingen an sich kein Kriterium ist, um über die Authentizität von entweret zu entscheiden. Es kann sich auch um unabhängig voneinander entstandene Fehllesungen desselben Wortes handeln. Diesen gegenüber kann Heinrichs Lesart in dem Sinne primär sein, als sie auf eine dem Übersetzungsoriginal näher stehende Textstufe zurückführt als E, vielleicht durch einen Rückvergleich der alemannischen Übertragung mit dem mittelniederdeutschen Text entstanden. Dass diese von S trauch erwogene Erklärung des textgeschichtlichen Befundes nicht ganz von der Hand zu weisen ist, zeigen die Textgeschichten anderer Werke, die ähnlich wie das ›Fließende Licht‹ dem Prozess der innerdeutschen Übertragung unterzogen wurden. 194 Zu verweisen wäre dabei nicht nur auf die oberdeutsche Überlieferung des ›Brulocht‹, 195 sondern vor allem auf den ›Spieghel der volcomenheit‹ des Niederländers Hendrik Herp, der im oberdeutschen Raum in der bairischen Übersetzung des Nürnberger Dominikaners Heinrich Haß Verbreitung fand. 196 Die beiden, dem Übersetzungsoriginal des ›Spieghel‹ sehr nahe stehenden Nürnberger Handschriften - sie allein überliefern den vollständigen Text innerhalb der Gruppe *X1 - enthalten von der Schreiberhand eingetragene Korrekturen, die eine erneute Konsultation der mittelniederländischen Quelle vermuten lassen. Bis auf eine Handschrift - sie bewahrt zusammen mit den beiden genannten Kodizes die Übersetzung von Haß am ursprünglichsten - wurden diese Verbesserungen in die sonstigen Textzeugen des Überlieferungszweiges *X1 weitgehend eingearbeitet. Demnach kann nicht erst der Schreiber der zweibändigen Nürnberger Handschrift die Korrekturen vorgenommen haben, sondern er muss sie in seiner Vorlage vorgefunden haben. Ob sie auf den Übersetzer selbst zurückgehen, bleibt freilich offen. Ähnlich ließe sich die Genese der Sonderlesart Heinrichs von Nördlingen erklären. Man sollte sich dabei gar nicht erst darum bemühen, die Variante, wie von S trauch behauptet, auf einen von Heinrich selbst vorgenommenen nochmaligen Vergleich mit der 40 Einleitung 193 N eumann ebd. Zur Metathese s. auch ebd., S. 145, Anm. zu VII.3,1. 194 Hier sei darauf hingewiesen, dass die Geschichte der innerdeutschen Übertragungen immer noch nicht geschrieben ist, vgl. V ölker (1967), S. 36, Anm. 2. Zum Thema «Der Schreiber als Dolmetsch. Sprachliche Umsetzungstechniken beim binnensprachlichen Texttransfer in Mittelalter und Früher Neuzeit» s. jetzt die Beiträge im gleichnamigen Sammelband hg. von B esch (2009). 195 E ichler (1969), S. 65 macht darauf aufmerksam, dass die von Rulman Merswin verwendeten Ruusbroec-Exzerpte «gelegentlich, wenn auch sehr selten, beim Versagen der gesamten übrigen Überlieferung dem mittelniederländischen Original am nächsten kommen.» Dies sei zwar nur ein Indiz für Merswins Beteiligung an der Übertragung des ›Brulocht‹ ins Alemannische, doch würde der Befund immerhin dafür sprechen, «daß Rulman auch die mittelniederländische Vorlage kannte, beziehungsweise auf sie zurückgreifen konnte.» Vgl. auch E ichler (1992), S. 279. Zum «außergewöhnlichen» Phänomen des Rückvergleichs mit Quellentexten s. S chubert (2003), S. 135. 196 Zu den folgenden Ausführungen s. F reienhagen -B aumgardt (1998), S. 61f. Übersetzungsvorlage des ›Fließenden Lichts‹ oder auf eine zweite, ad-hoc-Übersetzung Heinrichs zurückzuführen. Sie kann, sei es als Korrektur am Rande oder als Bestand des Textes, schon in seiner Vorlage gestanden haben. 197 entweret kann demnach durchaus eine Primärlesart darstellen, die auf dem Weg zu E - sei es infolge von Kopialüberlieferung oder einer dem Gesamttext angediehenen Überarbeitung - einer graphisch näher liegenden alemannischen Wortform weichen musste. Die E-Lesart würde damit einen weiteren Beleg für jenen von R uh an der oberdeutschen Rezeption der Traktate Jans van Leeuwen beobachteten Prozess der allmählichen, durch die Tätigkeit mehrerer Schreiber erfolgten Eindeutschung liefern (s. Anm. 151 mit Text). 198 Man wird in dieser Annahme bestärkt, wenn man in FL I.22 weiter liest. FL I.22: 38,31 (I.22,17) lautet: ie si tieffer wonet, ie si breiter ist. Heinrich bietet, wieder abweichend, beraiter (‹bereitwillig›, ‹dienstfertig›). 199 N eumann hält E für die ursprüngliche Lesart, weil es sich hier um den Kontrast mystischer Dimensionsbegriffe handle. 200 Demnach wäre breiter mit ‹ausgedehnter› zu übersetzen, um die hinter dieser Vorstellung stehende Tradition der mystischen Theologie zu verdeutlichen. 201 Doch ist die Stelle keineswegs eindeutig, denn breit kann auch die synkopierte Form von bereit darstellen. 202 Damit wäre aber die von Heinrich gebotene Lesart bestätigt, der übrigens auch die lateinische Tradition nahe steht: Ra liest patiencior, dem Rw fridlicher (LG I.29,17) entspricht. Rb hatte hier ursprünglich patior, doch hat es eine jüngere Hand zu patiencior geändert, indem sie enci über das Wort eingetragen hat (LD I.29,11/ Rev. Bd. II.2, S. 474). N eumann erwägt, ob die Rb-Variante auf patencior (‹offener ausgebreitet›, ‹zugänglicher›) zurückgeht, so dass die Dimensionsvorstellung zumindest in Rb noch mitschwingen würde. Doch stellt er gleich fest, dass breit in der lateinischen Übersetzung sonst mit latus oder spaciosus übertragen bzw. substantivisch durch latitudo bzw. amplitudo umschrieben wird. 203 Dennoch besteht N eumann auf der Authentizität der von E gebo- Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 41 197 Dass diese Vorlage nicht das Übersetzungsoriginal selbst, sondern ein bereits in die Kopialüberlieferung eingegangenes Exemplar der alemannischen Übertragung war, ist etwa am Überlieferungsfehler trüw (S trauch 1882, S. 256,18, Brief XLVIII) für r v we E (FL V.6: 334,16 [V.6,12]) bzw. requies (LD IV.16,10/ Rev. Bd. II.2, S. 553,32, wegen Ausrissverlust fehlt eine Entsprechung in Rw, vgl. LG IV.15) abzulesen, vgl. V ölker (1967), S. 45f. 198 Ein greifbares Beispiel für dieses Phänomen liefert E selbst. So findet man in FL I.29: 48,29 und 30 (I.29,5 und 6) über abegunst bzw. vare (auch in Mo bezeugt) die alemannischen Formen nide bzw. lage von einer zeitgenössischen Hand nachgetragen. 199 Vgl. S trauch (1882), S. 252,46 (Brief XLVI). 200 Vgl. N eumann (1948/ 50), S. 157 und N eumann (1993), S. 15, Anm. zu I.22,17. Zustimmend M ichel (1995a), S. 28. 201 In diesem Sinne übersetzt V ollmann -P rofe (2003), S. 41,1 breiter mit ‹weiter›. 202 Vgl. die Übersetzung von S chmidt (1995), S. 21: «Je tiefer sie (in Gott) wohnt, um so aufnahmefähiger wird sie.» Wie schwer breit und bereit auseinander zu halten sind, macht auch FL V.11: 342,28 (V.11,28) deutlich: E liest breite sinne. Zwar greift N eumann (1993), S. 88 in den Text an dieser Stelle nicht ein, doch argumentiert er mit Hinweis auf eine Parallelformulierung, breit dürfte «wohl» ‹ausgedehnt› meinen. Dessen ungeachtet liest die lateinische Texttradition sensus compositos (LD V.4,22f./ Rev. Bd. II.2, S. 591,32) bzw. zïchtig sinn (LG V.3,33). Auch V ollmann -P rofe (2003), S. 343,35 übersetzt mit ‹aufnahmebereit›. 203 Vgl. N eumann (1993), S. 15, Anm. zu I.22,17. Zwar emendiert N eumann in diesem Fall nicht aufgrund von Parallelstellen aus der ›Lux divinitatis‹, der Hinweis ist trotzdem methodisch problematisch, da die lateinische Übertragung das Werk von mindestens tenen Lesart und nimmt sie in seine Edition auf. Ihm könnte man insofern beipflichten, als die graphische Nähe von breit und bereit nicht nur in der adverbialen, sondern auch in der verbalen Form Anlass für Verwechslungen gab. 204 N eumann s Konjektur ist an der referierten Stelle jedoch problematisch, weil weder der lateinische Übersetzer noch Heinrich den Passus als einen in der Tradition der mystischen Dimensionsvorstellungen stehenden verstanden. Ganz abgesehen von dem Problem der Präsumtivvarianz, von Varianten also, die, weil gleichermaßen sinnvoll, gleichwertig nebeneinander stehen und die Ermittlung der einen authentischen Lesart erschweren, 205 fragt man sich, ob N eumann den alemannischen Übersetzern bzw. Überlieferern mehr theologische Kompetenz zuspricht, als sie womöglich hatten. 206 Diesen Eindruck gewinnt man in der Tat, denkt man nur an die Leichtigkeit, mit der N eumann an einer Stelle wie FL VII.8: 548,11 (VII.8,3) breiter konjizieren kann: Obwohl im unmittelbaren textlichen Umfeld die Dimensionsangaben Tiefe, Größe, Höhe als Darstellungsmittel der Unermeßlichkeit der eigenen Not auftauchen, liest E bitterer. 207 Was N eumann s Umgang mit breiter, aber auch mit gebietiger bzw. ervert in FL I.22 betrifft (s.o.), ist folgendes festzuhalten. Nicht nur nivelliert das in diesen Fällen angewandte Argument der Parallelstellen den Text, sondern verdeckt auch mögliche Brüche, die infolge einer zwei Jahre andauernden, von mehreren Personen in Angriff genommenen Übersetzungs- und Korrekturarbeit entstanden sein könnten. Zudem werden mögliche Hapaxlegomena - ob echt oder unecht ist unerheblich - systematisch hinwegpurgiert. 208 N eumann s Konjekturen laufen im Grunde auf eine Vereinheitlichung des Wortgebrauchs im Sinne der präsupponierten mechthildischen Ausdrucksweise hinaus. So musste in FL I.40,3 das handschriftliche sch o ner dem Adjektiv klarer weichen (anders V ollmann -P rofe , vgl. 56,7). Zwar kann N eumann seine Konjektur mit einer Handschrift der deutschen Parallelüberlieferung (W) und der lateinischen Übersetzung (LD IV.11,15/ Rev. Bd. II.2, S. 549,5 bzw. LG IV.10,23) stützen, für die Ursprünglichkeit von klarer spricht seiner Meinung nach aber vor allem, dass das Epitheton klar für Sonne auch sonst in der Einsiedler Handschrift mehrfach auftrete. 209 Es 42 Einleitung zwei Übersetzern sein kann (s. oben Anm. 176), die dasselbe Wort nicht nur unterschiedlich übersetzt, sondern auch variiert haben können. Das Stilphänomen der variatio kann in der ›Lux divinitatis‹ in der Tat immer wieder nachgewiesen werden, s. V ollmann -P rofe (2000), S. 149. 204 Vgl. etwa FL V.23: 368,36 (V.23,102) bereitet sich (E, C) gegen diffundens se (LD I.14,30/ Rev. Bd. II.2, S. 460,22) bzw. g o ß sich uß (LG I.14,43). N eumann (und daran anschließend V ollmann -P rofe ) konjiziert hier zu Recht in breite sich, weil die E/ C-Lesart grammatikalisch falsch ist. 205 Vgl. etwa lenger bei Heinrich für lauter in E und der sonstigen deutschen Überlieferung (FL I.22: 40,8 [FL I.22,24]). Diese Differenz wird, wie N eumann (1948/ 50), S. 158 feststellt, durch alcius der lateinischen Übersetzung (LD I.29,15/ Rev. Bd. II.2, S. 474,24, h o her LG I.29,23) nicht gedeutet. Vor die Frage gestellt, was das Authentische ist, gibt N eumann freilich der E-Lesart den Vorzug. 206 Vgl. G ottschall (2007), S. 168. 207 Diese Lesart charakterisiert allerdings nur den E-Schreiber bzw. seine Vorlage. Dass bitterer einen Lesefehler darstellt, leuchtet ein. Fraglich ist indes, ob das Übersetzungsoriginal hier breiter oder bereiter bot. 208 Das betont M ichel (1995a), S. 31. 209 Vgl. N eumann (1993), S. 22, Anm. zu I.40,3. gibt indes zwei Stellen in E, die sch o ne sunne bieten: FL I.18: 36,17 (I.18,3) und V.27: 388,17 (V.27,13). Letzteres steht für N eumann allerdings «im Verdacht der Unechtheit.» 210 Er argumentiert wie folgt: Zwar stehe die lateinische Übersetzung mit in solis claritate (LD I.20,14/ Rev. Bd. II.2, S. 466,14 bzw. LG I.20,18) einer vierfachen deutschen Überlieferung mit sch o ne gegenüber (E, C, W und Ha), doch könne die ›Lux divinitatis‹ ein ursprüngliches klar wiedergeben, denn «Mechthild verwendet fast nie das gleiche Adj. [sc. sch o ne] zweimal dicht hintereinander.» 211 Aus ähnlichen Überlegungen heraus dürften m u ssen bzw. m v s in FL V.1,48 (anders V ollmann -P rofe , vgl. 320,28) und FL V.33,8 (anders V ollmann -P rofe , vgl. 402,10) eliminiert worden sein. Zwar kommentiert N eumann den Eingriff in den Text in diesen beiden Fällen nicht, doch spielt bei seiner Konjektur die Prämisse, Mechthild verwende weder das gleiche Adjektiv noch das gleiche Verb zweimal dicht hintereinander, eine Rolle. 212 Der Rekurs auf Parallelstellen gründet auf die Überzeugung, im Sinne des auch sonst beobachtbaren mechthildischen Sprachgebrauchs vorgehen zu dürfen. Dies betrifft nicht nur das Ersetzen einzelner Wörter, sondern auch Konjekturen, die aus ästhetischen Überlegungen heraus vorgenommen wurden. N eumann ist allem Anschein nach abgeneigt, einer Autorin von Format bzw. ihrem Original stilistische Lapsus, wie die oben genannten, zu unterstellen. Es scheint, als würde N eumann für sich beanspruchen, klare Vorstellungen von Mechthilds Stil und Sprachgebrauch zu haben. Dies lässt sich vor allem aufgrund seines Umgangs mit stilistischen Phänomenen wie Kolonreim und formaler Parallelismus demonstrieren. In beiden Fällen wird entweder die Parallelüberlieferung zu Rate gezogen, um das vermeintlich Ursprüngliche wiederherzustellen, oder N eumann fügt selbständig, aber immer mit dem Anspruch, im Sinne Mechthilds zu handeln, Ergänzungen ein. Dazu folgende Beispiele: In FL I.24 wird der das Kapitel abschließende Kolonreim vermisst. In E und W lesen wir: Das ich dich lange minne, das ist von miner ewekeit, wan ich ane ende bin. Der fehlende Schlussstein soll im deutschen Überlieferungszweig ausgefallen, im lateinischen jedoch - wenn auch mit Umstellung (qui nec principium habeo neque finem, LD IV.10,8/ Rev. Bd. II.2, S. 548,8, ähnlich LG IV.9,11) - erhalten geblieben sein, so dass das Fehlende aus dem Lateinischen rückübersetzt werden kann. Die Rückübersetzung Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 43 210 N eumann ebd. 211 N eumann (1993), S. 102f., Anm. zu V.27,13. sch o ne wird auch in der auf V.27: 388,17 (V.27,13) folgenden Zeile in Verbindung mit den Augen verwendet. 212 Vgl. auch N eumann s Überlegungen zu folgenden Stellen: II.17,4f. (din flug ist snel und du bist alze snel z v der erde): «Dagegen ist das zweimalige snel in E kaum echt, vielmehr bewahrt hier C mit drate das Ursprüngliche» (N eumann 1993, S. 34); VI.19,14 (Der g v te wille, den der g v te mensche hat): «Die Wiederholung von g v t an dieser Stelle könnte Verdacht erregen, doch ist die Verbindung der g v te mensch »der fromme Mensch« auch sonst im ›FL‹ bezeugt» (N eumann 1993, S. 124) sowie VI.16,8 (Wer mag die menscheit so sanfte betwingen, wer mag die sele so sanfte ufrukken): «sanfte ist in E mechanisch wiederholt, während C sicher das Echte überliefert, das auch in den ›Rev.‹ abhanden gekommen ist» (N eumann 1993, S. 122). und ane aneginne wird nach ane ende bin eingefügt (vgl. I.24,5, anders V ollmann - P rofe , vgl. 44,15). N eumann sieht diese Ergänzung dadurch bestätigt, dass minne bei Mechthild auch sonst mit aneginne im Reim steht. 213 Der lateinische Text dürfte in zwei weiteren Fällen bei N eumann s Überlegungen, den Reim wieder herzustellen, eine Rolle gespielt haben. In FL I.34 will N eumann pinunge (statt pine E) den Vorzug geben: erstens aus Reimgründen, zweitens in Entsprechung zu súfzunge und beitunge. 214 Im Apparat wird LD V.23,10f. (Rev. Bd. II.2, S. 609,15) zitiert. Hier reimt tatsächlich tribulacione auf affectione und expectatione. Auch in FL I.46,54 (entspricht 70,28 bei V ollmann -P rofe ) überlegt N eumann behaltnisse in behaltunge zu ändern, in Entsprechung zu gerunge, und begründet: «Kolonreim am Kapitelschluß ist die Regel.» Alternativ ließe sich aber, so N eumann , im Hinblick auf den lateinischen Text auch an behaltnisse des lones denken im Reime zu krone. 215 Bei diesen Überlegungen wird wieder die ›Lux divinitatis‹ N eumann beeinflusst haben, denn sie bietet einen perfekt durchgereimten und formal parallel gebauten Kapitelschluss, der wiederum im Apparat zitiert wird: Wisheit und kummer, gerunge und behaltnisse entspricht in der lateinischen Übersetzung decor sapiencie . paupertatis diuicie . desideriorum adinplecio . et premiorum conseruacio (LD IV.50,28f./ Rev. Bd. II.2, S. 579,6-8). N eumann stellt den Kolonreim aber nicht nur im Rückgriff auf die (lateinische) Parallelüberlieferung her, sondern auch selbständig. So fügt er in FL I.22,69 (anders V ollmann -P rofe , vgl. 42,30) wol ein und begründet dies wie folgt: «Bindungen von vol : wol sind häufig.» 216 Ohne Kommentar wird dagegen in not in Entsprechung zu uf den tot in FL II.25,66 (anders V ollmann -P rofe , vgl. 130,17) ergänzt, und das sogar gegen eine dreifach bezeugte deutsche Überlieferung. 217 In die Leithandschrift wird auch dann berichtigend eingegriffen, wenn der formale Parallelismus der Sätze oder Satzteile nicht gegeben ist. Auch in diesem Fall wird entweder nach eigenem Ermessen konjiziert oder anhand der Parallelüberlieferung emendiert. Für die erstgenannte Vorgehensweise stehen folgende Beispiele. In FL I.23,3 (anders V ollmann -P rofe , vgl. 44,6) wird minne mich, in FL VI.9,14 (anders V ollmann - P rofe , vgl. 450,19) heisset eingefügt. Im letzteren Fall lautet die Begründung: «in solchen Reihungen wird von Mechthild gewöhnlich das Verb für alle Glieder wiederholt.» 218 In manchen Fällen wird die zu erwartende parallele Struktur stillschweigend hergestellt, so bei FL V.8,5 (anders V ollmann -P rofe , vgl. 336,1) und FL VII.53,17 (anders V ollmann -P rofe , vgl. 636,13). Die letztere ist übrigens eine Stelle, auf welche im Zu- 44 Einleitung 213 Vgl. N eumann (1993), S. 18. 214 Vgl. N eumann ebd., S. 21. 215 Vgl. N eumann ebd., S. 29. Ob Mechthild mit dem letztgenannten Reimschema zu tun hat, ist wenig wahrscheinlich, denn krone steht in einem adhortativen Satz, der wie andere kapitelabschließende Adhortativa womöglich erst bei der Endredaktion des alle sieben Bücher umfassenden Corpus Eingang in den Text gefunden hat, s. dazu S. 297f. weiter unten. 216 N eumann (1993), S. 18. Vgl. auch FL VI.42,5 sowie die Anmerkung dazu bei N eumann (1993), S. 142. 217 N eumann dürfte eine Stelle wie FL II.2: 78,12-13 (II.2,30f.) in den Ohren gehabt haben: Hier reimt tatsächlich not auf tot. 218 N eumann (1993), S. 117. sammenhang der Herstellung des kapitelabschließenden, aus formaler Sicht kontrastiv aufgebauten Kolonreims in FL VI.13: 458,24 (VI.13,47) zurückgegriffen wurde. 219 Zur Heilung vermeintlich gestörter formaler Parallelismen in E wird auch die Parallelüberlieferung zu Rate gezogen. So vermutet N eumann hinter ussewendig in FL V.11,10 eine Lücke und erwartet eine Kontrastierung mit innewendig (in Entsprechung zum weiteren Verlauf des Kapitels). Man findet sie tatsächlich in LD V.4,8f. (Rev. Bd. I./ 2, S. 591,11f., LG V.3,12f.), so dass N eumann den Teilsatz ins Deutsche rückübersetzen kann (anders V ollmann -P rofe , vgl. 342,6). 220 Auch in FL VI.32,31 (entspricht 498,10 bei V ollmann -P rofe ) scheint für N eumann eine Ergänzung aus Gründen des Parallelismus geboten, und zwar in Korrespondenz zu LD V.21,22f. (Rev. Bd. II.2, S. 607,18f., LG V.16,35f.). 221 In Anlehnung an LD V.17,2 (Rev. Bd. II.2, S. 604,4, LG V.12,3) und gemäß der im Kapitel vorherrschenden parallelen Satzstruktur konjiziert N eumann in FL VI.12,2 (anders V ollmann -P rofe , vgl. 454,12f.) handschriftliches dich kleine machen mit grosser diem u tekeit (E,W) in diem u tig sin. 222 Auf einen weiteren Fall hat W erner S chröder hingewiesen. Des wünschenswerten Parallelismus wegen ist in FL I.44,74 (entspricht 62,33 bei V ollmann -P rofe ) ein in E und W fehlendes, in B vorhandenes brut eingeschleust. S chröder gibt zu bedenken: «War Mechthild wirklich immer darauf bedacht, Ratschläge der Rhetorik streng zu befolgen, wie vielleicht erst der Schreiber von B? » 223 In der Tat lassen sich vermeintlich gestörte Parallelismen in E immer wieder feststellen, wenn man B zum Vergleich heranzieht. N eumann nimmt diese angeblich authentischen, weil mechthildischen, Lesarten in seinen Text auf. Bereits einige Zeilen vor FL I.44,74 findet sich ein weiteres Beispiel für die von S chröder vermutete Vorliebe des B-Bearbeiters für formale Parallelismen. E und W lesen: Der visch mag in dem wasser nit ertrinken, der vogel in dem lufte nit versinken, das golt mag in dem fúre nit verderben (FL I.44: 62,26f. [I.44,68f.]). N eumann fügt nach vogel stillschweigend mag ein. Seine Vorgehensweise hat er in einem vergleichbaren Fall damit begründet, Mechthild würde gewöhnlich in solchen Reihungen das Verb für alle Glieder wiederholen (s. oben Anm. 218 mit Text). Hat N eumann dort selbständig ergänzt, geht er hier nach B vor. Damit folgt er aber weniger Mechthild als dem Stilempfinden des B-Redaktors. Dass dieser Redaktor eine gewisse Affinität für Parallelitäten hatte, lässt sich an weiteren Stellen belegen. FL VI.32 besteht aus dreigliedrigen Vergleichsbetrachtungen, deren drittes Bauglied einen Relativsatz aufweist, der den Imitatio- Charakter der Aussage begründet. Dieser Relativsatz fehlt in der zweiten Betrachtung nicht nur in E, sondern auch im gesamten lateinischen Überlieferungszweig (vgl. FL VI.32: 496,7 [VI.32,6] und LD V.21/ Rev. Bd. II.2, S. 606f. bzw. LG V.16). B bietet dagegen: der mi aller geduld all sein nät erlaid. Auch wenn G isela K ornrumpf zu bedenken gab, es könnte sich um einen «geschickten Versuch (des Redaktors? )» handeln, «den bei Mechthild durchgebrochenen Parallelismus konsequent durchzuführen», 224 hält Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 45 219 Vgl. N eumann (1993), S. 119. Von V ollmann -P rofe (2003), S. 818 wird der Passus als «notwendige Ergänzung» übernommen. 220 Vgl. N eumann (1993), S. 88. 221 Vgl. N eumann ebd., S. 135. 222 Vgl. N eumann ebd., S. 119. 223 S chröder (1996/ 1999), S. 152f. 224 V izkelety / K ornrumpf (1968), S. 297. Einige Seiten weiter (S. 303) äußert K ornrumpf die Vermutung, der Text könnte in einem späteren Stadium der Überlieferung einmal N eumann am Passus fest. Wohl räumt er ein, B sei «ein echtes Textstück kaum zuzutrauen, das E und den ›Rev.‹ fehlt», doch wendet er gegen K ornrumpf ein, es sei angesichts der Formstrenge Mechthilds ganz unwahrscheinlich, dass der Parallelismus bei ihr durchbrochen war. Den Befund erklärt er wie folgt: «Es kann sich hier um einen sehr frühen Textverlust der mittelniederdeutschen Urfassung handeln, den der Bearbeiter der B-Redaktion bemerkt und etwas zu mager ergänzt hat.» 225 Diesen Defiziten zum Trotz übernimmt N eumann den Satz und begründet seine inhaltliche Authentizität mit Parallelstellen aus dem Gesamttext. 226 Ich verzichte darauf, weitere Belege für die Arbeitsweise des B-Redaktors anzuführen. Man findet sie, wenn auch etwas versteckt, im Apparat der textkritischen Ausgabe. 227 N eumann dürften sie bekannt gewesen sein, hat er doch im Apparat nicht nur die für die Textkonstitution wichtigen Varianten, sondern auch Fälle verzeichnet, die ihm geeignet erschienen, «charakteristische Erscheinungen des Einsidlensis oder der jeweiligen Parallelüberlieferung hervorzuheben.» 228 Allerdings macht die Unterbringung solcher ‹charakteristischen Fälle› im Lesartenapparat es nicht gerade leicht, sie wieder aufzufinden und als solche zu identifizieren. 229 Das eigentlich Unbefriedigende ist aber etwas anderes: Solche für den jeweiligen Überlieferungsträger als charakteristisch verbuchten Fälle werden immer wieder bei der Textkonstitution herangezogen. Damit erscheinen sie nicht mehr nur als ‹charakteristisch› (bezogen auf den jeweiligen Überlieferungsträger), sondern geradezu als ‹mechthildisch›. Man darf indes nicht glauben, N eumann wäre sich der Gefahren nicht bewusst, die mit der (Re-)Konstruktion von Parallelitäten anhand der Parallelüberlieferung verbunden sind. Im Zusammenhang mit FL VI.29 überlegt er: «Der strenge Parallelismus des Satzbaus und der oft betonte Hinweis auf d i e s e s göttliche Himmelsfeuer lassen auch an den Stellen das Demonstrativum vermuten, wo es in E nicht steht.» 230 Nun ist das Demonstrativum in LD I.3 mit Ausnahme der Übersetzung von FL VI.29: 490,28 (VI.29,39, entspricht LD I.3,24/ Rev. Bd. II.2, S. 449,20 bzw. LG I.3,36) überall dort vorhanden, wo ›Lux divinitatis‹ nahe am deutschen Text bleibt. N eumann verzichtet in diesem Fall auf die Herstellung des formalen Gleichlaufs der Sätze mit der Begründung: «Ob Mechthild ganz konsequent verfuhr, oder ob der Übersetzer an einigen Stellen von sich aus ein Demonstrativum einführte, bleibt offen; immerhin sind in E auch sonst mehrfach Störungen zu erwartender Parallelismen festzustellen.» 231 Doch 46 Einleitung durchgehend überarbeitet worden sein. Dass auch die Herstellung von formalem Parallelismus zu dieser Überarbeitung gehörte, bleibt unerwähnt. 225 N eumann (1993), S. 134. 226 Vgl. N eumann ebd. N eumann ergänzt den von B gebotenen Passus in Anlehnung an FL VII.1,69 (entspricht 528,4 bei V ollmann -P rofe ) mit und marter. 227 Vgl. etwa die Apparate zu FL I.44,66, II.25,86f., V.1.15f. und vielleicht auch zu V.4,43f. 228 N eumann (1990), S. XXV. Doch fanden nicht alle Lesarten von B im Apparat Berücksichtigung. Begründung: «Angesichts der zahllosen Willkürlichkeiten der Handschrift B ist die Angabe aller ihrer Varianten im Apparat der Edition nicht zu rechtfertigen.» Was geboten wird, ist «eine Auswahl textlich relevanter Lesarten», N eumann (1967), S. 45. 229 S. dazu R uh (1995a), S. 101. 230 N eumann (1993), S. 130, Anm. zu VI.29,4. (Sperrung von N eumann ). 231 N eumann ebd. Auf die Wiederherstellung des Parallelismus anhand des lateinischen Textes wird auch im Falle von FL I.3: 24,23f. (I.3,10f.) und I.29: 50,5f. (I.29,11) verzichtet, s. dazu N eumann (1993), S. 8 und S. 20. Anders geht N eumann bei FL V.8,11 vor. Hier es ist gerade die hier angesprochene Erwartungshaltung, die N eumann immer wieder dazu verleitet, in den Text einzugreifen, ihn im Sinne der vermuteten mechthildischen Ausdrucksweise zu gestalten. Dadurch wird ein Element der Willkür in die von ihm entwickelte und höchst elaborierte Editionsmethode eingeschleust. 232 Kein geringer als S chröder - selbst ein überzeugter Verfechter der produktionsästhetisch orientierten Editionsphilologie - bringt es auf den Punkt, wohin eine solche Vorgehensweise führt: «Beobachtete Aussageweisen, Stilgewohnheiten, Bildgebrauch schießen zu einem Personalstil zusammen, den man überall bestätigt sehen möchte, auch dort, wo er zwar zu erwarten wäre, aber nicht manifest ist, falls man dem/ den Textzeugen Glauben schenkt.» 233 Dennoch gelte, laut Sch röder , der editorische Grundsatz: «Vor die Wahl gestellt zwischen dem Abschreiben von Abschreibern und einer Philologie, die sich in erster Linie Autor und Werk verpflichtet weiß, wird man mich immer auf der Seite der letzteren finden, selbst wenn ihre Diener manchmal geirrt haben» (ebd.). Aus einer solchen Haltung heraus lässt sich auch N eumann s Orientierung am Autortext erklären. Auch seine Überzeugung, man könnte Mechthilds Text aus der vorhandenen Überlieferung per emendationem bzw. per coniecturam erschließen, findet in dem von S chröder referierten Credo ihren eigentlichen Grund. Die Rückkoppelung editorischer Entscheidungen an eine Autorpersönlichkeit bzw. ihren usus scribendi erscheint aus mehreren Gründen problematisch. Von einer allgemein-methodischen Warte aus betrachtet lässt sich dazu Folgendes sagen: Dass wir den Großteil der kanonisch geltenden literarischen Texte des Mittelalters in Handschriften überliefert haben, die meist in geraumem zeitlichen Abstand zu ihrer Entstehung geschrieben wurden, ist eine Tatsache, mit der nicht nur der Herausgeber des ›Fließenden Lichts‹ zurecht kommen muss. Zwar lässt sich unter günstigen Bedingungen etwas Licht in die jeweilige Textgeschichte bringen, doch bleiben, wie es T homas B ein vor allem in Bezug auf die Minnesang-Überlieferung festgestellt hat, zwischen dem vermuteten Original und einer einigermaßen greifbaren Sternchenstufe immer noch Jahrzehnte unerschließbar. 234 Dennoch lesen wir - und das gilt nicht nur für den Minnesang, sondern gerade auch für das ›Fließende Licht‹ - die überlieferten Texte meistens unter einer produktionsorientierten Perspektive: Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 47 gilt es: «Trotz der Bezeugung in E, C, W ist des nicht ursprünglich, denn alle Parallelstellen dieses Kapitels zeigen dis (vgl. Z. 17, 25 und 36); das gleiche erweist der Text der ›Rev.‹», N eumann (1993), S. 87. Die E-Lesart wird von V ollmann -P rofe (2003), S. 336,9 beibehalten. 232 Dies zeigen auch die von E und der gesamten oberdeutschen Mechthild-Überlieferung unabhängigen Moskauer Bruchstücke: Eine Reihe von vor allem reimbedingten Konjekturen, die N eumann als zwingend notwendig (weil mechthildisch) vorkamen, findet hier keine Entsprechung, s. dazu Textabdruck und Apparat bei G anina / S quires (2010). 233 S chröder (1996/ 1999), S. 153. Dass man sich von einer Einstellung, die ästhetische Einheitlichkeit von allen Bereichen einer Dichtung einfordert, hüten muss, betont auch G erhardt (1991), S. 116 und weist auf die Gefahren einer solchen Vorgehensweise hin: Es kann vorkommen, dass man die Dichtung besser macht, als sie der Autor verfasst hat. 234 Vgl. B ein (2002a), S. 99. «Wir interpretieren Lieder aus der Manesseschen Handschrift nicht als ästhetische Gegenstände des frühen 14. Jahrhunderts, sondern z.B. als Lieder Walthers von der Vogelweide oder Heinrichs von Morungen aus der Zeit von um 1200 oder 1220.» 235 Diese produktionsorientierte Sicht macht sich auch der dem Autor und seinem Werk verpflichtete Editor zueigen, wenn es darum geht, durch recensio, durch die kritische Durchsicht der Überlieferung, eine Handschrift zu bestimmen, die den postulierten Autortext nach seinem Urteil und gemessen an der vorhandenen Überlieferung am treuesten wiedergibt. Dadurch gerät er allerdings in einen hermeneutischen Zirkel: «Die Qualität der einzelnen Handschriften, ihr Authentizitätsgrad, soll festgestellt werden im Hinblick auf ein Original, das erst aus diesen Handschriften und nach dem Maßstab ihrer Originalität erschlossen werden kann.» 236 Der Zirkelschluss ist aber nicht nur bei der Auswahl der besten, der autornächsten Handschrift, sondern auch bei der Rekonstruktion des ursprünglichen, dem vermuteten usus scribendi am nächsten stehenden Wortlauts vorprogrammiert, denn «wie können wir [den] ‹Willen des Urhebers› anders feststellen als aus der Deutung jener Texte, deren Authentizität wir doch erst bestimmen wollen? » 237 Zusätzlich erschwert wird die Bindung des iudicium an eine Autorintention und der damit einhergehende Anspruch, das Authentische zu identifizieren, gegenbenenfalls auch zu erschließen, durch ein Phänomen, das sich in der Text- und Überlieferungsgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ immer wieder beobachten lässt. Ich meine die Nachahmung eines Schreibstils, der als ‹mechthildisch› empfunden wurde, eines Schreibens im ‹mechthildischen Ton›. Dazu einige Hinweise: Formaler Parallelismus und Kolonreim waren für N eumann einige der wichtigsten stilistischen Spezifika mechthildischen Schreibens, die ihm als Orientierungspunkte dienten, seine Version des ›Fließenden Lichts‹ zu konstituieren. Dass er mit dieser Einschätzung des ‹typisch Mechthildischen› nicht allein steht, zeigt auch die Neigung des B-Redaktors zur Herstellung von Parallelitäten, sei es im Dienste einer postulierten mechthildischen Schreibweise oder - will man diese Schreibweise nicht gleich personalisieren - eines Stilideals, das nach seinem Empfinden in der ihm vorliegenden Überlieferung nur unzureichend realisiert ist (s. oben). Auch den lateinischen Übersetzern des ›Fließenden Lichts‹ wird man eine gewisse Affinität für die stilistischen Eigentümlichkeiten ihrer Vorlage unterstellen dürfen. Es lässt sich bei ihnen die Bestrebung nachweisen, den Kolonreim mittels cursus ins Lateinische hinüber zu retten. Ja, mehr noch: Der Kolonreim wird selbst dort durchgeführt - die oben genannten Beispiele LD V.23, 48 Einleitung 235 B ein ebd. Dabei handelt es sich um ein «grundsätzliches Problem» der mediävistischen Literaturwissenschaft. H ausmann (2005), S. 748 zufolge resultiert dies daraus, dass es nach wie vor unklar ist, «wie ein im wesentlichen produktionsästhetisches Interpretationskonzept, das auf Vorstellungen wie Autorschaft und Autortext beruht, auf mittelalterliche Überlieferungsverhältnisse angewendet werden kann, welche kaum jemals einen Autortext bieten, sondern variant überlieferte Fassungen.» 236 H ilgers (1973), S. 12. 237 M artens (2004), S. 48. 10f. und IV.50,28f. belegen dies (s. S. 44) -, wo er im deutschen Text nicht auftaucht, aber - unterstellt man Mechthild eine konsequente Handhabung rhetorischer Kunstregeln - zu erwarten wäre. 238 Es ist nicht auszuschließen, dass stilistische Glättung und Vereinheitlichung im Sinne der im ›Fließenden Licht‹ sonst beobachteten Schreibtendenzen auch dort eine Rolle gespielt haben, wo die deutsche Überlieferung einen gestörten, oder vorsichtiger formuliert, nicht realisierten formalen Parallelismus nahe legt, der im lateinischen Überlieferungszweig indes behoben zu sein scheint (s. dazu die Ausführungen zu LD V.4,8f., V.17,2 und V.21,22f. oben auf S. 45). Ein «gewisses Bewußtsein für formale und stilistische Feinheiten» vor allem in Bezug auf den Kolonreim lässt sich auch bei der alemannischen Rückübersetzung der ›Lux divinitatis‹ feststellen. 239 Dasselbe trifft auf die Vorgehensweise Dietrichs von Apolda bei der Konstitution ‹seines› Mechthild-Textes zu: Dietrich hat erkannt, dass seine ›Lux divinitatis‹-Handschrift Reime aufwies, und «hat diese in seiner veränderten Wortwahl reichlich nachzubilden versucht.» 240 Hinzuweisen wäre in diesem Zusammenhang auch auf die Marginalie semper salutem optarem zu LD VI.22,9f. (Rev. Bd. II.2, S. 640,32f.) quorum si uiuerem, die vom Korrektor von Rb eigenständig eingefügt wurde. 241 Das hier beschriebene Phänomen lässt sich nicht nur in der lateinischen Überlieferung beobachten, sondern auch mit einem der Zitate Heinrichs von Nördlingen belegen. Im Brief Nr. XLVIII greift Heinrich auf FL V.6 zurück und exzerpiert die auf eine Doxologie hinauslaufenden Anrufungssätze. Diese Anrufungen sind an die einzelnen Personen der Trinität adressiert und laufen nach dem gleichen Schema ab. Ich zitiere nach E: Herre ewiger vatter, wan ich aller menschen unwirdigeste p ch us dinem herzen gevlossen bin geistlich und ich, herre Jhesu Christe, geborn bin us diner siten vleischlich und ich, herre got und mensche, mit úwer beder geist gereineget bin (FL V.6: 334,7-10 [V.6,5-9]). Nicht nur wegen der Satzstruktur, auch wegen des Kolonreims wäre am Ende des letzten Anrufungssatzes ein Adjektiv zu erwarten, das die Art des subjektiven Betroffenseins des Ich-Sprechers umschreibt. Tatsächlich findet man ein solches Adjektiv bei Heinrich belegt: meinigklich. 242 Kolonreime, die über die in E (wenn auch in verschütteter Form) enthaltenen hinausgehen, bieten auch Ha mit betwungen: worden (FL I.1: 20,10f. [I.1,18]), M 1 mit bl v t: g v t (FL I.1: 20,14 [I.1,20f.]), S mit minnet: beginnet (FL I.10: 32,28f. [I.10,6]). Dazu kommt vielleicht die Zeile Glosa: das ist úber Seraphin, die FL I.9 abschließt (32,16f. [I.9,4]) und auf vorangehendes h o hin reimt: Sie ist allein im westoberdeutschen Überlieferungszweig enthalten und dürfte frühestens mit *ECW in den Text gedrungen sein. 243 Zu verweisen wäre aber auch auf die wieder aufgefundene Radowitz-Handschrift (s. dazu S. 171f. weiter unten) oder auf das erste Prooemium. Letzteres Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 49 238 Vgl. V ollmann -P rofe (2000), S. 152 und S enne (2004), S. 148. 239 S. dazu S enne (2002), S. 62f. 240 S. dazu S tierling (1907), S. 10. 241 Der Grund für diese Ergänzung dürfte Textausfall gewesen sein, denn der zweite Teil des Satzes ist in der von Rb unabhängigen Handschrift Rw enthalten: vnder welcher fúeß ich mich vnderwerffen wolt solt ich lenger leben (LG VI.22,16f.). Der Rw-Text aber entspricht ziemlich genau FL VI.28: 486,24f. (VI.28,16f.): blibe ich langer hie, ich w o lte mich under ir f u sse legen. 242 Vgl. S trauch (1882), S. 256,13 (Brief XLVIII). 243 Vgl. Apparat zu FL I.9,4 (entspricht 32,16f. bei V ollmann -P rofe ) und Stemma bei N eu mann (1990), S. XIII. V ollmann -P rofe (2003), S. 710 ist indes der Ansicht: «Möglicherweise späterer Zusatz, aber doch wohl auf M. zurückgehend.» endet mit der wahrscheinlich erst in der Basler Überlieferung in den Text geratenen Lektüreempfehlung Alle, die dis b v ch wellen vernemen, die s o llent es ze nún malen lesen (18,6f., s. dazu S. 145f. weiter unten). N eumann bewertet die Authentizität der genannten Belege - sie erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit - ganz unterschiedlich. Wird im Falle von B und der lateinischen Übersetzung die Echtheit der gebotenen Varianten erwogen, stellenweise sogar als erwiesen angesehen (zu FL I.9 äußert sich N eumann nicht), gelten die Belege aus Heinrichs Korrespondenz und den drei Exzerpthandschriften Ha, M 1 und S nur als ‹charakteristisch› (im Sinne der Prinzipien der Apparatgestaltung), 244 aber keineswegs als authentisch. Der Grund liegt darin, dass N eumann Heinrich von Nördlingen und der späteren Exzerptüberlieferung des ›Fließenden Lichts‹ wenig zutraut, was textkritisch ein Wert hat. Und man wird wohl nicht bestreiten können, dass zumindest die oben angeführten Belege aus Ha und M 1 Sekundärlesarten darstellen. Die Frage, was echt oder unecht ist, ist indes nicht der Punkt, auf den es mir ankommt. Wie der moderne Interpret Mechthilds, der anhand von immer wieder beobachteten Stilphänomenen Vermutungen über den usus scribendi des Autors anstellt und diese im Einzelfall auch bestätigt sehen möchte, haben mittelalterliche Rezipienten ihre Vorstellungen von der Arbeitsweise des Autors oder, vorsichtiger formuliert, von einem anzustrebenden Stilideal in die Konstitution der je eigenen Textversion einfließen lassen, wie es beispielsweise an den hergestellten Kolonreimen und Parallelismen abzulesen ist. 245 Mögen wir auch unter günstigen Überlieferungsbedingungen zwischen Primär- und Sekundärvarianten unterscheiden, angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der die textliche Oberfläche im Dienste eines bestimmten Stilempfindens geglättet und vereinheitlicht wird, muss jedoch eine gewisse Skepsis in Bezug auf die zweifelsfreie Identifizierung eines «personalen Ausdruckswillens», der sich in der «Diktion der Sprache, ihre[r] rhythmischen Bewegung, ihr[em] Klang» 246 manifestiert, übrig bleiben. Auf jeden Fall zeigen die angeführten Beispiele die 50 Einleitung 244 So hält N eumann (1993), S. 87 meinigklich für einen Zusatz, der zusammen mit den anderen Varianten in Heinrichs Brief eine «stilistische Änderung» darstellt und lediglich «dem rhetorischen Aufputz seiner geistlichen Diktion» dient. 245 Zusätzlich zu den oben genannten Belegen liefern die vom Redaktor herrührenden Zusätze in B weitere illustrative Beispiele für das ‹Schreiben im mechthildischen Ton›, s. Apparat zu FL II.25,86f. und 134 bei N eumann (1990) und den Textabdruck bei N eu mann (1993), S. 283, Z. 213f. und S. 284, Z. 238-241: Hier wird der Text unter der Verwendung des ‹mechthildischen› Vokabulars fortgeschrieben, s. V izkelety / K ornrumpf (1968), S. 285. Hinzuweisen wäre in diesem Zusammenhang auch auf das um die Mitte des 14. Jahrhunderts möglicherweise in Engelthal entstandene mystische Gedicht ›Der Minne Spiegel‹, das mit seinen zahlreichen Anspielungen und Entlehnungen aus dem ›Fließenden Licht‹ «Zeuge einer sehr lebendigen Nachwirkung der älteren dt. Frauenmystik des 13. Jahrhunderts durch die Mechthildübertragung der Basler Gottesfreunde» ist, s. N eumann (1955), Sp. 688. 246 R uh (1993), S. 284. Grenzen einer Konjekturalkritik auf, die sich als Anwalt des Autors (auch gegen die Überlieferung) versteht. Unter diesen Umständen wird die Rückkoppelung editorischer Entscheidungen an eine Autorpersönlichkeit bzw. ihren usus scribendi zu einer methodisch heiklen Angelegenheit. Und man fragt sich angesichts der in der Mechthild-Überlieferung feststellbaren Praxis der Glättung und Vereinheitlichung im Dienste eines Stilideals, das seitens der Rezipienten als ‹mechthildisch› empfunden wurde, und im Hinblick auf die von G ottschall (s. oben Anm. 159 mit Text) gemachten Beobachtungen, ob nicht auch die alemannischen Übersetzer Mechthilds im Sinne der beobachteten stilistischen Phänomene hier und da nachgebessert haben könnten, 247 so wie es auch N eumann bei der Konstitution seiner eigenen Version des mechthildischen Textes tut, um das ästhetische Erlebnis und den schönen Klang in ihrem eigenen Dialekt und für den avisierten Rezipientenkreis erlebbar werden zu lassen. 248 In der Tat kann Heinrich von Nördlingen, in dessen Umfeld die Übertragung erfolgt sein muss, eine gewisse Affinität für die ästhetischen Qualitäten des ›Fließenden Lichts‹ nicht abgestritten werden, apostrophiert er doch das buch des von ihm zutiefst bewunderten grosz gotzfründ 249 als das lustigistz tützsch und das innerlichst rürend minenschosz, das er in tützscher sprach je gelesen hat. 250 Ob die sich in diesen Worten artikulierende Bewunderung der im fremden tützsch geschriebenen Vorlage oder der bereits alemannisch vorliegenden Übersetzung gilt, ist hier nicht zu entscheiden. Jedenfalls dürfte das ›Fließende Licht‹ seine rasche Verbreitung im oberdeutschen Raum der sprachlich und stilistisch ansprechenden Überführung des mittelniederdeutschen Textes ins Alemannische verdankt haben. 251 Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 51 247 Auch S chwarz -M ehrens (1985), S. 18, Anm. 1 stellt mit Hinblick auf die Reimprosa des ›Fließenden Lichts‹ fest: «Welchen Anteil die oberdeutsche Übertragung hieran hat, muß offenbleiben.» 248 Vgl. dazu J.-D. M üller (1999), S. 158. M üller macht gegenüber ursprungsmythischen Konnotationen von Autorschaft, vom Autor als der ‹reinen Quelle› folgenden Einwand geltend: «Nicht nur sind angesichts der Überlieferungspraxis die Worte des ersten Verfassers in der Regel nicht erreichbar, es darf auch nicht vorausgesetzt werden, daß sie als die ›originalen‹ auch die besten sind. […] sie können ›verbessert‹ werden». Zum Phänomen s. auch S chubert (2003), S. 137f. 249 Vgl. S trauch (1882), S. 257,44 (Brief XLVIII). Wenn Heinrich von Nördlingen auf das ›Fließende Licht‹ zu sprechen kommt, nennt er Mechthild nie beim Namen, sondern spricht von der junckfroulicher himelscher orgelkunigin, durch die got ditz himelschs gesang hat usz gesprochen (S trauch 1882, S. 246,128-130, Brief XLIII) oder von einer hoch gezogner sel in got (S trauch 1882, S. 257,23f., Brief XLVIII). S. dazu auch S. 328ff. weiter unten. 250 Vgl. S trauch (1882), S. 246,117-121 (Brief XLIII). 251 Angesichts der nur sporadisch erfolgten oberdeutschen Rezeption von Texten aus dem niderlant, allen voran aus dem niederländischen Raum, vermutet W illiams -K rapp (2006), S. 65, ihre ausgebliebene Breitenwirkung könnte daran gescheitert haben, dass sie keine so einfühlsamen Übersetzer wie etwa das ›Fließende Licht‹ gefunden haben. Die vorangehenden Ausführungen zeigen die methodischen Probleme, die mit dem von N eumann verfolgten Editionsziel und der von ihm gewählten Vorgehensweise verbunden sind. Die Probleme resultieren nicht allein aus der Art und Weise, wie die Überlieferung editorisch aufbereitet wird. Vielmehr wurzeln sie in der Überlieferung selbst, die wegen ihrer vielen Unabwägbarkeiten sowohl die Rekonstruktion des Autortextes erschwert, als auch die Unterscheidung zwischen echt und unecht als eine kaum zulässige Kategorie der Textkonstitution erscheinen lässt. Deshalb stellt sich die Frage: «Wenn er [der Autortext] aber, was niemand bezweifelt, unerreichbar ist, warum muß dann daran festgehalten werden? Könnte man nicht auch im oberdeutschen Gebrauchstext das Editionsziel erblicken? » 252 Dieser von K urt R uh erhobenen Forderung nach einer Gebrauchsausgabe ist V ollmann -P rofe vor einigen Jahren nachgekommen. Wie schon N eumann gründet V ollmann -P rofe ihre Ausgabe auf die Einsiedler Handschrift. Diese erfährt bei ihr allerdings eine andere Bewertung. War die Handschrift bei N eumann nur Instrument zur Annäherung ans Original, so erlangt sie hier einen Eigenwert. V ollmann -P rofe sieht ihre Aufgabe als Editorin darin, «diesen späten Textzeugen, dem die Spuren eines langen Weges der ‹Buchwerdung› und einer schwer durchschaubaren Überlieferungsgeschichte irreversibel eingeprägt sind, in seiner vorliegenden Gestalt zu dokumentieren. Denn E ist der einzige Textzeuge, in dem Mechthilds Werk als ganzes auf uns gekommen ist, und er repräsentiert […] die Form, von der wir sagen können, daß Mechthilds Schrift […] in ihr volkssprachlich rezipiert wurde und gewirkt hat.» 253 Aus einer solch veränderten editorischen Zielsetzung erklärt sich, dass die methodischen Probleme, die mit der N eumann schen Autorausgabe verbunden waren, hier vermieden werden. So werden aus stilistischen Überlegungen heraus vorgenommene Konjekturen nicht übernommen. Dies betrifft nicht nur stilistische Unebenheiten, die N eumann Mechthild nicht so recht zutrauen wollte, 254 sondern auch den formalen Parallelismus. 255 Zudem wird auf die Wiederher- 52 Einleitung 252 R uh (1995a), S. 98. 253 V ollmann -P rofe (2003), S. 682. Der selbst gesetzte Anspruch, Mechthilds Werk in seiner in E greifbaren Gestalt zu dokumentieren, bezieht sich allerdings nur für das Corpus der sieben Bücher. Die Marginalien dagegen werden (wohl aus typographischen Gründen) trotz ihres hohen Alters (s. dazu Kap. II.1.2) gänzlich übergangen. Wohl findet man sie (auf den Vorschlag von V ollmann -P rofe ) bei N eumann (1993), S. 209-232 abgedruckt, doch erscheinen sie nicht an den von der Handschrift vorgesehenen Stellen platziert, sondern in den Untersuchungsband ‹abgeschoben›, vgl. R uh (1995), S. 102 und S enne (2002), S. 22. 254 Es gibt indes eine Stelle, wo eine Konjektur, die N eumann aus stilistischen Gründen als notwendig erschien, stehen geblieben ist. Handschriftliches sanfte musste bei N eumann in FL VI.16,8 der C-Lesart snelle weichen. N eumann (1993), S. 122 vermutete eine mechanische Wiederholung des vorangehenden Adjektivs, «während C sicher das Echte überliefert.» V ollmann -P rofe (2003), S. 468,10 übernimmt die Verbesserung nach C, ohne indes den Leser über deren Provenienz aufzuklären. 255 Hier gibt es wieder Ausnahmen, wo Ergänzungen aus Analogiegründen bzw. wegen der vorauszusetzenden Parallelität der Sätze vorgenommen wurden, s. FL II.7: 94,25f. (wie stellung der Reime verzichtet, um den nach der Meinung von V ollmann - P rofe für die literarische Situation im Basel des 14. Jahrhunderts nicht uninteressanten Befund nicht zu verunklären, der Reimschmuck wäre den Übersetzern ins Oberdeutsche gleichgültig gewesen. Denn «gerade die Leichtigkeit, mit der sich die Kolonreime an manchen Stellen wiederherstellen lassen, [zeige,] daß nicht etwa übersetzungbedingte Schwierigkeiten den Verzicht auf den formalen Schmuck erzwangen.» 256 Dazu muss indes angemerkt werden, dass es zwar begrüßenswert ist, dass sich V ollmann -P rofe bei der Textkonstitution auf mehr oder weniger überzeugende Spekulationen bezüglich des Reimgebrauchs nicht einlässt, doch sollte der Befund etwas differenzierter bewertet werden. V ollmann -P rofe gründet ihr Urteil auf den von N eumann konstituierten Text. N eumann hat allerdings - weil vom präsupponierten Personalstil geleitet - Mechthild einen viel konsequenteren Reimwillen zugeschrieben, als dies womöglich der Fall war. 257 Zudem darf nicht übersehen werden, dass die Parallelüberlieferung, deren Handschriften einer Textstufe zugehören, die vor E liegt, 258 immer wieder Kolonreime bietet, die es in E nicht oder nicht mehr gibt. 259 Freilich stellt sich, wie wir es oben gesehen haben, im Einzelfall immer wieder die Frage, ob es sich um Herstellung oder Wiederherstellung handelt, ob also Vorhandenes reproduziert oder Nicht-Vorhandenes im Sinne eines bestimmten Stilempfindens, das wir ‹mechthildisch› zu nennen pflegen, seitens der Schreiber und Redaktoren kompensiert wird. Die Neuausgabe des ›Fließenden Lichts‹ tritt mit dem erklärten Ziel auf, die Einsiedler Handschrift in ihrer vorliegenden Gestalt zu dokumentieren. Das bedeutet indes nicht, dass die Leithandschrift für V ollmann -P rofe unantastbar ist. 260 So werden Korruptelen korrigiert, falls ein offensichtlicher Schreibfehler vorliegt oder wenn der Sinn der Aussage beeinträchtigt erscheint. Dabei Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 53 II.7,11f.) - VI.23: 480,23 (anders VI.23,16 mit Anm.) - VI.28: 486,16 und 19 (wie VI.28,10 und 12) - VI.38: 510,17 (wie VI.38,12) - VI.4: 438,23 (wie VI.4,26). 256 V ollmann -P rofe (2003), S. 683. 257 Zu den oben (S. 43ff.) genannten Beispielen kämen etwa folgende hinzu: FL I.6,9 und 12, I.22,68, II.6,7, II.24,84 u.ö. 258 Das heißt, dass keiner der überlieferten Textzeugen von E abgeleitet werden kann. Offen bleibt dabei die Stellung der kleineren Mechthild-Exzerpte. Ihr Umfang erlaubt keine sicheren Rückschlüsse darauf, ob ihre Vorlagen jünger oder älter als die Vorlage von E waren, s. V ölker (1967), S. 48. N eumann (1954c), S. 167 und (1967), S. 44f. ist dagegen der Ansicht, der Vergleich mit der fragmentarischen Überlieferung mit E zeige, dass alle Textzeugen von früheren Stufen der alemannischen Fassung abzweigen. Dies gilt auch für die neu aufgefundene Radowitz-Handschrift, s. S. 165ff. weiter unten. 259 Vgl. in der N eumann schen Ausgabe das Apparat zu FL I.1,8 (S), FL I.1,29 (B), FL I.43,3 (W), FL I.44,11 (W, B), FL I.44,66 (B), FL II.19,27 und 48f. (C), FL II.24,41 (C), FL II.25,32 (C), FL II.25,68 (B, MSp), FL II.25,85 (B, C) und R zu FL III.10,24f., zu diesem letzten Beispiel s. S. 171 weiter unten sowie S. 78, App. zu R 7. Zu vergleichen wäre auch Mo, s. Textbadruck bei G anina / S quires (2010). 260 Völlig unzutreffend ist die Ansicht von L ückel (2005), S. 181, wonach V ollmann -P rofe «auf eine vollständige Akzeptanz der Übertragung aus dem 14. Jahrhundert» setzt. handelt es sich meistens um an der Parallelüberlieferung orientierte Konjekturen, die V ollmann -P rofe der N eumann schen Ausgabe verdankt. 261 Öfters werden zudem Korrekturen in den Text hineingenommen, die N eumann - erschien ihm eine Textstelle als hoffnungslos verderbt und mit editorischen Mitteln kaum mehr reparierbar - im Anmerkungsband zur Diskussion gestellt hat. 262 Die Neuedition enthält aber auch Besserungen, die über die von N eu mann vorgenommenen hinausgehen. Für manche von ihnen zeichnet sich V ollmann -P rofe verantwortlich, 263 andere übernimmt sie aus der älteren Forschung, allen voran von K ornrumpf , 264 deren Korrekturvorschläge in die Anmerkungen der N eumann schen Ausgabe nicht konsequent eingearbeitet zu sein scheinen. 265 Das eigentliche Ziel der Neuausgabe ist wohl darin zu sehen, einen gut lesbaren und verständlichen Text vorzulegen. Diese Zielsetzung ist insofern auch berechtigt, als es sich um eine für weitere Rezipientenkreise bestimmte Leseausgabe handelt, die den wissenschaftlichen Anspruch zwar nicht vermissen lässt, dem Leser aber «ein hohes Maß an Vertrauen abverlangt», 266 vor allem was die Konjekturen betrifft. Bei aller Abhängigkeit von N eumann , zu der sich V ollmann -P rofe offen bekennt, 267 geht die Neuedition zuweilen eigene Wege. Für die textkritische Auseinandersetzung mit dem ›Fließenden Licht‹ bleibt die alte Ausgabe indes unverzichtbar, weil die neue, wie meine punktuellen Hinweise gezeigt haben, den Leser immer wieder allein lässt, wenn er sich über die Provenienz so mancher Eingriffe in den überlieferten Text Klarheit verschaffen möchte. 268 Gerade 54 Einleitung 261 Diese Verbesserungen werden meistens im Kommentarteil erläutert, doch ist dies nicht immer der Fall, so dass man auf die Ausgabe N eumann s angewiesen ist, will man sich Klarheit über einzelne Lesarten verschaffen, vgl. etwa FL V.4: 324,19 und V.4,1 - V.9: 338,22 und V.9,11 - V.9: 340,17 und V.9,28 - V.22: 358,13 und V.22,5 - VI.6: 442,2 und VI.6,5 - V.24: 382,6 (Kursivierung fehlt! ) und V.24,61 - VI.38: 510,1f. (Kursivierung fehlt! ) und VI.38,1 usw. 262 Vgl. FL IV.6: 252,20 und N eumann (1993), S. 69, Anm. zu IV.6,4 - V.19: 356,1 und N eu mann (1993), S. 92, Anm. zu V.19,27f. - VI.31: 494,14 und App. zu VI.31,23. Nicht übernommen wurden u.a. N eumann (1993), S. 85, Anm. zu V.4,35 (s. 328,2) sowie N eumann (1993), S. 139, Anm. zu VI.37,21 (s. 506,19) usw. 263 Leider fehlt auch in diesen Fällen oft der Kommentar, vgl. FL V.11: 342,21 und V.11,22 - V.25: 384,8 und V.25,7 - V.26: 386,20 und V.26,14 - V.23: 364,1 und V.23,19 - VI.39: 512,22 und VI.39,18 usw. 264 Vgl. FL I.44: 64,14 mit Anm. - II.25: 128,28 mit Anm. - V.1: 320,28 mit Anm. - V.13: 348,2 (Anmerkung fehlt), vgl. dazu N eumann (1993), S. 89, Anm. zu V.13,8. 265 Vgl. etwa V izkelety / K ornrumpf (1968), S. 295 (zu FL V.4: 328,34f. [V.4,60]), S. 296 (zu IV.12: 262,37f. [IV.12,82], II.25: 128,34 [II.25,49], III.22: 216,17f. [III.22,12], IV.12: 264,29f. [IV.12,106]) usw. 266 G ottschall (2005), S. 304. 267 Vgl. V ollmann -P rofe (2003), S. 682. 268 Das betonen auch die Rezensenten P almer (2003), S. 170, G ottschall (2005), S. 304, S chröder (2005), S. 303 sowie A ndersen (2007), S. 34. Angesichts der Einschränkungen, denen sich der Editor bezüglich der Apparatgestaltung bei der Reihe ‹Bibliothek des Mittelalters› des Deutschen Klassiker Verlags unterwerfen muss, fordert auch J. H einzle (1993), diese Eingriffe zeigen, dass V ollmann -P rofe der Mut zur Konjektur keineswegs fehlt. Das verwundert insofern, als die von ihr verfassten Prolegomena zur textkritischen Ausgabe von N eumann auf eine eher distanzierte Haltung gegenüber der Konjekturalkritik schließen lassen. Man liest hier, in die Konjekturen hätten sowohl Ergebnisse der älteren Forschung als auch Verbesserungsvorschläge Eingang gefunden, «die dem Herausgeber aufgrund seines langen Umgangs mit dem Text notwendig zu sein s c h e i n e n.» 269 Die sich hier artikulierende Zurückhaltung speist sich mit Sicherheit aus der Erkenntnis der methodischen Schwierigkeiten, die mit dem emphatischen Argument des Mechthildischen als Richtschnur editorischer Entscheidungen verbunden sind. Erwartungsgemäß lautet eine der leitenden Editionsprinzipien der neuen Ausgabe: «Zweitens werden Varianten der Parallelüberlieferung auch dann nicht übernommen, wenn sie wahrscheinlich oder sicher das Ursprüngliche bieten.» 270 Für die konkrete Arbeit mit dem Text bedeutet das, der Vorrang soll dem Überlieferten gelten, insofern dies einen guten Sinn ergibt. 271 Zwar erteilt die Neuausgabe der Suche nach dem Original eine deutliche Absage und tritt stattdessen mit dem Anspruch auf, das Vorliegende zu dokumentieren. Problematisch erscheint mir jedoch der in den Anmerkungen immer wieder anzutreffende Hinweis, das in E Überlieferte entspräche dem Ursprünglichen wohl kaum, worauf unmittelbar danach die Parallelüberlieferung oder eine Konjektur N eumann s zitiert wird, die das «wohl Ursprüngliche» bieten. 272 Im Kommentarteil wird demnach genau das zurückgenommen, was in der Einleitung der Ausgabe als editorisches Programm formuliert wurde. Und es ist nur konsequent, wenn W erner S chröder in seiner von Polemik keineswegs freien Rezension V ollmann -P rofe vorwirft: «Etwas für ursprünglich Gehaltenes und sogar vom Sinn Gebotenes muß dem hergestellten Text fernbleiben, weil der dürftige Schreiber E es nicht hat! » 273 Dieses in der Neuausgabe zwischen dem methodologischen und praktischen Teil bestehende Spannungsverhältnis resultiert meiner Ansicht nach aus der Kontami- Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 55 S. 56, der Apparat sollte «mindestens die gebesserte Lesung der Leithandschrift angeben und […] über die Bezeugung bzw. die Herkunft der Besserung informieren.» Allerdings handelt es sich dabei um nichts mehr als ein «Mindestprogramm.» Es kann jedoch zufrieden stellen, hebt J. H einzle hervor - und das spricht für die von V ollmann -P rofe gewählte Vorgehensweise -, wenn es bereits eine Ausgabe gibt, die den Leser über alle ihn interessierenden Varianten informiert. 269 N eumann (1990), S. XXI (Sperrung von mir). 270 V ollmann -P rofe (2003), S. 683. 271 Vgl. etwa V ollmann -P rofe (2003), S. 707, Anm. zu 22,30f. (FL I.2) - ebd., S. 709, Anm. zu 28,5 (FL I.5) - ebd., S. 712, Anm. zu 36,27 (FL I.19) - ebd., S. 714, Anm. zu 38,27 (FL I.22) - ebd., S. 739f., Anm. zu 116,27f. (FL II.23) - ebd., S. 761f., Anm. zu 204,11f. (FL III.19) usw. 272 Vgl. etwa V ollmann -P rofe (2003), S. 705, Anm. zu 18,25 (FL I.1) - ebd., S. 707, Anm. zu 22,20 (FL I.2) - ebd., S. 720, Anm. zu 58,28 (FL I.44) - ebd., S. 721, Anm. zu 62,33 (FL I.44) - ebd., S. 806, Anm. zu 384,14 (FL V.25) — ebd., S. 815, Anm. zu 442,8 (FL VI.6) usw. 273 S chröder (2005), S. 302. nation zweier Sicht- und Vorgehensweisen, die auseinander gehalten werden sollten. Gemeint ist die rezeptionsorientierte Methode des Editors und die produktionsästhetische Perspektive des Interpreten. Die Spuren dieser Kontamination erkennt man bei V ollmann -P rofe immer wieder. Dazu folgende Hinweise: Die Orientierung am überlieferten und historisch tatsächlich rezipierten Text führt in der Neuausgabe dazu, dass diejenigen Konjekturen nicht übernommen werden, die N eumann aus sprachhistorischen und dialektgeographischen Gründen vorgenommen hat, um - wie es in den Prolegomena der kritischen Ausgabe heißt - «wenigstens indirekt einen Eindruck von der ursprünglichen mittelniederdeutschen Sprachform zu vermitteln.» 274 Selbst wenn V ollmann -P rofe das Überlieferte nicht an den Kriterien des Echten und Ursprünglichen misst, verzichtet sie an manchen Stellen doch nicht darauf, eigene, an mittelniederdeutschen Wortformen orientierte Korrekturen anzubringen. So wird über N eumann (vgl. FL V.22,38) hinausgehend und im Rückgriff auf die lateinische Überlieferung (LD V.8,27/ Rev. Bd. II.2, S. 595,36) handschriftliches g o tlich in g u tlich (360,26) konjiziert. Die Begründung lautet: «Die Rev. geben mit pietatis opera »fromme Werke« sicher das ursprünglich Gemeinte wieder: g o tlich ist mißverstandenes mnd. gotlik »gut«.» 275 Aus denselben Gründen und in Anlehnung an einen von N eumann erwogenen Korrekturvorschlag wird einige Zeilen weiter nothaftlich in nutzhaftlich geändert (FL V.22: 360,31): «hier haben die [alemannischen] Übersetzer mnd. nuthaftich »nützlich«, »brauchbar« mißverstanden.» 276 Es fällt zudem auf, dass V ollmann -P rofe Stellen, die für N eumann sekundären Charakter hatten, immer wieder für möglicherweise mechthildisch erklärt. Zu dem in S und der lateinischen Tradition (LD IV.8/ Rev. Bd. II.2, S. 546) fehlenden Schlusssatz von FL I.9 (32,16f. [I.9,4]) wird vermerkt: «Möglicherweise späterer Zusatz, aber doch wohl auf M. zurückgehend.» 277 FL III.9,15 setzt N eumann in eckige Klammen, weil es sich «gewiß» 278 um einen jüngeren Einschub handelt. V ollmann -P rofe ist dagegen der Ansicht: «doch kann der Text sehr gut ursprünglich sein.» 279 Auch und lip bzw. der vorangehende glossenartige Zusatz das ist des menschen sele in FL VII.62,48 wird von N eumann in Zweifel gezogen, wohingegen V ollmann -P rofe meint: «doch ist letzteres gut 56 Einleitung 274 N eumann (1990), S. XXI. 275 V ollmann -P rofe (2003), S. 801, Anm. zu 360,25f. 276 V ollmann -P rofe (2003), S. 801, vgl. dazu N eumann (1993), S. 94f., Anm. zu V.22,42. Weitere Beispiele: FL II.21: 112,4 (s. dazu Anm. auf S. 738), IV.2: 232,34 und 234,18 (beidesmal heling in Anlehnung an md. helinc, vgl. ebd., S. 770) sowie III.20: 204,28 (handschriftliches us konserviert die mittelniederdeutsche Form, vgl. ebd., S. 762). 277 V ollmann -P rofe (2003), S. 710, Anm. zu 32,16f. N eumann hat zwar nur das Fehlen des Passus in der Parallelüberlieferung notiert, ohne sich über seine Echtheit zu äußern. Doch dürfte er ihm wohl unecht erschienen sein, denn er schreibt in einem vergleichbaren Fall: «Das Fehlen in W und Rb legt es nahe, an einen Zusatz von E zu denken», s. N eumann (1993), S. 58, Anm. zu III.10,38f. V ollmann -P rofe scheint ihrerseits an der Authentizität der letztgenannten Stelle keine Bedenken zu hegen, denn sie lässt sie unkommentiert passieren, vgl. 184,24. 278 N eumann (1993), S. 55. 279 V ollmann -P rofe (2003), S. 755, Anm. zu 174,27f. mechthildisch.» 280 Auch sonst formuliert V ollmann -P rofe , dies oder das sei für Mechthild ganz untypisch, 281 anderes dürfte man ihr dagegen doch wohl zutrauen, 282 weil es ihrem Sprachgebrauch entspräche. 283 In diesen Zusammenhängen kommt das von N eumann her bekannte Argument der Parallelstellen immer wieder zum Einsatz, zwar nicht als textkonstitutives Element, 284 so doch als Beleg zum Erweis der inhaltlichen Authentizität der zur Diskussion stehenden Lesart. In diesen Rahmen fügen sich auch die Anmerkungen, in denen die Unechtheit bestimmter Stellen erwogen bzw. nachgewiesen wird. 285 Zu fragen ist also, wie sich eine letztendlich an den Merkmalen ‹echt/ unecht› orientierte Argumentation mit dem Anspruch, das ›Fließende Licht‹ in seiner überlieferten Gestalt zu dokumentieren, vereinbaren lässt. Wohl ediert V oll mann -P rofe das ›Fließende Licht‹ mehr oder weniger in der Gestalt, wie es in der Einsiedler Handschrift enthalten ist, doch interpretiert sie es nicht als Produkt der Überlieferung, sondern als das Werk Mechthilds von Magdeburg. Kontaminiert werden bei V ollmann -P rofe aber nicht nur zwei unterschiedliche Erkenntnisinteressen, und zwar das produktionsästhetische mit dem rezeptionsorientierten, sondern auch die beiden Überlieferungszweige des ›Fließenden Lichts‹. Da V ollmann -P rofe bezüglich des textgeschichtlichen Status der lateinischen Übersetzung die Ansichten N eumann s und der gesamten Forschung perpetuiert, wird auf diesen Punkt im Folgenden näher eingegangen. Bei der Herstellung eines kritischen deutschen Textes hat die ›Lux divinitatis‹ schon immer eine wichtige Rolle gespielt, wie es etwa den betont textkritisch orientierten Arbeiten von S tierling (1907) und B ecker (1951) zu entnehmen ist. 286 Auch N eumann zieht die lateinische Übersetzung im Apparat und An- Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 57 280 V ollmann -P rofe (2003), S. 853, Anm. zu 656,1. N eumann s Bedenken gegenüber der Echtheit von E werden auch an den folgenden Stellen nicht geteilt: V ollmann -P rofe (2003), S. 801, Anm. zu 360,36f. (FL V.22), ebd., S. 805, Anm. zu 378,10 (FL V.24) und ebd., S. 744, Anm. zu 134,9 (II.25). In FL VII.45 nimmt V ollmann -P rofe (2003), S. 616,30f. einen Teilsatz aus dem in Buch VI enthaltenen Zwillingskapitel 22 auf, die N eumann (1993), S. 159, Anm. zu VII.45,22 als «wohl unechter Zusatz» bezeichnet hat. 281 Vgl. V ollmann -P rofe (2003), S. 703, Anm. zu 18,1-7 (Prooemium I). 282 Vgl. V ollmann -P rofe (2003), S. 800, Anm. zu 358,7 (FL V.21). 283 Vgl. V ollmann -P rofe (2003), S. 832, Anm. 544,18 (FL VII.7) und S. 854, Anm. zu 660, 26 (FL VII.63). 284 Eine Ausnahme stellt FL II.25: 130,19 (II.25,68) dar: Wie schon N eumann (1993), S. 44 ändert V ollmann -P rofe liebú herze in herzeliebe in Entsprechung zu anderen Stellen des Gesamttextes. 285 Vgl. V ollmann -P rofe (2003), S. 749, Anm. zu 154,9f. (bei N eumann nicht als unecht markiert, vgl. III.1,123! ) - ebd., S. 799, Anm. 348,1 (wieder ein über N eumann hinausgehender Unechtheitsbeweis, vgl. V.13,8! ) - ebd., S. 801, Anm. 358,15f. (FL V.22) - ebd., S. 818, Anm. zu 456,22f. (FL VI.13) usw. 286 S tierling (1907) verglich die deutschen Bücher I-III mit dem lateinischen Text, B ecker (1951) die Bücher IV-VI. merkungsband reichlich zurate. 287 Hier wie dort ist sie dazu berufen, Lesarten des deutschen Überlieferungszweiges entweder zu bestätigen oder, wenn es sich um offenkundige oder mutmaßliche Korruptelen handelt, zu korrigieren, lag ihr doch «eine uns sonst unerreichbare Frühstufe der deutschen Überlieferung» 288 zugrunde. Denn während sich der deutsche Text unter besonders günstigen Überlieferungsbedingungen - eher die Ausnahme als die Regel 289 - nur bis zum Archetyp der Mitte des 14. Jahrhunderts entstandenen alemannischen Übertragung zurückverfolgen lässt, wird die lateinische Übersetzung «gewiß», meint N eumann , aus einer Vorlage hervorgegangen sein, «die dem Original sehr nahe stand.» 290 Demnach besteht die Funktion der ›Lux divinitatis‹ bei N eumann nicht allein in der Aufdeckung und Heilung überlieferungsbedingter Korruptelen, um zu einer älteren Stufe der Textgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ vorzustoßen, sondern der Rückgriff auf den lateinischen Text dient zudem dazu, Lesarten des Originals zu sichern bzw. zu erschließen. Das heißt, die mithilfe der lateinischen Übersetzung gesicherten oder erschlossenen Lesarten des deutschen Textes sind nicht wegen ihres textgeschichtlichen Primats besser und ursprünglicher als die in den Handschriften enthaltenen, womöglich auch sinnvollen Varianten: Besser und ursprünglicher sind sie vor allem wegen ihrer angeblichen Authentizität. Unter diesen Prämissen erscheint es N eumann als durchaus legitim, ausgehend vom lateinischen Text als Korrektiv Echtes vom Unechten, Mechthildisches vom Nicht-Mechthildischen abzuheben, um das von den beiden Überlieferungszweigen gebotene Authentische zu identifizieren und es in den edierten Text aufzunehmen. N eumann s Vorgehensweise wird deutlicher, wenn man ihr die Ausgabe von V ollmann -P rofe gegenüberstellt. Die von N eumann anhand der ›Lux divinitatis‹ vorgenommenen Konjekturen und Emendationen übernimmt V ollmann -P rofe nur, wenn E einen Eingriff unbedingt notwendig macht, weil der Text unverständlich geworden ist. 291 Ergibt die Handschrift einen guten 58 Einleitung 287 Dabei wird leider darauf verzichtet, bei den einzelnen Kapiteln jeweils die Fundstelle der bekanntlich anders organisierten lateinischen Übersetzung anzugeben, ein Defizit, das auch H ellgardt (1996a), S. 138 beklagt. Die lateinischen Pendants können, wenn auch etwas umständlich, mithilfe der Überlieferungskonkordanz am Ende des Anmerkungsbandes ausfindig gemacht werden. 288 N eumann (1954b), S. 28. 289 Vgl. N eumann (1990), S. XXI und V izkelety / K ornrumpf (1968), S. 294. Zu den Ausnahmen gehört auch Mo. 290 N eumann (1967), S. 44. 291 Vgl. FL I.6: 30,10 (mit Anm. auf S. 709), I.22: 40,34 (mit Anm. auf S. 714) usw. Des Öfteren werden aber Konjekturen auch stillschweigend übernommen, das heißt, es fehlt an einem Kommentar, der den Leser über ihr Zustandekommen aufklärt, vgl. FL V.9: 340,17 (s. dazu V.9,28) - V.24: 382,6 (s. dazu V.24,61) - V.34: 404,30 (s. dazu V.34,28) - VI.1: 422,23 (s. dazu VI.1,56) usw. Problematisch bleiben in diesem Zusammenhang die in Gefolge von N eumann , ja über ihn hinausgehend, durchgeführten Tilgungen von möglichen Hapaxlegomena, vgl. FL I.22: 38,21 (s. dazu I.22,7) - I.22: 42,29 (s. dazu Sinn, so lässt sie V ollmann -P rofe unangetastet, ganz im Sinne ihres editorischen Grundsatzes, E in seiner vorliegenden Textgestalt zu dokumentieren. Das heißt, die E-Lesart wird beibehalten, selbst wenn das von der ›Lux divinitatis‹ gebotene Äquivalent das präsupponierte Ursprüngliche bietet. 292 Deutlicher noch als beim Wortersatz treten die Unterschiede zwischen den beiden Ausgaben an jenen Stellen hervor, wo N eumann Rückübersetzung aus dem Lateinischen bietet, und zwar entsprechend dem sonstigen Wortgebrauch Mechthilds. Dies macht sein Anliegen deutlich, alles, was sich von der Überlieferung her als authentisch anbietet, in den edierten Text zu holen. Übernommen wird der bis auf S allen Handschriften des deutschen Überlieferungszweiges fehlende Halbsatz in FL I.1,8 (vgl. 18,25), wird doch seine Authentizität durch die ›Lux divinitatis‹ (LD IV.3,7/ Rev. Bd. II.2, S. 542,7f.) verbürgt. Ähnlich wird mit dem in FL II.25,134f. anzitierten Lied verfahren. Der lateinische Text zeichnet sich dadurch aus, dass er eine Fassung bietet, die am Ende zwei Zeilen mehr aufweist als die hier besonders breite deutsche Parallelüberlieferung, vertreten durch die Handschriften E, C und B. N eumann nimmt eine Rückübersetzung der beiden in E fehlenden Zeilen (LD IV.7, 22f./ Rev. Bd. II.2, S. 545,28f.) vor. Die Begründung lautet: Die Schlusszeilen müssen in der deutschen Überlieferung ausgefallen sein, deuten doch noch E und C durch ein etc. an, dass das Lied offenbar nicht zu Ende geführt wurde. 293 Ergänzungen werden nach der ›Lux divinitatis‹ auch in FL V.11,10f. und FL II.23,25f. vorgenommen. Im ersten Fall wird der Eingriff damit begründet, der im deutschen Text nicht mehr vorhandene Gedankenparallelismus mache eine Ergänzung nach LD V.4,8f. (Rev. Bd. II.2, S. 591,11f.) notwendig, im zweiten Fall weist N eumann auf die im deutschen Überlieferungszweig ausgefallene Antwort der Seele hin (vgl. LD IV.1,26f./ Rev. Bd. II.2, S. 540,17f.). Keine von diesen an der ›Lux divinitatis‹ orientierten Ergänzungen übernimmt V ollmann -P rofe in ihre Ausgabe, notiert allerdings, dass die eine oder andere Ergänzung sehr wohl ursprünglich sein könnte. 294 Stattdessen versucht sie mit dem Überlieferten auszukommen. Ein besonders instruktives Beispiel dafür bietet ihr Umgang mit jener Stelle, an der N eumann eine ausgefallene Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 59 I.22,68) - I.28: 48,14 (s. dazu I.28,5, hier über N eumann hinausgehend! ) - II.25: 130,19 (s. dazu II.25,68) - IV.14: 266,22 (s. dazu IV.14,12). 292 Vgl. FL I.44: 58,28 (mit Anm. auf S. 720) - I.44: 62,33 (mit Anm. auf S. 721) - IV.2: 232,22f. (vgl. IV.2,63) - V.4: 328,15f. (vgl. V.4,46) - V.35: 410,4 (vgl. V.35,31) usw. An manchen Stellen wird indes E nach dem lateinischen Text nachgebessert, obwohl der E-Text an der betreffenden Stelle nicht ganz unmöglich ist, wie es auch V ollmann - P rofe immer wieder zugibt, vgl. FL I.30: 50,20 (mit Anm. auf S. 717) - IV.3: 240,27 (mit Anm. auf S. 771) - IV.4: 248,12 (mit Anm. auf S. 774) usw. 293 Vgl. FL II.25,138-139. S. dazu N eumann (1954b), S. 64. 294 Vgl. V ollmann -P rofe (2003), S. 705, Anm. zu 18,25 (entspricht I.1,8) oder S. 797, Anm. zu 342,6 (entspricht V.11,10f.). Antwort der Seele vermutet (FL II.23,25f.). 295 V ollmann -P rofe spaltet die unmittelbar darauf folgende Rede der minne in zwei Redeeinheiten. Den ersten Teil legt sie in den Mund der stumpfen sele, den zweiten weist sie der minne zu (vgl. 116,28-32). Eine solche Redezuweisung wird von einer von P aul M ichel gemachten Beobachtung gestützt. «Merkwürdig» findet M ichel in der von N eumann durch Anführungszeichen als ‹Rede der Minne› ausgewiesenen Passage (FL II.23,26-30), dass die minne «von der ‹Minne› spricht, als sei es eine ganz andere Instanz: warum sagt sie nicht ‹in meine Gewalt›? » 296 Legt man, wie V ollmann -P rofe , diese Aussage in den Mund der stumpfen sele, so verschwindet die monierte Ungereimtheit, 297 die für M ichel freilich keine ist, da «Einschachtelungen von Rollen» 298 bei Mechthild keineswegs selten sind. Trotz der selbst auferlegten Beschränkung auf das Überlieferte findet man bei V ollmann -P rofe mitunter auch Stellen, an denen der Text in Form einer freien Rückübersetzung der ›Lux divinitatis‹ hergestellt wird. Dies findet seine Begründung darin, dass es sich um Textstellen handelt, die nach dem Urteil der Herausgeberin nicht ohne weiteres verständlich sind und nach einer Nachbesserung verlangen. Bei ihren diesbezüglichen Berichtigungsversuchen entfernt sich V ollmann -P rofe allerdings weit mehr vom Überlieferten, als dies bei N eumann der Fall ist. 299 N eumann hat an den entsprechenden Stellen seiner Ausgabe versucht, den E-Text, soweit nur möglich, zu bewahren selbst auf die Gefahr hin, dass seine Ausgabe hier und da einen möglicherweise schlechten Text bietet. Hier einige Beispiele: Die lange Periode FL VI.19,5-8 hat in E keinen Hauptsatz. N eumann druckt sie ohne Eingriff ab. Im Apparat bringt er allerdings einen Ergänzungsvorschlag, der eine Rückübersetzung aus der entsprechenden Stelle der ›Lux divinitatis‹ (LD V.29,5f./ Rev. Bd. II.2, S. 612,24f.) darstellt. V ollmann -P rofe nimmt diesen Ergänzungsvorschlag in den Text auf (vgl. 474,7). FL I.2,12f. lautet in E wie folgt: Warumbe si [die Seele] nút beriht wirt, dis ist dú erste sache von drien. Weil die lateinische Übersetzung an dieser Stelle von E erheblich abweicht und daher zum Verständnis des deutschen Textes wenig beiträgt, sah sich N eu mann genötigt, drien in drien personen zu konjizieren, um über den offensichtlich verderbten Text Herr zu werden. Er erklärt: «Die erste sache von drien personen wäre 60 Einleitung 295 Dass es sich dabei tatsächlich um einen Textausfall in der oberdeutschen Tradition des ›Fließenden Lichts‹ handelt, bestätigt Mo. Man liest hier: Swen ich ein bezzer weiz. so bin ich bereite (zitiert nach G anina / S quires 2010, S. 81, Z. 8f.). Die im Rückgriff auf den lateinischen Text vorgenommene Ergänzung von N eumann lautet: Wiste ich, was das beste were, so w o lte ich das beste welen. 296 M ichel (1995c), S. 57. 297 Alternativ zu V ollmann -P rofe bestünde auch die Möglichkeit, den referierten Abschnitt der vorangehenden Rede der Minne (FL II.23: 116,26f. [II.23,24f.]) anzuschließen und ihn als eine explikative Ausführung des dort Gesagten aufzufassen. 298 M ichel (1995c), S. 57. 299 Dies betont auch S chröder (2005), S. 301. dann »die erste Ursache der Trinität.«» 300 Anders V ollmann -P rofe : Obwohl die lateinische Übersetzung eigene Wege geht, ergänzt sie den deutschen Text nach LD IV.21, 10f. (Rev. Bd. II.2, S. 557,29f.), so dass sich die referierte Stelle bei ihr wie folgt anhört: Warumbe si nút beriht wirt, des wirt si ze stunde gewiset […] (22,6f.). 301 Ein weiteres Beispiel findet sich in FL V.23. V ollmann -P rofe liest: Die scheffenisse der bilden das was alles von der schulde und von der not, die den grossen got also sere bewegeten, das er die vl v t sante und wie er behielt mit sinem gesinde Noe den rehten man und lies alle die welt undergan (370,27-31). Das recte Wiedergegebene stellt wieder eine freie Übersetzung nach dem lateinischen Text, hier nach LD I.16,9f. (Rev. Bd. II.2, S. 461,22f.), dar. 302 N eumann dagegen ließ den Text unangetastet, ohne diese Stelle zu kommentieren (vgl. V.23,126). Unkommentiert ließ N eumann auch FL VI.4,3-5 passieren: Owe ich vil arme, ich klagen gotte von himmelriche, das ich nu arger bin denne ich was vor drissig jaren, wan die creaturen, die mir da hulfen tragen min ellende, die d o rften nit also edel sin, sol der arme lip genesen. Anders als N eumann ist V ollmann -P rofe der Ansicht, dass der E-Text unvollständig ist, weil ihm ein mit die d o rften nit also edel sin korrespondierender Vergleichssatz fehlt. Obwohl ›Lux divinitatis‹ wieder einmal von E abweicht und den Sinn verschiebt (es bietet cibos statt creatura), bringt die Herausgeberin eine am lateinischen Text orientierte Ergänzung, hat sich doch in nunc autem […] necesse est (LD VI.18,3/ Rev. Bd. II.2, S. 637,29f.) das in E fehlende Vergleichsglied erhalten. Die Ergänzung, die man schwerlich als Übersetzung bezeichnen kann, lautet: also die nu m u ssent sin (S. 436,25). Wie V ollmann -P rofe den Passus verstanden wissen will, geht aus der synoptisch abgedruckten hochdeutschen Übersetzung hervor: «O weh, ich Ärmste, ich klage es Gott im Himmelreich, daß ich nun schlechter bin als vor dreißig Jahren; denn die Geschöpfe, die mir damals mein Elend tragen halfen, die hätten nicht so edel zu sein brauchen (wie die, deren Hilfe jetzt nötig ist), wenn der arme Leib genesen soll (437,26-30).» Als Leser fragt man sich: Wer sind die, deren Hilfe der Ich-Sprecher jetzt so nötig hat? Die Erklärung liefert der Kommentarteil. 303 Dieser macht deutlich, dass V oll mann -P rofe das Verständnis des Kapitels in eine bestimmte Richtung lenken will, und zwar in eine von N eumann vorgetragene. N eumann meinte aus manchen Kapiteln des sechsten Buches herauslesen zu können, dass die alternde, von Krankheit und Verfolgung gezeichnete Begine zeitweilig Magdeburg verlassen hätte und in die «Obhut ihrer Familie» 304 zurückgekehrt wäre. Dies soll vor allem aus FL VI.4 hervorgehen, da die sich hier artikulierende Furcht vor den irdischen Dingen, die in ein girekeit vil ze habende oder lange ze bruchende (438,1f. [VI.4,9]) verleiten, eine weltliche Umgebung voraussetzt. 305 Auch im Falle von FL VI.7 sei es nicht zwingend, so N eumann , eine Magdeburger Beginengemeinschaft als lokalen Hintergrund zu postulieren: Zwar sei Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 61 300 N eumann (1993), S. 5. 301 Zu den Problemen, die mit der von V ollmann -P rofe gebotenen Übersetzung von ibi (! ) eidem protinus innotescit verbunden sind, s. G ottschall (2005), S. 302. 302 Auch hier fragt man sich, wie die deutsche Übersetzung von ut omnem diluuio carnem perderet zustande gekommen ist, vgl. G ottschall (2005), S. 303. 303 Vgl. V ollmann -P rofe (2003), S. 814, Anm. zu 436,20-440,9. 304 N eumann (1954b), S. 72. 305 Vgl. N eumann ebd., S. 73 und V ollmann -P rofe (2003), S. 814, Anm. zu 436,20-440,9. im Text von ein[em] geistlich[en] mensch[en] aus Mechthilds geselleschaft die Rede, von dem sie wegen seines üblen Verhaltens viel erdulden müsse - ›Lux divinitatis‹ trägt die Überschrift De begina distorta moribus et conuersacione tandem corrupta (LD III.8/ Rev. Bd. II.2, S. 526)! -, doch meine der Ausdruck in miner geselleschaft (in societate mea) «hier nicht mehr als ‹mir beigesellt, mit mir zusammen lebend› […], und es ließe sich - wie bei Margareta Ebner - an die pflegende Begine denken, die Mechthild begleitete, als sie schwer krank zu ihren Verwandten verbracht wurde.» 306 Es ist diese pflegende Begine, die V ollmann -P rofe mit ihrer Rückübersetzung in den deutschen Text einschleust. Diese Konjektur baut jedoch auf eine Interpretation, die aus dem Text mehr herausliest, als dort womöglich enthalten ist. Zudem ist sie einer Lesart verpflichtet, die den Text als historische Quelle und Abbild der realen Lebenswelt Mechthilds versteht. Vor allem diese letztgenannten Beispiele zeigen mit aller Deutlichkeit, worauf es V ollmann -P rofe mit der Neuausgabe eigentlich ankommt: Ihr geht es in erster Linie darum, einen schlüssigen Lesetext zu erstellen. 307 Zwar wird der ›Lux divinitatis‹ kein so breiter Raum eingeräumt wie bei N eumann , an entscheidenden Stellen muss sie jedoch korrigierend und ergänzend einspringen. Symptomatisch für das hier postulierte textgeschichtliche Verhältnis der beiden Überlieferungszweige erscheint eine mit Verweis auf den lateinischen Text erwogene Ergänzung in FL IV.28, einem Kapitel, das V ollmann -P rofe unvollständig vorkommt. 308 Bei einer solchen Vorgehensweise erscheint es aus methodischer Sicht problematisch, dass V ollmann -P rofe , ähnlich wie N eumann , zwei unterschiedliche Textstufen miteinander vermischt. Ging die lateinische Übersetzung nach N eumann s Ansicht «gewiß» aus einer Vorlage hervor, die dem Original sehr nahe stand (s. oben Anm. 290 mit Text), repräsentiert die alemannische Übertragung eine textgeschichtlich jüngere Gestalt des ›Fließenden Lichts‹. Freilich können die Ausgangstexte der beiden Traditionszweige, weder das ‹Original›, i.e. die mittelniederdeutschen Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹, noch der Archetyp der alemannischen Tradition bzw. die mittelniederdeutsche Vorlage der Basler Übersetzer, auch nur annähernd vollständig rekonstruiert werden. 309 Angesichts dieses Überlieferungsbefunds behelfen sich die Herausgeber Mechthilds damit, dass sie das eine Original postulieren, das beiden Überlieferungszweigen zugrunde liegen und ihren Ausgangspunkt gebildet haben soll. Man findet diese Annahme in der Tat an Stellen bestätigt, wo der deutsche und der lateinische Text wörtlich übereinstimmen. Dies ist allerdings nicht immer der Fall. N eumann selbst räumt ein, dass die lateinische Übersetzung «nur selten den Wortbestand des deutschen 62 Einleitung 306 N eumann (1954b), S. 75. 307 Ähnlich G ottschall (2005), S. 304. 308 Vgl. V ollmann -P rofe (2003), S. 790. 309 Vgl. N eumann (1990), S. XX-XXI. Die Moskauer Bruchstücke, die der Textgenese sowohl räumlich als auch zeitlich am nächsten stehen, bieten Textteile aus den Büchern I (Kapitel 29, 32 und 36), II (Kapitel 11, 13-14, 21 und 23), III (Kapitel 6) und VII (Kapitel 65), vgl. G anina / S quires (2010). Textes sichern kann», lässt doch «die andere Sprachform einen sinnvollen Vergleich von Einzelwörtern oft nicht zu […].» 310 Aus den Stellen, die wörtlich übereinstimmen, wird jedoch abgeleitet, dass beide Überlieferungszweige auch dort, wo sie sich nur inhaltlich überschneiden oder gar voneinander abweichen (weil die lateinische Übersetzung eigene Wege geht), einen weitgehend identischen Text geboten haben. Selbstverständlich weiß N eumann um die «viele[n] fremde[n] Hände», die bis zum letzten Schreiber der uns das ›Fließende Licht‹ einzig vollständig bewahrenden Einsiedler Handschrift an Mechthilds Aufzeichnungen «gewerkelt» 311 haben. In seiner kritischen Ausgabe ist auch er bestrebt, ihren Beitrag, so weit es geht, erkennbar zu machen. So findet man bei N eumann immer wieder Texte in eckigen Klammern, die vor der vermeintlichen oder tatsächlichen Unechtheit der jeweiligen Stelle warnen. Interessanterweise ist es immer wieder das Fehlen einer Lesart im lateinischen Text, das N eumann daran zweifeln lässt, ob E an der entsprechenden Stelle echt ist. 312 Dies ist merkwürdig angesichts der oben genannten, von N eumann selbst eingestandenen Probleme, gesicherte Aussagen über den Wortlaut der mittelniederdeutschen Vorlage der lateinischen Übersetzung zu treffen. Da aber N eumann ohnehin von der Annahme ausgeht, der lateinischen Übersetzung hätte dieselbe Version der Bücher I-VI vorgelegen, die auch in E überliefert ist, kann er sich über solche Schwierigkeiten leicht hinwegsetzen. Die Annahme, dass ein einziges Original am Anfang der deutschen und lateinischen Überlieferung stand, gründet, wie oben ausgeführt, letztlich in der Überzeugung, ein von Ehrfurcht und Treue bestimmtes Rezeptionsverhalten hätte die an der Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ Beteiligten davon abgehalten, allzu schwerwiegend in den Text einzugreifen. Das sind die Prämissen, die es auch V ollmann -P rofe erlauben, die vermeintliche Unvollständigkeit von FL IV.28 mit Hinweis auf die lateinische Übersetzung zu belegen. Vor allem um diese Prämissen und ihre Berechtigung geht es in der vorliegenden Arbeit. Die Textausgaben des ›FL‹ und das Postulat des einen Autortextes 63 310 N eumann (1990), S. XXV. Dass die ›Lux divinitatis‹ für die Textkritik nur «bedingt von Nutzen» ist, konstatiert N eumann auch in seinem Verfasserlexikon-Artikel, vgl. (1987a), Sp. 262. Im Lesartenapparat seiner kritischen Textausgabe zieht er sie nichtsdestoweniger reichlich heran. Dazu vermerkt R uh (1995a), S. 99: Obschon N eumann den textkritischen Wert der ›Lux divinitatis‹ kennt, überschätzt er ihre Bedeutung bei der konkreten Arbeit am Text. Die eigentliche Bedeutung der lateinischen Übersetzung sieht R uh in der Übersetzungs- und Bearbeitungsleistung. 311 N eumann (1948/ 50), S. 144. 312 Vgl. etwa FL II.25,129 (134,9 bei V ollmann -P rofe ), III.9,15 (174,27f.), III.10,38f. (184,24), III.13,7 (188,28), VI.7,15 (444,19), VI.27,2 (484,21), VI.31,22 (494,13), VI.37,2 (504,26) usw. I.3. Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›Fließenden Lichts‹ vor dem Hintergrund der aktuellen altgermanistischen Diskussion um vormoderne Textualität und die Instanzen der Textautorisation Eine der wichtigsten Aufgaben, der sich die Forschung nach der Wiederentdeckung des ›Fließenden Lichts‹ Mitte des 19. Jahrhunderts widmen musste, war, wie in den vorangehenden Kapiteln ausgeführt, die Frage, wie sich der in der Einsiedler Handschrift zum ersten Mal greifbare Text zum präsupponierten mittelniederdeutschen Original der Aufzeichnungen Mechthilds verhält. Interessanterweise war es weniger die Tatsache, dass der überlieferte Text in einem beträchtlichen räumlichen und zeitlichen Abstand zum angenommenen Ort und Zeitpunkt der Textgenese steht sowie vom Wechsel in einen anderen, den alemannischen Schreibdialekt geprägt und in dieser Form selbst vom ‹Original› der alemannischen Übersetzung um mehrere Textstufen getrennt ist, die die in Kapitel I.1.1 skizzierte Forschungskontroverse ausgelöst hat, als manche textinternen Angaben, die die Figur eines Beichtvaters bzw. Predigerbruders - im nachhinein mit Heinrich von Halle identifiziert - als textkonstitutive Instanz einführen. Dies legte den Gedanken nahe, der Text könne in einem nur schwer abzuschätzenden Maß bearbeitet sein. Die kontrovers geführte Diskussion der älteren Forschung über die Frage, wie sich Heinrichs Redaktion zum Original der Niederschriften Mechthilds bzw. zu der im alemannischen Raum verbreiteten Textgestalt des ›Fließenden Lichts‹ verhält, hat N eumann zu einem «vorläufigen Abschluss» 313 geführt, indem er den Anteil fremder Instanzen, wie Beichtväter, Schreiber und Mitschwestern, am Buchwerdungsprozess marginalisierte und den an der Überlieferung Beteiligten eine von Ehrfurcht und Treue geprägte Haltung attestierte. Das Postulat, Mechthilds Aufzeichnungen hätten weder bei der Entstehung noch bei der Überlieferung tief greifende Änderungen erlitten, sondern lägen uns in der eigenhändig niedergeschriebenen Form vor, bot N eumann eine elegante Lösung für die lange Zeit umstrittene Frage, wie das verlorene Original und der überlieferte Text in ein kommensurables Verhältnis zu setzen sind. Darüber hinaus erwies sich das von N eumann entwickelte Modell der Textgeschichte als geeignet, um mit der Überlieferung editorisch zu Recht zu kommen. Denn die Annahme, die Textgenese stelle einen geradlinig ablaufenden Verschriftlichungsprozess dar, der von dem von Gott Offenbarten über dessen Niederschrift durch die Mystikerin hin zur respektvollen Überlieferung des Aufgezeichneten durch Dritte führt, war die conditio sine qua non für N eumann s editorisches Unterfangen, ausgehend vom Einsidlensis und im Rekurs auf einen emphatischen Autorbegriff zu einem Text vorzustoßen, von dem behauptet werden kann, er stünde dem verlorenen Original näher und sei deshalb authentischer als jede andere überlieferte Handschrift. Dieses Vertrauen auf die Überliefe- 64 Einleitung 313 R uh (1993), S. 250. Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ rung und die Leistungsfähigkeit der eigenen Methode erlaubte N eumann , in der Einsiedler Handschrift eine Textgestalt zu sehen, die trotz mancher überlieferungsbedingter Verderbnisse und des fremden Sprachgewands sehr wohl den Anspruch erheben darf, «der Urschrift Mechthilds nahe zu bleiben.» 314 Nicht viel anders verhält es sich mit der von V ollmann -P rofe vorgelegten Mechthild-Edition. Wohl verfolgt die Neuausgabe keinen produktionsästhetischen, auf die weit möglichste Rekonstruktion des Originals ausgerichteten Ansatz mehr, sondern definiert den textlichen Bezugspunkt editorisch neu, indem sie bewusst beim Überlieferten ansetzt. In der Frage nach dem Status der in Einsiedeln vorliegenden Textgestalt blieb V ollmann -P rofe , wie in Kap. I.2 gezeigt, jedoch N eumann verpflichtet, was angesichts der text- und überlieferungsgeschichtlichen Unabwägbarkeiten, die, wie oben ausgeführt, aus einer arbeitsteiligen Übersetzungspraxis und der Tendenz zur ‹Mechthildisierung› des Überlieferten resultieren, allerdings nicht unproblematisch ist. Auch was das Verhältnis des deutschen und lateinischen Überlieferungszweiges des ›Fließenden Lichts‹ betrifft, teilt V ollmann -P rofe die Meinung der ihr vorangehenden Forschung, die sich mit G ottschall wie folgt resümieren lässt: Der deutsche und lateinische Text beruhen «auf zwei unterschiedlichen Entstehungsphasen des Originals», eines Originals, das zwar nicht erhalten ist, an das aber textgeschichtlich die lateinische Tradition am weitesten heranreicht, da sie «vielleicht sogar direkt mit einer von Mechthild autorisierten Fassung» 315 arbeitet. Die Annahme, der lateinische Text stelle eine Vorstufe des in E enthaltenen Textes dar, ermöglichte der Forschung, ›Lux divinitatis‹ als Lieferanten von authentischen Zusätzen bei der Konstitution des deutschen Textes heranzuziehen, wie auch umgekehrt, den lateinischen Text nach dem deutschen zu berichtigen. 316 Demnach sind beide Traditionszweige untereinander frei austauschbar und können zur gegenseitigen Korrektur benutzt werden. Die Vergleichbarkeit der lateinischen Übersetzung ist dabei freilich insofern eingeschränkt, als sie einen Text bietet, der «vielfach erheblich verändert.» 317 Sie stellt also eine Bearbeitung dar. Als bearbeitet gilt jedoch nicht nur die lateinische Übersetzung, sondern auch der alemannische Überlieferungszweig, stand doch «zwischen der U r s c h r i f t und der alem. F a s s u n g […] eine R e d a k t i o n, die man Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 65 314 N eumann (1954c), S. 175. 315 G ottschall (2005), S. 300. Vgl. auch S tadler (2001), S. 21: «Beide Textzeugen [gemeint sind E und Rb - nur diese scheint S tadler zu kennen! ] verweisen auf eine ihnen zugrunde liegende ältere Version» (Kursivierung von S tadler ). 316 Man vergleiche etwa die Textausgabe der Solesmenser Mönche, die das ›Fließende Licht‹ bei der Herstellung der lateinischen Textversion immer wieder zur Korrektur und Ergänzung (stillschweigend) herangezogen haben, eine Vorgehensweise, von der auch die spätere Forschung Gebrauch gemacht hat, vgl. B ecker (1951), S. 20f., 25 u.ö. und N eu mann (1993), S. 105, Anm. zu VI.31,28, S. 110, Anm. zu VI.1,81-83, S. 122, Anm. zu VI.16,8 u.ö. 317 N eumann (1987a), Sp. 262. nach Hinweisen der Textüberlieferung dem langjährigen Seelenführer Mechthilds, Heinrich von Halle, zuzurechnen gewöhnt ist.» 318 Freilich tangiert Heinrichs Redaktion die Authentizität des ›Fließenden Lichts‹ nicht im Geringsten. Das bedeutet, die Termini Bearbeitung/ Redaktion und Original/ Urschrift werden nicht in einem untergeordneten, sondern, wider Erwarten, in einem nebengeordneten Verhältnis zueinander gesehen. 319 Ja, mehr noch: Bedenkt man das pietätsvolle, von Treue gegenüber dem vorgefundenen Text geprägte Verhältnis, das den sowohl an der Entstehung als auch an der Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ beteiligten Instanzen attestiert wird, so wird der Begriff Fassung im Grunde auf dieselbe Ebene projiziert wie die Urschrift. Wie wenig Unterschied zwischen Mechthilds «Urschrift» und Heinrichs «Redaktion» einerseits sowie dem «Original» und der «alem. Fassung» (s. Zitat oben) anderseits in N eumann s Verständnis der Textgeschichte besteht, zeigt sich vor allem an dem Umstand, dass N eumann den Gedanken der Rückübersetzung der in E überlieferten Textgestalt ins Elbostfälische, in Mechthilds angenommene Muttersprache, im Vorfeld zu seiner Edition ernsthaft in Erwägung gezogen hat. Diese Idee wurde nur deshalb verworfen, «weil die »Zielsprache« nicht genau bestimmbar ist.» 320 Die Termini ‹Original›, ‹Fassung› und ‹Bearbeitung›, mit denen hier operiert wird, sind offenbar frei substituierbar. Dies gilt indes nicht nur für N eumann s Verständnis der Textgeschichte, sondern auch für das von V ollmann -P rofe . Erst die prinzipielle Austauschbarkeit der genannten Begriffe liefert für ihr editorisches Unternehmen, «Mechthilds Werk» «in seiner vorliegenden Gestalt zu dokumentieren», 321 die notwendigen text- und überlieferungsgeschichtlichen Voraussetzungen. Zwar spricht V ollmann -P rofe vom Original nur noch in Anführungsstrichen und sieht es nicht mehr als Aufgabe des Editors an, die Herstellung eines mehr oder weniger originalnahen Textes anzustreben. Die Vorstellung, dass es das eine Original gab, wird jedoch nicht in Frage gestellt. Die Einsiedler Handschrift gilt auch für sie als eine späte Erscheinungsform des Originals. V ollmann -P rofe stellt fest, «Mechthilds Text» sei in dieser Handschrift trotz einer Überlieferung, die sich «viel weiter vom ›Original‹ entfernt, als wir das bei mittelalterlichen Texten ohnehin gewohnt sind» (S. 672), inhaltlich «wohl mehr oder weniger unbeeinträchtigt erhalten», wie dies im Übrigen auch von der lateinischen Übersetzung bestätigt werde (S. 673). Diese die gesamte Mechthild-Forschung bestimmende Einschätzung des text- und überlieferungsgeschichtlichen Befundes resultiert aus der in Kap. I.1.1 ge- 66 Einleitung 318 N eumann (1954b), S. 28 (Sperrungen von mir). 319 «Original» und «redigierende Bearbeitung Heinrichs von Halle» werden von B ecker (1951), S. 46 ausdrücklich gleichgesetzt. 320 N eumann (1990), S. XX. Zu ähnlichen Bestrebungen in der Veldeke-Forschung, die sogar zur Rückübersetzung des nur hochdeutsch überlieferten ›Eneit‹ in die vermutete maasländische Sprache des Originals geführt haben, s. zusammenfassend W olff / S chröder (1981), Sp. 909f. 321 V ollmann -P rofe (2003), S. 682. Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 67 schilderten Forschungsdebatte, einer Debatte, die sich beim Erweis von Mechthilds Verfasserschaft und der Echtheit der überlieferten Textgestalt auf eine, in ihren Prämissen problematische Argumentation gründet (dazu Kap. I.1.2 und 3) und Editionen den Weg ebnete, die die überlieferte Textgestalt je nach Standpunkt entweder dem angenommenen Original annähern (N eumann ) oder in ihrer rezipierten Form dokumentieren wollen (V ollmann -P rofe ). Postuliert wird in beiden Fällen ein einziger autorisierter Text, ein Original, als Ausgangspunkt der Überlieferung. Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, die Berechtigung des von den beiden maßgeblichen Mechthild-Ausgaben trotz eingestandener überlieferungs- und textgeschichtlicher Unabwägbarkeiten aufrechterhaltenen ‹ein Werk - ein Autor›-Modells zu diskutieren, indem der textgeschichtliche Status des deutschen und lateinischen Überlieferungszweiges neu verhandelt und die aus dieser Neubestimmung resultierenden Konsequenzen für die Autorschaft des ›Fließenden Lichts‹ reflektiert werden (s. dazu Kap. II.2 und 3). Um Aufschluss über den von mir verwendeten Text- und Autorbegriff zu geben, gehe ich zunächst auf die sich in der germanistischen Mediävistik seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts anbahnende, seit den Neunzigern intensivierte und mit den Arbeiten von J oachim B umke , allen voran seinem Buch über «Die vier Fassungen der Nibelungenklage» (1996), in die entscheidende Phase eingetretene Diskussion um die adäquate Beschreibung des Status mittelalterlicher Textualität ein. Methodisch knüpfe ich mit der vorliegenden Arbeit an die aktuelle Diskussion um den Fassungsbegriff an und erweitere den Ansatz, indem ich nach den Bedingungen eines Autorbegriffes frage, der für die Überlieferungssituation des ›Fließenden Lichts‹ adäquat und historisch differenziert ist (s. dazu Kap. III). Lange Zeit galt es in der Literaturwissenschaft als geradezu selbstverständlich, vom Autor als einer dem Text «vor- und übergeordnete[n] Urheberinstanz» 322 und gleichzeitig dessen Subjekt zu sprechen. Komplementär dazu war von ‹Werk› als unveräußerlichem Produkt der Urheberinstanz und der «(end)gültige[n] Objektivation» 323 ihrer Intentionen die Rede. ‹Autor› und ‹Werk›, beide konstitutiven Größen der Literaturwissenschaft werden jedoch durch die Literaturtheorie, allen voran durch die Thesen von R oland B arthes und M ichel F oucault , seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts zunehmend infrage gestellt. 324 Die von B arthe s und F oucault - wohlgemerkt an literarischen Beispielen der Moderne - gebildeten und erprobten Theoreme zielen im 322 H ausmann (2000), S. 33. 323 H ausmann ebd. 324 Vgl. die grundlegenden Aufsätze «La mort de l’auteur» von B arthes (1968) und «Qu’est-ce qu’un auteur? » von F oucault (1969) jetzt in deutscher Übersetzung in: J annidis (2000), S. 185-193 und 198-229. Grunde darauf ab, den literarischen Text vom Autor-Individuum als der allein verpflichtenden sinnkonstitutiven Instanz zu befreien, damit der Text aus sich heraus als autonomes linguistisches Gebilde oder in seiner Dependenz von anderen Texten bzw. seiner Interaktion mit den Rezipienten wahrgenommen werden kann. 325 Parallel zu dieser grundsätzlichen Neuorientierung der neuen Philologien im Umgang mit Texten vollzog sich in der Altgermanistik, allen voran im Editionswesen, die Hinwendung zur Handschrift als Träger und Vertreter eines tatsächlich rezipierten und historisch wirksam gewordenen Textes. Diese Hinwendung speist sich aus der Erkenntnis, dass das hehre Ziel der klassischen Textkritik L achmann scher Prägung, den einen vom Autor gewollten Text aus dem Dickicht der Überlieferung ans Tageslicht der Textausgabe zu führen, in vielen Fällen de facto nicht realisierbar ist, weil die Methode mit Prämissen operiert, die auf die mittelalterliche Überlieferungswirklichkeit volkssprachlicher Literatur oft nicht übertragbar sind. 326 Zur Verabschiedung von einer autor- und originalzentrierten Sicht hat neben solchen methodenkritischen Bedenken auch der Zweifel an der Vertretbarkeit einer editorischen Vorgehensweise geführt, die sich bei der Konstituierung des Autortextes oft durch eine als normativ gesetzte Vorstellung vom Autor, von seinem Stil und seinen Intentionen leiten ließ. 327 Zu erklären ist dieser als Binsenweisheit geltende Tatbestand durch einen Mangel an Subjekt-Objekt-Differenzierung, 328 ein Phänomen, das auch beim Umgang mittelalterlicher Schreiber und Redaktoren mit Autor und Text beobachtet werden kann: «In der Aneignung des Textes durch den Schreiber werden Subjekt- und Objektebene nicht getrennt, so daß die subjektiven Annahmen über den Autor (aber auch andere Präjudizierungen) einen ‹objektiven› Status annehmen, dem sich dann das eigentliche Tradierungsobjekt - der Text - unterordnen muß.» 329 Einer solchen Indienst- 68 Einleitung 325 Die verschiedenen Strömungen innerhalb der postmodernen Literaturtheorie (Poststrukturalismus, Rezeptionstheorie, Intertextualität, Diskurstheorie usw.) gewichten bei ihren Zugängen zum Text und beim Urteil über den Anteil eines Subjektes (nicht unbedingt dasjenige des Autors! ) an der Sinnkonstitution unterschiedlich, ja zum Teil wiedersprüchlich, s. dazu R. S chnell (1998), S. 27-39. 326 S. dazu den wegweisenden Aufsatz von S tackmann (1964/ 1997), S. 6f. Ergänzend dazu H ilgers (1973), S. 4-12, H över (1978) und S chweikle (1993). Kritisch zu dieser mittlerweile zum Forschungskonsens gewordenen Methodenkritik äußert sich S chröder (1996), S. 38-43. 327 Ein extremes Beispiel bietet die Reinmar-Ausgabe von C arl von K raus (1919), s. dazu H ausmann (1999), S. 4-6 und 27. Umsichtiger, aber dezidiert autorzentriert, geht auch N eumann in seiner Mechthild-Ausgabe vor, s. dazu meine Ausführungen in Kap. I.2. 328 Zur Frage nach dem Einfluss von vorgeprägten Autorkonzepten auf den edierten Text s. S tackmann (1983/ 1997) und S chnyder (2002). Vgl. auch H ausmann (1999), 29: «Wer den Autor nur als Produzenten in den Blick nimmt, ignoriert leicht den an sich trivialen Sachverhalt, daß er selbst den ‹Autor› als rezipientenseitige Vorstellung mit Hilfe des Textes erst hervorbringt.» 329 H ausmann (2000), S. 51. nahme des Autors, genauer der «Funktion Autor», 330 für Editions- und Interpretationszwecke steht man heute distanziert gegenüber, obwohl es nach wie vor ein Verständnis von Philologie gibt, methodische Bedenken gegenüber einer subjektzentrierten Position vor allem dann zu ignorieren, wenn der Philologe meint, durch die «diffuse Überlieferung» hindurch eine «Persönlichkeit mit eigener Handschrift», ein «dichterisches Talent» erkennen zu können, ein Individuum also, dem gegenüber er sich zur «Rückgewinnung eines ursprünglichen oder doch dem Ursprung angenäherten Textes» 331 verpflichtet fühlt. Um den methodischen Problemen zu entgehen, die bei kopialer und nicht autorisierter Überlieferung mit einem autorzentrierten und originalorientierten Ansatz verbunden sind, arbeitet man seit den sechziger Jahren zunehmend auf überlieferungsorientierter Basis. 332 Das Interesse richtet sich auf die Handschrift als «eine Größe sui generis und nicht nur Hilfsmittel auf dem Weg zurück zum Autor», 333 auf das historische Zeugnis also, das nicht für etwas anderes (das verlorene Original oder die verschüttete Autorintention), sondern in erster Linie für sich steht und in seiner spezifischen geschichtlichen Verfasstheit sowohl vom Editor als auch vom Literaturhistoriker ernst zu nehmen ist. Diesen Standpunkt vertrat die Würzburger Forschergruppe um K urt R uh am dezidiertesten. Ihre Forderung lautet, «das Leben der Texte im Spannungsfeld des Autors, der Bearbeiter, der vermittelnden Schreiber und Drucker sowie Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 69 330 F oucault definiert die «Funktion Autor» in seinem viel beachteten Essay «Was ist der Autor? » (in: J annidis 2000, S. 214) wie folgt: «Sie ist das Ergebnis einer komplizierten Operation, die ein gewisses Vernunftwesen konstruiert, das man Autor nennt» und weiter: «tatsächlich aber ist das, was man an einem Individuum als Autor bezeichnet (oder das, was aus einem Individuum einen Autor macht) nur die mehr bis minder psychologisierende Projektion der Behandlung, die man Texten angedeihen läßt.» 331 So S tackmann (1998), S. 30 und 32. Eine solche, von einer genieästhetisch fundierten Autor-Konzeption bestimmte Sicht auf die Überlieferung lässt selbst die neue Ausgabe des ›Fließenden Lichts‹ durch V ollmann -P rofe erkennen. Dies ist abzulesen nicht nur an einer Reihe von Anmerkungen im Kommentarteil, die den editorischen Grundsatz, nicht mehr nach dem Echten und Ursprünglichen zu fahnden, durchkreuzen (s. dazu ausführlich S. 56f. oben), sondern vor allem an einer Äußerung, in der V ollmann -P rofe (2003) ihr Verständnis gegenüber dem von N eumann befolgten, primär produktionsästhetischen Interesse mit der Begründung zum Ausdruck bringt, ein solches Interesse sei «angesichts eines so singulären Werkes wie des Fließenden Lichts nur zu verständlich» (S. 682). Vgl. auch V ollmann -P rofe (1994), S. 156, wo das ›Fließende Licht‹ als ein «in seiner Form einmaliges Werk der biographischen Gattung» definiert wird, und V ollmann -P rofe (2000), S. 153, wo die überlieferungsgeschichtliche «Sondersituation» (S. 146, Anm. 3) des Textes «in der Einmaligkeit der Form, in einem ›persönlichen Erfahrungsstil‹ und einer ›biographischen Struktur‹» gesehen wird. V ollmann -P rofe rekurriert auf diesen Singularitätsbeweis um Mechthild als «Herrin ihres Textes» (V oll mann -P rofe 2008b, S. 208) zu erweisen und auf diese Weise den Text für eine subjektorientierte Interpretation zu reservieren. 332 Zum Wandel der Editionsprinzipien in der germanistischen Mediävistik s. F romm (1995), S tackmann (1998) und B ein (2000). 333 F romm (1976), S. 50. des rezipierenden Publikums» 334 zu analysieren und editorisch zu dokumentieren, damit die «Überlieferungsgeschichte mittelalterlicher Texte als methodischer Ansatz zu einer erweiterten Konzeption von Literaturgeschichte» 335 führt. Die Abwendung von einer «Denkmäler-Literaturgeschichte» 336 und die Überzeugung, dass das Interesse des Editors und Interpreten dem sich im Überlieferungsprozess konstituierenden Text gelten soll, bedeutet für die Forschergruppe allerdings nicht, dass der Autortext zur «quantité négligable» 337 wird. Ihn wieder zu gewinnen, wird indes nur als eine der möglichen Optionen angesehen und grundsätzlich von der Beschaffenheit der Überlieferung abhängig gemacht. Denn der neue überlieferungsorientierte Editionstyp will im Unterschied zu einer dem persönlichen Ermessen des Herausgebers - altehrwürdig iudicium genannt - viel zu breiten Raum gewährenden Philologie «gerade an der Grenze, an der die »bloße Vermutung der Philologen« beginnt, haltmachen und sich auf das historisch Belegbare zurückziehen, auf die Redaktionen.» 338 Es wird demnach nicht nur dokumentiert, um die Entfaltung des Textes in die Überlieferung hinein editorisch zu verfolgen und die Filiation, die genealogische Abhängigkeit der einzelnen Zeugen zu bestimmen, sondern auch rekonstruiert, und zwar auf die Ausgangshandschrift der Überlieferung hin, die es allerdings auch im Plural geben kann. Ob man im Einzelfall eine oder mehrere Handschriften an den Anfang der Überlieferung setzt, herrscht dennoch Einigkeit darüber, dass die durch Textkritik und Stemma erschließbare Handschrift nicht notwendig den Autortext darstellen muss, sondern auch ein Redaktionstext sein kann. 339 Unabhängig davon, ob man sich nun für den Autor- 70 Einleitung 334 Zitiert aus dem ‹Gründungsmanifest› der Forschergruppe aus dem Jahre 1973, s. G rubmüller / J ohannek / K unze / M atzel / R uh / S teer (1973), S. 171. 335 So der Aufsatztitel von R uh (1985b). Mit einem solchen, die Geschichtlichkeit der Literatur betonenden Ansatz tut sich die Literaturgeschichtsschreibung allerdings immer noch schwer, s. B ein (2001), S. 28 bzw. (2002b) sowie neuerdings B umke (2005), S. 46. Einen vielversprechenden Ansatz, um der Geschichtlichkeit der Literatur Rechnung zu tragen, böte die von T hali (2009), S. 235 angeregte Untersuchung von Varianzphänomen im Kontext einer überlieferungsorientierten und regional perspektivierten Literaturgeschichte. 336 R uh (1985b), S. 172. 337 G rubmüller u.a. (1973), S. 160. Diese Ansicht teilen alle Vertreter der Würzburger Forschergruppe, s. S teer (1985a), S. 39, W illiams -K rapp (2000), S. 18 und L öser (2005a), S. 286. 338 S teer (1985a), S. 49. Die Tatsache, dass die literarhistorische Vorentscheidung des Editors die Textausgabe prägt, war den früheren Herausgebergenerationen zwar bekannt, allerdings haben sie den damit verbundenen methodischen Problemen wenig Bedeutung zugemessen, vgl. B ein (1999), S. 75f. Eine kritisch selbstreflexive Haltung im Umgang mit dem editorischen Mittel des iudicium ist indes durchaus angebracht, denn die Textausgabe wird nicht nur durch die Vorannahmen des Editors, sein prae-iudicium bestimmt (s. dazu oben Anm. 328), sondern auch durch die Tatsache, dass «jeder Herausgeber eines Textes mehr oder weniger bewusst in eine kulturell bzw. fachgeschichtlich vorgeprägte Editorenrolle schlüpft», die die Annahme einer «hypotetische[n] Autorenrolle» impliziert, so S tolz (2005), S. 27. 339 Exemplarisch für eine Edition auf der Grundlage kritisch erstellter Redaktionstexte ist die Ausgabe der ›Rechtssumme‹ Bruder Bertholds durch S teer (1987a), s. dazu S teer oder einen Redaktionstext als Editionsziel entscheidet, ist es wichtig, auf den vollzogenen Perspektivenwechsel im Umgang mit mittelalterlicher Textüberlieferung hinzuweisen, demzufolge es «grundsätzlich keine ›guten‹ und ›schlechten‹ (›verdorbenen‹, ›minderwertigen‹) Textzeugen» 340 gibt. Alle Handschriften haben einen «Eigenwert», 341 so dass sie «gleichermaßen sorgfältig zu untersuchen und zu beschreiben [sind].» 342 Trotz des textkritischen und stemmatologischen Vorgehens bei der Konstitution eines Editionstextes, das notwendigerweise zur Hierarchisierung der Überlieferung führt, fehlt - und das ist das eigentlich Neue und Wegweisende am Ansatz der Würzburger Forschergruppe - die Vorstellung eines «Authentizitätsgefälles.» 343 Dies liegt daran, dass die Überlieferung nicht an ihrer präsupponierten Autornähe gemessen wird. Die Handschriften werden also nicht nach dem Grad ihrer Fähigkeit taxiert, den authentischen Text zu bezeugen. 344 Dies befreit die Methode von jenem Subjektivismus, der einer nach den Kriterien ‹richtig›/ ‹falsch›, ‹echt›/ ‹unecht› urteilenden Philologie notwendigerweise anhaftet. Die überlieferungsgeschichtliche bzw. überlieferungskritische Edition wurde für Texte entwickelt, die «durch ihren vielfachen Gebrauch mit unterschiedlicher Zweckbestimmung eine offene Überlieferungsform aufweisen, d.h. zahlreichen Textmutationen ausgesetzt waren, ja z.T. in verschiedenen Redaktionen erscheinen.» 345 Der neue Editionstyp fragt nicht nach dem Text als statisches, vom Autor gesetztes Gebilde, sondern nach der Wirklichkeit eines «lebenden Textes.» 346 Er operiert also mit einem Textbegriff, der den Text als «dynamische Größe» versteht, die «sich erst im Prozeß der Überlieferung konstituiert.» 347 Seit der Forderung von K arl S tackmann , jede germanistische Textausgabe solle «aus vollständiger Kenntnis der Überlieferungsgeschichte hervorgehen», 348 ist ein solches Verständnis vom Text auch in anderen Bereichen der germanistischen Mediävistik festzustellen. Ausdruck für diesen Wandel, der die fach- Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 71 (1978) und S teer (1985b). Die ›Klage‹-Edition von B umke (1999) knüpft an diesen Editionstyp an (s. dazu weiter unten). 340 R uh (1978), S. 36f. 341 S teer (1978), S. 126. 342 R uh (1978), S. 37. Der Materialität der Überlieferung wird vor allem in den von der Forschergruppe herausgegebenen Untersuchungsbänden Rechnung getragen. Beobachtungen, die sich aus der spezifischen Materialität und Textualität der Überlieferungsträger ergeben, werden dann für die Interpretation von Textvermittlungsprozessen fruchtbar gemacht. Die Frage nach den Grenzen der Interpretierbarkeit von überlieferungsgeschichtlichen Daten in Verbindung mit textgeschichtlichen Befunden ist allerdings noch nicht ausdiskutiert, stellt W illiams -K rapp (2000), S. 13 auch im Blick auf die im editorischen und interpretatorischen Bereich aktuelle Diskussion um den Umgang mit Varianz fest. 343 H ilgers (1973), S. 403. 344 Vgl. S teer (1978), S. 122. 345 R uh (1978), S. 35. 346 H över (1978), S. 131. 347 K irchert (1985), S. 54. 348 S tackmann (1964/ 1997), S. 24. interne Diskussion um einen adäquaten editorischen und interpretatorischen Umgang mit mittelalterlichen Texten aus dem Bereich der volkssprachlichen Literatur seit einiger Zeit bestimmt, ist die Rede vom ‹offenen› oder ‹unfesten› Text. 349 Auslöser dieses verstärkten Interesses an der mittelalterlichen Überlieferungswirklichkeit und Textualität, das spätestens seit Anfang der neunziger Jahre die engeren Grenzen der Editionswissenschaft überschritten hat, war die New Philology, 350 die mit ihren zum Teil provokativen Thesen das Fach zur Neubestimmung seines Selbstverständnisses zwang. Ich greife im Folgenden nur die für meine weitere Argumentation wichtigen Aspekte der altgermanistischen Debatte um Text, Autor und Edition heraus, die von der New Philology ausgelöst wurde. Die Offenheit der Texte zu propagieren, ist auch für die Vertreter der New Philology eine wichtige Angelegenheit, was auch nicht weiter verwundert, wenn man sich vergegenwärtigt, aus welchen Quellen sich der Ansatz eigentlich speist. Dies ist die moderne Literaturtheorie im Gefolge von B arthes und F oucault , die gegen jede Festlegung des Sinnes, vor allem durch die Autorinstanz, seit den sechziger Jahren Sturm läuft. 351 So behauptet etwa B arthes : «Sobald ein Text einen Autor zugewiesen bekommt, wird er eingedämmt, mit einer endgültigen Bedeutung versehen, wird die Schrift [écriture] angehalten.» 352 Mit anderen Worten: Erst die Verabschiedung vom Autor - B arthes fordert bekanntlich seinen Tod - garantiert, dass die «écriture» weiter geht. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Leser, denn «écriture» setzt sich ja erst im Dialog mit ihm fort. Diesen Theoremen begegnet man bei B ernard C erquiglini , einem der einflussreichsten Theoretiker der New Philology, in einer auf die mittelalterlichen Überlieferungsverhältnisse angewandten Form wieder. 353 C erquiglini ist der Ansicht, der vom Autor gesetzte Text zähle im Mittelalter wenig 72 Einleitung 349 Den Begriff des ‹offenen Textes› hat K ühnel (1976) als erster geprägt. Vom ‹unfesten Text›, dessen Kennzeichen sei, dass er «nicht durch ein Autorbewußtsein in der Tradierung konsistent gehalten wird», ist meines Wissens zuerst bei F romm (1976), S. 49 und S pechtler (1976), S. 229 die Rede. Von einer solchen überlieferungsgeschichtlich bedingten Offenheit des mittelalterlichen Textes ist der postmoderne Gebrauch des Begriffes kategorisch zu trennen, s. dazu R. S chnell (1998), S. 28 und B aisch (2006), S. 30f. 350 Vgl. die Beiträge in der Zeitschrift Speculum. A Journal of Medieval Studies 65 (1990), Nr. 1 sowie C erquiglini (1989). 351 Zu den theoretischen Hintergründen des ‹neo-philologischen› Ansatzes s. R. S chnell (1998) und L öser (2004).Vgl. dazu demnächst auch L öser (2010). 352 B arthes «Der Tod des Autors», in: J annidis (2000), S. 191. 353 Dass sich der von C erquiglini vorgetragene Textbegriff «strukturell affin zum écriture- Konzept in der Nachfolge von Roland Barthes und Jacques Derrida» erweist, betont auch B aisch (2006), S. 26. B aisch weist jedoch auch darauf hin, dass bei dem von C er quiglini vorgenommenen Transfer eine Verwechslung der begrifflichen Ebenen vorliegt, denn die mit «écriture» implizierte Offenheit des Textes ist in der poststrukturalistischen Literaturtheorie eine semiotische Kategorie, die sich «auf den Aspekt der Textbedeutung schlechthin [bezieht], der zunächst unabhängig von der linguistischen Varianz gedacht ist» (S. 30f.). gegenüber der «incessante récriture d’une œuvre qui appartient à celui qui, de nouveau, la dispose et lui donne forme.» 354 Mit seinem Konzept von «récriture» antwortet C erquiglini auf die Forderung von B arthes , die Schrift («écriture») nicht anzuhalten. Ist es in dem von B arthes entwickelten Modell der Leser, der das Fortbestehen von «écriture» garantiert, so wird bei C er quiglini und den ‹Neuen Philologen› seine Funktion vom mittelalterlichen Schreiber übernommen: Seine «récriture» soll immer neue Lesarten und (immer sinnvolle) Varianten hervorgebracht haben. C erquiglini wendet sich, wie die Autoren des Speculum-Bandes «The New Philology», gegen eine Philologie, die, weil auf die Rekonstruktion des einen stabil gedachten Autortextes fixiert, auf die größtmögliche Reduktion der Varianz gedrängt hat. Ein solches Verständnis von mittelalterlicher Textualität verkennt, wie C erquiglini betont, die Wirklichkeit einer tradition vivante, da folgendes gilt: «l’écriture médiévale ne produit pas des variantes, elle est variance» (S. 111). Demzufolge muss der Philologe sein Interesse der Handschrift, dem konkreten Produkt des mittelalterlichen «manuscript culture» 355 widmen. Er wird angehalten, die Handschrift in ihrer jeweiligen historischen Erscheinungsform zu interpretieren und zu edieren. Auf Hierarchisierungsversuche mittelalterlicher Überlieferungsträger mittels Textkritik soll er, fordert C erquiglini , verzichten und das Überlieferte in seiner Varianz präsentieren, und zwar in Form von unbearbeiteten Handschriftenabdrucken, gilt es doch die «pensée textuaire» (S. 43) der alten, K arl L achmann verpflichteten Editorenschule durch eine «philologie posttextuaire» (S. 115f.) zu überwinden, 356 denn: «chaque manuscrit est un remaniement, une version» (S. 62). Die hier avisierte Justierung der Philologie betrifft indes nicht nur die Editorik, sondern auch den ihr und der Literaturwissenschaft überhaupt zugrunde liegenden Text- und Autorbegriff. Das Postulat, die mittelalterliche Überlieferung sei grundsätzlich variant und alle Handschriften seien in ihrer Varianz als gleichwertig anzusehen, verbietet für C erquiglini nicht nur die (textkritisch motivierte) Frage nach dem Original, sondern die Idee des Originals überhaupt. Es gibt nur das «œuvre scribal» (S. 58), und auch dies nur als Pluraletantum. Wenn wir aber nur noch mit Texten, deren Kennzeichen «variance» ist, und mit Schreibern zu tun haben, denen als Produzenten von «variance» eine quasi-auktoriale Position zukommt, dann muss man sich von der Vorstellung sowohl vom Original als auch vom Autor verabschieden. Tatsächlich liest man bei C erquiglini : «L’auteur n’est pas une idée médiévale.» 357 Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 73 354 C erquiglini (1989), S. 57. 355 Vgl. den programmatischen Aufsatz von N ichols (1990). 356 Vgl. auch F leischmann (1990), S. 25: «The philologist’s task should be comparison, not archeology, since the latter reduces to singularity what acquires meaning precisely through plurality, through variation.» F leischmann schließt hier unmittelbar an C er quiglini (1989), S. 68 an: «l’analyse doit être comparative, et non pas archéologique.» 357 C erquiglini (1989), S. 25. Vgl. dazu B arthes «Der Tod des Autors», in: J annidis (2000), S. 186: «Der Autor ist eine moderne Figur» («L’auteur est un personage moderne»). Konfrontiert man die Forderungen der New Philology mit dem Wandel, der in vielen Bereichen der Altgermanistik, genauer der Editorik, seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts nachzuweisen ist und mit der Würzburger Forschergruppe eine institutionalisierte Form erlangt hat, so erweist sich das angeblich Neue in vielen seinen Facetten als altbekannt und von der überlieferungsgeschichtlichen Methode vielfach antizipiert. 358 Die Rückbesinnung auf die Materialität und Medialität der mittelalterlichen Überlieferung, das Hinnehmen ihrer Varianz und der Versuch, sie editorisch adäquat zur Darstellung zu bringen, sowie die Revision von einseitig auf Autor- und Echtheitsprobleme bezogenen Betrachtungsweisen, all dies ist in die altgermanistische Editionspraxis längst eingegangen. 359 Die New Philology hat hier einiges übersehen. 360 Neu ist hingegen die Verbindung philologischer Fragestellungen mit den Thesen unterschiedlicher Strömungen der postmodernen Literaturtheorie. 361 Vor allem die Kritik des traditionellen Autor- und Werkbegriffes scheint eine Faszination ohnegleichen auf die Vertreter der New Philology ausgeübt zu haben. Man hat den Eindruck, als hätte der Ruf nach der Verabschiedung vom Autor zugunsten des Schreibers und nach der Auflösung des Werkes in eine Vielzahl von Einzeltexten mit Originalitätsanspruch seine eigentliche Stoßkraft von der Theoriediskussion und nicht von der Forschung zur Überlieferung gewonnen. 362 Dies würde die Frage nach der Gültigkeit der Thesen der New Philology für das deutsche Mittelalter aufwerfen, gäbe es nicht kritische Ansätze innerhalb der ‹Älteren Philologie›, die in die gleiche Richtung weisen (s.o.). Diese Koinzidenz ist selbst dann bemerkenswert, wenn man der Art 74 Einleitung Dabei muss mit B aisch (2006), S. 40 betont werden, dass B arthes wie auch F oucault nicht die Existenz des ‹Autors-als-Produzenten› problematisieren, sondern gegen den ‹Autorals-Interpretament› argumentieren, eine Unterscheidung, die bei C erquiglini fehlt. 358 Zu den Konfliktpunkten der ‹alten› und ‹neuen› Philologie aus einer systematischen Perspektive s. S trohschneider (2002). 359 Vgl. die ausgewogene Würdigung des ‹neuphilologischen› Ansatzes durch S tackmann (1993) und (1994). Inzwischen wurde New Philology in Material Philology umgetauft und damit auch die eigentliche Stoßrichtung des Ansatzes terminologisch genauer gefasst: «Material philology takes as its point of departure the premise that one should study or theorize medieval literature by reinserting it directly into the vif of its historical context by privileging the material artefact(s) that convey this literature to us: the manuscript», N ichols (1997), S. 10f. (Kursivierung von N ichols ). 360 Angesichts der Tatsache, dass ähnliche Entwicklungen auch in den romanischen Philologien, aus denen die Vertreter der New Philology ja rekrutieren, stattgefunden haben (vgl. R. S chnell 1998, S. 42f., Anm. 117), fragt man sich, ob die fehlende Notiz über die Entwicklungen in der Altgermanistik und Alt-Italianistik aus Unkenntnis zu erklären ist oder ob es sich um den Versuch handelt, mit der vermeintlich diskursbestimmenden L achmann -Methode ein Feindbild aufzubauen und eine Kontrastfolie zu schaffen, damit die eigene Position ein umso deutlicheres Profil erlangt. 361 Dies begründet die immer noch nicht versiegte Wirkung der New Philology, meint G ärtner (2007), S. 12. 362 So R. S chnell (1997), S. 85 bzw. (1998), S. 13 und 15. und Weise, wie Vertreter der New Philology moderne Theoreme auf die mittelalterliche Literatur übertragen, nämlich mechanisch und undifferenziert, skeptisch gegenüber steht. Skeptisch stimmt der ‹neo-philologische› Kurzschluss, aus der Nicht-Rekonstruierbarkeit eines Originals die These des gänzlichen Fehlens von Originalen in den volkssprachlichen Literaturen des Mittelalters abzuleiten - wobei Original nicht notwendigerweise nur das Produkt eines einzigen schöpferischen Individuums darstellen muss. 363 Auch der These, der Autor sei keine mittelalterliche Idee, wird man schwerlich zustimmen können. 364 Nicht viel anders verhält es sich mit der von C erquiglini und den Autoren des Speculum-Sonderheftes angestrebten «Essentialisierung des Begriffs Varianz», 365 aus der die Forderung nach der Verabschiedung vom textkritischen Denken abgeleitet wird. Dem wird zum einen entgegengehalten, dass nicht alle Varianten, die die mittelalterliche kopiale Überlieferungspraxis hervorbringt, gleich sinnvoll und interpretationsrelevant sind, 366 da unter ihnen zuweilen auch Fehler zu finden sind, die auch als solche erkannt werden können und erkenntlich gemacht werden müssen. Zum anderen wird in Abgrenzung zu einer Position, die an die Stelle des einen Extremen, des als absolut stabil gedachten Textes, das andere Extrem, den absolut instabilen, Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 75 363 Ausgehend vom «›kollektive[n]‹ Autograph» der ›Schwarzwälder Predigten‹ macht H.-J. S chiewer (1996), S. 60-63 auf das bislang wenig beachtete Phänomen der arbeitsteiligen Literaturproduktion aufmerksam: Hier sind Originale grundsätzlich als Produkte einer Autoren- oder Arbeitsgruppe anzusehen. S. dazu auch S. 305ff. weiter unten. 364 Da ich auf die Frage, wie angesichts der mittelalterlichen Überlieferungsverhältnisse angemessen und historisch differenziert von Autorschaft gesprochen werden kann, im Laufe der Arbeit (vgl. Kap. III) näher eingehen werde, verweise ich hier auf die Beiträge von R. S chnell (1998) und L öser (2005a), die diesen Fragekomplex vor dem Hintergrund der ‹neo-philologischen› Provokation eingehend diskutieren. 365 W arning (2007), S. 18, Anm. 83. 366 Bereits S tackmann (1964/ 1997) hat aus editionstechnischen Gründen die Unterscheidung zwischen iterierenden und Präsumptivvarianten eingeführt. Auch die überlieferungsgeschichtliche Methode hat nie daran gezweifelt, zwischen Primär- und Sekundärvarianten unterscheiden zu können, ohne dabei die Absicht zu hegen, daraus einen Authentizitätsbeweis abzuleiten. Dies soll freilich nicht ausschließen, dass Entstehungs- und Überlieferungsvarianten unter besonders günstigen Bedingungen voneinander geschieden werden können, vgl. R. S chnell (1998), S. 51f. und L öser (2005a), S. 287. Die Frage nach der Hierarchisierung der Varianten ist indes nicht nur im Bereich der Editorik, wo es ja um die adäquate und übersichtliche Präsentation der Überlieferung geht, von besonderer Bedeutung, sondern auch für die Interpretation, wohlwissend, dass beide schwer voneinander zu trennen sind. In diesem Sinne fordert S chubert (2000), S. 43 in seinem Referat zum «Stand und Fortgang der Varianzforschung» eine «Systematik der Varianten, welche die Entstehungsmöglichkeiten klassifiziert und ihre Relevanz für die Textuntersuchung bestimmt.» Vgl. dazu auch S chubert (2003) und jetzt H asebrink (2009) bzw. demnächst die Freiburger Dissertation «Erstellung einer Varianztypologie für mittelhochdeutsche Verserzählungen» (Arbeitstitel) von H elen K urss . Einem alles nivellierenden Umgang mit Varianz, wie sie von der New Philology propagiert wird, steht man also skeptisch gegenüber. nicht einem Herausgeber im traditionellen Sinne, sondern nur noch der Transliteratoren bzw. Dokumentatoren bedürfenden Text setzt, davor gewarnt, nicht alle Varianten über einen Kamm zu scheren und auch dem Phänomen der invariance Rechnung zu tragen. 367 Erst eine solch differenzierte Vorgehensweise, die ohne die von der New Philology verschmähte Textkritik und einen mit Bedacht gehandhabten Fehlerbegriff kaum denkbar ist, ermöglicht es, Varianz zum Sprechen zu bringen. Denn in der überlieferten Handschrift dokumentieren sich unter Umständen mehrere Schichten des Gebrauchs, die erst aufgedeckt werden müssen, um im Idealfall die Eigenanteile der Varianz generierenden Schreiber zu bestimmen, die jeweilige Textschicht historisch zu situieren und Varianzphänomene interpretierbar zu machen. Die von der New Philology vorgeschlagene Editionsform des schlichten Paralleldruckes, «der alles Überlieferte nebeneinander stellt, leistet das nicht, weil er das historisch Differente ahistorisch auf eine Ebene projiziert und so den Überlieferungsbefund gerade verfehlt.» 368 Es wäre indes ungerecht, nur auf die philologischen Defizite der New Philology hinzuweisen. Die situative Anbindung der Handschrift in einen historischen Rezeptionszusammenhang, der Versuch ihrer Rekontextualisierung, zwei Anliegen also, die sich der in ‹Material Philology› umgetaufte Ansatz auf die Fahnen geschrieben hat, erlauben es, ihn auch für kommunikationstheoretische und -pragmatische Fragestellungen fruchtbar zu machen. 369 Zudem fügt sich der Ansatz, der sich von der Idee des einen Textes und einer mehr oder weniger verfälschenden Überlieferung trennt und sich stattdessen dem Prozess der (autorunabhängigen) Wieder- und Neuverschriftlichung zuwendet, in einen Wandel, der sich in der Altgermanistik schon seit längerer Zeit anbahnt. Es geht dabei um ein Textverständnis, das den Text als «transitorisches Resultat von ›Arbeit‹» begreift, von «Arbeit an einem Stoff, einem literarischen Motiv, 76 Einleitung 367 S. dazu J.-D. M üller (1999), S. 162f. und W olf (2002), S. 180-185. Weiterführend R. S chnell (1997), S. 93 und S trohschneider (1997). Dass das Mittelalter nicht nur die «Éloge de la variante» (C erquiglini ), sondern auch eine «Éloge de l’invariabilité» (M artin B aisch ) erlaubt, dass es also neben Varianzphänomenen auch ein Bewusstsein von und ein Bedürfnis nach festen Texten gibt, betont R. S chnell (1998), S. 58-62. S. dazu auch die Aufsätze von K laus G rubmüller und B runo Q uast mit zahlreichen Belegen zu einem produzentenseitigen Originalitätsbewusstsein in P eters (2001a), S. 8-33 und 34-46 sowie meine Hinweise zu einem rezipientenseitigen Interesse am Original auf S. 361ff. weiter unten. 368 J. H einzle (2003), S. 10 (Kursivierung von J. H einzle ). 369 Vgl. S trohschneider (1997), S. 72f. Von hier aus entwickelt S trohschneider die Vorstellung vom ‹Text als Handlung›, eingelassen in die zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit oszillierenden Kommunikationszusammenhänge mittelalterlicher Kultur, s. S troh schneider (1999). Hinführend auf das von N ichols vertretene Konzept der «Material- Philology» wirkt das Votum von P eters (2007), S. 85-88 für ein «materialphilologisches Textverständnis» (S. 88), das die Wideraufnahme der germanistischen Text-Kontext- Diskussion der siebziger Jahre propagiert und sich für deren Rückbindung an die Überlieferung, den konkreten Rezeptionszeugen, plädiert. einem Konzept.» 370 Für dieses Phänomen wurde kürzlich der Begriff «Retextualisierung» geprägt. 371 Anschlussfähig erwies sich der Ansatz auch aus der Sicht der Diskussion, die innerhalb der altgermanistischen Editionswissenschaft seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts geführt wird und um die Fragen kreist, wie mit Varianz editorisch und interpretatorisch adäquat umzugehen ist und welche Auswirkungen sie auf den Text- und Autorbegriff hat. Als ausgemacht gilt, dass die New Philology wenig Substantielles zur Klärung dieser Probleme, allen voran im Bereich der Editorik, beigetragen hat. Ihre forschungsgeschichtlich wichtige Funktion ist dennoch nicht abzustreiten, hat sie doch zur Stärkung des Problembewusstseins des Faches und zur Bündelung vorhandener Forschungsenergien geführt. Die Folge ist, dass nun methodisch reflektiert und philologisch fundiert an einer Beschreibung des Status mittelalterlicher Textualität gearbeitet wird. Einen wichtigen Beitrag zu dieser Diskussion stellt die «monumentale Streitvorlage» (H ans -J ochen S chiewer ) von J oachim B umke aus dem Jahre 1996 dar. 372 Ihr sollen meine folgenden Ausführungen gelten, weil hier vor dem Hintergrund der Überlieferungsgeschichte und der Textkritik der höfischen Epik zentrale Fragen literaturwissenschaftlichen Arbeitens diskutiert werden: Wie sieht ein Textbegriff aus, der sich nicht an den Bedingungen der Buchkultur des 19. Jahrhunderts orientiert, sondern der Überlieferungswirklichkeit mittelalterlicher Literatur (Varianz, unfeste Textlichkeit) gerecht werden will? Wie setzt man einen solchen, historisch determinierten Textbegriff mit Autor und Werk, den beiden klassischen Größen der traditionellen Literarhistoriographie, in Relation? Ist eine solche Relationierung überhaupt gerechtfertigt angesichts der Pluralität der Instanzen, die sich durch ihre Beteiligung an der (Re-)Produktion und Distribution von Texten sich zwischen den Autor und den heutigen Leser schieben? Fast zur gleichen Zeit, als C erquiglini und die Autoren des Speculum- Sonderheftes «The New Philology» das «Lob der Variante» verkünden und der Suche nach der einzig authentischen Lesart die Absage erteilen, veröffentlicht B umke einen Aufsatz, in dem er Varianten eine «prinzipiell[e] Gleichgewichtigkeit» zugesteht und dazu auffordert, man solle sich bei der Sichtung der Überlieferung von der Vorstellung befreien, «daß von zwei konkurrierenden Lesungen immer eine richtig und die andere falsch sein müsse, allenfalls beide fehlerhaft, aber nicht beide richtig.» 373 Ein früher New Philologist unter den Altgermanisten, würde man meinen, hieße es nicht gleich im Anschluss an die eingeforderte prinzipielle Gleichgewichtigkeit der Varianten: «Gleichgewichtigkeit bedeutet natürlich nicht Gleichwertigkeit: nicht selten ist die eine Lesart deutlich besser, passender, anspruchsvoller oder dem Wortgebrauch Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 77 370 J.-D. M üller (1995), S. 450. 371 Vgl. dazu die Beiträge in B umke / P eters (2005) sowie S teinmetz (2005). 372 Vgl. B umke (1996a). 373 B umke (1991), S. 266. des Autors [! ] gemäßer als die andere.» 374 Wenn B umke bei der Unterscheidung der Varianten auf das wertende Urteil des Philologen abhebt, der bei seinen textkritischen Entscheidungen gegebenenfalls auch den Wortgebrauch des Autors zu berücksichtigen hat und gleichzeitig für einen unvoreingenommenen Zugang zur Überlieferung plädiert, damit die Varianz in ihrer prinzipiellen Gleichgewichtigkeit ernst genommen wird, so scheint sich in diesem Aufsatz von B umke noch eine Auffassung von mittelalterlicher Textualität widerzuspiegeln, die das Existenzrecht des Autortextes - den es auch im Plural geben kann 375 - und den Anspruch, ihn zu erschließen, nicht grundsätzlich in Frage stellt, sondern ergänzend dazu eine eingehende Beschäftigung mit den historischen, von Varianz gezeichneten Existenzformen des Autortextes, den Fassungen, einfordert. Man liest nämlich: Die Aufgabenstellung der traditionellen Textkritik wird davon [vom Vorliegen von Fassungen] kaum berührt. Die Frage nach dem echten Text behält ihr Gewicht; und von diesem Standpunkt aus wird es als die vordringliche Aufgabe erscheinen, in möglichst vielen Fällen zu klären, welche Fassung jeweils den Rang einer Autorversion beanspruchen kann und welche als sekundär anzusehen ist. Es geht nicht darum, das klassische Ziel der Textkritik, die Wiedergewinnung des originalen Wortlauts, weniger ernst zu nehmen als bisher; vielmehr plädiert dieser Exkurs dafür, daß die textkritische Forschung im Bereich des höfischen Romans daneben auch dem Phänomen der «gleichwertigen Parallelversionen» ihre Aufmerksamkeit zuwendet. 376 Fünf Jahre später heißt es dagegen: Man kann daran festhalten, daß ein höfisches Epos von einem bestimmten Autor verfaßt worden ist, daß der Originaltext verlorengegangen ist und daß mehrere Fassungen überliefert sind, von denen nicht sicher ist, in welchem Verhältnis sie zum Original stehen. Aber das ist sozusagen nur ein theoretischer Standpunkt. Die Realität der Überlieferung sieht so aus, daß man es immer schon mit verschiedenen Fassungen zu tun hat, so weit man die Überlieferungsgeschichte zurückverfolgen kann. […] Was textgeschichtlich vor diesen Fassungen liegt, läßt sich nicht berechnen. Damit verschiebt sich der Werk-Begriff vom Original auf die Fassungen. 377 Der Autor als Begründungsinstanz textkritischer Entscheidungen taucht 1996 nicht mehr auf, der Wiedergewinnung des originalen Wortlauts wird eine klare Absage erteilt. Diesen Sinneswandel meinte W erner S chröder - er spricht von der «Enteignung der mittelhochdeutschen Dichter zugunsten von Schreibern, Redaktoren, Herstellern von handschriftlichen Versionen» 378 - 78 Einleitung 374 B umke ebd. 375 Vgl. B umke ebd., S. 301, Anm. 178. 376 B umke ebd., S. 301. 377 B umke (1996a), S. 48. 378 S chröder (1998), S. 172. mit der Begegnung B umke s mit C erquiglini erklären zu können. Dem muss aber entgegnet werden, dass B umke s Beweisführung und sein streng überlieferungs- und textgeschichtlich orientierter Ansatz nirgends den Einfluss der Theoreme erkennen lassen, die die New Philologists aus der Übertragung postmoderner Theorien auf das Mittelalter entwickelt haben. 379 Denn B umke zeigt keinerlei Interesse, sich mit diesen Theoremen zu beschäftigen, geschweige denn kritisch auseinanderzusetzen, obwohl es zweifellos gewisse Gemeinsamkeiten zumindest in der Stoßrichtung gibt. 380 Wie schon die New Philology zweifelt auch B umke an der Berechtigung der Annahme, die Überlieferung sei ein stetig voranschreitender Prozess der Textverschlechterung, des Abfalls von dem einen, stabil gesetzten und auktorial autorisierten Text, dem Original, ein Prozess, dem editorisch dadurch abzuhelfen sei, dass man ihn umkehrt und die Varianzphänomene reduziert, bis die ursprüngliche Textgestalt hinter der Vielfalt der Überlieferungsformen wieder aufscheint. Während der ‹neo-philologische› Ansatz, der von der Überzeugung ausgeht, die «variance» der mittelalterlichen Überlieferung mache die Rekonstruktion des Originals obsolet, und der dieser Vorgehensweise mit einem gänzlichen Verzicht auf textkritisches Denken begegnet und für die Gleichgewichtigkeit, ja, die prinzipielle Gleichwertigkeit aller handschriftlichen Zeugnisse plädiert, hält B umke daran fest, dass Varianten klassifiziert und Handschriften hierarchisiert werden können und sogar müssen. Denn sonst gäbe es keine Möglichkeit, die mittelalterliche Überlieferung in ihrer viel besagten Unfestigkeit und Offenheit zu erfassen und angemessen zu beschreiben. Den Zugang zur Beschreibung der Dynamik der mittelalterlichen Handschriftenkultur sucht B umke nicht über die Einzelhandschrift, wie die New Philology, sondern über die Bestimmung von Handschriftengruppen. Diese Gruppen werden Fassungen genannt. Von Fassungen spreche ich wenn 1. ein Epos in mehreren Versionen vorliegt, die in solchem Ausmaß wörtlich übereinstimmen, daß man von ein und demselben Werk sprechen kann, die sich jedoch im Textbestand und/ oder in der Textfolge und/ oder in den Formulierungen so stark unterscheiden, daß die Unterschiede nicht zufällig entstanden sein können, vielmehr in ihnen ein unterschiedlicher Formulierungs- und Gestaltungswille sichtbar wird; und wenn 2. das Verhältnis, in dem diese Versionen zueinander stehen, sich einer stemmatologischen Bestimmung widersetzt, also kein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne der klassischen Textkritik vorliegt, womit zugleich ausgeschlossen wird, daß die eine Version als Bearbeitung der anderen definiert werden kann; viel- Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 79 379 Auch S trohschneider (1998), S. 107 macht darauf aufmerksam, dass der Autor hier «nicht auf dem Wege einer (post-)strukturalistischen Kategorienreflexion, sondern auf sozusagen handfest empirisch-philologische Weise […] zur jedenfalls historisch uneinholbar gewordenen Kategorie erklärt wird.» 380 Freilich situiert B umke seinen Ansatz in der aktuellen, von der New Philology angestoßenen Diskussion um den Umgang mit mittelalterlicher Textualität, s. B umke (1996a), S. 55. mehr muß aus dem Überlieferungsbefund zu erkennen sein, daß es sich um «gleichwertige Parallelversionen» handelt. 381 Wie der Definition entnommen werden kann, wird Gleichwertigkeit nicht nur an inhaltlich-formale Kriterien gebunden, sondern zusätzlich stemmatologisch abgesichert. Fassungen sind demnach nicht per se gegeben, sondern müssen rekonstruiert werden. Dabei geht B umke traditionell textkritisch vor. Die Überlieferung wird gesichtet und in Handschriftengruppen aufgeteilt, die Handschriften innerhalb der Gruppen hierarchisiert, der dem Ausgangspunkt der einzelnen Gruppen (oft sind es zwei) am nächsten stehende (oft der älteste) Textzeuge ermittelt und seine mit Sicherheit identifizierbaren Individualvarianten unter kritischer Berücksichtigung der sonstigen Handschriften der jeweiligen Gruppe auf den ursprünglichen Fassungstext hin zurückgeführt. Nach der Nähe des auf diese Weise erschlossenen Fassungstextes zum Original wird nicht gefragt. Dass dies kein Zugeständnis an die New Philology darstellt, muss gegenüber einigen Rezensenten betont werden, die das Verdienst von B umke gerade darin sehen wollten, «daß er gegenüber dem auktorial autorisierten Original bzw. dem einen Archetypus der alten Philologie wie gegenüber der offenen Vielzahl je einzelner Handschriften bei den New Philologists gewissermaßen die Zwischenstufe einer begrenzten Anzahl von ‹Fassungen› stark macht.» 382 Doch haben wir es nicht mit einem «‹New Philology›-Ansatz» 383 zu tun, sondern mit einer in der germanistischen Mediävistik bekannten und oft mit Erfolg angewandten Methode, die eine breite und variante Überlieferung editorisch aufzuarbeiten vermag. Es handelt sich um den bereits angesprochenen überlieferungsgeschichtlichen Ansatz, genauer um das von G eorg S teer für die Ausgabe der ›Rechtssumme‹ Bruder Bertholds entwickelte Verfahren, das bei B umke s ›Klage‹-Edition Pate gestanden zu haben scheint. 384 S teer charakterisiert seine Vorgehensweise wie folgt: «Der editorische Schnitt wurde nicht an der ‹Spitze› der Textüberlieferung (Original, Archetyp) [Paradigma der ‹alten› Philologie, B.J.N.] oder deren ‹Ende› (Einzelhandschrift) [Programm der ‹neuen› Philologie, B.J.N.] gelegt, sondern in der ‹Mitte›, auf der Ebene der Redaktionen.» 385 An der gleichen Stelle legt auch B umke seinen «editorischen Schnitt» an, nur spricht er nicht von Redaktionen, sondern von Fassungen (zum konzeptionellen Unterschied zwischen diesen beiden Termini s. weiter unten). 80 Einleitung 381 B umke (1996a), S. 32. Zitat im Zitat: S tackmann (1964/ 1997), S. 22. 382 S trohschneider (1998), S. 114. Ähnlich L ienert (2000), S. 368, H ausstein (1999), S. 44 und S tackmann (2001), S. 381. Kritisch dazu W illiams -K rapp (2000), S. 11f. 383 So W olf (2002), S. 186. 384 Zwar lässt B umke (1996a), S. 4 im Zusammenhang mit der seit den siebziger Jahren zu beobachtenden methodischen Neuorientierung des Faches die überlieferungsgeschichtliche Methode nicht unerwähnt, verzichtet jedoch darauf, die Überschneidungen zwischen seiner Methode und der von der Würzburger Forschergruppe in filigranen Nachweisketten zu dokumentieren. 385 S teer (1985a), S. 46. Die Tatsache, dass B umke diesen Ansatz von S teer zum Vorbild nimmt, um über die verzweigte Überlieferung der ›Klage‹ editorisch Herr zu werden und ein umfassendes theoretisches Modell über die Entstehung und Überlieferung von den Texten aus dem Bereich der höfischen Epik zu entwerfen, erkennt man gleich, wenn man sich jenem Aufsatz von S teer zuwendet, dem der gerade eben zitierte Passus entstammt und dem B umke die zentrale Frage seiner «Untersuchungen» verdankt. Diese Frage lautet: «Wie weit müssen Textausformungen eines Werkes divergieren, daß sie als unterschiedliche Fassungen dieses Werkes angesprochen und unter editorischem Aspekt als verschiedene Texte behandelt werden müssen? » 386 Um diese Frage beantworten zu können, müssen Fassungen, so S teer , zunächst einmal erschlossen werden, und zwar auf dem Weg der Rekonstruktion: «Die Textform, die letztlich als Fassung angesprochen werden kann, muß in textarchäologischer Feinarbeit aus dem Chaos der Varianten eines Textes herausgelöst werden.» 387 Diese rekonstruierten Textformen können ihrerseits nur dann als Fassungen bezeichnet werden - mit Hinblick auf sein Fallbeispiel, die ›Rechtssumme‹ Bertholds, spricht S teer allerdings von «Redaktionen» -, wenn sie genetisch nicht unmittelbar miteinander verbunden sind, ergo nicht voneinander abgeleitet werden können. Die editorische Konsequenz lautet, dass solche stemmatologisch voneinander unabhängigen Texte als «parallele Redaktionen» 388 anzusehen - S teer hat, wie schon erwähnt, die Textgeschichte der ›Rechtssumme‹ vor Augen - und synoptisch zu präsentieren sind. Die von S teer formulierte Grundvoraussetzung zum Vorliegen von Redaktionen, d.h. der Nachweis der fehlenden genealogischen Verbindung zwischen zwei, aus der Überlieferung erschlossenen Textformen, scheint in B umke s Fassungsdefinition eingegangen zu sein (s. oben Anm. 381 mit Text). Diese methodischen Gemeinsamkeiten dürfen indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass grundsätzliche Unterschiede in der Bewertung jener Textformen auszumachen sind, die bei S teer Redaktionen, bei B umke Fassungen genannt werden. Im Unterschied zu S teer , der die Begriffe Fassung und Redaktion synonym zu verwenden scheint (s. Zitate im vorangehenden Absatz), spricht B umke konsequent von Fassungen und nimmt eine zusätzliche Differenzierung zwischen Fassung und Bearbeitung vor: Unter einer Bearbeitung verstehe ich eine Textfassung, die eine andere Version desselben Textes voraussetzt und sich diesem gegenüber deutlich als sekundär zu erkennen gibt. Für Fassungen dagegen ist kennzeichnend, daß sie keine Bearbeitungen sind, das heißt gegenüber anderen Versionen nicht als sekundär zu erweisen sind, sondern Merkmale der Originalität aufweisen. 389 Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 81 386 B umke (1996a), S. 32 zitiert hier S teer (1993), S. 115. 387 S teer (1993), S. 117 (Kursivierung von S teer ). 388 S teer ebd. 389 B umke (1996a), S. 45f. Dass B umke s Fassungen nicht gegen S teer s Redaktionen ausgetauscht werden können, erkennt man am folgenden Umstand: Zwar ließe sich das Kriterium des eigenen Formulierungs- und Gestaltungswillens, den B umke für Fassungen reklamiert (s. oben Anm. 381 mit Text), auch auf S teer s «parallele Redaktionen» übertragen 390 - hier zeigt sich, wie unscharf die Grenze zwischen Fassung und Bearbeitung unter inhaltlich-formalen Aspekten gesehen eigentlich ist -, doch Originalität kann und will S teer für sie nicht beanspruchen. Dies liegt daran, dass S teer eine Unterscheidung von prä- und postredaktionellen Textzuständen, d.h. von Autortext und Bearbeitung, im Falle der ›Rechtssumme‹ prinzipiell für möglich hält (der Grund dafür ist das Vorliegen des von Berthold bearbeiteten lateinischen Quellentextes). Praktisch bereitet eine solche Trennung freilich Probleme. Deshalb macht S teer bei der konkreten Editionsarbeit an der «Grenze, an der die »bloße Vermutung der Philologen« beginnt», 391 halt und zieht sich auf das historisch Belegbare zurück, wohl wissend, dass sich selbst «unter größtem Aufwand, nur ein hypothetischer Urtext rekonstruieren [läßt], dessen Verbindlichkeit auf weite Strecken hin zweifelhaft bleiben muß.» 392 Nichtsdestoweniger wird der textgeschichtliche Status der erschlossenen Redaktionstexte vom vermuteten Original Bruder Bertholds her bewertet: Sie gelten als abgeleitete Textformen, als Bearbeitungen. B umke teilt die Sicherheit, mit der S teer zwischen Autor- und Redaktortext zu unterscheiden versteht, nicht. Diese Skepsis spricht nicht gegen S teer s Untersuchungsergebnisse, sondern entspringt den Einsichten, die B umke seiner eigenen Beschäftigung mit der Textgeschichte der ›Klage‹ sowie der kritischen Überprüfung der Prämissen verdankt, nach welchen die Überlieferung der höfischen Epik beurteilt und ihre Texte ediert worden sind. Weder der Autor, die viel beschworene Begründungsinstanz editorischer Entscheidungen, noch der Autortext, das eigentliche Ziel und der Maßstab editorischer Bemühungen, spielen in B umke s Fassungsbegriff eine Rolle. Dies lässt sich wie folgt erklären. Angesichts des überlieferungsgeschichtlichen Faktums, dass sich die Ausgangstexte der Handschriftengruppen einer eindeutigen Bestimmung ihres stemmatologischen Abhängigkeitsverhältnisses widersetzen, empfiehlt B umke äußerste Zurückhaltung, einen Autortext identifizieren zu wollen. Das Vorliegen von Mehrfachfassungen konnte die ältere, einem emphatischen Autorbegriff verpflichtete Forschung allerdings nicht davon abhalten, nur eine Fassung als echt, die anderen dagegen als Bearbeitungen des ursprünglichen Textes zu betrachten. Eine wichtige Rolle spielten dabei Wertungen, die auf ästhetischen Qualitätsurteilen basieren, sowie das intuitive Argument, etwas 82 Einleitung 390 Eine der wichtigsten Aufgaben des von ihm textüberlieferungsgeschichtlich genannten Ansatzes sieht S teer (1985b), S. 16 in der Erfassung der «textgestaltenden Intentionen der Textmacher» sowie in der Beschreibung der «sich im Überlieferungsprozeß ausformenden Texte.» 391 S teer (1985a), S. 49. 392 S teer ebd., S. 43. entspräche oder widerspräche der vermuteten sprachlich-stilistischen Eigenart des Autors. Alternativ dazu hat man in manchen Fällen erwogen, der Autor selbst könnte verschiedene Fassungen seines Werkes hergestellt haben. Als konsensfähig haben sich diese Ansichten jedoch nicht erwiesen, denn sie alle sind auch wieder bestritten worden. In Anbetracht dieses Befunds, ohne jedoch ausschließen zu wollen, dass es neben Überlieferungsvarianten auch Entstehungsvarianten geben kann, hält B umke es für ratsam - und damit haut er den gordischen Knoten der Epenforschung durch -,«den Begriff ‹Fassung› von der Autorbindung freizuhalten: ob verschiedene Fassungen auf denselben Autor zurückgehen oder nicht, muß in den meisten Fällen offenbleiben.» 393 Die Dispensierung des Autors aus der Fassungsdiskussion erfolgt allerdings nicht nur aus einer forschungskritischen Argumentation heraus. Den eigentlichen Grund liefern die (postulierten) Entstehungsbedingungen und Verbreitungsformen der Hofepik: «Auf Grund der vorwaltenden Mündlichkeit des höfischen Literaturbetriebs ist für die Frühphase der Überlieferung mit Teilveröffentlichungen, Mehrfachredaktionen und wechselnden Vortrags- und Aufführungssituationen zu rechnen.» 394 Sie können zu situationsbedingten Umformungen des Stoffes, zu Umwidmungen und Neufassungen geführt haben. Dafür spricht, so B umke , die für die Frühgeschichte der epischen Überlieferung typische Instabilität der Texte, die sich im Reichtum der Varianten manifestiert. Angesichts dieser Umstände stellt sich für B umke die Frage, mit welcher Textausformung das Original zu identifizieren ist bzw. ob es überhaupt identifiziert werden kann. Denn es ist in Betracht zu ziehen, argumentiert B umke weiter, dass frühe Parallelfassungen nicht unbedingt vom Dichter- Autor herrühren müssen, sondern auch durch frühe (mündliche oder schriftliche) Weitergabe des Textes entstanden sein können. Deshalb gilt: «Eine klare Unterscheidung zwischen Autorfassungen und Gebrauchsfassungen ist nicht möglich. Man sollte deswegen besser von autornaher Überlieferung sprechen.» 395 Auf dieser frühen, oft in die Lebzeiten der Autoren zurückreichenden Stufe der Überlieferung verortet B umke die Genese von Fassungen: Sie werden vom Autorbezug frei gehalten und nicht an einem postulierten originalen Textzustand gemessen, weil der textkonstitutive Anteil des Autors nicht von dem der Redaktoren unterschieden werden kann. 396 Unter diesen Umständen mutet es sich wie ein Widerspruch an, dass B umke Formulierungs- und Gestaltungswillen (s. oben Anm. 381 mit Text) sowie Merkmale der Originalität (s. oben Anm. 389 mit Text) für die Fassungen reklamiert. Man hat ihm vorgeworfen, er würde Kategorien wie Autor und Originalität nicht eigentlich als «historisch kontingente, klassizistische Kon- Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 83 393 B umke (1996a), S. 45. 394 B umke ebd., S. 67. 395 B umke ebd., S. 66. 396 Vgl. in diesem Zusammenhang auch B umke (1996b), S. 127 und (1997), S. 112 sowie A chnitz (1997), S. 112. zepte» verabschieden, sondern lediglich vom Autortext auf die Fassungen verschieben. 397 Problematisch sei auch der Ausdruck «Gestaltungswille», weil er Fassungsgenese und Fassungsidentität an eine Subjektposition binde und sie mit dem Kriterium der Intentionalität versehe. 398 Zudem könne das Vorliegen eines Gestaltungswillens nicht mit der Differenz zwischen zwei oder mehreren Fassungen erwiesen werden, denn es sei nicht auszuschließen, dass die Unterschiede «auf eine Vielzahl kleiner Eingriffe auf verschiedenen Überlieferungsstufen zurückgehen.» 399 Ohne die Berechtigung dieser Einwände zu bezweifeln, scheint es mir im Hinblick auf meine Ausführungen zum ›Fließenden Licht‹ und seiner lateinischen Übersetzung (vgl. Kap. II.2) dennoch wichtig, darauf hinzuweisen, in welchem Zusammenhang B umke auf Gestaltungswillen und Originalität zu sprechen kommt. Beide Begriffe werden von den ›Iwein‹-Fassungen A und B her induktiv entwickelt. Verglichen werden die beiden Fassungen des ›Iwein‹ im Hinblick auf Divergenzen in Formulierung und Textbestand. Was die Formulierungen betrifft, kann B umke zeigen, dass sich die Unterschiede nicht im Sinne von richtig oder falsch klassifizieren lassen. Wie schon in dem oben zitierten Aufsatz aus dem Jahre 1991, wo von «prinzipiell[er] Gleichgewichtigkeit» 400 der Varianten die Rede war, behauptet B umke in seiner Monographie, sie seien «gleich richtig». 401 Hier wie dort gilt freilich die Einschränkung, Gleichgewichtigkeit der Lesarten bedeute nicht Gleichwertigkeit (s. oben Anm. 374 mit Text). Anders als 1991 lautet dieses Mal allerdings die Begründung: «manchmal erscheint die eine, manchmal die andere passender oder besser.» 402 Auf den Autorbezug wird demnach verzichtet und stattdessen die «Durchsetzung eines je eigenen Formulierungswillens» (ebd.) betont. Davon betroffen sind auch die Pluspartien in ›Iwein‹ B, die schon seit den Anfängen der ›Iwein‹-Philologie als unecht galten. B umke betont, sie würden sich nach Versbau, Wortschatz und Stil nicht vom ‹echten› ›Iwein‹-Text unterscheiden: «Sie haben daher 84 Einleitung 397 Vgl. S trohschneider (1998), S. 115. 398 S trohschneider ebd. 399 H ausmann (2001), S. 79. Ähnlich H ausmann (2000), S. 35. In die gleiche Richtung zielt die Kritik von R. S chnell (1997), S. 87 und W illiams -K rapp (2000), S. 13 an der New Philology. Ihren Vertretern wird vorgeworfen, aus den Varianten vorschnell auf die Intention des jeweiligen Schreibers bzw. die historische Gebrauchsfunktion geschlossen zu haben, ohne zu realisieren, dass Varianten, «den vorläufigen Endpunkt unüberschaubarer textgeschichtlicher Prozesse darstellen» (W illiams -K rapp ). Dieser Vorwurf ist im Fall der New Philology umso schwerwiegender, als bei Mehrfachüberlieferung die Möglichkeit durchaus gegeben ist, Bearbeitungsprozesse, die in einer Handschrift als das (End)Produkt mehrerer Rezeptionsstufen ineinandergeschichtet sind, bis zu einem gewissen Grad aufzudecken. Bei Fassungen ist der Nachweis allerdings insofern schwierig, als sich Fassungen in B umke s Verständnis gerade dadurch auszeichnen, dass textgeschichtlich nicht über sie hinaus zurückgegriffen werden kann. 400 B umke (1991), S. 266. 401 B umke (1996a), S. 36. 402 B umke ebd. denselben Anspruch auf Originalität.» 403 Eine Autorbindung ist damit nicht impliziert, denn B umke kann und will angesichts der postulierten Entstehungs- und Überlieferungsbedingungen der höfischen Epik nicht entscheiden, ob Fassungen vom Dichter-Autor oder von Redaktoren stammen (s.o.). Ihm kommt es lediglich auf den Nachweis an, dass zwischen den Fassungen kein Authentizitätsgefälle besteht, dass sie sich nicht im Sinne von ‹echt›/ ‹unecht›, ‹richtig›/ ‹falsch› hierarchisieren lassen, sondern gleichwertig im Sinne von gleich ‹echt› und ‹richtig› sind. Insofern sind sie alle als ‹original› anzusehen. Die Gleichwertigkeit der Fassungen bindet B umke nicht nur an Inhalt und Ausdruck, sondern er sucht sie auch stemmatologisch zu erweisen. Der Grund wird einerseits wohl darin zu sehen sein, dass er edieren will, was die Klassifizierung und Hierarchisierung der Varianten erforderlich macht, um die Überlieferung in ihren textgeschichtlichen Zusammenhängen präsentieren zu können. Andererseits wird B umke die Kriterien von Formulierungs- und Gestaltungswille allein wohl für nicht ausreichend gehalten haben, um über das Vorliegen von Fassungen entscheiden zu können, ist doch, wie B umke selbst zugeben muss, der eigene Gestaltungswille auch für Bearbeitungen als charakteristisch anzusehen. 404 Deshalb legt er seinem Fassungsbegriff auch ein stemmatologisches Schema zugrunde und führt die Unterscheidung zwischen Fassung und Bearbeitung ein. Damit ebnet er nicht nur den Weg für eine überzeugende, wenn auch nicht einzig mögliche, editorische Präsentation der Textgeschichte von Werken der Hofepik (in diesem Fall der ›Klage‹). 405 Er trägt damit auch der Tatsache Rechnung, dass nicht alle Varianten textgeschichtlich gleich sind, sondern dass es vielmehr eine historische Staffelung von (selbst sinnvollen) Varianten gibt. Fassungskonstitutiv werden dabei solche Varianten angesehen, die textkritisch nicht hintergehbar sind, weil sich eine vorangehende Textstufe - anders als bei Bearbeitungen - stemmatologisch nicht mit Sicherheit rekonstruieren lässt. Nicht Abhängigkeit zeichnet demnach solche Varianten aus, sondern textkritische Gleichwertigkeit. Sie sind nicht vertikal, sondern horizontal miteinander verwandt. Ein an stemmatologische Kriterien gebundener Begriff von Fassung ist allerdings eine relative Größe. Dies erkennt man an B umke s Umgang mit den so genannten Kurzfassungen höfischer Epen. Lange Zeit hat man sie im Zeichen eines genieästhetisch orientierten Literaturverständnisses als fehlerhafte Abweichungen von einem als authentisch angesetzten Textzustand interpretiert. Von Konventionalisierung, De-Rhetorisierung, Reduzierung der Komplexität Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 85 403 B umke ebd., S. 41. 404 Vgl. B umke ebd., S. 46. In dem schon öfter zitierten Aufsatz aus dem Jahre 1991 nannte B umke nur das Vorliegen eines erkennbaren «eigenen Gestaltungswillens» als Voraussetzung, um von Fassungen sprechen zu können. Von einer stemmatologischen Begründung war dort noch nicht die Rede, vgl. B umke (1991), S. 290, Anm. 120 und S. 301, Anm. 180. 405 Ein Alternativmodell, wie breit überlieferte und umfangreiche epische Texte ediert werden können, präsentiert S tolz (2002). eines ursprünglichen Werkes war die Rede. Eine Neubewertung erfahren die Kurzfassungen seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts. 406 Ihre Urheber werden nicht mehr als ehrfurchtlose Verfälscher, als dem Autor nachgestellte Instanzen minderen Geistes angesehen, sondern als Glieder eines im Grunde bearbeitend verfahrenden Literaturbetriebs, dessen wichtigstes Merkmal die produktive Aneignung von Motiven, Stoffen, Inhalten, Darstellungsformen ist (vgl. oben Anm. 370 und 371 mit Text) und der, wie in Kap. I.2 (S. 48f.) gezeigt, nicht nur für die mittelalterliche weltliche Literatur, sondern, wenn auch weniger ausgeprägt, auch für das ›Fließende Licht‹ als konstitutiv gelten kann. B umke s Umgang mit diesen Textausformungen steht in einer gewissen Spannung zu seinem Fassungsbegriff. B umke nennt sie Fassungen, obwohl er mit dem Hinweis auf die ›Klage‹ einräumt, die Kurz- und Langfassungen des Textes seien «im Hinblick auf die Ursprünglichkeit ihrer Textgestalt nicht gleichgewichtig.» 407 Tatsächlich wird den Kurzfassungen - B umke spricht auch von Nebenfassungen - ein textgeschichtlich nachgeordnetes Verhältnis zu vorangehenden Versionen unterstellt. 408 Das zweite, (aber diesmal) stemmatologisch begründete Kriterium der von B umke vorgeschlagenen Fassungsdefinition wird demnach bei den Kurzfassungen suspendiert, obwohl Kurzfassungen sich von ihrer textgeschichtlichen Stellung her betrachtet im Grunde nicht von Bearbeitungen unterscheiden. B umke reklamiert den Fassungsbegriff trotzdem für sie, was daran liegt, dass er keinen Anlass sieht, Kurzfassungen zeitlich wesentlich später als Langfassungen anzusetzen, so dass auch sie autornahe Überlieferung darstellen können. 409 Bearbeitungen dagegen zeichnen sich dadurch aus, dass sie erst auf einer späteren Stufe der Textgeschichte erfolgt sind und sich auch als solche zu erkennen geben. 410 Dies führt zu einer weiteren Schwachstelle des stemmatologisch begründeten Fassungsbegriffes. Fassungen sind nicht nur durch eine spezifische Art von Differenz, nämlich durch gleichwertige Varianz, zu identifizieren, sondern auch durch «partielle Textidentität», 411 die ja erst ermöglicht, bestimmte Textformationen aufeinander zu beziehen und sie als Variationen zu erkennen. Variationen - aber wovon? Dass dies nicht der stabil gesetzte Text einer «das Textmaterial zentrierenden und organisierenden Kohärenzfigur», 412 d.h. eines von der Genieästhetik des 18. Jahrhunderts her gedachten Autors sein kann, dürfte aus den vorangehenden Ausführungen deutlich geworden sein. B umke s stemmatologisches Begründungsprinzip bringt jedoch mit sich - und dies trotz anderslautender Beteuerungen -, dass ein Archetypus, wenn auch 86 Einleitung 406 S. dazu H enkel (1992) und (1993), S trohschneider (1991) und B umke (1991). 407 B umke (1996a), S. 316. 408 Vgl. B umke ebd., S. 260 und 389. 409 Vgl. B umke ebd., S. 267. S trohschneider (1991), S. 427 spricht von «Quasi-Synchronie» von Kurz- und Langfassungen. 410 Vgl. B umke (1996a), S. 81. 411 P lachta (1997), S. 567. 412 B aisch (2004), S. 94. heuristisch, postuliert wird, 413 weisen doch die von B umke am Beginn des dokumentierbaren Textvermittlungsprozesses angesetzten Fassungen «alle Merkmale von primären Archetyp-Filiationen» 414 auf. Unter diesen Voraussetzungen erscheinen B umke s gleichwertige Parallelfassungen nicht eigentlich in einem historischen Sinn gleichwertig, «sondern allenfalls in einem methodischen, nämlich aufgrund ihrer »gleichen« Positionen im Stemma.» 415 Selbst wenn die von B umke angestrebte stemmatologische Bindung ein Höchstmaß an Objektivität bei der Identifizierung von Fassungen verspricht, kann sie, wie H ans -J ochen S chiewer betont, auch destabilisierend wirken und zu einer «labilen Gleichwertigkeit von Fassungen» 416 führen, denn letztendlich ist es der überlieferungsgeschichtliche Zufall, der über den Status entscheidet: «Ein neuer Handschriftenfund kann morgen aus der Fassung von heute eine Bearbeitung machen» (S. 40). S chiewer plädiert dafür, die wertende bzw. hierarchisierende Kategorisierung ‹(Parallel)Fassung› versus ‹Bearbeitung› aufzugeben und stets nur noch von Fassungen zu sprechen. Er begründet dies damit, dass die (postulierten) «performanzbedingten Gegebenheiten des säkularen mittelalterlichen Literaturbetriebs […] stemmatologische Argumente außer Kraft [setzen], weil wir mit auktorialen, semiauktorialen bzw. redaktionellen Textänderungen rechnen müssen, die nicht ausschließlich und lückenlos auf kontinuierlicher Schriftlichkeit und Vertikalität beruhen müssen» (S. 39). Folglich bindet S chiewer den Fassungsbegriff nicht an eine stemmatologisch begründete Gleichwertigkeit von Varianten und schon gar nicht an ein Autorsubjekt als Hierarchisierungs- und Authentisierungskategorie - das tut, wie wir es gesehen haben, auch B umke nicht -, sondern führt die Kategorie «kohärenzstiftende Varianz» (S. 41) ein. Gemeint sind thematisch-semantische Veränderungen auf der Ebene der Textkohärenz, die zu Neufokussierungen bzw. Fokusverschiebungen führen. 417 Sie können im schriftlichen Vermittlungsprozess entstanden sein («usuelle Varianz») oder den Einbruch der Mündlichkeit in den schriftlichen Bereich markieren («performative Varianz»). 418 Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 87 413 Vgl. S trohschneider (1998), S. 114. 414 H ausmann (2001), S. 76. 415 H ausmann ebd., S. 78. 416 H.-J. S chiewer (2005), S. 39f. Dass die Gunst oder Ungunst der Überlieferung die editorischen Annahmen eines Editionsunternehmens bis in den Grund erschüttern kann, betont auch S teer (2005a), S. 55. 417 Einen vom Ansatz her vergleichbaren Fassungsbegriff propagierte auch S teer schon im Jahre 1979 für den Umgang mit Textvarianten der Heldenepik, s. S teer (1979), S. 112f. Auch hier wird Fassung nicht von der Entstehungsgeschichte des Textes her bestimmt, sondern auf der Ebene der Textkohärenz verortet, sofern diese eine totale oder auch nur partielle Änderung des Gehalts bzw. der Gesamtkonzeption erkennen lässt. Mit einem ähnlichen Fassungsbegriff operiert auch S teinmetz (2000), S. 31-35. S. dazu demnächst auch die Freiburger Dissertation «Narrative Kohärenz. Untersuchung zu Fassungskonstitution von Virginal und Laurin» von B jörn M ichael H arms . 418 Vgl. den Titel eines von S chiewer angekündigten Aufsatzes, H.-J. S chiewer (2005), S. 44, Anm. 31. «Literaturgeschichtliche Relevanz» (S. 40) wird für jede Art von Varianz beansprucht, die das Textprofil - wenn auch nur partiell - verändert. Die Konzentrierung auf die je eigene semantische Relation einer Fassung bedeutet indes nicht, dass der Fassungsbegriff (wie bei den New Philologists) 419 auf die Einzelhandschrift übertragen und damit dem textgeschichtlichen Denken eine Absage erteilt wird. Zwar wurde das Textbeispiel (der ›Arme Heinrich‹ Hartmanns von Aue), an dem S chiewer sein theoretisches Modell praktisch erprobt, im «Bewusstsein der Besonderheit jedes Falles» (S. 44) gewählt, argumentiert wird jedoch nicht auf der Ebene einer Einzelhandschrift, sondern anhand einer im textkritischen Verfahren erschlossenen Sternchenstufe (›Arme Heinrich‹ B*). Es wird auch damit gerechnet, dass sich unterschiedliche Schichten der Textgenese (vgl. S. 44 und S. 49) bzw. des Rezeptionsprozesses in den Fassungen dokumentieren, dass also die prinzipielle Gleichwertigkeit der Varianten keine historische Gleichzeitigkeit impliziert (S. 47). Dies alles scheint S chiewer gar nicht in Abrede stellen zu wollen. Worauf es ihm ankommt, ist der Nachweis, dass die Produktions-, Rezeptions- und Distributionsbedingungen der mittelalterlichen weltlichen Literatur das stemmatologische Konzept stören, weil sie die Textgeschichte dynamisieren. Unter diesen Voraussetzungen erweist es sich als problematisch, einen punktuellen Ausgangspunkt der Textgeschichte, sei es auch nur theoretisch, anzusetzen. 420 Für ein weniger restriktives Verständnis des Fassungsbegriffes plädiert auch H arald H aferland . 421 Er reklamiert den Status einer Fassung auch für solche Textversionen, deren Verhältnis zueinander nicht durch Gleichwertigkeit, sondern durch Abhängigkeit charakterisiert werden kann, die also im B umke schen Sinne eigentlich als Bearbeitungen, bestenfalls als Nebenfassungen, aber keineswegs als Fassungen im engen Sinn anzusehen sind. Fassungskonstitutiv ist für H aferland , wie zuvor für S chiewer , nicht die Position der Fassung in einem Stemma, sondern die Bildung neuer Formulierungen. Wie tiefgreifend solche Neuformulierungen sein müssen, damit man von Fassungen sprechen kann, will H aferland im Unterschied zu S chiewer nicht festlegen. Im Hinblick auf das ›Nibelungenlied‹ stellt er lediglich fest, dass sich seine Fassungen «in einer nicht unerheblichen Anzahl variierter Formulierungen [unterscheiden], und es hat sich eingebürgert, sie deshalb als Fassungen zu bezeichnen» (S. 177). Anders als S chiewer hält H aferland es bei der Analyse von Fassungen nicht für ratsam, eine «im weiteren Sinne stemmatologisch inspirierte Rekonstruktion ganz preiszugeben» (S. 178). Angestrebt wird dabei nicht ein stemma codicum, 422 sondern die Rekonstruktion der Stationen der 88 Einleitung 419 Vgl. C erquiglini (1989), S. 62: «La variance de l’œuvre médiévale romane est son caractère premier […] et que la publication devrait prioritairement donner à voir. Cette variance est si générale et constitutive que […] on pourrait dire que chaque manuscrit est un remaniement, une version.» 420 Vgl. H.-J. S chiewer (2005), S. 39 und 47 sowie (2002a). 421 H aferland (2006). 422 S. dazu G ärtner (2003) und T impanar o (1971), S. 73-92. Fassungsgenese. H aferland stellt ein Modell vor, das nicht - wie von B umke vorgeschlagen - mit einer Ansammlung von parallelen, sondern einer «Folge unmittelbar auseinander entstandener Fassungen» (S. 180) operiert. 423 Zwar werden sie als «Originale eigener Art» (S. 180) angesehen, doch werden sie nicht als Autorfassungen definiert. Denn für H aferland dokumentiert sich in der Folge der ›Nibelungenlied‹-Fassungen *B, *d, *C der Arbeitsprozess eines Dichter-Sängers (nicht des ›Nibelungen‹-Autors! ) am eigenen (Vortrags)Manuskript, von dem zu verschiedenen Zeiten Abschriften genommen wurden, so dass der Arbeitsprozess in Form von Zwischenfassungen auch in die Überlieferung Eingang gefunden hat (S. 198). 424 Ohne auf die weiteren textgeschichtlichen Implikationen dieses Modells (wie etwa die Genese von so genannten Kontaminationen) einzugehen, will ich hier nur darauf hinweisen, dass H aferland den Gedanken, eine unmittelbar vorgängige Fassung könnte dem Ausgangstext der Folge näher stehen und wegen ihrer vermeintlichen Autorennähe einen höheren Grad an Authentizität für sich beanspruchen, für eine «triviale Annahme» (S. 180) hält. Zwar geht er davon aus, dass es einen «gemeinsamen Grundtext» der von ihm ermittelten Fassungsfolge des ›Nibelungenliedes‹ gegeben hat. Dennoch ist die Vorstellung eines Authentizitätsgefälles zwischen den einzelnen Fassungen auch seinem Modell fremd. Die vorangehenden Ausführungen bezeugen einen hohen Grad an Reflexionsniveau seitens der jüngeren altgermanistischen Forschung, was den Umgang mit Termini betrifft, die zur Beschreibung der Erscheinungsformen mittelalterlicher Textualität verwendet werden. Infolge der Methodendiskussion der letzten Jahre und Jahrzehnte wird wohl niemand mehr Begriffe wie ‹Autor› und ‹Werk›, ‹Original›, ‹Fassung› und ‹Bearbeitung› unbedacht gebrauchen, ohne sich dem Verdacht der methodischen Naivität auszusetzen. Es gilt: «Spätestens seit 1996 sind aus ‹weichen› ‹harte› Begriffe geworden, über deren Bedeutung und Nutzen bei Verwendung jeder Rechenschaft abzulegen hat.» 425 Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 89 423 Der Ansicht, dass von Fassungen nicht nur bei einem Nebeneinander, sondern auch beim Nacheinander von Textversionen die Rede sein kann, ist auch bei F. W enzel (2005), S. 66. Es sei hier noch darauf hingewiesen, dass es L ienert (1998), S. 246 zufolge durchaus Argumente für eine Priorität von ›Klage‹ *B gegenüber *C gibt. Das heißt, beide Fassungen könnten in einem ähnlich genealogischen Verhältnis zueinander stehen, wie es H aferland für die Fassungen des ›Nibelungenliedes‹ vermutet. 424 Sollte H aferland Recht haben, so wäre an ein «‹mehrschichtiges› Autograph» (H one mann / R oth 2005 S. 223) zu denken, das stellenweise mehrere ‹Originaltexte› geboten haben kann. Man kennt solche Autographa aus anderen Bereichen der mittelalterlichen Literatur, vgl. etwa R oth (2004), S. 191. Indizien sprechen dafür, dass man mit Codices, die den Verlauf der Fassungsgenese dokumentieren, auch für den Bereich des höfischen Romans zu rechnen ist, vgl. H.-J. S chiewer (2005), S. 44 und 49. 425 H.-J. S chiewer (2005), S. 38. Einen solchen Rechenschaftsbericht wird man auch der vorliegenden Arbeit abverlangen dürfen, zumal sie sich zum Ziel setzt, den Text- und Autorbegriff der Mechthild-Forschung im Lichte der aktuellen Textualitätsdebatte neu zu diskutieren. Die Mechthild-Philologie ließ sich von den skizzierten neueren Entwicklungen innerhalb der Altgermanistik bislang nicht sonderlich beeindrucken, was insofern verwundert, als die erst vor einigen Jahren erschienene Mechthild-Ausgabe von V ollmann -P rofe den textlichen Bezugspunkt editorisch neu definierte. Ganz im Sinne der in den letzten Jahrzehnten vollzogenen Neubewertung der Überlieferung distanziert sich die Neuausgabe des ›Fließenden Lichts‹ von dem von N eumann verfolgten produktionsästhetischen, dem mechthildischen Original verpflichteten Editionsprinzip, indem sie einen nur bereinigten Abdruck der Einsiedler Handschrift bietet. Allerdings erhebt die Neuedition den Anspruch, eine Textgestalt zu dokumentieren, von der behauptet werden kann, sie repräsentiere «Mechthilds Werk». 426 Dabei wird als selbstverständlich vorausgesetzt, dass das Verhältnis zwischen der Überlieferung und Mechthild als historischer Person solcher Art ist, dass der Text für eine subjektorientierte Interpretation, die der Profilierung Mechthilds als dichterische Autorpersönlichkeit dient, beansprucht werden kann. Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass V ollmann -P rofe eigentlich nicht unterstellt werden kann, sie wäre sich der Unabwägbarkeiten nicht bewusst, die aus der Überlieferungssituation des ›Fließenden Lichts‹ resultieren. Man liest im Nachwort: Es ist gut vorstellbar, daß Geistliche in Mechthilds Umgebung, die von dem ‹Buch› wußten und es für wichtig hielten, ähnlich wie später im Fall der lateinischen Übersetzung, Abschriften anfertigten und diese dann einem mehr oder weniger großen Kreis von Interessierten zugänglich machten. Man darf annehmen, daß im Zusammenhang mit jeder neuen Abschrift, sei es von der Autorin selbst, sei es von den Schreibern, Ergänzungen, vielleicht auch die eine oder andere Umstellung vorgenommen wurden […]. Wann und von wem die einzelnen Ergänzungen vorgenommen wurden, läßt sich freilich nicht genau bestimmen, denn die frühe Überlieferungsgeschichte des Werkes liegt für uns weithin im dunkeln. 427 Ein ähnliches Problembewusstsein kann auch der neueren Mechthild-Forschung attestiert werden. Allerdings bleiben solche Überlegungen stets marginal und ohne Relevanz für die jeweilige Lektüre- und Interpretationspraxis. Der Text wird also, trotz der erheblichen Probleme, die die Überlieferung bereitet, nach wie vor daraufhin ausgelegt, was er über die Gedankenwelt, den Erfahrungshorizont, die poetische Technik usw. der Autorin Mechthild aussagt. So stellt etwa S tadler in der «Leben und Werk» gewidmeten Einleitung 90 Einleitung 426 V ollmann -P rofe (2003), S. 682. 427 V ollmann -P rofe ebd., S. 671f. ihrer Dissertation zwar fest, es ließe sich «grundsätzlich» sagen, dass «der Anteil von redaktionellen Eingriffen in den Text nur schwer abzuschätzen ist», 428 doch behandelt sie dann den für redaktionell überarbeitet gehaltenen Einsiedler Text im Grunde als Autortext und lässt eine ausführliche Abhandlung über Mechthilds Metapherngebrauch folgen. 429 Ähnlich räumt S ara S. P oor am Anfang ihrer Monographie ein, es sei «in fact impossible to know precisely what words were indeed written mit iren henden (by her hand) and which ones were added or changed by a compiler, translator, or copying scribe», so dass es anzunehmen sei, «Mechthild of Magdeburg is not the only maker of the book as we have received it.» 430 Daran, dass der Text auf Mechthilds Sprachbewusstsein, ihre Stellung zum Säkularklerus und der dominikanischen Innenmission hin befragt werden kann, zweifelt P oor dennoch nicht. 431 Die Bereitwilligkeit, mit der seitens der jüngsten Mechthild-Forschung eingeräumt wird, der Anteil von vr o mden henden (FL VII.64: 662,11 [VII.64,8]) am überlieferten Text ließe sich nur schwer abschätzen, überrascht angesichts der in puncto Text- und Überlieferungsgeschichte nach wie vor grundlegenden Arbeiten von N eumann , die eigentlich genau das Gegenteil zu erweisen suchen und auf die Überzeugung gründen, das Verhältnis der an der Überlieferung beteiligten Beichtväter, Mitschwestern, Schreiber, Übersetzer zum Text zeichne sich durch eine besondere Treue aus (s. dazu Kap. I.1.1). Was man in den neueren Arbeiten zu Mechthild vermisst, ist eine auf der Basis der Text- und Überlieferungsgeschichte geführte, grundsätzliche Auseinandersetzung mit den Prämissen des von N eumann entworfenen entstehungsgeschichtlichen Modells, das auf die Marginalisierung von Schreibern, Beichtvätern und Mitschwestern aus dem Umfeld der Textgenese und der Überlieferung abzielt, handelt es sich doch um Instanzen, die bei der Diskussion um Autorschaft und Textstatus traditionell dem Autor nach- und untergeordnet bleiben. Und da eine solche Auseinandersetzung nicht stattfindet, kommt es bei den Interpreten Mechthilds dazu, was sich schon beim Umgang der Editoren mit dem überlieferten Text beobachten ließ (s. S. 65f.): Bearbeitung und Original, genauer die alemannische Fassung und die vermeintliche Urschrift Mechthilds, werden im Grunde gleichgesetzt. Daher wundert man sich wenig, dass in der Arbeit von P oor , die sich der Erschließung des sich in der handschriftlichen Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ dokumentierenden rezipientenseitigen Mechthild-Bilds verschrieben hat, ausgerechnet jene Handschrift übergangen wird, der wir eigentlich unsere Kenntnis von Mechthild verdanken: der Einsiedler Kodex 277. Erklären lässt sich dies wohl damit, dass die Einsiedler Handschrift von P oor nicht als Rezeptionszeugnis, sondern als authentischer Ausdruck von Mechthilds auktorialem Selbstverständnis gelesen wird. Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 91 428 S tadler (2001), S. 22. Ähnlich K öbele (1993), S. 72 und S eelhorst (2003), S. 84. 429 S. dazu N emes (2004a), bes. Abs. 13. 430 P oor (2004), S. 11 und 49. 431 S. dazu N emes (2006). Ergänzend dazu S. 310ff. weiter unten. Angesichts der Möglichkeit, dass fremde Hände ihre Spuren im überlieferten Text hinterlassen haben können - eine Möglichkeit wohlgemerkt, die von der älteren Forschung als eine durchaus reale Gefahr wahrgenommen wurde (vgl. Kap. I.1.1) -, und im Hinblick auf die aktuelle Textualitätsdebatte empfiehlt es sich, die folgenden Ausführungen zur frühen Textgeschichte von der Frage abzukoppeln, was als echt oder unecht, richtig oder falsch, auktorial oder redaktionell bearbeitet gelten kann. Kritisch hinterfragt werden soll die von den vorliegenden Ausgaben des deutschen Textes und seiner lateinischen Übersetzung aufrecht erhaltene Illusion einer linearen Textgeschichte, deren Beginn ein einziger Originaltext gebildet haben soll. Denn, so meine These, nur die bezweifelbare Prämisse, dass die Überlieferung auf ein einziges, dem deutschen und lateinischen Traditionszweig gemeinsames und autorisiertes Exemplar des ›Fließenden Lichts‹ zurückzuführen ist, erlaubte den bisherigen Editoren, je nach Editionsziel entweder alles ‹Echte› und ‹Mechthildische› aus allen Überlieferungszeugen herauszufiltern und zu einem Text zusammenzustellen (so N eumann ) oder aber die jeweilige Leithandschrift anhand der Textzeugen des jeweils anderen Überlieferungszweiges zu ergänzen (so V ollmann - P rofe und die Herausgeber der Rev.). Eine solche Vorgehensweise war nur möglich, weil man die Ansicht vertrat, die lateinische Übersetzung wäre «gewiß aus einer Vorlage [hervorgegangen], die dem Original sehr nahe stand.» 432 Für mich stellt sich jedoch die Frage, ob es berechtigt ist, das eine, dem deutschen und lateinischen Überlieferungszweig gemeinsame Original zu postulieren - man beachte die suggestive Formulierung «gewiß»! -, wenn, wie es N eumann selbst zugeben musste, ein sinnvoller Vergleich auf der Ebene der Einzelwörter oft nicht möglich ist, weil die lateinische Übersetzung «nur selten den Wortbestand des deutschen Textes sichern kann.» 433 Erschwerend kommt hinzu, dass sich der deutsche und lateinische Traditionszweig des ›Fließenden Lichts‹, genauer die Ausgangshandschrift der zu E hinführenden deutschen Tradition und die Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹ (diese gilt es, im Laufe der Arbeit zu konturieren), auch in Textbestand und Textfolge nicht unerheblich voneinander unterscheiden. Jeder von ihnen weist Varianten auf, die von dem jeweils anderen Überlieferungszweig her betrachtet als Auslassungen, Ergänzungen oder Umstellungen definiert werden können. Bei der Bewertung dieser Textphänomene durch die Forschung lässt sich die Tendenz beobachten, nur die Varianten des deutschen Textes als echt und mechthildisch anzusehen. Als Begründung dafür gilt, dass Mechthild ihrem Werk wohl eine gewisse Überarbeitung angedeihen ließ, nachdem ein Teil davon zur Übersetzung freigegeben wurde. 434 Anders fällt das Urteil aus, 92 Einleitung 432 N eumann (1967), S. 44. Ähnlich R uh (1993), S. 252 und G ottschall (2005), S. 300. 433 N eumann (1990), S. XXV. R uh (1995a), S. 99 ist der Meinung, dass N eumann die Bedeutung der lateinischen Übersetzung bei der Konstitution eines kritischen und autorzentrierten Textes überschätzt hat. 434 Vgl. N eumann (1954b), S. 60f. wenn die ›Lux divinitatis‹ ein Mehr oder Weniger an Text aufweist als das ›Fließende Licht‹ oder wenn sie umstellt (die inkommensurable Größe ‹Textformulierung› muss unberücksichtigt bleiben). Da man davon ausgeht, dass die lateinische Übersetzung einen Text bietet, der (trotz seiner Nähe zum ‹Original›) «vielfach erheblich verändert» 435 - als Vergleichsgröße wird die Einsiedler Handschrift, eine textgeschichtlich wohlgemerkt jüngere Version des ›Fließenden Lichts‹ herangezogen -, gelten diese Varianten bis auf wenige Ausnahmen, auf welche an späterer Stelle eingegangen wird (dazu Kap. II.2.1 und 2), als Ausfallprodukte redaktioneller oder überlieferungsbedingter Prozesse und damit als unecht. Man fragt sich jedoch, ob man der lateinischen Überlieferung überhaupt gerecht wird, wenn man nur das als authentisch gelten lässt, was durch den deutschen Text verifiziert werden kann. Und dies gleich aus zwei Gründen. Zum einen ist der Rückgriff auf das intuitive Argument des Mechthildischen methodisch bedenklich, zum anderen von der Entstehung und Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ her problematisch. Selbst wenn man mit N eumann die Folgen der arbeitsteiligen Übersetzungspraxis der Basler Devoten in Hinblick auf den Erhalt des Ursprungstextes nicht allzu hoch veranschlagt - diese Annahme ist, wie in Kap. I.2 (S. 48f.) gezeigt, nicht zwingend -, wird man doch stärker als die jüngste Forschung in Betracht ziehen müssen, dass an der Herstellung des Textes außer Mechthild weitere Instanzen beteiligt sein können, ohne dass ihr Beitrag von demjenigen Mechthilds mit Sicherheit abzugrenzen wäre. Zudem muss die schon von N eumann erwogene Möglichkeit mitbedacht werden, es könnte schon zu Mechthilds Lebzeiten Teilveröffentlichungen (beispielsweise der Bücher I-V) gegeben haben, die, wie V ollmann -P rofe vermutet (s. oben Anm. 427 mit Text), in die kopiale Überlieferung eingegangen sind. Die postulierten Entstehungs- und Verbreitungsbedingungen dynamisieren die Textgeschichte, so dass der Text schon in einer frühen Distributionsphase der auktorialen Kontrollinstanz entzogen wird. Daher ist man gut beraten, wenn man darauf verzichtet, den deutschen und lateinischen Text am Kriterium des Mechthildischen zu messen. Die Varianten, die sich von dem jeweils anderen Überlieferungszweig her gesehen als Ergänzungen, Auslassungen oder Umstellungen erweisen, können auf eine autornahe Überlieferung im B umke schen Sinn zurückgehen, wobei jedoch nicht mit Sicherheit behauptet werden kann, dass sie allein schon deshalb auch als authentisch anzusehen sind (s. dazu S. 272ff. weiter unten). Auf die Varianten des lateinischen Traditionszweiges bezogen, bedeutet das, dass sich diese bereits in der mittelniederdeutschen Vorlage der lateinischen Übersetzer, auf die es mir im Folgenden vor allem ankommt, befunden haben konnten. Und in der Tat sind diese Varianten nicht weniger ‹original› (im oben vorgetragenen B umke schen Sinn) als die des deutschen Textes (s. dazu Kap. II.2.1 und 2). Vor diesem Hintergrund schlage ich vor, die im Zusammenhang der Entwicklung eines adäquaten Rasters zur Beschreibung der Textualität höfischer Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 93 435 N eumann (1987a), Sp. 262. Epik und Lyrik aufgekommene Diskussion um die so genannten ‹Fassungen› auch auf den Bereich des mystischen Schrifttums, hier auf das ›Fließende Licht‹ Mechthilds von Magdeburg, auszuweiten. Der Umstand, dass mystische Offenbarungsschriften des Spätmittelalters in der seit einigen Jahren intensiv geführten Diskussion um den Umgang mit früh- und vormoderner Textualität und den Instanzen der Textautorisation bislang eigentlich kaum berücksichtigt worden sind, 436 verwundert insofern, als dieses Schrifttum eine Reihe von Problemen bei der genauen Fixierung des jeweiligen Autor- und Werkbegriffes aufwirft, sind doch die kollektiven, jedenfalls kooperativen Entstehungsumstände geradezu ein Kennzeichen der von B ernard M c G inn so genannten «neuen Mystik», 437 die Fragen nach dem Autortext obsolet erscheinen lassen. 438 Die Tatsache, dass die frauenmystische Literatur, speziell das ›Fließende Licht‹, von der Grundsatzdiskussion über den Status der überlieferten Texte bislang kaum tangiert wurde, erklärt sich wohl mit einer Lektüre- und Interpretationspraxis, die (zumindest in der germanistischen Mediävistik) zwar nicht mehr nach dem authentischen Erlebnisgehalt der Texte fragt, aber nach wie vor an einem emphatischen Autorbegriff orientiert ist und subjektzentriert argumentiert. Diese Situation scheint mir auch für die aktuelle Mechthild-Forschung kennzeichend zu sein, und zwar selbst nach der von P eters eingeläuteten «Abkehr vom reduzierten Textbegriff des spontanen Erlebnisberichts.» 439 Den Grund dafür sehe ich in der bislang ausgebliebenen Auseinandersetzung mit den Prämissen des von N eumann entworfenen entstehungsgeschichtlichen Modells - ein Desideratum, das nicht einmal von P eters eingelöst wurde. Zwar hat P eters ein avanciertes Gegenmodell zu N eumann s Konzept der Textgenese entwickelt und vor diesem Hintergrund den literarischen Status des ›Fließenden Lichts‹ neu zu definieren versucht, doch hat sie unterlassen, die Konsequenzen zu ziehen, die sich aus ihren Thesen für die Bestimmung des textgeschichtlichen Status der Einsiedler Handschrift ergeben. Anders als die bisherige Mechthild-Forschung, welche ‹Fassung› lediglich als Hilfsmittel betrachtete, um aus der Überlieferung - notfalls durch Fassungskontamination - e i n e n Text herzustellen, plädiere ich dafür, den alemannischen und lateinischen Überlieferungszweig des ›Fließenden Lichts‹ nicht, wie bislang üblich, in ihrem Verhältnis zu einem Dritten, dem ‹Original› oder dem 94 Einleitung 436 Das betont H ubrath (2002), S. 281. 437 M c G inn (1999), S. 12. Zustimmend und weiterführend K eller (2000), S. 205f. 438 S. dazu H ubrath (1999) und H.-J. S chiewer (2002b). Man wäre geneigt in diesem Zusammenhang auch auf die Arbeiten von P eters und B ürkle hinzuweisen, würden sie nicht darauf beharren, die in den Texten artikulierte literarische Zusammenarbeit von begnadeter Frau und theologisch geschultem Seelsorger einseitig als literarische Inszenierung zu verstehen. Dennoch halten P eters und B ürkle an den kollektiven Entstehungsumständen frauenmystischer Schriften, inklusive der so genannten einzelpersönlichen Viten (zum Begriff s. R ingler 1980, S. 4f.) fest, wobei das ›Fließende Licht‹ letzteren zugerechnet wird. S. dazu ausführlich Kap. I.1.3. 439 B ackes (2001), S. 252. Werk Mechthilds, sondern in ihrem Verhältnis zueinander zu beschreiben und in ihrer textuellen Eigenart zu würdigen. Mein Interesse gilt dabei dem Verhältnis der lateinischen Übersetzung bzw. ihrer deutschen Vorlage zu jener Version des Textes, die wir von der Basler Tradition her kennen. Ich benutze den terminologisch noch nicht vorbelasteten Begriff ‹Version› und reserviere den Begriff ‹Fassung› für die höfische Epik und Lyrik. Denn dort stehen unterschiedliche Ausprägungen eines Textes in derselben Sprache gegenüber, hier dagegen ein deutscher und ein lateinischer Text. Würde uns die von der ›Lux divinitatis‹ gebotene Textform auf Deutsch vorliegen, so wäre die Überlieferungslage mit derjenigen der höfischen Lyrik und vor allem der Epik vergleichbar. Varianten könnten in diesem Fall auf allen drei von B umke für den Fassungsbegriff für relevant erklärten Ebenen (die des Textbestands, der Textfolge und der Textformulierung) mit Sicherheit identifiziert werden. Auch ließe sich ein die Kohärenzstrukturen im Ganzen verändernder Formulierungs- und Gestaltungswille (B umke ), eine Tendenz zu thematischer Neufokussierung bzw. Fokusverschiebung (S chiewer und H aferland ) feststellen. Das ist jedoch nicht der Fall, denn die andere Sprache macht aus der Kategorie der Textformulierung eine inkommensurable Größe. Wenn auch nicht auf der Ebene des Wortlauts, so lassen sich die beiden vorliegenden Versionen des ›Fließenden Lichts‹ doch auf der Ebene des Textbestands und der Textfolge vergleichen. Es wird sich zeigen, dass jene Version der Bücher I-VI, die uns in der oberdeutschen Überlieferung entgegen tritt, höchstwahrscheinlich nicht mit der Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹ identisch ist (s. dazu Kap. II.2.1 und 2). Zu dieser Annahme veranlassen mich nicht die schon immer beachteten Ergänzungen, die Mechthild in ihrem Handexemplar vorgenommen haben soll, als Teile davon zur Übersetzung freigegeben wurden. 440 Vielmehr sind die im deutschen Text fehlenden Partien der ›Lux divinitatis‹, die meiner Ansicht nach für ein Exemplar als Übersetzungsvorlage sprechen, das von jener Version des ›Fließenden Lichts‹ abwich, die von Mechthild nachträglich bearbeitet und um ein siebtes Buch vermehrt worden sein soll. Dazu kommt die Varianz in Textfolge. Diese werden, wie schon erwähnt, als Umstellungen angesehen und den Übersetzern zugeschrieben. Dass die lateinischen Übersetzer bearbeitend mit dem Text umgegangen sind, will ich damit freilich nicht ausschließen, handelt es sich doch um eine Übertragung in eine Sprache mit anderen semantischen Gegebenheiten und Sensibilitäten, was Form und Inhalt bestimmter Aussagen betrifft (s. dazu Kap. II.2.3). Wir müssen demnach davon ausgehen, dass sich in der lateinischen Übersetzung mehrere textgeschichtliche Schichten überlagern. Dies mahnt zur Vorsicht, die genannte Varianz des lateinischen Textes, allen voran die so genannten Ergänzungen, Auslassungen und Umstellung, vorschnell als sekundär abzutun, weil sie sich angeblich des bearbeitenden Umgangs mit einer Vorlage verdanken, die eine mit der oberdeutschen Fassung weitgehend identische, allerdings am Original näher ste- Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 95 440 Vgl. N eumann (1954b), S. 60f. hende Textgestalt geboten haben soll. Erklären lässt sich diese Ansicht mit der Annahme, am Anfang der deutschen und lateinischen Überlieferung hätte ein Ausgangstext gestanden, der mit Hilfe beider Überlieferungszweige erschlossen werden kann. Diese Prämisse, die die Textkonstitution der vorliegenden Editionen bestimmt, ist zu diskutieren, wohingegen die Frage, welche der Varianten als authentisch, möglicherweise authentisch, vielleicht unecht oder ganz sicher unecht gelten kann, vernachlässigt werden darf. Schon allein die Tatsache, dass Lesarten hierarchisiert und skaliert werden können (man denke an die Bewertung der Authentizität bestimmter Lesarten im Kommentarteil der Edition von V ollmann -P rofe , vgl. S. 56f.), weist auf die Schwierigkeiten hin, die mit der Bestimmung und der intersubjektiven Vermittelbarkeit des Echten zusammenhängen. Deshalb bleibt die Frage nach dem Authentischen aus der folgenden Diskussion ausgeklammert. Nur auf diese Weise kann ein unvoreingenommener Zugang zur Überlieferung und Textgeschichte gewährleistet werden, ein Zugang, der dem Überlieferten einen Eigenwert zugesteht, ohne es im Hinblick auf etwas vermeintlich Authentischeres abzuwerten. Dass dies keinen Verzicht auf Textarchäologie impliziert, versteht sich von selbst. Aus diesem archäologischen Blick auf die Überlieferung erklärt sich, warum bei den Stellenangaben auch die Edition von N eumann referiert wird - den Text selbst zitiere ich nach der überlieferungskritischen Ausgabe von V ollmann -P rofe 441 -, verfügt doch N eumann s Text über einen Apparat, in dem die Lesarten der Parallelüberlieferung verzeichnet sind. Freilich ist dieser auf die Ziele der Ausgabe zugeschnitten, denn es werden vor allem Lesarten berücksichtigt, die für die Konstitution eines kritischen Textes von unmittelbarer Bedeutung sind. Nichtsdestoweniger bietet der Apparat einen umfassenden, wenn auch nicht vollständigen Überblick über die Parallelüberlieferung und über die textgeschichtlichen Abläufe. Der lateinische Text wird nach dem Typoskript der von E rnst H ellgardt , E lke S enne und mir vorbereiteten Neuausgabe der ›Lux divinitatis‹ zitiert (s. oben Anm. 16). Im Unterschied zur Edition der Solesmenser Mönche verzichtet diese auf jede jegliche Konjektur und Emendation nach der deutschen Überlieferung und bietet lediglich den Abdruck der einzig vollständigen Handschrift der lateinischen Übersetzung. 442 Der Verzicht auf die Ermittlung des Authentischen bedeutet indes nicht, Autorschaft zu einer irrelevanten Kategorie zu erklären. An der Autorbindung kann man zwar festhalten, man sollte sie jedoch nur noch als «formales Kriterium der textimmanenten Zuweisung gelten lassen […], auch wenn Dritte am Werk weitergearbeitet haben.» 443 Es erscheint mir in diesem Zusammen- 96 Einleitung 441 Abweichungen vom Text der Ausgabe werden dokumentiert und diskutiert. 442 Fehler, die das Textverständnis beeinträchtigen, werden freilich (gegebenenfalls auch nach dem deutschen Text) korrigiert, abweichende Lesarten der (lateinischen) Parallelüberlieferung im Apparat verzeichnet, Textzeugen, die von ihrer Vorlage stärker abweichen, im Anhang abgedruckt. Ergänzend zum lateinischen Text wird die alemannische Rückübersetzung (›Das Liecht der Gotheit‹) in synoptischem Abdruck geboten. 443 H.-J. S chiewer (2005), S. 40. Ähnlich T ervooren (1995), S. 197. hang von einigem Interesse, die Genese der Autorsignatur aufzudecken und ihre Wirkung in der Rezeptionsgeschichte zu verfolgen. Wohl ist der Autor keine Authentisierungsinstanz, er bleibt aber, wie es S chiewer in einem anderen Zusammenhang festgestellt hat, eine Autorisierungs- und Auratisierungsinstanz. 444 Deshalb würde es sich empfehlen, die bisherige produktionsästhetische Sicht auf Autorschaft in eine rezeptionsorientierte Perspektive zu überführen bzw. beide Sichtweisen zusammenzuführen (s. dazu Kap. III). Die rezeptionsorientierte Behandlung der Autorschaft hat den Prozess der Autorkonstituierung, die ‹Autorwerdung des Ich›, unter der Berücksichtigung der Text- und Überlieferungsgeschichte diachron zu vertiefen und rezeptionsgeschichtlich zu perspektivieren. Autorschaft diachron zu vertiefen, bedeutet, die einzelnen Stationen und den literarsoziologischen Ort des Buchwerdungsprozesses zu eruieren, um von hier aus nach der Autorschaft und dem Status des überlieferten Textes zu fragen. Die rezeptionsgeschichtliche Perspektivierung zielt auf die Relevanz der ‹Funktion Autor› in der Überlieferung und Rezeption ab. Es gilt also zu klären, (1) welcher Zusammenhang zwischen Mechthild und dem ›Fließenden Licht‹ in der Überlieferung hergestellt wurde und (2) welchen Zusammenhang wir zwischen Mechthild und einem Text herstellen können, der in der überlieferten Form keineswegs mehr auf sie bzw. auf sie allein zurückgehen kann, sondern bereits als Rezeptionszeugnis zu werten ist. Vorüberlegungen zu Textstatus und Autorschaft des ›FL‹ 97 444 Vgl. H.-J. S chiewer (2005), S. 49f. II Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹. Die deutsche und lateinische Überlieferung im Vergleich II.1 Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? Der Gedanke, dass es eine von E abweichende Version des ›Fließenden Lichts‹ gegeben hat, die zur Grundlage der lateinischen Übersetzung wurde, ist keineswegs so neu, wie es sich von der aktuellen Textualitätsdebatte her betrachtet vielleicht zunächst anhört. Es gab in der Mechthild-Forschung durchaus Stimmen, die behaupteten, der deutsche und der lateinische Überlieferungszweig des ›Fließenden Lichts‹ stellten zwei Versionen dar. Zur Begründung verwies man darauf, dass die ›Lux divinitatis‹ ihre Buch- und Kapitelfolge einer gliederungsgleichen deutschen Vorlage verdankt haben kann, einer Handschrift, die wie die lateinische Übersetzung einen bereits nach sachlichen Gesichtspunkten umgruppierten Text bot. Die Berechtigung dieser Annahme soll im Folgenden untersucht werden (Kap. II.1.2). Da sie forschungsgeschichtlich eng mit der Frage verbunden ist, ob Heinrich von Halle, der vermeintliche Beichtvater Mechthilds, bei der Entstehung des deutschen oder des lateinischen Textes als Redaktor beteiligt war, wird zunächst auf diesen Punkt einzugehen sein, zumal diesbezüglich widersprüchliche Vorstellungen in der Forschung kursieren (Kap. II.1.1). Im Anschluss daran gilt es zu fragen, ob die Kapitelfolge des ›Fließenden Lichts‹ als authentisch angesehen werden kann, authentisch insofern, als sie das allmähliche Voranschreiten des Verschriftlichungsprozesses dokumentiert, die Art und Weise, wie die Aufzeichnungen «nach und nach die Pergamentlagen auf Mechthilds Tisch gefüllt haben» 1 (Kap. II.1.3). II.1.1 lector predictus dicta huius mehtildis omnia collegit … Zum Anteil Heinrichs von Halle an der Textgenese aus rezeptionsgeschichtlicher Sicht In seinem ADB-Artikel beschreibt S trauch die frühe Textgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ wie folgt: «Dem göttlichen Willen gehorchend hat M. ihre Betrachtungen und Offenbarungen ‹Das fließende Licht der Gottheit› eigenhändig aufgezeichnet. […] Der ihr befreundete Dominikanerbruder Heinrich 1 N eumann (1954b), S. 61. Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? von Halle, Lector zu Rupin (der vor M. starb) sammelte die einzelnen Stücke, so wie sie der Zeit nach hinter einander entstanden waren und schied sie in 6 Theile. Später ordnete er das Ganze nach dem sachlichen Inhalt gleichfalls in 6 Bücher und diese letztere Gestalt wurde Grundlage für die lateinische freie Uebersetzung ‹Lux divinitatis›, die ein anderer, gleichfalls M. nahestehender Bruder Heinrich, Lector des Predigerordens bald nach ihrem Tode herstellte.» 2 Mit der hier postulierten zweifachen Redaktion des deutschen Textes durch Heinrich von Halle wendet sich S trauch gegen P reger , der der Ansicht war, dass die sachliche Neuordnung der «one [! ] Rücksicht auf den Inhalt nur der Zeit nach zusammengestellten Stücke» erst bei der Übersetzung stattfand, die Heinrich von Halle zuzuschreiben wäre. 3 Merkwürdigerweise rekurrieren beide Forscher bei der Stützung ihrer Thesen auf dieselbe Textstelle der ›Lux divinitatis‹, interpretieren diese allerdings unterschiedlich. Die referierte Textstelle findet sich am Ende des zweiten Buches, und zwar im Anschluss an die Übersetzung von FL V.12, einem Kapitel, das an einen Meister Heinrich adressiert diesen wegen seines Zweifels an der Inspiriertheit des b v ches tadelt. Es handelt sich um folgende Notiz: Hic litteratus et bonus vir lector predictus [frater heinricus dictus de hallis lector rupinensis] dicta huius mehtildis omnia collegit et in unum uolumen redegit ac in sex partes illud distinxit sicut legentibus nunc apparet (LD II.40,12-14/ Rev. Bd. II.2, II.22, S. 517,5-7, LG II.37,17- 19: Diser gelerter man vnd lesemeister hatt alle gedicht diser Mechtildis zúsammen gesamlet vnd gebracht in ein búch vnd hatt es geteilt in sechs teil als nún befindent die das lesent). Mit der ambivalenten Bewertung des zitierten Passus stehen S trauch und P reger keineswegs allein. Auch V ollmann -P rofe rekurriert auf LD II.40, um einem möglichen Gegenargument zu ihrer Vermutung zu begegnen, derzufolge es sich bei der jetzigen Bucheinteilung des ›Fließenden Lichts‹ insgesamt um alte Veröffentlichungsabschnitte handelt, um Teilpublikationen also, die auf ein sukzessives Bekanntwerden der Aufzeichnungen Mechthilds schließen lassen. V ollmann -P rofe argumentiert: «Die Feststellung der ›Revelationes‹ Henricus dictus de Hallis habe Mechthilds Werk in sex partes … distinxit sicut legentibus nunc apparet (II 22) tangiert unsere Überlegungen nicht; sie bezieht sich auf die Textanordnung in den sechs Büchern der ›Revelationes‹.» 4 Zur Stützung ihres Argumentes beruft sich V ollmann -P rofe auf S. 42 des Akademie-Vortrags von N eumann . Hier liest man in der Tat einen Satz wie: «Das nunc apparet macht zunächst den Eindruck, als sei die radikale Umgruppie- 100 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 2 S trauch (1885), S. 154f. Vgl. auch S trauch (1883), S. 371f. 3 Vgl. P reger (1881), S. 453 und (1873), S. 204. 4 V ollmann- P rofe (1994), S. 147, Anm. 5. Ähnlich V ollmann- P rofe (2003), S. 798. Während V ollmann- P rofe hier Heinrich für die Übersetzung verantwortlich zeichnet, spricht sie an anderen Stellen vom Übersetzer allgemein oder den Hallenser Dominikanern, s. V ollmann- P rofe (2000), S. 135, 135, 152 u.ö. bzw. V ollmann- P rofe (2003), S. 672. Zur Frage nach dem Entstehungsort der ›Lux divinitatis‹ s. Kap. II.2.4. rung im lat. Text gemeint […].» 5 Doch will N eumann dies nicht gelten lassen, denn er ist überzeugt, die «vielfältig eigenwillige und vor Verfälschung nicht zurückschreckende Übersetzung» 6 könne Heinrich nicht zugeschrieben werden, zumal sie laut Hinweisen im Text erst nach seinem und Mechthilds Tod entstanden ist. 7 Konsequenterweise bezieht N eumann das nunc apparet und die Angaben zur redaktionellen Tätigkeit Heinrichs nicht auf den lateinischen, sondern auf den deutschen Text und paraphrasiert, der deutsche Band (uolumen) erscheine «den Lesern jetzt (wie dem Übersetzer selbst) in 6 Bücher eingeteilt, wie die Bücher I-VI des Einsiedelner Codex ihn den heutigen Lesern darbieten.» 8 Offenbar konnte in der Frage, an welcher Textversion Heinrich als Redaktor beteiligt war, bislang kein Konsens erzielt werden. So behaupten die einen, die redaktionelle Notiz in LD II.40 meine Heinrichs Umgang mit dem deutschen Text, so dass nicht er, sondern ein dritter als Übersetzer in Frage käme, 9 wohingegen die anderen die Verben colligere, redigere, distinguere auf die lateinische Übersetzung bezogen wissen wollen, wodurch Heinrich zugleich als Übersetzer qualifiziert wird. 10 Im letzteren Sinn liest auch P eters den referierten Passus aus der ›Lux divinitatis‹: «Man wird davon ausgehen müssen, daß Heinrich von Halle, der überhaupt nur in der lateinischen Übersetzung genannt wird, bestenfalls an dieser Fassung von Mechthilds Text beteiligt gewesen sein kann.» 11 Sie ist der Ansicht, inzwischen hätte sich die Auffassung durchgesetzt, «daß Heinrich von Halle nur an der lateinischen Fassung des Textes beteiligt gewesen sei: nicht unbedingt als Übersetzer oder Bearbeiter, sondern eher als Initiator bzw. als eine Art Auftraggeber, der sechs Kapitel [! ] von Mechthilds Text neu habe ordnen und übersetzen lassen, vor der Vollendung Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 101 5 N eumann (1954b), S. 42. 6 N eumann ebd. 7 Vgl. LD II.40,14f. (Rev. Bd. II.2, S. 517,8f.): huius animam [gemeint ist Heinrichs Seele] soror Mechtildis que postmodum superuixit uidit in aspectu domini in celo etc. bzw. LD Prol. 1,38-40 (Rev. Bd. II.2, S. 436,39f.): Nunc a sponso uirginum assumpta uirgo sancta ipso perfruitur (perfinitur Rb) quem amauit cuius caritas mirabilis suam multis decorauit miraculis dilectricem (LG II.37,19-21: Dises brúder heinrichs seell den mechtildis vberlebet hatt · hat sye gesehen im himmel vor dem angesicht gottes etc. bzw. Vorrede 1,56-59: Nún ist disse heilige iungfrow von dem gespons der iungfrowen im himmel entpfangen vnd durchnúist den / den sy liebhat welches wúnderbarliche liebin sin liephaberin geziret hat mit vil mirackel). 8 N eumann (1954b), S. 43. Vgl. auch N eumann (1993), S. 46, Anm. zu II.26,34f. 9 Außer S trauch (Anm. 2 mit Text) und N eumann (Anm. 6 mit Text) wäre hier u.a. hinzuweisen auf M ichael (1903), S. 190f., O ehl (1911), S. 18, A ncelet -H ustache (1926), S. 34f., P almer (1989), S. 77 und (1992), S. 223 sowie K eul (2004), S. 25. 10 Außer P reger (Anm. 3 mit Text) und V ollmann- P rofe (Anm. 4 mit Text) wäre in diesem Zusammenhang zu nennen B oehmer (1874), S. 3, G rössler (1887), S. 12, S tierling (1907), S. 36 und 101, H auck (1911), S. 188, L üers (1926), S. 47, B ecker (1951), S. 194, K öbele (1993), S. 33 und S uerbaum (2003), S. 253. 11 P eters (1988a), S. 120. jedoch gestorben sei, so daß man mit späteren Zusätzen rechnen müsse.» 12 Ganz abgesehen davon, dass diese von P eters als vermeintlicher Forschungskonsens präsentierte Position die Einzelmeinung und den keineswegs überzeugenden Versuch von B ecker darstellt, zwischen zwei Lagern zu vermitteln, 13 ist sie in eine Argumentation eingebettet, die darauf abzielt, die «schematische Rollenfigur» des im nachhinein mit Heinrich von Halle identifizierten Beichtvaters und Redaktors Mechthilds aus der Nähe der Textgenese zu verdrängen, um im Gegenzug die Entstehung des ›Fließenden Lichts‹ institutionell ans Kloster Helfta anzubinden, an eine Gemeinschaft, die sich nicht nur als der «geeignete Ort für die Niederschrift und Verbreitung von Mechthilds Text» erweist, sondern auch «an der Redaktion, vielleicht auch an der Übersetzung [? ! ] der Schriften einer ihrer Angehörigen ein besonderes Interesse gehabt haben dürfte.» 14 Die Antwort auf die Frage, ob sich Heinrich am deutschen oder am lateinischen Text als Redaktor betätigt hat, hängt demnach wesentlich davon ab, auf welche Textversion man die Angaben in LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 517) bezogen wissen will. Dies ist nicht leicht zu entscheiden. Zwar trägt der lateinische Text die Überschrift De fratre heinrico lectore qui compilauit librum istum, doch ist (wie schon bei nunc apparet) im Grunde unklar, ob der deutsche oder der lateinische liber gemeint ist. B ecker bezieht die Überschrift auf das vorliegende Buch der ›Lux divinitatis‹ und argumentiert, das gleiche Demonstrativum finde sich auch in LD Prol. 7,2 und 11f. (Rev. Bd. II.2, S. 444,29 und 445,11). 15 Im ersten Fall (Deuote suscipiendus est liber iste de quo sic loquitur deus, LG Vorrede 6,3: Dis buch ist anzunemmen andechtiglich von welchem got also spricht) handelt es sich um eine genaue Übersetzung der Überschrift des ersten Prooemiums zum ›Fließenden Licht‹ (Dis b v ch sol man gerne enpfan, wan got sprichet selber dú wort), so dass in diesem Fall nicht zu entscheiden ist, auf welches Buch sich das Demonstrativpronomen eigentlich be- 102 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 12 P eters ebd., S. 120, Anm. 31. 13 Zum einen galt es gegen Meinungen, die im Übersetzer einen Dritten sehen wollten, Heinrichs Beteiligung an der Entstehung der ›Lux divinitatis‹ zu wahren, zum anderen musste der ihm zuerkannte Anteil an der Übersetzung mit LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 517) harmonisiert werden, wonach Heinrich noch vor Mechthild gestorben war (s. Anm. 7 oben). Dies hat B ecker (1951) dazu veranlasst, eine vermittelnde Position zu beziehen, indem er Heinrich als den «Schirmherren des Werkes» (S. 195) apostrophiert und vorschlägt, die Verben collegit, redigit, distinxit phraseologisch adäquater mit ‹ließ zusammenstellen etc.› zu übersetzen (S. 196). Ablehnend äußert sich dazu N eumann (1954b), S. 43 und schlägt vor, die Übersetzer im Hallenser Konvent der Dominikaner zu suchen, dem auch Heinrich von Halle zugehört haben soll, s. N eumann (1948/ 50), S. 145 und (1987a), Sp. 261. Dies darf als (vorläufiger) Forschungskonsens gelten, vgl. R uh (1993), S. 252 und neulich L anger (2004), S. 234. Zur Kritik dieses Forschungskonsenses s. Kap. II.2.4. 14 P eters (1988a), S. 65. Zu den Hintergründen und zur Stoßrichtung dieser Argumentation s. Kap. I.1.3. 15 Vgl. B ecker (1951), S. 196f., Anm. 2. zieht. Aussagekräftiger ist der zweite Beleg, weil er einen eigenständigen Kommentar des Prologverfassers zur vorgefundenen oder von ihm in Angriff genommenen Übersetzung darstellt: Et erit liber iste in perpetuum inconcussus dicit dominus etc. (LG Vorrede 6,16f.: Vnd dis Búch wirt sin ewiglich vnbeweglich spricht der herr etc.). Eine zur Unterscheidung von Vorlage und vorliegendem Buch erforderliche terminologische Stringenz ist dem lateinischen Text jedoch nicht abzugewinnen. Dafür spricht nicht nur die Inkonsequenz bei der Übersetzung der deutschen Formel dis b v ch einmal mit liber iste und ein anderes Mal mit hic liber, 16 sondern vor allem die Überschrift des letzten Prologkapitels. Da sie kein Äquivalent im ›Fließenden Licht‹ hat und dem nachfolgenden Textcorpus als Ganzen gilt, wäre im Sinne von B ecker eigentlich zu erwarten, dass liber iste verwendet wird. Doch ist dies nicht der Fall. Die Überschrift lautet: De nomine et perpetuitate huius libri (LD Prol. 7/ Rev. Bd. II.2, S. 444, LG Vorrede 6: Von dem namen vnd von der ewigkeit dises buchs). 17 Und wenn gleich in der ersten Zeile des Kapitels von liber iste und dann wieder von hic liber die Rede ist, wird man mit einigem Recht annehmen dürfen, dass es sich lediglich um eine stilistische Variation seitens des Übersetzers handelt. 18 Vollends gegen B ecker spricht die Tatsache, dass der Prologverfasser den deutschen Text barbara lingua conscriptum librum istum (LD Prol. 2,5f./ Rev. Bd. II.2, S. 437,9) nennt. Aufschlussreich für die Frage, auf welchen liber die Angaben in LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 517) bezogen werden können, ist der Blick auf die handschriftliche Überlieferung der ›Lux divinitatis‹. Dem Prolog vorangestellt liest man in Rb die Überschrift: Prologus fratris henricus lectoris de ordine fratrum Predicatorum. P reger identifizierte den hier genannten frater henricus kurzerhand mit jenem quodam frater predicti ordinis [predicatorum], von dem im lateinischen Vorbericht zum deutschen Text berichtet wird, er hätte das vorliegende Buch (liber iste) zusammengeschrieben (conscriptus). Bruder Heinrich, Lektor des Predigerordens, ist in P reger s Auffassung aber nicht nur der Sammler, sondern auch der Übersetzer von Mechthilds Schriften und mit jenem Heinrich von Halle, Dominikanerlektor zu Ruppin, identisch, von dem in LD II.40 die Rede ist. 19 Den Widerspruch zwischen dieser Behauptung und Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 103 16 Vgl. etwa die Übersetzung von dis b v ch (Überschrift von FL III.20 und erste Zeile) in LD Prol. 5 (Rev. Bd. II.2, S. 442), wo es in der Überschrift mit liber iste, in der ersten Zeile dagegen mit hunc librum wiedergegeben wird. Ähnlich wechseln sich hic liber und liber iste in der redaktionellen Bemerkung des Prologverfassers im Anschluss an LD Prol. 7 (Rev. Bd. II.2, S. 445,11) ab. Vgl. in diesem Zusammenhang auch LD VI.25 (Rev. Bd. II.2, S. 642). 17 Mit dieser Überschrift versieht Ra auch das zweite Kapitel der der ›Lux divinitatis‹ vorgeschalteten Verteidigungsschrift. In Rb wurde die Überschrift an der gleichen Stelle nicht ausgeführt. 18 Zu dem von den Übersetzern häufig angewandten Stilprinzip der variatio s. V ollmann- P rofe (2000), S. 149f. 19 Vgl. P reger (1869b), S. 158f. der Tatsache, dass Heinrich zum Zeitpunkt der Übersetzung nicht mehr lebte, weil er noch vor Mechthild gestorben war (s. Anm. 7 oben), versucht P reger dadurch zu lösen, dass er die in LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 517) genannte soror mechthildis mit Mechthild von Hackeborn identifiziert und damit den Tod Heinrichs um einige Jahre weiter nach hinten verschiebt (Mechthild von Hackeborn dürfte um 1298 gestorben sein). 20 Diese Identifikation hat S trauch zu Recht als unhaltbar zurückgewiesen. 21 Im Gegenzug schreibt er die Übersetzung jenem Bruder Heinrich zu, der durch die Überschrift zum ›Lux divinitatis‹- Prolog als eine weitere Referenzfigur in die Fachdiskussion eingegangen ist. 22 S tierling hat ausgehend vom handschriftlichen Befund Zweifel an S trauch s Identifizierung des Übersetzers mit Bruder Heinrich signalisiert. Er weist darauf hin, die Überschrift in Rb habe keinen Bezeugungswert, da sie deutlich die Züge einer anderen Hand trägt. Die Überschrift stelle demnach lediglich ein Kolumnenfüllsel dar. 23 Auch für S tierling ist Heinrich von Halle der Übersetzer, wohingegen der Prolog und die Notiz über Heinrich in LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 517) einem unbekannten Dritten zugeschrieben werden. 24 In ein neues Licht gerückt wurde das angebliche Kolumnenfüllsel in Rb mit der Entdeckung der alemannischen Rückübersetzung der ›Lux divinitatis‹, ›Liecht der Gotheit‹ genannt. 25 Dieser unikal in einer Handschrift von 1517 überlieferte Text versieht den Prolog mit einer Rb ähnlichen Überschrift (Die vorred heinrici ruppinensis) und kündigt diesen wie folgt an: Nun volgt hiernach ein vorred des geistlichen vatters henrici Ruppinensis leszmeisters in das buch so genant ist das liecht der gotheit welches von christo ist geoffenbart worden der heiligen frawen Mechtildi von Helpede. 26 Da Rw nicht von Rb abstammt, sondern auf eine stellenweise bessere lateinische Vorlage zurückgeht, 27 ist die Möglichkeit auszuschließen, dass der Rw-Schreiber die Notiz Rb entnommen hat. Ob diese Angabe über die gemeinsame Vorlage zurückgehend im Archetyp der lateinischen Überlieferung enthalten war oder ob es 104 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 20 Vgl. P reger (1873), S. 205. Ähnlich B oehmer (1874), S. 4. 21 Vgl. S trauch (1883), S. 372, Anm. 2. Ähnlich A ncelet -H ustache (1926), S. 36. 22 Vgl. S trauch ebd. und S tierling (1907), S. 36. Ähnlich bereits die Solesmenser Benediktiner, s. Rev. Bd. II.2, S. 428f. 23 Vgl. S tierling (1907), S. 36, Anm. 2. 24 Vgl. S tierling ebd., S. 36f. Diesen wollte A ncelet -H ustache (1926), S. 36f. mit jenem frater N. Ordinis Praedicatorum identifizieren, von dem im ›Liber‹ Mechthilds von Hackeborn (V.7) berichtet wird, dass er das donum Dei tam fideli corde in sorore Mechtildi dilexisset (Rev. Bd. II.1, S. 330). Ich verzichte hier auf eine Auseinandersetzung mit dieser keineswegs zwingenden Annahme. Die Gegenargumente liefert A ncelet -H ustache ebd., S. 40f. selbst. 25 Die ehemals Wolhusener, heute in der ZB Luzern aufbewahrte Handschrift (Sigle: Rw) hat E mil S piess aufgefunden, s. O ehl (1927) und S piess (1935). Detaillierte Beschreibung und Edition findet sich bei H ellgardt / N emes / S enne (2011). 26 Vgl. S enne (2002), S. 95. 27 Vgl. B ecker (1951), S. 30-33 sowie S enne (2002), S. 17 und 58. sich um eine Ansicht handelt, die zu der Zeit, als die beiden Handschriften entstanden sind, gemeinhin geglaubt wurde, lässt sich nicht feststellen. 28 Man kann jedoch mit Sicherheit sagen, dass Rb und Rw nicht die einzigen Rezeptionszeugnisse sind, die die Angaben in LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 517) auf den lateinischen Text beziehen und in Heinrich von Halle den Übersetzer Mechthilds ins Lateinische sehen. Im ›Liber de Viris Illustribus Ordinis Praedicatorum‹ des Reformers und Ordenshistoriographen Johannes Meyer findet sich folgender Eintrag: 29 (Nr. 25) Heinricus iterum fuit et alius theutonicus dictus de hallis lector doctus deuotus et graciosus qui inter alia sua opera dicta et scripta beate et venerabilis sororis Mechtildis de monasterio helpede digne memorie collegit et in vnum volumen redegit et in sex partes illud distinxit et sic per scripturam eiusdem voluminis multa sibi premia comparauit quibus in conspectu sanctorum apparuit gloriosus. Es ist ohne weiteres ersichtlich, dass die Quelle dieser Notiz die ›Lux divinitatis‹ war. 30 Sie stimmt mit der lateinischen Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ an zwei Stellen sogar wörtlich überein. 31 Auch seine Kenntnis über Balduin und Albrecht von Minden verdankt Meyer der ›Lux divinitatis‹. 32 Man fragt sich, wo Meyer mit diesem Text in Berührung kam. Als Vorlage für Meyers biographische Notizen muss die Handschrift Ra oder ein ihr verwandter Text ausscheiden. 33 Dieser Befund verwundert insofern nicht, als Ra einen etwas isolierten Ableger der lateinischen Texttradition des ›Fließenden Lichts‹ darstellt, denn Ra ist im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts in der Kartause Basel entstanden 34 und wurde aller Wahrscheinlich- Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 105 28 Vgl. B ecker (1951), S. 30. Dass der Prolog der ›Lux divinitatis‹ von Heinrich von Halle verfasst wurde, ist demnach keineswegs gesichert, gegen K öbele (1993), S. 33 und P al mer (2005) S. 252. 29 Zitiert nach L oë (1918), S. 27. 30 Der Herausgeber L oë scheint sich dessen allerdings nicht bewusst gewesen zu sein, denn er weist sowohl in der Einleitung (S. 7) als auch in den Fussnoten (vgl. S. 27 und 28) nur auf die M orel sche Textausgabe hin. Dabei hat er nicht nur die seit 1877 vorliegende Edition der ›Lux divinitatis‹ durch die Solesmenser Mönche übersehen, sondern auch den Hinweis von P reger (1869b), S. 159, Anm. 2, der auf Meyers Kenntnis der lateinischen Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ als erster aufmerksam gemacht hat. 31 Collegit - distinxit entspricht LD II.40,13 (Rev. Bd II.2, S. 517,6f.), per scripturam - gloriosus LD II.40,16f. (Rev. ebd., S. 517,10-13). 32 Der Eintrag über Baldowinus Theutonicus (L oë 1918, S. 27f., Nr. 26) entspricht LD II.39 (Rev. Bd. II.2, S. 515f.), derjenige über Albertus de Minda Theutonicus (L oë ebd., S. 28, Nr. 27) LD II.36 (Rev. Bd. II.2, S. 513). 33 Dies macht der Variantenapparat von LD II.36, 39 und 40 in der Neuedition der ›Lux divinitatis‹ deutlich, vgl. H ellgardt / N emes / S enne (2011). 34 B ecker (1951), S. 11 datiert die Handschrift auf das ausgehende (um 1470? ), M eyer / B urckhardt (1966), Bd. 2, S. 179 auf das frühe 15. Jahrhundert. Meine Datierung basiert auf den Wasserzeichen: Buchstabe P mit Querstrich durch den unteren Schaft, vgl. P iccard (1977), Abt. IV, Nr. 285 und 286 (Oberrhein, 1471/ 1472). Das den vorangehenkeit nach direkt von Rb oder einer von Rb unmittelbar abhängigen Handschrift abgeschrieben. 35 Bemerkenswert ist dabei, dass die ›Lux divinitatis‹ weitere Verbreitung innerhalb der Mauern der Basler Kartause über Ra gefunden hat. So konnten mehrere Exzerpte in zwei Gebetbuchhandschriften identifiziert werden, 36 zu deren Vorlage direkt oder indirekt Ra diente. Die eine dieser Handschriften befindet sich in der UB Basel (Cod. A VII 68, olim: B XI 4), 37 die andere in der BB Bern (Cod. A 82). 38 Im Falle von Cod. A VII 68 (Sigle: Ba) handelt es sich um eine Mischhandschrift im Oktavformat (129 102 mm), entstanden um die Mitte bzw. gegen das Ende des 15. Jahrhunderts. 39 Bis auf ein Textstück (LD VI.21/ Rev. Bd. II.2, S. 640), das von einer späteren Hand - diese hat die Handschrift auch an anderen Stellen mit Nachträgen und Anmerkungen verschiedentlich ergänzt - am unteren Blattrand von fol. 272 r eingetragen wurde, findet man die Mechthild-Exzerpte immer im Haupttext: LD VI.17,47-90 (Rev. Bd. II.2, S. 635-637) auf fol. 272 r- 274 r und LD III.1,25-31 (Rev. Bd. II.2, S. 520, 14-23) auf fol. 274 r . Dass Ba von Ra abstammt, erkennt man an einigen charakteristischen Lesarten. 40 Dies gilt nicht nur für den Grundbestand, sondern auch für den von einer anderen Hand herrührenden Nachtrag. Der wiederholte Rückgriff auf die Handschrift Ra bzw. eine Abschrift davon, die nachweislich den Ausgangspunkt der Exzerptüberlieferung in Ba bildet, deutet darauf hin, dass nicht nur der Schreiber von Ba, sondern auch der spätere Benutzer der Handschrift in der Basler Kartause zu suchen ist. Auch der Berner Cod. A 82 (Sigle: Br) ist eine Gebetbuchhandschrift. 41 Es handelt sich um einen Band im Kleinoktavformat (105 70 mm) aus der Basler Kartause, entstanden im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts, vgl. 1477 (fol. 69 v ) und 1475 (fol. 86 r ). Mehrere Gebetstexte sind Ba und Br gemeinsam, so auch die Mechthild-Exzerpte auf 106 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ den Blättern eigene Wasserzeichen ist vergleichbar P iccard ebd., Abt. IX, Nr. 1046 und 1047 (Basel 1465, 1466). Wenn auch die Identifizierung wegen der Nähe der Wasserzeichen zur Bindung nicht definitiv ist, datieren beide Typen auf das letzte Viertel respektive auf die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts und wiederlegen damit die von M eyer / B urckhardt vorgeschlagene Frühdatierung. 35 Auf eine Beweisführung wird hier verzichtet, denn man findet die entsprechenden Ausführungen im Einleitungsteil der Neuedition der ›Lux divinitatis‹, vgl. H ellgardt / N emes / S enne (2011). 36 Zur kartusianischen Gebets- und Frömmigkeitskultur s. A chten (1983), (1989), (1991), (1992) sowie O chsenbein (1980). 37 Auf diese Handschrift, die auch Exzerpte (genauer die breit überlieferten fünf ›Ave Maria‹) aus dem ›Liber‹ Mechthilds von Hackeborn auf fol. 254 v -255 r enthält (nicht verzeichnet bei Z ieger 1974 und M. S chmidt 1987), bin ich durch das Initienregister von S teinmann (1982), S. 65 bzw. 106 aufmerksam geworden. 38 Den Hinweis auf diese Handschrift verdanke ich Nigel F. Palmer (Oxford). 39 Eine handschriftliche Beschreibung findet man in B inz / R oth (o.J.), S. 481-491. Textabdruck bietet die Neuausgabe der ›Lux divinitatis‹, vgl. H ellgardt / N emes / S enne (2011). 40 S. dazu die Dokumentation in H ellgardt / N emes / S enne (2011). 41 Zur Handschrift s. H agen (1875), S. 100f., S carpatetti (1983), Bd. 2/ 1, S. 13 (Nr. 26) und Bd. 2/ 2, S. 222 (Abb. 520). fol. 71 r -76 r (= Ba fol. 272 r -274 r ) und fol. 76 v -77 r (= Ba fol. 274 r ). 42 Der Nachtrag auf Ba fol. 272 r fehlt dagegen der Berner Handschrift. Dafür überliefert sie ein in Ba nicht enthaltenes Zitat aus der ›Lux divinitatis‹. Auf zwei zwischengeschobene Textstücke (ein Bernhard-Dictum und ein Exzerpt aus einer Predigt zum Fest der Beschneidung) folgt folgende Zeile: Voluptates valde debemus pertimescere propterea quod christus dominus et saluator noster tam multas acutas penas et tribulationes in hoc mundo pro nobis pertulit Ex libro qui dicitur lux divinitatis sancte Mechtildis virginis (fol. 78 v ). Der Text ist in Anlehnung an LD Prol 5,23-24 (Rev. Bd. II.2, S. 443,1-4) formuliert, vgl. Voluptatem eciam precipue pertimesco pro eo quod christus tam multas acutas penas et tribulaciones pertulit in hoc mundo (= Ra fol. 104 v , in hoc mundo pertulit Ra fol. 159 r ). 43 Dass Br von einer mit Ba gemeinsamen (mittelbar oder unmittelbar von Ra abhängigen) Vorlage abstammt, lässt sich an der mit Ba weitgehenden identischen Textgestalt ablesen. Was die textgeschichtlichen Zusammenhänge betrifft, lässt sich Folgendes feststellen: 1. Br kann nicht von Ba abgeschrieben worden sein (die Pluszeile in Br fehlt Ba), 2. es muss einen umfangreicheren Auszug aus Ra in der Basler Kartause gegeben haben, der das Ba und Br jeweils eigene Sondergut an Mechthild-Zitaten enthielt - vorausgesetzt, das jeweilige Sondergut in Ba und Br wurde nicht direkt aus Ra abgeschrieben. Vollständigkeitshalber sei darauf hingewiesen, dass das in Ba und Br eingegangene Gebet LD VI.17,47-90 (Rev. Bd. II.2, S. 635,3u-S. 637) in weiteren Handschriften überliefert ist: Augsburg, Staats- und StB, 8° Cod. 17, fol. 242 r -243 v (Sigle: Au), 44 Weimar, HAAB, Oct 54 (Sigle: We1) und Oct 58 (Sigle: We2). 45 Au stammt aus dem Benediktinerkloster St. Ulrich und Afra in Augsburg und besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil datiert auf das 2. Viertel des 15. Jahrhunderts und enthält unter anderem Texte, die mit dem ersten Versuch zur Einführung der Melker Observanz in St. Ulrich und Afra 1441 unter Abt Johannes IV. von Hohenstein (1439-1458) in Zusammenhang stehen. Der zweite, aus nur drei Lagen bestehende Teil fokussiert auf die Passionsthematik und entstand nach der Schrift beurteilt vor 1450. Um diese Zeit dürften die beiden Teile in der Augsburger Werkstatt ‹Lilien-Quadrat vierfach II› zu einem Sammelband vereinigt worden sein. 46 Das aus der ›Lux divinitatis‹ exzerpierte Kapitel befindet sich im zwei- Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 107 42 Z ieger (1974), S. 73 nennt die Handschrift, die die gleichen Exzerpte aus dem ›Liber‹ wie Ba enthält, in seiner Liste der «Mechtild [von Hackeborn] zugeschriebene[n] Stücke.» 43 Ra bringt LD Prol 5 (Rev. Bd. II.2, S. 442f.) an zwei Stellen: Die zweite Hälfte des Kapitels (Z. 14-24, Rev. Bd. II.2, S. 442,24-443,4) in der Praefatio (fol. 104 v ), das ganze Kapitel in den Nachträgen (fol. 159 r ). 44 S. dazu demnächst: Die Handschriften der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg 8° Cod 1-232, bearbeitet von W olf G ehrt und J uliane T rede . Die vorläufige Beschreibung unserer Handschrift durch J uliane T rede findet man unter http: / / www.manuscripta-mediaevalia.de/ hs/ projekt-Augsburg-pdfs/ OctCod017.pdf (Stand: 9. Januar 2008). Über diese Beschreibung hinausgehende Angaben verdanke ich brieflichen Mitteilungen von Frau Trede. 45 Zu den beiden Weimarer Handschriften s. B ushey (2004), S. 289-308 und 327-338 (das Mechthild-Exzerpt blieb in beiden Fällen unidentifiziert). Den Hinweis auf die Weimarer Handschriften verdanke ich Matthias Eifler (Leipzig). 46 Es gibt bei den Augsburger Oktavhandschriften noch einen zweiten Band aus dieser Werkstatt, die ebenfalls Melker Reformtexte enthält und auf das 2. Viertel des 15. Jahrhunderts datiert: Augsburg, Staats- und StB, 8° Cod. 114. Denselben Einband weisen ten Teil von Au auf fol. 242 r -243 v , der, wie gesagt, auf das Thema der Passion ausgerichtet ist. Das Explizit charakterisiert die hier versammelten Texte als oraciones (fol. 243 v ). Den Schlussstein bietet unser Mechthild-Exzerpt, das wie folgt angekündigt wird: Oracio generalis sororis Mechthildis ora libenter. - We1 kommt aus der Bibliothek der Erfurter Benediktinerabtei St. Peter und Paul. Die aus zwei Teilen bestehende Handschrift wurde von Heinrich Wunne, einem Angehörigen des Klosters, 1443 geschrieben. Das Mechthild-Exzerpt findet sich im zweiten Teil der Handschrift auf fol. 107 v -109 v (Oracio beate Mechildis monialis viriginis) mitten in einer umfangreichen Sammlung von Gebeten. — Auch We2 war im Mittelalter im Besitz einer Erfurter Bibliothek, und zwar derjenigen der Kartause Salvatorberg (im mittelalterlichen Bibliothekskatalog unter der Signatur F 33). Es handelt sich um eine aus sechs Teilen zusammengesetzte theologische Sammelhandschrift, die auf das erste Drittel des 15. Jahrhunderts datiert. In engem Zusammenhang mit dem Kartäuserorden stehen die in Faszikel I und VI enthaltenen, von mehreren unbekannten Händen herrührenden Texte. LD VI.17,48-91 (Rev. Bd. II.2, S. 635,3u-637,24) findet sich in dem nachweislich in der Erfurter Kartause geschriebenen ersten Faszikel auf fol. 6 v -8 r (Oratio generalis efficax et deuota). Die Mitüberlieferung bilden auch hier Gebete. Gegenüber Ra, Ba und Br bilden Au, We1 und We2 eine eigene Gruppe *y, deren Charakteristikum ein stark bearbeitender (vor allem aufschwellender) Umgang mit dem Text ist. 47 Die Mutterkopie dieser Handschriftengruppe geht auf einen von Rb unabhängigen Traditionszweig der ›Lux divinitatis‹ zurück, der in die Nähe der lateinischen Vorlage der alemannischen Rückübersetzung bzw. einer ihrer Vorstufen führt. Ob dies zu der Annahme berechtigt, der Ausgangspunkt der Überlieferung sei in Basel zu suchen, steht keineswegs fest, zumal die aus We1 und We2 bestehende Untergruppe *y1 auf eine frühe, ins erste Drittel des 15. Jahrhunderts zurückreichende Rezeption von LD VI.17,48-91 (Rev. Bd. II.2, S. 635,3u-637,24) in Erfurt schließen lässt. 48 Ähnlich ungewiss ist, ob die Tradierung des in den *y-Handschriften exzerpierten Gebets im Kartäuser- oder im Benediktinerorden ihren Anfang nahm. 49 Außer Ra und den neu aufgefundenen Exzerpthandschriften Ba und Br ist die ›Lux divinitatis‹ ein weiteres Mal, wenn auch nur indirekt, für die Kartause in 108 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ außerdem die ebenfalls Augsburger Handschriften 2° Cod. 184 und 186 und vielleicht 8° Cod. 116 auf, die wie Au aus dem Besitz von St. Ulrich und Afra stammen. 47 Zur Dokumentation s. H ellgardt / N emes / S enne (2011). 48 Einen weiteren Beleg für die frühe Präsenz der ›Lux divinitatis‹ in der Kartause Erfurt liefert ein bislang übersehener Reflex (von B ushey 2004, S. 386 nicht identifiziert) auf LD VI.7,8/ Rev. Bd. II.2, S. 624,22f. in der Handschrift Weimar, HAAB, Oct 64, fol. 77 v aus dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts: S. Mechildis . christus perto m (? ) S. mechtildis purgatorium . dedit mille animas ei et 1000 liberabat (den Hinweis auf die Handschrift verdanke ich Matthias Eifler, Leipzig). Die restlichen Hinweise auf eine hl. Mechthild in Oct 64 und Oct 61 beziehen sich nicht auf die ›Lux divinitatis‹, sondern wohl auf den ›Liber specialis gratiae‹. 49 Zu den engen Beziehungen (auch literarischer Art) der beiden Orden am Beispiel von Erfurt s. B. F rank (1973), S. 118f. und meine Ausführungen auf S. 229f. weiter unten. Ergänzend dazu R üthing (1989) und die Hinweise auf die Beziehungen zwischen der Kartause Buxheim und St. Ulrich und Afra bei Graf (1995), S. 123 und W etzel (2009), S. 321. Basel bezeugt. In dem um das Jahr 1515 angelegten ›Repertorium universale veteris ac nove Librarie Carthusiensium minoris Basilee‹ des Urbanus Moser 50 wird unter der Rubrik Opera Mechtildis virginis auf fol. 208 v (und noch einmal auf fol. 202 r ) neben Auszügen und Vollhandschriften des ›Liber specialis gratiae‹ Mechthilds von Hackeborn auf zwei Textzeugen der ›Lux divinitatis‹ hingewiesen: lux divinitatis [Mechthildis virginis, fol. 202 r ] C lxviii und De bonitate religionis ac prauitate quorumdam religiosorum ex libro qui dicitur lux divinitatis E xv [= fol. 202 r ]. Mosers Katalog ist seit S tierling der Mechthild-Forschung bekannt. 51 S tierling war der Ansicht, die hier genannte lux divinitatis sei mit Rb zu identifizieren. 52 Dass dies nicht zutrifft, beweist die auf den Kurztitel folgende römische Zahl C lxviii (auf fol. 202 r irrtümlich als Cx lxviii geschrieben), eine Signatur der veteris librarie der Basler Kartause. Sie findet sich auf fol. 1 r der Handschrift A VIII 6 (Ra). 53 Eine weitere Mechthild- Handschrift verbirgt sich hinter dem zitierten Eintrag De bonitate religionis … E xv. Es handelt sich um einen Auszug aus der ›Lux divinitatis‹, genauer um LD V.4 (Rev. Bd. II.2, S. 590). 54 Außer diesem Mechthild-Exzerpt enthielt die Handschrift E xv mit Sicherheit weitere Texte. Zwei von ihnen konnte ich in Mosers ›Repertorium‹ (fol. 50 r ) auffinden: Vita Sancti Bernhardi und Speculum monachorum. Obwohl uns nun drei Texte bekannt sind, die in E xv enthalten waren, ist es mir nicht gelungen, der Handschrift im Bestand der Universitätsbibliothek Basel auf die Spur zu kommen. 55 Zwar weist die Handschrift B XI 19 die alte Signatur E xv auf, doch sind die von Moser genannten Texte hier nicht enthalten. 56 Auf die Signatur E xv stößt man auch in dem von Georg Carpentarius erstellten Standortregister der Alten Bibliothek mit der Angabe, es handle Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 109 50 Zu Moser s. H ogg (1982). Der Hinweis auf diesen Aufsatz fehlt bei K raume (1987). 51 Vgl. S tierling (1907), S. 15f. und N eumann (1993), S. 173. Gegen S enne (2003), S. 159, Anm. 55 ist festzuhalten, dass Mosers ›Repertorium‹ nicht abhanden gekommen ist, sondern nach wie vor in der UB Basel aufbewahrt wird, und zwar unter der Signatur Hs. AR I 4 a (dies übersieht auch F rüh 1994, S. 172). Zum Repertorium im Einzelnen s. S exauer (1978), S. 113f. und H onemann (1982), S. 14f. 52 Vgl. S tierling (1907), S. 15. Ähnlich S enne (2002), S. 37 und (2003), S. 159. Auch Ra meint S tierling bei Moser zu finden, und zwar hinter dem letzten Eintrag auf fol. 208 v : Aliqua excerpta ex revelationibus Mechtildis E 10. Dagegen ist allerdings Folgendes einzuwenden: Bis auf die beiden oben zitierten Einträge, in denen auf die ›Lux divinitatis‹ ausdrücklich verwiesen wird, werden unter der Rubrik Opera Mechtildis virginis ausschließlich Handschriften des ›Liber specialis gratiae‹ Mechthilds von Hackeborn subsumiert. Vgl. auch B ecker (1951), S. 12, Anm. 2. 53 S tierling (1907), S. 15 scheint den Zahlen keine Bedeutung zugemessen zu haben, denn er verzichtet darauf, sie mit den Katalogeinträgen abzudrucken. Anhand der bei Moser verzeichneten Signaturen ist es mir gelungen, einige der auf fol. 208 v genannten Handschriften des ›Liber specialis gratiae‹ im Bestand der Universitätsbibliothek Basel aufzuspüren, vgl. H ellgardt / N emes / S enne (2011). 54 Vgl. S tierling (1907), S. 15f. 55 Auch die von S tierling (1907), S. 15 sowie N eumann (1993), S. 173, Anm. 9 initiierten Suchaktionen sind erfolglos geblieben. 56 Vgl. M eyer / B urckhardt (1966), S. 1028-1044. sich um den Tractatus Homo quidam Gerardi. 57 Gemeint ist Gerards Zerbolt van Zutphen ›De reformatione virium anime‹. Ob das Mechthild-Exzerpt und die beiden anderen oben genannten Schriften in diesem Band enthalten waren, kann nicht ermittelt werden. 58 Es ist nicht auszuschließen, dass sie zusammen mit anderen Handschriften anlässlich der Überführung der Kartäuserbibliothek in den Besitz der Basler Universitätsbibliothek im Jahre 1590 abhanden kamen. 59 Johannes Meyer an diese im späten 15. Jahrhundert offenbar über die Basler Kartause verlaufende Rezeption der ›Lux divinitatis‹ anzuknüpfen, verbietet der textgeschichtliche Befund. 60 Man fragt sich, wie sich die von Meyer gebotenen Exzerpte zu den anderen Handschriften der Basler Tradition der ›Lux divinitatis‹ verhalten. 61 Diese Frage stellt sich insofern, als die Provenienz des nur in Meyers Autograph vorliegenden ›Liber de viris illustribus‹ 62 aus der Bibliothek der Basler Dominikaner eine unmittelbare Abhängigkeit der hier eingegangenen Mechthild-Exzerpte von Rb nahelegt. 63 In der Tat spricht der textgeschichtliche Befund für eine größere Nähe der von Meyer benutzten Vorlage zu Rb als zu jener lateinischen Tradition, an deren Ende Rw steht. 64 110 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 57 Basel, UB, Hs. AR I 2, fol. 34 r . Zu diesem Katalog s. S exauer (1978), S. 115-119 und H onemann (1982), S. 16f. 58 Gerards Werk war in der Basler Kartause mit mindestens zwei weiteren Exemplaren vertreten: Basel, UB, A VI 30 und A II 36. In keinem der beiden findet man die von uns gesuchten Texte. 59 Vgl. G erz von B üren (1973), S. 97f. 60 Der Vollständigkeit halber sei hier auf Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. 4° 324.4, fol. 111 v - 113 v (Sigle: Be) aus der Kartause Buxheim hingewiesen. Möglicherweise ist die Vermittlung dieser Handschrift bzw. ihrer Vorlage (vgl. Textabdruck in H ellgardt / N emes / S enne 2011) nach Buxheim dem Kartäuser Jakob Louber, früheren Prior bzw. Bibliothekar der Basler Kartause und späteren Prior von Buxheim, zu verdanken, s. dazu J aricot (1988), S. 121. Für den Basler ‹Export› spricht auch die Mitüberlieferung in der Berliner Handschrift, das sind die Schriften des Basler Kartäusertheologen Heinrich Arnoldi. Das Mechthild-Exzerpt bildet hier eine Art Appendix zu den Werken Arnoldis, die Jakob Louber noch in seiner Basler Zeit in einem Band gesammelt hat. A chten (1984), S. 122 weist darauf hin, dass dieses Werk nur durch ein Register und durch mehrere Auszüge in den Handschriften der Basler Kartause bekannt war. Da aber das Basler Register mit dem Register des Buxheimer Sammelkodex übereinstimmt, könnten, so A chten weiter, «die Berliner Codices eine Abschrift der Basler Handschrift sein, die vielleicht von Jakob Louber selbst, während seines Priorates in Buxheim (1502-1507), veranlaßt wurde.» Vgl. auch A chten (1983), S. 15. Verbindungen zu Kartäuserkreisen in Basel bestehen nicht nur bei Be, sondern womöglich auch bei Rw, s. dazu S enne (2003), S. 159f. 61 Anders als A ncelet -H ustache (1926), S. 32 bin ich der Ansicht, dass Meyer seine Kenntnisse über Heinrich von Halle, Balduin und Albrecht von Minden nicht einer früheren Ordensbzw. Klosterchronik oder einem Obituar, sondern einer nicht erhaltenen Handschrift verdankt. 62 Es handelt sich um die Handschrift Basel, UB, Cod. E III 12 (olim: D IV 9), fol. 1 r -46 v . Zu ihrem Status als Autograph s. F echter (1987), Sp. 479. 63 Vgl. B ürkle (1999), S. 29, Anm. 76. 64 Zur Dokumentation s. H ellgardt / N emes / S enne (2011). Trotzdem bleibt denkbar, dass Johannes Meyer eine bislang unbekannte Handschrift benutzte und dies umso mehr, als er sich bis kurz vor der Fertigstellung seines ›Liber‹ im Jahre 1466 nicht in Basel, sondern als Beichtvater im reformierten Dominikanerinnenkloster Schönensteinbach aufhielt. 65 Damit rückt das Elsass in den Blickwinkel der Mechthild-Überlieferung. Vertreter dieser, im Vergleich zu Basel eher spärlichen elsässischen Tradition wird man in jenen Handschriften sehen dürfen, die durch den ›Catalogus codicum manuscriptorum in bibliotheca sacri ordinis Hierosolymitani Argentorati asservatorum‹ des J ohann J acob W itter (Straßburg 1746) bezeugt sind und einer Straßburger Bibliothek (des Johanniterklosters? ) gehörten. 66 Die hier gebotenen text- und überlieferungsgeschichtlichen Beobachtungen zur ›Lux divinitatis‹ machen deutlich, dass eine quellenmäßige Abhängigkeit zwischen Johannes Meyer und den Handschriften Rb und Rw auszuschließen ist. Umso interessanter ist, die Notiz in LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 517) über Heinrichs redaktionellen Anteil an der Buchwerdung der dicta et scripta sororis Mechtildis auf den lateinischen Text bezogen zu sehen. Im Unterschied zu einigen Rezeptionszeugnissen, auf welche ich im Folgenden noch kurz eingehen werde, handelt es sich hierbei nicht um ein ‹Wissen aus zweiter Hand›, um eine Ansicht also, die übernommen wurde, weil sie Meyer als Traditionsgut empfangen hat. Eher haben wir es hier mit Meyers eigener Deutung Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 111 65 Deshalb wäre durchaus angebracht gewesen, wenn N eumann (1993), S. 171-174 in der Rubrik ‹Vorbemerkungen zur Überlieferung› - hier werden die verlorenen, aber bezeugten Handschriften der deutschen und lateinischen Überlieferung aufgelistet - auch auf Meyer bzw. seine unbekannte Vorlage hingewiesen hätte. Zusammen mit den oben genannten Exzerpten Ba, Br, Au, We1 und We2 deuten diese bezeugten, aber nicht erhaltenen Überlieferungsträger auf eine weitaus breitere Rezeption der lateinischen Übersetzung im Spätmittelalter hin, als das aufgrund der von Rb, Ra und Rw vertretenen «schmalen Überlieferung» (R uh 1993, S. 253) bis jetzt angenommen wurde. Ergänzend kommt ein Exzerpt in Växjö, StB (olim: Stiftsoch läroverksbiblioteket), Ms. 4° 401, fol. 219 r (Sigle: Vä, s. dazu N emes 2008b) und eine weitere Handschrift der Weimarer HAAB (Oct 51, fol. 104 v , 109 r , 113 r , 115 v , Sigle: We3, s. dazu demnächst M atthias E ifler , Katalog der lateinischen mittelalterlichen Handschriften der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, 2. Teil: Quarthandschriften) mit einer Reihe von Exzerpten aus der ›Lux divinitatis‹ hinzu. Hinzuweisen wäre zudem auf mehrere (z.T. neu entdeckte) sekundäre Rezeptionszeugen der ›Lux divinitatis‹, s. dazu S. 335ff. weiter unten. 66 N eumann (1993), S. 174 weist auf den Katalog und den Sammelband hin, verzeichnet jedoch nur die Excerpta ex Libello cui titulus Lux divinitatis fluens semper in corda veritatis (zu dieser Handschrift mit der alten Signatur D 73.4 s. jetzt R oth (2004), S. 97). Dass es sich hierbei nicht um einen Textzeugen der deutschen Mechthild-Überlieferung handelt, geht aus der Übereinstimmung des Titels mit LD Prol. 7,9/ Rev. Bd. II.2, S. 445,7f.: Lux diuinitatis fluens semper in corda ueritatis hervor (vgl. hierzu auch Anm. 561 weiter unten). Außerdem stößt man im W itter schen Katalog auf weitere Rezeptionszeugen (auch Vollhandschriften? ) der ›Lux divinitatis‹ (den Hinweis verdanke ich Richard F. Fasching, Fribourg), vgl. die Signaturen B 165.4 [? ] (W itter 1746, S. 21), C 24.2 (ebd., S. 25) und C 131.9 (ebd., S. 35). der entsprechenden Textstelle zu tun, ist doch an seinen Exzerpten aus der ›Lux divinitatis‹ zu erkennen, dass ihm eine vollständige Handschrift des lateinischen Textes vorgelegen hat. Freilich ist es nicht auszuschließen, dass er bei seiner Lektüre durch eine Notiz gelenkt wurde, die etwa derjenigen ähnlich ist, die Rb und Rw am Anfang des Textcorpus bieten: Prologus fratris henricus lectoris de ordine fratrum Predicatorum etc. (Rb fol. 52 va ) bzw. Die vorred heinrici ruppinensis (Rw Bl. I). Johannes Meyers Deutung der Rolle Heinrichs bei der Entstehung der ›Lux divinitatis‹ ist in die dominikanische Ordenshistoriographie eingegangen. 67 So verweist der Kölner Dominikaner Petrus de Prussia in seiner 1487 fertig gestellten Albertus-Vita auf Frater Henricus de Hallis, Teutonicus, Doctor deuotus & gratiosus, Ordinis Fratrum Praedicatorum, qui scribit Librum eumdem, affirmat dicens, non hunc Librum praesumptuosa audacia compilatum, sed sui Praelati consilio & praecepto. 68 Dass Petrus seine Informationen über Heinrich von Halle dem ›Liber de viris illustribus‹ verdankt, sieht man an den Epitheta Teutonicus sowie deuotus & gratiosus, die ziemlich genau der Charakterisierung Heinrichs durch Johannes Meyer entsprechen (vgl. Textabdruck auf S. 105 oben). Allerdings steigert Petrus die Würde Heinrichs, indem er aus dem Hallenser Lektor einen Doktor der Theologie macht. 69 Welchen liber hat Heinrich nach der Meinung von Petrus de Prussia geschrieben? Es ist weder das ›Fließende Licht‹ noch die ›Lux divinitatis‹, sondern der ›Liber specialis gratiae‹ Mechthilds von Hackeborn: hic vero Liber ex reuelatione Saluatoris, Liber spiritualis gratiae vocatur, habens hunc Prologum: Benignitas & humanitas Saluatoris nostri Dei, &c. incipit autem sic: Fuit Virgo quaedam ab infantia a Deo in benedictionibus praeuenta, etc. (S. 328) Offenbar ist Petrus einer Verwechslung der beiden Mechthilden zum Opfer gefallen. 70 Der Anlass dürfte die dem ›Lux divinitatis‹-Prolog entnommene Angabe Meyers gewesen sein, Heinrich von Halle hätte die dicta et scripta der 112 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 67 Ergänzend zu den Quellen, die weiter unten genannt werden, wären etwa diese Werke einzusehen: G eorg E pp , ›De illustribus viris ac sanctimonialibus sacri ordinis praedicatorum‹, Basel 1506; K onrad S ittard (= C onradus Z ittardus ), ›Kurtze Chronica das ist Historische beschreibung neben andern mercklichen Puncter der General Maister Prediger Ordens, und was zu eines jeden zeit f u r F u rnehme, Hochgelehrte auch Heylige Br u der und Schwestern im Prediger Orden Gelebt Haben‹, Dillingen 1596 und F riedrich S teill , ›Geistlicher Lustgarten des Prediger-Ordens‹, Coeln 1676. 68 P etrus de P russia , Vita B. Alberti Doctoris Magni ex Ordine Praedicatorum Episcopi Ratisponensis, Amsterdam 1621, S. 327f., Kapitel LVI. 69 Auch Johannes Meyer nennt ihn doctor. Diese Angabe findet man allerdings nicht im Text, sondern im Register des Autographs von Meyer, vgl. Basel, UB, Cod. E III 12 (olim: D IV 9), fol. 2 r (Nr. XXV). Man fragt sich, ob Petrus das Basler Autograph des ›Liber de viris illustribus‹ benutzt hat. 70 Nicht erkannt von S cheeben (1931), S. 136. seligen und ehrwürdigen Schwester Mechthild de monasterio Helpede zu einem Buch verfasst. In der Tat gibt Petrus für die von ihm exzerpierte Reuelatio de gloria Venerabilis Alberti & beati Thomae eius quondam discipuli (Kapitelüberschrift) als Quelle an: 71 Est etiam Libellus quidam continens reuelationes & visiones factas cuidam sanctae virgini, nomine Machtildis de Helpede, Ordinis Cisterciensis, quae ab infantia suam virginitatem Domino consecrauerat … (S. 327) Auf der Albertus-Vita des Petrus de Prussia basiert der Vermerk bei J acques Q uetif und J acques E chard über Heinrich von Halle als einen bedeutenden dominikanischen Schriftsteller des 13. Jahrhunderts. Wie schon Petrus bieten die beiden Gelehrten des 18. Jahrhunderts weitere quasi-biographische Angaben zu Heinrichs Person, indem sie die in der Albertus-Vita enthaltenen und Heinrich betreffenden Angaben weiter ausgestalten. So ist Heinrich bei ihnen nicht mehr doctor, sondern Professor der Theologie, ein Schüler des Albertus Magnus. 72 Sie machen aber auch darauf aufmerksam, dass die bei Petrus genannte Mechthild wohl eine andere war als die bekannte Zisterzienserin von Helfta: F. Henricus de Hallis [am linken Rand: *1280] Saxo a patria ad Salam fluvium inter Torgam et Lipsiam et a professione sic nuncupatus, sacrae theologiae professor, vir pius et eruditus aetate Alberti Magni florebat, nec diu ei superstes fuit. Scripsit libellum quo continentur visiones et revelationes factae cuidam sanctae virgini Machtildi de Helpede dictae ordinis Cisterciensis. […] Hanc virginem Mechtildem solo nomine notam Menologium Cisterciense ascribit ad xxv. febr. Bollandus et Henschenius in Actis SS. ad eamdem diem sibi penitus ignotam fatentur; nosse autem poterunt, qui eis succenturiant ex codice hujus nostri Henrici qui vel extat Coloniae apud nostros, vel in aliqua bibliothecarum Saxoniae praefertim olim nostrarum. 73 Heinrich von Halle scheint in der Wahrnehmung der spätmittelalterlichen Rezipienten der ›Lux divinitatis‹ derjenige gewesen zu sein, der die Visionen Mechthilds schriftlich fixiert und in die buchliterarische Welt überführt hat, und zwar in der Form, wie sie in der lateinischen Übersetzung enthalten sind. 74 Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 113 71 Zu seinen Quellen äußert sich Petrus auch im Prolog. Hier liest man allerdings nur: aliqua etiam ex reuelationibus alterius virginis Sanctimonialis (S. 73), s. dazu P elster (1920), S. 4. 72 Auf die von Q uetif / E chard gelieferten Daten gehen sowohl die Artikel ‹Henricus de Hallis› und ‹Mechtildis› in J ohann H einrich Z edler s Grosses vollständiges Universal- Lexikon, Bd. 12, Halle/ Leipzig 1735, Sp. 1560 und Bd. 20, Halle/ Leipzig 1739, Sp. 38 zurück, als auch die in der (Mechthild-)Forschung immer wieder anzutreffende Ansicht, Heinrich von Halle wäre ein Schüler von Albertus Magnus gewesen, s. P reger (1874), S. 94 und 109, O ehl (1911), S. 17, B ihlmeyer (1933), S. 518, S piess (1935), S. 324, B erg (1977), S. 103, H aas (1987), S. 246 und F innegan (1991), S. 15. 73 Q uetif / E chard (1719), S. 384a. 74 Auch bei K aeppeli (1975), Bd. 1, S. 180f. wird Heinrich als der Übersetzer des ›Fließenden Lichts‹ angeführt. Gut in dieses Bild des schriftliterarisch aktiven Bruders passt die etwas isoliert stehende Überlieferung des Pirnaer Dominikaners Johannes Lindner (um 1525): Heinricus von Halle in Sachsen, berurten [prediger] ordens von closter Rupyn, hat etliche bücher wider di keczir geschryben, eines guten lebens, 75 und vor allem der den Mechthild-Exzerpten vorausgeschickte bio-bibliographische Vermerk in der Handschrift Ra: Incipiunt capitula in librum qui dicitur lux divinitatis editus a quadam sancta puella virgine Mechtildis nomine per diuinam graciam inspiratam sed per fratrem heinricum collectus est (fol. 99 r ). Dass dieses Urteil über den Anteil Heinrichs an der Entstehung des lateinischen Textes in einem gewissen Spannungsverhältnis zu bestimmten textinternen Aussagen steht, hat die Rezipienten der ›Lux divinitatis‹ offenbar nicht irritiert. Denn nach den Angaben von LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 517) war Heinrich ja vor Mechthild gestorben, ihrer aber wird im lateinischen Prolog ebenfalls als einer Verstorbenen gedacht (s. S. 101, Anm. 7). Diese Textpassagen sprechen dagegen, dass Heinrich der Verfasser des Prologs und Übersetzer des ›Fließenden Lichts‹ war. Wenn dem aber so ist, so stellt sich erneut die Frage, ob mit den Verben colligere, redigere, distinguere die Herstellung eines deutschen Bandes (uolumen) gemeint ist, der eine mit der lateinischen Übersetzung identische Buch- und Kapitelfolge aufwies, ob also das nunc apparet in LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 517) auf eine solch beschaffene Vorlage zu beziehen ist. N eumann ist der Ansicht: «Man darf sich keinesfalls allein durch das nunc apparet zu dieser Ansicht bestimmen lassen, denn der Redaktor arbeitet ja, die Augen auf den Grundtext gerichtet und liest ihn selbst bei seiner Arbeit im gegenwärtigen Augenblick in der Gestalt, die er sachlich und sprachlich umzuformen sich bemüht.» 76 Die folgenden Ausführungen - sie gründen auf der Auswertung der Buch- und Kapitelverweisungen in den Tituli von Rb sowie auf den Querverweisen in E - zeigen, dass man N eumann in dieser Frage Recht geben muss. Was man indes nicht ausschließen kann, ist die Möglichkeit, dass die Übersetzungsvorlage eine partiell von E abweichende Anordnung der Kapitel geboten hat. II.1.2 in sex partes illud distinxit … Zur Buch- und Kapitelfolge der Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹ Die Frage, ob die deutsche Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹ eine mit E identische Buch- und Kapitelzählung aufwies, ließe sich mit Hinweis auf P reger schnell klären. Über die Verweisungen auf die Buch- und Kapitelzählung des deutschen Textes, die sich in den Überschriften der von ihm in Rb entdeckten lateinischen Übersetzung finden, äußert sich P reger wie folgt: 114 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 75 Excerpta Saxonica, Misnica et Thuringica ex Monachi Pirnensis seu vero nomine Johannis Lindneri sive Tillani onomastico autographo quod exstat in Bibliotheca Senatoria Lipsiensi, in: M encken (1728), Sp. 1447-1632, hier Sp. 1480. 76 N eumann (1954b), S. 42. «Diese Angaben über die Stellung der Capitel in der Urschrift treffen in den meisten Fällen mit der Aufeinanderfolge in der mittelhochdeutschen Uebersetzung zusammen.» 77 Die Beweiskraft der Überschriften der ›Lux divinitatis‹ ist allerdings insofern eingeschränkt, als die lateinische Übersetzung mit dem deutschen Text - sei es mit der alemannischen Übertragung oder mit der mittelniederdeutschen Übersetzungsvorlage - in Basel verglichen wurde. Davon zeugen die zahlreichen Marginalien in Rb, auf welche ich im Zusammenhang mit dem Phänomen der Kontamination an einer anderen Stelle näher eingehen werde (s. S. 362ff. weiter unten). Die Übereinstimmungen zwischen Rb und E in der Buch- und Kapitelzählung könnten also Ergebnis dieser in Basel erfolgten vergleichenden Benutzung von Rb mit einer Handschrift des ›Fließenden Lichts‹ sein. 78 Der Blick auf Rw, die andere Vollhandschrift der ›Lux divinitatis‹, die mit Sicherheit auf eine von Rb unabhängige Vorlage zurückgeht (s. S. 104, Anm. 27 mit Text), scheint dies tatsächlich zu bestätigen, denn dort fehlen die Querverweise auf die Kapitel des deutschen Textes gänzlich. Deshalb vermutet S enne , Rw habe keinerlei Kenntnis von ihnen gehabt. 79 Diese Annahme erscheint mir keineswegs zwingend. Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Kapitelverweise auf dem Weg zu Rw (vielleicht schon in der lateinischen Vorlage von Rw) aus den Tituli eliminiert worden sind, denkbar ist jedoch auch, dass erst Rw sie ausfallen ließ, weil ihre Funktion nicht mehr verstanden wurde, lässt sich doch die Kenntnis des deutschen Textes an keiner Stelle nachweisen. 80 Ähnlich dürfte es den in Rb noch so zahlreich vertretenen Marginalien ergangen sein: Der Rw-Schreiber scheint kein Interesse an ihnen gehabt zu haben. Die Tatsache, dass seine Vorlage sie aufwies, erkennt man jedoch an den wenigen Nota-Vermerken, die Rw und Rb gemeinsam haben (s. dazu S. 260 weiter unten). Es gibt gewisse Indizien, die darauf hindeuten, dass die Buch- und Kapitelverweisungen nicht erst in Rb in die Überschriften des lateinischen Textes eingefügt wurden. B ecker macht darauf aufmerksam, dass die Verweise auf den deutschen Text in den Überschriften keine nachträgliche Ergänzung darstellen, wie dies etwa bei der Kapitelzählung im Registerteil von Rb der Fall ist, sondern einen älteren Schrifttyp aufweisen. Daraus leitet B ecker ab, dass sie sicherlich schon in der Vorlage von Rb standen. Sie dürfen wohl sogar für das Übersetzungsoriginal anzusetzen sein. 81 Dafür sprechen laut B ecker auch die vielen Fehler und Mängel in der Zählung, deutliche Zeichen einer längeren Kopialüberlieferung. 82 So fehlen in manchen Fällen Buch- oder Kapitelangaben Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 115 77 P reger (1873), S. 204. 78 So auch W ebster (2005), S. 66. 79 Vgl. S enne (2002), S. 56. 80 Vgl. B ecker (1951), S. 2 und S enne (2002), S. 18 und 74. 81 B ecker (1951), S. 7, Anm. 3. 82 B ecker ebd., S. 142. Ähnlich bereits B oehmer (1874), S. 4. oder aber auch beides, 83 an anderen Stellen stößen wir auf Verschreibungen, 84 wieder anderswo werden unterschiedliche Kapitel des deutschen Textes unter ein und derselben Buch- und Kapitelzahl subsumiert. 85 Ob diese Indizien genügen, um die Verweise in Rb die Buch- und Kapitelzählung bis zur mittelniederdeutschen Übersetzungsvorlage zurückzuversetzen, erscheint zunächst fraglich. Das hohe Alter der Kapitelverweise kann jedoch auf andere Weise zweifelsfrei nachgewiesen werden, und zwar durch den Vergleich der Angaben in den Rb-Überschriften mit den Stellenverweisen von E, die sich ihrerseits über die Basler Tradition hinaus bis zur mittelniederdeutschen Textversion zurückverfolgen lassen. In einem der vorangehenden Teile der Arbeit (Kap. I.2) wurde auf ein Kapitel hingewiesen, das in E doppelt überliefert ist, einmal als VI.22 und ein zweites Mal als VII.45. Wie dort ausgeführt, dürfte diese Verdoppelung auf einer frühen Stufe der Überlieferung aufgetreten sein, denn der lateinischen Übersetzung fehlt es an einer Entsprechung. Es handelt sich höchstwahrscheinlich um ein Kapitel, das ursprünglich im siebten Buch stand. Ins sechste Buch wird es erst nach der Freigabe des ›Fließenden Lichts‹ zur Übersetzung gelangt sein, denn wenn man die Buch- und Kapitelverweise in den Überschriften der lateinischen Übersetzung untersucht, so wird deutlich, dass sie sich auf ein sehr frühes Exemplar des ›Fließenden Lichts‹ beziehen, in dem das heutige FL VI.22 noch nicht vorhanden war. So bleibt die Zählung in den Tituli von Rb ab FL VI.25 bis zum Ende des sechsten Buches des ›Fließenden Lichts‹ um je eine Einheit zurück. 86 Dies geht aus der folgenden Zusammenstellung deutlich hervor: 87 116 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 83 Vgl. etwa P[rima]p[arte] in LD IV.10 (Rev. Bd. II.2, S. 547) für FL I.11 oder caput xxxvi in LD IV.11 (Rev. Bd. II.2, S. 548) für FL I.36. Der Verweis auf die Buch- und Kapitelzählung des deutschen Textes fehlt in der Überschrift von LD I.22 (Rev. Bd. II.2, S. 467), LD II.19 (Rev. Bd. II.2, S. 497) usw. 84 Vgl. etwa P[rima]p[arte] vlv. c. in LD I.21 (Rev. Bd. II.2, S. 466) für FL I.44 oder S[ecunda]p[arte] xvi in LD Prol. 6 (Rev. Bd. II.2, S. 443) für FL II.26. 85 So wird etwa unter [Secundus parte] 2 c in LD IV.39 (Rev. Bd. II.2, S. 570) nicht nur FL II.2 verzeichnet, sondern auch FL II.5 (vgl. LD IV.19/ Rev. Bd. II.2, S. 556f.), II.11 (vgl. LD IV.29/ Rev. Bd. II.2, S. 563f.), II.12 (vgl. LD IV.44/ Rev. Bd. II.2, S. 572f.), IV.19 (vgl. LD IV.28/ Rev. Bd. II.2, S. 563) und VI.30 (vgl. LD IV.32/ Rev. Bd. II.2, S. 565). Ähnlich werden unter tercia parte ij c. bzw. quinqua parte ij c. außer den entsprechenden Kapiteln aus dem ›Fließenden Licht‹ jeweils zwei weitere subsumiert. 86 Diese Verschiebung um einen Zähler gegenüber E ist bereits B oehmer (1874), S. 3 und N eumann (1993), S. 311 aufgefallen. 87 LD IV.58 (Rev. Bd. II.2, S. 585) liest wegen Zahlentausch sexta parte 23 für FL VI.32. Wie die letzten vier Belege in der Tabelle zeigen, zieht die lateinische Übersetzung häufig zwei aufeinanderfolgende Kapitel des ›Fließenden Lichts‹ unter einer Überschrift zusammen. In den Überschriften werden stets nur die Buch- und die Kapitelzahl des ersten der beiden zusammengezogenen Kapitel angegeben. E Rb FL VI.25 FL VI.24, vgl. LD IV.42 (Rev. Bd. II.2, S. 571) FL VI.27 FL VI.26, vgl. LD VI.21 (Rev. Bd. II.2, S. 640) FL VI.28 FL VI.27, vgl. LD VI.22 (Rev. Bd. II.2, S. 640f.) FL VI.31 FL VI.30, vgl. LD IV.51 (Rev. Bd. II.2, S. 579) FL VI.32 FL VI.31, vgl. LD V.21 (Rev. Bd. II.2, S. 606f.) FL VI.33.34 FL VI.32.33, vgl. LD IV.58 (Rev. Bd. II.2, S. 585) FL VI.36.37 FL VI.35.36, vgl. LD II.8 (Rev. Bd. II.2, S. 488) FL VI.39.40 FL VI.38.39, vgl. LD I.35 (Rev. Bd. II.2, S. 479) FL VI.41.42 FL VI.40.41, vgl. LD II.3 (Rev. Bd. II.2, S. 482) Ein Exemplar des ›Fließenden Lichts‹, dem das genannte Zusatzkapitel im Buch VI fehlte, lag auch der deutschen Tradition zugrunde. 88 Denn um einen Zähler zurück bleiben nicht nur die Angaben in den Tituli von Rb, sondern auch die am Rande von E stehenden Querverweise, die eine Art ‹weiterführende Literatur› darstellen. 89 In FL III.12 findet sich zu FL III.12: 188,7 (III.12,6) der Verweis vi libro vi xxvi. Der Passus, auf den sich dieser Stellenverweis bezieht, enthält eine Reihe von Aufforderungen, wie sich die Seele halten soll. Dieser paränetische Zug - er wird in der Kapitelüberschrift aufgegriffen (Du solt loben, danken und geren und biten) - ist das verbindende Merkmal der beiden indizierten Kapitel. FL VI.6 trägt die Überschrift: In der jungesten zit soltu haben minne, gerunge, vorhte, rúwe drierleie. FL VI.26 bietet in E nichts Entsprechendes. Das ist aber auch nicht das Kapitel, auf das sich der Stellenverweis bezieht, sondern FL VI.27: Wie du solt danken und bitten. Das heißt: Zu dem Zeitpunkt, als das Verweissystem im ›Fließenden Licht‹ eingeführt wurde, war die Zählung im sechsten Buch wegen des damals fehlenden Kapitels VI.22 um eine Einheit zurückversetzt. Es gibt in den Marginalien weitere Hinweise dafür, dass das heutige Kapitel VI.22 zu der Zeit, als die Stellenverweise entstanden sind, noch nicht vorhanden war. So liest man etwa in der Höhe von FL IV.16: 272,9 (IV.16,6f.): vi libro xxiiii. FL IV.16 handelt von der minne und den Voraussetzungen, die der Mensch erfüllen soll, um sie zu erkennen. Die erste Voraussetzung - das ist die Textstelle, auf die sich der Querverweis bezieht - besagt, man solle in der heiligen Dreifaltigkeit gänzlich verbrennen und die selbstbezogene Existenz aufgeben. Die Verbindung zu dem durch die Marginalie indizierten Kapitel wird über das Stichwort verbrant als eine der Eigenschaften der minne hergestellt. Wiederum ist nicht das in E unter VI.24 stehende Kapitel, sondern das darauf folgende gemeint: FL VI.25 handelt laut Überschrift Von der verbranten minne. 90 Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 117 88 Vgl. den Hinweis bei N eumann (1993), S. 207. 89 Zum Verweissystem und zu seiner Funktion als eine Art «‹virtual compilation› of excerpts» s. W ebster (2005), S. 137-141. 90 Ein weiteres Beispiel liefert möglicherweise der Verweis Infra xxx s und xxxvi do zu FL VI.13: 456,20f. (VI.13,16f.), den N eumann (1993), S. 230 nicht zuordnen konnte: Es scheint, als gälte der Verweis FL VI.31 und 37. Die Angaben in den Überschriften von Rb und den Stellenverweisen von E stimmen nicht nur in Bezug auf das Fehlen der Kapitelverdoppelung überein, sondern sie zeigen auch bei der Bestimmung der Kapitelgrenze zwischen FL II.2 und II.3 Gemeinsamkeiten. Kapitel II.2 in E entspricht in der Textausgabe von V ollmann -P rofe 76,14-28 (II.2,2-16), FL II.3 setzt sich aus FL II.2: 76,29-78,29 (II.2,17-44) und FL II.3 zusammen. 91 Ein ähnliches Bild bietet die Kapitelgliederung in Rb: LD IV.39 (Rev. Bd. II.2, S. 570) umfasst FL II.2: 76,14-28 (II.2,2-16) und verweist auf 2 c des deutschen Textes (FL II.1 geht ihm unmittelbar voran und wurde als secunda parte i c angekündigt). Die Kapitel LD I.26-28 (Rev. Bd. II.2, S. 471f.) stellen laut Kapitelverweis in der Überschrift Secunda parte iii c des ›Fließenden Lichts‹ dar und entsprechen FL II.2: 76,29-78,29 (II.2,17-44) und II.3. Diese Aufteilung der Kapitel FL II.2 und 3 lag nicht nur in der Handschrift vor, nach der die lateinische Übersetzung erstellt wurde, sondern sie ist bereits zu dem Zeitpunkt nachweisbar, als die Stellenverweise im deutschen Text eingeführt wurden. Dies ist den Marginalien zu FL I.44: 62,28f. (I.44,71f.) zu entnehmen, einer Stelle, die die naturgegebene Gottähnlichkeit der menschlichen Seele zum Thema hat. Verwiesen wird hier unter anderem auf ii libro iii d, das FL II.2: 78,10f. (II.2,28f.) entspricht. 92 Auf die gleiche Stelle verweist auch die Marginalie ii libro iiii [recte iii] zu FL III.23: 218,24f. (III.23,9f., s. Anm. 92 unten). Auf FL II.3: 80,28 (II.3,23) bezieht sich der Rückverweis ii libro iii M in FL V.26, bestätigt durch den Vorverweis [v] libro xxvi in FL II.3 selbst. Auf welcher Textstufe sind die Kapitelverweisungen in den Rb-Überschriften und die Querverweise in E zu verorten? Dass die Textgestalt, auf welche an den genannten Stellen Bezug genommen wird, vor E liegt, beweisen die Übereinstimmungen bezüglich des Fehlens der Dublette FL VI.22/ VII.45. Aber wie weit führen sie in der Textgeschichte zurück? Diese Frage lässt sich nur vom System der Stellenverweise her beantworten. Es gibt gewichtige Indizien dafür, dass es vorgelegen haben muss, als das ›Fließende Licht‹ ins Latei- 118 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 91 Es wird vermutet, dass die Überschrift von FL II.3 vorgezogen wurde, s. N eumann (1993), S. 29f., Anm. zu II.2,17. Zustimmend V ollmann- P rofe (2003), S. 725f. 92 Die Verbindung wird, wie so oft, über ein Stichwort (hier: nature) hergestellt. Folgende Kapitel werden außerdem als weiterführende Lektüre empfohlen: v libro vi b (FL V.6: 334,7f. [V.6,5f.]), ii libro xxi b (FL II.21: 112,13f. [II.21,12f.]? ), xxii c (FL II.22: 114,8f. [II.22,12f.]), iiii libro ii b (FL IV.2: 228,21f. oder 230,16f. [IV.2,8f. oder 26f.]), xii b d e (FL IV.12: 258,27f., 260,4f. bzw. 10f. [IV.12,18f., 27f. bzw. 32f.]), [iv libro] xxiiii d (FL IV.24: 294,25f. [IV.24,19f.]) [v] libro vi und v libro ii (? ). Ob mit [iii libro] xxiiii b FL III.24: 220,25f. (III.24,9f.) oder III.23: 218,24f. (III.23,9f.) gemeint ist, ist schwer zu entscheiden, denn beide bieten das Stichwort nature. Für FL III.23 könnte der Rückverweis auf i libro xliiii g und ii libro iiii [recte iii] sprechen. Allerdings ist unklar, ob i libro xliiii g FL I.44: 62,28f. (I.44,71f.) oder I.44: 64,10f. (I.44,83f.) meint, denn auch der Randbereich zu 64,10f. weist Vorverweise (u.a. auf FL III.23) auf, die sich ebenso um das Stichwort nature gruppieren: iii libro ix iiii libro xiiii [iii] libro xxiii. nische übersetzt wurde und dass es sogar konstitutiv für die Kapitelfolge der ›Lux divinitatis‹ war. 93 Dass die Querverweise nicht erst in E eingeführt wurden, bezeugen nicht nur die vielfachen Fehler und Mängel des Systems, die auf eine längere kopiale Tradierung hinweisen, sondern vor allem die Parallelüberlieferung. Bereits K ornrumpf äußerte die Vermutung, dass der B-Redaktor bei der Textauswahl von Marginalien beeinflusst worden sein könnte. K ornrumpf weist darauf hin, dass sich die Reihenfolge FL V.29 und 33 in B einem Verweis verdankt, der in E bei FL V.29: 392,2 (V.29,8) erhalten blieb: xxxiii f. 94 Der Buchstabe f steht für eine alte Abschnittsgliederung, die auf dem Weg zu E verloren ging (dazu weiter unten). Der Verweis in FL V.29 bezieht sich auf FL V.33: 402,16 (V.33,13f.). Das Stichwort, das die beiden Stellen miteinander verbindet, ist túfel. 95 K ornrumpf vermutet zudem, dass auch der kleine Einschub FL VI.23: 480,15-20 (VI.23,10-14) in FL V.4, wie ihn B überliefert, einem ähnlichen Querverweis (mit Abschnittsgliederung mittels Kleinbuchstaben? ) zu verdanken ist. 96 Angesichts dieses Befunds fragt man sich, ob es nur ein Zufall ist, dass FL V.29 in B auf FL V.25 folgt, folgen doch beide Kapitel auch in Rb (LD V.9.10/ Rev. Bd. II.2, S. 596f.) unmittelbar aufeinander. 97 Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 119 93 N eumann (1993), S. 207 war dagegen der Ansicht, die Querverweise stellten eine «wohl etwas jüngere Gruppe» dar als die sonstigen Wortmarginalien, die aller Wahrscheinlichkeit nach schon in der Vorlage der lateinischen Übersetzung gestanden haben. Ähnlich V ölker (1967), S. 57. 94 Vgl. V izkelety / K ornrumpf (1968), S. 286. FL V.29 und 33 folgen auch im Mosaik aufeinander, das in der Spruchsammlung des Pseudo-Engelhart von Ebrach steht, vgl. H, Ka usw. (Kap. V.2 passim). 95 Auf den Abschnitt FL V.33 f wird auch am Rande von FL II.24: 122,28f. (II.24,49f.) verwiesen. Die Verbindung wird auch hier über die Teufelsthematik hergestellt. Die Marginalie lautet: Von gewalt der wisheit und bosheit des túfels ii libro xix e iiii libro ii [iiii] libro xviii G e [v libro] xxix e f g xxx [recte xxxii] f xxiii [recte xxxiii] f. Die Verweise sind im Einzelnen wie folgt aufzulösen: FL II.19: 106,26f. (II.19,51f., zu dieser Stelle gehörte einst eine Marginalie, die nur noch in W in Form der Zwischenüberschrift de triplici celo und in Rb als Nota de triplici celo am Rande von LD IV.48,4f./ Rev. Bd. II.2, S. 576,23 nachweisbar ist, zu W s. S chleussner 1929, S. 175,10), FL IV.2: 230,34f. (IV.2,43f.), FL IV.18: 280,3f. und 278,16 (IV.18,52f. und 32), FL V.29 (auf welche Abschnitte die Buchstaben e f g sich genau beziehen, kann nicht festgestellt werden), FL V.32: 400,24 (V.32,19f., hier findet man die Glosse Von túfelen an ende; auf diese Stelle bezieht sich der Querverweis v libro xxxii zu FL III.15: 196,19 [III.15,49f.]) und FL V.33: 402,16 (V.33,13f.). Schon dieses eine Beispiel zeigt, welch dichtes Geflecht von Querverweisen die unterschiedlichen Stellen des ›Fließenden Lichts‹ miteinander verbindet. 96 Vgl. V izkelety / K ornrumpf (1968), S. 285f. 97 Auch hier wird wohl ein Randvermerk in der Vorlage dem B-Redaktor den entsprechenden Hinweis geliefert haben. Dass er beim Exzerpieren von der Kapitelauswahl der einzelnen Bücher der lateinischen Übersetzung beeinflusst war, wie es N agy (2001), S. 135 glaubhaft machen will, lässt sich nicht beweisen. Dennoch gibt es durchaus Indizien dafür, dass manche Lesarten von B auf einen Vergleich mit der ›Lux divinitatis‹ zurückgehen könnten, vgl. V izkelety / K ornrumpf (1968), S. 302. Auf die textkonstitutive Wirkung von Stellenverweisen stoßen wir auch in W. W (S chleussner 1929, S. 177,10-19) enthält einen Abschnitt aus FL III.1: 154,32-156,1 (III.1,141-146), der mit der Überschrift Von den IX chor der engel überschrieben wird. Darauf folgt ein kurzer Einschub aus demselben Kapitel (FL III.1: 148,15-17 [III.1, 39-41]) und anschließend wieder ein mit Laus Angelorum überschriebener Abschnitt, entnommen aus FL II.20: 110,20-26 (II.20,25-30, vgl. S chleussner 1929, S. 177,26- 178,19). Auf diese beiden Abschnitte aus FL II.20 und III.1 über die neun Engelchöre bezieht sich ein Querverweis zu FL I.6 (Überschrift: Von den nún k o ren, wie si singent) in der Einsiedler Handschrift: iii libro i g ii libro xx g. Ähnliche Beobachtungen macht man auch bei C. Hier folgen FL III.15 und 17 bzw. FL IV.27 und VI.15 jeweils aufeinander (vgl. Textabdruck auf S. 407-409 und 413-419 weiter unten), begünstigt durch nur in E erhaltene Marginalien wie [iii libro] xvii xxi f ii libro viii v libro v xiiii xv zu FL III.15: 192,28f. (III.15,1f.) bzw. vi libro xv d e f sowie s v ch hie von me vi vel [recte libro] xv zu FL IV.27: 308,20f. und 310,18f. (IV.27,141f. und 169f.). Sprechen diese Belege zunächst nur dafür, dass das System der Stellenverweise nicht erst in E eingeführt wurde, sondern der gesamten Basler Tradition eigen ist, so lässt sich auch nachweisen, dass sich das Vorhandensein der Querverweise über den oberdeutschen Text hinaus bis hin zur Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹ zurückverfolgen lässt. 98 Bereits oben wurde darauf hingewiesen, dass FL V.29 und 25 nicht nur in B, sondern auch in Rb unmittelbar aufeinander folgen. Das trifft auch auf FL IV.27 und VI.15 zu: Sie treten nicht nur in C, sondern auch in Rb (LD III.10- 15/ Rev. Bd. II.2, S. 528-535) nebeneinander auf. Von daher verwundert es wenig, am Anfang des sechsten Buches der ›Lux divinitatis‹ auf all die Kapitel zu stößen, die in E als weiterführende Lektüre zu FL III.15 empfohlen werden (s. oben die Angaben zu C), denn das Thema ‹Fegefeuer› verbindet sie miteinander. Ein ähnlicher Fall liegt beim LD-Prolog vor: Hier finden wir sämtliche Kapitel versammelt, auf welche in FL II.26 hingewiesen wird: i libro i a (d.i. das Prooemium zum ›Fließenden Licht‹, vgl. S. 253, Anm. 671 weiter unten) iii libro xx iiii libro ii a b g (FL IV.2: 228,14f., 19f. und 236,32f.? [IV.2,4f., 7f. und 128f.? ]) 99 xiii [v] libro xxxiiii vi libro xx. Im Einzelnen wäre noch auf folgende Stellen hinzuweisen: LD III.7.8 (Rev. Bd. II.2, S. 525f.) lässt FL IV.6 und VI.7 aufeinander folgen, entsprechend der nur noch in E bezeugten Marginalie vi libro viii [recte vii] c zu FL IV.6: 254,1f. (IV.6,16f., mit Bezug auf FL VI.7: 444,20f. [VI.7,15f.], verbindendes Merkmal: Verzicht auf sündhaftes Handeln) - LD IV.16,10f. und IV.17 (Rev. Bd. II.2, S. 553f.) lassen FL V.7 und III.2 aufeinander folgen, entsprechend iiii 120 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 98 Auf die Übereinstimmungen zwischen den Stellenverweisen in E und den Umstrukturierungsprinzipien der lateinischen Übersetzung weist auch S enne (2002), S. 22 am Beispiel der Marginalien zu FL I.7 hin. 99 Mit dem Abschnitt b wird wohl nicht FL IV.2: 230,13f. (IV.2,26f.) gemeint sein - das Thema ‹Buch/ Schreiben› fehlt hier gänzlich -, selbst wenn sich in FL V.1: 320,11f. (V.1,33f.) folgender Verweis findet: Von vierleie engelen der sele iiii libro ii b. Dieser Verweis bezieht sich mit Sicherheit auf FL IV.2: 230,13f. (IV.2,26f.), denn an beiden Stellen ist vom Engel, der dem Menschen in der Taufe gegeben wird, die Rede. Es ist zu vermuten, dass im Verweis zu FL V.1 ursprünglich ein d stand, das zu b umgeschrieben wurde. Auch in FL I.44: 60,20f. (I.44,41f., Stichwort nature) findet sich ein Hinweis auf iiii libro ii b, der allerdings nicht zugeordnet werden kann. [recte iii] libro ii d xvii [? ] zu FL V.7 (mit Bezug auf FL III.2: 160,17f. [III.2,11f.], verbindendes Merkmal: hymnische Anpreisung) - LD IV.21-23 und IV.24 (Rev. Bd. II.2, S. 557f.) lassen FL I.2 und 4 aufeinander folgen, entsprechend Infra iiii d et xxxv a am Ende von FL I.2 (mit Bezug auf FL I.4: 26,31f. [I.4,8] und I.35, verbindendes Merkmal: Zunichtewerden) - LD III.4 und 5 (Rev. Bd. II.2, S. 522f.) lassen FL IV.8-10 und VI.21 aufeinander folgen, entsprechend vi libro xxi c in FL IV.9 (mit Bezug auf FL VI.21: 478,12f. [VI.21,10f.], verbindendes Merkmal: Pfaffenlehre, vgl. Glosse zu FL VI.21: Von welichen pfaffen die got wil nidern) - LD II.11-13 (Rev. Bd. II.2, S. 490f.) lässt FL IV.20 und V.24 aufeinander folgen, entsprechend [v] libro xxiiii e g in FL IV.20 (mit Bezug auf FL V.24: 380,13f. und 20f. [V.24,37f. und 43f.], verbindendes Merkmal: Dominikus) 100 und ferner LD II.5-7 und II.8 (Rev. Bd. II.2, S. 484f.) lässt FL II.4 und VI.36 aufeinander folgen, entsprechend ii libro iiii zu FL VI.36: 504,3f. (VI.36,8f., verbindendes Merkmal: die Messe von Johannes dem Täufer). Es gibt zudem Indizien, die darauf hinweisen, dass die Vorlage der ›Lux divinitatis‹ auch eine mit den Buchstaben des Alphabets bezeichnete Untergliederung der Kapitel kannte. Darauf deuten die seltenen Fälle hin, wo es im lateinischen Text zu einer Aufspaltung der deutschen Kapitel kam, um thematisch verwandte Textteile (nicht nur Kapitel! ) zusammen zu führen. 101 Freilich kann die Tatsache, dass es zu Kapitelaufteilungen kam, um den jeweiligen Teil an der thematisch passenden Stelle zu inserieren, mit einer souveränen Kenntnis des Textes erklärt werden. Es gibt aber zwei Stellen, die das Vorhandensein der Abschnittsgliederung mittels Kleinbuchstaben wahrscheinlich machen. Bei FL IV.27 finden sich in E zwei Querverweise, die auf FL VI.15 Bezug nehmen: einmal S v ch hie von me vi vel [recte libro] xv am Ende des Kapitels und vi libro xv d e f als Anmerkung zu FL IV.27: 308,21 (IV.27,141f.). Im Falle des letzten Querverweises wird die Verbindung zu FL VI.15 über das Stichwort ‹Enoch und Helias› hergestellt, und zwar zum Text ab VI.15: 462,23f. (VI.15,29). Tatsächlich folgt der mit 462,24 ansetzende Kapitelteil in dem mit De aduentu enoch et elye überschriebenen Kapitel LD III.14 (Rev. Bd. II.2, S. 534f.) unmittelbar auf FL IV.27. 102 Ein weiteres Beispiel liefern die am Anfang von Buch VI der lateinischen Übersetzung zusammengeführten Kapitel. Innerhalb dieser Kapitelgruppe gehören LD VI.7 und 8 (Rev. Bd. II.2, S. 624f.) Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 121 100 Auf die angegebenen Passagen aus FL V.24 bezieht sich auch die Marginalie v libro xxiiii d f iiii libro xx zu FL II.24: 122,23f. (II.24,44f., gemeinsamer Bezugspunkt: Dominikus). Welche der beiden Abschnittsgliederungen zutrifft, kann nicht mehr entschieden werden. 101 Vgl. LD Prol. 5,17-24 (Rev. Bd. II.2, S. 442f.) mit FL VI.20: 476,4-12 (VI.20,4-11) im Anschluss an FL III.20 (als Ganzes ist FL VI.20 als vorletztes Kapitel noch einmal überliefert, s. LD VI.24/ Rev. Bd. II.2, S. 642) - LD I.12-17 (Rev. Bd. II.2, S. 456f.) mit FL V.23: 362,7-374,26 (V.23,4-180) und davon abgetrennt FL V.23: 374,27-376,2 (V.23, 181-190) als LD I.34 (Rev. Bd. II.2, S. 478f.) - LD III.10-15 (Rev. Bd. II.2, S. 528-535), bestehend aus FL IV.27 und VI.15: 462,23-466,22 (VI.15,29f.); FL VI.15: 460,10-462,22 (VI.15,3-29) fehlt, weil es wohl übersehen wurde - LD V.25 (Rev. Bd. II.2, S. 610f.) mit FL III.15: 192,31-194,28 (III.15,4-28) und LD VI.8 (Rev. Bd. II.2, S. 625f.) mit FL III.15: 194,29-198,5 (III.15,24-67). 102 Der Anfangsteil von FL VI.15 (460,19-462,22, VI.15,3-29) wurde dabei übergangen. Er hätte sicherlich anderswo inseriert werden müssen, scheint jedoch vergessen worden zu sein. Daher kommt es, dass eine Entsprechung zu FL VI.15: 460,19-462,22 in der ›Lux divinitatis‹ fehlt. enger zusammen. Die lateinische Übersetzung lässt hier FL II.8 und III.15: 194,29- 198,5 (III.15,24-67) aufeinander folgen, entsprechend dem nur noch in E bezeugten Querverweis iii libro xv g (= FL III.15: 196,36f. [III.15,63f.]) am Ende von FL II.8. 103 Es gibt demnach gute Gründe für die Annahme, dass die Einheit der Bücher I-VI, die zur Übersetzung ins Lateinische vorlag, mit einem komplexen System von Stellenverweisen ausgestattet war. Für eine davor liegende Textstufe, etwa für die Einheit der Bücher I-V, lassen sich Querverweise nicht mehr mit Sicherheit nachweisen. 104 Wenn nachgewiesen werden kann, dass die Stellenverweise (1) bis zum alemannischen Übersetzungsoriginal des ›Fließenden Lichts‹ zurückreichen, (2) sich bis auf das Zusatzkapitel VI.22 auf eine mit E identische Buch- und Kapitelfolge bzw. -zählung beziehen und (3) für die Kapitelgliederung in der lateinischen Übersetzung konstitutiv waren, so darf wohl davon ausgegangen werden, dass auch der ›Lux divinitatis‹ ein mit E weitgehend gliederungsgleiches Exemplar des ›Fließenden Lichts‹ vorgelegen hat. Demnach werden die Buch- und Kapitelverweisungen in den Überschriften von Rb sehr wohl alt sein und sich auf die Zählung der mittelniederdeutschen Übersetzungsvorlage beziehen. Freilich ist nicht auszuschließen, dass die Kapitel, die in der lateinischen Übersetzung fehlen, von den Stellenverweisen in E jedoch erfasst sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt (wie FL VI.22) in das Corpus der Mechthild zugeschriebenen Schriften aufgenommen und mit anderen Kapiteln mittels Querverweisen ‹verlinkt› wurden. 122 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 103 Außerdem wird hier auf iii libro xvi [recte xvii] et vi libro x hingewiesen. Den indizierten Kapiteln ist das Thema ‹Erlösung der Seelen aus dem Fegefeuer› gemeinsam. FL VI.10 folgt in Rb unmittelbar auf die Kapitelgruppe am Anfang des sechsten Buches der ›Lux divinitatis‹, die Übereinstimmungen im Bestand zu den Stellenverweisen in FL III.15 aufweist. 104 Der Index rerum, der bekanntlich nur die ersten fünf Bücher berücksichtigt, erweckt stellenweise den Eindruck, als hätte sich dessen Verfasser bei der Kapitelauswahl nicht allein an den Überschriften orientiert (s. dazu B ecker 1951, S. 138-145), sondern auch Kenntnis von Querverweisen gehabt. Dies lassen vor allem zwei Kapitelangaben vermuten, die in den Überschriften keine Entsprechung zum indizierten Thema haben. So wird für die Sachgruppe De trinitate auf II.3 (= FL II.2: 76,29-78,29 [II.2,17-44] und II.3, s.o.), III.9, IV.12 und 14 sowie V.26 hingewiesen. Dass in FL V.26 auch von der Dreifaltigkeit die Rede ist, geht aus der Überschrift (Wie got sich lobet und singet) nicht hervor. Allerdings stellt die Marginalie [v] libro xxvi zu FL II.3: 80,28 (II.3,23) die Verbindung zu FL V.26 über das Stichwort ‹musizierende Dreifaltigkeit› her (in FL V.26 findet man den Rückverweis ii libro iii M). Auch die Überschrift von FL IV.12 bietet nichts, was dem Verfasser des Index rerum ermöglich hätte, das Kapitel in die Sachgruppe De trinitate aufzunehmen. Den entsprechenden Querverweis iii [recte iiii] libro xii Responsio bietet wieder das alte Kapitel II.3 (= FL II.2: 78,7 [II.2,25], Stichwort: ‹Gottesfremde›). Zwar haben diese beiden Belege eine große Suggestionskraft, für den zweifelsfreien Nachweis von Querverweisen in den Büchern I-V reichen sie jedoch nicht. Denn in beiden Fällen liefert die erste Zeile des Kapitels das Stichwort drivaltekeit. Eine oberflächliche Lektüre dürfte den Verfasser des Index rerum dazu verleitet haben, in den beiden Kapiteln Material für seine Zwecke zu vermuten. Ein längerer Abschnitt vom Anfang des Kapitels FL VI.15 fehlt in der lateinischen Übersetzung. Es ist anzunehmen, dass er versehentlich übergangen wurde, als man das Kapitel aufgeteilt und anderweitig inseriert hat. Das sieht man an LD III.14 (Rev. Bd. II.2, S. 534f.), wo der zweite Teil von FL VI.15 im Anschluss an FL IV.27 überliefert ist (s.o.). Aufschlussreich für die Frage, ob die Übersetzungsvorlage den Eingangsabschnitt von FL VI.15 enthielt, ist der Querverweis vi libro xv d e f zu FL IV.27: 308,21 (IV.27,141f.). Denn er stellt die Verbindung zu FL VI.15 über das Stichwort ‹Enoch und Helias› her. Das Untergliederungszeichen d bezieht sich auf den mit VI.15: 462,23 (VI.15,29) ansetzenden Abschnitt. Dies lässt darauf schließen, dass die Kleinbuchstaben a-c den ersten Teil des Kapitels erfassten. Man darf demnach mit Sicherheit davon ausgehen, dass FL VI.15 den Übersetzern in seiner heutigen Form vorlag, was auch die reiche Glossierung für den Anfangsteil (460,19-462,22 [VI.15,3-29]) wahrscheinlich macht. Anders zu beurteilen ist der in LD III.1 (Rev. Bd. II.2, S. 519f.) nicht vorhandene Eingangsabschnitt FL VI.2: 432,3-9 (VI.2,3-8). Der fehlende Bezug zum folgenden Text, die ausgebliebene Glossierung und die Tatsache, dass er von der Überschrift nicht angekündigt wird, lassen darauf schließen, dass dieser Abschnitt erst später an den Anfang von FL VI.2 geraten ist. Der gedanklich und formal abgeschlossene Charakter des Textstückes lässt an ein ursprünglich selbstständiges Kapitel denken, welches ohne erkennbaren Grund FL VI.2 vorangeschaltet wurde. Ähnliches wäre auch für FL III.23 zu überlegen, denn es fehlt in der lateinischen Übersetzung. 105 Allerdings findet sich in FL I.44 ein Vorverweis auf dieses Kapitel, dem ein Rückverweis auf FL I.44 und II.3 in FL III.23 entspricht (s. S. 118, Anm. 92). Ein klarer Fall, würde man meinen, der das Vorhandensein von FL III.23 zum Zeitpunkt der Einführung der Stellenverweise bestätigt und auf bewusste oder unbewusste Auslassung in der ›Lux divinitatis‹ schließen lässt. 106 Dies setzt allerdings voraus, dass die Stellenverweise alle zur gleichen Zeit entstanden sind. Dass man mit Nachträgen rechnen muss, legt die Marginalie zum ersten Prooemium nahe. Verwiesen wird hier auf v libro xxxiii [recte xxxiiii] ii libro xxvi vi libro in ende. All diese Angaben beziehen sich auf die Sendung des b v ches durch Gott: Die ersten beiden geben die Kapitel an, aus welchen das Prooemium kompiliert wurde, 107 die letzte bezieht sich mit Sicherheit auf FL VI.43, worin von der schrift die Rede ist, die us got gevlossen ist (Überschrift). Der Stellenverweis vi libro in ende lässt vermuten, dass es sich um ein Textstück neueren Datums handelt, 108 vielleicht um einen Schreibervermerk, der noch nicht als eigenständiges Kapitel galt, weshalb ihm auch die Kapitelzählung fehlte. Doch nicht nur die fehlende Kapitelzählung spricht für einen Nachtrag, sondern auch das Register zum sechsten Buch: FL VI.43 ist hier nicht verzeichnet. Und wenn das Schlussstück des sechsten Buches des ›Fließenden Lichts‹ auch noch in der ›Lux divinitatis‹ fehlt, wird man wohl davon ausgehen müssen, dass es zum Zeitpunkt, als die Übersetzung entstand, noch nicht vorlag, denn es ist wenig wahrscheinlich, dass Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 123 105 B ecker (1951), S. 38 Anm. 1 und N eumann (1993), S. 64 vermuten, FL III.23 könnte wie VI.22 aus dem siebten Buch ins dritte versetzt worden sein. 106 V ollmann- P rofe (2003), S. 765 zufolge hätten die Übersetzer am Inhalt des Kapitels (Liebeszauber) Anstoß genommen und es deshalb übergangen. 107 Stellennachweise bei N eumann (1993), S. 3. 108 Vgl. in diesem Zusammenhang auch S. 288, Anm. 794 weiter unten mit Text. die Übersetzer es unterlassen hätten, dieses Kapitel in den bio-bibliographisch ausgerichteten Prolog aufzunehmen. 109 Man muss also mit nachträglichen Ergänzungen und Umstellungen rechnen, was die Kapitelfolge betrifft. Das gilt nicht nur für die Texttradition, an deren Ende E steht, sondern vielleicht auch für die mittelniederdeutsche Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹. Denn trotz einer mit E weitgehend identischen Buch- und Kapitelzählung und des annähernd gleichen Kapitelbestandes fallen einige Abweichungen auf, die die Kapitelverweisungen von Rb gegenüber E auszeichnen. Ich meine hier nicht Fälle wie LD IV.31 (Rev. Bd. II.2, S. 564f.), wo statt FL IV.16 die Kapitelzahl IV.18 angegeben wird oder LD V.35 (Rev. Bd. II.2, S. 616f.), wo V.13 statt V.16 steht. 110 Es kann sich immerhin um Verschreibungen handeln. Nicht mehr durch eine kopiale Überlieferungspraxis bedingt dürften dagegen Abweichungen sein, die ab FL V.26 zwischen den Kapitelverweisungen von Rb und der Zählung von E auszumachen sind. Die Kapitelzählung in den Tituli der lateinischen Übersetzung bleibt gegenüber E stellenweise um zwei Einheiten zurück bzw. weist Umstellungen auf, wie der folgenden Tabelle zu entnehmen ist: E Rb FL V.26 FL V.24 vgl. LD I.2 (Rev. Bd. II.2, S. 447f.) FL V.27 FL V.25 vgl. LD I.20 (Rev. Bd. II.2, S. 465f.) FL V.28 FL V.27 vgl. LD II.36 (Rev. Bd. II.2, S. 513) FL V.30 FL V.30 vgl. LD IV.26 (Rev. Bd. II.2, S. 560f.) FL V.31 FL V.29 vgl. LD IV.27 (Rev. Bd. II.2, S. 562) Als Zwischenfazit ist festzuhalten: Die von Teilen der älteren Forschung vertretene Ansicht, die ›Lux divinitatis‹ verdanke ihre Buch- und Kapitelfolge einer gliederungsgleichen deutschen Vorlage, einer Handschrift also, die den gleichen, nach sachlichen Gesichtspunkten umgruppierten Text bot, kann vor dem Hintergrund der Ausführungen von oben endgültig ad acta gelegt werden. Die nachweislich bis zum Übersetzungsoriginal zurückreichenden Buch- und Kapitelverweise in den Überschriften der ›Lux divinitatis‹ - sie stimmen, soweit ersichtlich, mit den ebenso alten Querverweisen in E überein - zeigen mit aller Deutlichkeit, dass die mittelniederdeutsche Übersetzungsvorlage bis auf einige spätere Ergänzungen im deutschen Überlieferungszweig (FL VI.2: 432,3-9 [VI.2,3-8], VI.22, VI.43 und vielleicht III.23) eine mit E weitgehend identische Kapitelfolge und -zählung geboten hat. Allerdings scheint die An- 124 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 109 Anders N eumann (1954b), S. 65: N eumann ist der Ansicht, die Übersetzer hätten FL VI.43 bewusst übergangen, «weil die lateinische Version weder mit dem Wortlaut noch mit dem Aufbau der Vorlage also getrúwelich verfuhr» wie Heinrich von Halle, dem dieses testimonium veritatis am Ende des sechsten Buches angeblich zu verdanken ist. 110 Vgl. auch LD IV.59 (Rev. Bd. II.2, S. 586): IV.2 statt FL IV.5; LD III.7 (Rev. Bd. II.2, S. 525f.): IV.5 statt FL IV.6 oder LD I.18 (Rev. Bd. II.2, S. 464): VI.18 statt FL VI.24. ordnung der Kapitel an einigen Stellen eine andere Reihenfolge als E aufgewiesen zu haben. Dies dürfte bei einem grundsätzlich auf Addition beruhenden Textcorpus wie dem ›Fließendem Licht‹ nicht weiter verwundern, macht doch gerade die offene Struktur den Text für Ergänzungen und Umstellungen auf der Ebene der Kapitelfolge anfällig. 111 Dieser Tatsache war sich auch die ältere Forschung bewusst, doch hinderte sie diese nicht daran, das Nacheinander der Kapitel in der deutschen Überlieferung für authentisch, d.h. sukzessiv entstanden und in ihrer Reihenfolge von der Autorin (und nicht etwa durch die ordnende Hand eines Redaktors) festgelegt, zu erklären. Auf diesen Punkt gilt es im Folgenden einzugehen. II.1.3 sicut legentibus nunc apparet. Zur Authentizität der Buch- und Kapitelfolge des ›Fließenden Lichts‹ Die Schlussfolgerung, dass E Mechthilds Aufzeichnungen so überliefert, wie sie der Reihe nach entstanden sind, zog man, wie wir in Kapitel I.1.1 und 2 gesehen haben, zum einen aus dem Charakter des Werkganzen, zum anderen aus dem Verständnis des Textes als einer Ansammlung von tagebuchartigen Notizen. Entscheidend für die Lesart des ›Fließenden Lichts‹ als Tagebuch war nicht nur die lose Folge von Einzelkapiteln ohne erkennbare sachliche Ordnung sowie die Ich-Perspektive, die die Erzählhaltung bestimmt. Auch und vor allem waren es die im Text verstreuten, sich auf einzelne Lebensstationen der Protagonistin beziehenden Jahresangaben (vor drissig jaren und me, bi zwanzig jaren, dirre trost hette gewert aht jar usw.), die die Verfechter der Tagebuch-These veranlasst haben, sich in ihrer Annahme bestätigt zu sehen. Die Aufschlüsselung dieser an sich, d.h. ohne einen zeitlichen Bezugspunkt, nicht aussagekräftigen Angaben mittels der wenigen mit einiger Sicherheit datierbaren Anspielungen auf urkundlich bezeugte Personen und zeitgeschichtliche Ereignisse hat nämlich nur das bestätigt, was man vom Charakter des Werkganzen her ohnehin vermutet hat: Es handelt sich um einen Text, der Ergebnis eines langandauernden und lebensbegleitenden Schreibens ist, an dem der Wandel des künstlerischen Ausdrucks und der religiösen Erfahrungswelt Mechthilds sowie die Erweiterung ihres geistigen Horizontes abgelesen werden können. Eine erneute Prüfung der Argumente, die man ins Feld führte, um einzelne Lebensstationen Mechthilds (das Jahr der Geburt und des Todes, den Zeitpunkt der ‹Flucht› in die Magdeburger [? ] Beguinage sowie des Eintritts ins Kloster Helfta) und die Phasen der Buchgenese zu datieren, zeigt, dass die These von der erhalten gebliebenen chronologischen Reihenfolge der Aufzeichnungen auf der Grundlage der textinternen Jahrangaben nicht erwiesen werden kann. Das siebte Buch enthält zwei Kapitel, die schon immer eine wichtige Rolle spielten, wenn es darum ging, das Todesjahr Mechthilds zu ermitteln und Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 125 111 Vgl. O rtmann (1992), S. 181. die bewahrte chronologische Reihenfolge der Aufzeichnungen zu erweisen. FL VII.28 ruft ein zeitgeschichtliches Ereignis in Erinnerung. Es ist von der not eines urlúges (Überschrift) die Rede, von einer Kriegsnot also, die Sachsen und Thüringen heimgesucht hat. Einige Kapitel weiter meldet sich die Sprecherin wieder zu Wort und beklagt, Gott möge sie wissen lassen, ob sie weiter schreiben solle. Warumbe? Das ich mich nu also sn o de und unwirdig weis, als ich was vor drissig jaren und me, do ich es beginnen m v ste (FL VII.36: 598,7-9 [VII.36,3f.]). S tierling war der Ansicht, das in FL VII.28 Berichtete stünde im Zusammenhang mit dem Einfall König Adolfs von Nassau im Jahre 1294, einem Ereignis, das auch in der zeitgenössischen und späteren chronikalischen Literatur Erwähnung fand. 112 Als besonders grausam hätten die Chronisten die Tatsache empfunden, dass selbst Kirchen von den Einbrechern und Plünderern nicht verschont blieben. Eine Anspielung auf dieses schwere Kriegsverbrechen meint S tierling in folgender Passage des ›Fließenden Lichts‹ zu finden. Ich zitiere den Passus in der Lesart von S tierling : Die die sache sint des urlúges, die sint grúweliche an in selber und grimme an iren werken, das si die bilde mines gotzhuses get o rent angriffen (vgl. FL VII.28: 584,23-25 [VII.28,14- 16]). 113 Da Mechthild dieses Ereignis offenbar noch erlebt hatte, dürfte sie, so S tierling , erst nach 1294 gestorben sein. Die Datierung des Todes Mechthilds und damit auch die des siebten Buches in das letzte Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts fand wenig Zustimmung. 114 Die Forschung vor und nach ihm geht davon aus, dass Mechthild aller Wahrscheinlichkeit nach schon um 1282 starb. 115 Bei der Argumentation zugunsten dieses Datums spielte das oben zitierte Kapitel 36 des siebten Buches eine entscheidende Rolle. Der Anfang der Schreibtätigkeit wird dort auf «vor dreißig Jahren und mehr» geschätzt. Ohne zu wissen, wann das 36. Kapitel abgefasst wurde, ist diese Angabe an sich allerdings wenig aussagekräftig. Deshalb wurde sie zuerst von S trauch , dann aber auch von anderen Mechthild-Forschern mit dem lateinischen Vorbericht zu E in Verbindung gebracht, in dem behauptet wird: Anno domini M°CC°L° […] liber iste fuit teutonice cuidam begine […] inspiratus. 116 Durch die Rückkopplung von FL VII.36 an den Vor- 126 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 112 Vgl. S tierling (1907), S. 19-22. 113 S tierling ebd., S. 20 zitiert M orel (1869), S. 243,14u. Er korrigiert dabei stillschweigend handschriftliches grúwelicher in grúweliche. Zu den Auswirkungen dieser Konjektur für die Interpretation der Stelle s. weiter unten. 114 S tierling folgten lediglich H ünicken (1934/ 35), S. 107 und M. S chmidt (1955), S. 15 bzw. (1995), S. 397, Anm. 292. 115 Man wollte sich in puncto Todesjahr mit dem Hinweis von B oehmer (1871), S. 104 nicht zufrieden geben, wonach Mechthild frühestens 1270 gestorben ist, da Helfta - hier soll sie nach dem Prolog zur ›Lux divinitatis‹ die letzten zwölf Jahre ihres Lebens verbracht haben - erst 1258 gegründet wurde. 116 M orel s Konjektur der handschriftlichen Lesart inspiratus (bezogen auf liber) in inspirata (bezogen auf begina) wird von S trauch stillschweigend rückgängig gemacht. bericht ermittelt S trauch 1281 als das Abfassungsjahr des Kapitels. Vor diesem Hintergrund errechnet er das Sterbejahr Mechthilds wie folgt: «nehmen wir hinzu dass das 36 capitel nicht das letzte des 7. buches ist, sondern noch 29 capitel folgen, so dürfen wir Mechthilds tod aller wahrscheinlichkeit nach frühestens um 1282 ansetzen.» 117 Die Beweisführung von S trauch hat überzeugt und zu einem Forschungskonsens geführt. 118 Trotzdem sind Bedenken an diesem Datierungsansatz anzumelden. Problematisch erscheint mir zum einen der Versuch, FL VII.36 recht genau auf das Jahr 1281 zu datieren. Nach meinem Dafürhalten besagt vor drissig jaren und me nicht, dass die Sprecherin einunddreißig Jahre nach dem Schreibbeginn um Dispens von der ihr auferlegten Schreibpflicht gebeten hat. Nimmt man mit dem lateinischen Prolog an, dass das Schreiben des Buches tatsächlich 1250 seinen Anfang nahm, 119 so käme ein beliebig anderer Zeitpunkt zwischen 1281 und 1289 als das Abfassungsjahr von Kapitel 36 genauso in Frage. Anlass zu Bedenken gibt mir außerdem der Schluss, den S trauch aus der Datierung von FL VII.36 für das Todesjahr Mechthilds zieht. Das Sterbejahr wird danach berechnet, wieviel Zeit die Abfassung der verbleibenden 29 Kapitel des siebten Buches in etwa in Anspruch genommen haben kann. Diese Argumentation baut auf zwei Postulate, denn zum einen wird angenommen, dass die Arbeit am b v ch lebensbegleitend war, so dass man vom Ende der Schreibtätigkeit auf den Tod der Autorin schließen kann. 120 Zum anderen soll es sich um einen sukzessiv voranschreitenden Schreibprozess gehandelt haben, der sich in der heutigen Reihenfolge der Kapitel dokumentiert. Dem muss aber entgegnet werden, dass wir nicht wissen können, ob Mechthild dem Schreiben in regelmäßigen Zeitabständen nachgegangen ist und ob sie bis zu ihrem Tod am Buch gearbeitet hat. Fraglich ist auch - das soll im weiteren Verlauf dieses Kapitels gezeigt werden -, ob die lose Struktur dahingehend interpretiert werden kann, dass sie der ursprünglichen Chronologie der Niederschriften entspricht. Doch kehren wir zunächst zur Frage nach der Datierung des in FL VII.28 angesprochenen Ereignisses zurück. Die Berechnung des Sterbejahres Mechthilds anhand von FL VII.36 auf 1282 fand eine zusätzliche Stütze durch die von H auck vorgeschlagene Neudatierung von FL VII.28, einem Kapitel, das S tierling auf 1294 datieren wollte. Gegen diese Datierung geht H auck entschieden in die Offensive. Zwar ist er bereit zuzugeben, dass die von S tierling zitierten chronikalischen Quellen «einen vorzüglichen Hintergrund für das Gebet Mechthilds» in FL VII.28 Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 127 117 S trauch (1883), S. 371. Zustimmend B ecker (1951), S. 202. 118 Vgl. N eumann (1954b), S. 46 und (1987a), Sp. 261. 119 Inwieweit die im Prolog enthaltenen scheinbar biographischen Daten und konkreten Jahresangaben zuverlässig sind, steht hier nicht zur Diskussion (s. dazu S. 141ff. weiter unten). 120 Unter dieser Annahme interpretiert etwa W eiss (2008), S. 147f. das letzte Kapitel des siebten Buches. darstellen, doch meldet er gleich Bedenken an. 121 H auck weist darauf hin, dass (1) der Krieg von 1294 die sächsische Grenze nach der Darstellung der von S tierling zitierten Chronik des Erfurter Petersklosters nur berührt hat. Eisleben sei der äußerste Punkt gewesen, bis zu dem Adolf vorgerückt sei. Nun meint H auck , Mechthild beziehe auch Sachsen in den Krieg mit ein, während sich für den Erfurter Chronisten der Krieg allein in Thüringen abgespielt habe. Die Chronik zeige außerdem, dass es (2) vor allem Frauenklöster waren, die in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Dass auch das Kloster Helfta davon betroffen gewesen wäre, sei dem ›Fließenden Licht‹ nicht zu entnehmen. Es passe auch nicht zum Bericht aus dem Erfurter Peterskloster, dass (3) von den Urhebern gesagt wird, dass si die bilde mines gotzhuses get o rrent angriffen. Mit Hinweis auf die lan ich werden gevangen und libelos (vgl. FL VII.28: 584,22 [VII.28,14]) 122 ist H auck schließlich der Ansicht, (4) mit dem hier angedeuteten Krieg seien die Kämpfe der Jahre 1280/ 81 gemeint. Daran beteiligt waren Landgraf Albrecht der Entartete einerseits und seine Söhne Friedrich und Dietrich andererseits. Da Akteure beider Seiten in Gefangenschaft geraten sind, soll die zitierte Stelle aus dem ›Fließenden Licht‹ H auck zufolge auf dieses Ereignis anspielen, so dass alle Indizien für die kriegerischen Auseinandersetzungen der Jahre 1280/ 81 sprächen. 123 Gegen das letztgenannte Argument stellt N eumann richtig, dass die von H auck zitierte und unzulässigerweise aus dem Kontext isolierte Stelle nicht das Schicksal der Hauptakteure des Krieges behandelt. Eher werden diejenigen getadelt, die durch den Kriegsdienst zu Räubereien gezwungen werden, und zwar dahingehend, dass Gott sie gefangennehmen und ihres Lebens verlustig gehen lassen möge, damit sie zu ihm kommen können. 124 Nichtsdestoweniger hält N eumann an H auck s Datierung fest, doch muss er dafür zunächst eine Schwachstelle in der Argumentation seines Vorgängers entkräften. N eumann scheint erkannt zu haben, dass das von H auck gegen S tierling angeführte dritte Argument nicht stichhaltig ist, da die Aggressoren in der Peterschronik wenn nicht als Ikonoklasten, so doch als Altar- und Kirchenschänder apostrophiert werden. 125 Das bedeutet indes nicht, dass N eumann in der Frage der Referentialisierung des genannten Passus S tierling das Wort redet, denn nach seinem Verständnis geht es hier gar nicht darum, dass die Kriegsteilnehmer gewagt hätten, die Kirchen anzugreifen: «Mechthild charakterisiert vielmehr nur paradigmatisch die Schwere ihrer Sünde dadurch, dass Gott diese Kriegsstifter für schlimmer erklärt als selbst Kirchenschänder sind, die den 128 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 121 Vgl. H auck (1911), S. 196f. 122 H auck ebd., S. 197 korrigiert stillschweigend handschriftliches liebelos in libelos. 123 Ähnlich A ncelet -H ustache (1926), S. 48-50. 124 Vgl. N eumann (1954b), S. 44-46. 125 Vgl. etwa folgende Stelle aus der Erfurter Chronik: […] ad ecclesias convertuntur, fores effringuntur, vix a sacerdote celebrante manus cohibentur, altaria nudantur, vestes sacre, missales libri cum calicibus distrahuntur etc. (zitiert nach S tierling 1907, S. 21). ewigen Tod als Strafe empfangen.» 126 In diesem Sinne ändert N eumann handschriftliches grimme in einen Komparativ (nach dem Vorbild des vorangehenden grúwelicher) und ergänzt den Vergleichsatz mit denne. Demnach lautet die Stelle in seiner Lesart: Die die sache sint des urlúges, die sint grúwelicher an in selben und grimmer an iren werken denne das si die bilde mines gotzhuses get o rrent angriffen (FL VII.28,14-16). Die Berechtigung für diesen editorischen Eingriff sieht N eumann darin, dass einfaches das nach dem Komparativ im Vergleichsatz neben denne das im ›Fließenden Licht‹ - von wenigen Ausnahmen abgesehen - kaum vorkommt. 127 Eine dieser wenigen Ausnahmen findet sich in FL VI.41: Die wunne, die ere, die clarheit, die trútunge, die warheit, die sint ob mir also gros, das ich stum wurde vúrbas me ze sprechende, das ich bekenne (FL VI.41,3-5). 128 Es verwundert, dass N eumann den unvollständigen Komparativsatz in FL VI.41 unverändert stehen lässt, in FL VII.28 dagegen berichtigend eingreift. Man hat den Eindruck, als hätte N eumann FL VII.28 textkritisch zurechtgestutzt, damit es die von ihm gewünschte Stütze für die Datierung des hier angesprochenen Ereignisses liefert. Bedenklich stimmen auch die wiederholten Eingriffe in den Text im Sinne des vermuteten mechthildischen Sprachgebrauchs. Anders als N eumann versucht V ollmann - P rofe ohne einen interpretatorischen Überbau zu Recht zu kommen und, soweit es geht, nahe an der Handschrift zu bleiben. Auch sie greift in das zweifelsfrei gestörte Satzgefüge ein, konjiziert jedoch nur an einer einzigen Stelle: Die die sache sint des urlúges, die sint grúweliche [grúwelicher, E] an in selber und grimme an iren werken, das si die bilde mines gotzhuses get o rent angriffen (FL VII.28: 584,23-25). Damit erscheint allerdings die von N eumann bestrittene S tierling sche Lesart rehabilitiert (vgl. S. 126, Anm. 113 mit Text), wie es auch der Übersetzung von V ollmann -P rofe zu entnehmen ist: «Die Urheber des Krieges aber sind grauenhaft in ihrem Inneren und Schrecken verbreitend in ihren Taten, da sie es sogar wagen, sich an den Bildwerken meines Gotteshauses zu vergreifen» (FL VII.28: 585,33-587,36). S tierling s Vorschlag hat nicht nur Ablehnung, sondern auch Zustimmung gefunden. So hat H ünicken S tierling s Datierungsansatz übernommen und ihn mit einem zusätzlichen Argument zu stützen versucht. 129 H ünicken geht es um den Nachweis, dass Mechthilds angeblicher Beichtvater, der Dominikaner Heinrich von Halle, und pater H. (! ) a Veriungerede, der in der ›Epistola apologetica‹ der ersten Kölner Druckausgabe des ›Legatus divinae pietatis‹ Gertruds von Helfta (1536) genannt und mit dem Hallenser Konvent (der Dominikaner oder Franziskaner? ) in Verbindung gebracht wird (dum in monasterio moraretur Hallensi), identisch sind. Würde die Identifizierung der beiden Henricis zutreffen - und das ist höchst unwahrscheinlich - so hätte Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 129 126 N eumann (1954b), S. 45. 127 Vgl. N eumann (1993), S. 141, Anm. zu VI.41,5. 128 S. dazu N eumann ebd., S. 153, Anm. zu VII.28,15. 129 Vgl. H ünicken (1934/ 35), S. 107. Heinrich von Halle nicht, wie bisher angenommen, nur Mechthilds Buch redigiert, sondern auch das von Gertrud selbst geschriebene zweite Buch des ›Legatus‹ durchgelesen und begutachtet. H ünicken fährt fort: Da Gertrud ihr Buch in den Jahren 1289/ 90 verfasst habe, so dürfte Heinrich frühestens 1290, auf jeden Fall noch vor Mechthild gestorben sein (s. S. 101, Anm. 7), deren Todesjahr mit S tierling ja frühestens um 1294 anzusetzen sei. Zwar ist das von H ünicken zur Stützung von S tierling s Datierungsansatz zusätzlich ins Spiel gebrachte Argument nicht haltbar, 130 aber die Spätdatierung ist dennoch nicht ganz von der Hand zu weisen. 131 H auck hat, wie gesagt, gegen die Datierung von FL VII.28 auf 1294 eingewandt, dass sich die kriegerischen Auseinandersetzungen aus dem Jahre 1294 für den Erfurter Chronisten, den Gewährsmann von S tierling , auf thüringischem Boden abspielten, wohingegen das Kriegsgeschehen im ›Fließenden Licht‹ in Sahsen landen und in Dúringen landen verortet wird. Die Erfurter Chronik ließe außerdem erkennen, so H auck weiter, dass es vor allem Frauenklöster waren, die von König Adolfs Heereszug in Mitleidenschaft gezogen wurden. FL VII.28 sei dagegen nicht zu entnehmen, dass auch das Kloster Helfta von diesen Ereignissen betroffen gewesen wäre. Nun gibt es aber aus dem Kloster Helfta selbst Berichte, denen die von H auck bemängelten Informationen abzugewinnen sind, und zwar das Kapitel IV.11 des ›Liber specialis gratiae‹ Mechthilds von Hackeborn und das Kapitel III.48 des ›Legatus divinae pietatis‹ Gertruds von Helfta: Alio tempore, cum plurimum timeremus a facie regis, eo quod non longe nostro esset coenobio, orabat Dominum ut ipse Rex omnium regum Dominus nos dignaretur defendere sua paterna benignitate, ne aliquod damnum a regis exercitu pateremur. Cui Dominus: «Tu nullum de suo exercitu unquam videbis.» At illa cogitabat quia si ipsos non videret, tamen claustrum ab eis laedi posset. Cui Dominus: «Nullus eorum coenobio vestro appropinquabit; sed ego ab his defendam vos.» Quod et contigit; nam adeo misericorditer nos Dominus custodivit, quod nullum omnino ab eis sumpsimus damnum, cum tamen multa monasteria ab eis plurima incurrissent damna. (Rev. Bd. II.1, Lib. IV.11, S. 268) 132 130 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 130 Vgl. N eumann (1954b), S. 30, 41 und 69-71 bzw. R uh (1993), S. 248f. 131 Auch M. S chmidt (1955), S. 15 und (1995), S. 397, Anm. 292 spricht sich mit Hinweis auf S tierling und H ünicken für die Spätdatierung aus, übersieht allerdings die gegen H üni ckens fragwürdigen Identifikationsversuch von Heinrich von Halle mit Pater H. von Vernigerode erhobenen berechtigten Einwände von N eumann und R uh (s. Anm. 130 oben). 132 «Zu einer andern Zeit, da wir gar Vieles vom Könige fürchteten, weil er sich unfern des Klosters befand, bat sie den Herrn, daß er, der König und Herr aller Könige, uns mit seiner väterlichen Güte beschützen möchte, damit wir nicht von des Königs Heer Schaden erlitten. Der Herr antwortete ihr: ‹Du wirst keinen Mann aus seinem Heere je sehen.› Sie aber dachte, wenn sie dieselben auch nicht zu sehen bekäme, möchte doch das Kloster von ihnen beschädigt werden. Der Herr sprach zu ihr: ‹Keiner von ihnen wird sich eurem Kloster nahen, sondern ich werde euch gegen sie Alle gnädig vertheidigen.› Dies traf auch ein; denn so barmherzig beschützte uns der Herr, dass wir gar keinen Schaden von ihnen erlitten, obschon viele Klöster durch sie zu gar großem Schaden gekommen waren.» Übersetzung zitiert nach J. M üller (1881), S. 271. Cum conventus timeret a facie inimicorum qui dicebantur fortiter armati prope coenobium adventuri, et pro tali necessitate in communi persolveretur Psalterium distinctum cum versu … (Leg. SC Bd. 143, Kap. III.48, S. 214) 133 Diese in der einschlägigen Diskussion bis jetzt unberücksichtigt gebliebenen Textstellen 134 sind aufschlussreich, weil sie zusammen mit dem von S tierling zwar abgedruckten, 135 von H auck jedoch unterbewerteten Bericht des Erfurter Chronisten über das Vordringen Adolfs in obersächsisches Gebiet erahnen lassen, in welch bedrohlicher Lage sich der Helftaer Konvent mitten in der von Adolfs Truppen belagerten Eislebener Gegend befand. Im Spiegel dieser Berichte und angesichts der Tatsache, dass das siebte Buch des ›Fließenden Lichts‹ aller Wahrscheinlichkeit nach in Helfta entstand, ist nicht mehr auszuschließen, dass auch FL VII.28 (und FL VII.10? ) auf dieses im ›Liber‹ und ›Legatus‹ referierte Ereignis Bezug nimmt. Die Spätdatierung würde erlauben, für die zwölf Jahre, die Mechthild nach dem Ausweis des LD-Prologs in Helfta verbracht hat, die letzten beiden Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts und damit die literarisch aktivste Phase des Helftaer Klosters zu reservieren, 136 vorausgesetzt, es handelt sich nicht um eine Interpolation von fremder Hand (beispielsweise von einer der Helftaer Mitschwestern Mechthilds), sondern um ein Kurzkapitel, das Mechthild selber zu Pergament brachte oder bringen ließ (im Falle eines Diktat, vgl. S. 289f. weiter unten). Mir kommt es hier und im Folgenden nicht darauf an, neue Datierungsvorschläge vorzutragen. Eher geht es darum aufzuzeigen, welche Probleme mit den bisherigen Ansätzen verbunden sind. Nehmen wir ein anderes Beispiel. FL VI.21 stellt einen einzigen Klageruf über den verwahrlosten Zustand der Kirche dar. Am Schluss wird der amtierende Papst selbst angesprochen und von Gott angemahnt: Sun babest, dis soltu vollebringen! So mahtu din leben lengen; das nu din vorvaren also unlange lebeten, das kumt da von, das si mines Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 131 133 «Einst war die Genossenschaft in großer Furcht vor Feinden, von denen es hieß, daß sie stark bewaffnet schon auf das Kloster heranzögen. In dieser Not wurde das Psalterium mit eingeschaltetem Verse […] gebetet.» Übersetzung zitiert nach W eissbrodt (1932), S. 226. 134 Beide Kapitel werden mit dem von König Adolf geführten Krieg in Beziehung gesetzt, zu Lib. V.11 s. P reger (1869b), S. 161f., Anm. 5 und (1873), S. 193, Rev. Bd. II.1, S. 268 mit Anm. sowie S pitzlei (1991), S. 22, Anm. 13. - Zu Leg. III.48, s. Rev. Bd. I, S. 217 und A nkermann (1997), S. 26 und 199. 135 Vgl. S tierling (1907), S. 22. 136 Dafür spräche auch die Tatsache, dass eine soror M. bzw. soror Mechtildis in den Offenbarungsschriften der beiden anderen visionär begnadeten Helftaer Mitschwestern gelegentlich auftritt. Allerdings bieten die Texte keinen Anhaltspunkt, der eine zweifelsfreie Identifizierung der in den Helftaer Revelationsschriften genannten Schwester M. bzw. Schwester Mechthild mit der uns bekannten Mechthild von Magdeburg erlauben würde, s. dazu P eters (1988a), S. 122-125. Man muss auch bedenken, dass es im Kloster Helfta eine Reihe von Schwestern mit dem gleichen populären Namen Mechthild gab, s. dazu S trauch (1883), S. 278-280, N eumann (1954b), S. 41, Anm. 43 und A nkermann (1997), S. 37. heimlichen willen nit vollebrahten (FL VI.21: 478,31-33 [VI.21,26-28]). Die Mahnung soll sich nach einhelliger Meinung der Forschung an Papst Gregor X. richten, der nach der jeweils nur dreijährigen Amtszeit seiner Vorgänger Clemens IV. und Urban IV. und nach einer nochmals dreijährigen Sedisvakanz 1271 inthronisiert wurde und immerhin fünf Jahre lang herrschte. 137 Verschwiegen wird allerdings, dass sich weitere vier Päpste mit auffallend kurzer Amtszeit auf Gregor den X. folgten: Innozenz V. (1276), Hadrian V. (1276), Johannes XXI. (1277) und Nikolaus III. (1277-1280). 138 Damit ließe sich aber die Anrede auf einen der Päpste aus der zweiten Hälfte des Jahrzehnts ebenso gut beziehen wie auf Gregor den X. 139 Dass die Forschung diese Möglichkeit nicht in Erwägung gezogen hat, lässt sich wohl mit der zeitlichen Bedrängnis erklären, in die man sonst geraten wäre. Nimmt man nämlich an, dass zu dem Zeitpunkt, als nach der vorherrschenden Meinung der Forschung FL VII.36 entstanden ist (das ist das Jahr 1281), bereits mehr als die Hälfte des siebten Buches vorlag, so hätte Mechthild die ersten 36 Kapitel des siebten und die zweite Hälfte des sechsten Buches in fünf (von Innozenz V. an gerechnet), möglicherweise auch nur in zwei Jahren (von Nikolaus III. an gezählt) fertig stellen müssen. Dagegen musste sie bei einem präsupponierten Beginn der Arbeit am sechsten Buch um 1260 (s. dazu weiter unten) mehr als 15 Jahre für die Abfassung von nur zwanzig Kapiteln (des sechsten Buches) gebraucht haben. Die Datierung von FL VI.21 auf die zweite Hälfte oder sogar das Ende der siebziger Jahre scheint deshalb nicht in Betracht gezogen worden zu sein, weil sie (1) mit der Vorstellung einer kontinuierlichen Schreibtätigkeit, aus welcher in regelmäßigen Zeitabständen neue Kapitel hervorgegangen sind, nur schwer vereinbar gewesen wäre, 140 und (2) weil ein späterer Abfassungszeitpunkt als die Amtszeit Papst Gregors X. Zweifel an der Datierung des Todesjahres auf 1282 nach sich gezogen hätte. 141 Wie man das Kapitel auch datieren mag, es 132 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 137 Vgl. P reger (1874), S. 99 und 100, Anm. 1, H auck (1911), S. 195 und N eumann (1954b), S. 49. 138 Vgl. die entsprechenden Einträge in: BBKL, 19 Bde, Hamm 1975-2001. 139 M. S chmidt (1955), S. 438, Anm. 149 und (1995), S. 393, Anm. 254 datiert das Kapitel (unmotiviert) in die Zeit des Nikolaus III. 140 Wie schwer man sich damit tut, einen so großen Zeitraum für die Abfassung von nur einigen wenigen Kapiteln zu veranschlagen, sieht man daran, dass selbst bei dem jetzt gültigen Datierungsansatz eine Erklärung gefunden werden musste, warum Mechthild mehr als 10 Jahre gebraucht hat, um knapp zwanzig Kapitel aufs Pergament zu bringen. So haben B ecker (1951), S. 204 und N eumann (1954b), S. 72-75 durch eine methodisch bedenkliche referenzialisierende Lesart aus den Anfangskapiteln des sechsten Buches herauslesen wollen, dass Mechthild in den sechziger Jahren wegen Krankheit und Anfechtung seitens des Magdeburger Klerus in die Obhut ihrer Familie zurückgekehrt sei, was mit der Unterbrechung der Schreibtätigkeit einherging, s. dazu auch S. 61f. oben. 141 Es dürfte wohl kein Zufall sein, dass sich ausgerechnet M. S chmidt für die Spätdatierung von FL VI.21 ausspricht (s. Anm. 139 oben), zählt sie doch zu denjenigen, die Mechthilds Todesjahr nach 1294 setzen wollen (s. Anm. 131 oben). steht fest, dass sowohl in dem einen als auch in dem anderen Fall außer dem siebten das Großteil des sechsten Buches entstehungsgeschichtlich nach Helfta hätte lokalisiert werden müssen 142 - dies allerdings nur unter der Bedingung, dass Mechthild tatsächlich um 1270 in das Zisterzienserinnenkloster eingetreten war. Das können wir jedoch nicht wissen, denn die Berechnung des Sterbejahres, das als Referenzpunkt der zwölf nach dem LD-Prolog in Helfta verbrachten Jahre dient, ist mit erheblichen Unsicherheiten belastet (s.o.). Zudem gründen die Berechnungen auf der Prämisse, dass das Schreiben ein Unterfangen war, das prozessual erfolgte und in seiner genetischen Reihenfolge weitgehend unangetastet blieb. Diese Prämisse bestimmt auch den Umgang der Forschung mit anderen, wegen zeitgeschichtlicher Anspielungen relativ sicher datierbaren Kapiteln. Dazu folgende Hinweise: FL IV.27 kam bei der Berechnung des Geburtsjahres von Mechthild und ihrer vermeintlichen Flucht in die Beguinage eine Zeit lang eine Schlüsselfunktion zu. So rekurrierte P reger auf FL IV.27, um die in FL IV.2 genannten, scheinbar ‹autobiographischen› Angaben in Hinblick auf Mechthilds Curriculum zum Sprechen zu bringen. 143 Er weist darauf hin, dass Mechthild den in FL IV.2 enthaltenen Rückblick auf ihr Leben als 43jährige verfasst habe, bekennt sie doch selbst: Ich unwirdigú súnderin wart gegr u sset von dem heligen geiste in minem zw o lften jare […] Der vil liebe gr v s was alle tage und machte mir minnenklich leit aller welte s u ssekeit und er wahset noch alle tage. Dis geschach úber eins und drissig jar (FL IV.2: 228,21-27 [IV.2,8-13]). Bei der Berechnung des Geburtsjahres von Mechthild stellte sich nun die Frage nach der Datierung von FL IV.2. In diesem Zusammenhang kommt P reger auf FL IV.27 zu sprechen, das die Jahreszahl Anno domini M°CC°LVI° als Marginalie und eine Anspielung auf die Anfechtungen bietet, die der Dominikanerorden durch «falsche Meister» (FL IV.27: 298,17f. [IV.27,3]) erdulden musste. P reger ist der Ansicht, hier handle es sich nicht um eine Anspielung aus zeitlicher Ferne auf den von Wilhelm von St. Amour initiierten Kampf der Pariser Magister gegen die Mendikanten, sondern das Kapitel selbst datiere ins Jahr 1256. Von FL IV.27 zurückgerechnet kann P reger die Entstehungszeit von FL IV.2 bestimmen, wobei er von der Annahme ausgeht, das zweite Kapitel des vierten Buches könne «wohl kaum mehr als 1-2 Jahre zurück[liegen], ist also um 1255 geschrieben.» 144 Weil Mechthild nach eigenem Bekunden zum Zeitpunkt der Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 133 142 Obwohl N eumann (1954b), S. 50 in seiner Akademie-Abhandlung die Entstehung des sechsten Buches zwischen 1260 und ca. 1275 datiert hat, d.h. in die Zeit nach 1270, dem vermeintlichen Datum des Eintritts von Mechthild ins Kloster Helfta, wird allgemein nur das siebte Buch mit Helfta in Verbindung gebracht (vgl. etwa R uh 1993, S. 249 oder L anger 2004, S. 234). Dies lässt sich mit dem 2 VL-Artikel von N eumann erklären, worin das sechste Buch überraschend präzise auf die Jahre «zw. 1260-1270/ 71» datiert wird, vgl. N eumann (1987a), Sp. 262. Anders P reger (1873), S. 95 und B ecker (1951), S. 204: Sie wollen die Entstehung der letzten beiden Bücher in Helfta verorten. 143 Vgl. P reger (1873), S. 202 und (1874), S. 91, Anm. 1. 144 P reger (1873), S. 202 bzw. (1874), S. 94. Abfassung von FL IV.2 dreiundvierzig Jahre alt war, muss sie, so P reger , um 1212 geboren sein. In der weiteren Forschung spielte FL IV.27 keine Rolle mehr, wenn es darum ging, Mechthilds Geburtsjahr zu ermitteln. Es bestand nicht mehr die Notwendigkeit, FL IV.2 zu datieren, wusste man doch aus dem lateinischdeutschen Vorbericht, dass Mechthild 1250 mit dem Schreiben angefangen hat. Nun rechnete man unter Berücksichtigung der in FL IV.2 figurierenden Jahresangaben von 1250 zurück und gab 1207 als Mechthilds Geburtsjahr an . Die Berechtigung einer solchen Vorgehensweise ist mehr als zweifelhaft, zeigt doch gerade FL IV.2 «die prägnanten Spuren einer in der Vitenliteratur des 13. Jhs. gängigen, geradezu idealtypischen vita religiosa,» 145 die sich aus hagiographischen Versatzstücken, wie die Unwissenheit des Kindes, frühe religiöse Erfahrungen, der freiwillige Verzicht auf ein angenehmes Leben im Elternhaus, die Abkehr von Verwandten und Freunden (das vielzitierte ‹Flucht›-Motiv! ) 146 und der Rückzug aus der Welt, zusammensetzt. Die viel beachteten, scheinbar autobiographischen Aussagen zum Lebenswandel der Protagonistin stehen demnach nicht für sich, sondern haben einen semantischen Mehrwert. Auch die Zahlen scheinen nicht zufällig gewählt worden zu sein. 147 Die Zahl zwölf, die im ›Fließenden Licht‹ das Lebensjahr angibt, in dem der Visionärin ihr erstes Gotteserlebnis zuteil geworden sein soll, erinnert nicht nur an eine Episode aus dem Leben Christi (der zwölfjährige Jesus im Tempel, vgl. Lc 2,41ff.), 148 sondern sie taucht auch in anderen Texten der mystischen Literatur auf. Mechthilds Magdeburger (? ) Zeitgenossin Margareta contracta soll sich nach dem Bekunden des Hagiographen ihrer Auserwähltheit erst bewusst geworden sein, als sie das «Alter der Unterscheidung» (annus discretionis), d.i. das 12. Lebensjahr, erreicht hat. 149 Berthold von Bombach berichtet in der von ihm um 1350 verfassten Vita der Luitgart von Wittichen, Luitgard hätte in ihrem zwölften Lebensjahr beschlossen, ihre Familie zu verlassen und ein geistliches Leben - sei es als Begine oder als Klosterfrau - zu führen. 150 Hinzuweisen wäre auch auf Magdalena von Freiburg: Ihr sollen besondere Gnadenerweise zuteil geworden sein, als sie 12 Jahre alt wurde. 151 Es scheint, als markiere das zwölfte Lebensjahr eine entscheidende Phase im spirituellen Reifeprozess des geistlichen Menschen, einen Zeitpunkt, an dem sich eine besondere Affinität für religiöse Fragen bzw. eine religiöse Lebensführung entwickelt. 152 Vorsicht ist auch im Umgang mit der Zahl 31 geboten: 134 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 145 P eters (1988a), S. 57. 146 Soweit ich sehe, zuerst bei N eumann (1965), S. 231 belegt und mit dem 2 VL-Artikel zu Mechthild (1987a, Sp. 260) in den wissenschaftlichen Diskurs eingeschrieben. 147 Das betonen auch A ndersen (2000), S. 48 und S eelhorst (2003), S. 84, Anm. 3. Nichtsdestoweniger wiederholt zumindest A ndersen ebd., S. 46 das von N eumann vor allem anhand von FL IV.2 erschlossene und mit Zahlen gefestigte Curriculum Mechthilds. 148 Darauf weist K emper (1979), S. 113f., Anm. 26 hin. Dass im ›Fließenden Licht‹ ein Bewusstsein für den symbolischen Mehrwert von Zahlen vorhanden ist, belegt beispielsweise FL IV.27: 304,2-14 (IV.27,69-79). 149 Vgl. P.-G. S chmidt (1992), S. 3. 150 Vgl. J ust (2000), S. 76. 151 Vgl. S chleussner (1907), S. 27 und G orelli (1997), S. 25 und 30f. 152 Das wird auch von der ›Legende vom zwölfjährigen Mönchlein‹ nahegelegt, s. den Text in: B oor (1965), S. 351-355, hier S. 351, Z. 44ff. Dazu R uh (1999b), Sp. 1650. Bedenkt man, dass FL IV.2 im Grunde darauf abzielt, darzulegen, wie und wann es zur Abfassung des b v ches kam, so erweckt die Zeitangabe am Anfang des Kapitels den Eindruck, als hätte Mechthild erst nach mehr als 31 Jahren Zurückgezogenheit gewagt, an die literarische Öffentlichkeit zu treten. 153 Modellgebend könnte wiederum das Leben Christi gewesen sein, wonach sich Jesus erst im Alter von 30 Jahren dem Volk offenbarte (vgl. Lc 3,23). 154 Dass wir hier womöglich mit einem etablierten Modell der Selbststilisierung zu tun haben, kann am ›Liber‹ Mechthilds von Hackeborn abgelesen werden. Denn wie der Herr erst nach 30 Jahren Anonymität vor die Öffentlichkeit des Volkes trat, so soll auch Mechthild ihr Schweigen erst nach dreißig Jahren aufgegeben und ihre Offenbarungen den Helftaer Mitschwestern mitgeteilt haben (vgl. Rev. Bd. II.1, Lib. I.1, S. 6). Ähnliches wird auch über Christine Ebner berichtet, deren erstmals öffentlich gewordene Entrücktheit nach den Angaben der Gnadenvita in ihr 30. Lebensjahr zu datieren ist. 155 Unabhängig davon, ob Mechthild nun 1212 oder 1207 geboren wurde, ist für mich die Frage entscheidend, wie die spätere Forschung über die Datierung von FL IV.27 gedacht hat. P reger war, wie gesagt, der Meinung, das Kapitel noch ins Jahr 1256 datieren zu können. Zur Begründung verwies er zum einen auf die Marginalie Anno domini M°CC°LVI°, zum anderen auf Mechthilds Bitte um die Wiederherstellung der Ehre des Predigerordens, die seiner Ansicht nach nicht den Eindruck erwecke, als hätte sie die am 5. Oktober 1256 gefallene Entscheidung des Papstes für die Angefochtenen gekannt. 156 An dieser Datierung knüpfte die spätere Forschung an. So lässt N eumann Mechthild an der Seite führender Dominikanertheologen, wie Albertus Magnus und Thomas von Aquin, in den Pariser Gelehrtenstreit eingreifen. In diesem Streit soll Mechthild die von Wilhelm von St. Amour in seinem ›Tractatus brevis de periculis novissimorum temporum‹ im Rückgriff auf joachimistisches Gedankengut entwickelten Argumente gegen die Mendikanten als endzeitliche pseudosive falsi prophetae und seductores periculosi im Vorspann des Antichrist aufgegriffen und richtig gestellt haben, indem sie, anders als Wilhelm, die von Joachim von Fiore angekündigten viri spirituales nicht einfach mit den Mendikanten gleichsetzt, sondern auf einen idealen endzeitlichen Orden bezieht, der im ›Fließenden Licht‹ allerdings unübersehbar dominikanisch geprägt ist. Diese ‹Erwiderung› soll Mechthild kurz nach dem Bekanntwerden der Schmähschrift von Wilhelm, d.h. nach März 1255, aller Wahrscheinlichkeit nach in der zweiten Hälfte desselben Jahres verfasst haben, denn sie lässt, so N eumann mit P reger (s. o.), nicht erkennen, dass Mechthild den päpstlichen Entschluss von 1256 kannte. 157 Zwar ist N eumann s Beobachtung, FL IV.27 stelle einen Gegen- Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 135 153 Vgl. V ollmann- P rofe (1994), S. 153: «Wenn die Autorin von sich sagt, daß sie vor dem Beginn der Schreibarbeit der einvaltigosten menschen eines (IV 2,5) war, so gilt dies ganz speziell auch für ihre mangelnde Erfahrung mit ‹literarischer Öffentlichkeit.›» 154 Vgl. K emper (1979), S. 113f., Anm. 26. 155 Vgl. B ürkle (1999), S. 291. 156 Vgl. P reger (1873), S. 202. 157 Vgl. N eumann (1954b), S. 53. entwurf zu Wilhelms ›Tractatus‹ dar, sehr ansprechend, man sollte jedoch diesen Befund für die Datierung des Kapitels nicht strapazieren. Das Einzige, was sich mit Sicherheit sagen lässt, ist, dass sich FL IV.27 auf Ereignisse bezieht, die sich in den Jahren 1255/ 56 abspielten. Die Ansicht, dass auch die Aufzeichnung in diese Zeit fällt und dass die Angabe Anno domini M°CC°LVI° in der Marginalie die Entstehungszeit des Kapitels meint, muss hingegen eine Vermutung bleiben. Zwingend ist sie nicht. 158 Das nächste Textstück, das sich zumindest im Sinne eines terminus post quem datieren lässt, ist FL V.34. Laut Überschrift handelt das Kapitel von fúnfleien núwen heligen. Genannt werden Elisabeth von Thüringen, Dominikus, Franziskus, Petrus Martyr und Jutta von Sangerhausen. Von der letztgenannten «neuen Heiligen» behauptet Gott: Swester Jutte von Sangerhusen, die han ich den heidenen gesant ze botten mit irme heligen gebette und mit irme g v ten bilde (FL V.34: 406,7-9 [V.34,38-40]). Dieser Bericht wird in der ›Lux divinitatis‹ - historisch durchaus präzise und nicht etwa im Sinne einer scheinbar «lebensweltlich-biographischen Konkretisierung» 159 - mit weiteren Details ergänzt: Eo tempore quo gens trachtarorum per mundum crassabatur et multos occiderent . dixit dominus ad me . Sororem iuctam de sancherhusen viduam . piam et deuotam misi in exilium ad gentiles . ut suis oracionibus eos adiuuet et conuertat et exemplis bonis prouocet et annunciet nomen meum (LD II.18,2-5/ Rev. Bd. II.2, S. 496,4-10, LG II.18,3-8: In der selbigen zeytt do das volck tractatorum also genant durch die welt lieff vnd vil todet sprach der herr zú mir · Sye schwester lúcta von Sangerhusen ein witwe gütig vnd andechtig hab ich gesendet in das ellend zu den heiden das sy mit yrem gebett ynen húlff · vnd bekere vnd berúefft mit gúetem exempell · vnd verkúndet meinen namen). Für die Datierung von FL V.34 erwies sich die Frage, ob Mechthild Jutta für eine noch lebende oder eine bereits verstorbene Person hält, von besonderer Bedeutung. Berichte über das Leben von Jutta findet man bis auf FL V.34, das die älteste Überlieferung über Jutta aus dem Mittelalter darstellt, 160 nur noch in neuzeitlichen Quellen, allen voran in dem anlässlich der Kanonisationsversuche von 1637 erstellten und in polnischer Sprache abgefassten ›Wundersamen Beispiel christlicher Vollkommenheit. Das höchst vorbildliche Leben der Heiligen Jutta 136 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 158 Ähnlich H auck (1911), S. 194. S. auch V erlaguet (2005), S. 10: «La note en marge peut correspondre à une datation du conflit et non de l’écriture du chapitre.» 159 P eters (1988a), S. 121. 160 Ein beiläufiger Hinweis auf einen lokalen Jutta-Kult, den es Anfang des 15. Jahrhunderts gegeben haben muss, findet sich in der 1521 anhand von älteren Vorlagen zusammengestellten Kanonisationsakte, dem so genannten ›Processus in causa canonisacionis‹ der 1394 verstorbenen Dorothea von Montau, vgl. S tachnik (1978), S. 27f., abgedruckt auch bei H irsch (1863), S. 375. Dies findet seine Bestätigung in einem Hymnus, der in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden ist und für die Liturgie des Jutta- Festes am 5. Mai bestimmt gewesen sein dürfte (Textabdruck bei W estpfahl 1938, S. 545-547). Zu Jutta s. zuletzt R öckelein (2006) und N emes (2009a). einer Deutschen‹ (Thorn 1638) des Krakauer Moraltheologen und Jesuiten Frideric Schembek die Rede. 161 Diesen Berichten zufolge hat die Witwe Jutta die letzten vier Jahre ihres Lebens als Eremitin im Deutschordensland Preußen nahe des Kulmer See verbracht. 162 In der Frage, auf welchen Zeitraum diese vier Jahre zu beziehen sind, gehen die Quellen allerdings auseinander. Die ausführlichste Lebensbeschreibung, das genannte Werk von Schembek, datiert Juttas Tod auf das Jahr 1264, jüngere chronikalische Quellen dagegen auf 1260. Während sich H auck in der Frage, ob die Abfassung von FL V.34 in die Lebzeiten von Jutta fällt, aufgrund der Unsicherheiten, die die Quellen mit Blick auf die zeitliche Fixierung von Juttas Preußen-Aufenthalt bereiten, nicht festlegen wollte und nur eine Datierung nach 1253 (das Kanonisationsjahr des nördlich der Alpen zuerst im ›Fließenden Licht‹ genannten Petrus Martyr 163 ) akzeptierte, 164 plädiert N eumann mit Hinweis auf die für die Jutta-Forschung grundlegende Arbeit von H ans W estpfahl dafür, 165 das Kapitel auf die Jahre zwischen 1256 und 1260 zu setzen. 166 Für die Datierung von FL V.34 zu Juttas Lebzeiten waren für N eumann folgende Beobachtungen ausschlaggebend: Er weist darauf hin, dass Jutta im deutschen Text nur als swester angeredet wird, während die erst sekundär entstandene Kapitelüberschrift wie deren lateinische Übersetzung sie als eine Heilige vorstellen. 167 Zudem sei Jutta unter den fünf in FL V.34 genannten ‹neuen Heiligen› die einzige, die nicht kanonisiert wurde. Dies alles soll nach N eumann dafür sprechen, dass Jutta für Mechthild anders als für den Verfasser der Kapitelüberschrift und den lateinischen Übersetzer keine Verstorbene, sondern eine noch lebende Gottesbotin war, 168 da sie damals (zur Zeit der Abfassung des Kapitels, d.h. vor 1260) noch nicht als Heilige bezeichnet werden konnte. 169 Auf dieser Grundlage zu argumentieren, erscheint mir unzulässig, vor allem wenn man bedenkt, dass auch die ›Lux divinitatis‹ in der Übersetzung von Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 137 161 Das Quellenmaterial ist abgedruckt und übersetzt G erlinghoff (2006). 162 Die Identifizierung der im ›Fließenden Licht‹ genannten Jutta mit der gleichnamigen Äbtissin des Magdeburger Zisterzienserinnenklosters St. Agnes (gestorben 1270) durch M one (1867), S. 31 und K arl J anicke , in: Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg 2 (1867), S. 339-341, hier S. 340, Anm. 1 ist ein Irrtum. S. dazu P reger (1869b), S. 156f. und (1874), S. 96. 163 Zu Petrus s. D ondaine (1953), V auchez (1986) und W illiams -K rapp (1998), S. 155f. 164 Vgl. H auck (1911), S. 194. Ähnlich M. S chmidt (1955), S. 436, Anm. 140 und (1995), S. 390, Anm. 231. 165 W estpfahl (1938), S. 534, 542f. und 556. Zusammenfassend in: DS 8 (1974), Sp. 1648- 1649. 166 Vgl. N eumann (1954b), S. 50-52. 167 Vgl. Überschrift von LD II.18 (Rev. Bd. II.2, S. 496), wo sie soror iucta sancta genannt wird. 168 Vgl. N eumann (1954b), S. 51. Ähnlich B oehmer (1871), S. 104, Anm. 7, P reger (1874), S. 96, Anm. 1, A ncelet -H ustache (1926), S. 263, Anm. 1 (A ncelet -H ustache datiert allerdings mit Schembek Juttas Tod auf 1264) und W estpfahl (1938), S. 519. 169 Vgl. N eumann (1954b), S. 52. FL V.34: 406,7-9 (V.34,38-40) es unterlässt, Jutta als eine Heilige zur Geltung zu bringen (Zitat s.o.). Wüsste man nicht, dass die lateinische Übersetzung erst einige Zeit nach Juttas Tod entstanden ist, müsste man der N eumann schen Argumentation folgend annehmen, dass auch sie Juttas als einer noch lebenden Person gedenkt. Auch auf die Beweiskraft der Überschriften des deutschen und des lateinischen Textes ist wenig Verlass. Dass hier Jutta heilig genannt wird, muss nicht heißen, dass sie für den Verfasser der Überschriften als Verstorbene gilt, konnte doch eine noch lebende, im Rufe der Heiligkeit stehende Person auch ohne formelle Kanonisierung als heilig apostrophiert werden. 170 Auch die in der ›Lux divinitatis‹ erwähnte Bedrohung durch die Tataren hilft nicht weiter. Wohl ist das anzitierte Ereignis historisch wahr, es lässt sich jedoch nicht genau datieren, weil es in der Region, wo Jutta lebte, und zu der Zeit, als das ›Fließende Licht‹ entstanden ist (2. Hälfte des 13. Jahrhunderts) immer wieder zu Tatareneinfällen kam. 171 In welchem Jahr der sich in FL V.34 befindliche Bericht über Jutta abgefasst wurde, muss demnach offen bleiben. 172 Bei Mechthilds Lokalisierung in Magdeburg spielten die Kapitel FL VI.2 und 3 eine wichtige Rolle. Der Movens des Sprechens in FL VI.2 ist die An- 138 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 170 Vgl. W illiams -K rapp (2002), S. 208. 171 Vgl. A ltaner (1924), S. 118. Bemerkenswert ist, dass sich die Kreuzprediger aus den Reihen der Dominikaner rekrutierten (s. dazu ebd., S. 160-181). Daher fragt man sich, ob die Nachricht über Jutta im ›Fließenden Licht‹ der dominikanischen Vermittlung zu verdanken ist. Dieser Gedanke drängt sich umso mehr auf, als in mehreren neuzeitlichen Quellen berichtet wird, Bischof Heidenreich hätte Jutta das Viaticum gereicht. Heidenreich (gestorben 1263 oder 1264) aber war ein Dominikaner, Angehöriger des Leipziger Konvents und der erste Bischof von Kulm, vgl. K aeppeli (1960) und A rnold (1981). 172 Einen Anhaltspunkt für die Datierung von FL V.34 könnte möglicherweise die ›Legenda aurea‹ des Jacobus a Voragine liefern, die dank einer «verordnete[n] Rezeption» (so F leith 1991, S. 429) bald nach ihrer Entstehung in den fünfziger Jahren des 13. Jahrhunderts im Dominikanerorden, dem das ›Fließende Licht‹ entstehungsgeschichtlich nahe steht (vgl. S. 239f und 300ff. weiter unten), über das Schulsystem weiträumig verbreitet wurde (zum Magdeburger Hausstudium der Dominikaner s. P ätzold 2001). Auffällig ist, dass vier von den fünf in FL V.34 genannten núwen heligen (exklusive Jutta von Sangerhausen) auch in der Legendensammlung des Jacobus auftauchen, und zwar als ‹Neuzugang› in der communio sanctorum. Zudem fällt auf, dass die von Jacobus im Zusammenhang mit Dominikus’ Plänen zur Gründung eines Ordens erzählte Traumvision Innocenz des III. von der einsturzgefährdeten Laterankirche auch in FL V.34: 406,10f. (V.34,41f.) aufgegriffen wird (allerdings findet sich diese Geschichte auch in der Vorlage des Jacobus, der im Jahre 1260 vom Generalkapitel der Dominikaner approbierten Dominikus-Vita des Humbert von Romans, der in diesem Punkt wiederum der 1246-1247 entstandenen Dominikus-Vita des Konstantin von Orvieto verpflichtet ist, s. dazu S chürer 2002, S. 363, Anm. 91): Die Vision wird anlässlich der Vorstellung eines sechsten ‹neuen› Heiligen, des ›Fließenden Lichts‹ selbst, eingeführt. Außerdem sei auf die Apostrophierung des Petrus Martyr als der núwe marterer (FL V.34: 404,13 [V.34,14]) hingewiesen, denn auch Jacobus nennt ihn nouus martyr, vgl. M aggioni (1998), LXI.7, S. 421: Petrus nouus martyr de ordine predicatorum, ähnlich LD II.17,2 (Rev. Bd. II.2, S. 495,14): Sanctus petrus de ordine predicatorum nouus martyr. frage eine[s] herren an die Ich-Sprecherin, Gott möge ihm kundtun, wie er sich halten sol (Überschrift). Zwar wird sein Verlangen nach diem u tigem lebenne von Gott bestätigt, ihm aber auch auferlegt: doch sol er rehte beliben da er ist (FL VI.2: 432,14 [VI.2,12]). Daraufhin werden die regele aufgezählt, nach welchen er sein von Askese geprägtes Leben richten soll. Während im Haupttext nur von eine[m] herren die Rede ist, identifiziert ihn die Überschrift als kanoniken. Diese Zusatzinformation kann auf das Spezialwissen des Überschriftverfassers zurückgeführt werden, wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie dem nachfolgenden Kapitel entnommen wurde: FL VI.3 sagt, dirre selber herre wäre ze techan erwählt worden (FL VI.3: 436,2 [VI.3,2]). 173 Es liegt nahe, anzunehmen, dass er vorher Domherr gewesen ist, wie es auch die lateinische Übersetzung verdeutlichend ausgedrückt: Iste de quo loquor uenerabilis uir / secundum uoluntatem dei electus est a concanonicis in decanum (LD III.2, 1f./ Rev. Bd. II.2, S. 521). FL VI.3 informiert uns nicht nur über die geistliche Würde dieses herren, sondern gibt auch seinen Namen preis: her Dietrich. Dass Dietrich Dekan in Magdeburg war, erfahren wir aus der lateinischen Übersetzung, die ihn als dominus Th. venerabili magdeburgensis ecclesie decanus vorstellt (LD III.1,1/ Rev. Bd. II.2, S. 519). Ähnliches bietet eine Marginalie in E: De predicto canonico de Megdeburg. Der in FL VI.2 und 3 genannte Dietrich (von Dobin) ist seit 1228 als Domherr in Magdeburg urkundlich erfasst. Als Dekan des Domkapitels ist er zwischen 1262-1269 bezeugt. Diese Funktion dürfte er 1260 oder 1261 übernommen haben. 174 Was die Datierung von FL VI.2 und 3 betrifft, musste von der an der Lebensgeschichte Mechthilds und der Werkgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ interessierten Forschung wieder einmal geklärt werden, ob das hier Gesagte eine noch präzisere Eingrenzung der Entstehungszeit beider Kapitel erlaubt. Im Unterschied zur älteren Forschung, die sich für eine Datierung unmittelbar nach Dietrichs Wahl ausgesprochen hat, 175 rückt H auck die Abfassung beider Kapitel näher an die Zeit um 1270 heran. In der oben zitierten Antwort Gottes, doch sol er [Dietrich] rehte beliben da er ist, klingen nach H auck Rücktrittsgedanken an, die unmittelbar nach seiner Wahl zum Dekan «schwer erklärlich» seien: «Sie sind erst verständlich, nachdem Dietrich eine Zeitlang die Last des Dekanats getragen hatte.» 176 In Abgrenzung zu H auck rekurriert N eumann auf den älteren Datierungsansatz mit dem Hinweis, beide Kapitel müssten vor dem Hintergrund den Amtsantritts von Dietrich sowie eschatologischer Vorstellungen um 1260 gelesen werden. 177 Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 139 173 Dass der herre in FL VI.2 eine Person geistlichen Standes war, könnte auch folgende Zeile nahe gelegt haben: Er sol betten iemer alsemer als ane underlas nach pf a flicher ordenunge (FL VI.2: 432,16f. [VI.2,13f.]). 174 Archivalische Informationen zu Dietrich (von Dobin) findet man bei N eumann (1954b), S. 46f. und bei W entz / S chwineköper (1972), S. 345-346 und 417. 175 Vgl. B oehmer (1871), S. 104, Anm. 8 und M ichael (1901), S. 180. 176 H auck (1911), S. 195. 177 Vgl. N eumann (1954b), S. 47f. Inwieweit Dietrichs asketische Haltung mit dem erwarteten Einbruch des joachimitischen Geisteszeitalters zu erklären ist, steht hier nicht zur Diskussion. 178 Problematisch scheint mir wieder, dass die vom Text gebotenen Indizien für eine solch präzise Datierung, wie sie von N eumann angestrebt wird, eigentlich nicht ausreichen. Man vermisst beispielsweise eine temporale Angabe, die den zeitlichen Bezug auf die angeblich kurz vor der Abfassung des Kapitels erfolgte Dekanatswahl unüberhörbar herausstellt. Wie temporale Adverbien zur Verdeutlichung der Schreibbzw. Sprechsituation eingesetzt werden, lässt sich an FL VII.41 zeigen. Hier wird berichtet: Ich bekante vor vierzig jaren einen geistlichen man; dennoch warent geistliche lúte einvaltig und minnenvúrig (FL VII.41: 612,4f. [VII.41,2f.]). Wenige Zeilen später stellt ein temporales Adverb die Verbindung zur aktuellen Redesituation her: Der ist nu hinnan gevaren. 179 Selbst wenn wir Näheres über diesen geistlichen man in Erfahrung bringen könnten - die Überschrift verrät lediglich, dass es sich um einen predierbr v der handelt -, müssten wir auf jeden Datierungsvorschlag äußerst zurückhaltend reagieren. 180 Denn wer kann mit Sicherheit behaupten, dass zwischen einer Vision bzw. Fürbitte wie in FL VI.2 und 3 vorgetragen und ihrer tatsächlichen Niederschrift unter Umständen nicht Jahre vergehen? Diese Frage hat sich für die ältere Forschung gar nicht erst gestellt, war sie doch davon überzeugt, dass Erfahrungen im ›Fließenden Licht‹ unmittelbar in Sprache bzw. Schrift übergehen. N eumann versucht, die Datierung von FL VI.2 und 3 auf die Jahre 1260/ 61 durch den Hinweis auf das nachfolgende Kapitel FL VI.4 zusätzlich zu stützen. Ein Ich - es wird in der ›Lux divinitatis‹ durch die Inquit-Formel Cvm senuisset soror M. dixit zu Mechthild personalisiert (LD VI.18,2/ Rev. Bd. II.2, S. 637) - beklagt Gott, das ich nu arger bin denne ich was vor drissig jaren, wan die creaturen, die mir da hulfen tragen min ellende, die d o rften nit also edel sin, sol der arme lip genesen (FL VI.4: 436,22-25 [VI.4,3-5]). 181 N eumann bezieht diese Zeilen kurzerhand auf Mechthilds Eintritt ins Magdeburger Beginenleben, 140 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 178 Eine solche Kontextualisierung mag auf FL VI.3 zutreffen, in FL VI.2 scheint es mir jedoch eher darum zu gehen, die allzu einseitige Neigung des Domherren ze diem u tigen leben auszubalancieren, indem darauf hingewiesen wird, dass Amt und Charisma einander nicht notwendig widersprechen müssen. Implizit geht es hier also um das rechte Verhältnis von contemplatio zu actio. Dass actio - sie umfasst im Falle von Dietrich amtsbedingte Verpflichtungen wie die innere Aufsicht und Disziplinargewalt über die Kapitelsangehörigen sowie gottesdienstliche Obliegenheiten, s. S chwineköper (1968) S. 101 - oft als störend empfunden wurde, zeigen die Schwesternviten des 14. Jahrhunderts, s. dazu L anger (1987), S. 124-127. 179 Vgl. auch FL VI.7: 446,14 (VI.7,33). 180 N eumann (1954b), S. 46 tut gut daran einzuräumen, die Zahlenangabe in FL VII.41 müsse für die absolute Chronologie des siebten Buches unergiebig bleiben. 181 V ollmann- P rofe (2003), S. 436,25 zufolge fehlt dem Text ein Vergleichsglied (nach sin). Sie ergänzt ihn im Sinne von LD VI.18,3 (Rev. Bd. II.2, S. 637, nunc autem […] necesse est) mit also die nu m u ssent sin, s. dazu auch das Kommentar von V ollmann- P rofe auf S. 814 und Kap. I.2 (S. 61) dieser Arbeit. dessen Datum er anhand des ‹autobiographischen› Kapitels FL IV.2 auf 1230 wie folgt berechnet: In FL IV.2 berichtet die Ich-Sprecherin, sie hätte ihren magen und fr o mden frúnden den Rücken gekehrt und wäre dur gotz liebi in ein stat gefahren, um sich einem Leben in smacheit und luter gotz liebi widmen zu können (vgl. FL IV.2: 230,2-7 [IV.2,18-21]). Im weiteren Verlauf des Kapitels ist von Anfechtungen des Leibes die Rede, denen die Ich-Sprecherin ausgesetzt gewesen sein soll, als sie z v geistlichem leben kam und z v der welte urlop nam (FL IV.2: 234,37f. [IV.2,103]). Diese Anfechtungen sollen bi zwenzig jaren gedauert haben (FL IV.2: 236,13 [IV.2,113]). N eumann bringt beide Stellen miteinander in Beziehung und schließt anhand der im lateinisch-deutschen Vorbericht mitgeteilten Jahreszahl auf 1230 als das Jahr, als sich Mechthild für ein geistliches Leben in Armut und Entsagung entschieden hat. 182 Demnach bestätigt die Angabe vor drissig jaren in FL VI.4, so N eumann , die Einordnung der Eingangspartie des sechsten Buches in die Jahre 1260/ 61. 183 Die Tatsache, dass Mechthild um 1230 in Magdeburg ankam, erschloss sich für N eumann auch aus dem lateinischen Vorbericht zum ›Fließenden Licht‹, demzufolge Mechthild mehr als vierzig Jahre (plus quam XL a annos) den Spuren des Dominikanerordens gefolgt sei. Anders als S tierling , der veranlasst durch die perfektischen Verbformen fuit, sevivit, conscriptus den Standpunkt vertrat, der Prologverfasser gedenke Mechthilds als einer Verstorbenen, 184 bezieht N eumann das im Prolog Gesagte auf einen ganz bestimmten Abschnitt im Leben Mechthilds, und zwar auf die Jahre, als sie als Begine der Aufsicht der Dominikaner, allen voran ihres (angeblichen) Beichtvaters Heinrich von Halle unterstand. Dieser Abschnitt soll die Zeit zwischen 1230-1270 umfasst haben. 185 Dass 1270 den Abschluss einer bestimmten Lebensphase darstellt, schien auch in dem von Mechthilds Sterbejahr (ca. 1282) her errechneten Zeitpunkt des Klostereintritts seine Bestätigung zu finden. Wie spekulationsbelastet die Berechnungen des Sterbejahres und von hier aus die des Klostereintritts sind, haben wir bereits gesehen (s. oben S. 125f.). Auch im Umgang mit den Angaben des Vorberichts ist Vorsicht geboten. Die Zahl vierzig kam bereits H auck eher gerundet als präzise vor. 186 In der Tat handelt es sich um eine symbolisch aufgeladene Zahl. Denke man nur an die vierzig Jahre der peregrinatio des Volkes Israel in der Wüste (Nm 14,29) oder an das Alter vierzig, das als Wendepunkt in der geistig-geistlichen Entwicklung des Menschen galt. 187 Der Vorbericht als Ganzes scheint ferner eine bestimmte Funktion zu erfüllen, die darin besteht, einen bio-bibliographischen Vorspann zum deutschen Text, eine Art von Kurzvita zu Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 141 182 Vgl. N eumann (1954b), S. 54-56. 183 Vgl. N eumann ebd., S. 49. 184 Vgl. S tierling (1907), S. 61. 185 Vgl. N eumann (1954b), S. 33, Anm. 24. Ähnlich S trauch (1883), S. 371f. und B ecker (1951), S. 202f. 186 Vgl. H auck (1911), S. 189. Ähnlich V ollmann- P rofe (1994), S. 147, Anm. 4. 187 S. dazu W eiler (1961), S. 325-331 und R öll (1975). bieten. Dass hier die hagiographische Tradition anzitiert wird, erkennt man an einigen konstitutiven Elementen. Als erstes wäre die genaue Jahreszahl Anno domini M°CC°L zu nennen. Solche Jahreszahlen finden sich auch in den Prologen der aus süddeutschen Dominikanerinnenklöstern stammenden Gnadenleben, so etwa in dem des Friedrich Sunder. Der Prolog zum Gnadenleben des Engelthaler Kaplans beginnt mit einer dem ›Fließenden Licht‹ vergleichbaren genauen Zeitangabe: Anno domini M°ccc°xxv° wonet ain seliger vnd g o tlicher vatter […]. R ingler zufolge ist die Jahreszahl 1325 ohne Begründung gesetzt und bleibt ohne Bedeutung: «Erklärbar ist dies aus der Typik des Prologs: wesentlich ist nicht, welches Datum erscheint, sondern daß eines angegeben wird: dies genügt zur historischen Beglaubigung des Geschehens.» 188 Man ist geneigt, dasselbe auch für das ›Fließende Licht‹ anzunehmen. Dabei ist nicht gänzlich auszuschließen, dass der Prologverfasser das Jahr 1250 sogar aus dem Text selbst abgeleitet hat, indem er ausgehend von den wenigen, anhand von zeitgeschichtlichen Anspielungen mit einiger Sicherheit datierbaren Kapiteln und unter der Annahme eines prozessualen Schreibens - in diesem Verfahren der älteren Forschung durchaus ähnlich - auf den vermeintlichen Beginn der Schreibtätigkeit geschlossen hat. Dies würde die zuerst von H auck , dann aber von P eters geäußerte Annahme bestätigen, der Verfasser des lateinischen Prologs hätte keine eigenständige Kenntnis von Mechthild gehabt, sondern bleibe bei seinen biographischen Informationen bis auf einige konkrete Daten und Angaben zur Lebens- und Werkgeschichte - wobei selbst diese, wie gesagt, zu hinterfragen wären - «innerhalb des Rahmens des von Mechthild vorgegebenen Lebensbildes.» 189 Auch im weiteren Verlauf bestimmen Versatzstücke, die der Hagiographie entstammen, das im Vorbericht gezeichnete Bild der Visionärin. Ihre Charakterisierung als virgo sancta corpore et spiritu ruft nicht nur die paulinische Formel ut sit sancta corpore et spiritu (I Cor 7,34) in Erinnerung, sondern knüpft auch an der aus dem scholastischen und aszetischen Schrifttum bekannte Vorstellung von der doppelten Jungfräulichkeit an. 190 Genauso wenig zu individualisieren (etwa im Sinne der Zugehörigkeit Mechthilds zum zweiten oder dritten Orden der Dominikaner 191 ) ist die Behauptung, sie wäre den Fussstapfen des Predigerordens gefolgt (sequens perfecte vestigia fratrum ordinis predicatorum) und hätte von Tag zu Tag Fortschritte gemacht und sich immer weiter verbessert (de die in diem semper proficiens semper melior se fiebat). Auf diesen im Grunde auf die Frage der Obödienz abzielenden Nachfolgegedanken stößen wir etwa im ›Geistlichen Rosengarten‹, der deutschsprachigen Übersetzung der Vita der Katharina von Siena. Im sechsten Kapitel berichtet der Beichtvater, der Dominikaner Raimund von Capua, Katharina hätte schon als Kind den Dominikanerorden in sol- 142 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 188 R ingler (1980), S. 153. Auf ähnlich präzise Jahresangaben treffen wir auch im Prolog der Gnadenvita der Christine Ebner (vgl. B ürkle 2000, S. 490) und in den Offenbarungen der Margareta Ebner (vgl. dazu B ürkle 2003, S. 90). 189 P eters (1988a), S. 56. Ähnlich bereits P reger (1869b), S. 158 und H auck (1911), S. 189 sowie neulich O rtmann (1992), S. 162 und A ndersen (2000), S. 58 und 129. Vgl. dazu auch S. 285f. und 323ff. weiter unten. 190 S. dazu B ernards (1955), S. 87f. 191 Zur Annahme, Mechthild sei eine Dominikanerin gewesen, s. G reith (1861), S. 53 und M orel (1869), S. XXIII. Für Mechthilds Status als dominikanische Terziarin spricht sich A ncelet -H ustache (1926), S. 55 aus. Dem schließt sich S piess (1935), S. 304 an. chen Ehren gehalten, dass sie, wenn sie die Prediger durch ihre Tür eintreten sah, die Stelle in ihrem Gedächtnis behielt, do ir f u ße gegangen waren. Die kußt es [das Kind Katharina] denn so sy heyn komen. 192 Hier handelt es sich um eine eigenwillige Ausformung des zu einem hagiographischen Topos gewordenen Nachfolgegedankens. 193 Auch das Motiv des geistlichen Fortschritts gehört zum Repertoire der hagiographischen Erzählweise. So fängt die Vita der Katharinentaler Schwester Anna Clara von Hohenberg - sie hat durch den in ihrer Vita dokumentierten Streit um den Kult der beiden Johannes eine gewisse Prominenz in der germanistischen Forschung erlangt 194 - in dem von Johannes Meyer bearbeiteten ›Katharinentaler Schwesternbuch‹ mit der Feststellung an: Dise selige schwester kame in jhrer Jugent jn das Closter st. Catharina thall, nohme in dem orden an jahren vnd thugenten zu. 195 Zu verweisen wäre auch auf den ›Liber‹ Mechthilds von Hackeborn. Hier wird von Mechthild berichtet: Proficiens ergo die in diem, omnium virtutum summam apprehendit etc. (Rev. Bd. II.1, Lib. I.1, S. 6). Auch die Angaben zur Niederschrift, die im lateinischen Vorbericht zum ›Fließenden Licht‹ geschlechtsspezifisch in gottinspirierte Mystikerin und schreibenden Geistlichen ausdifferenziert werden (vgl. liber iste fuit teutonice cuidam begine […] inspiratus, […] conscriptus autem a quodam fratre predicti ordinis [sc. predicatorum]) sind topisch und stellen einen festen Bestandteil von Prologen dar. 196 Vor dem Hintergrund dieser recht unspezifischen Ausführungen zur Lebens- und Werkgeschichte und angesichts solch auffällig ungenauer Angaben wie fere per annos xv, plus quam xl a annos, cuidam begine oder a quodam fratre, die den Vorbericht allgemein charakterisieren, stellt sich die Frage, ob er überhaupt in der zeitlichen und räumlichen Nähe der Textgenese zu verorten ist, ob der Vorbericht also dem Original einer bestimmten Veröffentlichungseinheit (beispielsweise der Bücher I-V, I-VI oder gar I-VII) oder einer bereits in die kopiale Überlieferung eingegangenen Abschrift - welcher Teilveröffentlichung auch immer - gilt. N eumann s Antwort auf diese Frage ist widersprüchlich. Zum einen räumt er mit H auck (s. S. 141, Anm. 186 mit Text) ein, der Vorbericht sei «kaum aus naher Vertrautheit mit den Lebensumständen der Begine geschrieben», wenn er auch «gewiß eine gute Tradition» 197 verwerte. Zum anderen betont er gegen H auck den Zeugniswert des Vorberichts für die Biographie Mechthilds und die Chronologie ihrer Schriften, indem er ihn gegen S tierling (s. S. 141, Anm. 184 mit Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 143 192 Zitiert nach B rakmann (2005), S. 475. 193 Vgl. dazu auch die von Jakob von Vitry in seiner Marie-von-Oignies-Vita erzählte «hübsche Episode» (R uh 1993, S. 87), wonach das Kind Marie - es bewunderte die dem Elternhaus benachbarten Zisterzienser - in die Fussstapfen getreten sei, die die vorübergehenden Mönche auf der Straße zurückgelassen haben. 194 S. dazu H.-J. S chiewer (1993) und demnächst J ochen C onzelmann , Die Johannsen-Devotion im Dominikanerinnenkonvent St. Katharinental bei Dießenhofen. Ein Modellfall für Literaturrezeption und -produktion in oberrheinischen Frauenklöstern zu Beginn des 14. Jahrhunderts? , in: Predigt im Kontext. Internationales Symposium am Fachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin vom 5.-8. Dezember 1996, hg. von V olker M ertens [u.a.], Tübingen: Niemeyer. 195 Vgl. R. M eyer (1995), S. 180. 196 Vgl. R ingler (1980), S. 151 und S. 392,53-59. Die im lateinischen Vorbericht zu E entworfene Figurenkonstellation könnte allerdings für die Textgenese einen modellhaften Charakter haben, vgl. S. 281ff. weiter unten. 197 N eumann (1954b), S. 32. Text) in die Lebzeiten Mechthilds datiert (ca. 1270) und auf die Einheit der Bücher I-V bezieht. Letzteres soll aus dem auf den Vorbericht folgenden Index rerum - hier werden nur Kapitel der ersten fünf Bücher berücksichtigt - sowie aus der Angabe hervorgehen, das vorliegende Buch (liber iste) wäre in den Jahren 1250 bis ungefähr 1265 (fere per annos xv) von Gott cuidam begine eingegeben worden (inspiratus). 198 Sollte dies der Fall sein, so müsste man - denkt man N eumann s Hypothese zu Ende - eigentlich unterstellen, dass sich die Version der Bücher I-V schon zu Mechthilds Lebzeiten in einem Maße aus ihrem Einflussbereich entfernt hat, dass ein an den Lebensbedingungen Mechthilds und den Entstehungsumständen des ›Fließenden Lichts‹ interessierter Kopist nur noch auf die Tradition (N eumann ) bzw. auf den Text (P eters ) angewiesen war, um sich und seine Leser über bio-bibliographische Informationen in Kenntnis zu setzen. Zudem müsste man angesichts der Tatsache, dass wir ja nicht fünf, sondern sieben Bücher überliefert haben, die wir alle Mechthild zuschreiben, annehmen, dass die in die kopiale Überlieferung eingegangene Einheit der Bücher I-V zu einem späteren Zeitpunkt wieder in Mechthilds Besitz gelangt ist, denn nur so konnte sie mit den Büchern VI und VII ergänzt werden. 199 Alternativ wäre zu überlegen, ob der Einheit der Bücher I-V die sich als separate Publikationen in Umlauf gebrachten Bücher VI und VII angefügt wurden. Doch stellt sich die Frage, ob es überhaupt zutrifft, dass der Prolog dem ersten Veröffentlichungsabschnitt, demjenigen der Bücher I-V, gilt. N eumann spricht sich für die Teilpublikation I-V aus, weil er das Zeugnis des Prologs braucht, um den erschlossenen Lebensdaten Mechthilds (Ankunft in Magdeburg um 1230, Eintritt ins Kloster Helfta um 1270) und den errechneten Phasen der Werkgenese (Buch I-V spätestens um 1260, I-VI frühestens um 1271) eine zusätzliche Stütze zu verleihen. Sollte er recht behalten, dann wäre zu erwarten, dass der Vorbericht auch in der nächsten Veröffentlichungsstufe - diesmal in der der Bücher I-VI - auftaucht, in jener Version also, die in ihrer in E überlieferten Form zur Grundlage der lateinischen Übersetzung geworden sein soll. Tatsächlich fehlt der Vorbericht in der ›Lux divinitatis‹, ja nicht einmal einzelne seiner Angaben zur Lebens- und Werkgeschichte fanden in die Übersetzung Eingang. Dies verwundert angesichts des im LD-Prolog dokumentierten bio-bibliographischen Interesses der Übersetzer. Man ist geneigt anzunehmen, dass der lateinische Vorbericht zu dem Zeitpunkt bzw. in der Textversion, nach welcher die Übersetzung angefertigt wurde, nicht enthalten war (wie übrigens auch FL VI.43 nicht, vgl. S. 287f. weiter unten), denn es ist schwer vorstellbar, dass die Übersetzer ihn übergangen hätten. Ist es also berechtigt, den lateinischen Vorbericht mit der aus den ersten fünf Büchern bestehenden Teilpublikation des ›Fließenden Lichts‹ in Verbindung zu bringen? Lässt er sich überhaupt datieren? 200 144 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 198 Vgl. N eumann ebd., S. 33. 199 Ein Beispiel dafür, dass das (in diesem Fall noch unfertige) Manuskript dem Autor schon zu seinen Lebzeiten entzogen (hier: entwendet) werden konnte, liefert die im ›Eneit‹- Roman des Heinrich von Veldeke erzählte Werkgeschichte: Erst als die Handschrift wieder in seinen Besitz zurückgeführt worden war, konnte die Arbeit am Werk - offenbar handelte es beim entwendeten Manuskript um Heinrichs persönliches Arbeitsexemplar - fortgesetzt werden, s. dazu W eicker (2001). Zudem kann bei Autorfassungen vorkommen, dass die spätere Fassung durchaus von einer sekundären Textstufe abgeleitet ist (Paradebeispiel: Goethes ›Werther‹), s. P almer (1983), S. 79. 200 Hier sei darauf hingewiesen, dass N eumann mit der Annahme, der lateinische Vorbericht gelte den Büchern I-V, in Widerspruch zu seinen eigenen Berechnungen der Was man mit einiger Sicherheit feststellen kann, ist die Priorität des lateinischen Vorberichts vor dem deutschen. 201 Dies kann an folgender Stelle abgelesen werden: que [bezogen auf die cuidam begina] in humili simplicitate, in exulari paupertate, in oppresso contemptu, in celesti contemplatione […] servivit. Dieser Passus steht FL III.1: 148,15-17 (III.1,39-41, In der diem u tigen einvaltekeit und in dem ellendigen arm u te und in der verdrukten smacheit hat mir got sinú wunder erz o get) näher als der Übersetzung dieser Stelle in LD II.28,5-7 (et in humili simplicitate . et in exili paupertate / depressaque despectione quo ad deum quo ad creaturas quo ad proximum / ostendit michi deus mira sua, Rev. Bd. II.2, S. 505,4-6, LG II.25,7-9: in meiner einfltigen demútigkeyt vnd ellende armút . vnd nider getrúckt ferachtún . macht mir gott offenbar seine wúnder). 202 Dass hier tatsächlich auf den deutschen Text zurückgegriffen wurde, ist nicht zuletzt der Quellenberufung ut in scriptura ista patet im lateinischen Vorbericht zu entnehmen. 203 Diese Quellenberufung fehlt im deutschen Vorbericht. Auch weicht dieser von dem Wortlaut ab, den FL III.1: 148,15-17 (III.1,39-41) bietet. Man liest hier: Si dienete gotte andehtekliche in dem u tiger einvaltekeit, in ellender arm v t, in himmelschem contemplierende, in verdrukter versmehte. Offensichtlich hat der Übersetzer des Prologs sich nicht der Mühe unterzogen, das markierte Zitat im ›Fließenden Licht‹ nachzuschlagen. Folglich unterschlug er die Quellenberufung und übersetzte dem Wortlaut des lateinischen Vorberichts gemäß, wobei er die Reihenfolge der beiden letzten Glieder der Aufzählung änderte. Das ist indes nicht der einzige Unterschied, der die beiden Vorberichte im Textbestand voneinander trennt. Der deutsche Prolog schließt mit dem Satz Das solt du gel p blich, diem u teklich und andehteklich núnstunt úberlesen. Diese Angabe fehlt an der entsprechenden Stelle des lateinischen Vorberichts, findet sich jedoch am Ende des nachfolgenden Index Rerum: (et de multis inauditis,) que intelliges, si cum credulitate, humilitate et devotione novies perlegeris librum istum. Hic est prophecia de preterito, presenti et futuro. Hic est etiam distinctio trium personarum v° libro xxvi° capitulo. Dass das Buch neunmal gelesen werden muss, wird auch im ersten Prooemium wiederholt, nicht jedoch in seiner lateinischen Übersetzung (vgl. LD Prol. 7,6/ Rev. Bd. II.2, S. 444). N eumann äußert im Anmerkungsband seiner Edition die Vermutung, der Schlusssatz des Prooemiums Alle, die dis b v ch wellen vernemen, die s o llent es ze nún Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 145 Entstehung der ersten Veröffentlichungseinheit gerät: In den im Prolog angegebenen 40 Jahren - diese Angabe wird von N eumann , wie gesagt, auf Mechthilds Magdeburger Zeit (bis 1270) bezogen - sollten demnach die Bücher I-V und nicht, wie von N eumann anderswo behauptet, FL I-VI entstanden sein. 201 Gegen W inter (1870), S. 431. 202 quo ad deum - proximum] steht mit Einweisungszeichen am rechten Rand von Rb fol. 65 rb . Den Passus findet man auch in Ra fol. 127 r am unteren Rand mit Einweisungszeichen nachgetragen, nicht jedoch in Rw (vgl. LG II.25,7-9). Auf eine vergleichbare Glosse stößt man auch im deutschen Überlieferungszweig: E bietet am Rande die Angaben Humilitas ad deum | Paupertas ad creaturas | Paciencia ad proximum. In W (S chleuss ner 1929, S. 177,20-25) stehen diese Randnachträge im Text: Humilitas ad deum. In der demutigen einvalticheit. Paupertas in creaturis uel ad creaturas. In dem elende arm u te. Patientia ad proximum. Und in der fordruchin smacheit hatt got mir sine wndir erzogit. 203 So auch B ecker (1951), S. 189, Anm. 1 gegen S tierling (1907), S. 61. Zur Unterscheidung primärer und sekundärer Textschichten aufgrund der sprachlichen Gestalt von Zitaten s. P almer (1983), S. 79. malen lesen könnte dem lateinischen Vorbericht, genauer dem abschließenden Teil des Index Rerum entnommen worden sein. 204 Diesen auf inauditis folgenden Teil hielt er 1954 für einen jüngeren Nachtrag, da er im Erfurter Registrum des Jakob Volradi, worin auf ein vollständiges Exemplar des ›Fließenden Lichts‹ und eine Exzerpthandschrift der ›Lux divinitatis‹ verwiesen wird, 205 keine Parallele findet. 206 N eumann ist der Ansicht, die Aufforderung zum neunmaligen Lesen dürfte erst im Basler Überlieferungszweig ins Prooemium geraten und von hier (samt anderen Nachträgen) in den Schlussteil des Index Rerum bzw. in den deutschen Vorbericht übernommen worden sein. 207 Wenn dies tatsächlich der Fall ist, dann muss sie anlässlich der Übertragung des ›Fließenden Lichts‹ ins Alemannische oder zumindest kurz danach eingefügt worden sein, denn Heinrich von Nördlingen spielt an einer Stelle seines Briefes an Margareta bzw. den Medinger Konvent darauf an: uberlesent es dri stund, es stat dran IX. 208 Denkbar ist indes auch, dass die Lektüreempfehlung des Prooemiums bereits in der mittelniederdeutschen Vorlage der Basler Übersetzer vorhanden war. Ob sie vor oder nach der Übertragung des ›Fließenden Lichts‹ ins Lateinische hier eingetragen wurde, ist allerdings unklar. Beides ist möglich, wenn man annimmt, dass der ›Lux divinitatis‹ eine Version des deutschen Textes vorgelegen hat, die von E abwich (s. dazu Kap. II.2). Der lateinische Vorbericht ist demnach älter als sein deutsches Pendant. Ausschlaggebend für seine Datierung war der Hinweis et continet multa bona prout in titulis prenotatur. Man hat die Angabe in titulis auf den nachfolgenden Index bezogen, 209 der, wie gesagt, nur Kapitel aus den ersten fünf Büchern verzeichnet und sie - wie die ›Lux divinitatis‹ selbst - nach ihrem dogmatisch-heilsgeschichtlichen Stellenwert ordnet, wobei am Beginn die Trinität, Maria, die Engel und die Heiligen, am Schluss die Endzeit mit dem Antichrist stehen. Dass der Index für die Bücher I-V gilt, wird man mit gutem Recht annehmen dürfen. Ob die Angabe prout in titulis prenotatur zu der gleichen Annahme berechtigt, wird man dagegen bezweifeln dürfen, zumal die deutsche Übersetzung des Vorberichts titulis nicht auf den Index, sondern auf die Register vor den einzelnen Büchern des ›Fließenden Lichts‹ bezieht, wenn er übersetzt: als in den tavelen ist vor gezeichent. 210 Wahrscheinlicher ist jedoch, dass mit titulis die Kapitelüberschrif- 146 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 204 Vgl. N eumann (1993), S. 3, Anm. zu I Prol. 3-6. 205 Vgl. L ehmann (1928), S. 432f. 206 Vgl. N eumann (1954b), S. 32. 207 Vgl. N eumann ebd, S. 34. Ähnlich S trauch (1883), S. 371, Anm. 2 (mit Zuschreibung an Heinrich von Nördlingen), B ecker (1951), S. 198, Anm. 1 und P almer (1992), S. 234, Anm. 54. Die Aufforderung zum neunmaligen Lesen wird in der Forschung immer wieder für Mechthild reklamiert, vgl. etwa S cholz (1980), S. 54f., K asten (1999), S. 19, L ückel (2005), S. 179 und neulich wieder G ottschall (2007), S. 154. 208 S trauch (1882), S. 247,138f. (Brief XLIII). Der Brief datiert auf 1345. Die Lektüreanweisung muss spätestens zu diesem Zeitpunkt vorgelegen haben, betont auch W ebster (2005), S. 176. 209 Vgl. S trauch (1883), S. 372, B ecker (1951), S. 143 und N eumann (1954b), S. 33. 210 Gegen O rtmann (1992), S. 161. Dass tavele mit ‹Register› zu übersetzen ist, kann etwa der Überschrift entnommen werden, mit der Tauler-Predigten in den Handschriften angekündigt werden. So trägt die Handschrift Berlin, SBB-PK, Ms. germ. oct. 68 (ca. 1400) die Überschrift: Dis ist das ander b u chelin des Tauwelers predigen mit einre vorgonden tafeln in der die meynunge vnd der syn einer iegelichen predigen kurtzlich alle vor genemet sint vnd mit der zale gezeichnet. Die selbe zale dar nach an alle bletter einer iegliten des deutschen Textes gemeint sind. 211 Sie sind nicht erst für das Corpus der sieben Bücher angelegt worden, sondern waren bereits in der Vorlage der lateinischen Übersetzung (Buch I-VI) vorhanden. 212 Ihre Existenz kann sogar bis zur Teilveröffentlichung der Bücher I-V zurückverfolgt werden. 213 Selbst wenn man die Angabe prout in titulis prenotatur nicht, wie bis jetzt üblich, auf den Index, sondern auf die Kapitelüberschriften bezöge, gäbe es keinen Anlass zu bezweifeln, dass der lateinische Vorbericht nicht doch für die Veröffentlichungseinheit I-V konzipiert worden ist. Dagegen spricht jedoch sein Fehlen in der lateinischen Übersetzung. Demnach muss er entweder zu einem Zeitpunkt eingefügt worden sein, als die Bücher I-VI zur Übersetzung bereits freigegeben waren, oder anlässlich einer späten Abschrift der Bücher I-VII entstanden sein. Vor dem Hintergrund des Gesagten darf man bezweifeln, dass sich der lateinische Vorbericht dazu eignet, Anhaltspunkte für die Berechnung von Mechthilds Eintritt ins Kloster Helfta und ihrer Ankunft in Magdeburg zu liefern. Wie steht es nun aber mit dem Zeugnis von FL VI.4, in dem N eumann die Bestätigung für die zeitliche Einordnung der Eingangspartie von Buch VI in die Jahre 1260/ 61 sehen will? Hinter der Angabe vor drissig jaren 1230 zu vermuten, überzeugt nur, wenn man, wie N eumann , das hier angesprochene Ereignis (Hilfeleistung einiger Personen, das ellende zu ertragen) als einen biographischen Reflex versteht und auf einen konkreten Zeitpunkt des Magdeburger Exils, und zwar auf seinen Beginn (und nicht etwa auf einen beliebigen anderen Moment) bezogen wissen will. 214 Zudem muss man, um den Referenzpunkt des in FL VI.4 angesprochenen Ereignisses berechnen zu können, erst einmal darauf vertrauen, dass die in FL IV.2 gemachten Jahrangaben auf die Biographie Mechthilds hin referenzialisierbar sind. Nicht zuletzt ist man auf das Postulat der weitgehend ungestört gebliebenen Entstehungsreihenfolge der Niederschriften angewiesen, will man die einzelnen Phasen der Werkgenese und die Lebensdaten Mechthilds aus den im b v ch verstreut vorkommenden und ohne einen Bezugspunkt an sich wenig aussagekräftigen Zeitangaben erschließen. Dass dies ohne ein gehöriges Maß an Spekulation und einen gewissen Sinn für Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 147 chen predigen sunderlichen geschrieben stot (fol. 1 r ). Hierauf folgt das Register zum Predigtcorpus. Einen vergleichbaren Fall bietet eine andere Tauler-Handschrift: Stuttgart, WLB, Cod. theol. et phil. 2° 155, fol. 1 r (15. Jh.). Hinzuweisen wäre auch auf die Handschrift Augsburg, UB, Cod. III. 1. 2° 36 der ›St. Georgener Predigten‹, s. dazu S eidel (2003b), S. 287f. Auch P almer (1989), S. 77 bezieht tavele auf die Kapitelverzeichnisse an den Buchanfängen. 211 Titulis werden die Kapitelüberschriften des deutschen Textes in den im dritten Viertel des 14. Jahrhunderts entstandenen Glossen zu Rb genannt, vgl. etwa In originali ponitur talis titulus quod oraciones misse audicio uerbi dei in predicationibus uita bonorum jejunium carene liberant animas de purgatorio (Rb fol. 88 vb ), Glosse zu LD VI.13 (Rev. Bd. II.2, S. 630). 212 Vgl. B ecker (1951), S. 44f. und N eumann (1993), S. 201f. 213 Vgl. B ecker (1951), S. 138-145. 214 Nicht auf den Beginn von Mechthilds Magdeburger Beginenexistenz bezogen behandelt E rat -S tierli (1985), S. 124 den Begriff ellende. Kombinatorik nicht funktioniert, dürfte aus dem bisher Gesagten deutlich geworden sein. Wohl können wir vom vorletzten Kapitel des vierten Buches an einige Abschnitte datieren, allerdings liefern sie nur Anhaltspunkte für eine Datierung terminus post quem. Zwar lässt sich die Abfolge von FL IV.27, V.34 und VI.2-3 eine gewisse Chronologie erkennen, doch muss offen bleiben, ob dies für die restlichen Kapitel gleichermaßen gilt. Denn es ist damit zu rechnen, dass Kapitel nachträglich eingeschoben und (selbst über die Buchgrenzen hinweg) umgestellt werden konnten (s. dazu S. 122f. oben). Das bedeutet freilich nicht, dass das Geänderte der ursprünglichen Chronologie der Aufzeichnungen entsprechen und allein schon wegen seiner Priorität authentischer als die neu entstandene Kapitelfolge sein muss. Denn die von einem Teil der älteren Forschung für ursprünglich gehaltene Reihenfolge der Kapitel kann selbst Ergebnis eines mit dem Textmaterial bewusst schaltenden Redaktors sein. Dazu folgende Hinweise: Bücher I-IV geben - abgesehen von FL IV.27 - keinen Anhaltspunkt für eine Datierung her. Unübersehbar ist dagegen eine auch von N eumann registrierte Konzentration von termini technici der hoheliedinspirierten Minnesprache und von bestimmten Bildkomplexen, die in den späteren Büchern nicht mehr auftreten. 215 Geht man wie N eumann von der biographischen Determiniertheit literarischer Artikulation aus, so könnte man mit ihm eine unbändige «poetische Temperatur» bei den ersten vier Büchern diagnostizieren, eine «ungestüme[] Unioleidenschaft» (S. 60), wie sie für die Jugendzeit der Mystiker typisch sein soll, der der Altersstil der späteren Bücher gegenüber stünde. Die von N eumann gemachte Beobachtung kann aber genauso gegen seine Tagebuch-These ausgespielt werden: Die auffällige atmosphärische Einheitlichkeit der Bücher I-IV wäre damit nichts Naturwüchsiges, nicht das Ergebnis eines elementaren Äußerungswillens, der unmittelbar nach dem Erlebnis sich in der Schrift niederschlägt, sondern etwas Konstruiertes, das den Gestaltungswillen eines Textarchitekten voraussetzt. 216 Dies hat K emper dazu veranlasst, nach der kompositorischen Grundstruktur der ersten vier Bücher zu fragen, 217 deren Geschlossenheit durch eine Notiz im Schlusskapitel des vierten Buches unüberhörbar herausgestellt wird: Dis b v ch ist begonnen in der minne, es sol p ch enden in der minne (FL IV.28: 312,3f. [IV.28,3]). K emper meint eine «kompositorische Analogie zum Hohelied» 218 an der Vierzahl der Bücher ablesen zu können, gliederte man doch das Hohelied in der Kommentartradition ebenfalls in vier Abschnitte. Die Bücher sollen demnach einzelne Stadien des geistlichen Lebens, die der minne und gerunge, rúwe und vorhte präsentieren. Die Vierteilung des Minnewegs entnimmt K emper zwar dem sechsten 148 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 215 Vgl. N eumann (1954b), S. 59f. 216 In diesem Sinne äußert sich bereits V ozáry (1937), S. 10, Anm. 22, Resümee auf Deutsch in: Germanistische Hefte 7, hg. von H einrich S chmidt , Szeged 1937, S. 1-10. 217 Zu den folgenden Ausführungen s. K emper (1979), S. 96-98 mit Anmerkungen. 218 K emper (1979), S. 114, Anm. 28. Buch (FL VI.6: 442,2f. [VI.6,5f.]), doch stellt er fest: «Diese auch in den ersten vier Büchern mehrfach in Variationen und Synonymen auftauchenden Begriffe lassen sich als Leitprinzipien für die thematische Gestaltung der ersten vier Bücher wiedererkennen» (S. 96). K emper parallelisiert die vier Minnestationen nicht nur mit der von der Exegese herausgearbeiteten Struktur des Hohenliedes, sondern geht einen Schritt weiter, wenn er den vier ersten Büchern das Schema des vierfachen Schriftsinns unterlegt (S. 97f.). Das Phänomen, eine exemplarische geistliche Biographie in einen theologischen Rahmen einzuspannen, ist zwar nicht unbekannt, 219 doch erscheint die von K emper für die ersten vier Bücher angenommene planvolle Zusammenstellung forciert. 220 Ihm könnte mit N eumann entgegnet werden, 221 dass gerade die augenscheinlich fehlende Kohärenz des deutschen Textes eine so durchgreifende Umstrukturierung des Kapitelbestandes erforderlich gemacht hat, wie sie zunächst in den Querverweisen, dann aber in der lateinischen Übersetzung mit aller Konsequenz durchgeführt wurde. Allerdings erweckt gerade die ›Lux divinitatis‹ den Eindruck, als hätte es eine zumindest für den/ die lateinischen Übersetzer erkennbare thematische Schwerpunktsetzung der einzelnen Bücher des ›Fließenden Lichts‹ gegeben. B ecker macht darauf aufmerksam, dass der in didaktischer Absicht an Priester gerichtete liber tertius die deutschen Bücher IV und VI bevorzugt, während der an der Minnethematik interessierte liber quartus aus den in LD III gänzlich fehlenden ersten beiden Büchern des ›Fließenden Lichts‹ schöpft. Außerdem ist die Zahl der aus bestimmten Büchern entnommenen Abschnitte zum Teil merkwürdig gering. Denn LD I bringt nur ein Kapitel aus FL IV und zwei aus FL II, LD II nur je eines aus FL I und III, LD VI eines aus FL II und zwei aus FL IV. 222 Offenbar vermochten die Übersetzer, thematische Schwerpunkte innerhalb der einzelnen Bücher ihrer deutschen Vorlage zu erkennen. Den Nachweis, dass eine solch programmatische Ausrichtung einzelnen Büchern des ›Fließenden Lichts‹ nicht abgesprochen werden kann, führt M ark E manuel A mtstätter . Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 149 219 Vgl. etwa das zweite Buch der Vita der Marie Oignies, in welchem der Hagiograph Jakob von Vitry das innere Leben von Marie im Sinne der sieben Gaben des Hl. Geistes in ihrer aufsteigenden Ordnung schildert, s. dazu R uh (1993), S. 87f. Hinzuweisen wäre auch auf die ›Vita‹ des Heinrich Seuse, die den spirituellen Reifeprozess des Dieners der Ewigen Weisheit als ein Voranschreiten vom anfangenden zum fortgeschrittenen bis hin zum vollkommenen Leben stilisiert, s. dazu B lank (1993) oder auf die Vita einer Zeitgenössin von Mechthild, der in FL V.34 genannten Jutta von Sangerhausen, worin die beiden Abschnitte ihres Lebens (vor und nach der Umsiedlung nach Preußen) zur Illustration zweier geistlicher Lebenskonzepte, das der vita activa und contemplativa, dienstbar gemacht wurden, s. dazu N emes (2009a). 220 Zurückhaltend äußern sich auch H aas (1989), S. 216 und G rubmüller (1992), S. 346f., Anm. 41. R uh (1993), S. 251 meint dagegen, K emper s Beobachtung sei «nicht von der Hand zu weisen.» 221 Vgl. N eumann (1954b), S. 61f. 222 Vgl. B ecker (1951), S. 185-188. Einen Hinweis von V ollmann -P rofe 223 aufgreifend attestiert er für das erste Buch eine formal kunstvolle Komposition und einen handlungslogisch schlüssigen Aufbau. 224 A mtstätter benennt auch die Konsequenz, die das dem ersten Buch unterstellte «intendierte Gewachsen-Sein» 225 für die Werkgenese bedeutet. Demnach muss die Vorstellung einer mehr oder weniger planlosen, nur von der Entstehungsreihenfolge der einzelnen Teile bestimmten Textsammlung, wie sie von den Vertretern der Tagebuch-These bis hin zu N eumann kultiviert wurde, ausscheiden. Selbst wenn man sich nicht für bereit erklärt, eine wie auch immer geartete Tiefenstruktur in der heute greifbaren Organisationsform des Textes zu erblicken, wird man nicht mehr behaupten können, als dass die letzten beiden Bücher chronologisch richtig stehen. Ob dies für die Bücher der ersten dokumentierbaren Veröffentlichungseinheit (FL I-V) trotz des formal abgeschlossen wirkenden Charakters des vierten (und vielleicht auch des zweiten und des dritten) Buches gleichermaßen gilt und ob die Kapitel innerhalb der einzelnen Bücher des ›Fließenden Lichts‹ die ursprüngliche Reihenfolge der Aufzeichnungen konservieren, muss im Grunde offen bleiben. 226 Es stellt sich sogar grundsätzlich die Frage, ob der produktionsästhetisch motivierte Zugriff zur Erklärung der zugegebenermaßen ungewöhnlichen Struktur des ›Fließenden Lichts‹ allein ausreicht und ob er nicht vielmehr durch eine rezeptionsästhetische Betrachtungsweise ergänzt werden muss, zumal sich in den letzten Jahren die Einsicht durchgesetzt hat, dass die diesem Text schon immer unterstellte Unmittelbarkeit nicht Ausdruck von Affekt, sondern ein mit literarischen Mitteln erzeugter Effekt ist, der zum Generieren einer bestimmten Rezeptionshaltung dient (s. dazu Kap. I.1.2). In diesem Zusammenhang hat P eters den Blick auf die Struktur des ›Fließenden Lichts‹ gelenkt und auf die «Vielfalt von Themenbereichen und literarischen Diskurstypen» 227 hingewiesen, die den Eindruck erweckt, als folge der Text einer inneren Chronologie religiöser Erfahrungen der Mystikerin, als dokumentiere das Geschriebene Abschnitte und Phasen eines spirituellen Lebens. Auf dasselbe Phänomen, die «Kombinatorik variierender Schreibweisen» 228 ist B ürkle bei sämtlichen groß angelegten einzelpersönlichen Viten- und Of- 150 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 223 Vgl. V ollmann- P rofe (1994), S. 147, Anm. 5. Hier ist von der «besonderen Gestalt» des ersten Buches die Rede. 224 Vgl. A mtstätter (2003). S. dazu N emes (2004b). 225 A mtstätter (2003), S. 15. 226 Ähnlich B ecker (1951), S. 206. 227 P eters (1991), S. 44. 228 B ürkle (1999), S. 267. Mit der «Kombinatorik variierender Schreibweisen» sind literarische Heterogenität (Vielfalt der Textformen, ständiger Wechsel der Erzählpositionen bzw. Rollenfigurationen), konzeptionelle Offenheit und unvermitteltes Abbrechen gemeint, Charakteristika also, die auf das ›Fließende Licht‹ genauso zutreffen wie auf die dominikanischen einzelpersönlichen Offenbarungstexte des 14. Jahrhunderts, s. dazu B ürkle ebd., S. 267-269 und (2000), S. 490-500. fenbarungstexten aufmerksam geworden. Sie spricht von einem typenspezifischen Merkmal und betont die «gezielte[] ›Gemachtheit‹» 229 der lockeren Fügung, der scheinbar geringen konzeptionellen Stringenz und heterogenen Vielfalt dieser Texte, denen sie das ›Fließende Licht‹ dem Typus nach zurechnet. B ürkle ist wie P eters der Ansicht, die Anlage dieser Texte, ihre weder konsequent handlungslogische noch stringent lebensgeschichtlich-lineare Organisation beruhe auf einem «produktionsästhetisch ›gewollte[n]‹ Konzept», 230 das auf die Evokation einer konkret-sinnlichen Unmittelbarkeit des Schreib- und Entstehungsprozesses abzielt. 231 Die Unmittelbarkeit der Erfahrung kann jedoch nicht nur durch die Komposition, d.i. die Nichtlinearität des Erzählten, evoziert werden. Auch der bekenntnishafte Gestus und das Text-Ich, das als ‹schreibende Mystikerin› figuriert - ein weiteres typenspezifisches Merkmal der volkssprachlichen einzelpersönlichen Viten- und Offenbarungsliteratur (s. dazu S. 21f. oben) -, dienen dazu, das Geschriebene als persönlich verbürgten Bericht eigener Erfahrung, als Dokument autobiographischen Charakters zu präsentieren. Mechthilds b v ch soll wirken, betont auch D icke mit Blick auf die Struktur und den Charakter des Werkganzen, «als habe es den Filter der Reflexion nie passiert, als entbehre es jeden literarischen Formwillens, als sei es ihr »unmittelbar« von ihren Sinnen eingegeben.» 232 Angesichts solch ausgeklügelter Strategien, die dem Geschriebenen Authentizität im Sinne von Erlebnisfrische und Unmittelbarkeit verleihen, stellt sich die Frage, ob der explizite Hinweis auf das Deutsche als die Sprache der göttlichen Selbstoffenbarung an cuidam begine im lateinischen Vorbericht nicht mehr meint als das offensichtliche Faktum, dass das ›Fließende Licht‹ in der Volkssprache abgefasst ist. Auch im Prolog zum ›Büchlein der Ewigen Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 151 229 B ürkle (2000), S. 487. 230 B ürkle ebd., S. 487. Die ältere Forschung ging dagegen von der Annahme aus, das ›Fließende Licht‹ wäre «aus keinem literarischen Ehrgeiz geschrieben, sondern aus religiöser Notwendigkeit», so K ayser (1944), S. 11. Ähnlich N eumann (1965), S. 240. Auch in jüngster Zeit trifft man auf solche Äußerungen, vgl. etwa die Ansicht von S chröder (1996/ 1999), S. 153: «sie [Mechthild] war überhaupt nicht auf Poesie aus, sie protokollierte die Fülle der Gesichte, die ihr zuteil wurden […]»und D ers . (2005), S. 302: «Auch die verworfenheit, der sie [Mechthild] sich in Stunden der Gottferne anklagt, ist nicht theologisch ausgedacht, sondern persönlich erfahren und erlitten […].»Für weitere Belege s. S. 13f. oben. 231 Vgl. B ürkle (1994), S. 121. Nicht weit von dieser Position liegt V ollmann- P rofe (2000), S. 153: Zwar sieht sie die «Einmaligkeit» des ›Fließenden Lichts‹ in einem «‹persönlichen Erfahrungsstil›» und einer«‹biographischen Struktur›», betont jedoch,«‹persönlicher Erfahrungsstil›» und«‹biographische Struktur›» ziele nicht auf die Frage der lebensweltlichen Relationierbarkeit des Textes ab, vielmehr gehe es um die «literarische Konzeptionierbarkeit persönlicher Erfahrungen.» Trotzdem besteht sie darauf, dass das ›Fließende Licht‹ in einer «im wesentlichen in jahrzehntelangen Anlagerungen gewachsene[n] Form» (ebd., S. 152) vorliegt. Ähnlich V ollmann- P rofe (2007b), S. 60. 232 D icke (2003), S. 274. Vgl. in diesem Zusammenhang demnächst die Freiburger Dissertation von A ndrea Z ech . Zu den poetischen Mitteln der Inszenierung des ›Fließenden Lichts‹ als ‹Zeugnisschrift› s. jetzt auch H erberichs (2009), S. 281-285. Weisheit‹ des Heinrich Seuse findet sich eine Stelle, wo ausdrücklich darauf hingewiesen wird, die folgenden Betrachtungen seien dem Diener der Ewigen Weisheit auf Deutsch eingegeben worden: Und dar umb so screib er die betrahtunge an und tet daz ze tútsche, wan sú im och also von gotte waren worden. 233 Seuse qualifiziert hier das Deutsche als Offenbarungssprache. Es mag überraschen, wenig später auf eine Äußerung zu stößen, die den defizitären Status des Deutschen auszudrücken scheint. Seuse konfrontiert hier die lebendige Sprache des Herzens, welche dur einen lebenden munt ertönt, mit jener Sprache, die auf dem ‹toten Pergament› festgelegt worden ist, und betont, der Gegensatz zwischen den beiden könne im Deutschen besonders stark empfunden werden: Ein ding sol man wússen: als unglich ist, der ein s u zes seitenspil selber horti s u zklich erklingen gegen dem, daz man da von allein h o rt sprechen, als ungelich sint dú wort, dú in der lutren gnade werdent enpfangen und usser einem lebenden herzen dur einen lebenden munt us fliezent gegen den selben worten, so sú an daz t p t bermit koment, und sunderliche in tútscher zungen; wan so erkaltent sú neiswe und verblichent als die abgebrochnen r p sen […]. 234 Hier geht es nicht etwa um die Geringschätzung des Deutschen 235 - Seuse selbst bezeichnet es als die Sprache, die Gott zur Vermittlung seiner Offenbarungen auserkoren hat (s. o.) -, sondern um seine Nobilitierung, wird doch seine besondere Empfindlichkeit in Bezug auf die Wahrnehmung des Abkühlungsvorgangs betont, dem die göttliche Rede beim Eintritt in die menschliche Sphäre ausgesetzt ist. 236 Die Volkssprache scheint in Seuses Einschätzung die ursprüngliche Lebendigkeit der in der lauteren Gnade, d.h. in der Unio, empfangenen Worte am ehesten erahnen zu lassen, 237 weshalb sie sich besonders gut eigne, «Überbringerin einer unmittelbaren göttlichen Botschaft» 238 zu sein. Dieselbe Qualität der Volkssprache (hier: des Niederländischen) artikuliert sich auch in Geert Grootes Kommentar zu der von ihm angefertigten lateinischen Übersetzung von Ruusbroecs ›Geestelijcke brulocht‹. Groote 152 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 233 B ihlmeyer (1907), S. 197,10f. 234 B ihlmeyer ebd., S. 199,14-22. 235 In diesem Sinne verstehen die Stelle M ichel (1992), S. 303f. und daran anschließend H asebrink (1992), S. 376f. 236 So B indschedler (1965/ 1985). Zustimmend und weiterführend K öbele (1993), S. 36, Anm. 69 und A. S chneider (2000), S. 157-160. 237 Seuses Gegenüberstellung der lebendigen, in der lauteren Gnade empfangenen Worte und der erstarrten Schriftsprache liefert einen weiteren Beleg für jene von anderen Mystikern beschriebene und von K urt R uh untersuchte Metasprache, die ohne artikulierte Sukzession, simultan und in actu erfolgt. Um die Wirkungsform dieser mystischen Metasprache - Seuse spricht ausdrücklich von worten - begreiflicher zu machen, verweist R uh , wie übrigens auch Seuse, auf die Musik, die ja auch jenseits des artikulierten Wortes angesiedelt ist, nichtsdestotrotz ihre eigene Artikulation hat, vgl. R uh (1986), S. 38 und (1988) sowie L au (2008). 238 B indschedler (1965/ 1985), S. 169. räumt ein, aus Respekt vor dem mystischen Gehalt des Werkes nicht mehr als eine bloße Wiedergabe der einzelnen Worte geleistet zu haben: «So kommt es, daß die lateinische Übersetzung jenen frischen Geschmack (id sapide viriditatis) eingebüßt hat, den der für die Ohren in diesen Dingen ungewohnte, aber angemessene neue Gebrauch der deutschen Worte dem Gegenstand verleiht.» 239 Offenbar wird dem Deutschen bzw. dem Niederländischen im inspirationstheologischen Kontext eine besondere Qualität zuerkannt, eine Qualität, in welcher R uh den «spirituellen Mehrwert der Volkssprache» 240 gegenüber dem Lateinischen sah. Auf diesen Mehrwert des Deutschen scheint es auch dem Verfasser des lateinischen Vorberichts anzukommen, vor allem wenn man berücksichtigt, dass der Hinweis auf das Deutsche als Offenbarungssprache in einen Rahmen eingespannt ist, der die Tradition der sancta simplicitas evoziert. Anders als jener quodam frater predicti ordinis [predicatorum], der den schriftstellerisch tätigen Part bei der Bekanntmachung der göttlichen Offenbarungen übernimmt, fungiert die quodam begine lediglich als Inspirierte und Ungelehrte, die die Offenbarungen Gottes teutonice, d.h. in der Sprache der illiterati, empfängt. Der Hinweis auf den illiteraten Status der Offenbarungsempfängerin und auf das Deutsche als Offenbarungssprache dient jedoch nicht allein informativen Zwecken, sondern ist möglicherweise auch Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 153 239 Zitiert nach S taubach (2002), S. 270. 240 R uh (1986), S. 25. In einer späteren Publikation drückt sich R uh zurückhaltender aus: Er spricht nur noch vom «Eigenwert» der Volkssprache, s. R uh (1989a), S. 45 und (1990), S. 18, Anm. 10. Sein Urteil gründet auf der von ihm gegebenen Antwort auf die Frage, warum Meister Eckhart auch dort auf die Volkssprache zurückgreift, wo er vom Bildungsniveau seiner Zuhörer her gesehen eigentlich gar nicht dazu gezwungen ist. Die Erklärung sieht R uh in der einseitigen Entwicklung des Latein als Gelehrtensprache, die «nicht mehr oder nur in Ausnahmefällen in der Lage zu sein [schien], Innovatorisches, Charismatisches, jenseits der üblichen Erfahrungswelt Liegendes auszudrücken» (R uh 1990, S. 19). Zwar kann R uh eine nur auf die Volkssprache beschränkte Wahrnehmung der Literatur des europäischen Mittelalters keineswegs unterstellt werden, sein Urteil über das Lateinische wirkt trotzdem befremdlich. H asebrink (1992), S. 376, Anm. 32 betont, die These vom toten Latein dürfe «angesichts eines lange existierenden Problembewußtseins nicht unbefragt als Folie für die Lebendigkeit der Volkssprache herangezogen werden.» Suspekt kommt H asebrink nicht nur diese sprachessentialistische, sondern auch die von R uh gegebene erfahrungspsychologische Erklärung für den Eigenwert der Volkssprache vor. H asebrink argumentiert dabei auf der Basis des oben behandelten Seuse-Zitats. Er sperrt sich gegen eine Deutung dieser Stelle als Beleg für eine besondere spirituelle Neigung der Volkssprache (vgl. Anm. 235 oben). Dass die von H asebrink kritisierte sprachessentialistische und erfahrungspsychologische Deutung des Stellenwerts der Volkssprache durchaus der mittelalterlichen Sicht entspricht, verdeutlicht das Groote- Zitat (s.o.), das laut S taubach (2002), S. 270, Anm. 73 einen der «seltenen e x p l i z i t e n Belege» (Hervorhebung von mir) für R uh s These vom Eigenwert der Volkssprache darstellt. In dieselbe Richtung weisen m.E. auch Seuses sprachtheoretischen Äußerungen. Allerdings ist hier die Gegenüberstellung des Deutschen und Lateinischen mehr implizit als explizit. Programm, um die Mitteilende mit der Aura einer unmittelbar Gottinspirierten und das Mitgeteilte mit dem Siegel des Selbst-Erlebten zu versehen. Der Verfasser des lateinischen Prologs wird dabei wohl an die Tradition angeknüpft haben, in welcher auch Seuse und Groote zu sehen sind. 241 Denkbar wäre auch, dass er ein bereits dem ›Fließenden Licht‹ inhärentes Konzept aufgegriffen hat. Sieht man hinter der Polemik, die der ‹ungelehrte Mund› der Visionärin ausgehend von der christlichen Idee der docta ignorantia und des sermo humilis, das heißt vor dem Hintergrund von inspirations- und inkarnationstheologischen Begründungsmustern, gegen die begrenzten Erkenntnismöglichkeiten der irdisch-profanen Wissenschaften (auch gegen diejenigen der zünftigen Theologie) immer wieder artikuliert, nicht nur eine erkenntnis-, sondern auch eine sprachtheoretische Positionierung, so wird man aus den diesbezüglichen Aussagen eine Legitimierung, ja eine Nobilitierung des ungebildeten Sprechens in der Volkssprache gegenüber der klerikalen Bildungssprache heraushören. 242 Geht man davon aus, dass Unmittelbarkeit eine Frage der literarischen Technik ist und die Pluralität der Schreibweisen dazu dient, den Eindruck eines lebensbegleitend-existenziellen Schreibens zu generieren, 243 so wird man den 154 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 241 Die Wurzeln jener Tradition, die der Volkssprache eine besondere Erfahrungsnähe attestiert, reichen bis zu der von Beda referierten Caedmon-Legende zurück. Auch hier figuriert ein illiteratus, der kraft göttlicher Inspiration (Erfahrungsbezug! ) instand gesetzt wird, die litterati zu belehren, und zwar in seiner eigenen Muttersprache, s. dazu K ellner (2005), S. 139-144 und D. K lein (2008), S. 19-21. Zu verweisen wäre auch auf die in verba vulgaria verfasste Vorlage der Beatrijs-von-Nazareth-Vita eines anonym bleibenden und nicht zu identifizierenden Zisterziensers, der diese im Prolog als experimentie liber bezeichnet. Ob es sich dabei um eine im textkritischen Sinne authentische, von Beatrijs selbst in ihrer eigenen Muttersprache geschriebene Quelle (so R uh 1993, S. 139f.) oder um Quellenfiktion handelt, die der Evozierung von Authentizität im Sinne von Erlebnisechtheit dient (so P eters 1988a, S. 32f. und B ürkle 1999, S. 201f.), ist umstritten, nicht zuletzt auch deshalb, weil es nicht zu entscheiden ist, ob der dem 14. Kapitel der Vita entsprechende niederländische Text ›Seven manieren van minne‹ den kümmerlichen Rest jenes vom Hagiographen erwähnten volkssprachlichen experimentie liber ist oder eine Übersetzung des 14. Kapitels der Vita darstellt, vgl. P eters (1988a), S. 33, R uh (1993), S. 145 und H ollywood (1999). 242 S. dazu K öbele (1993), S. 33-39 und W atson (1997), S. 122f. Keine programmatische Aussage über die Verwendung der Volkssprache stellt dagegen FL II.3: 82,24f. (II.3,48): Nu gebristet mir túsches, des latines kan ich nit dar, vgl. M argetts (1977), S. 136 und P al mer (1992), S. 227. Anders O rtmann (1992), S. 172: «Das Deutsche versagt, die volkssprachlichen Mittel reichen nicht aus, und […] Latein ist kein geeignetes Medium dieses Buches […] [Latein] ist nicht zuständig», und weiter: «[…] der lateinische Bereich der Buchgelehrsamkeit ist abgewiesen.» 243 Einen Beleg dafür, dass der von B ürkle postulierte Zusammenhang zwischen Werkgestaltung und intendierter Rezeptionshaltung dem Mittelalter nicht abgesprochen werden kann, findet man beispielsweise im Prolog des ›Horologium sapientiae‹ des Heinrich Seuse: Hier wird die artifizielle und wirkungsbewusst affektivische Gestaltung des Werkes - anders als in den von B ürkle untersuchten Texten - sogar Gegenstand von Re- Bemühungen der älteren, aber auch der jüngeren Forschung (ich verweise hier nur auf V ollmann -P rofe , s. S. 25f. oben), die ungestört gebliebene Chronologie der Aufzeichnungen von der losen Folge der Kapitel her zu erweisen, skeptisch gegenüber stehen. Denn es handelt sich um ein Vorgehen, das unerlaubterweise «zwischen Überlegungen zur Genese dieser Texte und ihrer Machart bzw. Struktur einen Zusammenhang her[stellt].» 244 Wie man auch über die Ansichten der ‹neuen Antichronologisten› zu urteilen mag, eines steht fest: Die durch die Kapitelreihenfolge verbürgte Authentizität des ›Fließenden Lichts‹ - wobei authentisch hier die Befragbarkeit der Kapitelstruktur auf den tatsächlichen Schreibprozess und die geistig-geistliche Entwicklung der Protagonistin hin meint -, ist offenbar so wenig konsensfähig wie früher (vgl. Kap. I.1.1). Ein wesentlicher Unterschied zwischen den ‹alten› und ‹neuen› Antichronologisten kann allerdings nicht verschwiegen werden: Haben die einen Mechthild eine «deutliche Unfähigkeit» (S tierling ), strikte Dispositionen auf der Erzählebene und der Textstruktur zu halten, sowie ein Desinteresse an der Sammlung und Anordnung ihrer Schriften attestiert, 245 so ist bei den anderen eine gegenteilige Tendenz zu beobachten. Die Die Buch- und Kapitelfolge - Korpusvarianz? 155 flexion, s. dazu S taubach (1994), S. 201-204 und M ichel (1995c), S. 62 und 66f. Für ein weiteres Beispiel (›Soliloquium anime‹ des Thomas von Kempen) s. S taubach ebd., S. 223f. 244 B ürkle (2000), S. 487. Einen solchen Zusammenhang will S taubach (1994), S. 202, Anm. 8 dagegen weder für das ›Horologium‹ noch für das ›Fließende Licht‹ ausschließen. Ausgehend von Seuses wirkungsbewusst affektivischer Werkgestaltung, seinem auf die Belebung des Diskurses (ad ferventiorem modum tradendi) abzielenden Schreibstil, fragt sich S taubach , «ob auch Mechthild eine genuin literarische Technik entwickelt und erprobt, die auf Emotionalisierung, ad ferventiorem modum tradendi zielt, oder ob die Heterogenität und Regellosigkeit ihres Werks aus einem diskontinuierlichen Prozeß der Niederschrift, aus allmählichem Anwachsen und Zusammenfügen von Einzeltexten zu erklären ist.» Dass beide Aspekte der Werkgenese einander nicht ausschließen müssen, soll Seuse bezeugen. Im Prolog des ›Horologium‹ behauptet Seuse: Notandum quoque, quod originale huius operis certis temporibus et non nisi in praesentia magnae gratiae conscriptum fuerit (zit. nach S taubach ebd., S. 203, Anm. 10). Ob die sukzessive und additive Entstehung des ›Horologium‹ aus dieser Stelle herausgelesen werden kann, wie von S taubach behauptet, erscheint mir zweifelhaft, zumal die Aussage, das «Original des Werkes» sei «nur zu bestimmten Zeiten und in Gegenwart großer Gnade geschrieben worden», in einem inspirationstheologischen Begründungszusammenhang steht und offensichtlich dazu dient, das Schreiben als gottgewolltes Unterfangen zu legitimieren und das Geschriebene mit der Aura des Authentischen, des Selbst-Erlebten zu versehen. Eine ähnliche Authentisierungsstrategie findet sich in den ›Offenbarungen‹ der Margareta Ebner. Hier sind die spirituellen Erfahrungen allerdings nicht Movens, sondern Folge des Schreibens: Margareta betont, dass sie die vergangenen Gnadenerlebnisse im Akt des Schreibens noch einmal erfahre und zwar so heftig, daz ich ainz kum vor dem andern gescriben moht (S trauch 1882, S. 114,1-5), dazu P eters (1988a), S. 146. Zur Untrennbarkeit von Schreiben und Erfahren am Beispiel des ›Fließenden Lichts‹ s. B ildhauer (2007). 245 Vgl. S. 7, Anm. 26. In diesem Fahrwasser bewegt sich auch R uh (1977/ 1984), S. 243 mit der Feststellung, Mechthild hätte «nie von sich aus daran gedacht, ihre Aufzeichnungen einer Öffentlichkeit preiszugeben.» Lizenzen, die die ‹alten Antichronologisten› bereit waren, Heinrich von Halle beim Umgang mit den Aufzeichnungen seiner (vermeintlichen) Beichttochter zuzugestehen, werden jetzt zurückgezogen und Mechthilds Kontrolle über alle Parameter ihres Textes behauptet. In diesem Sinne will B ecker nicht allein die Struktur, sondern auch die allgemein als sekundär angesehenen Kapitelüberschriften auf Mechthild zurückführen, «denn ihre Anteilnahme am Zusammenstellen ihrer Aufzeichnungen zu einem ‹b v che› ist gross.» 246 Auch K emper ist der Ansicht, dass die Rückkoppelung des subjektiv Erlebten an das Modell der gelehrten Hohenliedexegese das Werk Mechthilds sei. 247 Ähnlich macht A mtstätter den Gestaltungswillen Mechthilds für das von ihm aufgedeckte Strukturierungsprinzip des ersten Buches verantwortlich, «es sei denn, Heinrich von Halle war ein genialer Ordnungsstifter scheinbar zusammenhangslosen Textmaterials.» 248 In all diesen Fällen kommt ein emphatischer, der Genieästhetik des 18. Jahrhunderts verpflichteter Autorbegriff zum Tragen. Zweifel an der Berechtigung eines solchen Autorbegriffes im Umgang mit volkssprachlichen literarischen Texten aus einer Zeit, für welche das Stichwort Alterität auch in Hinblick auf die Produktions- und Distributionsbedingungen von Literatur gilt, wurden von einer methodischen Warte aus bereits geäußert (s. S. 77ff. oben). Im Folgenden (Kap. II.2 und 3) soll es darum gehen, die Probleme und Fragen, die mit der Anwendung eines emphatischen Autorkonzeptes verbunden sind, auch an der Textgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ aufzuzeigen, wobei mein besonderes Augenmerk der lateinischen Texttradition gilt. II.2 Varianz in Textbestand und Textfolge Eine Beschäftigung mit der ›Lux divinitatis‹, die bei textgeschichtlichen Fragen ansetzt, scheint in letzter Zeit etwas aus dem Blickfeld der Forschung geraten zu sein. R uh hielt N eumann , dem Herausgeber der textkritischen Ausgabe des ›Fließenden Lichts‹, vor, er hätte die lateinische Übersetzung im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Textkonstitution überschätzt, obschon er selber gewusst habe, dass sie «nur selten den Wortbestand des deutschen Textes» zu sichern vermag. 249 Die «eigentliche Bedeutung» der ›Lux divinitatis‹ sieht R uh auch nicht in ihrer textkritischen Funktion, sondern in der Übersetzungs- und Bearbeitungsleistung (ebd.). Auch V ollmann -P rofe sucht neue Wege im Umgang mit dem lateinischen Text. Anders als die frühere Forschung (S tierling 1907, B ecker 1951 und N eumann 1993), deren Bemühungen um 156 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 246 B ecker (1951), S. 45 und 197. Ähnlich N eumann (1954b), S. 60. 247 Vgl. K emper (1979), S. 96. 248 A mtstätter (2003), S. 12. 249 Vgl. R uh (1995a), S. 99. Zitat: N eumann (1990), S. XXV. Varianz in Textbestand und Textfolge den Text so gut wie ausschließlich vom Interesse an den Emendationsmöglichkeiten des ›Fließenden Lichts‹ geleitet waren, versucht V ollmann -P rofe die ›Lux divinitatis‹ aus ihren eigenen Intentionen und Eigenarten heraus verständlich zu machen und zu würdigen. 250 An den inhaltlichen und formalen Textveränderungen im Übergang vom Deutschen zum Lateinischen ist auch E lke S enne interessiert, wenn sie danach fragt, was von der ursprünglichen Textgestalt des ›Fließenden Lichts‹ nach dem doppelten Sprachwechsel vom Mittelniederdeutschen ins Lateinische (›Lux divinitatis‹) und vom Lateinischen ins Alemannische (›Liecht der Gotheit‹) übrig geblieben ist. 251 Wie selbstverständlich wird in all diesen Fällen davon ausgegangen, dass sämtliche Textveränderungen in der lateinischen Übersetzung sich von jenem Text her beschreiben lassen, der uns in den Handschriften der oberdeutschen Überlieferung, allen voran in E, greifbar ist. Herrscht Konsens darüber, was übertragen wurde, kann sich die Forschung dem ‹Wie? › der Übertragung zuwenden und die Vorgehensweise der Übersetzer vor dem Hintergrund des Einsiedler Textes - der ja mit Mechthilds Original als weitgehend identisch gilt (vgl. Kap. I.1.1) - beschreiben. Aus textkritischer Sicht werden die Varianten der ›Lux divinitatis‹ von E aus gesehen traditionell als Auslassungen und Ergänzungen beschrieben. 252 Die Auslassungen reichen von der Kürzung bis zur Ausmerzung oder Umfärbung bestimmter (meist dogmatisch anfechtbarer oder erotisch als allzu freizügig empfundener) Textstellen. Die Ergänzungen decken ein weites Spektrum ab, das sich von der Hinzufügung einzelner Wörter, Teilsätze und Sätze über Umformulierungen bis zu regelrechten Aufschwellungen erstreckt. Bis auf wenige Ausnahmen werden die Ergänzungen, die der lateinische Text dem deutschen gegenüber aufweist, als Bearbeitungen und daher als nicht ursprünglich angesehen. Ausnahmen sind die von B ecker so genannten «unechten Zusätze». Im Unterschied zu den «echten Zusätzen», die «ausschliesslich auf das Konto des Übersetzer-Redaktors gehen, also nicht von Mechthild stammen können», haben wir es mit «unechten Zusätzen», laut B ecker , dann zu tun, «wenn die entsprechende deutsche Stelle für den Text der Vorlage verständnisnotwendig ist oder der Kontext der Einsiedler Hs. anderweitig eine Auslassung erkennen lässt.» 253 Mit anderen Worten: Da die «unechten Zusätze» der ›Lux divinitatis‹ «auf eine Verderbnis in der deutschen Überlieferung führen», 254 sind sie im textkritischen Sinn eigentlich als echt anzusehen. Varianz in Textbestand und Textfolge 157 250 Vgl. V ollmann- P rofe (2000) und die «Einführung» von E rnst H ellgardt in demselben Sammelband auf S. 119-122. Zu den unauffälligen, aber umso charakteristischen formalinhaltlichen Textveränderungen bei der Übertragung des deutschen Textes ins Lateinische s. auch G sell / S tockmar (1992), S. 145f. und demnächst S uerbaum (2011). 251 Vgl. S enne (2004). 252 Vgl. B ecker (1951), S. 37-43, V ollmann- P rofe (2000), S enne (2002), S. 37ff. und (2004), S. 144f. 253 B ecker (1951), S. 37. Beispiele werden auf S. 177, Anm. 325 genannt. 254 B ecker ebd., S. 38. Sonstige Ergänzungen in der lateinischen Übersetzung gelten dagegen textkritisch als unecht. Anders werden dagegen die Textstellen beurteilt, die der deutsche Text dem lateinischen gegenüber zusätzlich überliefert. Zwar werden auch sie als Bearbeitungen eingestuft, doch sollen sie nicht redaktionell, sondern auktorial vorgenommen worden sein und werden gewöhnlich damit erklärt, dass Mechthild ihrem Text eine gewisse Überarbeitung angedeihen ließ. Der Frage, ob es möglich ist, (textkritisch) echte von unechten Zusätzen abzuheben, wird in den Kapiteln II.2.1 und 2 nachgegangen. Dabei soll gezeigt werden, dass es eine Reihe von «echten Zusätzen» (B ecker ) auch in der lateinischen Übersetzung gibt, Zusätze, die Anspruch auf Originalität im B umke schen Sinne (s. dazu S. 83f. oben) erheben, so dass es keinen zwingenden Grund gibt, diese als redaktionell zu qualifizieren. Mit anderen Worten: Sie können «unecht» im Sinne von B ecker sein und daher der mittelniederdeutschen Übersetzungsvorlage angehört haben. Dies schließt freilich nicht aus, dass die lateinische Übersetzung einen redaktionell umgeformten Text bietet, dass also die Übersetzer des ›Fließenden Lichts‹ bearbeitend mit ihrer Vorlage umgegangen sind. Dies soll in Kapitel II.2.3 anhand einiger inhaltlicher Veränderungen, die der deutsche Text bei seiner Überführung ins Lateinische erfahren hat, exemplarisch aufgezeigt werden. Daran schließt sich ein etwas längerer Exkurs (Kap. II.2.4) über den Entstehungsort der ›Lux divinitatis‹ und über mögliche Überlieferungswege des ›Fließenden Lichts‹ und seiner lateinischen Übersetzung in den deutschen Südwesten an. II.2.1 Varianz in Textfolge. Umstellungen im deutschen und lateinischen Überlieferungszweig Unter formal-inhaltlichen Aspekten hat man die Art und Weise, wie das ›Fließende Licht‹ ins Lateinische übertragen wurde, als Konventionalisierung beschrieben. Ein inkommensurables und ungewöhnliches Werk sollte kommensurabel gemacht und in Gewohntes überführt werden. 255 Am augenfälligsten zeigt sich dieses Bestreben an der Umorganisation des Textmaterials. Zwar wird die Zahl der sechs Bücher der mittelniederdeutschen Vorlage beibehalten, die Kapitel werden jedoch umgestellt, ihre Reihenfolge nach dogmatisch-theologischen Gesichtspunkten geändert. 256 Was auf diese Weise entstanden ist, ist ein Werk mit thematisch mehr oder weniger kohärent in Einzelbücher geordneten Offenbarungswahrheiten einer femina sancta, die zumindest in dem dem Textcorpus vorausgeschickten bio-bibliographisch orientierten Prolog und in der apologetisch motivierten Praefatio anonym bleibt. Mit Prolog und Praefatio am Anfang korrespondieren zwei Kapitel 158 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 255 Vgl. V ollmann- P rofe (2000), S. 152. 256 Die thematischen Schwerpunkte der einzelnen Bücher der ›Lux divinitatis‹ arbeitet B ecker (1951), S. 155-188 bis auf das fünfte Buch - ein «Beginenbuch» gibt es genau genommen nicht, vgl. S. 323ff. weiter unten - konzise heraus. (FL IV.28 und VI.20) am Schluss, die epilogartig wirken und vornehmlich vom b v ch handeln. Ein dem Ganzen - und nicht allein den einzelnen Büchern wie in E - vorangestelltes Register, das aus Kapitelüberschriften besteht, erschließt das Corpus. 257 Doch nicht nur die Makrostruktur wurde verändert. Auch so manche Kapitel wurden neu konstituiert. Folgende redaktorische Eingriffe lassen sich auf der Ebene der Kapitel feststellen: 258 Zusammenfassungen (kürzere deutsche Kapitel werden in der Regel unter einer Überschrift mit mehreren anderen Kurzkapiteln oder einem längeren Kapitel zusammen aufgeführt), Aufgliederungen (betroffen davon sind vor allem lange deutsche Kapitel, die der Übersichtlichkeit halber in kleinere Texteinheiten aufgeteilt und mit Überschriften versehen werden) und vereinzelt Kapiteltrennungen (Schluss- oder Anfangsteil eines deutschen Kapitels werden getrennt und an verschiedene Stellen des lateinischen Textes versetzt). Stärkere Eingriffe dagegen, etwa die Entnahme eines Mittelstückes oder anderer Abschnitte und ihre Inserierung an einer anderen Stelle, sollen bis auf eine Ausnahme nicht vorgenommen worden sein. 259 Diese vermeintlich einzige Ausnahme findet sich in dem umfangreichen, mit zahlreichen apokryphen Elementen durchsetzten Kapitel FL V.23, das dem Thema ‹Geburt Christi› gewidmet ist. Die ›Lux divinitatis‹ stellt um und bringt das Textstück FL V.23: 366,5-12 (V.23,50-55) im Anschluss an 368,12 (V.23,83): und er [der Satan] sach das kint vil arglichen an (vgl. LD I.14, 6-13/ Rev. Bd. II.2, S. 458,12-22, LG I.14,10-19). Wie die Herausgeber der ›Revelationes‹, die das genannte Textstück stillschweigend an die von E vorgesehene Stelle zurück versetzt haben, ist auch B ecker der Ansicht, «dass die Stellung in E die ursprüngliche ist und in B [= Rb] (wie auch schon in Wol [= Rw]) nur ein Versehen vorliegt, denn der relativische Anschluss ‹quem› (Rev. 549,34 [= LD I.14,13]) bezieht sich natürlich auf ‹parvulum›.» 260 Mit anderen Worten: Die Stellung von FL V.23: 366,5-12 (V.23,50-55) in der ›Lux divinitatis‹ ist unecht, die in E dagegen echt. Eine Entscheidung über die Echtheit bzw. Unechtheit des genannten Textstückes, die allein aufgrund des Vergleichs mit E gefällt wird, halte ich für nicht gesichert. B ecker s Urteil gründet auf zwei Postulate. Zum einen geht er davon aus, dass die Textfolge in E authentisch ist, das heißt, auf Mechthild selbst zurückgeht, und zum anderen setzt er als selbstverständlich voraus, dass die mittelniederdeutsche Vorlage der ›Lux divinitatis‹ eine mit E identische Text- Varianz in Textbestand und Textfolge 159 257 Die Kapitelzählung mit arabischen Ziffern am Rande der einzelnen Überschriften ist im Rb-Register neueren Datums und fehlt auch nicht zufällig in Rw, vgl. B ecker (1951), S. 7. Auch Ra weist ein Register mit Kapitelüberschriften und Zählung auf. Allerdings haben wir es hier nicht mit einer Corpus-, sondern einer umfangreichen Exzerpthandschrift zu tun. 258 Vgl. B ecker (1951), S. 149f. 259 So B ecker ebd., S. 150. V ollmann- P rofe (2000), S. 151, Anm. 29 ist gar der Ansicht, dass Textumstellungen innerhalb der Kapitel nicht erfolgt sind. 260 B ecker (1951), S. 151. gestalt bot. Diese letztere Annahme erscheint keineswegs zwingend, denn es ist durchaus möglich, dass die Umstellung schon in der deutschen Vorlage der lateinischen Übersetzung durchgeführt wurde. 261 Die Verbindung beider Textstellen erfolgt nämlich über ein Stichwort. FL V.23: 366,5-12 (V.23,50-55) berichtet, dass die Empfängnis und die Geburt Christi stattgefunden haben, ohne dass der hellen geist etwas davon erfahren hätte. Es ist dieses Motiv des getäuschten Satans, 262 das an jener späteren Stelle thematisiert wird, wo FL V.23: 366,5-12 (V.23,50-55) im lateinischen Text erscheint. Solche Verknüpfungen über das Stichwortprinzip sind auch in der als authentisch geltenden Handschrift E bezeugt, können also nicht von vornherein als redaktionell qualifiziert werden. Hier einpaar Beispiele: Um der These von der Zergliederung und Neuzusammensetzung von Kapiteln nach dem Stichwortprinzip durch Heinrich von Halle, den vermeintlichen Redaktor von Mechthilds Schriften, Evidenz zu verleihen, hat S tierling unter anderem auf FL VI.8 hingewiesen. Er ist der Meinung, dass 446,20 (VI.8,5f.) ze glicher wis alse sich die helige drivaltekeit hat erlich gesetzet 263 ob allen dingen in die wunnenklichen h o hin mit allen sinen tugentlichen vrúnden, da nach iemer erlichen, sch o ne und vr o denrich, alse si das lobeliche glichnisse siner g o tlichen tugenden mit inen bringent und 448,7f. (VI.8,17f.) Also ist der súndig túfel Lucifer versunken under allen dingen mit allen den alleine, die untugende minnent und meinent durch eine Interpolation auseinander gerissen wurden. 264 Zu dieser Annahme sieht sich S tierling nicht nur durch die Überschrift veranlasst, die den Inhalt des interpolierten Teils übergeht, sondern auch durch die ›Lux divinitatis‹: «Der Übersetzer hat nämlich die beiden Satzteile, die im Deutschen durch das ‹als … als› ihre Beziehung zu einander zwar zu erkennen geben, aber durch den zehnzeiligen Einschaltesatz in ihrer Zusammengehörigkeit unklar werden, zu zwei selbständigen Sätzen gemacht und das Vergleichsmoment, worauf es ankommt, beim zweiten n e u hinzugefügt: ‹Diabolus … sic … est demersus, sicut Deus … exaltatur› 631 6u [= LD VI.14,10].» 265 Dass im zweiten Satzteil tatsächlich an einen vorangehenden Gedanken angeknüpft wird, hat nicht nur der Übersetzer, sondern auch der Schreiber 160 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 261 Das Argument des relativischen Satzanschlusses, das den sekundären Charakter der Stellung von FL V.23: 366,5-12 (V.23,50-55) in ›Lux divinitatis‹ beweisen soll (s. Anm. 260 mit Text), greift nicht, denn quem bezieht sich auf infans im vorangehenden Satz 262 Zu diesem aus den Apokryphen (›Himmelfahrt Jesajas‹) sowie den Schriften der Theologen des 2. und 3. Jahrhunderts (Ignatius von Antiochien, Origenes) bekannten Motiv s. G. S chneider (1995), S. 308-313 sowie C rouzel (1962), S. 34f. 263 V ollmann -P rofe (2003), S. 816, Anm. zu 446,20f. konjiziert mit Blick auf den folgenden Satzteil, der sonst defektiv bleiben würde, wie folgt: Ze glicher wis alse die helige drivaltekeit hat er [Jesus Christus] sich gesetzet … Die Konjektur leuchtet ein, allerdings ist die Heilige Dreifaltigkeit auch in der lateinischen Übersetzung das Subjekt der Aussage (und nicht Christus), vgl. LD VI.14,2f.: Sancta trinitas super celsitudinem exaltata resedit … (Rev. Bd. II.2, S. 631,17f.). Offenbar liegt hier ein alter Fehler vor. Gemeinsame Korruptelen findet man auch sonst im deutschen und lateinischen Überlieferungszweig des ›Fließenden Lichts‹, s. dazu S. 263f. weiter unten. 264 Vgl. S tierling (1907), S. 73. 265 S tierling ebd., S. 74 (Sperrung von S tierling ). der Handschriften Rb bzw. Rw erkannt: Die Schreiber beider Handschriften haben versucht, die Zusammengehörigkeit der beiden durch eine Interpolation auseinander gerissenen Textpartien auch optisch zum Ausdruck zu bringen, indem sie den Passus Dyabolus et sathanas … vom vorangehenden absetzen. 266 Es spricht demnach einiges für die Richtigkeit der Beobachtung von S tierling . Wie steht es nun aber mit dem Interpolierten selbst? Ohne die Ansicht von S tierling zu teilen, wonach der in FL VI.8 interpolierte Abschnitt FL II.3: 80,30f. (II.3,25f.) entnommen worden wäre, 267 halte ich es für durchaus denkbar, dass die Einbindung des neuen Textstückes über das Stichwort tugende erfolgte, vgl. … alse si das lobeliche glichnisse siner g o tlichen tugenden mit inen bringent. Ja, ein ieglich tugent, die hie in ertrich wirt gefrúmet … (FL VI.8: 446,23-25 [VI.8,7-9]). Auf eine solche Vorgehensweise trifft man auch sonst im ›Fließenden Licht‹. In dem FL V.24: 380,9-12 (V.24,34-36) vorangehenden Abschnitt ist von zwei Söhnen die Rede, die Gott von seiner Braut, der heiligen Christenheit gewonnen, und die sie an ihren Brüsten, dem alten und dem neuen Testament, aufgezogen hat. Bevor die zwei Söhne mit dem Dominikaner- und Franziskanerorden identifiziert werden, wird folgender Satz «ganz fremden Inhalts, in dem aber auch ‹die alte e und die núwe e› genannt werden», 268 eingeschoben: Dis sprach p ch únser herre: »Man solte nieman ze priester wihen, er k o nde denne beide, die alten e und die núwen e, wan uf einem f v sse mag nieman ze hove gan und p ch nit lange ze dienste stan.« Dass es sich um eine Interpolation handelt, ist offensichtlich. Dies hat selbst N eumann , einer der schärfsten Kritiker der S tierling schen Zerstückelungstheorie, nicht bestreiten wollen. Anders als S tierling , der solche und ähnliche Interpolationen 269 dem Redaktor zur Last legt, 270 scheint der «den Zusammenhang störende Einschub» - er fehlt im Übrigen in der lateinischen Übersetzung (vgl. LD II.14/ Rev. Bd. II.2, S. 493 bzw. LG II.14) - N eumann «von Mechthild selbst nachträglich eingesetzt zu sein, zumal der Hinweis auf den Hofdienst ihrer Vergleichssphäre entspricht.» 271 Und ein letztes Beispiel: FL VI.1 stellt das erste von insgesamt drei Kapiteln vom Anfang des sechsten Buches dar, die sich mit der rechten Lebensweise geistlicher Würdenträger (hier: von Ordensoberen) beschäftigen. In FL VI.1: 422,28-32 (VI.1,60-63) wird dem Ordensoberen nahegelegt, er solle die Bauwut seiner Mitbrüder bändigen und sie dazu anleiten, in ihrer Seele einen Palast für die heilige Dreifaltigkeit zu errichten, geziert mit dem zimber der heligen schrift und mit den steinen der edelen tugenden. Der darauf folgende, in der überlieferungskritischen Ausgabe vierzehn Zeilen um- Varianz in Textbestand und Textfolge 161 266 Vgl. Rb fol. 89 ra (LD VI.14,10/ Rev. Bd. II.2, S. 631,29) und Rw Bl. 208 (LG VI.14,16). Rb benutzt sogar die sonst für den Initialbuchstaben eines neuen Kapitels reservierte Lombarde, um den neuen Absatz zu kennzeichnen. 267 Vgl. S tierling (1907), S. 74. 268 S tierling ebd., S. 18. 269 Vgl. S tierling ebd., S. 17f. u.ö. Freilich sind nicht alle Belege, die S tierling zur Begründung seiner These von einer zumindest in Ansätzen planvollen Bearbeitung des ›Fließenden Lichts‹ anführt, so aussagekräftig wie die oben genannten. Dies hat dazu geführt, dass S tierling s Zerstückelungstheorie zum «peccatum originale seiner in manchem sonst nützlichen Arbeit» (N eumann 1954b, S. 65) erklärt wurde. 270 Vgl. S tierling (1907), S. 74. 271 N eumann (1993), S. 99, Anm. zu V.24,34-36. fassende Passus (422,32-424,8 [VI.1,63-73]) - es ist immer noch der Prior, der spricht 272 - fehlt LD V.13/ Rev. Bd. II.2, S. 600 bzw. LG V.10. Das Verbindungsglied zu dem im lateinischen Text fehlenden Teil stellt das Stichwort der erste stein her. Anders als B ecker , der den in LD fehlenden Passus für eine spätere Interpolation hielt, da «einem hervorgehobenen ‹ersten stein› (173,24 [= FL VI.1: 422,32]) kein zweiter, dritter etc. folgt», 273 ist N eumann der Ansicht, der erste stein sei «wohl als »Grundstein« aufzufassen, nicht als Beginn einer (dann unterlassenen) Aufzählung von mehreren »Steinen«.» 274 Dieses Urteil ist vom Standpunkt N eumann s her betrachtet nur allzu verständlich, erinnert doch die Hypothese, FL VI.1: 422,32-424,8 (VI.1,63-73) sei nach dem Stichwortprinzip hier eingeschoben worden, an S tierling s ‹Zerstückelungstheorie›, wo solche Eingriffe ja einem mit dem Textmaterial frei schaltenden Redaktor zugeschrieben werden (s. Anm. 270 oben mit Text). Dies will N eumann freilich nicht gelten lassen, denn er möchte S tierling s Ansichten über die Textgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ aus der Mechthild-Literatur am liebsten gänzlich verbannt sehen (s. Anm. 269 oben). Für ein solches Anathema liefert B ecker freilich keinen Anlass, denn für ihn steht außer Frage, dass es Mechthild selbst war, die den Abschnitt nachträglich eingeschoben hat. 275 Bemerkenswerterweise charakterisiert B ecker das in der ›Lux divinitatis‹ fehlende Textstück als «Auslassung» (ebd.), obwohl es von Mechthild erst eingeschoben worden sein soll, als der Text zur Übersetzung freigegeben wurde. Das heißt, die Übersetzer konnten die Passage noch nicht kennen, ergo auch nicht ausgelassen haben. Wenn sich Einschaltungen nach dem Stichwortprinzip auch sonst in E nachweisen lassen und wenn man mit B ecker und N eumann annehmen darf, dass sie von Mechthild selbst vorgenommen wurden, so wird man für das in der ›Lux divinitatis‹ um mehrere Zeilen versetzte Textstück FL V.23: 366,5-12 (V.23,50-55) die gleiche Originalität reklamieren dürfen wie für die sonstigen, nur aus E bekannten Interpolationen. Allerdings ist die Ansicht, Einschaltungen seien auktorial verantwortet, nicht zwingend und schon gar nicht beweisbar. Für Einschaltungen allgemein gilt das, was H auck in Bezug auf das Einschiebsel FL II.24: 380,9-12 (II.24,34-36, s.o.) festgestellt hat: «Freilich bleibt dabei die Frage offen, ob es auf Rechnung eines Redaktors oder der Verfasserin selber kommt.» 276 Die Frage nach der Zuweisung von Texten, die von dem jeweils anderen Überlieferungszweig her gesehen als Auslassung, Ergänzung oder Umstellung erscheinen, wird uns noch beschäftigen (s. dazu Kap. II.3). Mir kommt es hier auf etwas anderes an. Ich will darauf hinweisen, dass es keinen erkennbaren Grund dafür gibt zu behaupten, zur Versetzung von FL V.23: 366,5-12 (V.23,50-55) um mehrere Zeilen wäre es erst bei der Übersetzung gekommen, denn das zeilenversetzte Textstück könnte ja schon in der mittel- 162 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 272 Vgl. die Anrede Lieben br v dere, wir wellen buwen etc. (FL VI.1: 424,5 [VI.1,70f.]). Dass es sich um direkte Rede handelt, geht - anders als bei V ollmann- P rofe - aus der N eumann schen Ausgabe optisch nicht hervor. 273 B ecker (1951), S. 105. 274 N eumann (1993), S. 109, Anm. zu VI.1,63. 275 Vgl. B ecker (1951), S. 105. 276 H auck (1911), S. 190. niederdeutschen Vorlage der lateinischen Übersetzung enthalten sein, deren Autornähe hier nicht zur Diskussion steht. Zu der Annahme, dass der ›Lux divinitatis‹ eine von E partiell abweichende Version des deutschen Textes vorgelegen haben kann, veranlasst mich die Tatsache, dass FL V.23: 366,5-12 (V.23,50-55) nicht, wie von B ecker (s. S. 159, Anm. 259 mit Text) behauptet, der einzige Beleg für Textumstellung in der lateinischen Übertragung ist, sondern ihm noch weitere an die Seite gestellt werden können, die allerdings nicht über das Stichwortprinzip vorgenommen, sondern meist durch Zeilentausch erfolgt sind. Auch hierfür seien einpaar Belege genannt: FL V.23 weist in der ›Lux divinitatis‹ eine Reihe von Abweichungen dem deutschen Text gegenüber auf, unter anderem auch Umstellungen. So wird FL V.23: 368,1 (V.23, 75): Die engele sungen gotte einen lobesang vorgezogen und nach brust (366,29 [V.23, 68]) eingefügt (vgl. LD I.13,24f./ Rev. Bd. II.2, S. 459,3f. bzw. LG I.13,40f.). Eine weitere unauffällige Umstellung findet sich gegen Ende des Kapitels. E liest: Aber blibet er [Jesus] reine von allen súnden und nimet man im sinen lip unverschuldet, so geh o rt er nit z v der helle, wand nie engel noch mensche wart ane schulde verd u met (374,17-20 [V.23,173- 175]). In der lateinischen Übersetzung schließt sich wand - verd u met dem im deutschen Text vorangehenden Satz an: mer er [Jesus] selber m v s mit den erbesúnden varen z v der helle (vgl. LD I.17,21-23/ Rev. Bd. II.2, S. 463,24-27 bzw. LG I.17,27f.). Im Kapitel FL III.9 wird an einer Stelle berichtet, noch vor der Erschaffung des Menschen hätte die Dreifaltigkeit den Entschluss gefasst, die Engel zu erschaffen. Gottvater willigte ein. Daraufhin liest man im deutschen Text: Do der engel geschaffen was, ir wissent wol, wie es geschach! Were der engel val vermitten, der mensch m u ste doch geschaffen wesen. Der helig geist teilte mit den engeln sine miltekeit, das si úns dienent und sich vr o went aller únser selekeit (174,32-176,4 [III.9,18-21]). Im lateinischen Text fehlt der an das Vorwissen der Leser appellierende Satz. Auch ist die Reihenfolge der beiden nachfolgenden Sätze vertauscht (vgl. LD I.5,13-16/ Rev. Bd. II.2, S. 451,3-6 bzw. LG I.5,19-23). FL IV.22 handelt von der Vision eines Dominikaners namens Heinrich. Vor der Schilderung seiner Aufnahme in den Himmel durch Gott bzw. Dominikus findet man eine Hommage auf den Ordensgründer, der wie ein Nachtrag wirkt: Sant Dominicus ist vor den andern [in 290,20 (! ) war von jenen Predigerbrüdern die Rede, die sich wie Heinrich wegen ihres Lebenswandels als würdig erwiesen haben, ausgezeichnet zu werden] unzellich sch o ne, wan er hat von ieglichem br v der sunderlich wirdekeit ze lone. Ich sach in sunderlich gekleidet an drierleie wirdekeit. Er treit ein wisses kleit der angebornen kúscheit, dar z v ein gr u n kleit der wahsenden gotz wisheit und da z v ein umbespenget rot kleit, wan er die marter geistlichen leit (290,27-32 [IV.22,27-31]). Unmittelbar danach stößt man auf folgenden Satz mit einem unvermittelten Subjektwechsel: Si [gemeint sind die in 290,20 genannten Predigerbrüder! ] hant ein herzeichen von des ordens wirdekeit, das nieman me treit: ein sch o nú baner gat in vor; den volgent alle die nach, die hie an irme rate stant. Den letzten Satz findet man in der lateinischen Übersetzung vorgezogen. Man liest hier: Sequebantur autem omnes predicatores . ac eorum consilijs adherentes insigneque preferebatur uexillum quod nulli nisi ipsorum erat congruum dignitati (LD II.35,30-32/ Rev. Bd. II.2, S. 512,14f., LG II.32,39-41: Do Varianz in Textbestand und Textfolge 163 volgent hernach alle prediger vnd die so yren raeten haben angehangen · vnd Solcher wurdigkayt ward vorgetragen ein heerlichs fenlin). 277 FL V.4 enthält gegen Schluss eine Reihe von parallel laufenden Sätzen, die einzelne Eigenschaften der unverwandelten Seele herausstellen und sie mit denen einer verherrlichten Seele konfrontieren. In der lateinischen Übersetzung erscheint FL V.4: 328,34 (V.4,60): si ist also k u ne, si ist aber also stark nit um zwei Positionen weiter nach hinten verschoben und folgt erst auf vr o lich nit (328,36 [V.4,61], vgl. LD IV.36,17/ Rev. Bd. II.2, S. 569,5 bzw. LG IV.34,25). FL V.7 besteht aus einem fünfgliedrigen widerlob der Seele. Die beiden letzten Apostrophen der Seele: du bist ein v o gtin der túfeln, du bist ein spiegel der inwendigen anschowunge tauchen in LD IV.16,12f. (Rev. Bd. II.2, S. 554,1f.) in vertauschter Reihenfolge auf (Text von LG IV.15 beschädigt). FL I.29 weicht sowohl in der Reihenfolge als auch im Bestand der Passionsstationen von dem Text ab, den LD I.23,7f. (Rev. Bd. II.2, S. 468,3f.) als Übersetzungsäquivalent bietet (ähnlich LG I.23,8f.). Auf Umstellungen stößen wir auch im zweiten compassio-Kapitel des ›Fließenden Lichts‹ (III.10). Wie in FL I.29 ist die passio christi das strukturgebende Prinzip, allerdings ist es hier nicht mehr der Herr, der die Seele mit dem Verweis auf seine Passion zur Nachfolge aufruft, sondern die Seele selbst ist das Subjekt. Umgestellt werden Sätze an folgenden zwei Stellen der lateinischen Übersetzung: Si treit ir crútze in einem s u ssen wege, wenne si sich gotte werlich in allen pinen gibet. Ir h p bt wirt gesclagen mit einem rore, wenne man ir grosse helikeit glichet einem toren 184,5-8 (III.10,26-28), vgl. LD I.22,16f./ Rev. Bd. II.2, S. 467,24-26 bzw. LG I.22,24-26, und So wirt si denne in einem heligen ende von irem crútze genomen. So spricht si: »Vatter, enpfahe minen geist, nu ist es alles vollekomen« 184, 27-29 (III.10,40-42), vgl. LD I.22,26f./ Rev. Bd. II.2, S. 468,5-7 bzw. LG I.22,40-42. Die Umstellungen sind nicht jener Art, dass sie den Inhalt wesentlich verändern würden. Sie reichen nicht, um - setzt man sie für die deutsche Vorlage der ›Lux divinitatis‹ an - von «Neufokussierung» oder «Fokusverschiebung» (S chiewer ) sprechen zu können (s. dazu S. 87 oben). Auch sind sie nicht systematisch vorgenommen worden, sondern scheinen eher akzidentieller Natur zu sein, weshalb ich vor dem Hintergrund der von B umke angestoßenen Textualitätsdebatte auch dazu neige, nicht von Fassungen, sondern von Versionen zu reden: Dieser Begriff scheint mir terminologisch weniger vorbelastet zu sein. Wenn die genannten Umstellungen in der Forschung bis jetzt überhaupt registriert wurden, hat man sie den Übersetzern des ›Fließenden Lichts‹ zugeschrieben. 278 E kommt also die Funktion zu, die authentische 164 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 277 Das recte Gesetzte fehlt in Rb und Rw, nicht jedoch bei Dietrich von Apolda. Dies lässt auf einen Defekt in der oberdeutschen Handschriftentradition der ›Lux divinitatis‹ schließen, zu deren Heilung Dietrich auch sonst die eine oder die andere Lesart beizusteuern vermag. Zur Emendation von LD II.35,30f. (Rev. Bd. II.2, S. 512,14f.) s. S tier ling (1907), S. 10f. und B ecker (1951), S. 15. 278 Vgl. N eumann und B ecker zu FL V.23: 366,5-12 (V.23,50-55, s. S. 159, Anm. 260 mit Text). Ähnlich äußert sich T aigel (1955), S. 67, Anm. 2 zu FL III.9: 174,32-176,4 (III.9,18-21). Satzfolge zu verbürgen. Wohl hat man vereinzelt erwogen, die ursprüngliche Reihenfolge könnte in der ›Lux divinitatis‹ erhalten geblieben sein, 279 doch war diese Erwägung mit der Annahme verbunden, im deutschen Überlieferungszweig liege eine Störung, ein ‹echter Zeilentausch› (B ecker ) vor, der nach der Variante der ›Lux divinitatis‹ zu beheben sei. Eine solche Einschätzung des textgeschichtlichen Befunds war nur möglich, weil man davon ausging, die ›Lux divinitatis‹ hätte eine mittelniederdeutsche Handschrift zur Vorlage gehabt, aus welcher auch E hervorgegangen ist. Dass die oben aufgeführten Varianten der lateinischen Übersetzung auf eine in der Textfolge von E partiell abweichende Version des ›Fließenden Lichts‹ zurückgehen können, zog man dagegen nicht in Betracht. 280 Mit dieser Möglichkeit ist jedoch zu rechnen, wie der Blick auf eine bislang übersehene Exzerptüberlieferung von FL III.10 zeigt. Wie sein lateinisches Pendant (s.o.) weist dieses Kapitel, das in einer heute als verschollen geltenden Handschrift überliefert ist, charakteristische Abweichungen in Textfolge und zum Teil in Textbestand gegenüber E auf, die durch kopiale Überlieferung entstanden sind. Überlieferungsbedingt können auch manche oben angeführten Umstellungen sein, die den lateinischen Text gegenüber dem deutschen auszeichnen. In diesem Fall wäre die deutsche Vorlage der ›Lux divinitatis‹ keine Handschrift, die, wie immer behauptet, dem Original besonders nahe stand, sondern ein bereits in die kopiale Überlieferung eingegangenes Exemplar des ›Fließenden Lichts‹, dessen Autornähe ich an dieser Stelle offen lassen will (s. dazu S. 272ff. weiter unten). Streng genommen haben wir es nicht mit einem Neufund zu tun. F ranz J oseph M one hat 1846 aus einer damals im Privatbesitz des Generalleutnant Joseph Maria von Radowitz (1797-1853) in Karlsruhe befindlichen Handschrift mehrere Texte veröffentlicht. 281 In jenem Teil seines Buches, das dem Thema ‹Leiden Christi bei den Mystikern› gewidmet ist, druckt M one unter dem handschriftlichen Titel Dis ist ein passio einer minnender sele, die si hat in der waren gottis liebi einen Text ab, 282 den R omuald B anz und E lisabeth S chwarz -M ehrens unabhängig voneinander als Exzerpt aus Mechthilds ›Fließendem Licht‹ (Kap. III.10) identifizierten (Sigle: R). 283 Obwohl die Dissertation von S chwarz -M ehrens keineswegs unbekannt ist, hat die Mechthild-Forschung von Varianz in Textbestand und Textfolge 165 279 Vgl. O ehl (1911), S. 95, Anm. 2 zu FL III.10: 184,5-8 (III.10,26-28): «Dieser und der nächste Satz sind im altdeutschen Text umgestellt, im lateinischen in rechter Folge.» Derselben Meinung sind die Herausgeber der ›Revelationes‹, vgl. Rev. Bd. II.2, S. 467,24- 26. Die Sicherheit, mit der O ehl an dieser Stelle zwischen richtig und falsch zu entscheiden versteht, verwundert eigentlich, geht er doch davon aus, dass die lateinische Übersetzung auf einer von E abweichenden deutschen Vorlage gründet (zu den Hintergründen s. Kap. II.1.1). 280 Dies gilt auch für die Kapitelfolge, wenn auch nicht in dem von Teilen der früheren Forschung vermuteten Umfang, s. dazu Kap. II.1.2. 281 Vgl. M one (1846). Zu den einzelnen Texten s. S. 477f. weiter unten (R). 282 Vgl. M one (1846), Bd. 1, S. 129-131. 283 Vgl. B anz (1908), S. 51, Anm. 1 und S chwarz -M ehrens (1985), S. 9, Anm. 2 und S. 157, Anm. 2. dieser Handschrift keine Notiz genommen. Nicht einmal S chwarz -M ehrens selbst scheint sich dessen bewusst gewesen zu sein, dass es sich um eine bislang unbekannte Exzerptüberlieferung des ›Fließenden Lichts‹ handelt. Die Handschrift gilt als verschollen. 284 Den Nachlass des 1853 verstorbenen Generalleutnant Joseph Maria von Radowitz, der seit 1842 einige Zeit als preußischer Gesandter in Karlsruhe lebte, 285 hat die Königliche Bibliothek Berlin von einem Nachfahren, dem Generalmajor Clemens von Radowitz (1832-1890), im Jahre 1894 erworben. 286 Unser Band scheint nicht nach Berlin gekommen zu sein. Kurt Heydeck (Berlin) hat auf eine briefliche Anfrage von Klaus Klein (Marburg) hin die im Akzessions-Journal aufgeführten Handschriften aus dem Nachlass Radowitz überprüft, konnte jedoch keine Handschrift finden, die die von M one abgedruckten Texte aufweist. 287 Heydeck hält es für denkbar, dass Teile des Radowitz-Nachlasses anderswohin verkauft worden sind. 288 Alles, was wir über die Handschrift wissen, verdanken wir den lapidaren Mitteilungen von M one . Demnach haben wir es mit einem Band im Kleinoktavformat (Duodecim) zu tun. Beschreibstoff ist Pergament, was auf das hohe Alter der Handschrift schließen lässt. M one s Datierung in das 13. Jahrhundert 289 kann für den Auszug aus dem ›Fließenden Licht‹ (fol. 18ff.) unmöglich zutreffen, denn es handelt sich um einen Textzeugen der oberdeutschen Mechthild-Überlieferung (s. dazu unten). Im oberdeutschen Raum ist der Text nach unseren jetzigen Kenntnissen jedoch erst 1343-45 bekannt geworden. Von daher neigt man eher zu einer Datierung auf die Mitte bzw. die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts (s. dazu auch Anm. 299 weiter unten). Ins 14. Jahrhundert weist außer dem Mechthild-Exzerpt auch der dem bairisch-österreichischen Raum entstammende Beichtspiegel (fol. 1-4). 290 Nach einer Mitteilung von Ullrich 166 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 284 Als verschollen wird die Handschrift schon von S trauch (1910), S. 260 gemeldet. 285 Zu Radowitz s. ADB 27 (1888), S. 141-152 (R. von L iliencron ), DBE 8 (1998), S. 118 (H ans -C ristof K raus ) und NDB 21 (2003), S. 99f. (B ärbel H oltz ). 286 Vgl. Z iesche (2002), S. 169. Folgende Radowitz-Handschriften werden heute in der Staatsbibliothek Berlin aufbewahrt: Ms. theol. lat. oct. 140, Ms. theol. lat. qu. 277, Ms. germ. oct. 388 (Mua.: nürnbergisch), Ms. germ. fol. 1157 (Mua.: nordbair.), Ms. germ. fol. 1158 (Mua.: mittelbair.) und Ms. germ. fol. 1159 (Mua.: schwäbisch). 287 Mitteilung von Kurt Heydeck an Klaus Klein vom 21.10.2002, s. Handschriftencensus http: / / www.mr1314.de/ 1375 (Privatbesitz Joseph Maria von Radowitz, Karlsruhe, Stand: Februar 2009). 288 Zitiert aus der Mitteilung von Heydeck an Klein (Auskunft von Klaus Klein, Marburg). Wieviele Handschriften Radowitz gehört haben, ist unbekannt. Zwar gibt es einen Katalog der Sammlung aus dem Jahre 1864, Handschriften sind hier jedoch nicht verzeichnet, vgl. H übner -T rams (1864). 289 Vgl. M one (1846), Bd. 1, S. 129 und Bd. 2, S. 351. 290 Abgedruckt bei M one (1846), Bd. 2, S. 111-114. Dabei könnte es sich um eine Variante der von W eidenhiller (1965), S. 240-242 verzeichneten Beichtspiegel Nr. 4 (München, BSB, Cgm 827) oder Nr. 8 (München, BSB, Cgm 771) handeln. Vom Initium her sind sie einander ähnlich, unterscheiden sich jedoch im Textbestand. Weitere Beichtspiegel mit vergleichbarem Initium bieten: Augsburg, UB, Cod. III 1 8° 18, fol. 189 v- 191 v , Mainz, StB, Hs I 221, fol. 22 r- 23 v , München, BSB, Cgm 763, fol. 76 r- 78 v , Nürnberg, GNM, Hs 6805a, fol. 23 r- 24 r . Allerdings gehören gerade Beginn und Schluss zu den stabilsten Teilen eines Beichttextes. Sie ähneln sich daher häufig, während der meist aus Sünden- und Bruchhold findet sich die Eingangsformel Ich gibe mich schuldik unserm herren und meiner frauwen sent Marien und allen gotes heiligen und eu priester an gotis stat etc. mit geringfügigen Abweichungen in einer Vielzahl von Beichttexten seit dem beginnenden 13. Jahrhundert. Der Zusatz an gotis stat tritt dagegen in den deutschsprachigen Beichten erst um 1300 auf, und zwar neben der Radowitz-Handschrift nur noch in einer gleichaltrigen Münchner und einer erst kürzlich aufgefundenen Frankfurter (Fragment)Handschrift, die ursprünglich aus dem Benediktinerkloster Engelberg stammt und aller Wahrscheinlichkeit nach auch dort geschrieben wurde (Datierung: 70er-80er Jahre des 14. Jahrhunderts). 291 Ullrich Bruchhold zweifelt an der Datierung von M one , denn ihm zufolge spricht der Sprachbestand des Beichtspiegels eher für das Bairische des 14. Jahrhunderts. Was die Provenienz von R betrifft, teilt uns M one Folgendes mit: «die Handschrift kommt aus Nürnberg.» 292 Allerdings ist der Aussagewert dieser Provenienzangabe sehr beschränkt, denn es ist unklar, ob dies bedeuten soll, dass sie in Nürnberg geschrieben wurde oder mit einem Nürnberger Besitzervermerk versehen war, in Nürnberg erworben wurde oder sich zu jener Zeit in Nürnberg befand. 293 Außer dem Mechthild-Exzerpt und dem Beichtspiegel druckt M one eine Abhandlung über die sieben Todsünden (fol. 31-40, Mua.: alem.) 294 und die Messauslegung ›Von den Zeichen der Messe‹ (Fassung A) Bertholds von Regensburg (fol. 5-12, Mua.: md.) ab. 295 Aus überlieferungsgeschichtlicher Sicht ist die Berthold-Predigt von einem gewissen Interesse, denn sie ist auch in Mainz, StB, Hs I 221, fol. 61 r -76 r (Mitte/ 3. Viertel des 14. Jahrhunderts, Kartause Mainz, rheinfränk.) überliefert, in einer Handschrift wohlgemerkt, die auch den oben genannten Beichtspiegel auf fol. 22 r -23 v enthält. Aller- Varianz in Textbestand und Textfolge 167 Tugendkatalogen bestehende Hauptteil keine hohe textübergreifende Stabilität aufweist und häufig aus verschiedenen Quellen zusammengesetzt worden zu sein scheint. Deshalb sagt die angeführte Parallelüberlieferung - die Angaben beruhen auf den Initien und Schlusszeilen der in modernen Beschreibungskatalogen verzeichneten Beichtspiegel - nichts über die Verwandtschaft dieser Texte aus. Nach einer Mitteilung von Ullrich Bruchhold (Berlin/ München) dürften nur die wenigsten Beichten unmittelbar voneinander abhängen. Eine Handschrift des Beichttextes, der mit dem von M one abgedruckten verwandt wäre, findet sich unter der von B ruchhold gesichteten Überlieferung nicht, vgl. B ruchhold (2010). 291 Es handelt sich um München, BSB, Clm 213, fol. 187 r- 188 v (abgedruckt bei K oeniger 1908, S. 291-295) und Frankfurt, Stadt- und UB, Fragm. lat. III.41, fol. 3 vb (fragm.). Den Hinweis auf die Frankfurter Bruchstücke und Digitalisate verdanke ich Nigel F. Palmer. Für Angaben zur Datierung und zum Entstehungsort danke ich Mathias Stauffacher (Basel). Zur Handschrift s. demnächst W etzel / F lückiger / N emes / S tauffacher (2011). 292 M one (1846), Bd. 2, S. 351. 293 Das ist der Grund, warum die Provenienzangabe Nürnberg im Handschriftencensus unberücksichtigt blieb (briefliche Mitteilung von Klaus Klein, Marburg). Den Hinweis auf Nürnberg sollte man trotzdem nicht aus den Augen verlieren, zumal einer der von M one nach der Radowitz-Handschrift abgedruckten Texte (der Beichtspiegel) bairisch-österreichische Schreibsprache aufweist. Ins Bairische weisen auch die meisten nach Berlin gekommenen deutschen Handschriften aus dem Nachlass von Radowitz (s. Anm. 286 weiter oben). 294 Vgl. M one (1846), Bd. 1, S. 326-336. 295 Vgl. M one (1846), Bd. 2, S. 351-359. dings bieten die Mainzer und die ehemals Radowitz-Handschrift unterschiedliche Fassungen der beiden Texte. 296 In mehreren Handschriften und in ähnlicher Zusammenstellung sind die Texte auf fol. 29 r -45 v der Mainzer Handschrift (unbekannte Hohelied-Predigten, ein Traktat über die Engel, ein Traktat über die Vollkommenheit, eine Ars-Moriendi-Predigt u.a.m.) ebenfalls überliefert: Dillingen, Kreis- und Studienbibliothek, Cod. XV 129 (um 1450, südrheinfränkisch), Mainz, StB, Hs I 51 (Mitte 15. Jahrhundert, Mainzer Kartause, rheinfränkisch), Hamburg, SUB, Theol. cod. 1082 (Mitte 15. Jahrhundert, rheinfränkisch) und Freiburg/ Br., UB, Cod. 63 (um 1455-58, Augustinereremiten St. Anna zum Grünen Wald in Freiburg, oberrheinisch, Vorlage: Mainz, StB, Hs I 51 oder Hamburg, SUB, Theol. cod. 1082). 297 Interessanterweise treten der Beichtspiegel und die Berthold-Predigt mit dem aszetisch-mystischen Textkomplex außer in der Mainzer Handschrift I 221 auch in der Dillinger Handschrift Cod. XV 129 im Überlieferungsverbund auf. Allerdings stehen die beiden Texte in der Dillinger Handschrift in zwei unterschiedlichen Faszikeln, die nur die Schreibsprache miteinander verbindet: Teil II datiert auf 1447 und ist von Johannes Syfer, Frühmesser in Sinsheim/ Rhein-Neckar-Kreis geschrieben und Teil III dürfte um die gleiche Zeit entstanden sein. 298 Der Dillinger Beichtspiegel stellt eine andere Fassung dar als diejenige, die in der Mainzer und Radowitz-Handschrift enthalten ist. Die Berthold-Predigt steht dagegen der Mainzer Fassung nahe. In welchem Überlieferungszusammenhang all diese Handschriften stehen, sollte näher untersucht werden. Kommen wir nun zum Mechthild-Exzerpt. Wie verhält es sich textgeschichtlich zur bekannten Überlieferung? Mit R liegt ein weiterer Textzeuge der Basler Übertragung des ›Fließenden Lichts‹ vor. Schreibdialektale Merkmale weisen auf den Oberrhein als Provenienzgebiet hin. 299 FL III.10 ist außer in R nur noch in E und W überliefert. Keine von beiden kann die unmittelbare Vorlage von R gewesen sein. Im Einzelnen lässt sich Folgendes sagen: E und W stehen einander näher, denn dort, wo E und W zusammengehen (*EW), bietet R Sonderlesarten (vgl. S. 478f. weiter unten, Apparat zu R). Gelegentlich kommt es allerdings auch vor, dass dort, wo E und W unterschiedliche 168 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 296 Zur Berthold-Predigt vgl. die Textabdrucke bei M one (Anm. 295 oben) und B entzinger (2000), S. 5ff. - Zum Beichtspiegel s. M one (Anm. 290 oben) und den Textabdruck nach der Mainzer Handschrift in der Münchner Dissertation von B ruchhold (2010). 297 Zu diesem Textverband s. N aser (1995), S. 235-237. 298 Vgl. W underle (2006), S. 274-281. 299 Nhd. Diphtongierung und Monophtongierung ist nicht durchgeführt. Mhd. <â> wird <a> geschrieben, mhd. <ei> bleibt <ei>. Das östliche Südalem. und das Schwäb. scheiden damit aus. Gegen das Ostalem. spricht auch die fehlende Gutturalisierung von <k>. Das Niederelsässische kommt ebenfalls nicht in Frage, weil die Rundung von <a> zu <o> nicht auftritt. Es bleibt das Westalemannische, genauer das Oberrheinische. Dafür sprechen folgende Merkmale: Wir stoßen auf <i> im Nebenton bei Substantiven wie liebi und gottis (s. dazu K leiber / K unze / L öffler 1979, S. 196 und Bd. 2, Karte 95). <s> steht für <sch> vor l in gehalsleget, geslagen, mensliche (s. dazu ebd., Bd. 1, S. 264 und Bd. 2, Karte 173). Außerdem begegnen uns die Endung -ent der 3. Pers. Sg. Präs. sowie die Wortformen dur (s. dazu ebd., Bd. 1, S. 301 und Bd. 2, Karte 210), nit/ niht (s. dazu ebd., Bd. 1, S. 119 und Bd. 2, Karte 24) und swenne (s. dazu ebd., Bd. 1, S. 270-271 und Bd. 2, Karte 179 und 180). Diese letztere Form sowie die <s>-Schreibung dokumentieren im Übrigen einen Sprachstand des 14. Jahrhunderts, vgl. K leiber / K unze / L öffler (1979), Bd. 1, S. 264 und S. 270. Lesarten haben, R wechselweise mit einer der beiden zusammengeht, vgl. ez (das Fleisch) nit enweke R 5f.] si (die Seele) nit wenke E, sie nit weche W (s. dazu auch S. 480f. weiter unten, Anm. zu R 5f.) - verbunden R 7] verbunden E, ir verbunden W - ir got R 10] got ir E, got W - hat irkant R 14] bekennet E, bechant W (s. dazu auch S. 481 weiter unten, Anm. zu R 13f.) - ze zime lobe R 19] ze sinem lobe E, noch sinem lobe W - trunke R 23] trunke E, trucht W und gerne R 23] vil gerne E, gerne W. In manchen Fällen wird das textgeschichtliche Primat von Varianten, die in *EW und R scheinbar gleichwertig nebeneinander stehen, durch den lateinischen Text zugunsten von *EW entschieden, vgl. sunde R 11] súnden vleken E, súnden wegen von ir W, peccatorum maculas (LD I.22,8/ Rev. Bd. II.2, S. 467,10f., LG I.22,11f.: der massen yerer súnd) - ze liplichen dingen R 17] z v irem lichamen E (W), corpori suo necessaria (LD I.22,11f./ Rev. Bd. II.2, S. 467,18, LG I.22,17f.: dem leib notdorfft) - der minneklichen minne R 21f.] der starken minnel p ffe E (W), fortis amoris (LD I.22,18/ Rev. Bd. II.2, 467,28, LG I.22,27: der starcken liebin) - gef v ret R 26] geh o het E (W), erigitur (LD I.22,21/ Rev. Bd. II.2, S. 467,33, LG I.22,32: wirt vfferhebt) und flúzet R 27] vliessent us irem herzen E (W), de cuius corde profluit (LD I.22,23/ Rev. Bd. II.2, S. 468,1f., LG I.22,36: von welcher hertz herfúr fleúst). Manchmal verhält es sich jedoch auch umgekehrt, das heißt, die lateinische Übersetzung stützt R gegen *EW, vgl. der túfel … anvichtet R 12] die túfel … anvehtent E (W), a dyabolo … temptatur (LD I.22, 10/ Rev. Bd. II.2, S. 467,14, LG I.22,15: vom tufel wirt angefochten) - der ungesichteklichen minne R 27] der unschuldiger minne E (W), ceci amoris (LD I.22,23/ Rev. Bd. II.2, S. 468,1, LG I.22,35: der liebin), s. dazu auch S. 481f. weiter unten, Anm. zu R 27 - in ein grab R 29] in ein besclossen grab E (W), in sepulchro (LD I.22,27/ Rev. Bd. II.2, S. 468,7, LG I.22,43: in das grab) und mit einer wnneklichen schar der tugenden R 33f.] mit maniger tugentlicher schar E (W), cum uirtutum turmis (LD I.22,33/ Rev. Bd. II.2, S. 468,16, LG I.22,52: mit scharen der túgenden). Es wäre sicherlich vorschnell, weitreichende Schlussfolgerungen allein aus den Übereinstimmungen zwischen R und dem lateinischen Text zu ziehen, gäbe es nicht eine Stelle, die R bzw. *R in die Nähe der lateinischen Übersetzung rückt: Die E-Zeile wan si [die Seele] trunke vil gerne den lutern win von allen gotz kinden (FL III.10: 184,12f. [III.10,30f.]) entspricht in R unt trunke gerne lutern win, daz ist luters lebennes begert si von allen gottiskinden (Z. 22f.). daz ist luters lebennes begert si wirkt hier wie ein Einschub. Ein ähnliches Interpretament zu win - es dürfte sich ursprünglich um einen Randvermerk gehandelt haben, ablesbar an der Einleitungsformel das ist 300 - findet Varianz in Textbestand und Textfolge 169 300 Marginalien mit ähnlicher Einleitungsformel findet man in E und Rb immer wieder. Zu E vgl. Id est cum (zu FL I.44: 62,1 [I.44,52]) — Das ist Christus got unde mensche (zu FL II.21: 112,7 [II.21,6]) — i[d est] an der sul (zu FL III.10: 182,28 [III.10,17]) — Das ist den túfeln (zu FL V.1: 318,30 [V.1,24], ähnliche Glosse in Rb zu LD II.4,17/ Rev. Bd. II.2, S. 483,23, fehlt LG II.4). Zu Rb vgl. id est quam in celo habuimus ante casum nostrum (mit Einweisungszeichen zu LD I.17,10f./ Rev. Bd. II.2, S. 463,10, entsprechend FL V.23: 374,3 [V.23,162], fehlt LG I.17) und id est cum amaritudine (zu LD IV.2,10/ Rev. Bd. II.2, S. 541,5, entsprechend FL II.23: 118,12 [II.23,41f.], fehlt LG IV.2). Eine in den Text geratene Glosse stellt womöglich auch FL III.9: 178,21 (III.9,63f.): Dis ist der propheten sin dar. Dieser Satz ist sinnstörend. V ollmann- P rofe (2003), S. 756, Anm. zu 178,21-23 will durch Umstellung Herr über das Problem werden, das dieser Satz bereitet, und meint: «Es muß ein alter Fehler vorliegen: Die Rev. haben den Satz nicht übersetzt.» Diese Ansich auch in der ›Lux divinitatis‹: uinum merum salutis […] cupiens (LD I.22,19/ Rev. Bd. II.2, S. 467,30). Allerdings begehrt die Seele hier nicht ein lauteres Leben wie in R, sondern den s u ssen wein des heils, wie es in der alemannischen Rückübersetzung (LG I.22,29) heißt. Es stellt sich die Frage, ob der Einschub in R in Anlehnung an den lateinischen Text formuliert wurde oder ob es sich um eine alte, bis zur mittelniederdeutschen Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹ zurückreichende Glosse handelt, die vom lateinischen Übersetzer in den Text gezogen, im anderen Überlieferungszweig des ›Fließenden Lichts‹ dagegen eine Zeit lang am Rande tradiert wurde, bis sie spätestens in *EW ausgefallen ist. Die Tatsache, dass die Handschrift, aus der R exzerpiert wurde, Glossen hatte, kann einer anderen Stelle entnommen werden. In der Höhe von Sie wirt geschreiget gesclagen findet man in E den Randvermerk: i[d est] an der sul. Mit dieser erläuternden und klar stellenden Wortglosse zu geschreiget - V ollmann -P rofe zufolge steht hinter der E-Lesart mhd. schreigat, ein nicht eben häufiges und daher leicht missverständliches Wort für Säule 301 - wurde der deutsche Text nicht erst in E versehen, denn sie taucht auch in R auf, allerdings nicht am Rande, sondern bereits im Text: so wirt si z v der súle geslagen (Z. 16). 302 Dies zeigt, dass das Glossenwerk, das den deutschen Text begleitet, unmöglich erst in E eingeführt worden sein kann, sondern um einige Textstufen zurück liegt. Man fragt sich, wie weit die Glossen zurückverfolgt werden können. Was die Querverweise betrifft, lässt sich mit großer Sicherheit sagen, dass sie bereits in der mittelniederdeutschen Vorlage der lateinischen Übertragung standen (s. dazu Kap. II.1.2). Dasselbe wird man auch für den Großteil der Wortmarginalien annehmen dürfen. 303 Demnach könnte die Glosse daz ist luters lebennes begert si sehr wohl ein Relikt im deutschen Überlieferungszweig sein, die sich bis R behauptet hat. Es ist also 170 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ nahme ist nicht zwingend, denn das Fehlen von FL III.9: 178,21 in LD I.8,14/ Rev. Bd. II.2, S. 452,35 bzw. LG I.8,20 lässt sich auch damit erklären, dass es sich ursprünglich um eine Glosse handelte (so T aigel 1955, S. 75, Anm. 2). Sie kann schon in der Vorlage der lateinischen Übersetzung gestanden haben (in diesem Fall wäre sie von den Übersetzern übergangen worden) oder erst in der zu E hinführenden Tradition in den Text gelangt sein. Die gleiche Provenienz ist für folgende Kapitelschlüsse anzunehmen: FL I.4: 28,3f. (I.4,11f.): Dis ist ein hovereise der minnenden sele, die ane got nút wesen mag (fehlt LD IV.24/ Rev. Bd. II.2, S. 559 bzw. LG IV.23) — FL I.9: 32,16f. (I.9,4): Glosa: das ist úber Seraphin (fehlt LD IV.8/ Rev. Bd. II.2, S. 546 bzw. LG IV.7) — FL I.11: 34,6 (I.11,3): Dis sint die vier, die gotte in sinem strite wol behagent (fehlt LD IV.10/ Rev. Bd. II.2, S. 547 bzw. LG IV.9) — FL I.35: 54,3 (I.35,15): So wonestu in der waren w u stenunge (fehlt LD V.23/ Rev. Bd. II.2, S. 609 bzw. LG V.18). Aber: FL I.28: 48,23 (I.28,10f.): Das ist der toren torheit: die lebent ane herzeleit (= LD IV.10,16/ Rev. Bd. II.2, S. 548,19f. und LG IV.9,23f.). Auch hier fragt man sich, ob es sich um Zusätze handelt, die auf Mechthild zurückgehen (so V ollmann- P rofe 2003, S. 710, Anm. zu 32,16f. in Bezug auf FL I.9: 32,16f. [I.9,4]), oder um Randvermerke von Rezipienten, die im Laufe der Überlieferung in den Text übernommen wurden. 301 Vgl. V ollmann- P rofe (2003), S. 757, Anm. zu 182,28. 302 Nach einem R vergleichbaren Prinzip emendiert V ollmann- P rofe (2003) handschriftliches Sie wirt geschreiget gesclagen in Si wirt an der schreigat gesclagen (182,28). Anders N eumann : Sie wirt gestreichet und gesclagen (III.10,17). 303 Vgl. V ölker (1967), S. 56 und N eumann (1993), S. 207. Ergänzend dazu S. 257ff. weiter unten. nicht auszuschließen, dass sie den Übersetzer zur Formulierung uinum merum salutis […] cupiens veranlasst hat. Denkbar ist, wenn auch weniger wahrscheinlich, dass die Glosse erst in der oberdeutschen Tradition und in Kenntnis der ›Lux divinitatis‹ eingefügt wurde, liefern doch E und vielleicht auch B Indizien dafür, 304 dass die Möglichkeit, den deutschen Text mit dem lateinischen zu vergleichen, in der oberdeutschen Mechthild-Überlieferung immer wieder gegeben war. Trotz der Schwierigkeiten, die die Sonderlesarten bei der Bestimmung des genauen Verhältnisses von R zu *EW bereiten, eines lässt sich mit einiger Sicherheit feststellen: Zwischen R und der Basler Übertragung des ›Fließenden Lichts‹ liegen mehrere Abschriften, denn R teilt ein Korruptel mit *EW (s. S. 481 weiter unten, Anm. zu hern R 15) und weist eine Variante auf, die durch Abschreiben entstanden zu sein scheint, vgl. minne truwe R 33] minnerúwe E (W), FL III.10: 184,38 (III.10,47, amoris penitencia, LD I.22,31/ Rev. Bd. II.2, S. 468,12, LG I.22,48f.: in búßwertigkeyt seiner liebin). 305 An einer Stelle lässt R eine von N eumann aus *EW erschlossene mittelniederdeutsche Wortform noch durchschimmern (s. dazu S. 481 weiter unten, Anm. zu arcliche begriben R 13). R zeichnet ein ‹konsumatorischer› Umgang mit dem Kapitel III.10 des ›Fließenden Lichts‹ aus. Mehrere Passionsstationen fehlen, ohne dass ein Grund erkennbar wäre (vgl. S. 478f. weiter unten, App. zu R 4, 17, 19 usw.). Es kommt zu Zeilentausch (vgl. S. 479 weiter unten, App. zu R 11f.). Darüber hinaus - und das kann als typisch für R gelten - werden Sätze zersetzt, die Satzteile versetzt bzw. neu zusammengesetzt (vgl. S. 480 weiter unten, vor allem App. zu Z. 33-37). An einer Stelle taucht sogar eine Pluszeile auf: Nachdem die Seele von der Gewalt des Heiligen Geistes gebunden wurde (FL III.10: 182,13f. [III.10,8f.]), folgt der Satz: ir ougen werdent verbunden, so si sih h v tet vor unnutzen sehende ze allen stunden (R 7f.). Diese Pluszeile besteht aus einem Satzteil (ir - verbunden), der FL III.10: 184,3 (III.10,24f.) entnommen und hierher versetzt wurde. Das, was folgt, ist in E und W nicht bezeugt, fügt sich jedoch nahtlos in die Struktur des Kapitels. Das gilt auch für den Reim verbunden: stunden. Stünde uns die Parallelüberlieferung in E und W als Kontrollinstanz nicht zur Verfügung, gäbe es eigentlich keinen erkennbaren Grund, an der Authentizität der Pluszeile zu zweifeln, zumal das Reimpaar verbunden: stunden auch in dem als echt geltenden Mechthild-Corpus E bezeugt ist, vgl. entbunden: stunden (FL VII.35: 596,36 [VII.35,40]). Hier liegt ein weiterer Beleg für jenes ‹Schreiben im mechthildischen Ton› genannte und in der Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ auch sonst feststellbare Verfahren vor, das eine sichere Identifizierung des Echten und Authentischen erschwert (s. dazu S. 48f. oben). Vor diesem Hintergrund erscheint obsolet, eine Entscheidung darüber treffen zu wollen, ob die an zwei weiteren Stellen auftauchenden Reime - sie bestätigen überraschenderweise die am mechthildischen usus scribendi orientierten Konjekturen von N eumann - vom R-Redaktor hergestellt oder aus der Vorlage übernommen worden sind, vgl. gesant … Varianz in Textbestand und Textfolge 171 304 Zu E s. N eumann (1993), S. 27, Anm. zu I.45,3-18 — ebd., S. 56, Anm. zu III.9,70f. — ebd., S. 121, Anm. zu VI.15,43 — ebd., S. 209, Anm. 26 zu I.2,30 und ebd., S. 208. Zu B s. V izkelety / K ornrumpf (1968), S. 302. 305 Einen vergleichbaren Fall bietet die Parallelüberlieferung zu FL V.6: 334,16 (V.6,12): r v we E] trüw L (S trauch 1882, S. 256,18, Brief XLVIII), requies (LD IV.16,10/ Rev. Bd. II.2, S. 553,32; Text von LG IV.15 beschädigt), s. dazu V ölker (1967), S. 45f. und S. 41, Anm. 197 oben. hat irkant (s. dazu S. 479 weiter unten, R 13f. mit Anm. auf S. 481) und diem v tikeit … weis (s. dazu S. 480 weiter unten, R 29 mit Anm. auf S. 482). Textausfälle sowie vertauschte und versetzte Zeilen, wie sie für FL III.10 außer in R auch in der ›Lux divinitatis‹ beobachtet werden können, scheinen Folgen einer handschriftlichen Reproduktionspraxis zu sein, die kopial verläuft. Die genannten Textveränderungen können mechanisch (durch Versehen beim Abschreiben) aufgetreten oder aber auch intendiert sein. Wichtig ist es mir im Hinblick auf die späteren Ausführungen, den Blick dafür zu schärfen, dass diese Veränderungen nicht erst bei der Übertragung des ›Fließenden Lichts‹ ins Lateinische vorgenommen worden sein müssen, sondern bereits in der deutschen Vorlagehandschrift der ›Lux divinitatis‹ enthalten sein können. Dasselbe gilt auch für solche mechanischen Fehler, wie Textausfall infolge von Augensprung (A) und Metathese, d.i. Lautumstellung bei graphisch verwandten Wörtern (B). Für Homöoteleuten-Lücken hat man sowohl die Übersetzer als auch die Überlieferung des lateinischen Textes verantwortlich gemacht. Metathese wurde dagegen vorzugsweise den Übersetzern zur Last gelegt, da man von der Annahme ausging, sie hätten nicht über ausreichende Kenntnisse des Mittelniederdeutschen verfügt, und dies obwohl die ›Lux divinitatis‹ in Halle entstanden sein soll (zur Neubestimmung des Entstehungsortes der lateinischen Übersetzung s. Kap. II.2.4). Ad A (Augensprung): FL I.22: 40,11 (I.22,27): Ie das minnebet enger wirt, ie die umbehalsunge naher gat diente schon immer als Beleg für das Bestreben der Übersetzer, weltlich-erotisch konnotierte Passagen zu übergehen (vgl. LD I.29/ Rev. Bd. II.2, S. 474 bzw. LG I.29). In Abgrenzung zu dieser Position und in Hinblick auf das ›Buch der Vollkommenheit‹ des Pseudo-Engelhart von Ebrach - FL I.22 ist bis auf 40,11 und deren nähere Umgebung in die Spruchsammlung eingegangen 306 - stellt S enne fest: «vielleicht hat sich aber auch einfach nur (aufgrund der anaphorischen Reihung, in die diese betreffende Passage eingebettet ist) der Zeilensprung eines Handschriftenschreibers bereits in die frühe Überlieferung des Textes eingeschlichen.» 307 Freilich denkt S enne an die frühe Überlieferung der ›Lux divinitatis‹. Dass der Textausfall in der frühen Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ erfolgt haben und folglich schon in der deutschen Vorlage der lateinischen Übersetzung enthalten sein kann, wird nicht bedacht. Den Auftakt zu FL III.2 bildet ein Dialog. Seele und Gott loben sich gegenseitig in Form von spiegelbildlich aneinandergereihten «identifikatorischen Metaphern». 308 Im deutschen Text lobt zunächst die Seele den Herren und apostrophiert ihn als sunne aller p gen, lust aller oren, stimme aller worten, kraft aller vromekeit usw. (160,8f. [III.2,6f.]). Der Herr greift die einzelnen Stichworte in seinem Gegenlob auf und identifiziert die Seele als lieht vor minen p gen, lire vor minen oren, stimme miner worten, meinunge miner vromekeit usw. (160,17f. [III.2,11f.]). LD IV.17,4f. (Rev. Bd. II.2, 172 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 306 Vgl. K. S chneider (2006), S. 61, Nr. 133,15f. 307 S enne (2004), S. 148f. 308 K öbele (1993), S. 77. S. 554,7f.) zieht infolge eines vielleicht schon in ihrer deutschen Vorlagehandschrift aufgetretenen Augensprungs (vgl. stimme aller worten/ stimme miner worten) Lob und Widerlob zusammen: Domine tu es lux omnium oculorum delectacio aurium . vox uerborum meorum . intencio sanctitatis mee . honor sapiencie mee . uita in me uita . laus et ordinacio 309 in essencia mea (LG IV.16,1-4: Herr du bist das licht aller oúgen . vnd ein wollust der oren . Die stim meiner wort . Die volkommenheit meiner heiligkeyt . Die eer meiner weisheit . Das leben in mir lebt . Lob ist in meinem wesen). Auch das bereits mehrfach erwähnte Kapitel FL III.10 weist im lateinischen Text einen durch Zeilensprung entstandenen Fehler auf. Man liest in FL III.10: 182,23-27 (III.10,14-17): Si wirt ze Herode gesant, wenne si sich selber untúre und unwirdig bekennet und versmehet sich selber mit dem grossen here al irer danken. Pylato wirt si wider gegeben, wenne sie m v s irdenscher dingen phlegen. LD I.22,10f. (Rev. Bd. II.2, S. 467, 14f.) lautet dagegen: Ad herodem mittitur . cum inplicari terrestribus compellitur (LG I.22, 15-17: Sie wirt zú Herodes gesantso sy wirt gezwúngen by irdischen dingen sich zúverwickeln). Die Entsprechung zu wenne - gegeben fehlt also im lateinischen Text. FL IV.7 stellt eine kleine Meditation über Mt 6,21 dar. Die Folgen des Verzichts auf alles Kreatürliche für den Ich-Sprecher - die Überschrift identifiziert ihn als eine vriú sele - werden in folgende antithetische Formel gefasst: und darumbe, herre, das ich keinen irdenschen schatz habe, so enhan ich kein irdensche herze, wan du, herre, min schaz bist, so bist du p ch min herze, und du bist allein min g v t etc. Wohl infolge von Haplographie ist der Passus wan - herze in LD V.27/ Rev. Bd. II.2, S. 611 bzw. LG V.21 ausgefallen. B ecker macht auf eine andere Stelle aufmerksam. FL V.23: 370,36f. (V.23,131f.) lautet: do bi weren bekant die ungetrúwen girere, die allen iren trost hie s v chent uf der erden. Der Satz hat im Lateinischen keine Entsprechung. An seine Stelle ist eine im deutschen Text nur einige Zeilen weiter unten stehende Passage mit dem gleichlautenden Anfang (Da bi waren die bekannt, die alle tage etc., 372,3 [V.23,134-136]) gerutscht, vgl. LD I.16,13f./ Rev. Bd. II.2, S. 461,7f. bzw. LG I.15,20f. B ecker ist freilich der Ansicht, dass es sich um ein Versehen des Übersetzers handelt. 310 Hinzuweisen wäre auch auf FL V.25: 384,15f. (V.25,13): und das si hoher swebent denne die andern. Dieses Glied einer syntaktisch parallel laufenden Reihe von Steigerungen fehlt LD V.9/ Rev. Bd. II.2, S. 596 bzw. LG V.7). Man würde meinen, den Textausfall dem Übersetzer zuschreiben zu können, wird doch die anaphorische Reihe in FL V.25: 384,13-20 (V.25,11-16) in der lateinischen Übersetzung äußerst verknappt wiedergegeben. 311 Allerdings kann der Teilsatz auch schon der deutschen Vorlage gefehlt haben. Varianz in Textbestand und Textfolge 173 309 et ordinacio steht mit Einweisungszeichen am rechten Rand von Rb fol. 73 vb und bezieht sich auf LD IV.17,6/ Rev. Bd. II.2, S. 554,15 (Text von LG IV.16 beschädigt). Die Glosse geht wie so viele andere den lateinischen Text ergänzende und korrigierende Randnachträge auf den Vergleich von Rb mit einer Handschrift des ›Fließenden Lichts‹ zurück (s. dazu S. 362ff. weiter unten). Sie zeugt von einem weiteren Augensprung. Verantwortlich ist diesmal derjenige Benutzer von Rb, der den genannten Textvergleich durchgeführt hat. Das deutsche Wort für ordinacio steht nämlich nicht, wie von ihm angegeben, im Widerlob Gottes (du bist ein lop in minem wesende, 160,23 [III.2,13f.]), sondern in dem der ›Lux divinitatis‹ abhanden gekommenen Teil des Lobes der Seele, vgl. du bist dú ordenunge alles wesendes (FL III.2: 160,14 [III.2,8f.]). 310 Vgl. B ecker (1951), S. 91. Vgl. auch S enne (2002), S. 13. 311 Man trifft auf dieses Verfahren immer wieder in der ›Lux divinitatis‹, vgl. LD IV.13,30- 34/ Rev. Bd. II.2, S. 551,4-9 bzw. LG IV.12,48-52 und FL I.44: 60,32-62,17 (I.44,48-62) - Ein illustratives Beispiel für Augensprung bietet auch die Einsiedler Handschrift. FL VII.55: 640,34f. (VII.55,40f.) liest: Das gehúgenisse gotz und der minnenden sele kumet zesamene glicher wis als dú sunne und der luft sin keltnisse und vinsternisse úberwindet. Von gleicher Hand mit Verweiszeichen zu luft nachgetragen findet man auf dem oberen Seitenrand folgenden Passus: mit der edelen gotz kraft sich zesamene mengent in eime s u ssen gedrenge das die sunne dem luft. Der Schreiber hat das Versehen rechtzeitig bemerkt und korrigiert. Es ist gut möglich, dass auch die eine oder andere durch Augensprung entstandene Lücke im lateinischen Text auf ein solches Versehen zurückgeht, ein Versehen wohlgemerkt, das bereits die deutsche Vorlage gekennzeichnet haben kann und nicht erst den Übersetzern unterlaufen sein muss. Ad B (Metathese): Ein Indiz dafür, dass die ersten sechs Bücher, die ins Lateinische übertragen worden sind, auf einen von E unabhängigen Überlieferungszweig zurückgehen, sind möglicherweise auch jene Wortvarianten, die gewöhnlich als Fehlübersetzungen eines des Mittelniederdeutschen nicht ganz mächtigen Übersetzers angesehen werden, beruhen sie doch, so B ecker , «zuweilen auf einem grotesken Missverständnis des originalen deutschen Textes.» 312 Wohl ist diese Möglichkeit nicht auszuschließen, 313 die von B ecker angeführten Varianten lassen sich jedoch nicht zwingend mit der sprachlichen Inkompetenz der Übersetzer erklären. Denn denkbar wäre, dass sie bereits in der Vorlage der Übersetzer standen. 314 B ecker nennt folgende Beispiele: 315 174 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ LD II.1/ Rev. Bd. II.2, S. 481 bzw. LG II.1 und FL I.6 - LD II.17,3f./ Rev. Bd. II.2, S. 495, 16f. bzw. LG II.17,5f. und FL V.34: 404,15-18 (V.34,15-18). Interessanterweise findet sich auch in E eine Stelle, die man vor dem Hintergrund von FL I.6 als Verknappung interpretieren könnte, vgl. FL II.20: 110,20-23 (II.20,26-28). Man fragt sich, ob die eine oder andere Verknappung in der ›Lux divinitatis‹ nicht ebenso ‹original› sein kann wie diejenige in E. 312 B ecker (1951), S. 35. Ähnlich N eumann (1954b), S. 28. 313 Vgl. etwa windesche minne (FL III.13: 190,23 [III.13,26]) und amor sclavicus (LD IV.37, 13/ Rev. Bd. II.2, S. 569,35, LG IV.35,20: búrische liebin), dazu N eumann (1993), S. 60 - wante (FL V.18: 352,20 [V.18,5]) und nam (LD IV.15,5/ Rev. Bd. II.2, S. 553,1, Entsprechung fehlt in Rw wegen Blattverlust), dazu N eumann (1993), S. 91 - mich getr o sten (FL VI.15: 464,35 [VI.15,68f.]) und me consolabor (LD III.15,3/ Rev. Bd. II.2, S. 535,8, LG III.15,4: mich trosten), dazu N eumann (1993), S. 121f. 314 Dies scheint auch N eumann (1993), S. 104, Anm. zu V.30,8 andeuten zu wollen. Er weist auf die Vermutung von O ehl (1911), S. 174, Anm. 1 hin, wonach «die Übersetzer ein burnde licht statt borde licht in ihrer Vorlage gelesen haben.» Allerdings ist bei O ehl nirgendwo von Vorlage die Rede. Er spricht vielmehr von «Irrtum» und geht von Verlesung seitens der Übersetzer aus. Ähnlich N eumann , der metathetisch entstandene Varianten immer als Fehllesungen bzw. Missverständnisse charakterisiert. Dass sie schon in der Übersetzungsvorlage gestanden haben können, wird nicht erwogen, vgl. N eu mann (1993), S. 53, Anm. zu III.5,12; ebd., S. 78, Anm. zu IV.21,16; ebd., S. 79, Anm. zu IV.22,37; ebd., S. 102, Anm. zu V.27,10; ebd., S.112, Anm. zu VI.1,160 usw. Anders verhält es sich mit Metathesen, die in beiden Überlieferungszweigen enthalten sind: Sie können in den Text eingeschlichen sein, bevor die Überlieferung in eine deutsche und lateinische Traditionslinie entzweigt ist, s. dazu S. 263ff. weiter unten. 315 Unerwähnt lasse ich FL IV.5: 252,15 (IV.5,25) Betest du denne tusent jar, weil es sich um einen alten, dem deutschen und lateinischen Überlieferungszweig gemeinsamen Fehler handelt, s. dazu S. 263f., Anm. 702 weiter unten. Zweimal wird brunnen metathetisch als burnen/ bornen aufgefasst und mit ardor wiedergegeben, vgl. FL I.2: 20,26 (I.2,2) und LD IV.21,2/ Rev. Bd. II.2, S. 557,18 (LG IV.20,2: inbrunstige hitz) sowie FL IV.21: 288,20 (IV.21,16) und LD II.12,16/ Rev. Bd. II.2, S. 492,4 (LG II.12,21f.: brinnende gotheyt). FL V.30: 394,11 (V.30,8) du machest grosse burdin lichte liest die Übersetzung tu facis luminaria magnifice ardencia (LD IV.26,6/ Rev. Bd. II.2, S. 561,1, LG IV.25,8: dú machst heerlich oder groß die brinnende liechter). Statt daht ‹Docht› (FL III.24: 220,27 [III.24,11]) bietet LD IV.33,8/ Rev. Bd. II.2, S. 566,7f. operculum (LG IV.31,13: deckel). Letzteres führt auf mnd. dack, dake ‹Dach› im Sinne von ‹Deckel›. Mnd. dances oder dancens mude wurde mit tanzes m u de richtig ins Alemannische überführt (FL I.44: 60,24 [I.44,44]). Im lateinischen Text liest man dagegen cogitacionum circuitu lassata (LD IV.13,27/ Rev. Bd. II.2, S. 550,35f., LG IV.12, 43: mied worden von dem vmbl Y ff der gedancker). B ecker spricht bei diesem letzten Fall von Missverständnis, 316 S tierling von Verlesung, 317 V ollmann -P rofe vom Zurechtinterpretieren im Sinne der sonst beobachtbaren Tendenz des Übersetzers, den Abstand zwischen Gott und Mensch möglichst präsent zu halten. 318 Die Beispiele für Metathese ließen sich beliebig vermehren. 319 Dass Varianten, die durch Lautumstellungen innerhalb eines Wortes entstanden sind, überlieferungsbedingt auftreten können, lässt sich aus dem deutschen und lateinischen Überlieferungszweig des ›Fließenden Lichts‹ gleichermaßen belegen: wollen in E (FL IV.6: 252,23 [IV.6,6]) steht für verlesenes wolfen (LD III.7,4/ Rev. Bd. II.2, S. 525,21: luporum, LG III.7,6: der wolff) - b v sse E (FL IV.9: 256,4 [IV.9,3]) für bússe (LD III.4,13/ Rev. Bd. II.2, S. 522,28: loculo, LG III.4,18: bißlein) - heiden E (FL V.9: 338,20 [V.9,10]) für henden (LD I.19,8/ Rev. Bd. II.2, S. 465,6: manibus, LG I.19,13: mit den henden) - hellehunt E (FL V.23: 374,5 [V.23,164]) für hellemunt (LD I.17,13/ Rev. Bd. II.2, S. 463,12f.: infernalia labia, Entsprechung fehlt LG I.17) - munt E (FL V.30: 394,23 [V.30,15]) für m v t (LD IV.26,12/ Rev. Bd. II.2, S. 561,12: affectionis, LG IV.25, 19: begirden) - under E (FL V.30: 396,6 [V.30,26]) für wunder (LD IV.26,22/ Rev. Bd. II.2, S. 561,26: mirabilia, LG IV.25,32: mirackel). Andererseits dürfte pennis Rb (LD IV.36,22/ Rev. Bd. II.2, S. 569,12, LG IV.34,32: mit feddern) aus penis (pine, FL V.4: Varianz in Textbestand und Textfolge 175 316 Vgl. B ecker (1951), S. 36. 317 Vgl. S tierling (1907), S. 69. 318 Vgl. V ollmann- P rofe (2000), S. 140f. 319 Vgl. etwa FL IV.23: 292,13 (IV.23,3) und begraben bzw. insepultum (LD II.9,3/ Rev. Bd. II.2, S. 489,5, LG II.9,4: vnbegraben), s. dazu S. 265f., Anm. 708 weiter unten - FL V.11: 342,28 (V.11,28) breite sinne bzw. sensus compositos (LD V.4,22f./ Rev. Bd. II.2, S. 591,32, LG V.3,33: zïchtig sinn), s. dazu S. 41, Anm. 202 oben - FL VI.1: 430,7 (VI.1,160) korunge bzw. temptacione (LD V.14,33/ Rev. Bd. II.2, S. 602,32, LG V.10,47: anfechtúng), s. dazu N eumann (1993), S. 112 - FL V.27: 388,11 (V.27,10) min s v ne bzw. filius meus (LD I.20, 10f./ Rev. Bd. II.2, S. 466,9, LG I.20,14: min sun), s. dazu B ecker (1951), S. 96 und N eumann (1993), S. 102 - FL III.5: 168,26 (III.5,12) mines vundes bzw. mirabilium meorum (LD IV.18,9/ Rev. Bd. II.2, S. 555,13, LG IV.17,10f.: meiner wúnderbarlichen dinger), s. dazu N eumann (1993), S. 53 - FL II.24: 122,13 (II.24,35) júdeschen bzw. inuidos (LD II.20,2/ Rev. Bd. II.2, S. 498,16, LG II.19,45: nydischen), s. dazu S tierling (1907), S. 84 und V ölker (1967), S. 49 - FL VI.8: 446,25 (VI.8,9) gefrúmet E, gevormet C bzw. formam accipit (LD VI.14,5/ Rev. Bd. II.2, S. 631,21f., LG VI.14,8: nimpt die gestalt), s. dazu S. 39f. oben - FL VI.20: 476,18 (VI.20,15) trútunge und tumore, mnd. drintunge (LD VI.24,9/ Rev. Bd. II.2, S. 642,17, LG VI.24,15: geschwulst). 330,9 [V.4,68]) verschrieben worden sein - inexoptabilis Rb (LD IV.8,19/ Rev. Bd. II.2, S. 546,29, LG IV.7,30: vnvßbegirliche) aus inexpedibilis (hinderunge, FL I.8: 32,9 [I.8,4]) 320 - mansueta Rb (LD V.30,16/ Rev. Bd. II.2, S. 614,9, LG V.23,26: sanffmietige) aus manifesta (offenbar, FL IV.4: 248,15 [IV.4,32]) - amoris Rb (LD V.13,9/ Rev. Bd. II.2, S. 600,29, LG V.9,61f.: der liebin) aus amotis (entwichen, FL VI.1: 424,18 [VI.1,82]) - infernalem mecum Rb (LD V.18,7/ Rev. Bd. II.2, S. 604,25, LG V.13,12: mich) aus infernalem maculam (hellevlekke, FL V.33: 402,15 [V.33,13]) - fons Rb (LD II.23,12/ Rev. Bd. II.2, S. 501,28, LG II.20,57: stirne) aus frons (vorh p bte, FL IV.3: 242,9 [IV.3,45]) 321 - cognita Rb (LD V.29,8/ Rev. Bd. II.2, S. 612,28, LG V.22,13: erkant) aus incognita (unbekant, FL VI.19: 474,11f. [VI.19,11f.]) - affecciones Rb (LD IV.34,2/ Rev. Bd. II.2, S. 566,25, LG IV.32,3: begerung) aus afflictiones (not, FL III.24: 222,11 [III.24,23]) - unica Rb (LD IV.27,21/ Rev. Bd. II.2, S. 562,30, LG IV.26,30: einige) aus unita (vereinitú, FL V.31: 398,22 [V.31,28]) - ignora Rb (LD IV.27,22/ Rev. Bd. II.2, S. 562,33, LG IV.26,32: vnbekante) aus ignivora/ ignara (vúrigú, FL V.31: 398,25 [V.31,31]). Macht man für Varianten, die durch Metathese entstanden sind, nicht die Übersetzer des ›Fließenden Lichts‹, sondern die Überlieferung verantwortlich, so wird man auch an manchen Stellen, wo der deutsche und lateinische Text inhaltlich auseinander gehen oder Präsumptivvarianten aufweisen, 322 in Erwägung ziehen müssen, dass die lateinischen Übersetzer womöglich einen partiell von E abweichenden deutschen Text vor sich gehabt haben. 323 Das Postulat der Forschung, die ›Lux divinitatis‹ sei aus einer Handschrift hervorgegangen, die - vermehrt um ein siebtes Buch und durch die Autorin 176 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 320 Allerdings ist die Änderungsrichtung in diesem Fall nicht ganz klar, denn hinderunge könnte, meint S tierling (1907), S. 69, aus minderunge verschrieben worden sein, so dass wir es im Grunde mit einer Präsumptivvariante zu tun haben. Das lässt N eumann (1993), S. 10 nicht gelten, weil «minderunge im ›FL‹ ganz fehlt.» Zur Problematik der Beweiskraft von Parallelstellen s. Kap. I.2. 321 Rw liest mit stirne richtig. Auch Ra fol. 170 r bietet frons, was aller Wahrscheinlichkeit nach eine eigenständige Korrektur des Ra-Schreibers darstellt. 322 Vgl. B ecker (1951), S. 36 sowie den textkritischen Apparat von N eumann (1990). Einige Beispiele seien hier genannt: einiges g v t E, eigins gut W (FL IV.5: 250,22 [IV.5,8]) und bonum eternum (LD IV.59,6f./ Rev. Bd. II.2, S. 586,8, LG IV.47,9: ewiges gútt), s. dazu N eumann (1993), S. 69 - unverborgen (FL II.3: 82,6 [II.3,34]) und incorrupta (LD I.28,7/ Rev. Bd. II.2, S. 473,16, LG I.28,10: vnzerst o rte) - vorhte (FL II.13: 100,3 [II.13,3]) und admiratio (LD IV,44,6/ Rev. Bd. II.2, S. 572,30, LG IV.39,8: verwundern) - vergolten (FL I.44: 58,28 [I.44,22]) und deauratur (LD IV.13,10/ Rev. Bd. II.2, S. 550,10, LG IV.12, 15: vbergúldet) - sere (FL III.17: 200,6 [III.17,4]) und molestia (LD VI.11,2/ Rev. Bd. II.2, S. 628,4, LG VI.11,4: kommer), entsprechend zu swere? - unbeginlicher (FL I.22: 38,16 [I.22,4]) und incomprehensibilis (LD I.29,3/ Rev. Bd. II.2, S. 474,5, LG I.29,4: vnbegriflichen) - edeler (FL III.1: 156,33 [III.1,173]) und crvdelior (LD II.33,19/ Rev. Bd. II.2, S. 510,4, LG II.30,25: grimmiger) - werlichen (FL VI.1: 422,1 [VI.1,40]) und paterne (LD V.12,8/ Rev. Bd. II.2, S. 599,15, LG V.9,35: vetterlichen) usw. 323 Vgl. die Überlegung von M ichel (1995c), S. 54 zu den inhaltlichen Divergenzen zwischen FL II.23: 116,19f. (II.23,21) und LD IV.1,20f. (Rev. Bd. II.2, S. 540,7f., LG IV.1, 28f.): «Die lateinischen Übersetzer (Rb) hatten entweder einen anderen mndt. Text vor sich oder dann die Stelle zurechtverstanden.» selbst bearbeitet - auch der oberdeutschen Tradition des ›Fließenden Lichts‹ als Ausgangspunkt diente, tritt am deutlichsten dort zutage, wo es darum geht, über die Varianz im Textbestand beider Traditionszweige ein Urteil abzugeben. Geurteilt wird nicht nur über Wortvarianten - dies überrascht insofern, als die andere Sprachform zugegebenermaßen einen sinnvollen Vergleich von Einzelwörtern oft nicht zulässt 324 -, sondern auch über Teilsätze, Sätze oder längere Passagen, die von dem jeweils anderen Überlieferungszweig her gesehen als Ergänzungen oder Auslassungen definiert werden. Bis auf einige «unechte Zusätze» - unecht, weil sie eine frühe, das heißt erst nach der Freigabe des ›Fließenden Lichts‹ zur Übersetzung aufgetretene, Störung im deutschen Überlieferungszweig aufzeigen 325 - werden die Ergänzungen in der ›Lux divinitatis‹ allgemein als «echt» angesehen, echt, weil sie «ausschliesslich auf das Konto des Übersetzer-Redaktors gehen, also nicht von Mechthild stammen können.» 326 Anders als in der lateinischen Übersetzung werden die Ergänzungen in der deutschen Tradition bewertet. Hier gelten die echten Zusätze der ›Lux divinitatis‹ im textkritischen Sinn eigentlich als unecht, wohingegen das Varianz in Textbestand und Textfolge 177 324 Vgl. N eumann (1990), S. XXV. 325 Als unechter Zusatz gilt für B ecker (1951), S. 38 und 160 der Beginn von LD II.37 (Rev. Bd. II.2, S. 514). Er handelt von einem Mechthild verwandten Schüler, den Mechthild zur Theologie und zum Priesteramt hinführen wollte. Gott verfügte jedoch anders und der Schüler wurde geisteskrank, so dass er bis ans Ende seines Lebens seines Verstandes beraubt leben musste. Mechthild verlangt nach Klärung. Mit der Antwort Gottes setzt der deutsche Text ein (FL VI.11). In seiner Antwort bezieht sich Gott auf einen Er, dessen Identität ohne LD II.37 offen bleibt. Dem deutschen Text fehlt offensichtlich etwas. Dies macht nicht nur der Beginn des Kapitels deutlich - er ist «merkwürdig abrupt» (V ollmann- P rofe 2003, S. 817) -, sondern auch die Überschrift, in der von einem sch v ler die Rede ist: «Da das Wort sch v ler im Text des Kapitels nicht erscheint, muß diesem am Anfang ein Stück fehlen, in dem der Scholar genannt wird» (N eumann 1993, S. 118, Anm. z. d. St.). -- Kann man bei FL VI.11 in der Tat mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass ein Textverlust im deutschen Überlieferungszweig des ›Fließenden Lichts‹ vorliegt, ist die andere von B ecker (1951), S. 38 als Beispiel für einen «unechten Zusatz» angeführte Textstelle weniger eindeutig: LD IV.7,22f. (Rev. Bd. II.2, S. 545,28f.; LG IV.6, 35f.). Es handelt sich um die letzte Zeile eines Liedes, das in FL II.25: 134,18 (II.25,137) mit etc. abbricht. Der unvollständige Charakter des Liedes hat B ecker und N eumann dazu veranlasst, den deutschen Text nach dem lateinischen herzustellen (vgl. FL II.25, 138-139). Diese Ergänzung erscheint V ollmann- P rofe jedoch nicht zwingend. Sie fragt sich, «ob das etc. in E nicht einfach darauf hinweist, daß es sich bei dem Lied oder seinem Inhalt um etwas Bekanntes handelte» (V ollmann- P rofe 2003, S. 745). Dass diese Möglichkeit nicht auszuschließen ist, zeigt dasselbe Kürzel in den Predigten des ›Paradisus anime intelligentis‹: H asebrink (2009), S. 166 zufolge markiert es nicht nur eine Kürzung, sondern setzt ein spezielles Wissen voraus, «das die zutreffende Auflösung der Formel durch den Benutzer der Sammlung erlaubt.» Für weitere Beispiele s. S tammler (1956), S. 296 und 306f. Mit anderen Worten: etc. sagt nichts darüber aus, ob das Lied ursprünglich nur anzitiert oder auch zu Ende geführt wurde. Es ist also ungewiss, ob die letzte, im deutschen Text fehlende Zeile einen «unechten Zusatz» in der lateinischen Übersetzung darstellt. 326 B ecker (1951), S. 37. ›Fließende Licht‹ in seiner in E überlieferten Gestalt textkritisch als echt angesehen wird. Davon ausgenommen sind nur einige Textstellen, die N eumann mit einiger Wahrscheinlichkeit als fremdverantwortet identifizieren zu können glaubt. Abgesehen vom lateinisch-deutschen Vorbericht, den Überschriften sowie FL VI.43, wo von Mechthild in dritter Person gesprochen wird, Partien also, die nicht von ihr selbst geschrieben sein können, sind es nur wenige Stellen im ›Fließenden Licht‹, deren Authentizität zur Diskussion steht. N eu mann macht in seiner Textausgabe auf solche unechten Lesarten unterschiedlich aufmerksam. ‹Eindeutige› Fälle stehen bei ihm in eckigen Klammern, auf Verdächtiges wird im Apparat oder in den Anmerkungen hingewiesen. Gesondert (etwa im Vorwort seiner Ausgabe) hat N eumann keine Rechenschaft darüber abgelegt, aufgrund welcher Kriterien er Echtes von Unechtem zu scheiden versteht. Die Sichtung der von ihm für unecht oder verdächtig gehaltenen Textstellen zeigt jedoch, dass es vier Gründe waren, die N eumann veranlasst haben, an der Authentizität der jeweiligen Lesart der Leithandschrift zu zweifeln: (1.) Eine fehlende Entsprechung in der deutschen und/ oder der lateinischen Parallelüberlieferung, 327 (2.) inhaltliche und argumentationslogische Gründe, 328 (3.) Formalien (gestörter Gedankenparallelismus oder Kolonreim), 329 und damit zusammenhängend (4.) nicht mechthildisch wirkende Formulierungen. 330 Es waren wohl diese Stellen, die N eumann im zweiten, posthum erschienen Band seiner textkritischen Ausgabe zu der Feststellung veranlasst haben, man müsse auch mit späteren Ergänzungen rechnen, und zwar nicht nur durch Mechthild selbst, sondern auch durch Bearbeiter. 331 Was als auktorial bzw. redaktionell vorgenommene Ergänzung zu gelten hat, lässt sich allerdings allein aufgrund der Parallelüberlieferung oder eines gewissen Gespürs für das Mechthildische nicht sicher beantworten. Letzteres zeigt sich vor allem dort, wo Lesarten, die N eumann sekundär vorkamen, von V ollmann -P rofe für möglicherweise mechthildisch erklärt werden (s. dazu S. 56f. oben). Doch nicht nur die Intuition, auch die Parallelüberlieferung eignet sich nur bedingt, 178 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 327 Vgl. FL I.1,3; I.44,46; II.19,69f.; II.25,129; III.9,15; III.10,38f.; III.13,7; V.22,7; VI.7,15; VI.10,7 und 8; VI.15,57; VI.27,2; VI.31,22 und VI.37,2. 328 Vgl. N eumann (1993), S. 89, Anm. zu V.14,4 - ebd., S. 90, Anm. zu V.15,5 - ebd., S. 99, Anm. zu V.24,7 - ebd., S. 100, Anm. zu V.24,53f. - ebd., S. 119, VI.13,18 - ebd., S. 141, Anm. zu VI.41,7 und ebd., S. 142, Anm. zu VI.42,3. 329 Vgl. N eumann (1993), S. 88, Anm. zu V.11,25 - ebd., S. 94, Anm. zu V.22,34 - ebd., S. 121, Anm. zu VI.15,63 - N eumann (1990), S. 250, App. zu VI.40,6 - ebd., S. 250, App. zu VI.41,13-15 - ebd., S. 235, App zu VI.27,2 (Verdacht auf Unechtheit ist nicht nur durch die fehlenden Entsprechung von ser in Rb motiviert, sondern wohl auch durch den gestörten Parallelismus der Invokationen) und ebd., S. 247, App. zu VI.37,54. 330 Vgl. N eumann (1993), S. 95, Anm. zu V.22,46f. - N eumann (1990), S. 229, App. zu VI.19,14 und (1993), S. 124, Anm. z. d. St. - N eumann (1993), S. 124, Anm. zu VI.19,22 - ebd., S. 139, Anm. zu VI.37,32 - ebd., S. 151, Anm. zu VII.21,25 und ebd. S. 167, Anm. zu VII.65,17. 331 Vgl. N eumann (1993), S. 201. Ähnlich V ollmann- P rofe (2003), S. 672. um ein gesichertes Urteil über die Authentizität einer Lesart abzugeben. Auf welch unsicherem Boden man sich bewegt, wenn man etwa die Echtheit von Reimen aufgrund des intuitiven Arguments des Mechthildischen erweisen will, zeigen nicht nur die in Kap. I.2 (S. 48f.) genannten Textbeispiele, die ein Schreiben im mechthildischen Ton belegen, sondern auch die neu aufgefundene Handschrift R (s. S. 171f. oben). Nicht weniger riskant sind Versuche, die die Unechtheit einer Lesart durch ihr Fehlen in den sonst bekannten Handschriften zu begründen versucht. So sah sich N eumann durch die in W und Rb fehlende lokale Adverbialangabe gegen der ewigen sunnen der lebendigen gotheit (FL III.10: 184,24 [III.10,38f.]) zu der Annahme veranlasst, es könnte sich um einen Zusatz von E handeln. Dieser vermeintliche Zusatz findet sich jedoch in der von *EW unabhängigen Handschrift R (s. S. 480 weiter unten, R 35f.). Ob die Bezeugung der in W und Rb fehlenden E-Lesart in R ihr ein höheres Maß an Authentizität verleiht, steht nicht zur Diskussion. Mir kommt es hier lediglich darauf an zu zeigen, dass die Entscheidung darüber, was als echt bzw. unecht zu gelten hat, wesentlich von der Beschaffenheit der Überlieferung, genauer vom überlieferungsgeschichtlichen Zufall abhängt: Eine heute als ‹wahrscheinlich unecht› geltende Lesart kann morgen zu einer ‹möglicherweise mechthildischen› mutieren, und dies nicht nur infolge eines Neufundes, sondern auch durch die Neubewertung einer bislang textkritisch als unecht geltenden Textstelle. 332 Damit komme ich auf die im deutschen und lateinischen Text nachweisbaren oder auch nur vermuteten Zusätze und ihre je nach Überlieferungszweig unterschiedliche Bewertung durch die Forschung zu sprechen. Zunächst wird es um die Ergänzungen im deutschen Text gehen. Abgesehen von den in Anm. 327-330 angeführten Belegen, die N eumann zufolge überlieferungs- oder redaktionell bedingte Eingriffe in den Wortlaut des ›Fließenden Lichts‹ dokumentieren, gelten Plustexte des ›Fließenden Lichts‹ nicht als Überlieferungs-, sondern als Entstehungsvarianten. II.2.2 Varianz in Textbestand. Ergänzungen im deutschen und lateinischen Überlieferungszweig Die These der Antichronologisten besagt, wie in Kap. I.1.1 gezeigt, dass die genetische Reihenfolge der Niederschriften Mechthilds infolge von Heinrichs Redaktorentätigkeit aufgehoben sei. Dieser These hat N eumann entgegen gehalten, die teilweise gestörte chronologische Reihenfolge der Aufzeichnungen sei damit zu erklären, dass Mechthild selbst der Erstausgabe der Bücher I-V eine «gewisse Überarbeitung» 333 angedeihen ließ, indem sie einzelne Kapitel Varianz in Textbestand und Textfolge 179 332 Vgl. etwa die von V ollmann- P rofe für ‹möglicherweise mechthildisch› erklärten, N eu mann jedoch ‹wahrscheinlich unecht› vorkommenden Stellen im ›Fließenden Licht‹, dazu S. 56f. oben. 333 N eumann (1954b), S. 60. nachträglich eingeschoben oder umgestellt 334 bzw. Ergänzungen zum ursprünglichen Wortlaut eingefügt hat. 335 Von den von N eumann genannten Textbeispielen - es handelt sich ausnahmslos um erläuternde Zwischenbemerkungen - könnte man am ehesten das zweite Prooemium und FL V.22: 358,33-360,6 (V.22,20-24) als Belege für jene Interpolationen gelten lassen, die noch während der Erstredaktion der Schriften Mechthilds erfolgt sind. 336 Beide finden sich auch in der lateinischen Übersetzung (vgl. LD Prol. 7,6-9/ Rev. Bd. II.2, S. 445,2-8 bzw. LG Vorrede 6,8-14 und LD V.8,14-16/ Rev. Bd. II.2, S. 595,16-19 bzw. LG V.6,20-24). Anders verhält es sich mit FL II.24: 124,21-27 (II.24,71-76), III.20 und IV.2: 228,14-20 (IV.2,4-8). Dazu folgende Hinweise: Auf FL II.24: 124,21-27 (II.24,71-76) hat bereits S tierling hingewiesen und sie als Beleg dafür angeführt, Heinrich von Halle hätte die von Mechthild ohne jegliche Ordnung aneinander gereihte Einzelblatt-Sammlung hier und da zu thematischen Einheiten zusammenfügt. FL II.24 stellt ein Kapitel dar, in dem nach Christus und der Gottesmutter eine Reihe von Heiligen litaneiartig aufgerufen wird. S tierling ist der Ansicht, dass die litaneiartige Struktur an manchen Stellen durch Aufschwellungen beeinträchtigt sei, «die aber auf Mechthild zurückgehen mögen.» 337 Anders verhält es sich dagegen mit dem letzten Abschnitt (124,13f. [II.24,65f.]): «Mit ‹herre himelscher vatter› beginnt zweifellos etwas neues», stellt S tierling (ebd.) fest und spricht von einer Reihe von «Einschaltungen» durch den Redaktor. Er nennt inhaltliche und argumentationslogische Gründe: «Verwunderlich ist es nun, den folg. Passus über Gott Vater am Schluß des Kapitels zu finden, nachdem Christus, Maria und zehn Heilige bereits ausführlich bedacht sind. Man sollte eher erwarten, daß dieser Satz über Gott Vater das ganze Kapitel einleite» (ebd.). Auch sonst scheint ihm der Schluss des Kapitels nicht in Ordnung zu sein, denn «der noch folgende Rest steht mit dem eigentlichen Kapitel we- 180 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 334 Vgl. N eumann ebd., S. 66-68. 335 Vgl. N eumann ebd., S. 60f. 336 Ergänzend wäre auf Stellen hinzuweisen, die N eumann in den Untersuchungen zu seiner kritischen Ausgabe nennt, vgl. (1993), S. 36, Anm. zu II.19,66-69 (entspricht bei Vr ollmann -P rofe 108,7-10 = LD IV.48,18-21/ Rev. Bd. II.2, S. 577,7-11 bzw. LG IV.40, 80-82) - ebd., S. 61, Anm. zu III.15,14-17 (entspricht 194,10-13 = LD V.25,10-12/ Rev. Bd. II.2, S. 610,18-22 bzw. LG V.20,16-19) - ebd., S. 65f., Anm. zu IV.2,76f. (entspricht 234,3f. = LD Prol. 3,62f./ Rev. Bd. II.2, S. 440,2f. bzw. LG Vorrede 2,99f.). Zu nennen wäre in diesem Zusammenhang auch FL I.22: 38,21-40,19 (I.22,7-34): ein eigenständiges Gesprächssegment (= LD I.29/ Rev. Bd. II.2, S. 474 bzw. LG I.29), das entweder auf eine «Assoziation Mechthilds» zurückgeht oder «aufgrund eines redaktionellen Stichwortzusammenhangs brútegom/ brut» vorgenommen wurde (M ichel 1986, S. 511, anders V ollmann- P rofe 2003, S. 713). Prinzipiell könnten auch folgende Stellen hierher gehören: FL V.24: 380,20-37 und 382,1-11 (V.24,43-56 und 57-64): Exkurs über die Vorbildhaftigkeit des hl. Dominikus und Handlungsanweisung für einen Ordensoberen (= LD II.15/ Rev. Bd. II.2, S. 493f. bzw. LG II.15); FL VI.8: 446,24-448,6 (VI.8,8-16): nach dem Stichwortprinzip (tugent) hier eingeschoben (= LD VI.14/ Rev. Bd. II.2, S. 631 bzw. LG VI.14) und FL VI.19: 472,17-474,14 (VI.19,2-14): nach dem Stichwortprinzip (g v te willen) dem Kapitel vorangestellt, von der Überschrift nicht erfasst (= LD V.29/ Rev. Bd. II.2, S. 612 bzw. LG V.28). 337 S tierling (1907), S. 85. der in inhaltlichem noch in stilistischem Zusammenhang.» S tierling unterscheidet drei thematische Gruppen: Erstens die ungebundene Minne (124,17-21 [II.24,68-71]), zweitens Salomon und David (124,21-27 [II.24,71-76]) und drittens die gebundene Minne (124,27-126,4 [II.24,76-87]). Was den Absatz über Salomon und David betrifft, ist S tierling der Ansicht, er wirke wie «ein Keil zwischen der 1. und 3. Gruppe»: «Bei näherem Zusehen wird man erkennen, daß er nur nach dem Prinzip des Redaktors hierhergezogen ist, weil er einen neuen Beleg oder besser noch eine Illustration zur ‹ungebundenen minne› bildet» (S. 86). N eumann teilt, wie oben angedeutet (s. S. 161, Anm. 269), S tierling s Ansicht von der Zersetzung und Neuzusammensetzung des Textmaterials nach inhaltlichen Gesichtpunkten durch Heinrich nicht. Stattdessen betont er den «assoziativen Charakter» 338 von Mechthilds Schilderungen. Nichtsdestoweniger pflichtet N eumann an vorliegender Stelle S tierling insofern bei, als er einräumt, 124,21-27 (II.24,71-76) könnten eine Zwischenbemerkung darstellen. Freilich macht er für die Interpolation nicht den Redaktor, sondern Mechthild verantwortlich: Das Textstück soll eingefügt worden sein, als Mechthild der Erstausgabe der Bücher I bis V eine Überarbeitung angedeihen ließ. 339 Sollte es zu dieser Einschaltung tatsächlich anlässlich der ‹Erstredaktion› gekommen sein, so wäre eigentlich zu erwarten, dass der Passus über Salomon und David auch in der lateinischen Übersetzung der Bücher I-VI auftaucht. Das ist jedoch nicht der Fall, vgl. LD II.21/ Rev. Bd. II.2, S. 499 bzw. LG II.19). Ähnlich verhält es sich mit den beiden anderen von N eumann genannten Belegen (FL IV.2: 228,14-20 [IV.2,4-8] und III.20), die als Beispiel für eine von Mechthild durchgeführte Redaktion der Erstpublikation angeführt werden. Der Anfang des großen Rückblickskapitels (FL IV.2: 228,14-20 [IV.2,4-8]) liest sich für N eumann «wie der spätere Zusatz einer seelisch gereiften und trotz aller Anfeindung durch die Gegner innerlich festgewordenen Persönlichkeit.» 340 Zwar lässt sich die Kenntnis dieser Passage in der ›Lux divinitatis‹ dieses Mal nachweisen, doch bleibt völlig offen, ob sie den Übersetzern in ihrer heutigen Form vorgelegen hat. Denn zu zahlreich sind die Abweichungen, die LD Prol 3,7-10/ Rev. Bd. II.2, S. 437,29-438,3 (entspricht LG Vorrede 2,12-16) FL IV.2: 228,14-20 (IV.2,4-8) gegenüber aufweist. 341 Dasselbe gilt auch für FL III.20. N eumann führt dieses Kapitel als Beleg für die in den Jahren 1257/ 58 erfolgte «ergänzende Durchsicht des Corpus der ersten fünf Bücher» an und fordert: «Wie weit man auch sonst derartige Nachträge in Betracht ziehen muß […], das müßte in minutiösen Einzeluntersuchungen über die beiden Textschichten in der Erstausgabe des Fl.L. noch geklärt werden, bevor es gelingt, Mechthilds frühere Niederschriften von den späteren Stücken abzuheben.» 342 Ob ein solches Unterfangen realisierbar ist, erscheint mir fraglich. Denn Varianz in Textbestand und Textfolge 181 338 N eumann (1993), S. 93. 339 Vgl. N eumann (1954b), S. 61. Dass N eumann hier von Erstausgabe spricht, wirkt zunächst verwunderlich, rechnet er doch mit früheren Textcorpora von unterschiedlichem Umfang (Buch I-II und I-IV), vgl. ebd., S. 38 und 39. Erklären lässt sich die Rede von Erstredaktion damit, dass N eumann im Index rerum (und im lateinischen Vorbericht) das erste handgreifliche Zeichen dafür sieht, dass das Textcorpus einer Leserschaft zugänglich gemacht bzw. für eine Leserschaft aufbereitet wurde. 340 N eumann ebd., S. 61. 341 Das Fehlen von das ie in geistlichem lebende erschein im lateinischen Text ist im Apparat zu FL IV.2,5f. nicht verzeichnet, vgl. N eumann (1990), S. 109. 342 N eumann (1954b), S. 68. anhand welcher Kriterien will man frühere Niederschriften von denjenigen abgrenzen, die anlässlich einer ergänzenden Durchsicht der Bücher I-V vorgenommen worden sein sollen? Die von N eumann angeführten Textstellen eignen sich, wie wir gesehen haben, als Belege nicht, denn sie fehlen in der lateinischen Übersetzung. Dasselbe gilt auch FL III.20: Eine Reihe von Textpartien (204,24-26, 30f., 206,1f., 4, 6f. und 11f. [III.20,9-11, 14, 16f., 19, 20f. und 24f.]) fehlt in LD Prol. 5/ Rev. Bd. II.2, S. 442 bzw. LG Vorrede 4, so auch das wörtliche Zitat aus dem Hohelied in III.20: 206,1f. (III.20,16f.): Du bist alles sch o ne, min frúndinne, und kein vlekke ist an dir (vgl. Ct 4,7: tota pulchra es amica mea et macula non est in te). 343 Dies verwundert insofern, als die ›Lux divinitatis‹ sonst jede Möglichkeit ergreift, den Wortlaut an die Formulierungen der Bibel anzunähern. 344 Mit redaktionellen Zusätzen aus Mechthilds Feder, die zum ursprünglichen Wortlaut hinzugetreten sind, müsse man, so N eumann , nicht nur bei der vermeintlichen ‹Erstredaktion›, sondern auch in den späteren Büchern rechnen. In seiner Akademie-Abhandlung hat N eumann in diesem Zusammenhang auf einige, vor allem mit Glosa eingeleiteten Passagen hingewiesen (vgl. FL VI.2: 434,22 [VI.2, 46f.], VII.5: 542,12f. [VII.5,3f.] und VII.56: 642,8f. [VII.56,4f.]). 345 Weitere Beispiele nennt er im Untersuchungsband der textkritischen Ausgabe. Hier werden Zusätze aufgrund ihres Fehlens in der lateinischen Übersetzung ausfindig gemacht. 346 Auf dieser Grundlage ließe sich die Belegzahl der nachträglichen Ergänzungen und Einschaltungen leicht vermehren, vgl. FL II.24: 124,21-27 (II.24,71-76): wohl nach dem Stichwort minne hier eingefügt (s.o.) - FL IV.2: 234,19-22 (IV.2,89-91): explikative Ausführung zu heimlichú unkúscheit (fehlt LD Prol. 4/ Rev. Bd. II.2, S. 442ff. bzw. LG Vorrede 3) - FL V.24: 380,9-12 (V.24,34-36): nach dem Stichwortprinzip (alte e und núwe e) eingeschobene Passage (fehlt LD II.14/ Rev. Bd. II.2, S. 492ff. bzw. LG II.14) - FL VI.1: 422,32-424,8 (VI.1,63-73): ebenfalls nach einem Stichwort (stein) hier eingeschoben (fehlt LD V.13/ Rev. Bd. II.2, S. 600ff. bzw. LG V.9). Bis auf einige Textstellen, die N eumann verdächtig vorkamen (vgl. Anm. 327- 330 weiter oben mit Text), werden diese Zusätze als echt angesehen, wobei dies nicht nur in Bezug auf ihren Inhalt gilt, sondern auch in Bezug auf ihre Position. Sie stellen also keine Textbausteine dar, die anderen Zusammenhängen entnommen und vom Redaktor an der jeweiligen Stelle eingebaut wurden, sondern nachträgliche Ergänzungen und Bearbeitungen, die Mechthild ihrem 182 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 343 L anczkowski (1990), S. 18 hat diese Textstelle übersehen, denn sie ist der Ansicht, ein wörtliches Zitat aus dem Hohenlied fehle im ›Fließenden Licht‹ gänzlich. 344 Vgl. dazu V ollmann- P rofe (2000) und die Neuausgabe der ›Lux divinitatis‹ (H ellgardt / N emes / S enne 2011), wo in einem eigenen Apparat wortwörtliche Zitate aus der Bibel bzw. Allusionen an die Bibel nachgewiesen werden. 345 Vgl. N eumann (1954b), S. 61. 346 Vgl. N eumann (1993), S. 63, Anm. zu III.21,130-132 (entspricht bei V ollmann -P rofe 214,32-34) - ebd., S. 64, Anm. zu III.23 - ebd., S. 66, Anm. zu IV.2,101-103 (entspricht 234,34-37) - ebd., S. 99, Anm. zu V.24,34-36 (entspricht 380,9-12) und ebd. S. 112, Anm. zu VI.2,3-8 (entspricht 432,3-9). eigenen Handexemplar angedeihen ließ, als das ›Fließende Licht‹ zur Übersetzung ins Lateinische bereits freigegeben war. Als bearbeitet gilt auch die ›Lux divinitatis‹. Allerdings werden die Plustexte, welche die ›Lux divinitatis‹ dem ›Fließenden Licht‹ gegenüber zusätzlich überliefert, bis auf einige Ausnahmen (s. dazu S. 177, Anm. 325) hier als «echte Zusätze» im Sinne von B ecker , d. h. vom Übersetzer-Redaktor herrührend, angesehen. 347 Doch lässt sich in manchen Fällen keine klare Trennlinie zwischen «echten» und «unechten Zusätzen» ziehen. Das zeigt sich etwa in der Umetikettierung eines bis jetzt als «echt» geltenden Zusatzes zu einem «unechten» durch V ollmann -P rofe . Anders als N eumann , der in der letzten Zeile des Schlusskapitels der lateinischen Übersetzung (Respondit enim uoci mee per mortis acerbitatem interficiens me ueritati testimonium perhibentem, LD VI.25,6f./ Rev. Bd. II.2, S. 643,4-6) 348 eine Aufschwellung von FL IV.28: 312,10 (IV.28,8): wan si lonete mir mit dem bitteren tode sah, 349 ist V oll mann -P rofe der Ansicht, FL IV.28 sei in E «wohl unvollständig.» 350 Mit B ecker gesprochen bietet LD VI.25 einen «unechten Zusatz». Dass dieser Zusatz im textkritischen Sinne echt ist, begründet V ollmann -P rofe mit dem Hinweis auf eine Parallelstelle: FL II.24: 120,12 (II.24,10f.) soll beweisen, dass die Pluszeile in der ›Lux divinitatis‹ sachlich und inhaltlich zu Mechthild passt. Spricht V ollmann -P rofe von der Unvollständigkeit der von E vertretenen oberdeutschen Texttradition, so setzt sie eine der deutschen und lateinischen Überlieferung gemeinsame mittelniederdeutsche Vorlage voraus, die nach dem intakten lateinischen Text zu ergänzen wäre. Die Möglichkeit, dass den lateinischen Übersetzern eine andere Version des ›Fließenden Lichts‹ vorgelegen haben könnte als diejenige, welche in der Basler Tradition greifbar ist, wird nicht erwogen. Dies verwundert insofern, als die den Textbestand betreffenden Varianten sich nicht auf B ecker s «unechte Zusätze» (vgl. S. 177, Anm. 325) bzw. auf die von V ollmann -P rofe ermittelte neue Stelle beschränken lassen. Will man sich ein Bild verschaffen von den Abweichungen, die vom jeweils anderen Überlieferungszweig her gesehen als Umstellungen, Ergänzungen oder Auslassungen definiert werden können, so ist man auf den unmittelbaren Vergleich des deutschen und lateinischen Textes angewiesen, denn die Varianten der ›Lux divinitatis‹ wurden in N eumann s textkritischer Ausgabe nur soweit berücksichtigt, als sie bei der Herstellung eines autornahen Textes dienlich waren. Von den vermeintlichen Umstellungen der lateinischen Übersetzer war bereits die Rede (Kap. II.2.1). Nun soll es um die so genannten Ergänzungen Varianz in Textbestand und Textfolge 183 347 Vgl. etwa N eumann (1993), S. 27, Anm. zu I.45,19: «Erweiterung» in LD I.21,10-14/ Rev. Bd. II.2, S. 466,30-35 bzw. LG I.21,16-23) - ebd., S. 54, Anm. zu III.5,27: «triviale Begründung» in LD IV.18,21f./ Rev. Bd. II.2, S. 555,30f. bzw. LG IV.17,27) - ebd., S. 85, Anm. zu V.3,9-11: «Auslassung» in LD III.16/ Rev. Bd. II.2, S. 536 bzw. LG III.16). 348 Vgl. LG VI.25,11-13: Wan sie gab antwúrt miner stim durch die bitterkeyt des todes . Vnd schlúg zú t o d mich der do zúignús gab der warheyt. 349 Vgl. N eumann (1990), S. 149, App. zu IV.28,8. 350 V ollmann- P rofe (2003), S. 790. gehen, das heißt um die Plustexte des lateinischen Überlieferungszweigs. Nicht wenige von ihnen beanspruchen, wie es nun zu zeigen gilt, dieselbe Originalität, die V ollmann -P rofe für den von ihr neu entdeckten «unechten Zusatz» in LD VI.25 reklamierte. In LD II.35 (Rev. Bd. II.2, S. 511-512) berichtet die Visionärin in Ich-Form von der ihr zuteil gewordenen Schau eines verstorbenen Bruders namens Heinrich. Nach der himmlischen Erhöhung und Krönung Heinrichs durch Gott und den Heiligen Dominikus fordert ihn Dominikus in Anlehnung an Mc 25,21 auf, in die Freude des Herrn einzugehen. Daraufhin erblickt die Visionärin die Seele des Verstorbenen in der Umarmung der Heiligen Dreifaltigkeit: Tunc in iubilo michi influente diuinitus uidi felicem illam animam . summe trinitatis beatis amplexibus dulciter et inseparabiliter inherentem . Vere non est acceptio personarum apud deum [Act 10,34] . Ecce enim mendicus cum gloria susceptus . sicut signaculum positus inter brachia [Ct 8,6] altissimi delectatur (LD II.35,38-42/ Rev. Bd. II.2, S. 512,25-30). 351 Diese Apotheose des verstorbenen Predigerbruders fehlt in der deutschen Überlieferung (vgl. FL IV.22: 292,5f. [IV.22,39]), was Grund genug für die Annahme ist, es handle sich um einen (echten) Zusatz der ›Lux divinitatis‹. 352 Deutlich günstiger urteilt B ecker , der einen «unechten Zusatz» vermutet und daraus folgert: «In E wird daher nach ‹alleluja› (Morel 113,21 [= FL IV.22: 292,6]) das Entsprechende im Laufe der Ueberlieferung ausgefallen sein.» 353 So unterschiedlich, ja widersprüchlich die Bewertung des Befundes auch ist, ausgegangen wird hier wie dort von der Existenz einer einzigen, ja einzig authentischen Version des ›Fließenden Lichts‹. Unberücksichtigt bleibt die Möglichkeit, dass die oben angeführte Textstelle in einer anderen Version des Textes als E gestanden haben kann und in dieser Form als Vorlage der lateinischen Übersetzung diente. Dafür sprechen weitere ‹Ergänzungen›, für die nicht einfach die Übersetzer-Redaktoren verantwortlich gemacht werden können, da sie nicht weniger ‹original› zu sein scheinen als das allgemein als authentisch geltende Textcorpus E. FL IV.3 enthält eine groß angelegte allegorische Darstellung der Kirche als herrscherliche Jungfrau. Besonders lange verweilt der Text bei der Beschreibung der Krone, die die Jungfrau auf ihrem Haupt trägt. Die Krone wird mit einer Burg mit Zinnen verglichen, die vom Teufel und seinem Gefolge belagert wird. Die Anwohner der Burg sind die Gerechten, angeführt von Christus, ihrem Burgherren. Allegorisch ausgelegt werden auch einzelne architektonische Elemente der Burg, beispielsweise die mit kostbaren Edelsteinen geschmückten Zinnen, die Verteidigungsbastion und der Turm. Im letzteren werden die Seligen verortet, die nicht mehr gegen den Teufel kämpfen müssen. Weiter heißt es hier: Da mag aber nieman uf komen, im werde von minne aller sin irdenscher wille benomen (FL IV.3: 242,32f. [IV.3,63f.]). In LD II.24,11 (Rev. Bd. II.2, 184 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 351 Die Solesmenser Mönche lesen mit Rb fol. 66 vb sinnloses uilicem animam illam für uidi felicem illam animam. Die korrekte Lesart bietet Dietrich von Apolda, s. B ecker (1951), S. 14f. Auch die alemannische Rückübersetzung liest richtig, vgl. LG II.32,51-55: Do war mein seel in Júbel vnd sach dise selige seell anhangenn dem vmfahen der h o chste tryfaltigkayt . Warlich bey gott ist nit vffnemúng der person . Wan diser bettler ist mit eer empfangen . vnd frewet sich zwuschen den armen des allerhochsten als ein wúnderzeichen. 352 Vgl. S enne (2002), S. 23. 353 B ecker (1951), S. 68. S. 502,19f.) liest man zusätzlich: Beati omnes qui in hac turri meruerunt habitare. 354 Eine ähnliche Exklamation findet sich in der ›Lux divinitatis‹ am Ende der allegorischen Vision, wo sich die Jungfrau als die heilige Kirche zu erkennen gibt. Der deutsche Text beschließt die Vision mit dem explikativen Vermerk: Dis ist der seligen pfaffen juncfr p we, die si so dikke lieplich ansch p went (FL IV.3: 244,8f. [IV.3,73f.]). LD II.24, 19f. (Rev. Bd. II.2, S. 502,32f.) fügt hinzu: Beati qui eam in sincera caritate custodiunt. 355 Von einem Zusatz des lateinischen Übersetzers zu reden, 356 ist in den beiden Fällen insofern nicht zwingend, als sich solche biblisch inspirierten Anrufungen (vgl. etwa Apc 19,9, Lc 12,38 usw.) auch sonst im ›Fließenden Licht‹ finden und von daher in der lateinischen Übersetzung ‹original› sein können, vgl. Wol im, das er ie mensche wart, der das rehte einist enpfindet (FL IV.18: 278,9f. [IV.18,26f.], vgl. LD V.1,22f./ Rev. Bd. II.2, S. 588,8f. bzw. LG V.1,34f.) - Wol im, das er ie mensche wart, der disen namen vor gotte hat (FL IV.18: 282,27f. [IV.18,100f.], vgl. LD V.3,32f./ Rev. Bd. II.2, S. 590,29f. bzw. LG V.2,86f.) - Wol dem der nu vaste stat (FL VI.29: 490,5f. [VI.29,21], vgl. LD I.3,16f./ Rev. Bd. II.2, S. 449,8 bzw. LG I.3,25) - Wol im, der sich hie an in vlisset (FL VII.17: 564,9 [VII.17,37]) und Wol im, der da eweklich wonen sol (FL VII.45: 616,31 [VII.45,22f.]). Nicht auszuschließen ist freilich, dass der biblische Duktus erst in der Übersetzung realisiert wurde und die Vorlage nur das ‹Rohmaterial› lieferte. 357 Wie dem auch sei, in beiden Fällen muss mit mehr Text in der Übersetzungsvorlage gerechnet werden. FL IV.23 handelt vom verstorbenen Evangelisten Johannes, dessen Leichnam in einem topographisch nicht näher eingrenzbaren Bereich zwischen Himmel und Erde gesehen wird. Zwar befindet sich der Leichnam in einem verklärten Zustand, doch teilt er das Schicksal anderer Verstorbener insofern, als er durch eine Wand, so dünn wie die Haut eines Eies, von der endgültigen Verklärung am Jüngsten Tag getrennt ist. Damit endet der deutsche Text. Der lateinische schließt dagegen mit dem Satz: hec que de pariete hic dicuntur michi allegorice intelligenda uidentur (LD II.9,16f., Rev. Bd. II.2, S. 489, 24f.). 358 Vertrauen wir, wie N eumann und V ollmann -P rofe , auf die Beweiskraft von Parallelstellen, so haben wir es wieder einmal mit einer Aussage zu tun, die sachlich und inhaltlich mechthildisch sein kann (man beachte die Ich-Perspektive! ). Zu verweisen wäre auf ein Kapitel, von dem im Zusammenhang der Interpolationen nach dem Stichwortprinzip bereits die Rede war. FL VI.8 beschäftigt sich mit dem Fegefeuer und den Qualen, die der Mensch wegen seiner Sünden noch in dieser Welt, noch mehr aber nach seinem Tod erleiden muss. Das Kapitel schließt mit der Anmerkung: Es ist aber in geistlicher wise also, das sie sele von irdenischen dingen kein pine mag geliden, swenne si kumt von disem libe (FL VI.8: 448,29f. [VI.8,34f.]). Auf eine ähnliche Anmerkung, die dazu dient, den allegorischen Charakter des Gesagten herauszustellen, stößen wir auch Varianz in Textbestand und Textfolge 185 354 Vgl. LG II.21,16f.: Sellig sind alle die . dy do vordienent han zuwonen in disem thúrn. 355 Vgl. LG II.21,28f.: Selig sind die die behutend in rayner liebin. 356 So B ecker (1951), S. 53. 357 Ich denke an einen Fall wie FL IV.27: 306,10f. (IV.27,105): Der denne dar gat und mit inen gestat, der ist ein seliger man wird in LD III.13,15f. (Rev. Bd. II.2, S. 532,15) mit Beati qui tunc eos audiunt et assistunt (LG III.13,22f.: Selig werden die sein · so sye in der selbigen zytt choren werdent vnd bey ynen ston) wiedergegeben. 358 Vgl. LG II.9,20f.: Dise ding do gesprochen von der wand soll man vff ein andern sin als mich bedunckt verstonn. am Ende von FL III.6: Eya, wie dike das gotz brúten geschiht geistlich (III.6: 172,2 [III.6,6f.]) und in FL VII.48: 622,8f. (VII.48,6): Dis sol man geistlich vernemen. Allegoriesignale, wie die eben genannten, findet man auch sonst im ›Fließenden Licht‹, vgl. FL IV.3: 242,3 (IV.3,40): das ist …, IV.3: 242,5 (IV.3,42): das sint …, IV.3: 242,10 (IV.3,46): das bezeichent …, IV.18: 276,22 (IV.18,13): dis betútet … usw. 359 Als letzter der in FL V.34 genannten Boten wird das ›Fließende Licht‹ selbst (dis b v ch) zu den geistlichen Menschen geschickt, und zwar sowohl zu den Guten als auch zu den Bösen. Die Begründung lautet: swenne die súle vallent, so mag das werk nit gestan (FL V.34: 406,12f. [V.34,42f.]). LD II.18,5-7 (Rev. Bd. II.2, S. 496,9-12) übersetzt sinngemäß: Librum istum tanquam nuncium dirigo omnibus spiritualibus religiosis bene uiuentibus . uel male agentibus . quia cum columpne nutant . tunc structura supereminens non subsistet. 360 An columpne anknüpfend fügt LD II.18,7f. hinzu: Columpne ecclesie spirituales homines et uiri religiosi sunt. 361 Man wäre geneigt, diesen in E fehlenden Satz als erklärenden Zusatz der Übersetzer abzutun, gäbe es nicht eine Stelle im ›Fließenden Licht‹, die einen vergleichbaren Fall bietet. Ich meine FL VI.3, das Kapitel, das von den Domherren handelt, die wegen ihres ungeistlichen Lebenswandels Böcke genannt werden. Da Gott jedoch aus den Böcken Lämmer machen will, empfiehlt er ihnen den zum Dekan gewordenen Herren Dietrich als Vorbild: Wellent si [die Domherren] das v v ter essen, das in her Dietrich in die krippfen leit, das ist die helige b v sse und der getrúwe rat in der bihte, so s o nt si einer hande lamber werden, die man heisset wider, lamber mit hornen (FL VI.3: 436,12-15 [VI.3,10-12]). Was mit den Hörnern gemeint ist, wird nachfolgend erläutert: Die horn das ist geistliche gewalt, der si heilekliche gebruchen z v gottes lobe. Dieser Satz fehlt in LD III.2 (Rev. Bd. II.2, S. 521; LG III.2). Dennoch gilt er als original. Dieselbe Originalität (im Sinne von B umke ) wird man auch für die zitierte explikative Ausführung in LD II.18 zu den Säulen der Kirche reklamieren dürfen, es sei denn, wir haben es an beiden Stellen mit einem erläuternden Einschub welcher Provenienz auch immer zu tun, der über eine Glosse in den Text geraten ist. 362 Dass mit dieser Möglichkeit gerechnet werden muss, zeigt ein Blick 186 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 359 Die von K öbele (1993), S. 77 herausgearbeitete Differenz zwischen dem ›Fließenden Licht‹ und dem Helftaer Schrifttum in Bezug auf den Gebrauch von Metaphern ist demnach keineswegs so ausgeprägt, wie die von ihr vorgenommene Gegenüberstellung ‹identifikatorische Metaphorik hier/ Allegoriesignale dort› suggeriert. Auch im ›Fließenden Licht‹ finden sich Stellen, wo Erzählstruktur und Allegorie, Literal- und Spiritualebene auseinander gehalten werden, vgl. in diesem Zusammenhang O rteno V illena (2007), S. 307f. 360 Wie im deutschen ist dieser Passus im lateinischen Text ein weiteres Mal überliefert, und zwar im Prol. 7,2f./ Rev. Bd. II.2, S. 444,30-33 (entspricht LG Vorrede 6,4-6). Hier ist allerdings nur von religiosi die Rede. beidú b o sen und g v ten bleibt unübersetzt. Diese «deplatzierte Adressatenschelte» - eine Interpolation, meint R uh (1950), S. 7 (Apparat) - soll der Übersetzer anstößig gefunden und getilgt haben, so N ellmann (1989), S. 201. Ob dies stimmt, bleibt offen, denn anders als im Prolog wird die Wendung beidú b o sen und g v ten - eine wohl von Mt 22,10 beeinflusste Formel - in FL V.34 übersetzt (s.o.). 361 Vgl. LG II.18,10f.: Die seúl der kirchen seint die geistlichen menner. 362 Wie eine solche Glosse ausgesehen haben kann, zeigt der Randnachtrag Cornua sunt potestas spiritualis zu LD III.2,12f. (Rev. Bd. II.2, S. 521,20) in der Handschrift Rb, der freilich hier in Anlehnung an FL VI.3: 436,16 (VI.3,12f.) formuliert wurde und erst in Basel eingefügt wurde, s. dazu S. 362ff. weiter unten. auf den Umgang der Forschung mit manchen verdächtig vorkommenden Textstellen in E. So hält N eumann den in LD V.8 (Rev. Bd. II.2, S. 596; LG V.6) fehlenden Satz das ist gottes herze, owe miner schuldigen smerze (FL V.22: 360,36f. [V.22,46f.]) für einen «unechte[n] glossierende[n] Einschub.» 363 Ähnlich überlegt V ollmann -P rofe , ob die in LD IV.8/ Rev. Bd. II.2, S. 546 (entspricht LG IV.7) fehlende Schlusszeile von FL I.9 (Glosa: das ist úber Seraphin) einen späteren Zusatz darstellt. Allerdings fügt sie gleich hinzu: «doch wohl auf M. zurückgehend.» 364 In der Tat scheint es, dass mit solchen in den Text geratenen Randnachträgen immer wieder zu rechnen ist. 365 Auch der oben zitierte erläuternde Einschub zu columpne in LD II.18 kann solchen Ursprungs sein, da er am Rande der deutschen Vorlagehandschrift der ›Lux divinitatis‹ gestanden haben und vom Übersetzer in den Text gezogen worden sein könnte. Zwar erhebt er Anspruch auf Originalität, ob dieser wie die anderen genannten glossierenden Einschübe jedoch von Mechthild herrühren, bleibt offen. Dasselbe gilt für den folgenden, in FL II.24 fehlenden Passus: LD II.19,25-27 (Rev. Bd. II.2, S. 498,9-12) kommentiert die tröstenden Worte des Herrn Du jungfr p we, gehabe dich wol! Die gr o ssi mines wunders sol úber dich gan, die l o wen s o llent dich v o rhten, die beren s o llent dir sicheren, die wolfe s o llent dich vliehen, das lamp sol din geselle sin (122,3-7 [II.24,27-30]) wie folgt: Hoc est superborum elacio / et inuidorum delacio . auarorum ambicio deficiet et persequi deseret . christus autem te numquam derelinquet. 366 Hinzuweisen wäre auch auf LD VI.11,12-14 (Rev. Bd. II.2, S. 628,19-21). Das Kapitel handelt vom Fegefeuer eines geistlichen menschen. 367 Der lateinische Text Varianz in Textbestand und Textfolge 187 363 N eumann (1993), S. 95. 364 V ollmann- P rofe (2003), S. 710. Vgl. auch das Urteil von V ollmann- P rofe (2003), S. 801 über den von N eumann (Anm. 363 mit Text) «ganz unmechthildisch» gehaltenen Satz in FL V.22: 360,36f. (V.22,46): «doch scheint mir die Formulierung durchaus möglich.» 365 Vgl. auch folgende Sätze und Teilsätze (sie sind in LD nicht enthalten): FL III.7: 172,14 (III.7,9f.): wan das ist ein vorhimelrich, s. dazu V izkelety / K ornrumpf (1968), S. 297 - FL II.19,69f. (fehlt bei V ollmann- P rofe 108,10): die beginnen alsust: Der ware gotz gr v s, der da kumt von der himelschen fl v t [C, bl v t E], s. dazu S tierling (1907), S. 80 - FL IV.2: 234,19-22 (IV.2,89-91): Swenne ein mensche in einem heiligen leben gemach sines fleisches ane rechte notdúrftekeit und an allen sinen fúnf sinnen s v chet, so werdent si unkúsche, das ist: grob und las; und wirt verkaltet dú ware gotz minne, s. dazu B ecker (1951), S. 50 - FL V.13: 348,1 (V.13,8): antphrasis, s. dazu V ollmann- P rofe (2003), S. 799. Ich verweise außerdem auf FL III.21: 210,16 (III.21,57) wir sehen, wes wir hie pflegen und FL IV.27: 302,5f. (IV.27,44) Si [die Brüder des endzeitlichen Ordens] s o nt p ch mit keiner witwen ze herberge wesen (von jüngerer Hand am Rande von Rb fol. 69 va nachgetragen, vgl. LD III.11,31/ Rev. Bd. II.2, S. 530,14f.). Für weitere Beispiele s. S. 169f., Anm. 300. 366 Vgl. LG II.19,39-41: Das ist der hoffertigen erhebúng . vnd der nideschen vorklagúng . vnd der geitigen ytell eer wirt abgon vnd wirt vffhoren zúúerfolgen Aber christús wirt dich nymmer verlassen. 367 Der in der Überschrift von FL III.17 hergestellte Bezug zum predier orden wird in LD VI.11 (LG VI.11) nicht realisiert: In der Überschrift des lateinischen Kapitels ist von cuiusdam religiosus die Rede, obwohl sich der Protagonist immer wieder als Ordensbruder zu erkennen gibt, vgl. Nobilitas ordinis mei non sinit quod etc. (Z. 15f./ Rev. Bd. II.2, S. 628,23f. bzw. LG VI.11,23f.) und finem purgatorij mei dicere nolo tibi ne ex hoc fratres mei ordinis contristentur (Z. 22f./ Rev. Bd. II.2, S. 628,33f. bzw. LG VI.11,33f.). Man fragt sich, ob der Hinweis auf den Dominikanerorden erst auf dem Weg zu *EC in den Text geraten ist, vgl. auch N eumann (1993), S. 125, Anm. zu VI.21,2. berichtet mit dem deutschen übereinstimmend: Zwenne drakken lagen z v sinen f v ssen, die sugen im allen den trost us, den er enpfahen solte von der heligen cristanheit wider den sin cranken gehorsam, das er sunder not nach sinem willen und nit nach siner prelaten lere wolte gan (FL III.17: 200,19-22 [III.17,14-17]), fügt allerdings anschließend hinzu: horror culpe / et ignis pene / ipsum in draconum specie crvciabant quod percipere non poterat suffragia qua ecclesie karitas offerebat. 368 Dieser und der zuvor genannte Passus unterscheiden sich formal und inhaltlich in keiner Weise von jenen Zwischenbemerkungen, die Mechthild selbst eingeschoben haben soll, als sie den Büchern I- VI (? ) eine «zweite Redaktion» 369 angedeihen ließ, vgl. FL IV.2: 234,19-22 und 34-37 (IV.2,89-91 und 101-103, fehlen LD Prol 3-4/ Rev. Bd. II.2, S. 438f. bzw. LG Vorrede 2-3) bzw. FL V.24: 380,9-12 (V.24,34-36, fehlt LD II.14/ Rev. Bd. II.2, S. 493 bzw. LG II.13). 370 Eine Variante anderer Art stellt der Anfang von LD I.23 dar. Setzt FL I.29 mit Vide me, sponsa! Sich, wie sch o ne min p gen sint etc. recht unvermittelt ein, so wird dem entsprechenden lateinischen Kapitel ein LD II.37 (Rev. Bd. II.2, S. 514) vergleichbarer Situationsbericht, der, laut B ecker , einen «unechten Zusatz» zu FL VI.11 darstellt (s. S. 177, Anm. 325), vorgeschoben: Die quadam dum sorores omnes ad audiendum verbum dei properarent remansit soror mehtildis sola in quodam cubiculo clausa . Cepit ergo 371 contristari et mesta esse . dicens in corde suo . Hev me domine quod uerbo tuo ascultando propter infirmitatem non ualeo misera interesse . Mox apparuit ei consolator merencium in habitu predicatorum et dixit ei . Vide me sponsa etc. (LD I.23,2-6/ Rev. Bd. II.2, S. 468). 372 Diese Einleitung stellt insofern keinen Fremdkörper im Corpus der Schriften, die man Mechthild zuzuschreiben gewohnt ist, dar, als ähnliche Situationsberichte auch sonst im ›Fließenden Licht‹ zu finden sind, vgl. Eya lieber herre wie nútze das si, das ein mensche von g v tem willen sie, nochdenne das si der werke nit vermag, das wisete únser lieber herre einer armen dirnen, do si nit me mohte, alleine si doch leider z v sinem dienste nit endohte. Do sprach si alsust ze gotte: »Eya lieber herre min, sol ich hútte ane messe sin? « (FL II.4: 84,5-10 [II.4,4-8]) 373 bzw. Sust klaget sich ein ellende sele […] und sprach: »Eya herre, nu bin ich vil arm an minem siechen lichamen und bin vil ellendig an miner armen sele also, herre, an geistlicher ordenunge, das nieman din zit vor mir liset noch nieman dines heligen anbahtes der messe vor mir pfliget! « (FL III.5: 168,12-19 [III.5,3-8]). 188 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 368 Vgl. LG VI.11,19-21: der erschreck der schuld vnd die pin des fúirs pinigenten yn . in der gestalt der trachen / das er nit mocht empfaen die hulff der kirchen Die . die liebin vffopffert. 369 S. dazu N eumann (1993), S. 66, Anm. zu IV.2,101-103. 370 S. dazu N eumann ebd., S. 99. 371 ergo fehlt Rev. Bd. II.2, S. 468,32. N eumann (1993), S. 19, Anm. zu I.29,3 liest graviter. 372 Vgl. LG I.23,2-8: Eins tages do alle schwestern gingen zúhoren das wort gottes blib schwester Mechtildis allein in einem kemmerlin beschlossen Do fing sy an trúrig sein sprechent in yren hertzen / Hew wee mir o herr das ich vmb kranckheit wegen nit kann dinem wort vffh o ren / Glich erschin ir der troster der trúrigen in dem kleid prediger ordens vnd sprach zú ir O sponsa sich mich an etc. 373 Ich zitiere nach E wegen der vielen zwar gut begründeten, aber nicht zwingenden Eingriffe seitens der Herausgeber. So streicht N eumann (1990), S. 41 die Anrede Eya lieber herre vom Anfang des Kapitels und ändert nit me mohte in nit z v der messe komen mohte, eine Ergänzung, die sich «vom Zusammenhang her» nahelegt, wie auch V ollmann- P rofe (2003), S. 730 betont. Auch in diesen unhinterfragt als authentisch geltenden Passagen wird Krankheit als Grund angegeben, der den Ich-Sprecher daran hindert, an den kultischen Handlungen teilzunehmen. 374 Hier wie dort provoziert die Beschwerde des Kranken über seine nicht selbst verantwortete Lage die göttliche Absolution. Freilich fragt man sich angesichts einer in der ›Lux divinitatis‹ zweifelsohne vorhandenen Tendenz zu biographischen und zeitgeschichtlichen Erweiterungen (vgl. etwa LD II.18,2f./ Rev. Bd. II.2, S. 496, LD II.39 und 40/ Rev. Bd. II.2, S. 515f.), ob der Einleitungstext zu FL I.29 auch in der deutschen Vorlage der lateinischen Übersetzer von ähnlichem Umfang und ähnlicher Ausführlichkeit war. 375 Denkbar ist, dass die Vorlage nur die mit einer Inquit- Formel eingeleitete direkte Rede Hev me domine etc. enthielt, gefolgt von der Vision Christi in Gestalt eines Predigerbruders. 376 Ob die Inquit-Formel aus der Ich- oder der allgemein verbindlichen Perspektive eines menschen bzw. einer sele formuliert war (vgl. die Situationsberichte in FL II.4 und III.5), bleibt freilich offen, zumal die Übersetzer dazu neigen, das im Text Gesagte bzw. Geschilderte auf Mechthild als erlebende Person zu beziehen (s. dazu S. 345ff. weiter unten). Wie auch immer der Beginn von FL I.29 in der deutschen Vorlage der ›Lux divinitatis‹ ausgesehen haben mag, dass es dort einen Situationsbericht gegeben haben muss, belegt nicht nur das entsprechende lateinische Kapitel, sondern auch das folgende Kapitel (FL I.30), das in der lateinischen Übersetzung (! ) inhaltlich an FL I.29 unmittelbar anknüpft. E trägt die Überschrift Von den siben ziten und lässt ein auf verschiedene Aspekte bzw. Erfahrungsweisen der Liebe ausgerichtete Tageszeitgebet folgen. 377 Die Überschrift des entsprechenden lateinischen Kapitels - es befindet sich nicht in unmittelbarer Nähe zum Übersetzungsäquivalent von FL I.29! - lautet: De septem horis canonicis quas infirma dicebat (LD IV.53/ Rev. Bd. II.2, S. 580). 378 Darauf folgt FL I.30 zunächst auf Deutsch, dann auf Latein. Am Ende des lateinischen Tageszeitgebets findet sich ein weiterer quasi-biographischer Vermerk: Hec septem uerba femina sancta corpore debilitato per spiritus feruore uel eciam per languorem amorem delectantem (? ) decantare domino consueuit (LD IV.54,6-8/ Rev. Bd. II.2, S. 581,4-6). 379 Wie schon in FL I.29 fehlt eine situative Einbindung des Kapitelinhalts auch in FL I.30. In der ›Lux divinitatis‹ verbindet dagegen ein durch Krankheit und Leibesschwäche evozierter situativer Rahmen beide Kapitel miteinander, und dies obwohl die Übersetzungsäquivalente für FL I.29 und 30 hier weit auseinander liegen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als hätte die deutsche Vorlage am Anfang von FL I.29 und 30 einen LD I.23 und IV.54 vergleichbaren kontextualisierenden Einschub (von welchem Varianz in Textbestand und Textfolge 189 374 Zu diesem in der hagiographischen Literatur verbreiteten Motiv s. R ingler (1980), S. 317f. 375 Vgl. N eumann (1993), S. 118 zu dem in FL VI.11 fehlenden Auftakt in LD II.37/ Rev. Bd. II.2, S. 514 bzw. LG II.34. 376 Vgl. dazu die Vision des verstorbenen Scholaren in FL VI.11: 454,5f. (VI.11,4f.), der einem predier gelich gesehen wird, oder die Visionen in FL VII.11 (wie únser herre wart glich gesehen einem arbeitendem manne, Überschrift) und VII.13 (Wie únser herre wart gesehen glich einem pilgerin, Überschrift). 377 Vgl. V ollmann- P rofe (2003), S. 717. 378 Vgl. LG IV.44: Hie sind beschriben die vijzit [sic! ] die sie in der kranckheit sprach. 379 Vgl. LG IV.44,17-20: Dise vij wort hatt dise heilige fraw . nach yr gewonheit gesongen gott dem herren dúrch den inbrunst des geistes . oder durch kranckheit . auch im schwach gemachtem leip . darzú gereitzet durch die liebin. Umfang auch immer) geboten. Und man fragt sich, ob die Überschrift des in die ›Lux divinitatis‹ aufgenommenen deutschen Tageszeitgebets nicht einen Hinweis auf die Existenz eines solchen Einschubs bietet, zumal wenn das deutsche Tageszeitgebet der mittelniederdeutschen Übersetzungsvorlage selbst entnommen worden sein sollte. 380 Mit einer Einleitung versehen ist auch FL IV.21 in der lateinischen Übersetzung. Im deutschen Text gehört dieses Kapitel mit dem vorangehenden eng zusammen, handeln doch beide von Dominikus bzw. dem Dominikanerorden. Anders als im ›Fließenden Licht‹, wo die temporale Angabe Hie nach FL IV.21 eröffnet, wird das Kapitel in LD II.12 wie folgt eingeleitet: Exordium huius ordinis primitiuum . ardenti caritatis deifice feruebat calore . eximieque puritatis mundicia candens . uelud lilium fragrabat odore . fictionis ypocrisisque nescius . uestitus vere simplicitatis effulsit decore (Z. 2-4/ Rev. Bd. II.2, S. 491,19-22). 381 Dieser Kapitelauftakt scheint FL V.24: 380,31f. (V.24, 52f.): Dirre orden [der Dominikaner] was in den ersten ziten reine, einvaltig und dar z v vol der brennenden gotz liebi nachempfunden worden sein, einem Kapitel, das in der ›Lux divinitatis‹ unmittelbar auf die Übersetzung von FL IV.21 folgt, vgl. LD IV.13 (Rev. Bd. II.2, S. 492). 382 Man fragt sich angesichts dieses Befunds, ob der Beginn von 190 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 380 Außer diesem Textstück gibt es einige Glossen, die auf Deutsch in die ›Lux divinitatis‹ eingegangen sind. Manche dieser Glossen stellen Lemmata dar und zeigen laut V ölker (1967), S. 56 «deutlichere Spuren ihrer niederdeutschen Herkunft als die entsprechenden Textteile der oberdeutschen Übertragung.» Dies soll auch auf den Lautstand von FL I.30 zutreffen. V ölker ebd. weist auf die nicht durchgeführte Diphtongierung in sûze, kûlen und vûlen hin. Der Ansicht, das in Rb eingegangene Textstück entstamme nicht der ober-, sondern der niederdeutschen Tradition des ›Fließenden Lichts‹, scheint auch V ollmann- P rofe (2003), S. 717 zuzuneigen, wenn sie feststellt: «Die Hallenser Übersetzer haben sie [die Stoßgebete in FL I.30] zwar ins Lateinische übertragen, zugleich aber auch die deutsche Fassung abgeschrieben.» B oehmer (1874), S. 4, B ecker (1951), S. 172, Anm. 1 und N eumann (1990), S. 23, App. zu FL I.30 sind dagegen der Ansicht, nicht der mittelniederdeutsche Text, sondern die Basler Übertragung sei in LD IV.53 zitiert. Auf dieser Grundlage hat B oehmer (1874) Rb auf die Mitte des 14. Jahrhunderts datiert. B ecker dagegen wollte die Handschrift ziemlich genau auf 1310 setzen (S. 7), und dies obwohl er der Ansicht ist, FL I.30 sei hier «durchaus im hd. Lautstande» (S. 172, Anm. 1) überliefert. Hochdeutsch ist jedoch das ›Fließende Licht‹ jedoch erst seit den 40er Jahren des 14. Jahrhunderts bezeugt. Auf Anfrage von Ernst Hellgardt datierte Karin Schneider Rb auf die Zeit um bzw. kurz vor 1350. Aus der Datierung und der Provenienz von Rb aus dem Dominikanerkloster in Basel lässt sich demnach höchstens auf die Kenntnis der Basler Übertragung schließen, der das deutsche Textstück in LD IV.53 entnommen worden sein könnte. Gegen eine erst in Rb erfolgte Aufnahme von FL I.30 in die ›Lux divinitatis‹ spricht jedoch Rw. Denn auch hier ist das deutsche Gebet enthalten, obwohl Rw nicht von Rb abstammt, sondern auf eine davon unabhängige Vorlage zurückgeht. Allerdings scheint selbst diese Vorlage keine von Basel unabhängige Tradition des lateinischen Textes zu repräsentieren 381 Vgl. LG II.12,2-5: Der erst aúffgang dises ordens glúet mit brinnender hitz der g o tliche liebin unt mit reinigkeyt einer hohen púrheyt / glitzet als ein lilie . gab ein wolrichenden geschmack on stifftung der gleißnery vnd der erdichtung . vnd scheint becleidt mit zierde der waren einfaltigkayt. 382 In der lateinischen Übersetzung lautet der zitierte Passus aus FL V.24: Hic ordo primis temporibus mundus fuit . simplex . et uigebat in eo caritas (Z. 9f./ Rev. Bd. II.2, S. 493, 34f.). LD II.12 sich überhaupt dafür eignet, die Existenz einer von E abweichenden Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹ zu belegen, zumal sich die Übersetzer bei der Neugestaltung des Kapitelbeginns von FL IV.21 vom Inhalt des bei ihnen unmittelbar darauf folgenden Kapitels leiten lassen konnten. Dieses Verfahren der Wiederverwertung vorhandenen Textmaterials kennt man jedoch auch aus dem ›Fließenden Licht‹, genauer aus dem Prooemium I, das eine Art Mosaik darstellt und aus Sätzen anderer Kapitel besteht, und vor allem aus dem siebten Buch. Man denke an FL VII.1: 532,4f. (VII.1, 129f.) und VII.18: 564,13-17 (VII.18,3-7). Das letztgenannte Kapitel enthält Tageszeitgebete unter anderem zu Matutin. Es wird durch fünf Anrufungen eingeleitet, die auch FL V.20 eröffnen. Wie beim Prooemium I, dessen mosaikartige Struktur entweder Mechthild oder dem Redaktor (vorzugsweise Heinrich von Halle) zugeschrieben wird, 383 gehen die Meinungen auch bei FL VII.18 auseinander, was die Frage nach dem Urheber des neuen Arrangements betrifft. Für N eumann handelt es sich um «eine bewußte Wiederverwendung seitens der Verfasserin», 384 wohingegen V ollmann -P rofe der Ansicht ist, die nochmalige Verwendung der Anrufungen im Buch VII «dürfte kaum auf M. zurückgehen.» 385 Anders wird FL VII.1: 532,4f. (VII.1,129f.) beurteilt, eine Stelle wohlgemerkt, die am ehesten eine Parallele zu dem in LD II.12 anzutreffenden Verfahren bietet. Denn auch hier wird anverwandelnd auf eine frühere Formulierung zurückgegriffen, vgl. Ist dise rede iht ze lange, das ist des schult, das ich in der cronen manigleie wunne vant bzw. Ist dirre brief ze lang, das ist des schult: Ich was in der matten, da ich manigerleige bl v men vant (FL I.3: 26,19f. [I.3,27f.]). Anders als der Beginn von FL VII.18 hat die Vorgehensweise am Ende von FL VII.1 kein Misstrauen seitens der Forschung erweckt: Es ist Mechthild, die eine frühere Formulierung wieder aufgegriffen und neu ausgestaltet haben soll. 386 Sollten die genannten Beispiele der récriture tatsächlich auf Mechthild zurückgehen, so gäbe es im Grunde keinen Anlaß, daran zu zweifeln, dass der Einleitungstext zu FL IV.21 in LD II.12 nicht ähnlich ‹original› sein kann. Als letztes verweise ich auf einen längeren Passus in LD I.4, der keine Entsprechung in FL II.21 hat: Dicam hoc expressius ut intelligas luculenter . Accedens ad contemplandum deum . emunda prius oculos mentis . intellectum uidelicet et affectum . Si peccandi libidinem . inuidie odijque rubiginem . ac iracundie insaniam . a uoluntate tua absterseris . affeccionis oculus est purgatus . Age penitenciam emunda conscienciam expelle desidiam . Apprehende pacienciam et sic illustrata intelligencia . in montem istum leua oculos tuos . et ueniet tibi auxilium a deo tuo (Z. 12-17/ Rev. Bd. II.2, S. 450, Varianz in Textbestand und Textfolge 191 383 Für Mechthild sprechen sich B ecker (1951), S. 197, N ellmann (1989), S. 205 und O rteno V illena (2007), S. 324 und 336 aus, für eine redaktionelle Zutat S tierling (1907), S. 61f., A ndersen (2000), S. 125f. und V ollmann- P rofe (2003), S. 702f. Fürs Letztere spricht ein Textstück in B (abgedruckt bei N eumann 1993, S. 284,238-242): Es ist «ohne Parallele bei Mechthild, verwendet aber ihr Vokabular», V izkelety / K ornrumpf (1968), S. 285. 384 N eumann (1993), S. 92. 385 V ollmann- P rofe (2003), S. 837. 386 Vgl. T aigel (1955), S. 39f. und V ollmann- P rofe (2003), S. 831, Anm. zu 532,4-6. Hier sei darauf hingewiesen, dass dieses Verfahren der récriture für das siebte Buch, das auch sonst aus der Reihe tanzt, charakteristisch zu sein scheint, vgl. S. 295ff. weiter unten. 10-18). 387 Zwar vermag ich keine Stellen aus dem ›Fließenden Licht‹ zu nennen, die die potenzielle Originalität dieses Textstückes belegen können - stilistisch und inhaltlich erinnert es am ehesten an die via purgationis in FL I.44: 58,4-11 (I.44,4-9) -, doch ist dieser Passus für etwas anderes aufschlussreich. Sollte es sich hier wie bei allen anderen Partien der ›Lux divinitatis‹, die über E hinausgehend ein Ich setzen und damit eine auktoriale Erzählperspektive einführen, um einen Zusatz der Übersetzer handeln, so spräche dies dafür, dass Ich-bezogenes Sprechen kein Authentizitätsbeweis ist, kann doch auch ein Redaktor im Namen des Autors Ich sagen (s. dazu S. 347ff. weiter unten). Es gibt offenbar eine Reihe von Zusätzen in der ›Lux divinitatis‹, die nicht zwingendermaßen «echt» im B ecker schen Sinn sein müssen. Dies bedeutet freilich nicht, dass die ›Lux divinitatis‹ an anderen Stellen keine «echten» Zusätze, «echten» Auslassungen und «echten» Umformulierungen aufweist. Sie resultieren aus der anders gearteten grammatikalischen Struktur und den semantischen Gegebenheiten der Zielsprache (Präzisierung der Tempusebenen, Verlust spezifisch deutscher Anklänge an höfische Kulturelemente durch notwendig anders konnotierte lateinische Termini) sowie aus der Anwendung von Stilphänomenen, die für das Lateinische charakteristisch sind (Neigung zu variatio und amplificatio, Durchsetzung des Textes mit Biblizismen). 388 Darüber hinaus ist mit inhaltlichen Modifikationen des Ausgangstextes zu rechnen, die textkritisch durchaus als Auslassungen bzw. Umformulierungen verbucht werden können. Damit möchte ich auf einige Bearbeitungstendenzen der ›Lux divinitatis‹ hinweisen, die den Inhalt tangieren. II.2.3 Die ›Lux divinitatis‹ als Bearbeitung. Zu einigen Aspekten der Übersetzungsprogrammatik Im Zusammenhang der inhaltlichen Veränderungen, die der deutsche Text bei seiner Überführung ins Lateinische erfahren hat, hat man schon immer auf die Abschwächung bzw. Eliminierung von besonders kühnen Formulierungen geistlicher Erotik sowie von theologisch bedenklichen Stellen hingewiesen. 389 In neueren Untersuchungen wird allerdings betont: «Wohl gibt es Korrektu- 192 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 387 Vgl. LG I.4,16-24: Ich sag dir das clarlicher das dú es bas vorstandest So dú wilt von gott zúbeschawen . vor an reinige die oúgen dines gemúets dein vornúnfft vnnd begird So dú den lúst zú súnden . den roßt vnd vnflot des haß vnd nides vnd des zorns vnsinnigkeyt abtrúcknest von dinem willen so ist gereinigt das oúg der begirden . Wirck b u ß . reinige dein gewißne vßrib die fúligkeyt Hergreiff die gedúlt vnd also mit erleichteter vorstantnus heb vff din oúgen in disen berg so wirt dir húlff kommen von dinem gott. 388 S. dazu G sell / S tockmar (1992), V ollmann- P rofe (2000), S enne (2004) und S uerbaum (2011). Einen Eindruck davon, in welchem Maß die ›Lux divinitatis‹ von Biblizismen durchsetzt ist, wird die Neuausgabe vermitteln, vgl. H ellgardt / N emes / S enne (2011). 389 Zu den «enterotisierenden» (S eelhorst ) Eingriffen der ›Lux divinitatis‹ s. L üers (1926), S. 48-54, K öbele (1993), S. 86, Anm. 208 und S. 111, Anm. 287, S eelhorst (2003), S. 104-107 und P oor (2004), S. 86-88. ren, doch erfolgen diese weder - bezogen auf den Einzelfall - besonders gründlich, noch - im Blick auf das Gesamtwerk - sehr konsequent.» 390 Um dies zu veranschaulichen, greife ich zwei Bereiche heraus, die von ‹dogmatischen› Berichtigungen besonders betroffen sind. Dazu zählen zum einen Textstellen, die von theopoiesis, der Vergöttlichung des Menschen aufgrund einer zwischen Mensch und Gott bestehenden Wesensgleichheit handeln (und zwar nicht allein in dem bis jetzt immer wieder beachteten uniomystischen Kontext! ), zum anderen Aussagen mariologischen Inhalts. Auf diese inhaltlichen Veränderungen hat man vereinzelt zwar hingewiesen, eine umfassende und vor allem systematische Auswertung haben die betroffenen Stellen bislang jedoch nicht erfahren. Doch genau in diesen beiden Bereichen zeigt sich eine Bearbeitungstendenz, die auf theologische Richtigstellung zielt, besonders deutlich. Zunächst zu den Textstellen mariologischen Inhalts. Die augenfälligsten Eingriffe werden in FL V.23 vorgenommen und betreffen die Schilderungen der Empfängnis und des Gebärens Marias. Beidesmal erscheint die Heilige Dreifaltigkeit in die Ereignisse involviert. Das Moment der Empfängnis Mariens wird als Eingang (FL V.23: 364,12-17 [V.23,28-32]), das des Gebärens als Ausgang der Trinität aus Maria (FL V.23: 364,32-366,1 [V.23,43-47]) inszeniert. Do trat dú ganze helige drivaltekeit mit der gewalt der gotheit und mit dem g v ten willen der menscheit und mit der edelen gev v gheit des heligen geistes dur den ganzen lichamen ires magt v mes in die vúrigen sele irs g v ten willen und saste sich in das offen herze ires allerreinosten vleisches etc. (FL V.23: 364,12-17 [V.23,28-32]) bzw. Der almehtige got mit siner wisheit, der ewige sun mit siner menschlichen warheit, der helig geist mit siner cleinlichen s u ssekeit ging dur die ganzen want Marien lichamen mit swebender wunne ane alle arbeit. Das was also schier geschehen, als dú sunne gibet iren schin nach dem s u ssen t p we in minnenklicher r v we. Do Maria ir sch o ne kint angesach etc. (FL V.23: 364,32-366,1 [V.23,43-48]) An beiden Stellen greift der Übersetzer ein: Ad hanc uocem deprimentis se humillime virginitatis . et desiderantis ardentissime caritatis sancte trinitatis . infinita maiestas . et inmensa benignitas exultauit Stabat enim caritas Capite rore pleno ad ostium uirginis et pulsabat . Moxque ut dilatati cordis per fidem pessulum apperuit spiritu sancto superueniente uirtuteque altissimi obumbrante . ex purissimis uirginis sanguinibus conceptus est desideratus cunctis gentibus (LD I.12,28-33/ Rev. Bd. II.2, S. 457,12-19) 391 Varianz in Textbestand und Textfolge 193 390 V ollmann- P rofe (2000), S. 152. Ähnlich B ecker (1951), S. 39 und S enne (2004), S. 148f. 391 Vgl. LG I.12,42-50: Zú disem wort der demútigen iúngfrowschafft begirlicher vnd aller inbrúnstigen liebin . hett sich erfrowet die vnentliche herschafft vnd vngemessene gútigkeyt . der heilige tryfaltigkeyt Wan die liebin stond vor der thúr der iúngfrow mit dem vollen haúbt vom thow . vnd thet anklopffen Bald sy den rigel des vßgespreiten hertzen bzw. In uia nascitur uia . ne erremus per deuia dum in hac tenebrosa peregrinus uia . lucente stella maris preuia . Aspiciens autem iam natum virgo filium … (LD I.13,7-9/ Rev. Bd. II.2, S. 457,36-458,2 bzw. 8f.) 392 Im ersten Fall ersetzt der Übersetzer Trinität mit caritas und lässt den Heiligen Geist Maria im Sinne von Lc 1,35 überschatten. Dieser Eingriff verwundert insofern, als die inhabitatio trinitatis, die Vorstellung von der Einwohnung des dreifaltigen Gottes in Maria, kein heterodoxes Gedankengut darstellt. Im zweiten Fall wird noch radikaler in den Text eingegriffen. Der Grund dürfte darin zu sehen sein, dass der deutsche Text den Anschein erweckt, als wäre nicht allein der Sohn, sondern die ganze Trinität aus Maria hervorgegangen, 393 eine Vorstellung, die aus der Verknüpfung der Inkarnations- und Trinitätsthematik in der inhabitatio-Lehre resultiert. Bemerkenswert ist, dass diese Vorstellung nicht der Einbildungskraft einer häresiegefährdeten, da ungelehrten Begine entspringt. Vielmehr bildet sie den Gegenstand schultheologischer Auseinandersetzungen des 12. und 13. Jahrhunderts. 394 Berichtigend eingegriffen wird auch in FL V.23: 364,28-32 (V.23,40f.). In E liest man: Maria wiste der zit nit vor, wenne got wolte von ir werden geboren, e si in in irme schossen sach in der strasse in der naht ze Betleeme in der vr o meden stat, da si selber was ein arm ungeherbergete gast. Davon ist in der Übersetzung übrig geblieben: Processit itaque natus in bethleem diuersorio . mundi conditor carens hospicio . ut nos in celesti collocaret palacio (LD I.13,6f./ Rev. Bd. II.2, S. 457,34-36). 395 Übergangen wurde demnach die Passage, die von der Unwissenheit Mariens handelt. Es scheint Absicht dahinter zu stehen. Auch in der Übersetzung von FL II.3 fehlt eine Zeile, die den Eindruck er- 194 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ durch den gloúben vffthett . Do ist vom oben herab kommenden heiligen geist / vnd vß umbschattender krafft des allerhóchstens . vß dem reinsten blutt der iúngfrow empfangen der . der do was begert von allen volkern. 392 Vgl. LG I.13,12-15: Der weg wirt geborn im weg . das wir nit irren dúrch die vnwegsame steett . Die wil wir wandlent in disem finstern weg . so vns thut leuchten der vorgendig morgenstern. Der lateinische Text operiert mit Vokabeln, die auch in Marienhymnen auftauchen, vgl. etwa Stella maris praevia, / Salvos nos duc per devia (›De beata Marie V.‹, in: B lume / D reves 1899, S. 159, Nr. 114, Str. 17), Errantes per devia; / Salva servos, stella maris (›De incarnatione D. N.‹, in: D reves 1888, S. 162, Nr. 27, Str. 3) und Et stella nostra praevia / Praecedens, per te devia / Incerti ambulamus (›Aureum Alma B. M. V.‹, in: B lume / D reves 1898, S. 286, Nr. 161, Str. 9). 393 In diesem Sinne versteht die Stelle auch E scherich (1909), S. 113. 394 S. dazu K ern (1971), S. 220-224. Diese zeitgenössische Diskussion um die Frage, ob alle Personen der Trinität die Menschheit annahm, übersieht G össmann (1957), S. 187 bei ihrer Kritik an E scherich s Deutung von FL V.23: 364,32-366,1 (V.23,43-48), s. Anm. 393 mit Text. 395 Vgl. LG I.13,10-13: Also ist durch gebúrt in die welt gangen der ersch o pffer der welt in einer hútten zú betlehem . Wan er manglete einer herberg das er vns wer setzen in den himlischen pallast. weckt, als wäre die besondere Würde Mariens in der Heilsordnung geschmälert: der [gemeint ist die grosse zierde, die Gott am Jüngsten Tag allen Auferstandenen verleihen wird] m v s únser fr p we noch enbern, die wile das dis ertrich swebet uf dem mere (FL II.3: 80,34-82,1 [II.3,29f.], fehlt LD I.28/ Rev. Bd. II.2, S. 473 bzw. LG I.28). Eine unscheinbare, aber umso charakteristische Änderung findet man auch in der Übersetzung von FL I.22: 42,30f. (I.22,69f.): Woltostu nit s o gen me, so tete dir dú milch vil we entspricht in LD I.32,7f. (Rev. Bd. II.2, S. 476,15f.) Que si recusares prebere sicientibus lac miseracionis . et sitis nostre ariditas te urgeret. 396 Ist im deutschen Text von einem an Maßregelung grenzenden «naturhafte[n] Zwang» 397 die Rede, so ist die Drastik dieser Vorstellung in der ›Lux divinitatis‹ abgeschwächt: Es ist der Durst der Menschen, der Maria dazu bringt, ihre Brüste den Dürstenden nicht zu entziehen. Nicht eingegriffen wurde dagegen in FL I.2, an einer Stelle wohlgemerkt, die vom Liebesspiel der Seele mit Gott handelt. Es wird behauptet, dieses Spiel kenne weder der in eime s u ssen schlaffe (FL I.2: 20,32 [I.2,7f.]) zurückgelassene Leib noch die d o rper bi dem phl v ge noch die ritter in dem turnei noch sin minnenklichú m v ter Maria (FL I.2: 22,10f. [I.2,15f.], vgl. LD IV.21,13f./ Rev. Bd. II.2, S. 558,3f. bzw. LG IV.20,18f.). Offenbar liegt hier ein weiterer Beleg (diesmal aus dem Bereich der Mariologie) für jene Inkonsequenz vor, die im Umgang der Übersetzer mit erotisch überladenen oder theologisch nicht vertretbaren Aussagen des deutschen Textes von der Forschung schon öfters beobachtet wurde. Dies wird auch von jenen Stellen bestätigt, an denen man überraschender Weise auf die in FL V.23 hinwegpurgierte Vorstellung vom Eingang der Trinität in Maria trifft, vgl. FL III.9: 180,4-17 (III.9,79-89) und LD I.9,16-30/ Rev. Bd. II.2, S. 453,25-454,12 (entspricht LG I.9,23-43) bzw. FL I.22: 38,16f. (I.22,4f.) und LD I.29,3f./ Rev. Bd. II.2, S. 474,5f. (entspricht LG I.29,4f.). Ein weiterer aussagekräftiger Beleg für einen theologisch motivierten Eingriff in eine mariologische Aussage findet sich am Anfang von FL III.4 und LD I.33 (Rev. Bd. II.2, S. 477). Es geht um die Frage, ob Maria wie jeder andere Mensch sündigen konnte. Zwar wird dies abschlägig beantwortet - Begründung: Maria war ohne Sünde aufgrund ihrer göttlichen Erwählung -, trotzdem wird am Anfang des Kapitels eine gewisse Sündenneigung postuliert: wan du were ein volgemachet mensche von gotte in aller vr o welicher nature und an aller megtlicher sch o pffenisse, und du were nit lam an diner nature (FL III.4: 166,7-10 [III.4,6-8]). V ollmann -P rofe erklärt diesen ungewöhnlichen Zugang zum Immaculata-Thema wie folgt: Eine a priori gesicherte Sündenfreiheit würde «gewissermaßen Mariens Verdienst schmälern. So nimmt sie [Mechthild] eine grundsätzliche Möglichkeit zur Sündenneigung an, damit Marias Keuschheit umso heller erstrahlen könne.» 398 Die lateinische Überset- Varianz in Textbestand und Textfolge 195 396 Vgl. LG I.32,11f.: ob dú schon nit gern b o test den durstigen milch der erbermd so zwúng dich doch die dirri vnsers dúrsts. 397 M. S chmidt (1989), S. 109. 398 V ollmann- P rofe (2003), S. 751f. zung hat für solche relativierenden Überlegungen kein Verständnis. Zwar lesen wir in den Handschriften Rb und Ra quod culpas committere humanitus potuisti, doch ist der lateinische Satz nicht in Ordnung, da das Negationspartikel zum Verb fehlt, vgl. die Fortsetzung: quoniam in uera humanitatis femineaque natura . nulloque eiusdem nature defectu . omnipotentis dei dextera te creauit (LD I.33,5-7/ Rev. Bd. II.2, S. 477). Tatsächlich liest man in Rw: das dú nit hast mogen volbringen menschlich schuld . Wan die gerechte des almechtigen gottes hatt dich erschaffen in warer menschlicher vnd fr o licher natúr . on allen gepresten der selbigen natúr (LG I.33,5-8). Das ist indes nicht die einzige, ja nicht einmal die wichtigste Umakzentuierung, die FL III.4 in der ›Lux divinitatis‹ erfährt. Der Übersetzer meint auch gegen eine Lesart Position beziehen zu müssen, die Mariens Sündenlosigkeit auf ihre natürliche Veranlagung zurückführt. So lautet die Überschrift zum lateinischen Text: Quod uirgo beata immunis ab omni peccato fuit in hac vita per graciam non per naturam. Stein des Anstoßes scheinen zwei Stellen des ›Fließenden Lichts‹ gewesen zu sein: Zum einen die einschränkende Bemerkung und du were nit lam an diner nature (s.o.), zum anderen die Apostrophierung Mariens als g o ttinne (III.4: 166,12 [III.4,10]). Zwar sind die Übersetzer sonst darum bemüht, die Heilsgröße Mariens in ihrer Unvergleichlichkeit zur Geltung zu bringen - und dies sogar gegen ihre Vorlage (s.o.) 399 -, die Verwendung des Ehrentitels Göttin scheint jedoch dem Übersetzer in einer Abhandlung über die Sündenlosigkeit Mariens über das theologisch Vertretbare hinauszugehen: 400 Um jeden Anschein einer Maria qua nature zukommenden Vollkommenheit zu unterbinden, fügt er per graciam hinzu. Es heißt also theologisch richtig: super omnes homines deificata per graciam inmunis ab omni peccato extitisti (LD I.33,8/ Rev. Bd. II.2, S. 477,10f.). 401 Die Apostrophe ‹Göttin› bleibt im deutschen Text nicht auf Maria beschränkt. Auch die Seele wird g o ttinne genannt, vgl. FL III.9: 178,5 und 29 (III.9,51 und 70). Im Blick auf die folgenden Ausführungen, die sich einem 196 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 399 Ergänzend zu den oben angeführten Belegen verweise ich auf LD I.34/ Rev. Bd. II.2, S. 478 (entspricht LG I.34), ein Kapitel, das in seinem Marienlob deutlich über das hinausgeht, was man in FL V.23: 374,27-376,2 (V.23,181-190) zu lesen bekommt. 400 Bezeichnenderweise wird die Apostrophe g o ttinne für Maria in einem anderen Zusammenhang (FL III.1: 150,27 [III.1,77f.]) stehen gelassen, an einer Stelle wohlgemerkt, wo auch im deutschen Text von der Unvergleichlichkeit Mariens die Rede ist, vgl. Ir sun ist got und si g o ttinne, es mag ir nieman gliche gewinnen und LD II.29,13f. (Rev. Bd. II.2, S. 506) filius eius deus est . ipsaque dea . Nullus ei potest in gloria similari . quia nec primam similem uisa est. Die alemannische Rückübersetzung bietet dagegen: Ir sun ist gott vnd sye ist ein getrw . keiner mag ir gleichen in der glorj wan keine vor yr ist yer gleich gefúnden worden . vnd mag ir kein nachkommerin gleich werden (LG II.26,18-21). 401 Auch M. S chmidt (1995), S. 366 ist um dieses theologisch richtige Verständnis der Textstelle bemüht, wenn sie darauf hinweist, der Marientitel g o ttine sei «im Sinn der Vergöttlichung durch Gnade [zu verstehen], wie in Schrift (Joh 10,34f.) und Tradition (Gnade als theosis) geläufig.» Vgl. auch M. S chmidt (1989), S. 106. weiteren, aus dogmatischer Sicht problematischen Punkt widmen werden, ist es aufschlussreich, darauf hinzuweisen, wie der Übersetzer mit den beiden Stellen umgeht. In FL III.9: 178,5 (III.9,51) bezeichnet sich Gottvater als gott aller g o tten und nennt die Seele aller creaturen g o ttinne. In LD I.8,2f. (Rev. Bd. II.2, S. 452) lesen wir dagegen: Ego sum deus deorum . et dea creature (LG I.8,3f.: Ich bin gott aller g o tter . vnd ein g o ttin aller creatúren). An der anderen Stelle ist von der Seele die Rede, die durch den Sündenfall verschaffen und grúlich geworden ist. 402 Gott klagt, die höchsten Engel hätten die Dienstleute der Seele sein können, wäre diese in ihrem ursprünglichen Zustand geblieben, und er fügt hinzu: Ja, were p ch Lucifer an sinen eren bliben, si s o lte sin g o ttinne sin gewesen (FL III.9: 178,29 [III.9,70]). Der Passus wird bis auf g o ttinne in LD I.9,5f. (Rev. Bd. II.2, S. 453) übernommen: cui et lucifer si in sua perstitisset gloria seruus esset (LG I.9,7f.: welcher aúch lúcifer (so er wer bestanden in siner glori) ein diener wer). Was der Seele an den beiden Stellen des lateinischen Textes verwehrt wird, ist eine Stellung, die nicht allein auf der Gottebenbildlichkeit, sondern auf der Wesensgleichheit der göttlichen und menschlichen Natur gründet. 403 Es ist, wie wir gleich sehen werden, diese Wesensgleichheit mit Gott, die den Übersetzer immer wieder dazu veranlasst, berichtigend in den Text einzugreifen. 404 Anstößig ist dabei nicht die Vorstellung der theosis, die an sich kein heterodoxes Gedankengut darstellt, 405 sondern es geht im Grunde um die Klarstellung, dass die deificatio als Gnade und nicht als natürliche Veranlagung des Menschen zu verstehen ist, d.h. als könnte der Mensch dank seiner Natur oder aus eigener Kraft und Leistung vergottet werden. Die Brisanz dieser Eingriffe wird besonders deutlich, wenn man die Reaktionen der Inquisition auf ähnliche Aussagen einer als häretisch geltenden Wesenseinheit der Seele mit Gott in Betracht zieht. Zu denken ist dabei nicht nur an den Pariser Prozess gegen den ›Miroir des simples âmes‹ der Marguerite Porète, der zur Verurteilung des Buches und zur Verbrennung der Autorin im Jahre 1310 geführt hat, oder an das Dekret ›Ad nostrum‹ des Konzils von Vienne (1311/ 12), das eine Liste von acht Irtümern, die den Beginen und Begarden in Deutschland zur Last gelegten wurden, enthält, oder auch an die Straßburger Beginenverfolgungen von 1317/ 19, sondern vor allem an eine Liste von 97 Sätzen, die von einem Unbekannten jeweils den spätantiken Häre- Varianz in Textbestand und Textfolge 197 402 Zu dieser Stelle s. K eller (1995) und ferner S tadler (1999). 403 Darüber hinaus stellt die lateinische Übersetzung die im deutschen Text außer Kraft gesetzte Ontologie mit der Hierarchie Gott - Engel - Mensch wieder her. Zur «ontologisch degradierten» (K öbele ) Stellung der Engel im ›Fließenden Licht‹ s. K öbele (2007c), S. 152- 155 und vor allem S tuder (2009). 404 Daher greift die These von H eimerl (2002), S. 226f. zu kurz, die besagt: «Da Mechthilds Sicht aber die Liebe Gottes und des Menschen in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen zur Unio stellt, entgeht sie weitestgehend der Gefahr häresieverdächtiger Spekulationen über eine ontologische Einheit von Gott und Seele - wohl auch deshalb, weil ihr das Begriffsinventar dazu fehlt.» Vgl. auch H eimerl ebd., S. 280. 405 Vgl. D enifle (1951), S. 135 und 164. sien zugewiesen werden: In einer Mainzer Handschrift, datiert um die Wende des 13./ 14. Jahrhunderts, wird diese Liste Albert dem Großen zugeschrieben und auf die Häresie im schwäbischen Ries bezogen. H erbert G rundmann hat diese Häresie in die Jahre 1270/ 73 datiert und mit der mystischen Frauenfrömmigkeit der Zeit in Verbindung gebracht. 406 Als einer seiner Kronzeugen fungiert dabei Mechthild. G rundmann zeigt anhand ausgewählter Textbeispiele, dass die lateinischen Übersetzer des ›Fließenden Lichts‹ gerade in jene Aussagen immer wieder eingegriffen haben, die man auch aus der Liste der 97 Irrtümer kennt. Es handelt sich dabei um konkret-sinnliche Schilderungen des connubium spirituale, 407 übersteigerte Vorstellungen aus dem Gedankenkreis der imitatio Christi 408 und vor allem die Idee des deificatum esse, welches im Brennpunkt aller Aussagen der so genannten Häresie im schwäbischen Ries steht. 409 Wie konsequent die Übersetzer gerade in diesem Bereich berichtigt haben, zeigen die folgenden Fälle. Bleiben wir bei dem bereits erwähnten Kapitel FL III.9, in dem die zuerst bei Wilhelm von St. Thierry bezeugte Vorstellung des consilium trinitatis - bei Wilhelm «nur eine Skizze, ein beiläufiger Einfall» 410 - zu einer anschaulichrealistischen szenischen narratio ausgestaltet wird. Darin geht es um die Erschaffung des Menschen, die Konsequenzen des Sündenfalls im Hinblick auf seine physisch-geistige Verfassung sowie um die renovatio in der Menschwerdung der zweiten göttlichen Person. 411 Liest man die Ausführungen zur Erschaffung von Adam und Eva, so wird deutlich, warum die Apostrophe der noch nicht ‹verschaffenen› Seele als g o ttinne (FL III.9: 178,29 [III.9,70]) in der lateinischen Übersetzung übergangen wurde. Denn sie gründet auf der Überzeugung, die Beschaffenheit der menschlichen Natur sei die gleiche wie diejenige von Gott, vgl. Adam und Eva waren gebildet und adellich genatúret na dem ewigen sune (FL III.9: 176,22f. [III.9,34f.]) und Hette úns dú helige drivaltekeit alsust egesclich geschaffen, so enm o hten wir úns von siner edelen nature siner geschafnisse niemer geschamen (FL III.9: 176,37-178,2 [III.9,47-49]). Diese schöpfungstheologische Begründung der Wesensgleichheit zwischen Mensch und Gott, die in der Wendung adellich genatúret zum Ausdruck kommt, 412 lässt der Übersetzer nicht gelten. An der einen Stelle rekurriert er auf die imago-Lehre und betont den doppelten Abstand des Menschen zu Gottvater: filius dei . imago patris est . qua adam et eua insignes creati sunt 198 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 406 Vgl. G rundmann (1977), S. 402-438. Dass diese sog. Häresie im schwäbischen Ries nicht als frühes Zeugnis für die Existenz einer Häresie des Freien Geistes im 13. Jahrhundert interpretiert werden kann, betont W ehrli -J ohns (2000), S. 235-237. 407 Vgl. G rundmann (1935/ 1977), S. 412f. 408 Vgl. G rundmann ebd., S. 425. Vgl. auch L üers (1926), S. 53 (Nr. 24). 409 Vgl. G rundmann ebd., S. 415f. Ähnlich L erner (1972), S. 19. 410 R uh (1993), S. 280. 411 S. dazu E. R einhardt (2007), S. 236-238. 412 Zum Begriff natûre allgemein s. G rubmüller (1999). Speziell zu Mechthild s. R uh (1984), S. 256. (LD I.7,3f./ Rev. Bd. II.2, S. 452,1f.); 413 an der anderen Stelle ersetzt er edele nature durch ‹Kraft› und unterbindet damit die Vorstellung von der Wesensverwandtheit der menschlichen und der göttlichen Natur der Trinität: Quod si in tali deformitate deus trinitas nos creasset . ex ui creatoris homo erubescere non ualeret (LD I.7,11f./ Rev. Bd. II.2, S. 452,13f.). 414 Um Gottes Souverenität zu wahren, umgeht der Übersetzer den Begriff nature immer wieder, wenn der Verdacht auf die Vermischung der Naturen besteht 415 oder der Kontext erkennen lässt, dass eine angeborene Gottgleichheit gemeint ist. 416 Das gilt nicht nur für Aussagen über den Menschen bzw. die Seele, sondern auch für solche über Maria (s. Anm. 401 weiter oben mit Text), ja sogar über die Engel. 417 Besonders auffällig sind die Änderungen vor allem dort, wo es um die unio mystica geht. Die Aufstiegsbewegung der Seele kulminiert in FL VI.1: 426,5f. (VI.1,101f.) darin, dass die Seele mit got ein got wird, also das er wil, das wil si und si m o gent anders nit vereinet sin mit ganzer einunge. Gänzlich hinwegpurgiert wird in LD V.13,19f. (Rev. Bd. II.2, S. 601,8-11) die Vorstellung von der deificatio des Menschen. Auch in der Frage, wie man sich die Vereinigung Varianz in Textbestand und Textfolge 199 413 Vgl. LG I.7,6f.: Der sun gottes ist das bildt des vatters nach welchem bildt Adam und Eúa eerlich erschaffen sind. 414 Vgl. LG I.7,17-19: hett vns gott tryfaltig in solcher vngestalt erschaffen vß krafft des sch o pffers m o cht sich der mensch nit schamen. 415 Vgl. FL IV.14: 268,5-7 (IV.14,18-20) und LD I.11,2f./ Rev. Bd. II.2, S. 455,4f. bzw. LG I.11,3f., dazu V ollmann- P rofe (2003), S. 781, Anm. zu 268,5-7. 416 Vgl. FL I.25: 46,6f. (I.25,5): si [die Seele] vr o wet sich von nature ze irem herren; von nature fehlt LD V.15,4/ Rev. Bd. II.2, S. 603,6f. bzw. LG V.11,8f. - FL I.44: 62,30f. (I.44,73): Ich m u ste von allen dingen in got gan, der min vatter ist von nature; qui michi pater uenerabilis est, LD IV.13,42/ Rev. Bd. II.2, S. 551,22; bzw. LG IV.12,67. - FL V.4: 328,1f. (V.4,34): Die Abstiegsbewegung der Seele und ihr Verzicht auf jede Art von Tröstung wird hier wie folgt kommentiert: Das ist ir vil bekeme von der edelen nature, die got und si in einer meinunge erfúllent. LD IV.35,21f. (Rev. Bd. II.2, S. 568,5-7) lautet dagegen: cedit donis dei que menti eius utilia sunt . quia nobilitate intencionis deus et mens [meus, Rb, Ra, korrigiert nach gemiet Rw] conueniunt (ähnlich LG IV.33,34-36: wicht den gaben gottes welche sinem gemiet nútz seind . Wan im adel der meinúng kompt zusammen gott vnd das gemiet). 417 Vgl. FL II.22: 114,3f. (II.22,8f.): Engel, die nicht mehr lieben, loben und bekennen können, denne in an ist geborn. Anders LD II.2,6 (Rev. Bd. II.2, S. 481,17-19): angeli […] qui nec laudare nec amara nec agnoscere amplius possunt quam eis per graciam est donatum (LG II.2,8f.: engel … welchi nit mogen meher loben . liebhaben . erkennen . dan ynen dúrch gnad zúgelassen ist). - Womöglich hängt die Streichung der oben genannten Aussagen über den ontologischen Status des Geschöpfes mit jener «brisante[n] zeitgenössische[n] Diskussion über Ewigkeit bzw. Geschaffenheit der Schöpfung» zusammen, die K öbele (1989), S. 31, Anm. 16 andeutet und als Erklärung für die Tilgungen anführt, die in LD IV.13,42 und 50f. (Rev. Bd. II.2, S. 551,23 und 34f., ähnlich LG IV.12,67f. und 78f.) gegenüber FL I.44: 62,33 und 64,11 (I.44,74 und 84) vorgenommen worden sind: Gestrichen wurde sowohl die Charakterisierung des brautschaftlichen Verhältnisses der Seele zu Gott als ane anegenge als auch die Vorstellung von der Unio als etwas, was der Braut eweklich gegeben ist. zwischen Seele und Gott vorzustellen hat, bezieht der Übersetzer eine klare Position. Eine Transformation des Geschöpfs, die Vorstellung einer unio als Vereinigung von Substanzen will er nicht gelten lassen: ‹Wahre› Einheit mit Gott ist für ihn eine Einheit im Willen: Que cum sursum scandere ceperit . omnis peccati puluis decidit . fitque vna cum deo / ut quod ipse uult uelit / et hec est uera unio conformitas uoluntatum (ebd.). 418 Zu verweisen wäre in diesem Zusammenhang auch auf die viel beachtete Aussage in FL I.44: 64,9f. (I.44,82): Fr p w sele, ir sint so sere genatúrt in mich, das zwúschent úch und mir nihtes nit mag sin. Diese Auffassung von der Minneunio als Wesenseinheit galt als häretisch. K urt R uh weist auf die oben genannte, Albert dem Großen zugeschriebene Liste von 97 Irrtümern der so genannten Häresie im schwäbischen Ries hin, wo die Aussage quod anima sit sumpta de substantia zu manichäischer Ketzerei erklärt wird. 419 Die Sicherheit zu behaupten, die Einigung mit Gott sei eine Einigung im Wesen, speist sich aus der Überzeugung, die menschliche Natur unterscheide sich im Grunde nicht von der göttlichen. Dies kommt auch in FL I.44 selbst zum Ausdruck, und zwar nur wenige Zeilen vor der gerade zitierten Stelle. Hier apostrophiert die Seele Gott als min vater von nature (FL I.44: 62,31 [I.44,72]). Dass es sich dabei um eine Ansicht handelt, die der kirchlichen Lehre zuwiderläuft, «derzufolge allein Jesus Christus Sohn des Vaters der Natur nach ist, der Mensch aber dank des Wirkens der göttlichen Gnade teilhat an der »natura divina«», 420 kann jenem Einwand entnommen werden, der von Rezipientenseite artikuliert wurde und an einer späteren Stelle des Buches aufgegriffen wird. Dieser besagt: Alles, das got mit úns hat getan, das ist alles von gnaden und nit von nature (FL VI.31: 492,20f. [VI.31,4f.]). Die Antwort lautet: Du hast war und ich han p ch war. Wenn auch die folgende explicacio quorundam verborum (Überschrift von LD IV.51/ Rev. Bd. II.2, S. 579) weitgehend unverändert in die lateinische Übersetzung übernommen wurde (zum möglichen Grund für die unkritische Übernahme s. Anm. 429 weiter unten), so haben die Übersetzer in FL I.44 empfindlich in den Text eingegriffen: statt min vater von nature liest man pater uenerabilis (LD IV.13,42/ Rev. Bd. II.2, S. 551,22, LG IV.12,67: ein erwúrdiger vatter); für genatúrt steht unio naturarum, allerdings mit dem wichtigen Zusatz ineffabilis gracia (ebd., Z. 49/ Rev. Bd. II.2, S. 551,33, LG IV.12, 76f.: ein vnvssprechliche gnad), der das Verständnis der Textstelle in die richtige Bahn lenkt (zu weiteren Eingriffen in der unmittelbaren Umgebung dieser 200 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 418 Vgl. LG V.9,75-78: Das do es anfacht vbersich steigen / so felt hinweg aller kútter der sund . vnd sye wirt eins mit gott . das sy w o lle was gott will Vnd das ist die ware fereinigúng / einhelligkeyt der willen. Ein vergleichbarer Fall bietet sich bei der Umsetzung der Genitivmetapher nahtegall der getemperten einunge mit gotte (FL I.44: 58,30 [I.44,23f.]) ins Lateinische: Aus der Einheit der Seele wird die Eintracht der Vollkommenen, vgl. LD IV.13,10f./ Rev. Bd. II.2, S. 550,11f. bzw. LG IV.12,17f.), dazu S eelhorst (2003), S. 105. 419 Vgl. R uh (1977/ 1984), S. 245 und R uh (1985a). 420 H eimbach (1989), S. 41 (Kursivierung von H eimbach ). Textstelle s. Anm. 417 weiter oben). Wie sehr es dem Übersetzer darauf ankommt zu betonen, Gottes Zuwendung an den Menschen sei eine Frage der Gnade (und nicht der natürlichen Veranlagung oder gar des Verdienstes), zeigt auch die Übersetzung von FL VI.6: 442,23-30 (VI.6,21-26). Während der deutsche Text einer Werkgerechtigkeit das Wort redet und die am g v ten werk reiche Seele mit folgenden Worten von Gott empfangen lässt: Nim, min allerliebstú, dise manigvaltigen wirdekeit, die hastu selber verdienet (FL VI.6: 442,29f. [VI.6,26f.]), präzisiert LD VI.19,18f. (Rev. Bd. II.2, S. 639,23): Wohl empfängt auch hier die Seele die possessio in celestibus quasi pro merito, doch geschieht dies per dei graciam (ähnlich LG VI.19,30f.). 421 Eine ähnlich kritische Haltung gegenüber der Ansicht von der göttlichen Natur der Seele bezeugt auch das im dritten Viertel des 14. Jahrhunderts höchstwahrscheinlich im fränkischen Dominikanerinnenkonvent Engelthal entstandene Dialoggedicht ›Der Minne Spiegel‹, 422 ein Text wohlgemerkt, der in Kenntnis und unter dem Einfluss des ›Fließenden Lichts‹ geschrieben wurde. 423 Dies belegen die zahlreichen intertextuellen Bezüge. 424 Einer der für uns aufschlussreichen Bezüge findet sich gegen Ende des Gedichts. Zunächst formuliert der unbekannte Verfasser (oder die unbekannte Verfasserin) in Anlehnung an FL I.44: 64,9-12 (I.44,82-84): du bist sêr genatûret in mir, daz [mensche] niht ist zwischen mir und dir. ez wart nie engel alsô hêre, dem ein stunt würde verlihen dîn êre, die dir êwiclich ist geben. Dann fügt er bzw. sie aber hinzu: v o n m î n e n g n â d e n hâst du diz leben. 425 Varianz in Textbestand und Textfolge 201 421 Es sei hier darauf hingewiesen, dass die Frage nach dem Stellenwert von Eigenleistung und Gnade auch im ›Liber‹ Mechthilds von Hackeborn thematisch und zugunsten der umsonst verliehenen Gnadentat Gottes entschieden wird, vgl. Lib. IV.15 (Rev. Bd. II.1, S. 271). H aas (1982/ 1984), S. 225 und 232 macht darauf aufmerksam, dass die Rechtfertigung des Menschen durch die göttliche Gnade ein Merkmal der vom ›Liber‹ vertretenen Mystik ist. 422 Unikal überliefert in einer Handschrift des 15. Jahrhunderts (Nürnberg, StB, Cent. VI.43d, fol. 80 v -100 v ) aus dem Besitz der Nürnberger Patrizierwitwe Katharina Tucher. Ausgabe: B artsch (1858), S. 242-277. 423 Dass der Engelthaler Konvent im Besitz des ›Fließenden Lichts‹ war, geht aus einem der Briefe Heinrichs von Nördlingen an Margareta Ebner sowie aus Erwähnungen in den Offenbarungen Christine Ebners hervor, s. dazu N eumann (1948/ 50), S. 164. Allerdings wird das ›Fließende Licht‹ im Engelthaler Bücherverzeichnis von 1447 nicht explizit aufgeführt. Das gilt auch für das mystische Dialoggedicht ›Der Minne Spiegel‹, vgl. T hali (2003), S. 270f. 424 S. dazu N eumann (1954a) und (1955). 425 B artsch (1858), S. 274,965-970 (Sperrung von mir). Dazu N eumann : «Hier ist die Ablehnung von Mechthilds Aussagen über die göttliche Natur der Seele […] als Symptom einer kritischen Haltung von Belang.» 426 Hinzuweisen wäre auch auf eine frühere Stelle. Hier wird man wohl an FL I.44: 62,30f. (I.44,71f.): Ich m u ste von allen dingen in got gan, der min vatter ist von nature denken müssen, wenn es heißt: Mîn gemahel, rihte ûf dînen sin, wan daz ich von natûre [selbe] bin, daz soltu v o n g e n â d e n sîn. 427 Trotz aller Bemühungen der Übersetzer, die substantielle Differenz zwischen Gott und Mensch zu wahren, 428 findet sich im ›Fließenden Licht‹ eine Stelle, die unzensiert übernommen wurde, nämlich FL III.24: 220,23-27 (III.24,9- 11). Wie in FL I.44 geht es um die Vereinigung zweier Naturen, die hier durch die traditionelle Feuer-Wachs-Metapher veranschaulicht wird: Got bútet sinen heligen geist den reinen geisten […] Do komen zwo reine nature zesamene: Das heisse fúr der gotheit und das vliessende wahs der minnenden selen. Dem entspricht LD IV.33,6f. (Rev. Bd. II.2, S. 566,3-7): Mundis corde […] infundit omnipotens spiritum suum . conueniuntque due nature limpide scilicet feruens ignis deitatis . et anima fluens uelud cera . amore karitatis (ähnlich LG IV.31, 11f.: die do sind eines reinen hertzens […] denen gúist in der almechtig seinen geist . vnd komment zúsammen zwú heller natúr . das inbrúnstig fúir der gotheit . vnd die seel . die do flúist als ein wachs in der liebin). Was man hier vermisst, ist jene einschränkende Bemerkung, die man vor allem von FL I.44 her kennt und die besagt, die Vereinigung der Naturen sei ein Akt der Gnade. 429 202 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 426 N eumann (1987b), Sp. 561f. Diesen Aspekt übersieht R uh (1993), S. 291, wenn er die angeführte Stelle um die entscheidende letzte Zeile verkürzt zitiert. 427 B artsch (1858), S. 263,625-627 (Sperrung von mir). 428 Vgl. auch die Beobachtung von V ollmann- P rofe (2000), S. 139, die Übersetzer würden Wörter aus dem emotional-zärtlichen Bedeutungsbereich beiseite lassen bzw. abweichend übersetzen, um den Abstand zwischen Gott und Mensch zu betonen. S. dazu auch S uerbaum (2011). 429 Oder ist es die Perspektive selbst, die Tatsache also, dass Gott selbst seinen Geist in den Menschen eingießt, was die Aussage exkulpiert, um den Eindruck zu vermeiden, als stünde der Geist Gottes dem Menschen qua Natur zu, als wäre er auf Gottes Gnade, auf den Akt des Eingießens, gar nicht mehr angewiesen? Interessanterweise wird die in FL I.44 geäußerte Aussage, Gott sei der Vater der Seele von nature, in FL VI.31 mit einem vergleichbaren Argument zurückgenommen: Anzitiert wird nicht nur die imago-Lehre, betont wird auch das Moment des Eingießens der göttlichen Natur in den Menschen, vgl. Da mit [mit den von Gott erleuchteten Augen] sihet si in die ewige gotheit, wie die gotheit gewúrcht hat mit ir nature in der sele. Er [Gott] hat si gebildet nach im selber; er hat si gepflanzet in im selber; er hat sich allermeist mit ir vereinet under allen creaturen; er hat si in sich besclossen und hat siner g o tlichen nature so vil in si gegossen, das si anders nit gesprechen mag, denne das er mit aller einunge me denne ir vatter ist (FL VI.31: 492,29-494,5 [VI.31,12-15]). Diese Begründung wird von den Übersetzern akzeptiert und in den lateinischen Text unverändert übernommen: uidet eternam deita- Nicht nur hier wird ein traditionell zur Beschreibung der unio verwendetes Bild, das jedoch die Vermischung der Substanzen impliziert, ohne einen kommentierenden Zusatz übernommen. Auch die Wasser-Wein-Metapher in FL I.4: 26,31f. (I.4,7) ließen die Übersetzer unzensiert passieren, vgl. LD IV.24,6f./ Rev. Bd. II.2, S. 559,20f. bzw. LG IV.23,9f. An diesen Stellen treffen wir auf dieselbe Inkonsequenz, die beim Umgang mit Aussagen mariologischen Inhalts beobachtet werden kann. Dies gilt im Übrigen auch für die von E rnst H ellgardt so genannten «alltagssprachliche[n] Kraftausdrücke» 430 sowie für Ausdrucksformen extremer Selbsterniedrigung. 431 Wie lässt sich die hier skizzierte Inkonsequenz in der Ausmerzung erotisch oder häretisch gefärbter Stellen erklären? B ecker macht dafür zwei Übersetzer verantwortlich, die gleichzeitig am Werk waren, 432 erwägt allerdings auch eine andere Möglichkeit: «Vielleicht wird man jedoch einen Teil dieser Ausmerzungen und Umfärbungen noch auf das Konto der Ueberlieferung setzen müssen.» 433 Dies aufgrund der bisher bekannt gewordenen Überlieferung zu erweisen, ist insofern problematisch, als die aufgezeigten Eigentümlichkeiten Varianz in Textbestand und Textfolge 203 tem et quomodo comparata est sua natura in anima inprimens ei suam imaginem . Ipse eam generat in seipso . uniens se cum illa pre omni et super omnem creaturam et conclusit eam in seipso . Ipse eam sic sua diuinitate . repleuit quod aliter loqui . nequid quam quod in perfecta unione plus quam pater eius sit (LD IV.51,8-12/ Rev. Bd. II.2, S. 579,19-24, LG IV.42,11-17: sy sicht die ewige gotheit Vnd wie sein natúr gewúrckt hat in der seel / so er ir eintrúckt hatt seine bildúng . also gebúrt sye in ym selbs vnd vereiniget sich mit yr / fúr alle vnd vber alle creature vnd hatt sye in ym selber beschlossen . Er hatt sye also mit seiner gotheit erfult das man anderst nit reden mag . dan das (vmb der volkomme voreinigung wegen) er mer dan yr vatter sey). 430 H ellgardt (1996b), S. 319. Beispiele: FL II.20: 108,15 (II.20,4f., Vergleich mit dem lahmen Hund, fehlt LD II.38/ Rev. Bd. II.2, S. 514 und LG II.35) - FL II.24: 122,35 (II.24,53, Vergleich mit dem kranken Mann, dem das Gedärme ausfällt, fehlt LD II.20/ Rev. Bd. II.2, S. 498 und LG II.19) - FL V.13: 348,1 (V.13,8) und V.33: 402,13 (V.33,11, Selbstapostrophe als unseliger Sack bzw. lahmer Hund, fehlt LD V.5/ Rev. Bd. II.2, S. 592 und LD V.18/ Rev. Bd. II.2, S. 604 bzw. LG V.4 und 13). Siehe dagegen die Hund-Vergleiche in FL III.5: 170,3 (III.5,17, auch in LD IV.18,12f./ Rev. Bd. II.2, S. 555,18 bzw. LG IV.17,15) - FL IV.1: 228,9 (IV.1,7, auch in LD V.24,6/ Rev. Bd. II.2, S. 610,1 bzw. LG V.19,11f.) - FL VI.15: 462,26 (VI.15,31f., auch in LD III.14,32/ Rev. Bd. II.2, S. 534,12 bzw. LG III.14,48). 431 Vgl. FL I.5: 28,13f. (I.5,8): Ja, si [die Seele] wolte, das er [der Herr] si z v der helle senden wolte (cunctis exponi penis cupiens LD IV.8,7/ Rev. Bd. II.2, S. 546,10f., LG IV.7,10f.: begert darzugeben werden in all pein) - am Rande von Rb steht die nach dem deutschen Text vorgenommene Ergänzung etiam infernali) und FL V.4: 328,23 (V.4,52) Erniedrigung der Seele under Lucifers zagel (sub lvcifero LD IV.36,10/ Rev. Bd. II.2, S. 568,29, LG IV.34,14f.: vnder den lúcifer) - in B gänzlich übergangen bzw. durch FL VI.23: 480, 15f. [VI.23,10f.] ersetzt, vgl. N eumann 1993, S. 278,19-24). Siehe dagegen FL V.1: 318,15f. (V.1,13, auch in LD II.4,10/ Rev. Bd. II.2, S. 483,13 bzw. LG II.4,15) - FL VI.23: 480,15f. (VI.23,10f., auch in LD IV.41,7/ Rev. Bd. II.2, S. 571,9f. bzw. LG IV.37,10) - FL VI.1: 426,35 (VI.1,124, auch in LD V.14,9f./ Rev. Bd. II.2, S. 601,33f. bzw. LG V.10,12f.). 432 Vgl. B ecker (1951), S. 40. 433 B ecker ebd., S. 39. der lateinischen Übersetzung außer in Rb, der einzig vollständigen Handschrift der ›Lux divinitatis‹, auch in Rw zu finden sind, in einer Handschrift wohlgemerkt, die auf eine von Rb unabhängige Vorlage zurückgeht. B ecker s Erwägung könnte für ‹denkbar, aber nicht beweisbar› erklärt werden, läge nicht Ms. 4° 401 der Stadtbibliothek Växjö/ Schweden (Vä) vor. 434 Es handelt sich um eine Handschrift, die einen Text bietet, der dem Wortlaut des ›Fließenden Lichts‹ näher steht als dem Übersetzungsäquivalent der ›Lux divinitatis‹. Dieser Neufund legt den Gedanken nahe, der in den bisher bekannten Handschriften vorliegende lateinische Text stelle die Bearbeitung einer anderen, dem deutschen Ausgangstext näher stehenden Version der ›Lux divinitatis‹ dar, so dass die oben genannten ‹dogmatischen› und ‹moralischen› Berichtigungen in der Tat nicht auf das Konto der Übersetzer, sondern auf dasjenige der Überlieferung zu setzen und damit späteren Redaktoren des lateinischen Textes zuzuschreiben wären. Dies trifft jedoch nicht zu, denn gewichtige Gründe sprechen dafür, dass die in Vä enthaltene Version von LD VI.12 (Rev. Bd. II.2, S. 629f.) durch den Vergleich des lateinischen Textes mit dem entsprechenden Kapitel des deutschen Textes (FL V.5) entstanden ist. Es gibt indes auch eine dritte Möglichkeit, den Befund zu erklären: Schon die deutsche Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹ könnte einen Text geboten haben, der in der Weise, wie oben geschildert, bereinigt war. Wie man sich dies vorzustellen hat, zeigen die ›Offenbarungen‹ der Elsbeth von Oye, die in der Handschrift Cod. Rh 159 der Züricher Zentralbibliothek angeblich in autographer Form vorliegen. 435 Was den autographen Status der Offenbarungen Elsbeths in der genannten Züricher Handschrift betrifft, ist bei S chneider -L astin nichts mehr von jener vorsichtigen Wortwahl zu spüren, die noch P eter O chsenbein zu Formulierungen, wie «höchtswahrscheinlich», «mit größter Wahrscheinlichkeit», «vermutlich», veranlasste. 436 Ausschlaggebend für die Apostrophierung von Cod. Rh 159 als Autograph scheint der zweite Teil der Handschrift gewesen zu sein: Im Unterschied zum ersten, umfangreicheren Teil, der die Reinschrift einer oder mehrerer Konzepte zu sein scheint, gilt der zweite als eine «wohl unmittelbare Niederschrift der Auditionen», die «rasch aufs Pergament geworfen» 437 worden sind. Zu diesem Urteil sieht sich die Forschung durch den nachlässigen Duktus der Aufzeichnungen und die zahlreichen Abkürzungen veranlasst. Es wird aber nicht nur abgekürzt, sondern Wörter werden auch ausgelassen oder aber nur Satzanfänge bzw. Teilsätze auf das Pergament notiert, so dass die Entschlüsselung des Geschriebenen «oft schwierig ist bzw. hypothetisch bleiben muß.» 438 Man sieht in diesen Aufzeichnungen eine «Urschrift», einen «Rohentwurf» (S chneider - L astin ). Doch sollte meiner Ansicht nach auch die Möglichkeit einer Niederschrift nach Diktat in Erwägung gezogen werden. Auf eine solche Genese gehen bekanntlich die 204 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 434 Zu der Handschrift s. N emes (2008b). 435 Zu den folgenden Ausführungen s. S chneider -L astin (1994). 436 Vgl. O chsenbein (1986), S. 425 und 437 sowie (1988), S. 355 und 359. 437 O chsenbein (1986), S. 425. Vgl. auch L öser (2005a), S. 285. 438 S chneider -L astin (1994), S. 56. Offenbarungen Mechthilds von Hackeborn zurück. 439 Besonders interessant scheint mir in diesem Zusammenhang das Buch der Margery Kempe. Auch Margery lässt ihre Erfahrungen aufzeichnen. Allerdings entsteht bei der ersten Schriftfassung - Margery bittet einen Freund um Hilfe, der nach langem Aufenthalt in Deutschland nach England zurückgekehrt ist - ein Text, der sich sowohl auf der Ebene der Graphie als auch in Bezug auf allgemeine Kohärenzkriterien als schwer zugänglich erweist. In der werkimmanent erzählten Buchentstehungsgeschichte liest man: «The booke was so evel wretyn that he [gemeint ist ein Geistlicher, den Margery um die Reinschrift des vom genannten Freund besorgten Stenographs gebeten hat] cowd lytyl skyll theron, for it was neithyr good Englysch ne Dewch, ne the lettyr was not schapyn ne formyd as other letters ben. Therfor the prest leved fully ther schuld nevyr man redyn it, but it wer special grace.» 440 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob sich im zweiten Teil der Züricher Handschrift Cod. Rh 159 die Aufzeichnungen eines Amanuensis (der freilich auch eine Sie sein kann) dokumentieren. Sollte dies der Fall sein, so wird man auch die Reinschrift im ersten Teil schwerlich Elsbeth zuschreiben können, vorausgesetzt, es handelt sich tatsächlich um dieselbe Schreiberhand. Ob Autograph oder Abschrift nach Diktat, wichtig ist in unserem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der Text eine beträchtliche Zahl von Änderungen (auch im Sinne von Beseitigung des Geschriebenen) mittels Rasur, Ausstreichen, Einschwärzen, Einfügen oder einer Kombination aus diesen Techniken aufweist. Dazu kommen Zusätze, die über der Zeile, am Textrand oder in Form von beigegebenen Zetteln nachträglich in den Text hineingenommen wurden. Was speziell jene Tilgungen betrifft, die - weil nicht besonders sorgfältig durchgeführt - noch den alten Text erkennen lassen, lässt sich feststellen, dass sie Offenbarungsworten gelten, die ganz bestimmte Sachverhalte zum Ausdruck bringen. Dazu gehören die Einmaligkeit von Elsbeths Stellung bei Gott, ihre Vergöttlichung oder der Blut- und Markaustausch mit Christus. 441 Dass es sich hierbei um theologisch beanstandetes Gedankengut handelt, geht aus dem um 1400 entstandenen apologetischen Nachtrag am Ende der Züricher Handschrift hervor, in dem einige inkriminierte Sätze in scholastischer Manier (durch Verweis auf die Bibel und die Kirchenlehrer) verteidigt werden. Der vermutlich dominikanische Apologet Elsbeths sieht retrospektiv vier Themen, die den Eingriffen zum Opfer fielen: An vier sinnen ist din lesen getilget: zem ersten, da sie redet von eim wider infliessen in g o tlich natur, zem andren mal von vereinung oder vermischung, zem dritten vom sac- Varianz in Textbestand und Textfolge 205 439 Vgl. H ubrath (1999), S. 240f. 440 Zitiert nach W indeatt (2000), S. 47f., Z. 99-103. «The book was so ill-written that he could make little sense of it, for it was neither good English nor German, nor were the letters shaped or formed as other letters are. Therefore the priest fully believed that nobody would ever be able to read it, unless it were by a special grace» (Übersetzung nach E mmelius 2004, S. 60, Anm. 48). 441 Zu den Inhalten der Elsbethschen Offenbarungen s. O chsenbein (1986), S. 430-437 und (1988), S. 360-372. rament, zem vierden, daz got von ir spis und trank hab genommen. 442 Auch der Verfasser der kurz nach Elsbeths Tod entstandenen ersten Redaktion der ›Offenbarungen‹, ›Leben und Offenbarungen‹ genannt 443 - es handelt sich um eine Gnadenvita 444 -, sieht sich gedrängt, seine Ordensschwester vor Missverständnissen und Angriffen in Schutz zu nehmen: Vil wörtlein sol man einvaltiklich nach irem einvaltigenn sinn nehmen als die wort, do gesprochen ward: ›als einer lauttern creatur müglichen ist.‹ Das meint sie nit nach dem allerhöchsten pünctlein über alle geheiligten heiligen. 445 Wichtig sind für mich nicht die beanstandeten Aussagen, die sich überraschenderweise in puncto Wesensvereinigung mit jenen Stellen des ›Fließenden Lichts‹ berühren, welche in der lateinischen Übersetzung ausgefallen sind (s.o.), 446 und die Art der Apologie, mit der sie verteidigt werden - auch in diesem Punkt sind die Parallelen zum ›Fließenden Licht‹ nicht zu übersehen 447 -, sondern die auffällige «I n k o n s e q u e n z d e r B e a r b e i t u n g» im vermeintlichen Autograph selbst, die 206 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 442 Zitiert nach S chneider -L astin (2009), S. 395-467, hier S. 459, Z. 27-30. 443 Abgedruckt bei S chneider -L astin (2009), S. 405-448. S. dazu S chneider -L astin (1995) sowie (2004). 444 S. dazu G sell (2000), S. 459f. 445 S chneider -L astin (2009), S. 406, Z. 30-33. 446 Zur Vorstellung einer per naturam gegebenen Sohnschaft des Menschen (im Sinne der eckhartischen Gottesgeburt in der Seele) s. H asebrink (2008b), S. 270f. Hier sei darauf hingewiesen, dass der von H asebrink ebd. referierte Abschnitt aus FL I.44 über das genatúrt-Sein des Menschen in Gott (64,9f. [I.44,82f.]), anders als von ihm behauptet, nicht «mit einem Verweis auf das Wirken der göttlichen Gnade beschlossen wird.» Wäre dies der Fall, so hätte der Übersetzer nicht so konsequent im Sinne des per gratiam- Konzeptes richtig stellen müssen, s. dazu ausführlich S. 200f. oben. 447 Ich verweise hier (1) auf Zitate aus der Bibel und den Werken der Kirchenväter, die den deutschen und lateinischen Text in E und Rb in Form von Glossen begleiten, ein Verfahren übrigens, das selbst in dem als orthodox geltenden ›Legatus‹ Gertruds von Helfta anzutreffen ist und im Prolog sogar thematisch wird, vgl. Leg. SC Bd. 139, S. 116,5-9, dazu D oyère ebd., S. 83-91; (2) auf die zahlreichen Biblizismen der lateinischen Übersetzung, die wohl nicht nur der «Demonstration der theologischen Bildung des Autors» (V ollmann- P rofe 2000, S. 142), sondern auch der Absicherung des Gesagten durch die Autorität des Bibeltextes dienen, und (3) auf die Aufforderung im Prolog der ›Lux divinitatis‹: Legenda est autem hec scriptura pie et religiose intelligenda . et secundum morem aliarum sanctarum scripturarum sane et fideliter . sic nullum in ea lector scandalum habebit uel offendiculum ipsaque scriptura nullam calumpniam perfidie sustinebit (LD Prol 1, 23-26/ Rev. Bd. II.2, S. 436,16-20, LG Vorrede 1,31-34: Aber disse schrifft sol gutiglich gelesen werden vnd geistlich vorstanden werden vnd nach gewonheit anderer heiliger geschrifften vnd glaúblich / also wirt der leser mir kein ergernús oder irrúng hon . vnd wirt oúch kein schmoch der mißglaúbung liden). Vgl. auch LD Prol 7,11-13 (Rev. Bd. II.2, S. 445,11-14): Et erit liber iste in perpetuum inconcussus dicit dominus quia uniuersorum acceptacio gratum . et dilectio firmum . eiusque perfectio stabilem constituent . ut nulla contradictio ualeat obuiare (LG Vorrede 6,16-19: Vnd dis Búch wirt sin ewiglich vnbeweglich spricht der herr Wan aller annemúng vnd liebin vnd volkommenheyt werden es machen angenem fest vnd bestendig / Das ym kein widersprecher mag entgegen gan). Tatsache also, «daß ähnliche, ja sogar identische Begriffe und Wendungen an der einen Stelle getilgt, an anderen aber beibehalten wurden.» 448 Bemerkenswerterweise wird eine Reihe von Tilgungen wieder beschriftet. Dabei wird nicht, wie bisher vermutet, der alte Wortlaut restauriert. Eher zeigt sich dort, «[w]o Reste der ursprünglichen Beschriftung noch erkennbar sind, […] eine oft signifikante Differenz zwischen altem und neuen Text.» 449 Anders als die ältere Forschung, die der Ansicht war, Elsbeths wiederbeschriftete Tilgungen von den redaktionellen Änderungen zweier weiterer Hände - eine davon vom Anhangschreiber - abgrenzen zu können, 450 schreibt S chneider -L astin die Ersetzungen der Autorin zu, obwohl er weiß, dass die «eindeutig nach Elsbeths Tod vorgenommene Restaurierung radierter Stellen durch zwei Hände […] nicht immer klar von einer Beschriftung durch die Autorin unterschieden werden [kann].» 451 Auch hinter den Rasuren, die die ältere Forschung auf das Konto einer Aufsichtsperson setzte, sieht S chneider -L astin die Autorin selbst am Werk. 452 Sein Argument lautet: «Eine von der Forschung bisher bemühte Aufsichtsperson hätte inkriminierte Stellen dagegen mit Sicherheit fein säuberlich und vor allem konsequent getilgt.» 453 Dass diese Unterstellung keines- Varianz in Textbestand und Textfolge 207 448 S chneider -L astin (1994), S. 59 (Sperrung von mir). 449 S chneider -L astin ebd., S. 61. 450 Vgl. N eumann (1980), Sp. 512. Dieser Lexikonartikel basiert auf den Ergebnissen der von N eumann betreuten Dissertation von H aenel (1958). 451 S chneider -L astin (1994), S. 63. 452 Vgl. S chneider -L astin ebd., S. 59 und (2009), S. 396. 453 S chneider -L astin ebd. Als weitere Gründe für den autographen Status der Züricher Handschrift nennt S chneider -L astin den Charakter der Tilgungen («ohne Sorgfalt, den Text verstümmelnd, wohl häufig im Affekt») und das Zeugnis des Prologs von ›Leben und Offenbarungen‹: Anders als der Apologet Elsbeths vom Ende des 14. Jahrhunderts, der, so S chneider -L astin , sich die Rasuren aus der zeitlichen Distanz nur von fremder Hand ausgeführt denken kann, charakterisiert der Verfasser von ›Leben und Offenbarungen‹ Elsbeth, «die ihm mit Sicherheit persönlich bekannt war, als Ausführende der Rasuren und als Autorin, die Skrupel an der schriftlichen Umsetzung ihrer göttlichen Offenbarungen hatte: ‹Vil hoher antwurt hat si selber untergetan und verdilget›», S chnei der -L astin ebd., S. 61. In einem späteren Aufsatz scheint S chneider -L astin von dieser Position allerdings abzurücken, denn er paraphrasiert dieselben Worte aus dem Prolog von ›Leben und Offenbarungen‹ wie folgt: «Durch Kritik von außen habe Elsbeth selbst einen Teil ihrer Offenbarungen vernichtet und damit der Öffentlichkeit entzogen», s. S chneider -L astin (2000), S. 520 (ähnlich S chneider -L astin 2009, S. 397). Die Worte untergetan und verdilget werden hier nicht mehr nur auf die Rasuren, sondern auch auf die nicht erhaltenen (weil vernichteten) Schriften Elsbeths bezogen. Dass es sich dabei womöglich um einen Bescheidenheitstopos handelt (vergleichbar etwa dem, der sich am Anfang der Seuse-Vita findet), wird nicht erwogen. Hinzuweisen wäre auch darauf, dass es nicht zwingend ist, die Rasuren im vermeintlichen Autograph Elsbeths als «Kennzeichen von auktorialer Kompetenz» (S chneider -L astin 1994, S. 58) zu deuten, vor allem dann nicht, wenn sich Rasuren auch in der in einer nürnbergischen Umschrift vorliegenden Vita der Adelheit von Freiburg nachweisen lassen, vgl. S chneider -L astin (1995), S. 202 und (2000), S. 526. Auch die ehemals Donaueschinger, jetzt Karlsruher Handwegs zwingend ist, zeigt die ›Lux divinitatis‹. Damit ist zugleich auch gesagt, welche der oben aufgezeigten Möglichkeiten ich für die am wahrscheinlichsten halte, um die herausgearbeiteten Inkonsequenzen der Übersetzer des ›Fließenden Lichts‹ im Bereich der dogmatischen und sonstigen Berichtigungen erklären zu können. Ich bin mit B ecker der Ansicht, dass sie aus der Tätigkeit zweier Übersetzer resultieren, die gleichzeitig am Werk waren. 454 Die oben aufgezeigten Inkonsequenzen werden also wohl nicht schon in der Übersetzungsvorlage gestanden haben, sondern gehen auf den bearbeitenden Umgang der Übersetzer mit dem ›Fließenden Licht‹ zurück. Hier schließt sich nun die Frage an, wo die ›Lux divinitatis‹ entstehungsgeschichtlich zu verorten ist. II.2.4 Exkurs zum Entstehungsort der ›Lux divinitatis‹ und zu der Frage nach den möglichen Überlieferungswegen des deutschen und lateinischen Textes nach Basel In weiten Teilen der Forschung herrscht Einigkeit darüber, wo die Übertragung der Bücher I-VI des ›Fließenden Lichts‹ erfolgte, und zwar im Dominikanerkloster von Halle. 455 Obwohl die Entstehung der ›Lux divinitatis‹ oft wie selbstverständlich mit den Hallenser Dominikanern in Verbindung gebracht wird, trifft man gelegentlich auch auf relativierende bzw. eine gewisse Unsicherheit artikulierende Bemerkungen wie «wohl», 456 «möglicherweise», 457 «vermutlich», 458 «wahrscheinlich». 459 Wie auch immer geurteilt wird, man be- 208 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ schrift Nr. 97 des ›Nüwen‹ oder ›Rappoltsteiner Parzifal‹, die die «erste Reinschrift» (B umke 2005, S. 25) des bekanntlich in Zusammenarbeit mehrerer Personen (ein Übersetzer, zwei Dichter und ein Schreiber) entstandenen Werkes darstellt, weist eine Reihe von Rasuren auf. Zusammen mit Texteingriffen anderer Art (Ergänzungen, Verbesserungen, Überklebungen) müssen diese Rasuren nicht, betont B umke (1997), S. 95, unter der Aufsicht der Dichter entstanden sein: «Die zahlreichen, sehr sorgfältig ausgeführten Korrekturen stammen wahrscheinlich vom Redaktor», das heißt vom Schreiber Henselin (so B umke 2005, S. 25). Auch O ltrogge / S chubert (2002), S. 348, Anm. 3 und S. 365, die die Rasuren einer eingehenden Untersuchungen unterzogen haben, weisen darauf hin, dass die Aufgaben und Tätigkeiten von Dichter und Redaktor so dicht verflochten sind, «daß eine personelle Trennung kaum möglich sein dürfte». Sie bescheinigen beiden «textformende Kompetenz.» Es muss demnach offen bleiben, ob allein Elsbeth für die Korrekturen verantwortlich gemacht werden kann. 454 S. dazu auch meine Ausführungen zu den Dubletten in ›Fließendes Licht‹ und ›Lux divinitatis‹, S. 34f. und vor allem S. 36, Anm. 176 oben. 455 Vgl. etwa N eumann (1987a), Sp. 261, N eumann (1993), S. 52, Anm. zu III.3,35 und ebd., S. 78, Anm. zu IV.22,16, V ollmann- P rofe (2003), S. 672, S enne (2004), S. 142 und G ott schall (2005), S. 300. 456 R uh (1993), S. 252 und L anger (2004), S. 234. 457 P almer (1992), S. 217. 458 K öbele (1993), S. 72, Anm. 166 und H asebrink (1998), S. 151. 459 P eters (1988a), S. 121, S pitzlei (1991), S. 35 und K eul (2004), S. 22. ruft sich auf die Akademie-Abhandlung von N eumann aus dem Jahre 1954, wo an mehreren Stellen Halle als Entstehungsort der lateinischen Übersetzung genannt wird. 460 1948/ 50 war von N eumann allerdings noch zu vernehmen: «v e r m u t l i c h im Halleschen Dominikanerkloster hergestellt.» 461 Wie kam N eumann auf die Idee, die Entstehung der ›Lux divinitatis‹ nach Halle zu verlegen? Eine Begründung sucht man vergeblich. Nur Indizien lassen sich nennen, die N eumann - und Teile der älteren Forschung - dazu bewogen haben, Halle ins Spiel zu bringen. Als erster hat P reger die Aufmerksamkeit auf Halle gelenkt. Er beruft sich dabei auf Indizienbeweise. Zunächst erwägt P reger , die von ihm in Basel aufgefundene Handschrift Rb ins 13. Jahrhundert zu datieren. Dann stößt er auf die In originali-Vermerke und meint, aus ihnen gehe hervor, dass sie aus der Vergleichung der in Rb vorliegenden Abschrift des lateinischen Textes mit dem Original von Mechthilds Aufzeichnungen entstanden sind. Und schließlich verweist P reger auf den Vermerk Scripsit enim manu sua bibliam in qua legitur ad mensam in conuentu hallensium am Rande von LD II.39 (Rev. Bd. II.2, S. 516), einem Kapitel wohlgemerkt, das aus dem Zusammenschluss von FL IV.26 und VI.42 entstanden und Frater baldewinus germanus gewidmet ist, der wiederum laut einer biographischen Skizze am Beginn des Kapitels der Bruder von Schwester Mechthild gewesen sein soll. Wir vernehmen zudem, dass Balduin wegen der Verdienste seiner Schwester in den Dominikanerorden aufgenommen wurde, wo er an Tugenden und an Weisheit zunahm, so dass ihm seine Mitbrüder das Amt des Subpriors übertragen haben. 462 Aus all dem schlussfolgert P reger : «Der Abschreiber oder der Vergleicher zeigt, dass er im Dominikanerkloster zu H a l l e bekannt ist, dass er den Übersetzer Heinrich von H a l l e gekannt hat und dass er auch mit dem Kloster Helfta im Verkehr stand.» 463 P reger suggeriert, Halle könnte der Ort der Entstehung der ›Lux divinitatis‹, ja auch der von ihm auf das 13. Jahrhundert datierten Handschrift Rb gewesen sein. Varianz in Textbestand und Textfolge 209 460 Vgl. N eumann (1954b), S. 28, 43 u.ö. Ähnlich in den späteren Beiträgen (1954c), S. 176 und (1967), S. 44. 461 N eumann (1948/ 50), S. 145 (Sperrung von mir). 462 Erst an dieser Stelle setzt FL IV.26 ein und handelt von den Amtsbeschwernissen eines Predigerbruders. Die Überschrift identifiziert ihn als br v der Baldewinus. Dass er der leibliche Bruder Mechthilds war, erfahren wir aus diesem Kapitel, dem der oben genannte Randvermerk eigentlich gilt, nicht. Erst in FL VI.42 findet sich der entsprechende Hinweis. Die Überschrift berichtet: Dis schreib swester Mehthilt an einer cedelen irem br v der B. predier orden. Im Text taucht dann die Anrede lieber b v le auf. Beide deutsche Kapitel wurden in LD II.39, wie gesagt, zu einer Texteinheit zusammengezogen, obwohl es keinen erkennbaren Grund dafür gibt, den in FL IV.26 genannten Bruder Balduin mit dem leiblichen Bruder B. zu identifizieren, so auch N eumann (1954b), S. 40 und P eters (1988a), S. 120f. Man fragt sich, ob die Namensnennung in der Überschrift von FL IV.26 die Übersetzer auf die Idee gebracht haben könnte, die Kürzel B. in der Überschrift von FL VI.42 mit Balduin aufzulösen und den Subprior des Hallenser Dominikanerklosters mit Mechthilds Bruder zu identifizieren. 463 P reger (1873), S. 203 (Sperrungen von P reger ). Bis auf den Randvermerk zu LD II.39 spielten die von P reger gesammelten Indizien für die Lokalisierung der ›Lux divinitatis‹ nach Halle in der weiteren Diskussion keine Rolle, was auch nicht weiter verwundert, ist doch seine Argumentation unhaltbar. 464 Auch P reger greift seine eigenen Argumente in einer späteren Publikation nicht mehr auf. Daran, dass die Übersetzung in Halle entstanden sei, hält er allerdings fest. So sieht er in Heinrich von Halle nicht nur den Übersetzer des ›Fließenden Lichts‹, sondern auch einen Angehörigen des Hallenser Dominikanerkonvents. Dies kommt in der Überlegung, was Mechthild dazu bewogen haben könne, von Magdeburg nach Helfta zu wechseln, zum Ausdruck. P reger s Antwort lautet: «Vermutlich trug auch die Nähe von Halle, wo ihr Freund Heinrich lebte, zur Wahl dieses Klosters bei. In ihrem 53. Jahre 1265 trat sie daselbst ein.» 465 Auf dieses Argument stoßen wir auch bei N eumann , der Mechthilds Ankunft in Helfta auf das Jahr 1270/ 71 berechnet und wie P reger auf folgende Koinzidenz hinweist: «Aber es dürfte kaum ein Zufall sein, daß Heinrich nach Wichmanns [von Arnstein] Tode in das 1271 gegründete Hallische Predigerkloster überwechselte und damit wieder in Mechthilds Nähe gelangte, die ja ebenfalls etwa 1270/ 71 im unweit gelegenen Helfta bei den Cistercienserinnen Zuflucht gefunden hatte, wenn ihr Todesjahr mit 1282/ 83 richtig berechnet ist.» 466 Doch nicht nur Heinrich soll nach Halle gezogen sein, sondern auch Mechthilds Bruder Balduin könne an der Neugründung in Halle beteiligt gewesen sein, meint N eumann . 467 In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass 210 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 464 Es sei nur darauf hingewiesen, dass Rb mit den erwähnten In originali-Vermerken höchstwahrscheinlich erst in Basel versehen wurde, wobei offen bleibt, ob original das alemannische Übersetzungsoriginal oder dessen mittelniederdeutsche Vorlage meint (s. dazu S. 364, Anm. 219 weiter unten). Auch in der Frage der Datierung von Rb hat sich P reger vertan, vgl. S. 190, Anm. 380. P reger s Datierung findet allerdings auch noch bei M. S chmidt (1980), Sp. 878 Erwähnung. 465 P reger (1874), S. 95. Dass Heinrich zu einem Anhegörigen des Hallenser Dominikanerkonvent erklärt wird, verwundert insofern, als LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 517) ihn als Lektor zu Ruppin vorstellt. Nun ist gerade diese Stelle, die P reger als Beleg dafür anführt, Heinrich sei der Übersetzer des ›Fließenden Lichts‹ gewesen, s. P reger (1873), S. 204 und (1881), S. 453. Was man bei P reger vermisst, ist eine Erklärung darüber, wie das in LD II.40 behauptete Ruppiner Lektorat Heinrichs mit seiner postulierten Zugehörigkeit zum Dominikanerkloster in Halle und der angeblich dort erfolgten Übertragung des ›Fließenden Lichts‹ ins Lateinische zu vereinbaren ist. Das gilt im Übrigen auch für all diejenigen, die, wie P reger , die Verben colligere, redigere, distinguere in LD II.40 auf die lateinische Übersetzung bezogen wissen wollen, um Heinrich als Übersetzer zu erweisen, vgl. S. 101, Anm. 10. 466 N eumann (1954b), S. 70. Zu Wichmann s. weiter unten. 467 Vgl. N eumann ebd. Auf dieser Grundlage kann R uh (1993), S. 299 über die «intensive[n] Verhandlungen» spekulieren, die Mechthilds Aufnahme in Helfta begleiteten und die «von Mechthilds Bruder Balduin oder ihrem Beichtiger Heinrich von Halle geführt wurden.» Ähnlich F innegan (1991), S. 15. Auch R. D. S chiewer (2002), S. 438 referiert die These von N eumann und ergänzt sie um ein weiteres quasi-historisches Detail: «Da der Haller Konvent erst 1271 gegründet wurde, ist es nicht undenkbar, daß der oben erwähnte Brief Schwester Mechthilds an Balduin (FL VI.42) «zweifellos schon aus der Helftaer Zeit» 468 stammt. Und um dieses Bild von den vielfältigen Beziehungen persönlicher und literarischer Art zwischen Helfta und dem Dominikanerkloster Halle zu vervollständigen, vermerkt N eumann : «Allem Vermuten nach wurde der Helftaer Frauenkonvent damals schon von den Dominikanern aus Halle geistlich betreut, wie sich auch aus den Schriften Mechthilds von Hackeborn und der Großen Gertrud zu ergeben scheint.» 469 Noch merkwürdigere Blüten trieb die Spekulation über die Bedeutung des Dominikanerkonvents von Halle für das geistliche Leben der Region bei R olf H ünicken . 470 Ihm zufolge soll Heinrich in Halle «einen Kreis literarisch und mystisch gestimmter Männer» (so auch Mechthilds Bruder Balduin) um sich gesammelt und mit «auswärtigen Dominikanergelehrten» wie Dietrich von Apolda in enger Verbindung gestanden haben. Zusammen mit Dietrich und einer Reihe anderer Theologen soll er - Heinrich wird mit dem in der ›Epistola apologetica‹ der ersten Druckausgabe des ›Legatus‹ (Köln 1536) genannten pater H. (! ) a Veriungerede identifiziert - das zweite Buch des ›Legatus‹ Gertruds von Helfta begutachtet haben. 471 Auch literarisch soll er in Erscheinung getreten sein. H ünicken behauptet, Heinrich habe nicht nur Mechthilds Buch redigiert, sondern auch andere Werke verfasst, so etwa Schriften wider di keczir, welche bis ins 16. Jahrhundert bekannt gewesen seien. 472 Seine Verfasserschaft wäre zudem, so H ünicken , für die lateinische Legende über seinen «Freund und Lehrer» Wichmann von Arnstein zu untersuchen. Nicht von Heinrich, wohl aber von einem seiner Schüler, dem im ›Liber‹ Mechthilds von Hackeborn genannten frater N. Ordinis Praedicatorum, soll die Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ stammen, entstanden im Predigerkonvent in Halle. 473 Doch zurück zu N eumann . Problematisch sind N eumann s Ansichten über die Entstehungsumstände der ›Lux divinitatis‹ deshalb, weil sie größtenteils auf H ünicken s ‹Vorarbeiten› beruhen. 474 Zwar kann N eumann kein unkritischer Umgang mit H ünicken s Thesen unterstellt werden, jedoch ist auch bei ihm die Tendenz zu beobachten, Personen und Ereignisse in freier Assoziation miteinander zu verbinden. Das gilt auch für die vermeintlichen Beziehungen von Wichmann von Arnstein zu Mechthild. 475 Den Hinweis verdankt N eumann Varianz in Textbestand und Textfolge 211 Balduin zuvor zusammen mit Heinrich von Halle im Kloster von Neuruppin gelebt hatte.» 468 N eumann (1954b), S. 77. 469 N eumann ebd., S. 76. 470 Zu den folgenden Ausführungen s. H ünicken (1941), S. 210f. Vgl. auch H ünicken (1934/ 35). 471 Zur Kritik dieser These von H ünicken s. die auf S. 130, Anm. 130 genannte Literatur. 472 H ünicken s ‹Quelle› ist zum einen Johannes Meyer, zum anderen der Pirnaer Dominikanermönch Johannes Lindner, s. dazu S. 105f. und 114 oben. 473 Zu dieser A ncelet -H ustache entlehnten These s. S. 104, Anm. 24. 474 N eumann beruft sich auf H ünicken s Aufsatz von 1934/ 35. 475 Zu Wichmann s. L echeler (1996/ 1997). ebenfalls H ünicken . Dieser Gedanke wurde später von K urt R uh aufgegriffen und zu der These weiter entwickelt, Wichmann sei Mechthilds erster Beichtvater in Magdeburg gewesen. Dazu folgende kritische Bemerkungen: H ünicken schloss durch die Identifizierung Heinrichs von Halle mit dem in der ›Epistola apologetica‹ genannten pater H. a Veriungerede auf das Dorf Werenrode (ca. 60 km nordwestlich von Halle) als Geburtsort Heinrichs und behauptete, Heinrich hätte in «unmittelbarer landsmännischer Beziehung» 476 zu Wichmann gestanden. Darüber hinaus vertrat er ausgehend von der Tatsache, dass Wichmann Prior des 1246 gegründeten Dominikanerkonvents Ruppin und Heinrich Lektor desselben Klosters (nach LD II.40/ Rev. Bd. II.2, S. 516,23f.) war (ab wann? ), die These, die beiden hätten «in persönlichem Verkehr» 477 gestanden, was an sich freilich nicht unwahrscheinlich ist. Spekulativer ist jedoch der Gedanke, Heinrich könnte seine geistliche Laufbahn in Magdeburg begonnen haben, 478 eine Vermutung, die von N eumann bereits als Tatsache verhandelt wird. 479 Auf dieser Grundlage kann N eumann Überlegungen darüber anstellen, ob Mechthild auch zu Wichmann in einem persönlichen Verhältnis stand und ob sie «ihn mit jenem ‹einzigen Freund› meinte, den sie 1230 bei ihrem Eintritt ins Magdeburger Beginenleben vorfand.» 480 Freilich sieht er auch die Probleme, die mit dieser Behauptung verbunden sind: «Fraglich aber scheint dies letztere deswegen, weil man gerade von Wichmann kaum erwarten dürfte, daß er gegen Mechthilds Weg in die Niedrigkeit der vita apostolica Einwände erhob, da er selbst der Armutsbewegung zuneigte und den Dominikanern bereits vor seinem Übertritt in ihrem Orden günstig gemeint war.» 481 Dennoch greift R uh diese These in einem Aufsatz von 1991 auf und versucht, auch «einen literarischen Bezugspunkt» zwischen Wichmann und Mechthild herauszuarbeiten. 482 R uh verweist zunächst auf ein Exemplum in einer der Predigten Taulers, wo ein Wigman, unser brúder, genannt wird. Er wird überzeugend mit Wichmann von Arnstein identifiziert. Wichmann werden folgende Worte zugeschrieben: der bekante […] das er sine stat niergent konde vinden denne in dem aller tiefsten grunde der helle under Lucifer. R uh kann auch die Textstelle benennen, die Tauler zitiert. Sie findet sich im zweiten der ›Miracula Wichmani‹ und lautet: Deberem merito esse immundus bufo propter maliciam meam, et esse in inferiori parte inferni cum omnibus dyabolis. R uh betont die Divergenzen zwischen Tauler und Wichmann in der Lokalisierung des Höllen- 212 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 476 H ünicken (1934/ 35), S. 110. 477 H ünicken ebd. zitiert an dieser Stelle B ünger (1926), S. 4. 478 Vgl. H ünicken (1934/ 35), S. 110. 479 Vgl. N eumann (1993), S. 103, Anm. zu V.28,7. Ähnlich L oë (1910), S. 30 und zuletzt D riller (2005), S. 51. Diese Behauptung muss Spekulation bleiben, denn Namenslisten des Magdeburger Konvents St. Paulus sind aus dem 13. Jahrhundert nicht erhalten, s. P. G. S chmidt (1992), S. X. 480 N eumann (1954b), S. 71. Solche Überlegungen finden sich bereits bei M öllenberg (1928), S. 29 und L öhr (1931), S. 91. 481 N eumann (1954b), S. 71. R. D. S chiewer (2002), S. 436, Anm. 1 versucht N eumann s Zweifel an der Stichhaltigkeit der eigenen Behauptung zu zerstreuen. 482 Zu den folgenden Ausführungen s. R uh (1991). Ähnlich R uh (1993), S. 286-288 bzw. 292-295 und (1999c). sitzes und weist auf FL V.4: 328,23 (V.4,52) hin, worin sich die Formulierung under Lucifers zagel findet. Die Folgerungen, die R uh aus dieser Beobachtung zieht, sind schwer nachzuvollziehen. Er meint, under Lucifers zagel stelle «eine für Mechthild typische drastische Variante von under Lucifer» dar, eine Lesart, die eine «ursprüngliche Aussage Wichmanns» (S. 323) gewesen sein soll. R uh will in diesem Diktum eine mündlich vermittelte Aussage sehen, die Mechthild und der Verfasser der ›Miracula‹ aufgegriffen und unterschiedlich ausgestaltet hätten. Wichmann und Mechthild werden also näher aneinander gerückt als bei N eumann . R uh verweist in diesem Zusammenhang auf die Vermutung N eumann s, Wichmann sei jener frúnt gewesen, den sie allein in der ihr fremden Stadt kannte. Ja mehr noch: Er könnte sogar Mechthilds erster Seelsorger gewesen sein (S. 324). R uh s Ausführungen halte ich an zwei Stellen für problematisch. Zunächst zu seinem Argument, woher Tauler das vermeintlich ursprünglichere Wichmann-Dictum genommen hat. Er ist der Ansicht, Tauler habe ein Text vorgelegen, «der dem ›Fließenden Licht‹ näher steht als dem Wichmann-Miraculum» (S. 323). R uh schließt dabei die Möglichkeit ausdrücklich aus, Tauler könne die ›Miracula‹ vor sich oder in Erinnerung gehabt und cum omnibus diabolis durch das viel plastischere under Lucifer ersetzt haben, das er aus dem ›Fließenden Licht‹ kannte, wobei er den zagel als zu drastisch beiseite ließ (S. 323f., Anm. 4). Zwar hält er es für nicht unwahrscheinlich, dass Tauler das ›Fließende Licht‹ kannte, zweifelt aber daran, «daß Tauler bei der Lektüre oder in der Erinnerung an Wichmanns Dictum eine einzelne Stelle aus Mechthilds Buch eingefallen ist» (ebd.). Eine solche mnemotechnische Leistung ist indes keineswegs auszuschließen. Man denke etwa an jenes «Gedächtnis-Zitat» (N eumann ) aus FL I.22, das in eine der Predigten des Codex Einsidlensis 278, der Schwesterhandschrift von Cod. 277, eingegangen ist (s. dazu S. 9, Anm. 33) oder an den «offensichtlich aus dem Gedächtnis hergestellten Auszug» aus dem ›Liber‹ Mechthilds von Hackeborn in zwei Göttinger Handschriften, der «nur noch durch einpaar charakteristische Wendungen identifiziert werden kann.» 483 Es ist auch daran zu erinnern, dass die Schilderung der resignatio ad infernum in FL V.4: 328,19-23 (V.4,48-52) gerade diejenige Stelle ist, die in der Rezeption des ›Fließenden Lichts‹ gewisse Aufmerksamkeit erregt und Irritationen ausgelöst hat. So wird der Ausdruck under Lucifers zagel in B infolge einer Interpolation (FL VI.23: 480,15-20 [VI.23,10-14]) mit vnder die tiefel ersetzt. 484 Auch die ›Lux divinitatis‹ hat Anstoß an der Formulierung in FL V.4: 328,23 (V.4,52) genommen und tauscht sie gegen sub lvcifero LD IV.36,10/ Rev. Bd. II.2, S. 568,29 (LG IV.34,14f.: vnder den lúcifer) aus, eine Formulierung, die genau zu der von Tauler gebotenen Lesart under Lucifer passt. 485 Varianz in Textbestand und Textfolge 213 483 Vgl. Z ieger (1974), S. 87. Vor diesem Hintergrund erhält H aferland s (2006) Versuch, die Genese unterschiedlicher Fassungen des ›Nibelungenliedes‹ aufgrund von «Gedächtniskontamination» (S. 196) zu erklären, mehr Gewicht. 484 Vgl. Textabdruck bei N eumann (1993), S. 278,19. 485 Man fragt sich deshalb, ob Tauler die ›Lux divinitatis‹ gekannt haben konnte. Dies ist m.E. nicht auszuschließen, wenn man berücksichtigt, dass Tauler über eine Art «Handbibliothek» (G ottschall ) von (frauen)mystischer Literatur verfügt zu haben scheint. So findet man in seinem Besitz Seuses ›Horologium Sapientiae‹ und den ›Liber specialis gratiae‹ Mechthilds von Hackeborn. Das Tauler angehörende Exemplar des ›Liber‹ ist in der St. Gallener Handschrift Nr. 583 sogar erhalten, s. dazu demnächst W ehrli -J ohns Nicht weniger problematisch ist der Versuch, Mechthilds Beeinflussung durch Wichmann, ja Wichmanns Beichtvaterstatus, 486 allein anhand des Höllen-descensus erwiesen zu sehen. 487 Auf dieses Motiv stößt man außer bei Wichmann und Mechthild auch in der Vita der Margareta Contracta, einer Zeitgenossin Mechthilds. Johannes von Magdeburg, der Beichtvater und Hagiograph Margaretas, charakterisiert die Geisteshaltung seiner Beichttochter mit folgenden Worten: Et ita abiecta in se fuit, quod pro dilectione Dei et ad laudem Dei infernum pro celo elegisset, dum modo equaliter Domino placuisset. 488 Aus dieser Übereinstimmung zwischen Margareta und Mechthild darauf zu schließen, beide Frauen könnten in ihrer Sehnsucht nach der Hölle von Wichmann angeregt worden sein, 489 ist freilich genauso wenig zwingend wie die These von R uh , Mechthild sei von Wichmann beeinflusst worden, zumal wenn man bedenkt, dass sich das Motiv der Sehnsucht nach der Hölle als Ausdruck des selbst gewählten Verworfenseins auch in den Viten der brabantischen Frauen findet. 490 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die zeitliche Koinzidenz, die zwischen dem Eintritt Mechthilds in die Magdeburger Beguinage und dem Übertritt Wichmanns in den Dominikanerorden bestehen soll, keineswegs so sicher ist, wie die communis opinio der Forschung bezüglich der Datierung der Ankunft Mechthilds in Magdeburg es vermuten lässt (s. dazu ausführlich S. 138ff. oben). Das heißt, der bisherige Datierungsansatz (um 1230) taugt nicht zur zeitlichen Eingrenzung der «frühen Magdeburger Zeit» 491 Mechthilds, als Wichmann ihr Beichtvater gewesen sein soll. 214 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ (2011). Auch der ›Liber scivias‹ und andere Schriften der Hildegard von Bingen dürften Tauler bekannt gewesen sein. Zu diesen Angaben s. G nädinger (1993), S. 36f., H indsley (1998), S. 187 und neulich H amburger (2005), S. 22-24. Ausgehend von der Tatsache, dass Heinrich von Nördlingen in seinen Briefen auf das ›Horologium‹ und den ›Liber‹ Bezug nimmt - das erste identifiziert er ausdrücklich als Taulers Besitz, aus dem zweiten zitiert er, wobei das Zitat dem Wortlaut der St. Galler Handschrift des ›Liber‹ eng verwandt ist (s. Z ieger 1974, S. 86) -, schließt G ottschall (2007), S. 148f. darauf, Tauler könnte Heinrich von Nördlingen seine Handbibliothek zur Verfügung gestellt haben. Auch Mechthilds Text - G ottschall denkt ans ›Fließende Licht‹ - könnte, so G ott schall , durch Taulers Vermittlung in die Hände von Heinrich von Nördlingen gelangt sein. Tauler soll im Übrigen derjenige sein, der die Vorlage der oberdeutschen Übertragung von Ruusbroecs ›Geestelijcke brulocht‹ an Rulman Merswin vermittelt hat, vgl. E ichler (1992) und neulich W arnar (2003), S. 57. 486 An R uh anschließend bezeichnet J anota (2004), S. 90 Wichmann als «Berater» Mechthilds. 487 Dasselbe gilt auch für die Umstellung der Richtung der Beeinflussung, die bei V erla guet (2005), S. 271f. der Fall zu sein scheint. Hinzuweisen wäre in diesem Zusammenhang auch auf M ulder -B akker (2005), S. 163. Hier wird die Idee des Höllen-descensus für Margareta reklamiert, Mechthild dagegen eine Vertrautheit mit Margaretas Vorstellungen attestiert (zum Hintergrund dieser Behauptung s. S. 389ff. weiter unten, Nr. II). 488 P. G. S chmidt (1992), S. 5. Vgl. auch Et si dictum fuisset ei ‹to pro dilectione Dei sedebis in inferno›, per hoc territa non fuisset. Talia etiam sepe proposuit ei dictus frater (ebd., S. 10), s. dazu W eiss (1995a), S. 68-69 bzw. 106-113 sowie L ewis / L ewis (2001), S. 133f. 489 So W eiss (1995a), S. 112, Anm. 128. 490 Vgl. W eiss ebd., S. 110f. 491 R uh (1991), S. 324. Vgl. auch die Parallelisierung von Mechthilds «Flucht aus dem Elternhause» mit der «Flucht Wichmanns aus dem Kloster UL.Fr. [= Unser Lieben Frauen]» Wie steht es nun mit N eumann s Vermutung, Helfta sei von den Hallischen Dominikanern betreut worden? Es ist zwar nicht auszuschließen, dass die Dominikaner aus Halle an der cura monialium der Helftaer Nonnen beteiligt waren, allerdings kann die weit verbreitete Ansicht, Helfta hätte unter der geistlichen Leitung der Dominikaner aus Halle gestanden, 492 nur «partielle Richtigkeit» 493 beanspruchen. Wohl ist in den Helftaer Urkunden sowie den Schriften Gertruds von Helfta gelegentlich von Dominikanern die Rede, sie treten allerdings nie als Beichtväter, Prediger oder geistliche Lehrer, sondern nur im Zusammenhang von Bittgebeten auf. 494 Auch bleibt es offen, welchen Niederlassungen des Ordens sie angehört haben. Sie können neben Halle, ebensogut aus den Konventen in Halberstadt, Erfurt oder Magdeburg gekommen sein. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass Helfta vielfältige Beziehungen zu anderen Orden, so zu Benediktinern, Franziskanern und zum Deutschen Orden (in Halle) 495 , unterhielt. Unter diesem Aspekt erscheint zweifelhaft, «[o]b es überhaupt eine Ausschließlichkeit bezüglich der ›cura monialium‹ gegeben hat.» 496 Den eigentlichen Grund für die Verortung der Entstehung der ›Lux divinitatis‹ in Halle bildet die Überzeugung, Heinrich wäre von Ruppin in den 1271 gegründeten Dominikanerkonvent Halle übergetreten, nachdem sein Ruppiner Prior Wichmann 1270 gestorben war. 497 Damit schien der Zeitpunkt des Eintritts von Mechthild in Helfta zu korrelieren, dies allerdings nur, schränkt Varianz in Textbestand und Textfolge 215 bei M öllenberg (1928), S. 29 und die Überlegung: «Hier scheint mir mehr als ein zufälliges Zusammentreffen von Ereignissen vorzuliegen.» 492 Vgl. etwa G ottschalk (1955), S. 66, M. S chmidt (1987), Sp. 252, R uh (1992), S. 2, Anm. 4, V oaden (1997), S. 76, K eul (2004), S. 31 und ferner A chten (1991), S. 145, Anm. 11, wo (ohne Quellenangabe) darauf hingewiesen wird, dass «die mystischen Schriften der Zisterzienserinnen [von Helfta] von einigen Dominikaner-Lesemeistern des Klosters nach Südwestdeutschland hinüber gerettet [worden sind]». Auf die Ansicht, die Dominikaner hätten die Helftaer Zisterzienserinnen von Halle aus geleitet, trifft man zuerst bei W ilms (1928), S. 99 (mit Berufung auf J. M üller 1881). 493 B angert (1999), S. 34. Zur Geschichte des Klosters Helfta im Spiegel der erhaltenen Quellen s. neulich O efelein (2004), S. 95-143. 494 Stellennachweise bei S pitzlei (1991), S. 34. Dieser Befund erklärt sich laut V oigt (2008), S. 99 dadurch, dass die Dominikaner ebenso wie die Franziskaner in der Regel keine offiziellen geistlichen Funktionen in nicht inkorporierten Frauenklöstern innegehabt haben. Selbst wenn eine solche Beziehung nachweisbar ist, beschränkt sie sich, betont V oigt ebd., S. 104, Anm. 86, auf eine bestimmte Angehörige der Gemeinschaft. Daher ist der im Zusammenhang der Frage nach der geistlichen Betreuung von Helfta gelegentlich anzutreffende Hinweis auf die dominikanische cura der Nonne Lukardis aus der Frauenzisterze Oberweimar kein Beleg, der sich für Generalisierung eignet. 495 Vgl. W ojtecki (1971), S. 53. 496 B angert (1999), S. 35. Zustimmend O efelein (2004), S. 131. Ähnlich hat sich bereits S pitzlei (1991), S. 36 zur Frage der geistlichen Betreuung Helftas geäußert. Wie es mit der cura der Nonnen (Neu-)Helfta im Spätmittelalter aussieht, muss aus Mangel an Quellenbelegen offen bleiben, s. R üttgardt (1998), S. 205. 497 Vgl. N eumann (1954b), S. 70 und (1987a), Sp. 261. N eumann selbst ein, «wenn ihr Todesjahr mit 1282/ 83 richtig berechnet ist» (s. oben Anm. 466 mit Text). Dass die Richtigkeit der Berechnungen des Todesjahres und von hier aus die Bestimmung des Zeitpunktes, zu dem der Klostereintritt erfolgt sein soll, in der Tat Zweifeln aufkommen lässt, wurde bereits in Kap. II.1.3 (S. 125ff.) gezeigt. Wie sieht es nun mit Heinrichs Aufenthalt in Halle aus? Historische Quellen gibt es darüber genauso wenig wie über seine Ruppiner Zeit. H ünicken konnte allerdings eine am 15. Juli 1273 in Pforta ausgestellte Urkunde ausfindig machen, in der anlässlich einer Schenkung an das Kloster als Zeuge ein frater Heinricus de Hallis ordinis predicatorum genannt wird. 498 Dass mit ihm der ehemalige Ruppiner Lektor gemeint ist, dürfte, so H ünicken , «außer Zweifel stehen» (ebd.). Ob dies zutrifft, sei dahingestellt. Wichtig ist, welche Folgerungen H ünicken aus der Kenntnis dieser Urkunde für das Curriculum Heinrichs zieht: «seit 1271 oder bald darauf in Halle, in dessen Nähe er am 15.7.1273 urkundlich erwähnt wird» (S. 105). Dies allein reicht dem verdienten Historiker der Stadt Halle, Heinrich zu einem Angehörigen des Hallenser Dominikanerklosters zu machen. 499 N eumann schließt sich in diesem Punkt H ünicken kritiklos an. Dadurch handelte sich N eumann jedoch ein Problem ein, das ihm zunächst nicht auffiel. In einem seiner früheren Aufsätze datierte N eumann die Entstehungszeit des sechsten Buches auf die «anderthalb Jahrzehnte von etwa 1260 bis ungefähr 1275, zumindest aber bis in die Jahre nach 1271». 500 Wir befinden uns also in Mechthilds Helftaer Zeit, die nach N eumann s Berechnungen mit 1270/ 71 ihren Anfang genommen hat und die eigentlich für das siebte Buch reserviert ist. Es sei nun daran erinnert, dass N eumann die Angaben in LD II.40 (dicta huius mehtildis omnia collegit et in unum uolumen redegit . ac in sex partes illud distinxit, Rev. Bd. II.2, S. 516,5f.) auf die sechs Bücher des ›Fließenden Lichts‹ bezieht (s. dazu S. 100f. oben). Wenn das zutrifft, so stellt sich die Frage, warum Heinrich in LD II.40 lector ruppinensis genannt wird, fällt doch der Abschluss und die Redaktion der ersten sechs Bücher des ›Fließenden Lichts‹ in eine Zeit, als sich Heinrich bereits in Halle aufgehalten haben soll. Diese Unstimmigkeit in der eigenen Argumentation scheint N eumann erkannt zu haben, denn er lässt in seinem Verfasserlexikon-Artikel Mechthild just in dem Jahr das sechste Buch beenden, als sie nach Helfta und Heinrich nach Halle gezogen sein soll, das heißt im Jahre 1270/ 71. 501 Im Lichte dieses kritischen Gangs durch die Forschung ist man gut beraten, daran zu zweifeln, dass die lateinische Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ mit dem Dominikanerkloster Halle zu verbinden ist. Was kann man diesem negativen Befund entgegen halten? Zunächst ist festzustellen, dass die Umsetzung des deutschen Textes ins Lateinische in einem theologisch gelehrten Um- 216 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 498 Vgl. H ünicken (1934/ 35), S. 102. 499 Vgl. auch den Gedankengang von R emmler (1975), S. 70: «Um 1270, dem Todesjahr Wichmanns, verließ Heinrich Neuruppin und gründete das Dominikaner-Kloster Halle/ Saale, wodurch er als Heinrich von Halle bekannt wurde.» 500 N eumann (1954b), S. 50. 501 Vgl. N eumann (1987a), Sp. 262. Vgl. dazu auch Anm. 466 oben mit Text. feld (nicht unbedingt in einem Männerkloster) erfolgt sein muss. Dafür sprechen die oben (Kap. II.2.3) aufgezeigten dogmatischen Richtigstellungen. Als erstes würde man sicherlich ans Kloster Helfta als Entstehungsort denken, wo Mechthild nach der Auskunft des LD-Prologs die letzten zwölf Jahre ihres Lebens verbrachte und wo aller Wahrscheinlichkeit nach das siebte Buch des ›Fließenden Lichts‹ entstand. Anders als Halle, über dessen geistig-literarisches Leben nichts bekannt ist, liefert Helfta tatsächlich die besten Voraussetzungen dafür, die Entstehung der ›Lux divinitatis‹ hier zu verorten. Denn das Kloster zeichnet sich durch ein hohes Bildungsniveau aus und beherbergt eine literarisch ambitionierte Schwesterngemeinschaft, die eine über das übliche Kopieren und Illuminieren von Handschriften hinausgehende literarische Aktivität aufweist und ein ausgeprägtes Interesse daran zeigt, das begnadete Leben einzelner ihrer Mitglieder im offiziellen Auftrag, das heißt auf Veranlassung der Klosterleitung, zur kollektiven Identitätsstiftung und zur Belehrung der folgenden Schwesterngenerationen aufzuzeichnen. 502 In der Tat trifft man in der Forschung vereinzelt auf die Ansicht, nicht nur die Entstehung, Redaktion und Distribution des ›Fließenden Lichts‹, 503 sondern auch seine Umsetzung ins Lateinische habe in Helfta stattgefunden. Allerdings sind die in diesem Zusammenhang genannten Argumente wenig überzeugend. 504 Will man Helfta auch als Ort der Entstehung der ›Lux divinitatis‹ erweisen, empfiehlt es sich, nach stichhaltigeren Belegen zu suchen. Hinzuweisen wäre in diesem Zusammenhang etwa auf die Abweichung, die in der Publikumsanrede am Ende von FL I.44 und seiner lateinischen Übersetzung festzustellen ist: Die Wiedergabe von gottes frúnd (64,25 [I.44,94]) durch amica dei 505 in LD IV.13,60 (LG IV.12,92: frúndin gotz, die Solesmenser Mönche bieten dagegen amicus dei, vgl. Rev. Bd. II.2, S. 552,10) lässt an eine adressatengerechte Umformung der Publikumsapostrophe denken und scheint die Ausrichtung der lateinischen Übersetzung an eine weibliche Leserschaft zu Varianz in Textbestand und Textfolge 217 502 S. dazu H ubrath (1996), S. 36-48. 503 S. dazu die Literaturhinweise auf S. 24, Anm. 114 oben. 504 B ecker (1951), S. 155, Anm. 1 spricht von der «gegenseitigen Beeinflussung zwischen unserer lat. Fassung und dem liber spec. grat. (sic! )» und begründet dies damit, dass die Zusammenführung von thematisch verwandten Kapiteln zu Traktaten (tractatus) außer in den ersten beiden Büchern der ›Lux divinitatis‹ auch im ›Liber‹ belegt sei, und zwar durch das «einmalige [! ] ‹Incipit tractatus de beata virgine›». Anders als B ecker , der nur den Einfluss der ›Lux divinitatis‹ auf Helfta postuliert, erwägt H ans U rs von B althasar , Mechthilds kirchlicher Auftrag, in: M. S chmidt (1955), S. 21 auch ihre Entstehung im dortigen Konvent. Er sieht «emsige Übersetzerinnen» am Werk, die «das leuchtende Deutsch in ein freundliches, blumiges Latein mit vielen Erläuterungen aus der Helftaer Bildungswelt zähmen», räumt jedoch selbst ein, die Annahme sei nicht beweisbar: «nur die Stilverwandtschaft scheint sie zu schützen» (ebd., Anm. 1). Ohne weitere Begründung verlegt O rtmann (1992), S. 160 die lateinische Übersetzung nach Helfta. 505 N eumann (1990), S. 32 unterlässt, diese Sonderlesart des lateinischen Überlieferungszweiges im Variantenapparat zu verzeichnen. implizieren. 506 Dem sind jedoch Stellen entgegen zu halten, worin der Text der Übersetzung eher auf eine männliche Leserschaft zugeschnitten ist. Ich denke hier vor allem an die Übersetzung von FL VI.1. Das deutsche Kapitel enthält generelle Anweisungen und richtet sich an Angehörige von Männer- und Frauenkonventen gleichermaßen. Dies kann nicht nur der Überschrift Wie ein prior oder ein priorinne oder ander prelaten sich s o llent halten gegen iren undertan (Überschrift), sondern auch den im Text verstreuten Doppelformen prior/ priorinne (Überschrift sowie 418,15 und 422,17 [VI.1,4 und 51f.]), br v der/ swester (418,20, 422,21 und 23 [VI.1,7f., 54 und 56]), meister/ meisterinne (420,28f. [VI.1,32]) entnommen werden. Die lateinische Übersetzung fokussiert dagegen auf Männerklöster: Sie übersetzt De periculo prelatorum und spricht von prelatus und subditi, vgl. LD V.11-13/ Rev. Bd. II.2, S. 598-600 bzw. LG V.9-10. Dasselbe gilt für die Übersetzung von FL V.11. Doch ist hier nur die Überschrift von der Neufokussierung betroffen (statt Von den swestern gelas, wie sie betten und arbeiten s o nt mit gotte liest man De bonitate religionis et quorumdam religiosorum prauitate, LD V.4 (Rev. Bd. II.2, S. 591, LG V.3: Von der geistlichen gutheit vnd von etlicher Geistlichen bosheit), die Hinwendung an eine einzelne Schwester im Kapitel selbst bleibt in der lateinischen Übersetzung erhalten. Hilfsreicher als die Publikumsanreden scheinen die Struktur und die in Kap. II.2.3 aufgezeigten Bearbeitungstendenzen der ›Lux divinitatis‹ (Enterotisierung und Richtigstellungen im Bereich der Gnadenlehre) zu sein. Von ihrem Aufbau her stellt die Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ insofern keinen Fremdkörper im Helftaer Schrifttum dar, als sie nicht chronologisch, sondern wie der ›Legatus‹ und ›Liber‹ thematisch geordnet ist. 507 Auch in der Tendenz, sinnlich-erotische Metaphorik zu meiden, und in der auffälligen Konzentration auf die Bedeutung und Wirkung der Gnade stimmt die ›Lux divinitatis‹ 218 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 506 Es sei hier darauf hingewiesen, dass die Schlusszeile von FL I.44 in der Handschrift B fehlt. Dazu stellt N agy (2001), S. 139 fest, das Fehlen dieser Zeile sei «wenig überraschend», «wenn man an das anvisierte [weibliche] Publikum denkt.» Die maskuline Form der Anrede hat die bisherige Forschung zwar nie dazu verleitet, sie als einen Hinweis auf das Geschlecht der Adressaten Mechthilds zu deuten - im Anschluss an O rtmann (1992), S. 181, Mechthild wende sich mit ihrem Buch an gleichgesinnte geistliche lúte, an einen Adressatenkreis also, der «sich ständeübergreifend durch seine spirituelle Lebenspraxis definiert», versteht V ollmann- P rofe (1994), S. 153 die Publikumsapostrophe lieber gottes frúnt als eine Umschreibung für die Idealrezipienten des ›Fließenden Lichts‹ -, dies schließt die Möglichkeit jedoch keineswegs aus, dass der B-Redaktor diese Wendung, vorausgesetzt, sie war bereits in seiner Vorlage enthalten, nicht in diesem Sinne verstanden und sie folglich als eine für seine weibliche Leser- oder Hörerschaft inadäquate Form der Anrede empfunden hat. Zur Handschrift s. zuletzt N emes (2005). 507 V ollmann- P rofe (2000), S. 152 weist darauf hin, dass sich dem Übersetzer bei der Überführung des volkssprachlichen Textes ins Lateinische im Grunde zwei Modelle angeboten haben, dasjenige der Vita und das der Offenbarungsschrift. Entschieden haben sie sich, wie gesagt, für das letztere. mit der Helftaer Revelationsliteratur, genauer mit dem ›Liber‹, überein. 508 Das sind jedoch keine zwingenden Gründe, die Entstehung der ›Lux divinitatis‹ nach Helfta zu versetzen, denn diese Gemeinsamkeiten lassen sich auch als von der lateinischen Sprachtradition her mitbestimmt erklären (s. dazu weiter unten). Dem Text der Übersetzung können, wie gesagt, nur wenige Informationen bezüglich der Lokalisierung des Entstehungsortes der ›Lux divinitatis‹ abgewonnen werden. Aufschlussreich ist dagegen der Blick auf die Überlieferung, die zeigt, dass die Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ neben dem kartäusischen (wohl erst im 15. Jahrhundert) in einem dominikanischen Umfeld rezipiert bzw. tradiert wurde. Man denke etwa an die Sekundärüberlieferung im ›Liber de Viris Illustribus Ordinis Praedicatorum‹ des Johannes Meyer (s. dazu S. 105ff. oben). Vielleicht wird man auch Johannes Tauler die Kenntnis, wenn nicht sogar den Besitz eines Exemplars der lateinischen Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ unterstellen dürfen (s. dazu Anm. 485 oben mit Text). Außer diesen Rezeptionszeugnissen sei an die erhaltenen oder auch nur bezeugten Handschriften der ›Lux divinitatis‹ erinnert. Wohl stammt ein Großteil dieser Textzeugen aus Kartäuserbibliotheken, die Vorlagen scheinen die Kartäuser jedoch von den Dominikanern bezogen zu haben. So steht am Beginn der Rezeption der ›Lux divinitatis‹ in der Basler Kartause die Handschrift Rb aus der lokalen Dominikanerbibliothek. 509 Dasselbe könnte man vielleicht auch bei der 1372 gegründeten Kartause St. Salvatorberg in Erfurt annehmen. Für die Bekanntheit der ›Lux divinitatis‹ in Erfurt sprechen jedenfalls die im Bibliothekskatalog unter der Signatur J 2 primo und J 6 verzeichneten Handschriften 510 und eine Reihe von Neufunden, die erst im Zuge der Arbeiten an der Neuedition der ›Lux divinitatis‹ aufgetaucht sind. Ich denke hier nicht nur an We1, We2, We3 sowie Weimar, HAAB, Oct 64, fol. 77 v (s. dazu S. 107f. oben), sondern auch an ein vom Ende des 15. Jahrhunderts stammendes Exzerpt (Vä), das ein einziges Kapitel der lateinischen Übersetzung (LD VI.12/ Rev. Bd. II.2, S. 629f.) im Anhang des ›Quadragesimale de casibus conscientiae‹ des Bartholomaeus de Rinonico Pisanus OFM überliefert. 511 Interessant ist dieses Textstück vor allem deshalb, weil es unter der Heranziehung des entsprechenden deutschen Kapitels (FL V.5) erstellt wurde. Vieles spricht dafür, dass Vä in der Erfurter Kartause entstanden ist, 512 an einem Ort wohlgemerkt, wo es nach dem Bibliothekskatalog des Jakob Volradi außer den genannten Handschriften der ›Lux divinitatis‹ eine Vollhandschrift des ›Fließenden Lichts‹ gab (Signatur: J 5 primo ). 513 Varianz in Textbestand und Textfolge 219 508 S. dazu K öbele (1993), S. 107-112 und H aas (1982/ 1984), S. 225-232. 509 Zur Provenienz von Rb s. M eyer / B urckhardt (1966), Bd. 1, S. 182. Zu der über Basel bis zur Kartause Buxheim und Erfurt bzw. dem Benediktinerstift von Augsburg und Erfurt reichenden Rezeptionskette der ›Lux divinitatis‹ s. S. 105ff. oben. 510 Vgl. L ehmann (1928), S. 431,5f. und 432,28-30. 511 Abgebildet bei H edlund (1980), Abb. 72. 512 S. dazu N emes (2008b). 513 Vgl. L ehmann (1928), S. 432,16-23. Nun ist aber Erfurt auch der Ort, wo das ›Fließende Licht‹, genauer seine lateinische Übersetzung, zum ersten Mal rezeptionsgeschichtlich greifbar ist: Man denke an die Exzerpte der ›Lux divinitatis‹, die in die Dominikus-Vita des Dietrichs von Apolda, eines Angehörigen des Erfurter Dominikanerkonvents, eingegangen sind. 514 Nicht nur das älteste Rezeptionszeugnis, sondern auch die älteste erhaltene Handschrift der lateinischen Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ kommt, wie schon angedeutet (s. Anm. 509 mit Text), aus einem Dominikanerkloster, genauer aus der Bibliothek des Basler Konvents. Für die dominikanische Provenienz von Rb spricht nicht nur der (rekonstruierte) Besitzervermerk auf fol. 1 r , sondern auch die Mitüberlieferung (Marienlob des Berthold von Nürnberg OP, fol. 1-50) 515 und vor allem eine Reihe von Annotationen zu Textstellen mit dominikanischem Bezug, vgl. die in Anlehnung an die Überschrift von FL IV.21 formulierte Glosse Nota 6 quo deo in ordine placent zu LD II.12/ Rev. Bd. II.2, S. 491 (entspricht FL IV.21) sowie folgende Randvermerke: Nota zu LD II.14,12/ Rev. Bd. II.2, S. 493,15 (entspricht FL V.24: 380,13f. [V.24,37f.]) - Nota de gloria predicatorum zu LD II.29, 22f./ Rev. Bd. II.2, S. 506,29 (entspricht FL III.1: 152,19 [III.1,99]) - Qualiter Sanctus Dominicus suscipit fratres suos zu LD II.35,21f./ Rev. Bd. II.2, S. 512,2 (entspricht FL IV.22: 290,19f. [IV.22,20f.]) - Scripsit enim manu sua bibliam in qua legitur ad mensam in conuentu hallensium zu LD II.39,10f./ Rev. Bd. II.2, S. 516,3 (entspricht FL IV.26) - Nota zu LD VI.11,14/ Rev. Bd. II.2, S. 628,22 (entspricht FL III.17: 200,24 [III.17,18]). Hinzuweisen wäre in diesem Zusammenhang auch auf die in Rb nachgetragene Prologüberschrift Prologus fratris henricus lectoris de ordine fratrum Predicatorum, die sich auch in der von Rb unabhängig entstandenen Handschrift Rw findet und älteren Datums sein könnte (s. dazu S. 104f. oben). Ob das in dieser Überschrift Behauptete stimmt, steht hier nicht zur Diskussion. In jedem Fall dokumentiert sich in ihr ein dominikanisches Interesse an der ›Lux divinitatis‹. Dasselbe gilt für die oben genannten Annotationen, denn wie bei der Prologüberschrift kann auch bei diesen, auf Textstellen dominikanischen Inhalts verweisenden Vermerken nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob sie schon in der Vorlage von Rb - sei 220 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 514 Vgl. Acta Sanctorum Augusti, Bd. 1, Antwerpen 1733 (ND Brüssel 1970), S. 604 (Nr. 251- 254) und S. 627-629 (Nr. 383-397). Die meisten Exzerpte stehen am Ende der Vita. Zur Aufschlüsselung der von Dietrich zu Rate gezogenen Quellen s. A ltaner (1922), S. 175- 181, hier S. 178 (D 251-254) und S. 181 (D 383-397). A ltaner hat die Zusammengehörigkeit der aus der ›Lux divinitatis‹ herausgezogenen Kapitel zwar erkannt, die Quelle konnte er jedoch nicht identifizieren. Dasselbe gilt auch für R ener (1994), S. 214 und 217. Dies überrascht insofern, als die durch S tierling (1907), S. 5-15 erfolgte Identifizierung der in die Dominikus-Vita eingegangenen Mechthild-Exzerpte durch B raun schon 1912 der Dietrich-Forschung bekannt gemacht wurde, vgl. B raun (1912), S. 122f. Auf die «gelegentlichen Zitate aus der lat. Mechthild-Überlieferung» weist auch L omnitzer (1980), Sp. 109 hin. 515 Die einzige bekannte Parallelüberlieferung findet sich in Gotha, Universitäts- und Forschungsbibl., Memb. I 80, fol. 41 r- 67 r , s. dazu H opf (1994), S. 57-58. es auch nur teilweise - enthalten waren. Anzunehmen wäre dies für die Glosse zu LD II.39,10f. (der Text handelt von Bruder Balduin). Denn sie zeugt von einer gewissen Vertrautheit mit dem Lebensumfeld Mechthilds und führt möglicherweise in die unmittelbare zeitliche Nähe der Genese der ›Lux divinitatis‹ zurück. 516 Die genannten Indizien zeigen, dass der Dominikanerorden an der Rezeption und Distribution der ›Lux divinitatis‹ maßgeblich beteiligt war. Man ist deshalb geneigt, nicht nur die Verbreitung, sondern auch die Entstehung der lateinischen Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ im dominikanischen Umfeld zu verorten. Die frühe Präsenz des Textes in Erfurt - Dietrich hat die Dominikus-Vita zwischen 1296 und 1298 abgeschlossen - und das Vorhandensein von Handschriften des ›Fließenden Lichts‹ und seiner lateinischen Übersetzung in der dortigen Kartause lenken den Blick auf den Erfurter Konvent der Dominikaner, der um 1300 seine Glanzzeit erlebte. Hierzu einige bekannte Fakten: Im letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts verfasst Dietrich von Apolda die im Spätmittelalter so populäre Lebensbeschreibung der heiligen Elisabeth von Thüringen. 517 Zu dieser Zeit entsteht auch die Vita des Ordensgründers Dominikus, mit deren Abfassung Dietrich vom Ordensgeneral selbst beauftragt wurde. 518 Diese Auftragsarbeit bringt Dietrich zwischen 1296 und 1298, wenige Jahre vor seinem Tod, zum Abschluss. Zu dieser Zeit war Meister Eckhart Prior des Erfurter Dominikanerkonvents und Vikar der Ordensprovinz Thüringen (1294-1298). In diese Jahre datieren ›Die rede der underscheidunge‹, jene Kollationen also, die Eckhart mit seinen Konventsbrüdern geführt und wohl auch selbst schriftlich niedergelegt hat, und zwar in deutscher Sprache. 519 Varianz in Textbestand und Textfolge 221 516 Allerdings datiert diese Glosse, wie die Randeinträge von Rb überhaupt, später als die Handschrift. Die Marginalien scheinen zudem auf mehrere Hände zurückzugehen, ohne dass im Einzelfall zwischen den einzelnen Händen mit Sicherheit unterschieden werden kann. Die älteste Schicht der Glossen - von den korrigierenden Nachträgen der Schreiberhand sehe ich hier ab - stammt nach einer brieflichen Mitteilung von Karin Schneider an Ernst Hellgardt aus dem dritten Viertel des 14. Jahrhunderts (die Handschrift selbst datiert Frau Schneider auf die Zeit um bzw. kurz vor 1350). Dies würde dazu verleiten, im Vermerk zu Bruder Balduin den «hagiographischen Versuch[] einer detailrealistischen lebensweltlich-biographischen Konkretisierung mehr oder weniger persönlich gehaltener historisch-biographischer Anspielungen» (P eters 1988a, S. 121) zu sehen, gäbe es nicht auch solche quasi-detailrealistischen Anspielungen, die nachprüfbar sind und sich auch als wahr erweisen. Ich denke hier nicht nur an den kontextualisierenden Einschub und die biographischen Angaben zu Jutta von Sangerhausen in LD II.18 (Rev. Bd. II.2, S. 496), sondern vor allem an die Identifizierung des in FL VI.2 zunächst anonymen, dann Dietrich genannten Kanonikers (vgl. FL VI.3) als Dekan in Magdeburg in der Überschrift von LD III.1 (Rev. Bd. II.2, S. 519). Zu Jutta s. N emes (2009a), zu Dietrich s. S. 139, Anm. 174. 517 S. dazu R ener (1994), S. 242-245 und (1995). 518 Für Literaturhinweise s. Anm. 514 weiter oben. 519 Dass Eckhart Prior von Erfurt und Vikar von Thüringen war, wissen wir allein aus der Überschrift zu den ›Rede der underscheidunge‹: Daz sint die rede, die der vicarius von Von den deutschen Werken Eckharts, die zu seiner Erfurter Zeit, das heißt in den Jahren vor bzw. nach dem Pariser Magisterium 1302/ 03, entstanden sein können, wäre hier auf die Predigten ›Laetare sterilis, quae non paris‹ (DW Pr. 99), ›Omne datum optimum‹ (DW Pr. 4), eine in der Salzburger Handschrift M I 476 nur in Exzerpten erhaltene Predigt, den Zyklus ›Von der êwigen geburt‹ (DW Pr. 101-104) und vielleicht auch auf ›Sedebat Jesus docens in templo‹ (DW Pr. 90) sowie ›Quasi stella matutina‹ (DW Pr. 9) hinzuweisen. 520 Auch mit der Arbeit am ›Opus tripartitum‹ wird Eckhart schon kurz nach seiner Rückkehr aus Paris in Erfurt begonnen haben. Dies hat L oris S turlese aus dem Cod. Amplon. F 181 erschlossen, einer Handschrift, die noch zu Lebzeiten Eckharts im Erfurter Dominikanerkloster entstanden ist. 521 Als das wohl prominenteste Zeugnis für Eckharts literarische Predigttätigkeit in Erfurt und als exklusives Dokument der intellektuellen Potenz des Dominikanerkonvents um 1300 gilt der ›Paradisus anime intelligentis‹, eine Sammlung von 64 Predigten, die zur Hälfte Eckhart gehören. Die andere Hälfte verteilt sich auf elf Prediger. Bis auf zwei - womöglich auch nur einen 522 - handelt es sich um Dominikanerlektoren, größtenteils aus Thüringen. K urt R uh datiert die ursprüngliche Sammlung - das Überlieferte stellt die kürzende Auswahl eines ursprünglich wohl umfangreicheren Corpus von ›Paradisus‹-Predigten dar - in das erste Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts und lokalisiert sie im Erfurter Dominikanerkloster. Dem unbekannten Redaktor gehe es, so R uh , darum, «die illustre Schar bedeutender Männer des Ordens, die in der Glanzzeit des Hauses in Erfurt tätig waren oder mit Erfurt in näherer Beziehung standen, in einem Erinnerungsbuch zu bewahren.» 523 R uh s Hausbuch-These wird auf den zweiten, den Text kürzenden Redaktor, der im vierten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts aller Wahrscheinlichkeit nach in Erfurt tätig war, wohl zutreffen. 524 Ob sie auch für den Erstredaktor, den so genannten ›Paradisus‹-Kompilator, gleichermaßen gilt, ist umstritten. 525 Auch ist 222 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ türingen, der prior von erfurt, br v der eckhart predigerordens mit solchen kindern hâte, diu in dirre rede vrâgeten vil dinges, dô sie sâzen in collationibus mit einander, s. Q uint (1963), S. 185,1-6, dazu S enner (2005), S. 109-113. 520 Vgl. S teer (2002) S. 249 und (2005b), S. 41-46 und 50 sowie L öser (2005b), S. 62f. und 70f. 521 Vgl. S turlese (1995). 522 Außer dominikanischen Autoren werden ein anonymer Barfüßer und ein Meister Hane der Karmelit genannt. Es gibt Indizien, dass letzterer ein böhmischer Dominikaner gewesen sein könnte, s. L öser (2005b), S. 73f. 523 R uh (1989b), Sp. 300. 524 So S teer (2005b), S. 52f. 525 Neben Erfurt steht Köln als Ort der Entstehung und Verbreitung der Sammlung zur Diskussion, vgl. S teer (1987b), S. 332 und (2002), S. 259f. sowie S turlese (1989). Gegen Köln als Ausgangspunkt der Überlieferung sprechen jedoch die Sprachuntersuchungen von P almer (2009), S. 107, die er an den beiden Haupthandschriften der ›Paradisus‹-Sammlung durchgeführt hat. Sie haben «keine dialektalen Besonderheiten zu Tage gebracht, die als ripuarische Interferenzen […] gedeutet werden könnten.» Vgl. auch B eck (2008), S. 111-116. offen, wieviele der hier versammelten Predigten in Erfurt gehalten wurden. Anders als R uh , der der Ansicht war, es handle sich um eine Sammlung mit lauter Predigten aus der Zeit von Eckharts Provinzialat (1303-1311), 526 wird in der jüngsten Forschung davon ausgegangen, die Predigtsammlung als Ganze würde Eckharts literarische Tätigkeit in Erfurt nicht wiederspiegeln: «einige Predigten dürften jedoch in ihr bewahrt sein, die er tatsächlich in Erfurt gehalten hat.» 527 Das wird man wohl auch für die Predigten der sonstigen hier versammelten Dominikaner annehmen dürfen, allen voran für die des Florentius von Utrecht, Giselher von Slatheim und Helwic von Germar. 528 Vielleicht wird man auch brudir Th/ Tho von Apolde der prediger, der mit einer Predigt vertreten ist, in Erfurt suchen müssen. F reimut L öser weist darauf hin, dass die Auflösung der handschriftlichen Kürzel Th/ Tho zu Thomas erst durch die modernen Herausgeber der ›Paradisus‹-Sammlung erfolgte. 529 Denkbar wäre auch die Auflösung mit Theodorich, die an eine Identität des genannten Bruders mit Dietrich von Apolda denken ließe. Mögliche Zusammenhänge mit Person und Werk von Dietrich wurden bisher nicht untersucht. Die Bezeugung der ›Lux divinitatis‹ in Erfurt durch die Dominikus-Vita des Dietrich von Apolda erfolgt also zu einer Zeit, als das Dominikanerkloster eine literarisch besonders produktive Phase erlebt, die von Zweisprachigkeit und einer breiten Streuung von Gattungen geprägt ist: Geistliche Unterweisung mittels Traktat und Predigt wird auf Deutsch, hagiographisches und universitätstheologisches Schrifttum auf Latein festgehalten. Der in dem Jahrzehnt vor und nach 1300 literarisch hochproduktive Erfurter Konvent scheint demnach besonders günstige Bedingungen zu liefern, die Entstehung der ›Lux divinitatis‹ hier zu verorten, und dies vor allem auch deshalb, weil es Kontakte zwischen Erfurt und Helfta, dem vermeintlichen Ort der Endredaktion des ›Fließenden Lichts‹, nachweislich gab. So findet man Dietrich von Apolda und Hermann von Loveia in dem aus Mitgliedern des Dominikaner- und Franziskanerordens bestehenden Theologenkreis, der den ›Legatus divinae pietatis‹ Gertruds von Helfta approbiert haben soll. 530 Hermann wird als lector ordinis fratrum praedicatorum in Lipzk [Leipzig] vorgestellt. 531 Er ist einer der Autoren der ›Paradisus‹-Sammlung und wohl auch ein Erfurter «Gastprediger», 532 in- Varianz in Textbestand und Textfolge 223 526 Vgl. R uh (1989a), S. 63. 527 S teer (2005b), S. 54. Ähnlich L öser (2005b), S. 66f. 528 Vgl. R uh (1996), S. 393f., 400f. und 403f. 529 Vgl. L öser (1995), Sp. 809. 530 Vgl. Leg. (SC Bd. 139), S. 104,15f. und 106,22f. Das Approbationsschreiben ist nicht in allen Handschriften der lateinischen Überlieferung des ›Legatus‹ enthalten. In den Handschriften der oberdeutschen Auswahlübertragung(en) dagegen bildet es einen festen Bestandteil des Textes, s. W ieland (1973), S. 61f., 73 und 74f. «Gelinde Zweifel» an der Echtheit der überlieferten Form der Approbation äußert R uh (1993), S. 318. 531 Zu Hermann s. S eppänen (1981) und R uh (1996), S. 398f. 532 R uh (1996), S. 274. sofern man zumindest die zweite, auf die Predigten Eckharts und seiner thüringischen Mitbrüder konzentrierende Redaktion des ›Paradisus‹ als literarisches Denkmal von Erfurt als herausragende Stätte dominikanischer Predigt versteht. Direkt nach Erfurt und zum dortigen Dominikanerkloster führt der Hinweis des Approbationsschreibens: Frater quoque Theodoricus dictus de Apoldia saepius cum ea [Getrud] 533 colloquium habens sermones et sensum illius per omnia approbavit. Dieser Vermerk lässt auf einen persönlichen Umgang zwischen Dietrich und Gertrud schließen und auf Kontakte, die zwischen Helfta und dem Erfurter Dominikanerkloster im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts bestanden haben. 534 In diesem Zusammenhang kann ein Exemplar des zunächst sechs Bücher umfassenden ›Fließenden Lichts‹ nach Erfurt gelangt, dort übersetzt und von Dietrich für seine Dominikus-Vita exzerpiert worden sein. 535 In der Tat muss Dietrich neben dem lateinischen Text eine Handschrift des ›Fließenden Lichts‹ benutzt haben. Darauf lässt der einzige Querverweis in Rb (triplex alludens gaudium Canticum virginum in 2 libro c. 25 puerorum [recte predicatorum] hic Cantus trinitatis in 5 libro 26 c) schließen, der dem deutschen Text gilt und alt sein muss, denn er scheint die Folge der von Dietrich exzerpierten Textteile bestimmt zu haben (s. dazu ausführlich S. 264f. weiter unten). Kontakte literarischer Art nach Erfurt sind auch noch für das 14. Jahrhundert belegt. Allerdings verlaufen sie nicht mehr über die dominikanische, sondern womöglich über die benediktinische Schiene, was mit dem Wandel des geistlichen Status der Helftaer Nonnen im 14. Jahrhundert zusammenhängen könnte. Galt Helfta im 13. Jahrhundert als ein de iure nicht inkorporiertes Zisterzienerinnenkloster, so werden die (Neu-)Helftaer Nonnen - nach seiner Zerstörung durch Albrecht von Braunschweig im Jahre 1342 wurde das Kloster 1346 vor den Mauern Eislebens neu errichtet - vom 14. Jahrhundert an (zumeist durch Vertreter des geistlichen Standes und der kirchlichen Obrigkeit) als Benediktinerinnen bezeichnet. 536 Deshalb verwundert es nicht, auf die Prä- 224 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 533 Irrtümlich bezieht B raun (1912), S. 123 diese Stelle auf Mechthild von Magdeburg. 534 Und man fragt sich, ob sich das Approbationsschreiben nicht dazu eignet, Einblick in das Netzwerk von Beziehungen zu gewähren, die Helfta zu Dominikaner- und Franziskanerkonventen der näheren und weiteren Umgebung (Erfurt OP, Halle, Hildesheim, Halberstadt OFM, Leipzig OP) geknüpft hat. 535 Ob bei Dietrichs ausschließlichem Interesse für Kapitel der ›Lux divinitatis‹ über Dominikus und den Dominikanerorden der Beschluss mehrerer Generalkapitel des 13. Jahrhunderts eine Rolle gespielt hat, wonach jedes Wunder, jede Vision und jede erbauliche Geschichte, die sich im Orden oder wegen des Ordens ereignete, dem Ordensmagister mitzuteilen sei, damit sie in schriftlicher Form zum Nutzen der folgenden Generationen festgehalten werden kann, bleibt offen. Auszuschließen ist dies keineswegs, zumal wenn man berücksichtigt, dass Dietrich die Dominikus-Vita im offiziellen Auftrag des Ordens verfasst hat. Zum genannten Generalkapitelbeschluss s. S chreiner (1992), S. 68. 536 Vgl. R üttgardt (1998), S. 200. Belege bei A nkermann (1997), S. 33, Anm. 75. Tatsächlich wurden die Neuhelftaer Nonnen 1468 von den Benediktinerinnen aus Marienberg bei Boppard reformiert. Bis zu seiner Auflösung im Jahre 1525 präsentierte sich Neuhelfta senz des Helftaer Schriftums im Besitz des Benediktinerklosters St. Peter und Paul in Erfurt zu stößen. 537 Ich meine hier nicht jenes Exemplar des ›Legatus‹ Gertruds von Helfta, das sich in einer Abschrift vom Ende des 15. Jahrhunderts im Besitz der Erfurter Benediktiner befand (Weimar, HAAB, Q 49, fol. 163 r - 208 v ), 538 sondern die indirekte Bezeugung einer Handschrift des ›Liber specialis gratiae‹ Mechthilds von Hackeborn in einem bislang wenig beachteten Eislebener Textzeugen (s. dazu weiter unten). Aufschlussreich in unserem Zusammenhang könnte auch der Kodex Wolfenbüttel, HAB, Cod. Guelf. 1003 Helmst., der als einziger Textzeuge alle sieben Bücher des ›Liber specialis gratiae‹ Mechthilds von Hackeborn überliefert und der nachweislich in Erfurt entstand. Bemerkenswert ist, dass diese Abschrift anhand eines Exemplars durchkorrigiert wurde, die aus Helfta stammt. Darüber informiert ein Vermerk auf fol. 1 r : Incipit liber specialis gratiae de sanctimoniali quadam Mechthildis nomine que vixit circa annum Dominum m m cc m lxxx m in claustro dicto Helpede quod monasterium est translatum ad civitatem Ysleben anno Domini m° ccc° lvj° [! ] in die sancti Severi episcopi [22. Oktober] primo intraverunt Et ego Albertus sacerdos eram ibi post quam librum istum conscripsi et domina abbatissa monstravit michi librum quem ibi habuit et perscrutatus sum veram veritatem […] 539 Varianz in Textbestand und Textfolge 225 als «ein Kloster strenger Observanz im Geiste Bursfelds» (O efelein 2004, S. 113). Nichtsdestoweniger scheint das Bewusstsein, einer zisterziensischen Gründung (von St. Jakob aus Halberstadt aus) zu entstammen, bei den Helftaern präsent geblieben zu sein, s. R üttgardt (1998), S. 200 und O efelein (2004), S. 133. 537 Mit dem Erfurter Peterskloster stand Helfta in Gebetsverbrüderung, vgl. die Einträge in den Erfurter Konfraternitätsbriefen von 1314, abgedruckt bei B. F rank (1973), S. 390 und 392. Diese Quelle zur Geschichte Helftas ist O efelein (2004) unbekannt geblieben. 538 Zur Handschrift s. T heele (1920), S. 188 und demnächst den von Matthias Eifler erstellten Katalog der Weimarer Quart-Handschriften (ich danke Herrn Eifler für die Überlassung der Beschreibung von Q 49). Diese von einem Angehörigen des Erfurter Petersklosters um 1490-1494 geschriebene Handschrift ist P ierre D oyère , der die Neuausgabe des ›Legatus‹ besorgte, entgangen, vgl. Leg. (SC, Bd. 139), S. 58-64. Dasselbe gilt für ein illuminiertes Gebetbuch mit Auszügen aus dem ›Legatus‹ sowie einer Miniatur Gertruds (mit Äbtissinstab! ): Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Inventar.-Nr. 78 B 1a, pag. 903 (um 1444, Miniatur/ Deckfarben auf Pergament, Kölnische Schule, Art Stefan Lochner, Blattmaß: 9,3 7,0 cm), s. http: / / bpkgate.picturemaxx.com/ preview. php? WGSESSID=d0108c64039efa1909a9a52cbfc42d30&UURL=7e8c2c7f702ff97c898 fafaa34317d63&IMGID=00026554. 539 Zitiert nach Z ieger (1974), S. 12, abgedruckt auch in Rev. Bd. II.1, S. VIII. Das genaue Datum mit Tag und Monat (das Jahr stimmt nicht, s. allerdings O efelein 2004, S. 108) für die Umsiedlung nach Eisleben kennt man sonst nur noch aus dem am 10. Januar 1451 geschriebenen Brief der Äbtissin von Helfta, Sophia von Stolberg, an das Mutterhaus St. Jacobi in Halberstadt, in dem über die Geschichte des Klosters berichtet wird, und zwar anhand einer inzwischen verschollenen Klosterchronik (ex nostra cronica), vgl. K rühn (1888), Nr. 145, S. 223-226, hier S. 225, dazu O efelein (2004), S. 96 und 103. Angesichts der wörtlichen Übereinstimmung zwischen der Handschrift aus Wolfenbüttel und dem Brief von Sophia, was die Zeitangabe in die sancti Severi episcopi betrifft, fragt man sich, ob sich die geschichtliche Notiz in der Wolfenbütteler Handschrift der Kenntnis der Helftaer Klosterchronik verdankt. Dass der Schreiber Albertus in Helfta war, sagt er ja selber. Aus dem Kolophon (fol. 204 v ) erfahren wir, dass der Schreiber, Priester Albertus, Vikar der Erfurter Pfarrkirche St. Paul war und die vorliegende Handschrift 1370 vollendete. 540 Er hat demnach seine (schon aus zweiter Hand) stammende Abschrift mit dem Helftaer ‹Original› verglichen. 541 Traut man dem Schriftbild dieser Handschrift - es sind keine «nennenswerten Korrekturen von der Hand des Schreibers» 542 zu sehen -, so scheint er keine gravierenden Unterschiede zwischen den beiden Textzeugen gefunden zu haben. Die Wolfenbütteler Handschrift stellt das einzige vollständig erhaltene Exemplar des ›Liber‹ dar. Außerdem galt diese lange Zeit als eines der ältesten Textzeugen. Neuerdings hat man auf eine andere, um einige Jahre ältere Handschrift (erneut) aufmerksam gemacht. Sie gelangte 1835 nach Eisleben und befand sich 1887 in der Lehrerbibliothek des Königlichen Gymnasiums zu Eisleben, wo sie von H ermann G rössler aufgefunden und beschrieben wurde. 543 Heute ist sie im Besitz der Stiftung Luthergedenkstätten/ Luthers Geburtshaus Eisleben (Signatur: H 546). Textgeschichtlich ist diese Handschrift interessant, weil sie eine fünf Bücher umfassende Version des ›Liber‹ in zum Teil stark komprimierter Form präsentiert. 544 In unserem Zusammenhang ist die Eislebener Handschrift (im Folgenden: Eisl) von Interesse, weil sie wie die neulich aufgefundenen Exzerpthandschriften der ›Lux divinitatis‹ We1, We2, We3, Vä (vgl. S. 107f. oben mit Anmerkungen) aus Erfurt, genauer aus dem dortigen Kartäuserkloster, kommt und - das wurde bislang übersehen - die Kenntnis Mechthilds von Magdeburg bzw. der ›Lux divinitatis‹ erkennen lässt. Wie dem Schreibervermerk zu entnehmen ist, wurde die Handschrift Eisl sub anno domini m° ccc° lxi° in vigilia palmarum (fol. 73 v ) vollendet. Dass die Abschrift des ›Liber‹ 226 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 540 Vgl. Anno Domini m° ccc° lxx° sequenti die post festum sancti Luce ewangeliste Albertus sacerdos vicarius sacti Pauli Erfordensis libros istos conscripsit et finivit. Deo gracias, zitiert nach Z ieger (1974), S. 12, abgedruckt auch in Rev. Bd. II.1, S. VIII-IX. Leider bleibt Albertus eine quellenmäßig ungreifbare Persönlichkeit. In den gedruckten Erfurter Urkundenbüchern, die den infragestehenden Zeitraum abdecken, ließ sich keine Spur von ihm finden, vgl. B eyer (1889/ 1897). 541 Es ist Z ieger (1974), S. 80 wohl zuzustimmen, dass die Formulierung perscrutatus sum veram veritatem in diesem Sinne zu verstehen ist. Dies findet womöglich seine Bestätigung in der Rezeption des Wolfenbütteler Textes in einer Handschrift des 15. Jahrhunderts, die im Folgenden vorgestellt werden soll. 542 Z ieger ebd. 543 Vgl. G rössler (1887), S. 35-38. Auf die Handschrift wurde schon vor ihrer ‹Wiederentdeckung› im Rahmen der Zisterzienserausstellung in Eisleben von 1998 hingewiesen, s. W olf (1973), S. 220f. und R abenau (1985/ 86), S. 91f. Dessen ungeachtet ist die Eislebener Handschrift der Mechthild-Forschung unbekannt geblieben, vgl. die Handschriftenlisten bei Z ieger (1974) und M. S chmidt (1987). Ohne erkennbaren Grund wird die Handschrift bei K rämer (1989), T. 1, S. 343 als Besitz von Helfta ausgewiesen und der hier enthaltene Text Mechthild von Magdeburg zugeschrieben. 544 Vgl. H ubrath (1998), S. 169. Laut H ubrath (2002), S. 283 gehört die Eislebener Handschrift zur Handschriftengruppe B. im Erfurter Kartäuserkoster selbst erstellt wurde, 545 ist eine irrige Annahme, denn zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Kartause in Erfurt. Diese wurde nämlich erst 1372 gegründet. 546 Die Handschrift muss demnach erst zu einem späteren Zeitpunkt in die Bibliothek der Erfurter Kartäuser gelangt sein. Dass sie sich dort befand, kann dem Besitzervermerk Carthus prope Erfford (fol. 34 v oberer Blattrand) entnommen werden. 547 Die Handschrift Eisl wurde in Erfurt mit einem anderen Exemplar des ›Liber‹ verglichen, was ablesbar ist an manchen Randvermerken, die in der Handschrift verstreut vorkommen. 548 Derjenige, der den Vergleich durchgeführt hat, moniert den Exzerptcharakter der Handschrift und weist auf fehlende Kapitel hin, vgl. Hic deficiunt 2 vel 3 capitula satis pulcra et longa (fol. 67 v ) und In isto libro quinto valde abbreuiato multa capitula deficiunt et videtur esse quodammodo excerptum (fol. 68 r ). Diese Anmerkungen lassen darauf schließen, dass die Korrekturvorlage eine vollständigere Handschrift des ›Liber‹ war. Zudem befand sich diese im Besitz des Erfurter Benediktinerklosters, was einer Notiz zu entnehmen ist, die unmittelbar auf das oben zitierte Kolophon folgt und von einer anderen Hand des späten 15. Jahrhunderts stammt. 549 Die Schreibernotiz erweckt den Eindruck, als wäre das Korrekturexemplar der im Jahre 1370 vollendete, mit dem Helftaer ‹Original› verglichene und den ›Liber‹ einzig vollständig überliefernde Wolfenbütteler Kodex Cod. Guelf. 1003 Helmst. (im Folgenden: Wo) gewesen: Item sciendum quod nusquam habetur in hoc libro vbi gloriosum corpus huius gloriose et egregie virginis mechildis requiestat Tamen pro certo percepi requiscere in claustro monialium dicto helfede quod translatum est apud ciuitatem Yssleben que ciuitas est sub dominio comitum de mansueld Et hec ista virgo vixit circa annum domini m. cc. lxxx m Ita reperi in libro vno que intitulatur liber specialis gracie sancte mechtildis et accommodatus nobis fuit iste liber a prioribus ecclesie sancti petri huius ciuitatis et omnino concordauit cum libro isto sed tamen in nomine non [non steht über der Zeile] quod eadem [sic! ] liber habet mechtildis Varianz in Textbestand und Textfolge 227 545 So G rössler (1887), S. 38, H ubrath (1998), S. 169 und O efelein (2004), S. 134. 546 Zur Gründung des Klosters s. K urt (1989), S. 32-48 und O ergel 1906), S. 7-10. 547 Ob die Angabe P[rimu]m (? ) auf fol. 1 r oben rechts als Bibliothekssignatur aufzufassen ist, bleibt offen. Die im Bibliothekskatalog unter den Signaturen J 2 primo und J 5 primo verzeichneten Exemplare des Liber spiritualis gratie können jedenfalls nicht gemeint sein, vgl. L ehmann (1928), S. 431,4f.: Registrum [! ] in librum spiritualis gratie s. Mechildis virginis cum oracionibus devotis eiusdem libri und S. 432,5ff.: Revelaciones b. Mechildis virginis et appellantur Liber spiritualis gracie […] in quinque [! ] libros distinquitur. 548 Neben den textgeschichtlich interessanten Randvermerken, die sich der vergleichenden und korrigierenden Benutzung einer weiteren Handschrift des ›Liber‹ verdanken (s. dazu unten), finden sich in Eisl Glossen (meist Nota-Hinweise) von einer anderen Hand, die den Inhalt der referierten Textstellen kurz zusammenfassen. Eisl ist ein weiteres Zeugnis für die kartäusische ‹Textkritik›, die pflegliche Tradierung des festen Buchstabens, die P aul L ehmann in einem viel beachteten (und, laut C hristoph F asbender , oft missverstandenen) Aufsatz beschrieben hat, vgl. L ehmann (1926/ 1960), dazu F asbender (2000), S. 134f. Weitere Belege für dieses Phänomen (diesmal nicht aus dem kartäusischen Bereich) findet man in Kap. III.4. 549 G rössler (1887), S. 38 meint dagegen, sie wäre von einer «nicht viel spätere[n] Hand» als die Haupthand eingetragen worden. Et hic iste liber in titulo habet mechildis Item in predicto libro patrum benedictinensium habetur vnus specialis liber de extremis et obitu felicis huius sancte virginis mechtildis continens circa xx ti capitula Sed nos non habemus (fol. 73 v ). 550 Die Tatsache, dass Mechthild um 1280 Nonne in Helfta war und dass das Kloster nach Eisleben verlegt wurde, könnte der Schreiber Wo entnommen haben (s. Textabdruck S. 225 oben). Für Wo als Korrekturvorlage scheint auch die Beobachtung zu sprechen, dass der auf der gleichen Seite wie die zitierte Notiz stehende Nachtrag aus dem ›Liber‹ (es geht um Kap. V.32) bis auf einige, nicht allzu schwerwiegenden Varianten mit dem Wortlaut der Wolfenbütteler Handschrift identisch ist. 551 Hinzuweisen wäre zudem auf die Notiz des Schreibers, die besagt, das Exemplar der Benediktiner-Patres enthalte ein zusätzliches Buch über das Lebensende und den Tod Mechthilds, welches aus etwa 20 Kapitel bestehe und ‹unserer› Abschrift fehle. Angespielt wird hier auf das siebte Buch des ›Liber‹, 552 das aus 22 Kapiteln besteht und in Wo überliefert ist. Nicht unerwähnt will ich den Hinweis der Korrekturhand auf die divergierenden Schreibweisen des Namens Mechthild (mechildis/ mechtildis) lassen, die die ihm vorliegende Abschrift und das Korrekturexemplar aufwiesen. Es ist wieder Wo, die die abweichende Namensform Mechtildis bietet. Eisl dagegen liest konsequent Mechildis, so etwa im Lobpreis auf fol. 2 r (fehlt Wo) 553 bzw. im Zusatz pro eadem felice Mechilde zur Lektüreanleitung des Prologs Rogamus etiam omnes qui ipsum [librum] lecturi vel audituri sunt aliquam laudem Christo pro eadem foelice persona referent […] (fol. 3 r , vgl. Rev. Bd. II.1, Lib. Prol., S. 3). Auch im Titel des Buches gibt es eine signifikante und vom Notiz-Schreiber monierte Abweichung. So trägt das dem Notiz-Schreiber (fol. 73 v ) von den Erfurter Benediktinern geliehene Exemplar die Überschrift liber specialis gracie, während Eisl spiritualis schreibt. 554 Wieder einmal ist es die Handschrift Wo, die die beanstandete Variante aufweist, denn auch sie liest specialis (s. Textabdruck S. 225 oben). 228 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 550 Abbildung bei H ubrath (1998), S. 171. Die Transkription von G rössler (1887), S. 38 ist fehlerhaft. 551 Vgl. dominus jhesus Eisl] Dominus Wo - notatum Eisl] praenotatum Wo - ipsa itaque Eisl] ipsaque ista Wo - illud Eisl] istud Wo - omnem agnoscerem Eisl] agnoscerem omnem Wo - In infusione Eisl] Infusione Wo, vgl. Rev. Bd. II.1, S. 371-372 (Lib V.32) und die Abbildung von Eisl bei H ubrath (1998), S. 171. Die Abweichungen können vom Schreiber von Eisl herrühren. Sie können aber auch zu Lasten der Solesmenser Mönche gehen, denn nicht nur ihr Umgang mit den Handschriften der ›Lux divinitatis‹ zeugt davon, dass sie sich nicht an den Wortlaut ihrer Leithandschrift gehalten haben (s. dazu S enne 2002, S. 22f.), sondern auch beim ›Liber‹ haben sie nach Belieben konjiziert und emendiert, ohne dies im Einzelnen kenntlich zu machen, s. H ubrath (1999), S. 234, Anm. 5. 552 Das erste Kapitel trägt die Überschrift De extremis felicis sororis Mechtildis, gloriosae virginis sanctimonialis in Helfede (Rev. Bd. II.1, Lib. VII.1, S. 391). 553 O maiestas infinita o dulcedo inexhausta o bonitas etc. deus meus laudo et glorifico te jhesu bone sponse virginum elegantissime pro omnibus bonis quae ab initio mundi fecisti electis et preelectis tuis quibus tua spiritualia reuelare dignatus es sacrosancta misteria specialiter pro illa electa et preelecta columba sponsa filia et amica tua fidelissima mechilde quod eam a primeua etate sua traxisti ad te tanta gracia dulcedinis tue cui non poterat resistere. 554 Vgl. den auf dem Aufkleber der vorderen Außenseite der Handschrift in Minuskelschrift eingetragenen und teilweise erhaltenen Buchtitel Liber spiritualis gracie … Mechildis, eine Titelangabe, die auch in der Handschrift benutzt wird (so auf fol. 1 r oben, 2 r und 3 r ). Es gibt offenbar eine Reihe von Indizien, die dafür sprechen, dass die Handschrift, die den Erfurter Kartäusern von den Benediktinern von St. Peter und Paul zur Korrektur ausgeliehen wurde, mit der heute in Wolfenbüttel aufbewahrten Handschrift der Offenbarungen Mechthilds von Hackeborn identisch ist. Bedauerlicherweise lässt sich die Herkunft von Wo aus der Bibliothek des Benediktinerklosters durch entsprechende Provenienzvermerke in der Handschrift selbst nicht stützen, 555 denn diejenigen Teile des Kodex (Einband, Vorsatzblätter), die die entsprechenden Einträge hätten aufweisen können, sind heute nicht mehr vorhanden. 556 Der Grund dafür ist die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erfolgte Neubindung der Handschrift, die notwendig geworden zu sein scheint, nachdem die Handschrift offenbar jahrzehntelang ohne schützenden Einband herumlag. 557 Die Entfernung des Einbands dürfte das Werk von Matthias Flacius Illyricus gewesen sein (er verfuhr auf diese Weise mit vielen Büchern seiner Bibliothek, die sich auf diese Weise leichter transportieren ließen und keine verräterischen Spuren der Vorbesitzer mehr trugen). Flacius, von dem im weiteren Verlauf der Arbeit noch die Rede sein wird (vgl. S. 338f. weiter unten), muss den Band 1557 bereits besessen haben, denn im Handschriftenverzeichnis, das Marcus Wagner, Flacius Mitarbeiter, in diesem Jahr in Regensburg für die Erstellung der ›Magdeburger Centurien‹ anfertigte (Wien, ÖNB, Cod. 5580, fol. 28 r -33 v ), wird unser Codex auf fol. 28 v genannt. 558 Zu diesem Anlass dürfte einer der Zenturiatorensekretäre auch den Besitzvermerk fol. 1 r Matthias Flacius Illyricus eingetragen haben. Dieser ist nicht eigenhändig, sondern diente den Zenturiatoren als Nachweis, dass der Band von Flacius persönlich beigesteuert worden war und nach der Bearbeitung entsprechend an diesen zurückgegeben werden musste. Zusammenfassend ist festzuhalten: Zwar ist unbekannt, wann und wo Flacius die Handschrift erwarb, doch ist angesichts der oben genannten Übereinstimmungen zwischen dem Wolfenbütteler Kodex und dem Exemplar des ›Liber‹, das von den Erfurter Benediktinern an die Kartäuser von Salvatorberg zur Korrektur von Eisl ausgeliehen wurde, nicht auszuschließen, dass es sich bei Wo möglicherweise um den Besitz des Erfurter Petersklosters handelt. Wichtig ist mir an dieser Stelle nicht die überaus interessante Tatsache, dass die Kartäuser in Erfurt die in Eisl enthaltene Version des ›Liber‹ mit dem ‹originalnahen› Exemplar des dortigen Benediktinerklosters verglichen haben konnten, 559 sondern die daraus hervorgehende Mitteilung, die von den guten literarhistorischen Kenntnissen Varianz in Textbestand und Textfolge 229 555 Die Handschrift ist weder bei T heele (1920) noch in den ‹Nachträgen› von L ehmann (1925, 1926) verzeichnet. Zur Bibliothek des Erfurter Benediktinerklosters s. demnächst die Jenaer Dissertation von Matthias Eifler. 556 Bei den folgenden Ausführungen zur Provenienz von Wo rekurriere ich (z.T. wörtlich) auf eine schriftliche Mitteilung von Herrn Bertram Lesser (Wolfenbüttel). 557 Dies bestätigt der Helmstedter Handschriftenkatalog von 1644 (Wo war mit den übrigen Codices Flaciani 1597 von Herzog Heinrich Julius gekauft und 1618 in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt worden), worin es heißt (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, fol. 15 r , Gruppe Theologici in quarto): Vita S. Mechtildis, In Membrana. Ohne Band. Dem Katalogeintrag korrespondiert die Helmstedter Signatur auf fol. 1 r : T. 4 to 31. 558 Vgl. H eimpel (1982), Bd. 2, S. 984 und H artmann (2001), S. 64 und 89. 559 Zu den engen Beziehungen zwischen den beiden Klöstern s. B. F rank (1973), S. 118- 119, M ärker (2008), S. 540-544 und demnächst die Dissertation von Matthias Eifler (s. Anm. 555 oben). ihres Urhebers zeugt, versteht er doch zwischen verschiedenen Personen gleichen Namens aus dem Kloster Helfta zu unterscheiden: De hac sanctissima virgine et sorore eius abbatissa gertrude multa habentur in memoriali habundancie suauitatis divine sanctissime virginis trute videlicet in libro quinto eiusdem perlongum que in eodem monasterio fuit Ibidem eciam fuit mechtildis altera ab hac eciam virgine sanctissima sicut habetur videlicet in prologo reuelacionum eiusdem virginis (fol. 68 r ). Die beiden letzten Sätze lassen erkennen, dass dem Verfasser dieser literarhistorischen Bemerkung zwei Personen mit dem Namen Mechthild bekannt waren. Auch weiß er darum, dass beide revelationes hinterlassen haben. Mit mechtildis altera ist mit Sicherheit Mechthild von Magdeburg gemeint. Besondere Beachtung verdient die Schreibweise mechtildis gegenüber der in Eisl üblichen mechildis für Mechthild von Hackeborn. Auf eine solch präzise Unterscheidung der beiden Mechthilden treffen wir auch in dem in den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts vermutlich von Jakob Volradi angelegten Bibliothekskatalog. Verzeichnet werden in der für Offenbarungs- und Visionsliteratur reservierten Signaturengruppe J 560 eine vollständige Handschrift des ›Fließenden Lichts‹ (J 5 secundo ) und ein 27 Kapitel umfassendes Exzerpt der ›Lux divinitatis‹ (J 6). 561 Darüber hinaus - und das wurde bislang weitgehend übersehen - wird unter J 2 primo auf ein anderes Exemplar der ›Lux divinitatis‹ hingewiesen. 562 Im Zusammenhang der Handschrift J 6 wird vor Verwechslungen mit der gleichnamigen Visionärin Mechthild (von Hackeborn) gewarnt: et nota, quod diverse fuerunt persone Mechildis et Mechtildis, ut claret ex principiis et finibus librorum ambarum virginum, ubi invenitur diversitas vite earum et conscriptorum, sunt autem hee revelaciones hic abbreviate. 563 Der literarhistorisch versierte Volradi wusste demnach sehr wohl zwischen den beiden Mechthilden zu unterscheiden, 564 was sich auch in der von ihm verwendeten Schreibweise der beiden Namen wiederspiegelt. Verzeichnet er in seinem Katalog den ›Liber specialis gratiae‹, so schreibt er ihn konsequent sanctae bzw. beatae Mechildis zu, 565 230 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 560 Zu dieser Signaturengruppe s. M angei (2002), S. 312f. 561 Vgl. L ehmann (1928), S. 432,16-23 und 25-30. Der deutsche Text wird Lux divinitatis genannt und als revelaciones antique cuiusdam begine in vulgari sermone, que sancta fuit vorgestellt. Der lateinische Text wird unter dem Titel Revelaciones b. Mechtildis katalogisiert. Zur Unterscheidung der beiden Bücher wird auch deren werkinterne Titelangabe zitiert. Zum ›Fließenden Licht‹ heißt es: et dicitur liber Lux divinitatis influens in corda, que vivunt sine dolo falsitatis (vgl. FL Prooemium II, 10-11), der lateinische liber der Offenbarungen Mechthilds wird Lux divinitatis fluens semper in corda veritatis genannt, vgl. LD Prol. 7,9 (Rev. Bd. II.2, S. 445,7f.). 562 Vgl. L ehmann (1928), S. 431,5f.: Registrum in librum eiusdem [s. Mechildis (! ) virginis], qui dicitur Lux divinitatis. S. dazu die Ausführungen von weiter unten. 563 L ehmann (1928), S. 432,25-28. 564 Zur theologischen Bildung des Jakob Volradi und zum spirituellen Programm des von ihm in Zusammenarbeit mit einem unbekannten Mitbruder erstellten Bibliothekskatalogs s. K leineidam (1962), W assermann (1994), H onemann (2008a) und M ärker (2008). 565 Vgl. L ehmann (1928), S. 431,4f. und 432,5f. Auch im Falle von J 4 (L ehmann 1928, S. 431,35) wird es sich wohl um Textzeugen des ›Liber‹ handeln. die Namensform Mechtildis bleibt dagegen für die heute als Mechthild von Magdeburg bekannte Visionärin reserviert. 566 Es gibt nur einen einzigen Fall, der diese von Volradi beanspruchte Deutlichkeit an Zuweisung vermissen lässt. Das unter J 2 primo geführte Collectarium ex libris devotarum feminarum überliefert unter anderem (varia et multa ex libris sanctarum Brigitte, Mechildis, cuiusdam s. Margarete, Katharine de Senis et Hildegardis) ein Registrum in librum spiritualis gratie s. Mechildis virginis cum oracionibus devotis eiusdem libri. Während hier Buchtitel und Namensform eindeutig auf Mechthild von Hackeborn schließen lassen, steht man der unmittelbar darauf folgenden Inhaltsangabe irritiert gegenüber: Registrum in librum eiusdem [! ], qui dicitur Lux divinitatis. 567 Werden hier die beiden Mechthilden bereits verwechselt? 568 Mehr Deutlichkeit wünscht man sich auch, was die Beschaffenheit des hier genannten liber betrifft. Man wird mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen dürfen, dass Lux divinitatis die lateinische Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ meint, denn es gibt nichts, was darauf hindeutet, dass die im Collectorium versammelten Texte nicht lateinisch waren. 569 Anders als beim ›Liber‹, wo immerhin auch einige Gebete exzerpiert wurden, 570 beschränkt sich der Auszug aus der ›Lux divinitatis‹ auf das Register. Wie verwunderlich eine solche Exzerpierweise auch sein mag, von Bedeutung ist diese bislang weitgehend übersehene Angabe insofern, als sie bezeugt, dass außer einem 27 Kapitel umfassenden Exzerpt (Signatur J 6) auch ein vollständiges und offenbar nicht katalogisiertes Exemplar der ›Lux divinitatis‹ in der Kartause Erfurt vorhanden war, vorausgesetzt, die Exzerpthandschrift mit der Signatur J 2 primo ist in der Kartause selbst geschrieben worden. Dafür könnte eine Stelle bei Johannes Hagen, einem der führenden Theologen der Erfurter Kartause im 15. Jahrhundert, sprechen, auf die J oseph K lapper hinweist. 571 In seinem Schriftenverzeichnis vom Jahre 1465 vermerkt Johannes Hagen, er habe sich aus den Schriften der heiligen Frauen Hildegard (von Bingen), Elisabeth (von Schönau), Birgitte (von Schweden), Dorothea (von Montau), Katharina von Siena und S. Mechthildis abbatisse einiges, freilich nicht viel, abgeschrieben, sie aber größtenteils vollständig, Einzelnes wiederholt gelesen: Et de quibusdam aliis revelacionibus factis feminis extraxi quedam, non tamen multa, licet pro maiori parte integra legi et quedam sepius. 572 K lapper will die von Johannes Hagen genannte Äbtissin Mechthild Varianz in Textbestand und Textfolge 231 566 Mechtildis ist die in den Handschriften der deutschen und lateinischen Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ übliche Schreibweise für Mechthild, vgl. Kap. III.2. 567 L ehmann (1928), S. 431,5f. 568 P oor (2004), S. 178 schreibt, es könnte «one or both Mechthilds» gemeint sein. 569 Bei sämtlichen Inhaltsangaben fehlt die zur Bezeichnung von volkssprachlichen Texten übliche Formel in vulgari (vgl. etwa L ehmann 1928, S. 320,14) bzw. in vulgari sermone (vgl. etwa L ehmann 1928, S. 312,4, 325,36f. und 432,16f.). Die deutschsprachigen Texte aus dem Erfurter Katalog findet man nachgewiesen bei B auer (1996), S. 36, Anm. 35. 570 Ähnlich wurde auch bei anderen Texten in dieser Handschrift vorgegangen, vgl. Exerptum de libro b. Trute, scilicet oraciones devote et bone doctrine cum registro libri eiusdem. Exerptum de libro b. Katharine de Senis cum registro, vgl. L ehmann (1928), S. 431,6-8. 571 K lapper (1960/ 1961). Zu Johannes Hagen s. jetzt E ifler (2009). 572 Zitiert nach K lapper (1961), S. 126. Von einer Handschrift, die Excerpta Indaginis ex diversis libris et auctoribus enthielt, berichtet der Bibliothekskatalog (s. L ehmann 1928, S. 428,37ff.). Dieser Band weist bemerkenswerterweise jene mittelalterliche Signatur H 142 auf, die auf dem Signaturzettel der Trägerhandschrift des Mechthild-Exzerptes mit Mechthild von Magdeburg identifizieren und beruft sich dabei auf die an Mystica reichen Handschriften der Erfurter Kartause, so auch auf J 2 primo . 573 Ob diese Zuweisung zutrifft, ob also Johannes Hagen zwischen Visionärinnen mit dem Namen Mechthild unterscheiden konnte, muss freilich dahingestellt bleiben (wahrscheinlich ist es nicht, vgl. S. 394f. weiter unten, Nr. VIII). Entscheidend ist sein Zeugnis, welches belegt, dass ein exzerpierender Umgang mit den Schriften von und über heiligmäßige(n) Frauen in der Kartause in Erfurt üblich war. Daher kann J 2 primo sehr wohl in Erfurt entstanden und das hier enthaltene Exzerpt der ›Lux divinitatis‹ einem in Erfurt vorhandenen vollständigen Exemplar der lateinischen Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ entnommen worden sein. Für das Vorhandensein eines solchen Exemplars sprechen im Übrigen auch die bislang bekannt gewordenene Exzerpthandschriften der ›Lux divinitatis‹ We2, We3, Vä und eine Marginalie in Weimar, HAAB, Oct 64, fol. 77 v (s. dazu S. 107f. oben mit Anmerkungen). Das sich im Bibliothekskatalog dokumentierende Wissen um die Identität zweier gleichnamiger Visionärinnen wird man auch den Urhebern der literarhistorischen Bemerkung sowie der Schreibernotiz in Eisl unterstellen dürfen, nicht umsonst wird in der letzteren darauf hingewiesen, das Korrekturexemplar (Wo) würde in allem (omnino) mit dem vorliegenden Buch (cum libro isto) übereinstimmen, ausgenommen den Namen: sed tamen in nomine non quod eadem [sic! ] liber habet mechtildis. Der Verfasser dieser Notiz ist zu Recht verwirrt, denn Wo verwendet zur Bezeichnung der Verfasserin des ›Liber‹ die in Erfurt für Mechthild von Magdeburg reservierte Schreibweise Mechtildis. Die Nachtragshände in Eisl haben offenbar Volradis Warnung vor der Verwechslung der beiden visionären Frauen namens Mechthild gekannt und beherzigt, was auch nicht weiter verwundert, denn bei einer dieser Hände - von ihr stammt der oben zitierte Vermerk über die beiden Mechthilden - handelt es sich um einen jener Schreiber, die den Katalog im Laufe des späten 15. und des beginnenden 16. Jahrhunderts verschiedentlich ergänzt haben. 574 Ein einheitlicher Umgang mit den Schreibweisen mechildis für Mechthild von Hackeborn und mechtildis für Mechthild von Magdeburg konnte sich in Erfurt allerdings nicht durchsetzen. Davon zeugt nicht nur J 2 primo (s.o.), sondern auch das mit Sicherheit in der Erfurter Kartause entstandene Exzerpt Vä, das sich, wie gesagt, einer vergleichenden Benutzung des lateinischen und deutschen Textes verdankt. 575 232 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ aus Växjö (Vä) - auch diese enthält ein Werk des Johannes Hagen, und zwar den Traktat ›De gradibus humilitatis‹ (s. L ehmann 1928, S. 419,14-18) - durchgestrichen und mit H 103 ersetzt wurde, s. dazu N emes (2008b), S. 356. 573 Vgl. K lapper (1960), T. 1, S. 78f. und (1961), T. 2, S. 177. Die im eigenen Kloster aufbewahrten Werke der Frauenmystik waren nicht nur Johannes Hagen, sondern auch dem Erfurter Kartäuser Jakob von Paradies wohl vertraut. Besonders hinzuweisen ist auf ›De actionibus humanis et de mystica theologia‹, denn hier werden die visionär begnadeten Frauen und ihre Offenbarungen den Mönchen und professionellen Theologen als Vorbild empfohlen, vgl. A uer (1981), S. 33-52 und M ertens (1982), S. 43. 574 Zum Anteil dieses Schreibers am Katalog s. L ehmann (1928), S. 235 («andere Hand»). Auf seine Hand stößt man auch in dem 1480-90 entstandenen ersten Teil der Weimarer Handschrift Q 51 mit einer Reihe von Exzerpten aus der ›Lux divinitatis‹ (Sigle: We3). Erwartungsgemäss werden hier die Exzerpte konsequent sancte mechtildis zugeschrieben (die Identifizierung der Schreiberhand verdanke ich Matthias Eifler, Leipzig). 575 Textabdruck bei N emes (2008b), S. 358. Dem Urheber dieser kontaminierenden Überlieferung scheint die von Volradi vorgenommene Unterscheidung nicht bekannt gewesen zu sein. Denn er bezeichnet seine Quelle zwar als liber dictus lux divinitatis, doch schreibt er sie nicht mechtildis, sondern der beate mechilde zu. Auf dieselbe Inkonsequenz in der Schreibweise (hier sogar innerhalb einer Zeile) stößen wir auch in einer anderen, bislang unbeachteten Handschrift aus der Erfurter Kartause aus dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts: Weimar, HAAB, Oct 64, fol. 77 v (dazu S. 108, Anm. 48). Will man den Informationsgehalt der literarhistorischen Bemerkungen strapazieren, die sich in Eisl sowie im Standortregister des Erfurter Bibliothekskatalogs zu J 6 finden, so könnte man auch aus diesen Quellen (zusätzlich zu der oben besprochenen Angabe in J 2 primo ) auf die Existenz einer vollständigen Handschrift der ›Lux divinitatis‹ in der Kartause schließen. An beiden Stellen wird der Leser auf den Prolog der revelationes verwiesen, sofern er mehr über die Visionärin mechtildis erfahren möchte. Hier noch einmal die entsprechenden Zitate: Ab hac eciam virgine sanctissima sunt multa in prologo reuelacionum eiusdem virginis [mechtildis] (Eisl) bzw. ubi [principiis et finibus librorum ambarum virginum] invenitur diversitas vite earum et conscriptorum (Volradi zu J 6). Dass Volradi mit dem referierten liber unmöglich J 6 selbst meinen kann, geht aus dem unmittelbar folgenden Satz hervor: sunt autem hee revelaciones hic abbreviate. Volradi charakterisiert also den Mechthild-Text in J 6 als Auszug. Tatsächlich verrät er wenig später: et habet 27 capitula et ponitur in principio libri (J 6 ist eine geistliche Sammelhandschrift). Volradi empfiehlt dem Leser, der an bio-bibliographischen Informationen über Mechthild und über ihr Offenbarungsbuch interessiert ist, im Prolog desselben Werkes nachzuschlagen. Dies lässt auf das Vorhandensein bzw. die Kenntnis eines vollständigen Exemplars der ›Lux divinitatis‹ in Erfurter Kartäuserkreisen schließen, vorausgesetzt, prologus (Eisl) bzw. princeps libris (Volradi) meinen nicht den lateinischen Prolog am Anfang des ›Fließenden Lichts‹. Zwar ist noch unerforscht und daher unbekannt, woher die Erfurter Kartäuser ihre Handschriften bezogen, 576 jedoch ist der Dominikanerkonvent vor Ort als eine der möglichen Provenienzen nicht auszuschließen. Obwohl von der Bibliothek dieses Klosters wenig übrig blieb, 577 zeigen die Eckhart-Handschriften der Bibliotheca Amploniana, dass dominikanische Literatur in Erfurt selbst bezogen werden konnte. Varianz in Textbestand und Textfolge 233 576 Hier nur einige Hinweise: Text- und Handschriftenaustausch gab es nachweislich zwischen dem Nürnberger Dominikanerkloster und der Erfurter Kartause, vgl. W ilpert (1964). Ebenso in Nürnberg wurde die heute unvollständige Tauler-Handschrift Berlin, SBB-PK, Ms. germ. fol. 1257 durch Kauf erworben, s. M ayer (1999), S. 205f. und 32-34. Auch aus dem Elsass hat die Kartause Texte bezogen. Ich denke an die neulich von B urk hard H asebrink aufgefundene Eckhart-Predigt 52 in einer Handschrift der Berliner Staatsbibliothek (Ms. theol. lat. oct. 214) mit überwiegend lateinischen Texten, s. H asebrink (2007a) und (2008a). Die Schreibsprache der Predigt verweist ins Elsass. Hinzuweisen wäre auch auf die Handschrift der ›Vierundzwanzig Alten‹ Ottos von Passau aus der Schönbornschen Bibliothek in Pommersfelden (Cod. 2741/ 320), die nachweislich im Elsass entstanden ist und sich Anfang des 16. Jahrhunderts im Besitz der Erfurter Kartause befand (im Bibliothekskatalog nicht verzeichnet), vgl. W. S chmidt (1936), S. 78-81. Für Verbindungen zu anderen Klöstern, die auch durch Handschriftenaustausch dokumentiert sind, s. M ärker (2008), S. 332, 345 und 458f. 577 K rämer (1989), S. 214 verzeichnet lediglich zwei Handschriften als Besitz der Dominikaner in Erfurt. Denn mindestens zwei von den drei Handschriften des ›Opus tripartitum‹ dürften, so L oris S turlese , in Erfurt entstanden und dort von Amplonius Rating de Berka um 1400 erworben worden sein. 578 Ähnliches lässt sich für die ›Lux divinitatis‹ annehmen, da nicht nur die Dominikus-Vita des Dietrich von Apolda, sondern auch der Bibliothekseintrag zu J 6 und die neu aufgefundenen Exzerpthandschriften belegen, dass die ›Lux divinitatis‹ im mittelalterlichen Erfurt vorhanden war. 579 Es muss nicht gegen Erfurt als Entstehungsort der ›Lux divinitatis‹ sprechen, wenn sich beobachten lässt, dass die in der lateinischen Übersetzung gegen den deutschen Text in dogmatisch berichtigender Manier herausgestellte Gnadenabhängigkeit des Menschen, ja der Kreatur überhaupt (s. dazu Kap. II.2.3), geradezu das Kennzeichen auch des ›Liber specialis gratiae‹ ist. Im ›Liber‹ wird ganz in der Tradition der augustinischen Anthropologie die Differenz zwischen Urbild und Abbild betont. Dies hat zur Folge, dass Unio-Darstellungen stark auf die Vermitteltheit des Ereignisses abheben: So wird die Einheit der Seele mit Gott als Angleichung (vgl. Lib. I.1, Rev. Bd. II.1, S. 9), als Gnadenakt (vgl. Lib. II.35, Rev. Bd. II.1, S. 182) oder als Einklang des Willens beschrieben (vgl. Lib. I.24, Rev. Bd. II.1, S. 84f. und Lib. III.27, Rev. Bd. II.1, S. 231). 580 Wie peinlich genau auf die Wahrung des ontologischen Abstandes zwischen Gott und Kreatur geachtet wird, ist auch Lib. V.32 zu entnehmen, einem Kapitel, das von der erschaffenen Seele Christi handelt. Wohl wird hierin der privilegierte Status der Seele Christi hervorgehoben - im Augenblick ihrer Erschaffung gießt sich die Trinität in sie hinein und schenkt ihr all das, was ihr, der Trinität, gehört, d.h. die Appropriationen der einzelnen göttlichen Personen -, doch ist gleich im Anschluss aus dem Mund Christi auch folgender Satz zu vernehmen: ita ut anima mea haberet omnia per gratiam quae Divinitas habet per naturam (Rev. Bd. II.1, S. 371). Interessanterweise ist zu beobachten, dass dieses ontologische Trennungsprinzip auch auf die sprach- 234 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 578 Vgl. S turlese (1995), S. 438f. Hinter dem Eintrag [D] 18 Paradisus anime in vulgari cum quibusdam profundissimis et misticis sermonibus in vulgari. Hic iste libellus, qui intitulatur Paradisus anime, est de virtutibus moralibus et theologicalibus des Erfurter Bibliothekskatalogs steht wahrscheinlich doch keine ›Paradisus‹-Handschrift, wie von L öser (2005b), S. 74 angenommen, sondern eine deutsche Übersetzung von Ps.-Albertus Magnus, ›Paradisus animae‹, s. P almer (2009), S. 76 und B eck (2008), S. 120f. Zum pseudo-albertinischen Traktat s. S öller (1987). 579 Zu der im Bibliothekskatalog unter der Signatur J 5 secundo genannten Vollhandschrift des ›Fließenden Lichts‹ lässt sich Folgendes sagen: Sollte sie das deutsche Vergleichsexemplar für das in Vä exzerpierte Textstück aus der ›Lux divinitatis‹ abgegeben haben, so wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Textzeugen der schon immer vermissten (und kürzlich durch den Moskauer Fund überraschend bestätigten) mittel(nieder)deutschen Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ dargestellt, wohl aber eine ältere Textstufe geboten haben als *EC, die gemeinsame Vorlage der Einsiedler (E) und der Colmarer Handschrift (C). Sie allein überliefern das in Vä herangezogene deutsche Kapitel FL V.5, s. dazu N emes (2008b), S. 361f. 580 Zu den genannten Textstellen s. R uh (1993), S. 308-310. liche Form der Gestaltung auswirkt, dass die Organisation der literarischen Ebene von der Bedeutungsebene her geschieht. Dieses sprachlich gestaltete ontologische Trennungsprinzip manifestiert sich, wie S usanne K öbele zeigt, in einer durch Deutungen gebrochenen Bildlichkeit und einem in den Irrealis überführten Redegestus, der Distanz schafft. Dadurch wird auch sprachlich der Eindruck von Vermitteltheit evoziert, und dies vor allem im Zusammenhang von Unio-Darstellungen. 581 K öbele weist darauf hin, dass sich dieses dualistische Denk- und Darstellungsmodell auch in der ›Lux divinitatis‹ findet, wo es insofern augenfällig ist, als wir einen volkssprachlichen Text mit gegenläufigen Gestaltungsprinzipien als Kontrastfolie haben. 582 Die Nähe der lateinischen Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ zum ›Liber‹ sucht K öbele nicht literatursoziologisch zu erklären, so als stelle das dem ›Liber‹ und der ›Lux divinitatis‹ gemeinsame theologische Denk- und sprachliche Gestaltungsmodell ein Indiz für die gemeinsame Herkunft beider Texte dar. Vielmehr werden die Übereinstimmungen, die diese lateinischen Texte miteinander verbinden und sie von Teilen des ›Fließenden Lichts‹ abgrenzen, von dem je unterschiedlichen historischen Sprachstatus her erklärt. 583 Hinzuweisen wäre hier auch auf U rsula P eters , die den gleichen Weg einschlägt und die Opposition von Latein und Volkssprache als typenbestimmenden Faktor für die literarischen und strukturellen Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede verantwortlich macht, die das lateinische Schrifttum Helftas dem volkssprachlichen ›Fließenden Licht‹ gegenüber auszeichnen. 584 Ohne einer dichotomischen Gegenüberstellung von ‹beweglicher› Volkssprache und ‹fixierter› Sakralsprache das Wort zu reden, sehe auch ich den Grund für die augenfällige Zurückhaltung der Helftaer Schriften und der ›Lux divinitatis‹ gegenüber den Bildern einer spirituellen Sinnlichkeit in dem der Volkssprache gegenüber stärker dogmatisierten Charakter des Lateinischen, der wohl auch für die Konformität dieser Schriften mit der offiziellen kirchlichen Lehrmeinung in puncto Gnadenlehre verantwortlich ist. Reicht beim ›Liber‹ der Hinweis auf die Sprache, um seine besondere Orthodoxie zu erklären, 585 so muss bei der ›Lux divinitatis‹ außer dem sprachlichen Faktor auch die Abwehrhaltung gegenüber dogmatisch bedenklichen Aussagen mit berücksichtigt werden, die den Natur-Begriff betreffen und den ontologischen Abstand zwischen Gott und Mensch zu verwischen drohen (s. dazu Kap. II. 2.3). Die vom deutschen Text postulierte Ursprungs-Relation wird im lateinischen Varianz in Textbestand und Textfolge 235 581 S. dazu K öbele (1993), S. 107-122. 582 Vgl. K öbele ebd., S. 76-96. Allerdings gibt nur ein Teil des ›Fließenden Lichts‹ diese Kontrastfolie ab. Das heißt, das von K öbele herausgearbeitete Gestaltungsprinzip gilt nicht für den ganzen Text, vgl. S. 186, Anm. 359 mit Text. 583 Vgl. K öbele ebd., S. 112 und 121. Vgl. auch ebd., S. 44-51. 584 Vgl. P eters (1988a), S. 65f. 585 Mitkonstitutiv für die besondere «Katholizität» (K urt R uh ) des Helftaer Schrifttums dürfte außerdem seine Funktionsbestimmung gewesen sein: Identitätsstiftung nach innen und Repräsentation nach außen, s. dazu H ubrath (1996), S. 36-48. in eine Ähnlichkeits-Relation zurückgenommen, ganz im Sinne des augustinischen Teilhabe-Paradigmas. Damit liefert die lateinische Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ einen der ersten Belege für jene in späterer Zeit häufiger vorkommende Justierung eines religiösen Diskurses, der seine Vollkommenheitslehre auf Kosten der traditionellen augustinischen Anthropologie entwickelt und mit derselben oft in Konflikt gerät. Hinzuweisen wäre hier nicht nur auf die Kurskorrektur, die das ›Fließende Licht‹ in dem gegen Mitte des 14. Jahrhunderts entstandenen Gedicht ›Der Minne Spiegel‹ erfährt (s. S. 202, Anm. 427 mit Text), oder auf den apologetischen Nachtrag, mit dem Elsbeths Offenbarungen Ende des 14. Jahrhunderts versehen wurden (s. S. 206, Anm. 442 mit Text). Auch und vor allem wäre an die literarischen Reaktionen zu denken, die die auf der Grundlage des Postulats von der wesensmäßigen Ununterschiedenheit Gottes und der Seele vorgetragenen kühnen Einheits-Spekulationen Eckharts ausgelöst haben und in der Rezeption zugunsten des traditionellen Teilhabe- und Ähnlichkeits-Modells zurückgenommen worden sind. 586 Der hier nur angedeutete (volkssprachliche) religiöse Diskurs - ihm wäre das verketzerte Buch der französischen Begine Marguerite Porète, ›Miroir des simples âmes‹ genannt, zuzurechnen - rückt das ›Fließende Licht‹ und die Schriften, genauer die Predigten, Meister Eckharts, zusammen. 587 Es wäre naheliegend, auf diese Beobachtung eine Untersuchung folgen zu lassen, die die Kenntnis des ›Fließenden Lichts‹ seitens Eckhart in der Art und Weise durchdiskutiert, wie es etwa K urt R uh für Marguerite Porète getan hat. 588 Ob eine solche Untersuchung den erhofften Nachweis bringt, ist allerdings fraglich. 589 Doch auch ohne Eckharts Zeugnis scheint mir das im vorliegenden Kapitel Zusammengetragene genügend Indizien zu liefern, um den mit Kloster Helfta 236 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 586 Beispiele bei Z umkeller (1975), K öbele (2004), S. 129-132, (2007a) und (2009), H ase brink (2007a), S. 56 sowie S cheepsma (2008a), S. 31. Zu ähnlichen Tendenzen in der Rezeption anderer mystischer Werke s. O tto (2003), S. 148-161 bzw. 172-173 und B ur ger (2007), S. 105-109. 587 In seinem kurzen Aufriss nennt D avies (1991), S. 45-48 drei gemeinsame Themen, die Mechthild und Eckhart verbinden, unter anderem auch die Wesensverwandtschaft Gottes und des Menschen per naturam. Ergänzend dazu T obin (1994). Unergiebig ist der Aufsatz von W eiss (1995b). 588 Vgl. R uh (1989a), S. 95-108. Zu den Eckhart und Marguerite Porète gemeinsamen theologischen Lehrelementen s. auch die entsprechenden Beiträge in: M c G inn (1994) sowie H ollywood (1995). Zu der Annahme, dass Eckhart schon in Erfurt mit den oben genannten Themen einer in der Volkssprache artikulierten und (deshalb? ) am Rande der Heterodoxie bewegenden Vollkommenheitslehre konfrontiert gewesen sein könnte, s. K oda (1997), S. 251-253 und L öser (2008), S. 44 und 62. 589 Trotzdem wäre ein solcher Vergleich insofern lohnenswert, als Übereinstimmungen helfen könnten, den Traditionsbezug deutlicher aufzuzeigen und mögliche Quellen des ›Fließenden Lichts‹ zu erschließen. Zudem könnten sie dazu beitragen, eine «German vernacular tradition» (T obin 1994, S. 49) zu konturieren, an der beide, sowohl das ›Fließende Licht‹ als auch das deutsche Predigtwerk Eckharts partizipieren. Vgl. in diesem Zusammenhang auch S. 293f. weiter unten. in Verbindung stehenden Erfurter Dominikanerkonvent als Entstehungsort der lateinischen Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ in die Diskussion einzubringen. Auf dieser Grundlage möchte ich abschließend auf zwei mögliche Überlieferungswege hinweisen, durch welche der deutsche und lateinische Text in den deutschen Südwesten gelangt sein könnten. In jüngster Zeit mehren sich die Indizien, dass sich die literarischen Verbindungen zwischen dem ostmitteldeutschen und oberrheinischen Raum im 14. Jahrhundert nicht auf das ›Fließende Licht‹ beschränken. 590 Dass es sie gegeben hat, lange bevor Heinrich von Nördlingen den Text in Süddeutschland bekannt gemacht hat, ist einem der vier (lateinischen) Sendbriefe zu entnehmen, die vom bereits genannten Wichmann von Arnstein an religiös interessierte Frauen gerichtet wurden. Im vierten Brief wendet sich der devotus earum frater Wic[hmanus], prior Rupinensis, ordinis fratrum predicatorum, an domine udel[hildis], comitesse de oti[ngensis], necnon et filiabus suis, sanctimonialibus in zimbern. 591 Gemeint sind die Gräfin Adelheid von Oettingen (Adelheid von Hirschberg, gest. 1274) und ihre (geistlichen? ) Töchter im Zisterzienserinnenkloster Zimmern. 592 Der Brief datiert auf die 50er-60er Jahre des 13. Jahrhunderts. Auch die zweite Verbindung in den deutschen Südwesten - sie führt zeitlich näher an die Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ - wird interessanterweise durch Wichmann geschaffen. Ich meine jene Predigtstelle, wo sich Tauler auf Wichmann bezieht und aus dem zweiten Buch der ›Miracula‹ zitiert (s. S. 212ff. oben). Ein drittes Bindeglied, wieder einmal über Wichmann, konnte R egina D. S chiewer in der Handschrift Cgm 531 der Bayerischen Staatsbibliothek München ausfindig machen. Es handelt sich um die Übersetzung eines kurzen Textstückes aus dem ersten ›Miraculum‹, inseriert in eine der so genannten ›Hochalemannischen Predigten‹, eine Sammlung, die im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts entstanden ist und mit den Dominikanerinnen von St. Katharinental bei Dießenhofen in Verbindung gebracht wird. 593 Einen weiteren, nicht-literarischen Beleg für Verbindungen zwischen dem süd- und ostmitteldeutschen Raum liefert das nur in Bruchstücken erhaltene Protokoll eines Provinzialkapitels der Dominikaner, das ins letzte Viertel des 13. Jahrhunderts datiert wird und wohl in Norddeutschland verfasst wurde. Unter den Gönnern, die der Orden in seine Fürbitten einschließt, werden hier außer den Herren von Barby, Lindow und Arnstein mit ihren Frauen, ducissa Varianz in Textbestand und Textfolge 237 590 Ein Resümmee über den älteren Forschungs- und Erkenntnisstand findet man bei M. S chmidt (1986) und (1993). 591 Zitiert nach B ünger (1926), S. 26,23-27,2. Die Übersetzung des Briefes findet man bei O ehl (1931), S. 208-210. 592 S. dazu zuletzt P almer (2005), S. 255-258. 593 Vgl. R. D. S chiewer (2002). Zu den ›Hochalemannischen Predigten‹ s. H.-J. S chiewer (2000) und (2004). Ergänzend dazu N emes (2009b), S. 176-182. Bavariae et comitissa de Hertisberch, comite de Otingen genannt. Dazu vermerkt E ugenie L echeler : «Diese enge Zusammenstellung der beiden sächsischen und bayerischen Familien [die von Arnstein und von Oettingen] in einem Protokoll, das sonst kaum süddeutsche Namen nennt, ist wohl kaum zufällig. Offensichtlich sind beide Familien, Wichmanns Verwandte und die der Adressaten seiner Briefe zur selben Zeit für den Orden so wichtig gewesen, daß sie beide nebeneinander wegen ihrer Verdienste ins Gebet eingeschlossen werden sollten.» 594 Diese Nachricht erklärt, warum sich Wichmann, selbst Angehöriger und Förderer des Dominikanerordens und bekanntlich derjenige, der die Predigerbrüder 1224 nach Magdeburg geholt hat, brieflich an eine Angehörige der dem Orden wohl gesonnenen Familie derer von Oettingen wendet und sie in geistlicher Lebensführung berät. Es stellt sich die Frage, ob es ähnliche überregionale Kontakte auch zwischen Helfta und Zimmern gab. D agmar G ottschall hält dies für möglich. 595 Zur Begründung weist sie darauf hin, dass Zimmern als Zisterzienserinnenkonvent ein Schwesterkloster zu Helfta war. G ottschall vermutet, die Vermittlung des ›Fließenden Lichts‹ könnte über diesen Konvent gelaufen sein, war er doch in das Netzwerk der Klöster eingebunden, mit denen Heinrich von Nördlingen in Kontakt stand. 596 Auch weist G ottschall darauf hin, dass Zimmern der Zisterze Kaisheim unterstellt war, einem Konvent, in dem das ›Fließende Licht‹, genauer seine lateinische Übersetzung, bekannt war 597 und dessen Abt, Ulrich III. Niblung, in freundschaftlicher Beziehung zu Heinrich stand. Für G ottschall s Vermutung könnte auch das 47. Kapitel des höchstwahrscheinlich in Helfta entstandenen siebten Buches des ›Fließenden Lichts‹ sprechen, insofern man die hier angeprangerte súnde einiger cristanen lúten, die vorgeben, so heilig zu sein, das si sich in die ewigen gotheit wellent ziehen und legen bi der ewigen menscheit únsers herren Jhesu Christi (FL VII.47: 620,11f. [VII.47,8-10]), auf die Häresie im schwäbischen Ries bezieht. 598 Doch ist dieser Bezug nicht eindeutig. Sicher ist nur, dass die Kritik einer Ketzerei gilt, welche die Bedeutung Christi relativiert. 599 238 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 594 L echeler (1996/ 1997), S. 44. Die Grafen von Oettingen und von Hirschberg sind als Gönner der Dominikaner im fränkischen Raum bekannt, s. dazu ebd., S. 44, Anm. 101. 595 Zu den folgenden Ausführungen s. G ottschall (2007), S. 149f. 596 In einem Brief von 1335 an Margareta Ebner berichtet Heinrich von dem über einen Zeitraum von achtzehn Jahren erlebten Minneleiden der Ellin von Crewelsheim, Nonne in Zimmern, vgl. S trauch (1882), S. 196,63-78 (Brief XVI), dazu P almer (2005), S. 245f. 597 In einem Brief von 1346 liest man folgende Bitte Heinrichs an Margareta: send mir auch Lucem divinitatis das buch, sei es euch worden von Keiszheim und habent irs genugt, S trauch (1882), S. 248f.,52-54 (Brief XLIV). P almer (2005), S. 255 nennt gute Gründe, dass die Werkbezeichnung Lux divinitatis wohl nicht den deutschen, sondern den lateinischen Text meint. Ähnlich bereits M uschg (1935), S. 300. 598 In diesem Sinn E rnst (2000), S. 387f. 599 Vgl. N eumann (1993), S. 160, Anm. zu VII.47,18: «Der Schlußsatz des Kapitels richtet sich deutlich gegen die Vorstellung von homines perfecti, als welche sich die Mitglieder ketzerischer Sekten, e t w a der im Nördlinger Ries, verstanden» (Sperrung von mir). Es erscheint mir wenig wahrscheinlich, dass die Vermittlung des ›Fließenden Lichts‹ in den Süden über die Achse Helfta-Zimmern bzw. Kaisheim verlief. Denn es findet sich weder im deutschen noch im lateinischen Überlieferungszweig des ›Fließenden Lichts‹ einen Hinweis, der auf zisterziensische Provenienz hindeuten würde, wohl aber auf dominikanische (dazu weiter unten). Sollte Helfta literarische Kontakte zu Zimmern bzw. Kaisheim gepflegt haben, so wäre zu erwarten, dass auch die hauseigene Revelationsliteratur über diese Kontakte den Weg nach Süden gefunden hat. Das scheint jedoch nicht der Fall zu sein. 600 Am ehesten könnte die Verbreitung der Schriften von bzw. über Wichmann von Arnstein über Zimmern bzw. die Grafen von Oettingen gelaufen sein, dies allerdings nur, wenn der Brief Wichmanns an die Gräfin Adelheid nicht allein der Angehörigen einer wichtigen Gönnerfamilie des Dominikanerordens (s.o.), sondern auch dem Mitglied eines mit den Arnsteinern befreundeten Grafengeschlechts gegolten hat. In diesem Fall wäre zu erwägen, ob die dem Zisterzienser- und Dominikanerorden gleichermaßen nahe stehenden Oettinger Grafen für die Kenntnis der ›Miracula‹ in Dominikanerkreisen des deutschen Südwestens gesorgt haben. Davon findet sich in der Überlieferung allerdings keine Spur. Wohl haben die ›Miracula‹ früh den Weg in den Süden gefunden - die ›Hochalemannischen Predigten‹, in die der Auszug aus dem ersten ›Miraculum‹ aufgenommen wurde, datieren ja ins erste Viertel des 14. Jahrhunderts -, doch deutet nichts darauf hin, dass die Grafen von Oettingen bei deren Vermittlung eine Rolle gespielt hätten. Eher denkt man an ordensinterne Vermittlungswege. Auch das ›Fließende Licht‹ wird wohl auf dominikanischer und nicht auf zisterziensischer Schiene in den oberrheinischen Raum gelangt sein. 601 Das überhaupt erste handschriftliche Zeugnis der alemannischen Übertragung des ›Fließenden Lichts‹ (es wird von S chneider 2009, Bd. 2, S. 150 auf die Zeit kurz nach der Mitte des 14. Jahrhunderts datiert) tritt uns in einem textlichen Umfeld entgegen, das «markedly Dominican in character» 602 ist. Dominikanisch geprägt ist nicht nur der Inhalt des Einsiedler Cod. 277, sondern auch der seiner Schwesterhandschrift, des Cod. Einsiedl. 278. 603 Besonders interessant ist die Parallelüberlieferung jener Texte, die in Cod. 277 auf das ›Fließende Licht‹ folgen. Wie es den von W ebster verwendeten Siglen zu entnehmen Varianz in Textbestand und Textfolge 239 600 Zur Überlieferung des ›Liber‹ s. die punktuellen Hinweise bei Z ieger (1974), S. 79-88 und 292-296. Z ieger fokussiert auf die volkssprachliche (vor allem die niederländische und oberdeutsche) Rezeption des ›Liber‹. Zum ›Legatus‹ bzw. seiner oberdeutschen Rezeption s. Leg. (SC, Bd. 139), S. 58-64 und W ieland (1973). Ergänzend zu den von W ieland verzeichneten Handschriften kommt der Auszug in Ms. 26, fol. 84 vb -85 vb der Leopold-Sophien-Bibliothek in Überlingen hinzu, vgl. H eitzmann (2002), S. 66 (Text von H eitzmann nicht identifiziert). 601 Ähnlich P almer (2005), S. 254. 602 W ebster (2005), S. 63. 603 Eine Aufschlüsselung des Inhalts beider Handschriften findet man bei M. S chmidt (1969), S. 55*-61* (Cod. 278) und W ebster (2005), S. 343-418 (Cod. 277). ist, handelt es sich ausnahmslos um ‹Eckhart-Handschriften›. Drei von ihnen stimmen sogar über längere Textpartien mit dem Einsiedler Cod. 277 überein, denn sie überliefern mehr als die Hälfte der von W ebster verzeichneten Titel: Basel, UB, Cod. B XI 10 (alemannisch, 2. Hälfte 14. des Jahrhunderts, Kartause Basel, Sigle: Ba1), Nürnberg, StB, Cent. IV.40 (bairisch, 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts, St. Katharina Nürnberg, Sigle: N1) und Straßburg, BNU, Cod. germ. 2715, olim: L germ. 618 (bairisch, 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts, Klosterneuburg, Sigle: Str2). 604 Bemerkenswerterweise sind es nicht selten die gleichen ‹Eckhart-Handschriften› Ba1, N1 und Str3, die eine Parallelüberlieferung zu den Texten bieten, die in die Schwesterhandschrift 278 Eingang gefunden haben, vgl. 2 VL 2 (1980), Sp. 801 zu Cod. 278, fol. 219 v -222 v (Johannes Franke OP), 2 VL 2 (1980), Sp. 1165 zu Cod. 278, fol. 345 r -346 v (›Die geistliche Jagd‹), 2 VL 3 (1981), Sp. 46 zu Cod. 278, fol. 198 v -201 v (Giselher von Slatheim OP), 2 VL 3 (1981), Sp. 525 zu Cod. 278, fol. 295 r -299 v (Hartmann von Kronenberg OP), 2 VL 3 (1981), Sp. 718 zu Cod. 278, fol. 181 v -194 r (Heinrich von Ekkewint OP), 2 VL 6 (1987), Sp. 430 zu Cod. 278, fol. 347 r -382 r (›Die geistliche Spur‹) und 2 VL 6 (1987), Sp. 1158 zu Cod. 278, fol. 323 v (Nikolaus von Straßburg OP? ). Um Aufschluss über die Vorgeschichte der in den Einsiedler Schwesterhandschriften versammelten Texte zu gewähren, wäre eine ähnliche Untersuchung notwendig, die K urt R uh schon 1972 für N1 (s.o.) gefordert hat: «Um die Vorlagen näher zu fassen, gälte es den Textbestand in Redaktion und Reihung mit der gesamten Parallelüberlieferung zu vergleichen.» 605 Die auffällige Konzentration von volkssprachlicher dominikanischer Literatur in den beiden Einsiedler Handschriften findet ihre Erklärung in der Person der Vorbesitzerin, einer dem Dominikanerorden eng verbundenen Basler deo devota, Margareta zum Goldenen Ring. 606 Deshalb geht man in der Annahme wohl nicht fehl, wenn man in den Basler Dominikanern die Zusteller von Vorlagen vermutet. 607 Und vielleicht sind auch die Schreiber von Cod. 277 und 278 daselbst zu suchen, 608 in einem Konvent wohlgemerkt, der über volkssprachliche Handschriften verfügt haben muss. So wäre die Provenienz der oben genannten Eckhart-Handschrift Ba1 aus der Bibliothek des Basler Dominikanerklosters zu überdenken, zumal die Schreibsprache auf das südwestliche Oberrheingebiet hindeutet. 609 V olker H onemann erwägt, ob diese Hand- 240 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 604 Zur Datierung und Lokalisierung von Str2 s. S cheepsma (2007), S. 264. 605 In: J ostes (1895/ 1972), S. 205. Zu N1 s. neulich S teer (2002), S. 263f. Die von R uh angeregte text- und überlieferungsgeschichtliche Untersuchung zur Mitüberlieferung des ›Fließenden Lichts‹ klammert W ebster (2005), S. 340 bewusst aus. 606 Zur Person Margaretas s. M. S chmidt (1969), S. 62 * -65 * und W ebster (2005), S. 42-47. 607 So M. S chmidt (1969), S. 65 * . Unzutreffend ist die Annahme von J anota (2004), S. 126f. und 142, Heinrich von Nördlingen habe Margareta zum Goldenen Ring «die (heute Einsiedeler) Handschrift des ‹Fließenden Lichts der Gottheit› Mechthilds von Magdeburg» vermittelt. 608 Anders W ebster (2005), S. 79 und 109: Sie will (mit wenig überzeugenden Argumenten) die Entstehung der Schwesterhandschriften, die mit Sicherheit in einer Werkstatt oder einem Skriptorium zusammengestellt wurden, im Basler Dominikanerinnenkonvent Klingental verorten. 609 Vgl. S cheepsma (2007), S. 261. schrift, die die alte Signatur E xxvi der Laienbibliothek der Basler Kartause trägt, einen Beitrag der Dominikaner zur «Gründungsausstattung» der Kartause darstellt. 610 Die dominikanische Provenienz ist umso denkbarer, als es sich um eine Handschrift handelt, die eine Reihe von Texten mit Cod. Einsiedl. 277 gemeinsam überliefert. 611 Die Herkunft aus dem örtlichen Dominikanerkloster wäre zudem für die Handschrift von Rudolfs von Biberach ›De septem itineribus aeternitatis‹ (Basel, UB, Cod. B IX 25) 612 sowie für Teile von Basel, UB, Cod. B IX 15 zu erwägen. Dies gilt vor allem für jenen Teil von B IX 15, der die alemannische Übersetzung der ›Vitas patrum‹ enthält, denn überwiegend in derselben Reihenfolge sind die aus dem Leben der Altväter genommenen Exempla in Basel, UB, Cod. A V 41 (ca. 1370) überliefert. Diese letztere Handschrift stammt nachweislich aus dem Basler Konvent der Dominikaner. 613 Die gleiche Provenienz erwägt G ustav B inz für die folgenden beiden lateinischen Handschriften mit eingestreuten deutschen Texten: Cod. A V 33 (v.J. 1417) und A X 130 (v J. 1440). 614 Aus dem Besitz des Basler Dominikaners Stephan Irmi (1432-1488) stammt desweiteren die Handschrift Cod. A IX 2 mit lateinischen und deutschen Texten vorwiegend geistlichen Inhalts. 615 Aus dem Basler Predigerkonvent kommt auch Zürich, ZB, C 76 (hochalemannisch, letztes Viertel des 14. Jahrhunderts). 616 Hinzuweisen wäre in diesem Zusammenhang auch auf die Buchgeschenke von Basler Dominikanern an den Dominikanerinnenkonvent St. Katharina in St. Gallen vom Ende des 15. Jahrhunderts. 617 Dass das ›Fließende Licht‹ in der Bibliothek des Dominikanerkonvents vorhanden gewesen sein muss, kann den Marginalien von Rb, einer aus dem Besitz des Basler Predigerklosters stammenden und sicherlich auf dominikanischer Schiene verbreiteten Handschrift der ›Lux divinitatis‹, entnommen werden. 618 Varianz in Textbestand und Textfolge 241 610 H onemann (1982), S. 147. Vgl. dazu den Hinweis von S exauer (1978), S. 47, jede Kartäuserbibliothek sei «zunächst ein Spiegelbild der Leseinteressen der örtlichen Umgebung […] nicht der Mönche.» 611 Die dominikanische Provenienz wird im Übrigen auch für die Ba1 und E1 (= Cod. Einsiedl. 277) vom Textbestand her verwandte Eckhart-Handschrift N1 (s.o.) vermutet, s. S teer (2002), S. 263. 612 Vgl. M. S chmidt (1969), S. 172*, Anm. 1. 613 Vgl. W illiams (1996), S. 127*. 614 B inz (1907), S. 43-54 und 206-233. 615 Vgl. http: / / www.handschriftencensus.de/ 12728 (K laus K lein / J ürgen W olf , April 2009). 616 Vgl. S eidel (2003b), S. 111-117. 617 S. dazu demnächst M engis (2010). 618 Für eine längere Tradition der lateinischen Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ im Rahmen des Dominikanerordens spricht eine Reihe von Annotationen zu Textstellen mit dominikanischem Bezug (s. S. 220 oben). Dass sich Rb, die einzige vollständige Handschrift der ›Lux divinitatis‹, Ende des 15. Jahrhunderts in der Basler Kartause befand, wie von B ecker (1951), S. 4 behauptet, ist ungewiss. Wohl diente Rb unmittelbar als Vorlage für eine dort entstandene Abschrift (Ra), doch gibt es keine Indizien, die darauf hindeuten würden, dass die Handschrift im Besitz der Kartäuser war. B ecker verweist auf das Inhaltsverzeichnis, das er dem Prior und Bibliothekar der Basler Kartause, Jakob Louber zuschreibt. Davon ist bei M eyer / B urckhardt (1966), S. 182 keine Rede. Unter Berufung auf P. S chmidt (1919), S. 227, Nr. 338 weisen sie die Handschrift dem Predigerkloster zu Eine Reihe von Randnachträgen zeugen davon, dass Rb mit dem ›Fließenden Licht‹ verglichen wurde, wobei der deutsche Text in einer Handschrift vorgelegen haben muss, die eine andere, stellenweise bessere Abschrift des ›Fließenden Lichts‹ geboten hat als das aus dem Besitz der Margareta zum Goldenen Ring überlieferte Exemplar. 619 Mit dem Dominikanerorden ist auch die Colmarer Handschrift des ›Fließenden Lichts‹ (C) in Verbindung zu bringen. Wegen des dominikanischen Interesses, das sich in diesem Auszug dokumentiert, glaubte P aul -G erhard V ölker , C als «pro-domo-Überlieferung eines Dominikanerklosters» 620 bezeichnen zu können. S ara S. P oor war gar der Ansicht, «we have here a vernacular codex aimed at an audience of friars who need help less with their sermons than with their inner lives in the face of their conversations in the world (with beguines and the laity).» 621 Tatsächlich wurden die Mechthild-Exzerpte in C nie von einem Dominikaner gelesen, denn die Handschrift kommt aus dem Besitz des Colmarer Bürgers Hans Schedelin, der sich Mitte des 15. Jahrhunderts eine sechs Bände umfassende Privatbibliothek geistlicher Literatur angelegt hatte, indem er Texte entweder eigenhändig abschrieb bzw. abschreiben ließ oder ganze Bände käuflich erwarb. Die Vorlagen zu seinen Abschriften werden ihm die Dominikaner zur Verfügung gestellt haben. Dafür spricht der Charakter der Sammlung, die Parallelüberlieferung einer Reihe von Texten und nicht zuletzt die Tatsache, dass nicht nur Hans Schedelin, sondern die Schedelins überhaupt enge Beziehungen zum städtischen Dominikanerkloster pflegten. 622 242 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ und komplettieren den Besitzereintrag auf Bl 1 r wie folgt: iste l(iber est fratrum ordinis predicato)rum domus basiliensis. 619 Vgl. N eumann (1993), S. 97, Anm. zu V.23,117f., ebd., S. 112, Anm. zu VI.2,33 und ebd., S. 118, Anm. zu VI.10,1f. Auf eine bessere Vorlage deutet vielleicht auch die Glosse gratis zu LD IV.6,8 (Rev. Bd. II.2, S. 544,18, fehlt LG IV.5,10f.) hin. Die deutsche Überlieferung (E, C, B) bietet an der gleichen Stelle vergeben (statt vergebens), s. N eumann (1990), S. 65, App. zu II.25,78 (entspricht 130,29 bei V ollmann- P rofe ). Hinzuweisen wäre auch auf die Marginalie quo multi illuminentur zu LD IV.33,9f. (Rev. Bd. II.2, S. 566,8f.) lucebit procul dubio ibi lux a longe contemplantis ueritatis (LG IV.31,13f.: so wúrt on zwyfel luchten das liecht der von fern anschowender warheit): Es fehlt an einer Entsprechung zu E, vgl. FL III.24: 220,28 (III.24,11f.): so wirt da ein sch o n lieht, da man verre von gesiht. In Ra fol. 180 v steht die Rb-Marginalie bereits im Text. Ein vergleichbarer Fall findet sich in LD IV.48,20 (Rev. Bd. II.2, S. 577,9): Eine Entsprechung für testitudine fehlt in LG IV.40,80f. und FL II.19: 108,8f. (II.19,67). Die Rb-Marginalie ist in Ra fol. 183 v dagegen enthalten. Auf eine in E ausgefallene Randglosse lässt die Marginalie Nota de triplici celo zu LD IV.48,4 (Rev. Bd. II.2, S. 576,23) schließen: Sie findet sich auch in W (S chleussner 1929, S. 175,10), und zwar als Zwischenüberschrift de triplici celo (zu FL II.19: 106,22 [II.19,48]). Dass wir es hier in der Tat mit einer auf dem Weg zu E ausgefallenen Glosse zu tun haben, bekräftigt der Rückverweis ii libro xix e, der sich in E etwa in der Höhe von FL II.24: 122,28f. (II.24,48f.) findet und sich auf die genannte Stelle in FL II.19 bezieht. Allerdings wird die Verbindung über das Stichwort túfel hergestellt (der erste Himmel gehört laut FL II.19: 106,22 dem Teufel). 620 V ölker (1967), S. 32. Ähnlich N eumann (1993), S. 235. 621 P oor (2004), S. 130. 622 S. dazu im Einzelnen N emes (2009b). Anders als in Basel (s.o.) treten die Dominikaner in Colmar - so das Zeugnis der aus ihrer Bibliothek überlieferten Handschriften - als Rezipienten volkssprachlicher geistlicher Literatur nicht in Erscheinung. Dieselbe Beobachtung macht man im Übrigen auch in Nürnberg. W erner W illiams -K rapp vermutet, die Dominikaner hätten volkssprachliche Literatur für nicht bibliothekswürdig erachtet. 623 Nichtsdestoweniger lassen sich zumindest für Colmar und Nürnberg gewichtige Indizien dafür nennen, dass die dortigen Konvente der Dominikaner an der Beschaffung und Vermittlung von deutschsprachiger religiöser Literatur beteiligt waren, oblag doch ihnen außer der cura der Frauenklöster des eigenen Ordens (genauer des Dominikanerinnenkonventes St. Katharina) die geistliche Betreuung der städtischen Laien. 624 Die Handschriften der Margareta zum Goldenen Ring sprechen dafür, dass wir es auch in Basel mit einer ähnlichen Konstellation zu tun haben. Deshalb erscheint es mir irreführend, wenn H elen W ebster die in der Einsiedler Handschrift 277 versammelten Texte als «Gottesfreundeliteratur» 625 liest, und dies obwohl sie selbst mit Nachdruck darauf hinweist, die Handschriften der Margareta seien «markedly Dominican in character» (s.o.). Beim Urteil über die Einsiedler Handschrift 277 als ‹gottesfreundlich› scheint der Umstand eine wichtige Rolle gespielt zu haben, dass die Handschrift aus dem Besitz einer Devoten aus dem unmittelbaren Umfeld Heinrichs von Nördlingen kommt 626 und einen Text überliefert, der auf die Veranlassung Heinrichs im Netzwerk der mit ihm befreundeten Klöster und Personen gelesen und verbreitet wurde: das ›Fließende Licht‹. Doch genau bei diesem Text wäre zu fragen, ob er nicht eher mit den Dominikanern als mit einer wie auch immer gearteten ‹Gottesfreundeliteratur› zu tun hat. Dass das ›Fließende Licht‹ schon früh in einem dominikanischen Umfeld rezipiert wurde, erkennt man am Index rerum. In diesem ‹Verzeichnis der behandelten Dinge› werden unter der Rubrik De prerogativa quorundam sanctorum zwei Kapitel indiziert, die von Dominikus handeln (FL IV.20 und 22). Außerdem wird auf FL IV.27 hingewiesen und vermerkt, das Kapitel handle de predicatoribus in fine mundi tempore Antichristi (im Text selbst ist von den nach dominikanischem Vorbild gezeichneten ‹Jüngsten Brüdern› die Rede). Bereits dieser Vermerk zeugt von einem dominikanisch geprägten Blick auf das Textcorpus, genauer auf die Einheit der Bücher I-V. 627 Deutlicher tritt die Varianz in Textbestand und Textfolge 243 623 Vgl. W illiams -K rapp (2004), S. 322. Zur Absenz deutschsprachiger Handschriften in klösterlichen Bibliothekskatalogen s. B auer (1996), S. 33-36. 624 Zu den (literarischen) Verflechtungen des Nürnberger Dominikanerkonvents mit der Laienwelt und den lokalen Frauenklöstern (nicht nur des eigenen Ordens) s. W illiams - K rapp (2004) und B rakmann (2005), S. 330-338. Zu Colmar s. N emes (2009b). 625 So W ebster (2005), S. 110 und 312. 626 Eine detaillierte Liste von Namen und Orten, die in Heinrichs Briefen genannt werden, findet man bei S chultz (1976) und J anota (2007). 627 Das betont auch L eppin (2007), S. 544f. Freilich geht L eppin von der Einheit des Prologs und des nachfolgenden Index rerum aus. Dies ist jedoch keineswegs zwingend, vgl. S. 143ff. oben. Vereinnahmung des b v ches durch den Dominikanerorden im lateinischen Prolog hervor, worin die von Gott inspirierte begina als eine dem Dominikanerorden besonders nahe stehende Person vorgestellt wird (servivit sequens perfecte vestigia fratrum ordinis predicatorum), wobei die Verschriftlichung der göttlichen Offenbarungen an einen Predigerbruder delegiert wird (liber iste … per gratiam a domino inspiratus … conscriptus autem a quodam fratre predicti ordinis). Manche Überschriften fokussieren auf Dominikaner, und dies obwohl ein solcher Bezug aus dem Inhalt des Kapitels nicht ableitbar ist: 628 Während im Falle von FL II.16 (Von siben gaben eins br v ders), 629 VI.15 (… von den jungesten prediern …) und VII.41 (Wie ein predierbr v der wart gesehen) offen bleiben muss, wann es zu diesen prodominikanischen Eingriffen kam, kann die Sekundärvariante predieren in E zu FL VI.21 (im Text wie in den Registern von E und C liest man br v der) darauf verweisen, «daß E oder eine Vorstufe in einem Predigerkloster geschrieben worden ist.» 630 Der Steigerung des dominikanischen Elements im ›Fließenden Licht‹ dient auch der Randvermerk Frater ordinis. Dieser bezieht sich auf FL IV.6 und FL VI.14. 631 An beiden Stellen ist im Text selbst nur von einem menschen die Rede. Es scheint demnach eine gewisse Kontinuität gegeben zu haben, was die Trägerschaft der Mechthild-Überlieferung anbelangt. Sie rekrutiert offenbar von allem Anfang an aus den Reihen der Dominikaner. Zieht man nun den dominikanischen Charakter der Handschriften der Margareta zum Goldenen Ring in Betracht und berücksichtigt man die Tatsache, dass Rb mit dem deutschen Text verglichen werden konnte, so geht man in der Annahme wohl nicht fehl, wenn man im Basler Dominikanerkonvent die Schaltstelle der oberdeutschen Mechthild-Überlieferung sieht. Ja, mehr noch: Es ist nicht auszuschließen - ich greife eine Vermutung von M argot S chmidt auf -, dass die Übertragung des ›Fließenden Lichts‹ ins Alemannische eben dort (und nicht, wie immer vermutet, 632 in einem personell vor allem mit Bürgern und Adligen 244 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 628 L eppin (2007), S. 547f. und 551f. weist zudem darauf hin, dass die Überschriften stärker als das nachfolgende Kapitel Akzentverschiebungen zugunsten der Dominikaner vornehmen. 629 V ollmann- P rofe (2003), S. 735, Anm. zu 100,22 erklärt die Überschrift, die aus dem Inhalt des Kapitels nicht ableitbar ist, wie folgt: «Der Verfasser der Überschrift wußte also offenbar, daß eine bestimmte Seele gemeint war.» Es wird vermutet, es könnte sich «um eine kurze briefliche Mitteilung (auf Anfrage? ) an ein befreundetes Mitglied des Prediger-Ordens handeln.» Die «Brief-Situation» soll die lateinische Übersetzung verdeutlichen, weil sie das Kapitel in der Anredeform wiedergibt. V ollmann- P rofe übersieht, dass LD IV.44 (Rev. Bd. II.2, S. 572,13-573,16) mehrere deutsche Kapitel zusammenzieht. Dabei kommt es zur Angleichung der Sprechposition in FL II.16 an die des vorangehenden Kapitels FL II.13. 630 N eumann (1993), S. 125. Ähnliches wäre auch für FL III.17 anzunehmen, vgl. S. 187, Anm. 367 mit Text. 631 Vgl. N eumann (1993), S. 223 und 230. 632 Vgl. etwa S chultz (1976), S. 140 und 143, J anota (2004), S. 125 und G ottschall (2007), S. 162 und 168. besetzten Kreis der Basler Gottesfreunde) erfolgt ist. 633 Ob jenes Exemplar des ›Fließenden Lichts‹, das Heinrich von Nördlingen den Dominikanerinnen von Medingen und Engelthal zukommen ließ, aus der Handbibliothek Taulers 634 oder aus der Klosterbibliothek der Basler Dominikaner stammt, ist zwar nicht zu entscheiden. Wichtig ist es mir jedoch, auf die dominikanische Provenienz eines der wohl prominentesten Texte der so genannten ‹Gottesfreundeliteratur› hinzuweisen. 635 Bei der Vermittlung des ›Fließenden Lichts‹ bzw. seiner lateinischen Übersetzung nach Basel könnte Tauler eine wichtige Rolle gespielt haben, der die Jahre von 1338/ 39 bis 1342/ 43, vielleicht bis 1346, vorwiegend im Basler Predigerkloster verbrachte. Bezeugt sind für diese Zeit wiederholt Reisen nach Köln, die mit Handschriftenkopie und -austausch verbunden waren. 636 Angesichts von Taulers Interesse für die Texte der älteren Frauenmystik (s. S. 213f., Anm. 485) ist nicht auszuschließen, dass er auch mit Mechthilds Offenbarungen in Berührung kam. H ans N eumann hat mit dem Gedanken gespielt, berichtet G isela V ollmann -P rofe , Tauler könnte in den 30er Jahren ein Exemplar des ›Fließenden Lichts‹ im Mantelsack nach Basel gebracht haben. 637 D agmar G ottschall ist gar der Ansicht, das ›Fließende Licht‹ wäre in Köln in Taulers Hand gekommen. 638 Ob dies tatsächlich der Fall war, wissen wir nicht. Wahrscheinlicher ist dies bei der ›Lux divinitatis‹, die Tauler gekannt haben könnte (s. dazu S. 213f., Anm. 485 mit Text). Der Gedanke, dass das ›Fließende Licht‹ und seine lateinische Übersetzung in Köln verfügbar waren, dort von Tauler erworben werden konnten und durch ihn an die Dominikaner in Basel vermittelt worden sind, muss dagegen bis auf weiteres eine «reizvolle Hypothese» (V ollmann -P rofe ) bleiben. Varianz in Textbestand und Textfolge 245 633 Vgl. M. S chmidt (1969), S. 173*. Ähnlich G ooday (1973), S. 236. M. S chmidt (1969) zufolge könnte auch die Übersetzung des ›De septem itineribus aeternitatis‹ des Rudolf von Biberach ins Alemannische im Basler Dominikanerkonvent erfolgt sein (ebd., S. 172*). Die in Kap. I.2 angedeuteten theologischen Unsicherheiten brauchen nicht gegen die Annahme zu sprechen, das ›Fließende Licht‹ wäre von Dominikanern ins Alemannische übertragen worden. Eklatante theologische Ungereimtheiten finden sich auch im ‹kollektiven Autograph› der ›Schwarzwälder Predigten‹, einer Predigtsammlung, die in einem Franziskanerkloster entstanden ist, vgl. H.-J. S chiewer (1996), S. 57. 634 So G ottschall (2007), S. 148f. 635 Entsprechend einem Vorschlag von R. D. S chiewer (2007), S. 246 kann diese Literatur sehr wohl ‹gottesfreundlich› genannt werden, insofern sie innerhalb einer ‹reading community› der Propagierung eines bestimmten Frömmigkeitsideals diente, nicht jedoch das Netzwerk selbst. S. dazu auch N emes (2011). 636 Vgl. G nädinger / M ayer (1995), Sp. 635f. und G nädinger (1993), S. 34-39. 637 Vgl. V ollmann- P rofe (2000), S. 155. 638 Vgl. G ottschall (2007), S. 149. Auch Sc hultz (1976), S. 144 vermutet, das niederdeutsche Exemplar des ›Fließenden Lichts‹ könnte durch Vermittlung Taulers zusammen mit der lateinischen Übersetzung nach Basel gekommen sein. II.3 Von der Schrift zum Buch. Oder: Wie original ist das Original des ›Fließenden Lichts‹? 1955 hat M argot S chmidt eine Neuausgabe des ›Fließenden Lichts‹ vorgelegt, die - obschon eine Übersetzung - einen gewissen philologischen Anspruch in der Textkonstitution nicht verkennen lässt. Wegen zahlreicher Lesefehler, mit denen der unkritische Handschriftenabdruck von G all M orel (1869) belastet ist, entscheidet sich S chmidt dafür, nicht einfach den von M orel präsentierten Text zu übersetzen, sondern greift auf die Einsiedler Handschrift selbst zurück. Kritisch verhält sich S chmidt indes nicht nur gegenüber der Edition, sondern auch gegenüber der Überlieferung. Man liest in ihren Ausführungen zur Textgestaltung: «Soweit E von den anderen Quellen verbessert und ergänzt wurde, sind diese mit in die Übersetzung hineingearbeitet und im kritischen Apparat am Schluß vermerkt worden.» 639 Ergänzt wird nicht nur nach der deutschen, sondern auch nach der lateinischen Parallelüberlieferung, wobei die nach der ›Lux divinitatis‹ vorgenommenen Ergänzungen ausdrücklich als «Zusätze» bezeichnet und in eckige Klammern gesetzt werden. Was ihre Rolle bei der Textkonstitution betrifft, stellt S chmidt fest: «Die Zusätze des lateinischen Textes […] wurden dann berücksichtigt, wenn sie zur Erhellung des Originals beitrugen.» 640 Übernommen werden aus dem lateinischen Text nicht nur Sprecherbezeichnungen, Erläuterungen, kontextualisierende Vermerke und Namensnennungen, sondern vereinzelt auch Verspaare. So wird FL II.23 gleich an zwei Stellen ergänzt: nach 116,27 (II.23,25, entsprechend Cum quod melius est cognouero . hoc eligere parata ero, LD IV.1,26f./ Rev. Bd. II.2, S. 540,7f., LG IV.1,36f.: So ich wúrt erkennen was das best ist dasselbig bin ich bereit mir vßerwelen) und nach 118,19 (II.23,47, entsprechend vnge oculos tuos collirio ut uideas [vgl. Apc 3,18] eum cum quo semper maneas, LD IV.2,16f./ Rev. Bd. II.2, S. 541,13f., LG IV.1,68f.: Salb deine augen mit augen salben das dú ansihest den bey dem dú allwegen blibest). Bei S chmidt heißt es: «Könnt ich das Bessere wissen, / Ich wär es zu tun beflissen.» (S. 109) bzw. «Salbe sie, daß sie ihn erkennen / Um dich niemals von ihm zu trennen» (S. 111). Ähnlich wird bei FL IV.15: 270,18 (IV.15,10) vorgegangen. Hier bietet LD IV.30,7f. (Rev. Bd. II.2, S. 564,17f.) zusätzlich zum deutschen Text: (illa hora) illuxerit atque transierit . miro mentis gaudio fruitur (LG IV.29,10f.: So dan einleuchtet vnd vergat [die selig stúnd] … so núist sy [die liebhabende seel] in wúnderbarlicher freúd ires gemúets). Obwohl sich hier nichts Gereimtes findet, lautet die Übersetzung: «Und sie [die minnende Seele! ] sich öffnete und überkam / und im Staunen und Freuen zu kosten bekam» (S. 193). 246 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 639 M. S chmidt (1955), S. 7. Berücksichtigt werden zudem die von der Forschung vorgebrachten Verbesserungsvorschläge. 640 M. S chmidt ebd., S. 8. Von der Schrift zum Buch Solche ‹Zusätze› finden sich in der ›Lux divinitatis‹ immer wieder. 641 Manche von ihnen hat S chmidt in die Übersetzung mit aufgenommen. 642 Wohl markiert S chmidt die nach der ›Lux divinitatis‹ vorgenommenen Ergänzungen als «Zusätze», doch erweckt ihre Vorgehensweise, allen voran ihr Umgang mit den in die Übersetzung geretteten Verspaaren den Eindruck, als würden die Ergänzungen nicht allein zur «Erhellung», sondern auch zur Bereicherung des Originals um weiteres, möglicherweise authentisches Material beitragen. In Von der Schrift zum Buch 247 641 Vgl. etwa LD Prol. 4,12 (Rev. Bd. II.2, S. 441,6f.) requiem haberet caro mea (LG Prol. 3,16: min fleisch rw hett) zusätzlich zu FL IV.2: 236,13 (IV.2,113) - LD I.33,8f. (Rev. Bd. II.2, S. 477,11f.) (ab omni peccato extitisti) in tota uita tua [bezogen auf Maria] similis angelice puritati permansisti (LG I.33,11f.: vnd in deinem gantzem leben gleich der engellischen reinigkeyt bliben) zusätzlich zu FL III.4: 166,13 (III.4,11) - LD I.35,12f. (Rev. Bd. II.2, S. 479,19f.) et laudans in deum qui est fons et largitor omnium graciarum (LG I.35,20f.: vnd spilen in gott welcher ist der brún vnd geber aller gnaden) zusätzlich zu FL VI.39: 512,20 (VI.39,17) - LD II.19,25-27, s. dazu S. 187, Anm. 366 mit Text - LD II.29, 14 (Rev. Bd. II.2, S. 506,19f.) quia nec primam similem uisa est [bezogen auf Maria] nec habere sequentem (LG II.26,19-21: wan keine vor yr ist yer gleich gefúnden worden vnd mag ir kein nachkommerin gleich werden) zusätzlich zu FL III.1: 150,28 (III.1,78) - LD III.5,11f. (fehlt in Rev. Bd. II.2, S. 524) et fructus tuus perijt et perditus est de terra (LG III.5,15f.: vnd dein frúcht ist vordorben vnd vorloren von der erde) zusätzlich zu FL VI.21: 478,11 (VI.21,9) - LD IV.2,8f. (Rev. Bd. II.2, S. 541,3f.) Ibi ei erit bene super bene et pax super pacem exsuperans sensum omnem (LG IV.1,57: do wirt ir wol vber wol sin vnd der frid vber frid der do vbergatt allen sin) zusätzlich zu FL II.23: 118,12 (II.23,41) - LD IV.45,28 (Rev. Bd. II.2, S. 574,20f.) cum suis karissimis et saciantur ex hoc et siciunt (LG IV.39,70f.: mit seinen allerlibsten vnd von ym werdent sye ersettiget vnd dúrstig) zusätzlich zu FL III.3: 164,16 (III.3,30) - LD IV.47,14f. (Rev. Bd. II.2, S. 576, 10f.) (experiencia) michi singulariter infusa (LG IV.40,42f.: welchi mir ist súnderlich ingegossen) zusätzlich zu FL II.19: 106,8 (II.19,35, nach bevindunge von gotte) - LD IV.59, 11 (Rev. Bd. II.2, S. 586,14f.) et compleantur consolacione accepta dies luctus mei [Is 60, 20] (LG IV.47,15f.: vnd volendet werd mit dem empfangenen trost die tage meines weinens) zusätzlich zu FL IV.5: 250,29 (IV.5,13) - LD V.4,9 (Rev. Bd. II.2, S. 591,11f.) et in uerissima sanctitate intrinsecus (LG V.3,12: von innen in vil heiligkeyt) zusätzlich zu FL V.11: 342,6 (V.11,10f.) - LD V.5,6f. (Rev. Bd. II.2, S. 593,1f.) vt mea ibi iugiter anima remaneret et corpus meum temporalem uitam hic finiret [I Sm 1,23] (LG V.4,11f.: vff das min seel alwegen do blibt vnd mein leip hie endet das zytlich leben) zusätzlich zu FL V.13: 348,2 (V.13,9) - LD V.6,31 (Rev. Bd. II.2, S. 594,10) et mortem euadit (LG V.4, 56: vnd entrinnet kúm dem tode) zusätzlich zu FL V.8: 338,2 (V.8,36) - LD V.11,9f. (Rev. Bd. II.2, S. 598,24) vt nos ad sublimia eleuaret (LG V.9,13: das er vns vfferhúpt zú den hohen dingen) zusätzlich zu FL VI.1: 420,7 (VI.1,14f.) - LD V.16,5f. (Rev. Bd. II.2, S. 603,26f.) quia nihil fit sine causa et prouidencia dei super terram (LG V.11,27f.: wan nichtzs beschicht vff erden on vrsach vnd on die vorsichtigkeyt gottes) zusätzlich zu FL I.27: 48,2 (I.27,7). 642 Vgl. M. S chmidt (1955), S. 102 (= FL II.19: 106,8 [II.19,35]) entsprechend LD IV.47, 14f. - ebd., S. 174 (= FL IV.2: 236,13 [IV.2,113]) entsprechend LD Prol. 4,12 - ebd., S. 112 (= FL II.24: 122,7 [II.24,30]) entsprechend LD II.19,25-27 und ebd., S. 229 (= FL V.11: 342,6 [V.11,10f.]) entsprechend LD V.4,9. Für zahlreiche weitere (Wort)Ergänzungen, die nach der ›Lux divinitatis‹ vorgenommen worden sind, s. M. S chmidt passim. der Tat stößt man unter den Textpartien, die von S chmidt aus der lateinischen Bearbeitung übernommen werden, zuweilen auf Textstücke, die H ans N eumann für echt genug halten wird, um sie in seine kritische Ausgabe aufzunehmen und wie schon S chmidt entsprechend «dem sonstigen Wortgebrauch Mechthilds» 643 ins Deutsche ‹zurück› zu übersetzen. 644 Ohne ausschließen zu wollen, dass die ›Lux divinitatis‹ an manchen Stellen einen im Zuge von kopialer Überlieferung korrupt gewordenen deutschen Text zu berichtigen gegebenenfalls auch zu ergänzen vermag (beeindruckende Belege liefert das neu entdeckte, sowohl zeitlich als auch räumlich der Textgenese am nächsten stehende Fragment Mo), 645 erweckt das Verfahren von S chmidt den Eindruck, als würde noch so manch Originales in der ›Lux divinitatis‹ nur darauf warten, wieder aufgefunden zu werden. Und in der Tat: Kap. II.2.2 der vorliegenden Arbeit zeigt mit aller Deutlichkeit, dass die lateinische Bearbeitung eine Reihe von Textstücken enthält, die Anspruch auf Originalität erheben. 646 Nun wäre naheliegend, eine Neuausgabe des ›Fließenden Lichts‹ zu fordern, besteht doch offenbar die Hoffnung, das Bekannte durch zusätzliches authentisches Material aus der Parallelüberlieferung - man denke auch an die ‹originale› Zusatzzeile sowie an die ‹mechthildischen› Reime in R 248 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 643 N eumann (1993), S. 39, Anm. zu II.23,25f. 644 Vgl. etwa FL II.23: 116,27 (II.23,25f.) und FL V.11: 342,6 (V.11,10f.). 645 So bestätigt Mo (abgedruckt bei G anina / S quires 2010, S. 81, Z. 8f.) die in FL II.23: 116,27 (II.23,25f.) nach dem lateinischen Text vorgenommene Konjektur von N eumann (s. dazu S. 59f. oben). Auch sonst können Mo an zwei Stelle Primärvarianten entnommen werden, vgl. wunne Mo (delicijs, LD I.4,6/ Rev. Bd. II.2, S. 450,1, LG I.4,9: lústigkeyt) gegen minne E/ C (FL II.21: 112,12 [II.21,11]), s. dazu den Konjekturvorschlag von S tierling (1907), S. 83 und N eumann (1993), S. 38. Hinzuweisen wäre auch auf einen Textausfall in FL II.23: 116,24 (II.23,23f.), zu dem es wohl in bzw. auf dem Weg nach Basel kam. In den Handschriften der oberdeutschen Texttradition (E, C, K) liest man: wiste ich, wa er were, so m o hte ich mich noch bekeren. Dem enspricht in Mo: wistich war he were. vnde … he were so mohte ich mich noch bekeren. Die Punkte im Textabdruck von G anina / S quires (2010), S. 81, Z. 3 verweisen darauf, dass der Text wegen mechanischer Beschädigung des Schreibstoffes (es handelt sich um Makulaturblätter! ) schlecht lesbar ist. In Kenntnis der ›Lux divinitatis‹, die überraschenderweise G anina / S quires gänzlich außer Acht lassen, lässt sich die Stelle mit wo ergänzen entsprechend si scirem quis et vbi esset (LD IV.1,23/ Rev. Bd. II.2, S. 540,12f., LG IV.1,32f.: wisset ich wo vnd wer er were). Auf dem Weg nach Basel scheint demnach die Entsprechung zu et quis esset ausgefallen zu sein. 646 Auch manche der mit ut bzw. quia eingeleiteten Nebensätze der lateinischen Bearbeitung - einige davon wurden oben in Anm. 641 genannt -, könnten ‹original› sein, denn es ist nicht recht einzusehen, warum sie unecht sein sollten, während ähnliche, mit den selben Konjunktionen eingeleitete Sätze, die im ›Fließenden Licht‹ (genauer in E) stehen, in der ›Lux divinitatis‹ (genauer Rb bzw. Rw) jedoch fehlen, unhinterfragt als echt gelten, vgl. FL VI.4: 440,1f. (VI.4,37f.) uf das in hungeren m o ge nach dem himmelschen troste (fehlt LD VI.18/ Rev. Bd. II.2, S. 638 bzw. LG VI.18) und FL II.26: 138,17f. (II.26,40f.) wan dú vrie minne m v s ie das h o hste an den menschen wesen (fehlt LD Prol. 6/ Rev. Bd. II.2, S. 444 bzw. LG Prol. 5). (dazu S. 171f. oben) - anzureichern. 647 Gegen ein solches Unterfangen wäre aus der Sicht der Mechthild-Forschung sachlich nichts einzuwenden, da man davon ausgeht, dass die lateinische und deutsche Überlieferung «auf zwei unterschiedlichen Entstehungsphasen des Originals basieren.» 648 Lassen sich also plausible Gründe dafür nennen, dass die ›Lux divinitatis‹ Texte enthält, die (1.) über den Bestand des ›Fließenden Lichts‹ hinausgehen und (2.) Anspruch auf Originalität haben, so wäre nach dem aktuellen Stand der Mechthild-Forschung anzunehmen, dass es sich um «unechte Zusätze» (im Sinne von E rnst B ecker vgl. S. 157f.) handelt, die in den deutschen Text gehören, weil sie ihm im Laufe der Überlieferung abhanden gekommen sind. Die Berechtigung dieser Annahme, die auf dem Postulat des einen Originals gründet, gilt es im Folgenden in Hinblick auf die frühe Text- und Überlieferungsgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ zu problematisieren. Dies impliziert eine kritische Auseinandersetzung mit dem von N eumann geprägten und nach wie vor vorherrschenden Modell der Textgenese. Den ersten und bislang einzigen Versuch, ein umfassendes Modell für die Entstehung des ›Fließenden Lichts‹ zu präsentieren, hat N eumann in seiner Göttinger Habilitationsschrift unternommen. Wohl ist diese Arbeit ungedruckt geblieben, ihre Ergebnisse sind jedoch in Einzelaufsätze eingegangen, die Aufschluss darüber geben, wie N eumann über die frühe Text- und Überlieferungsgeschichte ›Fließenden Lichts‹ im Allgemein und über die Stellung des Originals zur lateinischen und deutschen Überlieferung im Besonderen denkt. Im Gegensatz zu P hilipp S trauch , der der Ansicht war, «Mechthilds Original» 649 selbst hätte die Vorlage der Übertragung des ›Fließenden Lichts‹ ins Alemannische abgegeben, betont N eumann : «das O r i g i n a l war diese Vorlage so wenig wie der Text, aus dem der größte Teil von Mechthilds Schriften ins Lateinische übersetzt wurde.» Denn: «Zwischen dem A u t o g r a p h und dem Zwiesel unserer Überlieferung liegt die redigierende Abschrift des Ruppinschen Dominikanerlektors Heinrich von Halle, der als Mechthilds geistlicher Berater ihre Aufzeichnungen einer Durchsicht unterzog.» 650 Diese Textstelle ist insofern von Bedeutung, als sie Aufschluss darüber gibt, wofür das vielzitierte und als editorisches Ziel definierte Original bei N eumann in Wirklichkeit steht: für das Autograph Mechthilds. Von der Schrift zum Buch 249 647 Zu einer ähnlichen Vorgehensweise vgl. die Neuausgabe des ›Armen Heinrich‹ durch G ärtner (2001). Der edierte Text wird hier infolge eines Neufunds um zusätzliche authentische Verse ergänzt. 648 G ottschall (2005), S. 301. 649 S trauch (1882), S. 380. 650 N eumann (1948/ 50), S. 145 (Sperrungen von mir). Vgl. auch N eumann ebd., S. 156f. Vom Original unterscheidet N eumann die Redaktion Heinrichs (= F 1 , Diagramm 1). Ihr Abstand zu Mechthilds Autograph-Original ist für ihn allerdings kein prinzipieller und schon gar nicht ein inkommensurabler, denn N eu mann ist überzeugt, Heinrich hätte «kaum» 651 in den Wortlaut von Mechthilds Aufzeichnungen eingegriffen, sondern sich auf die Abschrift und Einteilung der Niederschriften beschränkt. 652 Allem Anschein nach wird dem redigierten Text ein ähnlicher Status attestiert wie dem Autograph-Original selbst (vgl. in diesem Zusammenhang auch S. 65f. oben). Deshalb ist es aus der Sicht von N eumann auch kein Widerspruch, wenn er der lateinischen Bearbeitung des ›Fließenden Lichts‹ (= LD, Diagramm 1) unterstellt, sie wäre «gewiß» aus einer Vorlage hervorgegangen, «die dem Original sehr nahe stand», 653 gleichzeitig jedoch darauf hinweist, eben diese Vorlage sei mit der «Redaktion Heinrichs von Halle» 654 identisch. Was veranlasst N eumann zu der Annahme, dass die Redaktion Heinrichs (und nicht das Autograph-Original Mechthilds) die Vorlage der ›Lux divinitatis‹ abgab? Dies ist zum einen die Notiz in LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 517), Heinrich hätte Mechthilds Schriften (eigentlich dicta) gesammelt, zu einem Buch (uolumen) zusammengestellt und in sechs Teile (partes) geschieden. N eumann bezieht diese Aussagen, wie in Kap. II.1.1 (S. 100f. oben) gezeigt, auf den deutschen Text 655 und führt sie als Beweis dafür an, dass die buchmäßige Struktur des ›Fließenden Lichts‹ Heinrichs Werk ist und dass die ›Lux divinitatis‹ auf einer mittelniederdeutschen Handschrift beruht, die eben diese auf Heinrich zurückgehende Struktur aufwies (zur Diskussion um die Kapitelgliederung der LD-Vorlage s. Kap. II.1.2). Zum anderen scheint bei der Ableitung der ›Lux divinitatis‹ aus der redigierenden Abschrift der Bücher I-VI durch Heinrich die Beobachtung eine Rolle gespielt zu haben, dass die lateinische und die deutsche Überlieferung gemeinsame Fehler aufweisen. 656 Unterschieden wird indes nicht nur zwischen einem autograph-originalen und einem redigierten Zustand der Bücher I-VI, wobei letzterer zur Grundlage der lateinischen Bearbeitung wurde. Auch das Autograph-Original selbst wird als ein in sich mehrschichtiges Gebilde begriffen. Folgt man N eumann s Ausführungen, so ist das Autograph der Bücher I-VI nur in ihrem letzten, sechsten Teil tatsächlich autograph. Der Rest stellt dagegen die in das spätere Gesamtwerk eingegangene Erstausgabe der Bücher I-V dar, die der gleiche Hein- 250 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 651 N eumann (1954b), S. 28. Zur Argumentation, die zu dieser Schlussfolgerung führt, s. Kap. I.1.1. 652 Vgl. N eumann ebd., S. 65. 653 N eumann (1967), S. 44. Vgl. auch G ottschall (2005), S. 301: «Die lateinischen ›Revelationes‹ reichen überlieferungsgeschichtlich am weitesten an Mechthilds Original heran, sie arbeiteten vielleicht sogar mit einer von Mechthild autorisierten Fassung.» 654 N eumann (1954c), S. 169. In diesem Sinne werden «Original» und die «redigierende Bearbeitung Heinrichs von Halle» von B ecker (1951), S. 46 explizit gleichgesetzt. 655 Vgl. N eumann (1954b), S. 43. 656 Vgl. N eumann (1948/ 50), S. 157 und (1954c), S. 169f. Zu den gemeinsamen Fehlern beider Überlieferungszweige s. auch meine Ausführungen von weiter unten. rich, der die ‹erweiterte Zweitausgabe› besorgte, abgeschrieben, in Büchern eingeteilt und mit Überschriften versehen haben soll (= E 2 , Diagramm 1). 657 Auch innerhalb der Erstpublikation wird weiter differenziert. Der Erstausgabe der Bücher I-V soll eine von Mechthild selbst vorgenommene Abschrift und Redaktion ihrer eigenhändigen Aufzeichnungen vorausgegangen sein (= E 1 , Diagramm 1). 658 Dieser Erstredaktion durch die Autorin wird eine zweite (= F 2 , Diagramm 1) an die Seite gestellt, die N eumann zufolge erfolgt sein muss, nachdem die von Heinrich besorgte Teilpublikation der Bücher I- VI zur Übersetzung freigegeben wurde. Begründet wird dies mit dem Hinweis auf die in der ›Lux divinitatis‹ fehlenden Plustexte des deutschen Überlieferungszweiges. Die dritte Publikationsphase ist schließlich mit der Aufnahme des aller Wahrscheinlichkeit nach im Kloster Helfta entstandenen siebten Buches ins Corpus der Bücher I-VI erreicht. Eine uns namentlich nicht bekannte Person soll daran beteiligt gewesen sein, die auch für Buch VII die Kapiteleinteilung und die Überschriften besorgte (= G 1 , Diagramm 1). N eumann denkt dabei an einen Hallenser Dominikaner. 659 Schematisch lässt sich das von N eumann entworfene entstehungsgeschichtliche Modell des ›Fließenden Lichts‹ wie folgt darstellen: Sollte es zutreffen, dass es sich bei den jetzigen Bucheinteilungen insgesamt um alte «Veröffentlichungsabschnitte» 660 handelt, um Teilveröffentlichungen also, die den «jeweiligen Aggregatzustand des schriftlich fixierten Werks» 661 darstellen - eine Idee, die auch von N eumann erwogen wurde (s. dazu weiter unten) -, so ließe sich das gezeichnete Schema geringfügig wie folgt ergänzen (A 1 , B 1 usw. stehen für die postulierten Zwischenabschriften des Werks, die die Teilveröffentlichungen abgegeben haben sollen): Von der Schrift zum Buch 251 657 Vgl. N eumann (1954b), S. 65. 658 Vgl. N eumann ebd., S. 60f. und (1987a), Sp. 262. 659 Vgl. N eumann (1954b), S. 40. 660 V ollmann- P rofe (1994), S. 147, Anm. 5 und (2003), S. 671. 661 O rtmann (1992), S. 185, Anm. 47. Zu diesem Phänomen am Beispiel des ›Parzival‹ s. N ellmann (2010). E (I-V) E 1 E 2 F (I-VI) F 1 F 2 G (I-VII) G 1 LD Diagramm 1 A (I) A 1 B (I-II) B 1 … E (I-V) E 1 E 2 F (I-VI) F 1 F 2 G (I-VII) G 1 LD Diagramm 2 Die These, die besagt, dass die ersten vier Bücher des ›Fließenden Lichts‹ Corpora darstellen, die stufenweise in die Publikation gegangen sind, ist nicht leicht zu widerlegen, zumal sie zum Forschungskonsens geworden zu sein scheint. 662 So hat neulich M ark E manuel A mtstätter den formal-kompositorischen Aufbau des ersten Buches zum Gegenstand einer eigenen Untersuchung gemacht. In Abgrenzung zur N eumann s These von der Chronologizität der Kapitelfolge unterstellt er dem ersten Buch «ein intendiertes Gewachsen- Sein» 663 und begründet dies damit, dass es sich um ein formal kunstvoll komponiertes und handlungslogisch schlüssig aufgebautes Textcorpus handelt. A mtstätter sieht in ihm die älteste Teilveröffentlichung des Gesamtwerkes. 664 Auch mit dem zweiten Buch scheint Mechthild an einem vorläufigen Endpunkt des Schaffensprozesses angelangt zu sein. So setzt die im Schlusskapitel von Buch II «sichtbar werdende Gegnerschaft gelehrter Geistlicher» für N eu mann voraus, «daß Mechthilds Buch bereits einen gewissen Umfang angenommen hatte und in weiteren Kreisen, zumindest unter Magdeburger Klerikern, bekannt geworden war.» 665 Als Indiz gewertet wird in diesem Zusammenhang auch die Bitte um Schutz für den schriber und das Buch im selben Kapitel II.26. 666 Und schließlich ist auf FL IV.28 hinzuweisen, denn N eumann sieht hier «den Schluß eines größeren Arbeitsabschnittes» 667 und G isela V ollmann -P rofe eine Teilpublikation, die «einem interessierten Publikum zugänglich gemacht wurde.» 668 Nichts von diesen vermeintlichen Teilpublikationen ist in der Überlieferung nachzuweisen. 669 Dies gilt freilich auch für die vorläufige Werkeinheit der Bücher I-V, doch mehren sich hier die Indizien, dass wir es hier tatsächlich mit 252 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 662 Vgl. das Resümee bei S enne (2004), S. 140. 663 A mtstätter (2003), S. 15. 664 Vgl. A mtstätter ebd., S. 20. Auch O rtmann (1992), S. 185, Anm. 47 sieht im ersten Buch eine «alte Einheit» und weist auf den Gebetsschluss Got gebe úns allen die krone! Amen am Ende des Buches hin (FL I.46: 70,29 [I.46,54]). Allerdings kann diese Schlussformel nicht als Hinweis für eine alte Veröffentlichungseinheit in Anspruch genommen werden. Eher handelt es sich um eine der wenigen Spuren jener redaktionellen Bearbeitung, der das gesamte Textcorpus der Bücher I-VII posthum unterzogen wurde (s. dazu S. 297f. weiter unten). 665 N eumann (1954b), S. 38. 666 Vgl. B ecker (1951), S. 205, O rtmann (1992), S. 185, Anm. 47 und V ollmann- P rofe (1994), S. 147, Anm. 5. Anders N eumann (1987a), Sp. 262: Die schriber-Stelle gilt für ihn als Beweis dafür, dass es die Reinschrift der Bücher I-V (= E 2 , Diagramm 2) gegeben hat. 667 N eumann (1954b), S. 39. 668 V ollmann- P rofe (1994), S. 147, Anm. 5. Ähnlich B ecker (1951), S. 205. 669 Das gilt auch nach der Entdeckung von Mo, einer Exzerpthandschrift des ›Fließenden Lichts‹ (mit Texteilen aus FL I.29.32.36, II.11.13.14.21.23, III.6 und VII.65), und trifft im Übrigen, um einen ähnlich gelagerten Fall zu nennen, auch auf einen Text wie für Boccaccios ›Decameron‹ zu, der, wie wir es aus Boccaccios Vorreden wissen, in Form von einzelnen Novellen schon vorweg im Umlauf war. «[I]n der Überlieferung gibt es davon keine Spur», vermerkt G rubmüller (2002), S. 9. einem Corpus zu tun haben, das für eine breitere Rezeption bestimmt war. So entspricht der «großen Gebetsconclusio» 670 am Ende des fünften Buches (FL V.35) die programmatische Einleitung am Anfang des ersten. Sie besteht aus zwei Textstücken, die Aufschluss darüber geben, wie man das vorliegende b v ch empfangen soll (als Gottes Wort), wer es gemachet hat (Gott) und wie es heißen soll. Der erste Teil dieses Prooemiums ist sekundär aus Sätzen anderer Kapitel zusammengestückelt. 671 Da die verwendeten Zitate bis einschließlich Buch V reichen, geht man (wohl zu Recht) davon aus, dass der Vorspruch für das Corpus der Bücher I-V geschaffen wurde. 672 Dies wird man auch für den Index rerum (nicht jedoch für den lateinischen und deutschen Prolog! ) annehmen müssen, denn erfasst werden hier nur die ersten fünf Bücher. Ein weiteres Indiz dafür, dass die überhaupt erste Teilveröffentlichung Buch I-V umfasste, liefern die Kapitel 31 und 36 des sechsten Buches. Auffällig ist, dass erst hier auf jene laut gewordene Kritik reagiert wird, die sich an bestimmten Aussagen in FL I.44 und II.4 entzündete. Hätte es mehrere frühere Teilveröffentlichungen gegeben, so könnte man sich fragen, warum die Kritik erst im sechsten Buch (und nicht im dritten [= C/ C 1 , Diagramm 2], 673 im vierten [= D/ D 1 , Dia- Von der Schrift zum Buch 253 670 N eumann (1954b), S. 34. 671 Das ist der Grund, warum das Prooemium nicht allein für Buch I konzipiert worden sein kann, und dies obwohl es Indizien dafür gibt - und das wurde bislang übersehen -, dass das Prooemium schon auf einer frühen Überlieferungsstufe als Teil des ersten Kapitels von Buch I galt. Man trifft nämlich in einem der Querverweise zu FL II.26 auf den Hinweis I libro I a (vgl. N eumann 1993, S. 220, Glosse zu II.26,10), der mit Sicherheit das Prooemium I meint (im Prooemium I selbst gibt es einen Vorverweis auf ii libro xxvi). Die Einsiedler Handschrift selbst lässt nicht mehr erkennen, dass die beiden Prooemientexte ursprünglich zu FL I.1 gehörten, es sei denn, man wertet die in E fehlende Zählung für das erste Kapitel als Indiz für eine gewisse Unsicherheit seitens des Schreibers, was den eigentlichen Anfang des ersten Kapitels betrifft. Von einer solchen Unsicherheit ist im Register keine Spur. Dort ist die Überschrift von FL I.1 mit der Kapitelzahl I versehen (vgl. N eumann 1990, S. 3,2). Wie lässt sich dieser Befund deuten? Vorausgesetzt, das System der Querverweise war schon in der Teilpublikation der Bücher I-VI (= F 1 , Diagramm 2) enthalten - dafür gibt es überzeugende Indizien (s. S. 119ff. oben) - und der Hinweis auf I libro I a in FL II.26 ist nicht späteren Datums - auch mit dieser Möglichkeit ist zu rechnen (s. S. 123f. oben) -, dann muss man davon ausgehen, dass das Prooemium erst anlässlich der Erstellung des Registers vom ersten Kapitel abgekoppelt wurde. Man fragt sich, ob dies zu einem Zeitpunkt stattfand, als man den Büchern I-VI eine Zweitredaktion angedeihen ließ (= F 2 , Diagramm 2). 672 Vgl. N eumann (1954b), S. 34. V ollmann- P rofe (2003), S. 702 erwägt dagegen: «da diese [die ‹Erstausgabe› der Bücher I-V] aber mit dem lat. Vorbericht bzw. seiner Übersetzung eine eigene Einführung besitzt, ist es nicht auszuschließen, daß Prologteil I erst für die folgende ›Edition‹ kompiliert wurde.» Dieser Einwand trägt insofern nicht, als die Übersetzung des lateinischen Vorberichts zum ›Fließenden Licht‹ mit Sicherheit späteren Ursprungs ist, was höchstwahrscheinlich auch für den lateinischen Vorbericht selbst gilt. S. dazu im Einzelnen S. 143ff. oben und die vorangehende Fussnote. 673 Dafür, dass die ersten drei Bücher ursprünglich eine separate Werkeinheit bildeten, konnten bislang keine Belege genannt werden. Ein Indiz stellt möglicherweise das letzte gramm 2] oder im fünften [= E/ E 1 , Diagramm 2]) aufgegriffen wird. Die Erklärung scheint mir darin zu liegen, dass es «Teilpublikationen» (V ollmann - P rofe ) des ›Fließenden Lichts‹ vor Buch V eigentlich gar nicht gab. Dass einzelne «Aggregatzustände» (C hrista O rtmann ) des schriftlich fixierten Werkes existierten, will ich damit freilich nicht ausschließen, doch scheint mir vom textgeschichtlichen Befund her angemessener, von (unveröffentlichten) «Arbeitsabschnitten» (N eumann ) als von «Teilpublikationen» zu sprechen. 674 Durchaus denkbar ist allerdings, dass es Reinschriften von den einzelnen Arbeitsabschnitten gab. Die erste textgeschichtlich greifbare Veröffentlichungseinheit des ›Fließenden Lichts‹ stellt demnach das Corpus der Bücher I-V dar. Sie soll, wie oben angedeutet, eine «von M. schon ergänzte und von ihrem Beichtiger geprüfte (V.12), in Bücher und Kapitel eingeteilte, mit Kapitelüberschriften versehene und in Reinschrift übertragene Fassung (II.26)» 675 gewesen sein. Dazu ist Folgendes anzumerken: Ob der Erstausgabe der Bücher I-V eine von Mechthild selbst vorgenommene Abschrift und Redaktion ihrer eigenhändigen Aufzeichnungen (= E 1 , Diagramm 2) voranging, lässt sich, wie in Kap. II.2.2 (S. 180f.) gezeigt, mit den von N eumann angeführten Argumenten nicht plausibel nachweisen. Man wird jedoch mit gutem Recht annehmen dürfen, dass das Corpus der Bücher I-V die von N eumann genannten Buchcharakteristika 254 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ Kapitel dar. S tierling (1907), S. 105 macht darauf aufmerksam, dass FL III.24 aus drei Abschnitten besteht, die in keinem organischen Zusammenhang miteinander stehen: Abschnitt 1: 220,16-222,9 (III.24,2-21, innerhalb dieser Einheit stellen die Zeilen 220, 30-222,2 [III.24,13-16] laut S tierling ebd. einen Einschub nach dem Stichwortprinzip dar); Abschnitt 2: 222,10-17 (III.24,22-28) und Abschnitt 3: 222,18-24 (III.24,29-33). In der ›Lux divinitatis‹ wird das Kapitel folgendermaßen aufgeteilt: LD IV.33/ Rev. Bd. II.2, S. 565f. (LG IV.31) entspricht Abschnitt 1, LD IV.34/ Rev. Bd. II.2, S. 566f. (LG IV.32) bilden die Abschnitte 2 und 3. Auf das gleiche Phänomen stößen wir am Ende des vierten und des siebten Buches: IV.28: 213,3-5 (IV.28,3-5) und 312,6-10 (IV.28,5-8) haben inhaltlich nichts miteinander zu tun (V ollmann- P rofe 2003, S. 789, Anm. zu 312,1-10 charakterisiert ihr Verhältnis zueinander als «schwierig»). Aus drei selbständigen Teilen besteht T illmann (1933), S. 14 zufolge FL VII.65: Abschnitt 1: 662,28-664,11 (VII.65,2-12), Abschnitt 2: 664,12-26 (VII.65,13-24) und Abschnitt 3: 664,27-31 (VII.65,25-28). Es stellt sich die Frage, ob es sich bei all diesen Schlusskapiteln um loses Textmaterial handelt, das in das jeweils vorangehende Buch nicht eingearbeitet werden konnte, sondern einfach abgeschrieben und zumindest formal zu einem Kapitel geformt wurde. 674 Hier sei daran erinnert, dass die These, die einzelnen Bücher des ›Fließenden Lichts‹ wären in Teilpublikationen bekannt geworden, für V ollmann- P rofe (1994) deshalb von Bedeutung ist, weil sie das Schreiben als eine lebensbegleitende Tätigkeit und den Text, als das «Dokument eines personalen Entwicklungs- und Reifungsprozesses» verstanden wissen will (vgl. und S. 25f. und 100f. oben). Gegen diese These ist zu betonen, dass es sich nicht feststellen lässt, ob die ersten fünf Bücher über mehrere Jahre hinweg entstanden und in der ursprünglichen chronologischen Reihenfolge erhalten geblieben sind. Vgl. Kap. II.1.3. 675 N eumann (1987a), Sp. 262. aufwies, lässt doch der Index rerum auf das Vorliegen einer entsprechenden Buchstruktur schließen. 676 Offenbleiben muss dabei, wer für die buchmäßige Aufmachung dieser überhaupt ersten Publikationseinheit verantwortlich war. N eumann denkt, wie gesagt, an Heinrich von Halle (s. oben Anm. 657 mit Text), den er als Mechthilds «Beichtiger» (s. oben Anm. 675 mit Text) identifiziert. Warum er dies tut, liegt in der Annahme begründet, Heinrich hätte nicht nur die Ausgabe der Bücher I-VI, sondern auch die der Bücher I-V besorgt, wozu sich N eumann durch den lateinischen Prolog zum ›Fließenden Licht‹ veranlasst sieht, worin der nachfolgende liber als conscriptus a quodam fratre predicti ordinis [predicatorum] angekündigt wird. 677 Was bei N eumann überrascht, ist die Selbstverständlichkeit, mit der der anonym bleibende Bruder mit Heinrich von Halle und Heinrich von Halle selbst mit Mechthilds Beichtvater gleichgesetzt wird. 678 Das resultiert aus einer Bestrebung seitens von N eumann , die disparaten textinternen Angaben zur Entstehung des Buches zu einer langjährigen Zusammenarbeit zwischen Mechthild und Heinrich zu verdichten. 679 Dies findet seinen Ausdruck nicht nur in der Identifizierung des quodam frater des Prologs mit jenem frater heinricus dictus de hallis, der in LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 517) genannt wird, sondern auch in der Personalisierung des Beichtvaters des Schreibbefehls in FL IV.2 zu Heinrich von Halle, und zwar im Vorgriff auf FL V.12, die Übersetzungsvorlage von LD II.40. 680 Dieser letzte Kurzschluss verwundert insofern, als einige Seiten später von N eumann selbst zu vernehmen ist: «Ob unter dem Beichtvater, von dem die Begine nach zwanzig Jahren visionärer Begnadung und harter Askese den geistlichen Consens zur Niederschrift ihrer Gesichte erhielt, wirklich Heinrich von Halle zu verstehen ist - wie allgemein angenommen wird -, steht keineswegs sicher.» 681 Dem ist nur zuzustimmen, vor allem wenn man auch den literarisch-programmatischen Gestus (Topos des Schreibbefehls) 682 berücksichtigt, der hier artikuliert wird. Mit anderen Worten: Die bihter-Episode in FL IV.2 lässt eine kontinuierliche Beziehung zwischen Mechthild und Heinrich im Sinne eines Seelsorgeverhältnisses nicht erkennen. Ja, man könnte sogar so weit gehen, zu behaupten, der Beichtvater sei «hier nicht mehr als eine schematische Rollenfigur, die keine kulturhistorische Kommentierung des Schreibbefehls im Sinne eines literarischen Zusammenwirkens von Mechthild mit ihrem Seelsorger erlaubt.» 683 An der Existenz eines Herausgebers (und wohl auch Von der Schrift zum Buch 255 676 S. dazu die Nachweise bei B ecker (1951), S. 138-145. 677 Vgl. N eumann (1954b), S. 65. 678 Ähnliches findet man bei L eppin (2007), S. 544. 679 S. dazu die berechtigte, aber in manchen Punkten überzogene Kritik von P eters (1988a), S. 116-122. 680 Vgl. N eumann (1954b), S. 39. Ähnlich V ozáry (1937), S. 9, K rebs (1943), Sp. 323, F inne gan (1991), S. 17 und T obin (1995), S. 3. 681 N eumann (1954b), S. 69. Ähnlich P eters (1988a), S. 121f. 682 S. dazu R ingler (1980), S. 175-177. 683 P eters (1988a), S. 118. eines Beichtvaters), der dem Dominikanerorden angehörte, sollte man trotzdem nicht zweifeln, 684 da sich in dem der ersten Teilveröffentlichung vorangestellten Index rerum ein dominikanisches Interesse am Inhalt des Buches dokumentiert. 685 Freilich lässt sich die Frage, ob der Herausgeber mit dem Beichtvater identisch ist und wer dieser Beichtvater überhaupt war, nicht beantworten. Entscheidend ist aber etwas anderes. Der Dominikanerorden hatte allem Anschein nach am Bekanntwerden des ›Fließenden Lichts‹ ein besonderes Interesse, das auch beim Erscheinen der Zweitausgabe vorhanden war. Dieses Interesse hält an, denn sowohl die Übertragung des volkssprachlichen Textes ins Lateinische als auch die Überlieferung beider Textversionen fand, wie wir in Kap. II.2.4 gesehen haben, im Kontext des Dominikanerordens statt. Will man die im vorangehenden Abschnitt geäußerte Kritik an dem von N eumann entworfenen und von V ollmann -P rofe ergänzten Modell der Genese des ›Fließenden Lichts‹ ins Visuelle übertragen, so ließe sich das im Diagramm 2 gezeichnete entstehungsgeschichtliche Schema wie folgt präzisieren: Die nächste Veröffentlichungseinheit des ›Fließenden Lichts‹, die diesmal auch textgeschichtlich greifbar ist, bilden die Bücher I-VI (= F 1 , Diagramm 3). Es handelt sich, so N eumann , um eine von Mechthild um ein zusätzliches Buch vermehrte (= F, Diagramm 3) und von Heinrich mit Kapitelüberschriften versehene bzw. in Reinschrift übertragene ‹Neuauflage› des Corpus der Bücher I-V. Diese ‹Neuauflage› soll eine Bearbeitung (= F 2 , Diagramm 3) erfahren haben, wobei Bearbeitung in diesem Fall nicht die redigierende Durchsicht Heinrichs, sondern diejenige von Mechthild meint und einen Zuwachs 256 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ [A (I) A 1 B (I-II) B 1 … ]E (I-V) E 2 F (I-VI) F 1 F 2 G (I-VII) G 1 LD Diagramm 3 684 Und dies selbst dann nicht, wenn man in den Angaben der ›Lux divinitatis‹ über den Anteil Heinrichs von Halle an der Genese des volkssprachlichen Textes mit P eters (1988a), S. 121 nur «hagiographische Versuche einer detailrealistischen lebensweltlich-biographischen Konkretisierung mehr oder weniger persönlich gehaltener historisch-biographischer Anspielungen des deutschen Textes» sieht, Versuche, die womöglich darauf abzielen, den Text bzw. Mechthild für ordenspolitische Zwecke zu vereinnahmen. Zu denken wäre etwa an die Präsentation des Dominikanerordens als einen Orden, der um die schriftliche Fixierung von göttlichen Gnadenerweisen, die Frauen zuteil wurden, besonders bemüht ist. Dieser Aspekt kommt im lateinisch-deutschen Prolog unzweideutig zum Ausdruck (s. dazu weiter unten). 685 So werden unter der Rubrik De prerogativa quorundam sanctorum zwei Kapitel indiziert, die von Dominikus handeln. Auch wird auf FL IV.27 hingewiesen mit dem Vermerk, das Kapitel handle de predicatoribus in fine mundi tempore Antichristi (die Jüngsten Brüder selbst tragen dominikanische Züge). S. dazu auch L eppin (2007), S. 547-553. an authentischem Material aus der Feder Mechthilds bedeutet. Ausfindig gemacht wird dieses neu hinzugekommene Material durch einen Vergleich mit der lateinischen Übersetzung (= LD, Diagramm 3), der ja die ‹Neuauflage› des ›Fließenden Lichts‹, die den ursprünglichen Wortlaut «kaum» (s. oben Anm. 651 mit Text) verändernde «Redaktion Heinrichs von Halle» (s. oben Anm. 654 mit Text), zugrunde gelegen haben soll. Als gesichert darf gelten, dass der deutsche und der lateinische Überlieferungszweig auf eine gemeinsame Vorstufe zurückgehen, die nicht ein Autograph-Original, sondern eine fremdverantwortete Abschrift war. N eumann rekurrierte noch auf LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 517), um diese Vorlage als ein in sechs Bücher eingeteiltes, in Kapitel untergliedertes und mit Kapitelüberschriften versehenes Exemplar zu erweisen. Auch ohne die Berufung auf diese umstrittene Stelle (vgl. S. 99ff. oben) wird man N eumann zustimmen müssen. So legen die nur in einer Handschrift des deutschen Überlieferungszweiges (E) erhalten gebliebenen Querverweise, die die Kapitelfolge in der lateinischen Übersetzung nachweislich beeinflussten (s. dazu Kap. II.1.2), davon Zeugnis ab, dass schon die Vorlage der ›Lux divinitatis‹ eine mit E weitgehend identische Buch- und Kapitelfolge aufwies. Doch nicht nur die Einteilung in Bücher und Kapitel sowie die Querverweise, sondern auch die Kapitelüberschriften müssen schon in dieser Vorlage vorgelegen haben. N eumann selbst macht im Untersuchungsband folgende Beobachtung: «Reflexe der dt. Kapitelüberschriften lassen sich - auch wenn die Umgruppierung des Stoffes und die Modifikation des Inhalts gewöhnlich zu einer Neufassung der Überschrift führten - bisweilen noch in ihrer Übersetzung erkennen.» 686 Darüber hinaus weist N eumann mit Berufung auf P aul -G erhard V ölker darauf hin, «daß ein Teil der erhaltenen Marginalien bereits in der Vorlage der lat. Übersetzung gestanden haben muß.» 687 Auch an der Richtigkeit dieser Beobachtung wird man wohl nicht zweifeln dürfen. Eine gegenteilige Position vertritt E rnst B ecker , der behauptet, die Glossierung des lateinischen Textes sei ein «Spezificum der Hs. B [= Rb].» 688 Anders als die Randbemerkungen in E, die «ganz offenbar aus der Vorlage übernommen» (S. 24) sind, können die Glossen in Rb, so B ecker , nicht älteren Ursprungs, sondern erst zu einer Zeit entstanden sein, «als die alemannische Umschrift durch Heinrich von Nördlingen und seinen Freundeskreis erfolgte» (S. 23). Er begründet dies folgendermaßen: Mehrere Nachträge beweisen, «dass sie aus der Kenntnis der deutschen, heute vollständig nur noch von E repräsentierten Fassung des Fliessenden Lichtes stammen» (ebd.). Daher datiert B ecker die Glossierung in die vierziger Jahre des 14. Jahrhunderts, in eine Zeit also, als die Übertragung des ›Fließenden Lichts‹ ins Alemannische stattfand, und meint, die Glossen seien «durchweg von einer etwas jüngeren Hand» (S. 7) geschrieben (die Handschrift selbst wird ziemlich genau auf 1310 gesetzt 689 ). B ecker ist der Ansicht, Von der Schrift zum Buch 257 686 N eumann (1993), S. 201. Ergänzend dazu B ecker (1951), S. 44f. 687 N eumann (1993), S. 207. 688 B ecker (1951), S. 22f. 689 Auch O ehl (1911), S. 19 datiert die Handschrift auf den Anfang des 14. Jahrhunderts. Heinrich von Nördlingen könnte der Glossator gewesen sein, «denn dass er die lateinische Version offenbar doch gekannt hat, geht aus einer Bemerkung in seinem Briefwechsel hervor: ›Send mir auch lucem divinitatis› (Strauch, Brief 248)» (S. 24). Auch was die Randbemerkungen in E betrifft, ist B ecker der Ansicht, dass es nicht mehr sicher auszumachen sei, ob sie «schon aus der Vorlage Heinrichs übernommen sind, also noch in die nd/ md Ueberlieferung reichen.» Für die Glossen in E gilt dasselbe, was für die Randvermerke in Rb konstatiert wurde: «Ich glaube aber, dass weitaus die meisten in beiden Versionen das Resultat der intensiven Beschäftigung der Basler Gottesfreunde mit dem Werke Mechthilds sind» (ebd.). Zunächst sei darauf hingewiesen, dass die von B ecker gemachte Beobachtung, das den deutschen Text begleitende Glossenwerk könne nicht erst in E eingeführt worden sein, sondern müsse um einige Textstufen zurückliegen, unzweifelhaft richtig ist. Dafür spricht eine nicht unbeträchtliche Zahl von Marginalien, die E und Rb gemeinsam sind und die zuweilen auch in den Exzerpthandschriften des deutschen Überlieferungszweigs auftauchen. 690 Gelegentlich kommt auch vor, dass gerade die deutsche Exzerptüberlieferung es ist, die eine mit Rb gemeinsame Glosse bietet, während E eine Entsprechung fehlt. 691 Bezeugt ist auch der Fall, dass es unterschiedliche Glossen in der deutschen und lateinischen Überlieferung gibt, die sich jedoch auf die gleiche Textstelle beziehen. 692 Und schließlich gibt es eine Anzahl von Marginalien, die nur in Rb enthal- 258 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 690 Vgl. V ölker (1967), S. 53-57 und N eumann (1993), S. 209-232 mit Anmerkungen. Ergänzend kommen hinzu: id est demonibus (Rb fol. 61 ra , zu LD II.4,17/ Rev. Bd. II.2, S. 483,23): Das ist den túfeln (E fol. 76 v , zu FL V.1: 318,29f. [V.1,24]) - Nota sola propria voluntas alligat dyabolo et soluit (Rb fol. 69 ra , zu LD III.8,9f./ Rev. Bd. II.2, S. 526,17f.): Nota bene de arbitrio proprio (Rw Bl. 94, zu LG III.8,15f.): M v twille ist b o se und schadet úns (E fol. 109 v , zu FL VI.7: 444,13 [VI.7,10f.]) - Commendatur anima de tribus (Rb fol. 78 rb , zu LD IV.46,4f./ Rev. Bd. II.2, S. 575,6f.): Dú sele ist drivaltig (E fol. 23 v , zu FL II.19: 104,7 [II.19,5f.]): die sele ist driveltig (C fol. 137 r ) - Armatura anime 1 (Rb fol. 78 rb , zu LD IV.46,6/ Rev. Bd. II.2, S. 575,8f.): Das erste das si in dem stritte si menlich wider drier hande viende (E fol. 23 v , zu FL II.19: 104,11 [II.19,8f.]), dz erste dz si in dem stritte menlich wider driier hande viende (C fol. 137 v ) - -2- (Rb fol. 78 rb , zu LD IV.46,12/ Rev. Bd. II.2, S. 575,18f.): Notlich das ander glicheti einer gezierten jungfr p wen (E fol. 23 v , zu FL II.19: 104,22f. [II.19,17f.]), n o tlich dz ander glicheit si einer gezierten jvncfr p wen (C fol. 137 v ) - Item 7 natura (Rb fol. 82 va , zu LD V.9,12/ Rev. Bd. II.2, S. 596,28): Merke sibene (E fol. 94 r , zu FL V.25: 384,12 [V.25,10]). Hinzuweisen wäre auch auf so wirt si z v der súle geslagen (R, zu FL III.10: 182,28 [III.10,17], dazu S. 170f. oben). 691 Vgl. Nota (Rb fol. 78 va , zu LD IV.47,18/ Rev. Bd. II.2, S. 576,16): blinde lúte dvncket dz lieht ein túsche (C fol. 138 r , zu FL II.19: 106,14 [II.19,40f.]) - Responsio anime (Rb fol. 78 va , zu LD IV.48,3/ Rev. Bd. II.2, S. 576,20): die sele (C fol. 138 r , zu FL II.19: 106,18 [II.19,44f.]) - Nota de triplici celo (Rb fol. 78 va , zu LD IV.48,4/ Rev. Bd. II.2, S. 576,22), s. dazu S. 242, Anm. 619. Hinzuweisen wäre auch auf daz ist luters lebennes begert si (R 22f., zu FL III.10: 184,12f. [III.10,30f.], dazu S. 169f. oben). 692 Vgl. venenum est peccatum (Rb fol. 55 va , zu LD I.8,10f./ Rev. Bd. II.2, S. 452,28f.): Ade spise gab im den schaden iiii [libro] xxvii f (= FL IV.27: 308,9f. [IV.27,133f.]) (E fol. 41 r , zu FL III.9: 178,14f. [III.9,58f.]) - Modus orandi virginum (Rb fol. 56 ra , zu LD I.12,2f./ Rev. Bd. II.2, S. 456,10): Alsus sol man betten (E fol. 88 r , zu FL V.23: 362,7 [V.23,4]) - Nota gloriosum fructum [B ecker 1951, S. 74 liest irrtümlich factum] penitencia (Rb fol. 61 ra , zu LD II.4,14f./ Rev. Bd. II.2, S. 483,19): Rúwe hat gotz schin der ist offen in drien stetten (E fol. 76 v , zu FL V.1: 318,23f. [V.1,19f.]) - Oracio preparatoria ad attentam ten sind, in den uns bekannten Handschriften des deutschen Überlieferungszweiges dagegen ausgefallen sein dürften, denn «[d]ie Art dieser Randzusätze unterscheidet sich nicht von denen, die E allein oder mit C oder B zusammen überliefert.» 693 Dies alles spricht dafür, dass die Marginalien in Rb, sollten sie, wie von B ecker vermutet, tatsächlich der Kenntnis der deutschen Überlieferung zu verdanken sein, trotz der bemerkenswerten zeitlichen und räumlichen Nähe von Rb zu E (die Handschrift dürfte S chneider 2009, Bd. 2, S. 150 zufolge «kaum sehr lang nach der Jahrhundertmitte geschrieben» worden sein) unmöglich E selbst entnommen sein können. Diese Beobachtung findet ihre Bestätigung auch darin, dass der deutsche Text, mit dem Rb in Basel im dritten Viertel des 14. Jahrhunderts verglichen wurde, nachweislich eine andere, stellenweise bessere Handschrift des ›Fließenden Lichts‹ war als E (s. dazu S. 104, Anm. 27 und S. 242, Anm. 619). Es muss also eine weitere Handschrift des deutschen Textes gegeben haben, die die in Rb und der sonstigen Parallelüberlieferung enthaltenen kommentierenden Randbemerkungen enthielt. Diente aber diese auch als Vorlage für die in Rb enthaltenen Glossen? Gegen die These von B ecker , das Glossensystem stelle ein Spezifikum von Rb dar, ließe sich ins Feld führen - und das wurde bislang übersehen -, dass auch die Hand- Von der Schrift zum Buch 259 oracionem (Rb fol. 81 va , zu LD V.4,28f./ Rev. Bd. II.2, S. 592,6): Wie si sont arbeiten (E fol. 83 v , zu FL V.11: 342,36 [V.11,34]). 693 V ölker (1967), S. 56. V ölker führt einige Beispiele an, die jedoch nicht immer zutreffend sind. Ergänzend dazu nenne ich folgende Belege: S u m m a t i o n e n (Item 4 or , Rb fol. 60 vb , zu LD II.2,10/ Rev. Bd. II.2, S. 481,19, bezieht sich auf FL II.22: 114,10f. [II.22,14f.] - Nota 4 or in quibus excellent, Rb fol. 69 rb , zu LD III.11,2/ Rev. Bd. II.2, S. 529,3, bezieht sich auf FL IV.27: 298,25f. [IV.27,9f.] - De 7 ci amore, Rb fol. 76 va , zu LD IV.33,16f./ Rev. Bd. II.2, S. 566,24, bezieht sich auf FL III.24: 220,30f. [III.24,13f.]); K o n k o r d a n z e n (videbam sathanam quasi fulgor de celo cadentem [Lc 10,18], Rb fol. 65 rb , zu LD II.28,23f./ Rev. Bd. II.2, S. 505,29, bezieht sich auf FL III.1: 150,4f. [III.1,60f.] - Col. 1 [recte: 3,14] Super omnia charitatem habentes quod est vinculum perfectionis Glossa Charitas omnis ligat ne abeant, Rb fol. 75 vb , zu LD IV.27,19f./ Rev. Bd. II.2, S. 563,2, bezieht sich auf FL IV.19: 284,3f. [IV.19,2f.] - Vide Cor. 13c Major autem horum est caritas [I Cor 13,13], Rb fol. 75 vb , zu LD IV.28,9f./ Rev. Bd. II.2, S. 563,12, bezieht sich auf FL IV.19: 284,13 [IV.19,11f.] - Psalmi ego sum vermis et non homo [Ps 21,7] ++ R[g] ++ Ipse quasi tenerrimus ligni vermiculus [II Sm 23,8], Rb fol. 80 vb , zu LD V.1,9f./ Rev. Bd. II.2, S. 587,14f., bezieht sich auf FL IV.18 - Sapientiae + 5 + Hij sunt quos aliquando habuimus in derisu etcetera [Sap 5,3], Rb fol. 81 rb , zu LD V.3,17f./ Rev. Bd. II.2, S. 590,5f., bezieht sich auf FL IV.18: 282,4f. [IV.18,82f.]) und I n h a l t s a n g a b e n (omnes sunt amministratorij spiritus, Rb fol. 56 ra , zu LD I.11,23f./ Rev. Bd. II.2, S. 456,3f., bezieht sich auf FL IV.14: 270,1f. [IV.14,44f.] - sponsus ostendit in se amabilia sponse, Rb fol. 58 va , zu LD I.23,6f./ Rev. Bd. II.2, S. 468,36, bezieht sich auf FL I.29: 48,26 [I.29,2] - Nota de regno celorum quare sic nominatur, Rb fol. 65 rb , zu LD II.28,9f./ Rev. Bd. II.2, S. 505,8f., bezieht sich auf FL III.1: 148,22 [III.1,44f.] - Nota de gloria predicatorum, Rb fol. 65 va , zu LD II.29,22f./ Rev. Bd. II.2, S. 506,28, bezieht sich auf FL III.1: 150,36f. [III.1,83f.] - Pulchre disceptacio excitantis et excusantis, Rb fol. 71 ra , zu LD IV.1/ Rev. Bd. II.2, S. 539, bezieht sich auf FL II.23: 114,22 [II.23,1] - Copiose describit anima dilectum suum, Rb fol. 72 rb , zu LD IV.9/ Rev. Bd. II.2, S. 547, bezieht sich auf FL I.13: 34,14 [I.13,1] - Nota ornatum sponse, Rb fol. 73 ra , zu LD IV.13,7/ Rev. Bd. II.2, S. 550,5f., bezieht sich auf FL I.44: 58,22f. [I.44,18f.] - Laus quadruplex, Rb fol. 80 rb , zu LD IV. 58,18/ Rev. Bd. II.2, S. 585,30f., bezieht sich auf FL VI.34: 500,27f. [VI.34,2f.]). schrift der alemannischen Rückübersetzung, die auf ein anderes Exemplar der ›Lux divinitatis‹ zurückgeht als Rb bzw. die Vorlage von Rb, Reflexe einer in ihrer lateinischen Übersetzungsvorlage noch vorhandenen Glossierung aufweist. Von besonderem Interesse sind einige Nota-Hinweise und Zeigehände zu Textstellen, die auch in Rb markiert sind, sei es durch Tintenstriche oder durch Nota-Vermerke, vgl. LG I.4,17f. (Maniculus): LD I.4,12/ Rev. Bd. II.2, S. 450,11f. (Tintenstrich) - LG I.7,14 (Nota): LD I.7,8f./ Rev. Bd. II.2, S. 452,8f. (Tintenstrich) - LG III.1,46 (Maniculus): LD III.1,35/ Rev. Bd. II.2, S. 520,31f. (Notabile) - LG III.8,15f. (Nota bene de arbitrio proprio): LD III. 8,10/ Rev. Bd. II.2, S. 526,17f. (Nota sola propria voluntas alligat dyabolo et soluit) - LG IV.29,31 (Maniculus): LD IV.31,14/ Rev. Bd. II.2, S. 565,8f. (Nota) - LG IV.43,18 (Maniculus): LD IV.52,11/ Rev. Bd. II.2, S. 580,15f. (Nota) - LG VI.18,16 (Maniculus): LD VI. 18,10/ Rev. Bd. II.2, S. 638,4f. (Nota). Hinzuweisen wäre in diesem Zusammenhang auch auf die Sprecherangabe Spricht die erkantnus, die in Rw im Text (LG IV.40,36), in Rb dagegen als cognicio am Rande steht (LD IV.47,10f./ Rev. Bd. II.2, S. 576,4). 694 Sie dürfte aus der lateinischen Vorlage der alemannischen Rückübersetzung in den Text gezogen worden sein. Diese Vorlage muss, weil nicht mit Rb bzw. der Vorlage von Rb identisch, einer älteren Überlieferungsstufe der ›Lux divinitatis‹ angehört haben. Ob diese Vorstufe die gemeinsame Vorlage für *Rw und *Rb war, bleibt offen. Auf jeden Fall zeigen die hier angeführten Belege, dass die These von B ecker , die Glossen seien ein «Spezificum der Hs. B [= Rb]», unhaltbar ist. Gegen B ecker muss zudem betont werden, dass die Handschrift Rb nicht 1310, sondern erst um bzw. kurz vor 1350 entstanden ist (s. S. 190, Anm. 380). Auch gehen die Glossen in Rb nicht, wie von B ecker behauptet, auf eine einzige, sondern auf mehrere Hände zurück, ohne dass zwischen den einzelnen Händen immer und überall mit Sicherheit unterschieden werden könnte. Zudem datieren sie deutlich später als von B ecker angenommen, und zwar auf das dritte Viertel des 14. Jahrhunderts (s. S. 221, Anm. 516). Ob sie von Heinrich von Nördlingen bzw. seinem ‹Gottesfreundekreis› stammen, wird man daher wohl nicht behaupten können. Tatsache ist jedoch - und in diesem Punkt muss man B ecker recht geben -, dass die Glossen in Rb nicht zum Grundbestand der Handschrift gehören, sondern Nachträge sind. Es scheint, als wären sie nachgetragen worden, als der Vergleich des lateinischen Textes mit einer Handschrift des ›Fließenden Lichts‹ erfolgte (s. dazu S. 362ff. weiter unten). Allerdings wurde die Abschrift der ›Lux divinitatis‹ in Rb aus diesem Anlass - auch das wurde bislang nicht registriert - nicht nur mit dem deutschen Text, sondern auch mit jenem Exemplar der ›Lux divinitatis‹ (der ursprünglichen Vorlage von Rb? ) rückverglichen, aus dem meiner Ansicht nach auch der Großteil der kommentierenden Randbemerkungen stammt. Für den hier postulierten doppelten Rückvergleich mit je einer Handschrift des deutschen und des lateinischen Textes sprechen zum einen die Ergänzungen, die die lateinische Übersetzung an den Wortlaut des als original verstandenen deutschen Textes annähern wollen (mehr dazu auf S. 362ff. weiter unten), zum anderen eine Reihe von Marginalien, die Abschreibefehler von Rb korrigieren. Diese sind von jenen marginalen oder interlinearen Korrekturen abzuheben, die auf den Schreiber von Rb selbst zurückgehen und gleich 260 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 694 In der gleichen Position (als Anmerkung zu FL II.19: 106,3 [II.19,31]) taucht die Sprecherangabe die bekantnisse auch in der deutschen Überlieferung auf, und zwar einmal am Rande von E fol. 24 r und das andere Mal in den Text integriert, doch mit Rubrum hervorgehoben in C fol. 138 r (s. Textabdruck S. 456f. weiter unten). nach bzw. während der Abschrift vorgenommen wurden. Dass die erst im dritten Viertel des 14. Jahrhunderts in Rb eingetragenen Korrekturen zum ursprünglichen Bestand der ›Lux divinitatis‹ gehören und auf den Rückvergleich mit einer lateinischen Handschrift der ›Lux divinitatis‹ zurückgehen, erkennt man daran, dass das, was in Rb zur Korrektur von Abschreibefehlern am Rand nachgetragen wurde, in Rw, einem von Rb unabhängigen Textzeugen der lateinischen Übersetzung, im Text selbst steht. 695 Bei Von der Schrift zum Buch 261 695 Dass die folgenden Randeinträge nicht durch einen Vergleich mit dem ›Fließenden Licht‹ auf einer früheren, vor Rb liegenden Textstufe entstanden sind, erkennt man daran, dass es gelegentlich Ergänzungen in Rb gibt, die ohne Entsprechung im deutschen Text sind, daher ihm nicht entnommen werden konnten, vgl. prophete (Rb fol. 56 vb ) zu LD I.14,15/ Rev. Bd. II.2, S. 459,37: in Rw im Text, vgl. LG I.14,22 (= FL V.23: 368,16 [V.23,86]: die propheten) - cuius (Rb fol. 60 vb ) zu LD II.3,5/ Rev. Bd. II.2, S. 482,20: in Rw im Text, vgl. LG II.3,6 (Entsprechung fehlt FL VI.41! ) - necessitati (Rb fol. 62 va ) zu LD II.11,7/ Rev. Bd. II.2, S. 491,3: in Rw im Text, vgl. LG II.11,9 (Entsprechung fehlt FL IV.20! ) - (sacras) scripturas (Rb fol. 65 rb ) zu LD II.28,3/ Rev. Bd. II.2, S. 505,1: in Rw im Text, vgl. LG II.25,5 (Entsprechung fehlt FL III.1! ) - quam sanguinem fundere (Rb fol. 68 ra ) zu LD III.3,12/ Rev. Bd. II.2, S. 522,10f.: in Rw im Text, vgl. LG III.3,17 (= FL III.8: 174,8 [III.8,11]: bl v t giessen) - posset (Rb fol. 70 va ) zu LD III.14,45/ Rev. Bd. II.2, S. 534,31 (possit): in Rw im Text, vgl. LG III.14,69 (= FL VI.15: 464,16 [VI.15,53]: m o hte) - doctrinam (Rb fol. 70 vb ) zu LD III.15,9/ Rev. Bd. II.2, S. 535,16: in Rw im Text, vgl. LG III.15,12: nach meiner vorordenung (= FL VI.15: 466,6 [VI.15,75]: lere) - martir (Rb fol. 71 vb ) zu LD IV.5,11/ Rev. Bd. II.2, S. 544,3: in Rw im Text, vgl. LG IV.4,17 (= FL II.25: 130,10 [II.25,60]: marterer) - honorem tibi (Rb fol. 72 vb ) zu LD IV.11,2/ Rev. Bd. II.2, S. 548,22: in Rw im Text, vgl. LG IV.10,3 (= FL I.36: 54,6 [I.36,3]: solt du geheret werden) - quod … nullum poterit inter(venire) (Rb fol. 73 rb ) zu LD IV.13,49f./ Rev. Bd. II.2, S. 551,34: in Rw im Text, vgl. LG IV.12,77 (= FL I.44: 64,10 [I.44,83]: und nihtes nit mag sin) - homini (Rb fol. 75 vb ) zu LD IV.28,2/ Rev. Bd. II.2, S. 563,2: in Rw im Text, vgl. LG IV.27,4 (Entsprechung fehlt FL IV.19! ) - sint (mit Einweisungszeichen für sunt, Rb fol. 76 vb ) zu LD IV.36,4/ Rev. Bd. II.2, S. 568,20: in Rw im Text, vgl. LG IV.34,6 (= FL V.4: 328,13 [V.4,44]: [das si minnesam] sin) - uindictam non [expecto] (uinkorrigiert aus non, Rb fol. 78 ra ) zu LD IV.45,32/ Rev. Bd. II.2, S. 574,26f.: in Rw im Text, vgl. LG IV.39,77 erforsch ich nit rach (= FL III.3: 164,21f. [III.3,34]: leit … nit wreken) - et (Rb fol. 78 va ) zu LD IV.48,6/ Rev. Bd. II.2, S. 576,26: in Rw im Text, vgl. LG IV.40,58 (= FL II.19: 106,23f. [II.19,49]: und) - (simil)es es (similes korrigiert aus similis, Rb fol. 80 vb ) zu LD V.1,6/ Rev. Bd. II.2, S. 587,10 (similis es): in Rw im Text, vgl. LG V.1,10 (= FL IV.18: 276,15 [IV.18,8]: bist gelich) - animal (Rb fol. 81 ra ) zu LD V.3,7/ Rev. Bd. II.2, S. 589,31: in Rw im Text, vgl. LG V.2,53 (= FL IV.18: 280,30 [IV.18,73]: tier) - (fide)lem (Rb fol. 81 rb ) zu LD V.3,16/ Rev. Bd. II.2, S. 590,5: in Rw im Text, vgl. LG V.2,65 (= FL IV.18: 282,5 [IV.18,83]: getrúwelich) - amaritudine (Rb fol. 82 va ) zu LD V.9,7/ Rev. Bd. II.2, S. 596,21: in Rw im Text, vgl. LG V.7,10 (= FL V.25: 384,9 [V.25,8]: bitterkeit) - est (Rb fol. 82 va ) zu LD V.9,12/ Rev. Bd. II.2, S. 596,29: in Rw im Text, vgl. LG V.7,20 (= FL V.25: 384,24 [V.25,19]: ist) - perseuera (Rb fol. 85 ra ) zu LD V.24,2/ Rev. Bd. II.2, S. 609,28 (Entsprechung fehlt LG V.19 und FL IV.1! ) - (non) plus (Rb fol. 85 ra ) zu LD V.25,12/ Rev. Bd. II.2, S. 610,21: in Rw im Text, vgl. LG V.20,8 (= FL III.15: 194,11 [III.15,16]: nit mer) - (elonga)nt ut (Rb fol. 86 rb ) zu LD V.36,2/ Rev. Bd. II.2, S. 617,8: in Rw im Text, vgl. LG V.28,3 (= FL V.19: 354,2 [V.19,2]: jagent) - sub (Rb fol. 87 ra ) zu LD VI.3,22/ Rev. Bd. II.2, S. 621,21: in Rw im Text, vgl. LG VI.3,36 (= FL III.21: 210,21 [III.21,61]: under) - tuique spiritus infusione (Rb fol. 89 vb ) zu LD VI.17,22/ Rev. Bd. II.2, S. 634,34: in Rw im Text, vgl. LG VI.17,31 (= FL V.35: 410,5f. den Ergänzungen dagegen, die in Rb vorgenommen wurden, um die lateinische Übersetzung im Rückgriff auf eine Handschrift des ›Fließenden Lichts‹ an den Wortlaut des deutschen Textes anzunähern, fehlt es an einer Entsprechung in Rw. Daher dürften allein diese, nicht jedoch die kommentierenden Randbemerkungen, ein Spezifikum von Rb darstellen (vgl. S. 362ff. weiter unten). Wie alt sind nun aber die kommentierenden Randbemerkungen in Rb? Man wird unter ihnen mit B ecker wohl einige vermuten dürfen, die erst in der Basler Tradition des ›Fließenden Lichts‹ bzw. seiner lateinischen Übersetzung in den Text eingedrungen sind. Auch mit der Möglichkeit, dass Randnotizen aus dem jeweils anderen Überlieferungszweig übernommen wurden, ist zu rechnen, 696 zumal es als erwiesen gilt, dass der deutsche und der lateinische Text in Basel verglichen wurden. Ich bezweifle jedoch, dass daraus geschlossen werden darf, dass die meisten Randvermerke in beiden Versionen des ›Fließenden Lichts‹ «das Resultat der intensiven Beschäftigung der Basler ›Gottesfreunde‹ mit dem Werke Mechthild» seien, wie von B ecker angenommen. Es fällt nämlich auf, dass nur die ersten sechs Bücher mit Randeinträgen aller Art übersät sind, während Marginalien im siebten Buch bis auf einige Ausnahmen gänzlich fehlen. 697 Wäre die Annotierung des ›Fließenden Lichts‹ das Werk der Basler ‹Gottesfreunde›, so wäre eigentlich eine durchgehende, alle sieben Bücher des volkssprachlichen Textes erfassende Glossierung zu erwarten. Das ist aber nicht der Fall. Dies könnte daran liegen, dass die oben aufgezeigten kommentierenden Randbemerkungen ursprünglich im lateinischen Überlieferungszweig beheimatet waren und von hier anlässlich eines Vergleichs der beiden Textversionen, mit dem wir in der Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ immer wieder rechnen müssen, in den deutschen Text übertragen wurden. Dazu könnte auf einer der Zwischenstationen des ›Fließenden Lichts‹ auf dem Weg nach Süden oder in Basel selbst anlässlich der Überführung des mittelniederdeutschen Textes ins Alemannische gekommen sein, keineswegs jedoch auf einer wesentlich späteren Überlieferungsstufe (etwa in *E), denn die Spuren jener kommentierenden Glossierung, das E bzw. *E auszeichnet, finden sich, wenn auch in unterschiedlicher Dichte (s.o.), auch in den restlichen Textzeugen des oberdeutschen Überlieferungszweiges. Es gibt indes auch eine andere, weitaus bessere Erklärung dafür, warum sich die Glossierung nur auf die ersten sechs der insgesamt sieben Bücher des ›Fließenden Lichts‹ erstreckt. Sie dürfte, wie das System der Querverweise, zwischen der ‹Neuauflage› des ›Fließenden Lichts‹ (= F 1 , Diagramm 3) und der Entstehung der lateinischen Übersetzung entstanden sein. 698 Sie reicht also bis zur mittelniederdeutschen Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹ zurück und wird von den lateinischen Übersetzern mit übersetzt worden sein. 262 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ [V.35,32]: umb dines heligen geistes ervúllunge), s. dazu N eumann (1993), S. 108 - in mel vertas (Rb fol. 89 vb ) zu LD VI.17,26/ Rev. Bd. II.2, S. 635,4f.: in Rw im Text, vgl. LG VI.17, 35f. (= FL V.35: 410,10 [V.35,35f.]: ze honig wellist machen), s. dazu B ecker (1951), S. 29 - me (Rb fol. 90 ra ) zu LD VI.17,60/ Rev. Bd. II.2, S. 636,15: in Rw im Text, vgl. LG VI.17, 83 (= FL VI.37: 506,13 [VI.37,16]: mich) - habitacio (Rb fol. 90 vb ) zu LD VI.19,17/ Rev. Bd. II.2, S. 639,20: in Rw im Text, vgl. LG VI.19,27 (= FL VI.6: 442,25 [VI.6,23]: wonunge). 696 S. dazu N eumann (1993), S. 208. In welche Richtung die Entlehnung stattgefunden hat, ist allerdings schwer zu sagen. 697 Vgl. N eumann ebd., S. 232. 698 Vgl. auch V ölker (1967), S. 57. Für eine gemeinsame Vorstufe der deutschen und lateinischen Tradition des ›Fließenden Lichts‹ sprechen außerdem Fehler, die beiden Überlieferungszweigen gemeinsam sind. Die Tatsache, dass es diese gemeinsamen Fehler gibt, ist auch N eumann nicht entgangen. Man fragt sich jedoch, was diese Fehler für die frühe Überlieferungsgeschichte des Textes bedeuten. N eumann ging diese Frage nie systematisch an. Sie muss sich für ihn allerdings gestellt haben, wie den folgenden Ausführungen entnommen werden kann. Auf einige gemeinsame Fehler des deutschen und lateinischen Überlieferungszweigs hat N eumann schon in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts hingewiesen. Dazu kommen Belege, die in der Forschung, im Untersuchungsband zur textkritischen Ausgabe sowie im Kommentarteil der Edition von V ollmann -P rofe genannt werden. Doch muss gleich hier betont werden, dass es bei der Bestimmung dessen, was als fehlerhaft gilt, empfehlenswert ist, eine gewisse Vorsicht walten zu lassen. Dazu mahnt schon die Tatsache, dass jene Korruptelen, die N eumann in seinen frühen Aufsätzen genannt hat, in der kritischen Ausgabe nicht mehr als solche identifiziert werden. 699 Auch jenen Fällen, bei deren Identifizierung als Fehler das Postulat einer auf Formstrenge bedachten Autorin eine Rolle gespielt hat, wird man mit Vorsicht begegnen. 700 Dazu kommen einige Belege, die aus anderen Gründen nicht als gemeinsame Fehler gelten können. 701 Trotz dieser Abstriche bleiben genügend Beispiele übrig, die das Vorliegen einer Reihe von Fehlern, die der deutschen und lateinischen Tradition des ›Fließenden Lichts‹ gemeinsam sind, nahe legen. Es handelt sich um Textausfälle, Textverstümmelungen, Zusätze sowie um gemeinsame Fehllesungen. 702 Zwei von ihnen scheinen mir besonders aussagekräftig zu sein, weshalb sie gesondert genannt werden sollen. Von der Schrift zum Buch 263 699 Vgl. N eumann (1948/ 50), S. 157 und N eumann (1993), S. 14f. zu I.22,13 (s. dazu auch S. 38f. oben) sowie N eumann (1954c), S. 169 und N eumann (1993), S. 108 zu V.35,41f. Auch seine Überlegungen zu FL V.35: 410,26 (V.35,48) ließ N eumann (1990), S. 198 stillschweigend fallen, s. dagegen N eumann (1954c), S. 169f. 700 Vgl. N eumann (1993), S. 134f., Anm. zu VI.32,6 (s. dazu S. 45f. oben) und ebd., S. 10, Anm. zu I.23,4f. (anders V ollmann- P rofe 2003, S. 715, Anm. zu 44,7-9). 701 Ein frühes Verderbnis wird in FL V.5: 332,21 (V.5,23) vermutet, s. B ecker (1951), S. 77, V ölker (1967), S. 51, Anm. 1, N eumann (1993), S. 86 und V ollmann- P rofe (2003), S. 794, Anm. zu 332,21f. Liest man den Satz jedoch im Kontext, so stellt sich heraus, dass die angebliche Korruptele in der deutschen Überlieferung vielleicht gar keine ist, s. dazu N emes (2008b), S. 363f. - Ein «alter Fehler» soll V ollmann- P rofe (2003), S. 756, Anm. zu 178,21-23 zufolge auch in FL III.9: 178,20-23 (III.9,63-66) vorliegen. Doch ist eine solche Annahme nicht zwingend, vgl. S. 169f., Anm. 300. 702 Te x t a u s f a l l in FL I.2: 22,7 (I.2,13, dazu N eumann 1993, S. 5) und FL III.1: 152,38 (III.1,115, dazu N eumann 1993, S. 49) - Te x t v e r s t ü m m e l u n g in FL I.1: 20,22f. (I.1,24, dazu V izkelety / K ornrumpf 1968, S. 291, Anm. 1 und M ichel 1995b, S. 184); FL II.4: 84,7f. (II.4,5f., dazu V ollmann- P rofe 2003, S. 730); FL IV.2: 234,23 (IV.2,92, dazu N eumann 1993, S. 66); FL IV.23: 292,13 (IV.23,3, dazu N eumann 1993, S. 79); FL V.23: 374,36-376,2 (V.23,188-190, dazu N eumann 1993, S. 98f.); FL V.32: 400,9 (V.32,7, dazu N eumann 1993, S. 105f. und V ollmann- P rofe 2003, S. 808); FL VI.7: 444,16 (VI.7,12f., Auf die «irrtümliche Kapitelgliederung», 703 die bei FL II.2 und 3 vorliegt, wurde schon in Kap. II.1.2 (S. 118) der vorliegenden Arbeit hingewiesen. Hier noch einmal die Fakten kurz zusammengefasst: Vorgezogen wird die Grenze zwischen den beiden Kapiteln nicht nur in E, sondern auch in den Handschriften der lateinischen Bearbeitung, was auf einen alten Fehler schließen lässt. Dass wir es hier tatsächlich mit einem Fehler zu tun haben, der schon der mittelniederdeutschen Vorlage der ›Lux divinitatis‹ eigen war, beweisen auch die Kapitelverweisungen in den Tituli von Rb und vor allem manche Querverweise von E. Das heißt, die irrtümliche Aufteilung der Kapitel FL II.2 und 3 lag schon zu dem Zeitpunkt vor, als die Stellenverweise im deutschen Text eingeführt wurden. Das andere Beispiel entnehme ich FL III.1. Ein längerer Abschnitt (152,19- 38 [III.1,99-115]) handelt von der Ehre, die den Predigern, Märtyrern und den heiligen Jungfrauen im Himmel zuteil wird. Auf die Beschreibung der Kleidung und Kopfbedeckung dieser drei Stände folgt eine festliche Tanzszene. drierlei spilunde vl v t kommt Predigern, Märtyrern und Jungfrauen von Gott entgegen, die ihren m v t so sehr erfüllt, dass sie anfangen, zu singen. Ausgeführt wird nur der Lobgesang der Prediger und Märtyrer, wohingegen derjenige der Jungfrauen fehlt. Er muss auf einer frühen Textstufe ausgefallen sein, 704 denn auch LD II.30 (Rev. Bd. II.2, S. 507) bzw. LG II.27,16f. bieten nichts Entsprechendes. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das Fehlen des Gesangs der Jungfrauen auch von den Rezipienten der ›Lux divinitatis‹ registriert wurde. So findet man auf dem oberen Blattrand von Rb fol. 65 vb den Hinweis: triplex alludens gaudium Canticum virginum in 2 libro c. 25 puerorum [recte predicatorum] hic Cantus trinitatis in 5 libro 26 c. Sollte diese Marginalie eingetragen worden sein, als die Übersetzung angefertigt wurde, so wäre sie ein weiterer Beleg dafür, dass die Übersetzungsvorlage einen schon in Bücher und Kapitel eingeteilten Text bot, denn der Verweis gilt FL II.25: 134,15f. (II.25, 134f.): der megde sang und FL V.26 (Überschrift: Wie got sich lobet und singet). 264 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ dazu N eumann 1993, S. 115 und V ollmann- P rofe 2003, S. 815); FL VI.8: 446,20 (VI.8,5f., dazu S. 160f. oben); FL VI.31: 494,27 (VI.31,32f., dazu N eumann 1993, S. 133f.) - Z u s ä t z e in FL I.22: 38,12-44,3 (I.22,12-34, dazu N eumann 1993, S. 14 und V ollmann- P rofe 2003, S. 712f.); FL V.24: 378,10 (V.24,7, dazu N eumann 1993, S. 99 und V ollmann- P rofe 2003, S. 805) - g e m e i n s a m e F e h l l e s u n g e n: betest in FL IV.5: 252,15 (IV.5,25) und rogaueris in LD IV.59,21/ Rev. Bd. II.2, S. 586,30 (LG IV.47,32: wurdest bitten) ist nach dem Kontext der Stelle als nd. bêdest für beitest aufzufassen, vgl. B ecker (1951), S. 36 und N eumann (1993), S. 69. Hinzuweisen wäre auch auf FL IV.27: 300,32f. (IV.27,37). Hier lesen wir über die Letzten Brüder: Si s o llent nieman nit bitten ze b v chen noch ze kleiden. E und C stimmen in der fehlerhaften Lesart b v chen (‹Bücher) mit den Handschriften der lateinischen Tradition überein. Auch letztere lesen libris (LD III.11, 25/ Rev. Bd. II.2, S. 530,6) bzw. bucher (LG III.11,38). Dazu N eumann (1993), S. 82: «Schon die mnd. Vorlage der ›Rev.‹ hatte den Fehler boken statt broken »Beinkleider«. 703 N eumann (1993), S. 30, Anm. zu II.2,17. 704 Vgl. N eumann (1993), S. 49, Anm. zu III.1,115. Aber selbst wenn dies nicht zutreffen würde, wäre sie auf jeden Fall für das 13. Jahrhundert zu reklamieren, lässt doch Dietrich von Apolda erkennen, dass der Randeintrag schon in jener Vorlage enthalten war, der er die Dominikus betreffenden Abschnitte der ›Lux divinitatis‹ entnommen hatte. So wurde in dem mit Aliae mirabiles visiones de primitiva sanctitate Praedicatorum et magna eorum gloria in caelo überschriebenen Kapitel XXXIII ausgerechnet jener Abschnitt aus FL III.1 exzerpiert, der von den genannten drei Gruppen von Heiligen handelt. Unmittelbar darauf folgt das in Anlehnung an LD IV.7, 20-25 (Rev. Bd. II.2, S. 545,24-31) formulierte canticum virginum. 705 Offenbar konnte Dietrich ein (in Erfurt vorhandenes? ) Exemplar des ›Fließenden Lichts‹ zum Vergleich heranziehen. 706 Was sagen diese Fehler über die frühe Text- und Überlieferungsgeschichte des ›Fließenden Lichts‹? Da es sich um Abschreibefehler handelt, wäre vorstellbar, dass sie sich anläßlich der redigierenden Abschrift der Bücher I-VI (= F 1 , Diagramm 3) in den Text eingeschlichen haben. Nicht auszuschließen ist freilich, dass sie schon im ‹Autograph-Original› (= F, Diagramm 3) enthalten waren, 707 vor allem wenn man bedenkt, dass der redigierenden Abschrift der Bücher I-V (= E 2 , Diagramm 3) weitere Abschriften (= A 1 , B 1 usw., Diagramm 3) vorausgegangen sein könnten, die die Reinschrift einzelner Arbeitsabschnitte (= A, B usw., Diagramm 3) - nicht von Publikationseinheiten! (s. dazu S. 252f. oben) - darstellten. 708 Die dem deutschen und lateinischen Überlieferungs- Von der Schrift zum Buch 265 705 Vgl. Acta Sanctorum Augusti, Bd. 1, Antwerpen 1733 (ND Brüssel 1970), S. 628F-629B (Nr. 395-397). 706 Damit ist nicht gesagt, dass diese womöglich Erfurter Handschrift des ›Fließenden Lichts‹, deren Existenz aufgrund seiner sprachhistorischen Untersuchungen zu E auch N eumann (1987a), Sp. 262 vermutete, auch für die Textkonstitution von Dietrich konsultiert wurde, vgl. B ecker (1951), S. 14f. 707 G erhardt (1991), S. 104f. hat mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass es nicht statthaft ist, ein fehlerfreies und textlich überlegenes Original zu postulieren, um im Gegenzug den Archetyp für die allen Handschriften gemeinsamen Fehler verantwortlich zu machen. Dass das Autograph selbst mit kleineren und größeren Fehlern belastet sein kann, zeigen autographe Überlieferungen wie die Berliner Handschrift von Boccaccios ›Decameron‹ (dazu G rubmüller 2002, S. 9f.), die ›Offenbarungen‹ der Nürnberger Patrizierwitwe Katharina Tucher (W illiams / W illiams -K rapp 1998, S. 26 und Apparat) und diejenigen der Ötenbacher Schwester Elsbeth von Oye (S chneider -L astin 1994, S. 56f.). Das Züricher Exemplar der ›Offenbarungen‹ Elsbeths veranlasste schon N eumann zu der Feststellung, «daß einem Autor selbst sowohl bei der Reinschrift wie bei der Urschrift zahlreiche Fehler unterlaufen können, die man in der Regel erst Abschriften aus fremder Hand zuzuschreiben pflegt» (N eumann 1967, S. 47). Für Mechthild gelten indes andere Regeln, denn die am präsupponierten Mechthildischen orientierten Emendationen und Konjekturen von N eumann (im Bereich des Satz- und Gedankenparallelismus sowie des Reimgebrauchs) setzen ein fehlerfreies Autorexemplar voraus. Daher kommt es, dass der kritisch konstituierte Text zuweilen den Eindruck erweckt, mechthildischer als das Original selbst zu sein (s. dazu S. 43ff. oben). 708 Einen Beleg dafür, dass man mit dieser Möglichkeit zu rechnen hat, scheint auf den ersten Blick FL IV.23: 292,13 (IV.23,3) zu liefern. N eumann macht darauf aufmerksam, dass zweig gemeinsamen Fehler ließen sich auch durch eine mehrgliedrige Traditionskette erklären. So könnten zwischen dem Redaktionsexemplar der Bücher I-VI und der Handschrift, an der sich die Überlieferung in zwei Stränge (einen deutschen und einen lateinischen) scheidet, mehrere Abschriften liegen. Und in der Tat stößt man in der Forschung auf Überlegungen, die in diese Richtung weisen. Ich nenne zwei Beispiele. In FL II.26 liest man folgende Fürbitte: Eya herre, ich súfzen und gere und bitte fúr dinen schriber, der das b v ch na mir habe geschriben, das du im p ch wellist die gnade geben ze lone, die nie menschen wart gelúhen; wan, herre, diner gabe ist tusent stunt me denne diner creaturen, die si m o gent nehmen. (138,8-12 [II.26,34-37]) Ist hier von einem einzigen Schreiber die Rede, so setzt die nun folgende Antwort Gottes mehrere Schreiber voraus, die nach Mechthild (na mir) das Buch geschrieben haben: 266 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ LD II.9,3/ Rev. Bd. II.2, S. 489,5 mit insepultum (LG II.9,4: vnbegraben) «offenbar richtig» liest, E und C (vnd begraben) dagegen falsch, vgl. N eumann (1993), S. 79. «Schwierigkeiten macht nur das begrebde der Überschrift», stellt N eumann ebd. fest. Diese Schwierigkeiten resultieren daraus, dass die Überschriften auf einer besonders frühen Phase der Überlieferung, spätestens in der Teilpublikation der Bücher I-V, eingefügt sein müssen. Infolgedessen wäre davon auszugehen, dass ein im ‹Autograph-Original› zu vnd begraben verlesenes unbegraben Schuld an begrebde der Überschrift ist. insepultum in LD II.9,3 ließe sich dann als eine nochmalige ‹Verlesung› (*vnd begraben > unbegraben) deuten, und zwar durch den Übersetzer oder im Rahmen weiterer Abschriften auf dem Weg zur Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹. N eumann ebd. erklärt den Textbefund anders. Er ist der Ansicht, das begrebde der Überschrift könnte «sekundär» durch einen fehlerhaften Text veranlasst worden sein, denn «[m]an müßte erwarten Von Sante Johannes Ewangelisten lichamen» (entsprechend der ersten Zeile des Kapitels). Ursprüngliches lichamen sollte also in der Überschrift zu einem Zeitpunkt, als sich der Fehler für unbegraben bereits in den Text eingeschlichen hatte, durch begrebde ersetzt worden sein. Diese Erklärung überzeugt nicht. Abgesehen davon, dass auch das Register zum vierten Buch begrebde bietet (s. N eumann 1990, S. 109,37), ist nicht recht einzusehen, was der Anlass für den Vokabelersatz lichamen/ begrebde gewesen sein sollte. Ich sehe zwei Möglichkeiten, die Differenz zwischen dem deutschen und dem lateinischen Text zu erklären. Entweder ist, wie oben gesagt, die Verlesung vnd begraben (für unbegraben) anlässlich der Abschrift der Bücher I-IV bzw. I-V entstanden, oder - und das halte ich für wahrscheinlicher - es verhält sich mit der Fehlergenese genau umgekehrt wie von N eumann angenommen. N eumann geht davon aus, dass insepultum (und entsprechend emendiertes unbegraben) richtig ist (so auch V ollmann- P rofe 2003, S. 292,13). Dies ist jedoch keineswegs sicher, denn das Motiv des Grabes taucht sowohl in der Legende als auch in der Ikonographie des Evangelisten auf, s. M. S chmidt (1995), S. 381, Anm. 170 und V olfing (2001), S. 48-59. Es könnte also durchaus sein, dass vnd begraben und begrebde in FL IV.23 gar keine Fehler sind. insepultum dagegen stellt entweder einen Lesefehler der Übersetzer dar oder die Übersetzer haben vnd begraben in ihrer Vorlage vorgefunden und entsprechend übersetzt. Dass diese letzte Möglichkeit nicht auszuschließen ist, zeigt eine Reihe von ähnlich gelagerten Fällen (dazu S. 174f. oben). Do sprach únser herre: Si hant es mit guldinen b v chstaben geschriben, also s o nt allú disú wort des b v ches an irem obersten cleide stan eweklich offenbar in minem riche mit himmelschem lúhtendem golde ob aller ir gezierde wesen geschriben, wan dú vrie minne m v s ie das h o hste an den menschen wesen. (138,13-18 [II.26,37-41]) Die entsprechende Stelle der ›Lux divinitatis‹ bereitet keine solchen Schwierigkeiten für das Textverständnis, denn dort ist konsequent von scriptores die Rede: Et dixi ad dominum O domine cum gemitu cum desiderio peto pro scriptoribus qui hunc librum post me conscripserint . ut graciam tuam . eis in mercede conferas qualem ad huc alius non accepit In infinitum namque excedit donacio tua ualentem eam accipere . et Respondit dominus . Aureis hec conscripsere litteris ideo cuncta uerba in meo regno eorum amictum super omnem gloriam eorum ascripta perpetuo decorabunt (LD Prol 6,25-30/ Rev. Bd. II.2, S. 444, 6-14, ähnlich LG Vorrede 5,36-42) N eumann plädierte 1954 noch für folgende Lösung: «Man sollte besser die Anrede Gottes auf Mechthild u n d ihren Schreiber beziehen, während der Autor der Revel. sich selbst noch mit einschloß und so zum Plural pro scriptoribus kam. Es muß nämlich auffallen, daß sie Kapitelüberschrift: Von diseme b v che und von deme schriber dis b v ches (Morel 52,17) ebenso den Singular bietet und in diseme und deme das nd.-md. erhaltene -e der pronominalen Dativendung noch bewahrt hat, was sehr für die Güte der deutschen Version spricht! » 709 Dabei schließt N eumann die Emendation dinen schribere zu die schribere und dann entsprechend der > die und habe > hant, im > in (vgl. 138,8-12 [II.26,34- 37]) ausdrücklich aus, denn sie sind «schon ihrer Anzahl wegen nicht recht wahrscheinlich, obschon dann in der folgenden Antwort Gottes gleichfalls wie in Revel. die Aussage in der Pluralform aufgenommen wird» (ebd.). Erstaunlicherweise bietet die kritische Ausgabe von 1990 dann doch diese am lateinischen Text orientierte und 1954 für «nicht recht wahrscheinlich» gehaltene Emendation (vgl. FL II.26: 138,8-12 [II.26,34-37]). 710 V ollmann -P rofe kehrt zur ursprünglichen Position von N eumann zurück, denn auch sie geht von einem Schreiber aus. Die Emendationen von V ollmann -P rofe betreffen deshalb auch nicht die Fürbitte, sondern die Antwort Gottes (138,13-18 [II.26,37-41]). Die Zahl der Texteingriffe wird damit allerdings nicht weniger. Verändert werden folgende Stellen: Si > Er, hant > hat, irem > sinem und ir > siner. Wichtig ist in unserem Zusammenhang der Hinweis von V ollmann - P rofe auf die Entstehungsgeschichte, in der sie die Wurzeln des aufgezeigten Von der Schrift zum Buch 267 709 N eumann (1954b), S. 36 (Sperrung von N eumann ). 710 Um der Problematik, die die Textstelle bereitet, Herr zu werden, erwägt N eumann auch die Möglichkeit, es könnte eine Kopistin gemeint sein. In diesem Fall wäre die textkritische Lage einfacher, «weil dann nur schriberin (Z. 34), ir (Z. 35) und hat (Z. 37) zu emendieren wären.» Diese Möglichkeit lässt N eumann jedoch nicht gelten, denn «an der Mitwirkung Heinrichs v. Halle bei der Reinschrift des Corpus von Buch I-VI wird man nicht zweifeln dürfen.» Hier folgt der Hinweis auf LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 517). textkritischen Problems sieht. Sie erklärt: «Als M., sicher aus aktuellem Anlaß, die Fürbitte formulierte, dachte sie an einen konkreten Schreiber. Später, als mehrere Schreiber »nach ihr« das Buch abgeschrieben hatten, wurde der Plural eingesetzt (s. Rev.). E bietet eine inkonsenquente Mischung beider Phasen.» 711 V ollmann -P rofe rechnet demnach mit einer Reihe von weiteren Abschriften auf dem Weg zur Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹. 712 Auch bei N eumann deutet sich dieser Gedanke in einer der Anmerkungen des Untersuchungsbandes an. Verwiesen wird auf FL V.24: 378,10f. (V.24,7f.). Hier ist von sieben Söhnen die Rede, die Gott gewonnen hat. Dazu kommt ein vil sch o ne tohter bi únser m v ter der heligen cristenheit. Obwohl auch das entsprechende lateinische Kapitel diesen Satzteil bringt (vgl. LD II.13,4f./ Rev. Bd. II.2, S. 492,13f. bzw. LG II.13,6f.), vermutet N eumann einen frühen Zusatz zum mittelniederdeutschen Text. 713 Er begründet dies folgendermaßen: «Von einer »Tochter« ist im ganzen Kapitel nicht mehr die Rede, und es deutet auch nichts auf eine solche hin» (ebd.). Diesen Zusatz schreibt N eumann ausdrücklich einem Abschreiber (und nicht etwa Heinrich von Halle! ) zu, der den Hinweis auf Maria in diesem Zusammenhang vermisst haben soll. 714 Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht mehr zwingend, die von N eumann Heinrich von Halle zugeschriebene Redaktion des Corpus der Bücher I- VI für die unmittelbare Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹ zu erklären, kann doch zwischen der ‹Neuauflage› des ›Fließenden Lichts‹ (= F 1 , Diagramm 4) und jenem Exemplar, das an der Vergabelung der Überlieferung stand, eine mehrgliedrige Traditionskette (= F x , Diagramm 4) gestanden haben. Diese neu gewonnenen Erkenntnisse über die frühe Textgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ lassen sich schematisch wie folgt darstellen: Nun stellt sich die Frage, ob es berechtigt ist, e i n e n Text zu postulieren, der, wie verschiedentlich behauptet, eine frühe Entstehungsstufe des Originals geboten und den u n m i t t e l b a r e n Ausgangspunkt der deutschen und latei- 268 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 711 V ollmann- P rofe (2003), S. 746. 712 Vgl. in diesem Zusammenhang auch V ollmann- P rofe (2003), S. 671f. (zitiert auf S. 90 oben). 713 Vgl. N eumann (1993), S. 99. 714 Wieder einmal nimmt V ollmann- P rofe (2003), S. 805, Anm. zu 378,10 einen Satz, dessen Authentizität von N eumann angezweifelt wird, für Mechthild in Anspruch (für weitere Beispiele s. S. 56f. oben). Allerdings basiert die Argumentation von V ollmann- P rofe auf einer Kette von sehr gewagten Assoziationen. Zu dieser Stelle s. auch L eppin (2007), S. 546f. [A (I) A 1 B (I-II) B 1 … ]E (I-V) E 2 F (I-VI) F 1 F x F 2 G (I-VII) G 1 LD Diagramm 4 nischen Überlieferung dargestellt haben soll. Dieses von N eumann entworfene und von den vorliegenden Editionen aufrecht erhaltene Modell der Textgenese setzt eine lineare, wenn auch durch fremdverantwortete Abschriften unterbrochene, Entwicklung des Originals voraus und arbeitet mit der Prämisse, die jeweils neue Abschrift wäre nur einmal bearbeitet und dann gleich wieder abgeschrieben worden, so dass sich in den einzelnen Abschriften unterschiedliche Bearbeitungsphasen des Originals dokumentieren. Bearbeitung meint dabei die Erweiterung des Textbestands um einzelne Textstücke oder ganze Bücher durch die Autorin selbst. In diesem Sinne wird vermutet, dass die ›Lux divinitatis‹ (= LD, Diagramm 4), deren Vorlage eine dem Original «gewiß» (N eumann ) sehr nahe stehende und «vielleicht» (G ottschall ) von Mechthild autorisierte Handschrift war, eine frühe, genauer, die früheste handschriftlich dokumentierte Entstehungsstufe des Originals konserviert. Ihr wird eine zweite Phase gegenübergestellt, eine bearbeitete, d.h. geringfügig ergänzte Neuauflage des Corpus der ersten sechs Bücher (= F 2 , Diagramm 4). Beide sollen ein und dieselbe Handschrift als Vorlage gehabt haben und auf eine Version des ›Fließenden Lichts‹ zurückgehen, die bis auf die später hinzugekommenen Textteile eine in Text- und Kapitelfolge sowie in Formulierung mit E weitgehend identische Textgestalt war. Wie selbstverständlich diese Annahme ist, sieht man am Rekurs von N eumann auf den lateinischen Text, um das, was von Mechthild in einer zweiten Redaktion ergänzt wurde oder erst im Laufe der späteren Weitergabe in den deutschen Text eingedrungen war, zu identifizieren (s. dazu S. 180f. oben). Präsent ist das Postulat, dass es einen gemeinsamen Text gab, der den unmittelbaren Ausgangspunkt der deutschen und lateinischen Überlieferung bildete, auch dort, wo die Einstellung der Übersetzer zu ihrer Vorlage vor dem Hintergrund der in E erhaltenen Textgestalt wie folgt beschrieben wird: Anders als Heinrich von Halle, der «kaum» in den Wortlaut von Mechthilds Aufzeichnungen eingriff, sollen die Übersetzer «dem Text stark zugesetzt und ihn an zahlreichen Stellen abgeändert» 715 haben. Ungeachtet bleibt die Möglichkeit, dass ein solch beschaffener Re-Text auf einen Prä-Text zurückgehen kann, der von den monierten ‹Zusätzen› und ‹Änderungen› bereits gezeichnet war. Die Möglichkeit, dass die lateinischen Übersetzer einen in der Formulierung partiell von E abweichenden Text vor sich gehabt haben könnten, scheint bislang allein von P aul M ichel in Erwägung gezogen worden zu sein. 716 Dass dieser Möglichkeit mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, als dies bisher der Fall war, habe ich in den vorangehenden Kapiteln wiederholt ange- Von der Schrift zum Buch 269 715 N eumann (1954b), S. 28. 716 Den Anlass für diese Überlegung bieten die zwischen FL II.23: 116,19f. (II.23,21) und LD IV.1,20f. (Rev. Bd. II.2, S. 540,7f.; LG IV.1,28f.) feststellbaren inhaltlichen Divergenzen. Dazu vermerkt M ichel (1995c), S. 54: «Die lateinischen Übersetzer (Rb) hatten entweder einen anderen mndt. Text vor sich oder dann die Stelle zurechtverstanden.» Als Indiz für eine im Wortlaut von E partiell abweichende deutsche Übersetzungsvorlage könnten auch die Präsumptivvarianten veranschlagt werden, vgl. S. 176, Anm. 322. deutet. So lassen die Divergenzen, die zwischen der Buch- und Kapitelzählung in den Querverweisen von E und den Verweisungen in den Tituli von Rb auszumachen sind, auf eine von der oberdeutschen Texttradition abweichende Version des ›Fließenden Lichts‹ schließen. Denn ähnlich den Textstücken, die in der zu E hinführenden Tradition nachträglich eingeschoben (wie FL VI.22, VI.43 und vielleicht auch III.23), aufgeteilt (FL I.1, s. dazu S. 253, Anm. 671) oder mit bestehenden Kapiteln vereinigt wurden (FL VI.2: 432,3-9 [VI.2,3-8] und I.3: 24,12f. [I.3,2] 717 ), können Kapitel in der Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹ umgestellt oder zusammengezogen worden sein. Dies wäre eine mögliche Erklärung für jene von der Einsiedler Handschrift abweichende Kapitelfolge und -zählung, die die Verweisungen in den Tituli von Rb im letzten Drittel des sechsten Buches erkennen lassen (dazu S. 117 oben). Gelegentlich stellt man Unterschiede auch in der Textfolge fest. Es handelt sich dabei, wie in Kap. II.2. gezeigt, um Umstellungen von Sätzen und Satzteilen innerhalb eines Kapitels. Hinzu kommt eine nicht unbeträchtliche Zahl von Varianten im Textbestand mit Plustexten auf beiden Seiten (dazu Kap. II.2.2). Den Umgang der bisherigen Mechthild-Forschung mit diesen Varianzphänomenen zeichnet die gleiche Einstellung aus, die sich auch in der Forschung zur höfischen Epik wiederholt beobachten und mit J oachim B umke wie folgt charakterisieren lässt: Man geht davon aus, «daß von zwei konkurrierenden Lesungen immer eine richtig und die andere falsch sein müsse, allenfalls beide fehlerhaft, aber nicht beide richtig.» 718 Auch in der Mechthild-Forschung besteht in den besagten Fällen die Tendenz, den deutschen Text allein für authentisch zu erklären. Der lateinischen Übertragung wird dagegen bescheinigt, sie hätte dem Text der Vorlage «stark zugesetzt und ihn an zahlreichen Stellen abgeändert» (s. oben Anm. 715 mit Text). Wohl hat man gelegentlich erwogen, die von E abweichende Textfolge bzw. der gegenüber E zusätzlich überlieferte Textbestand könnte stellenweise authentisch sein, doch war dies immer mit der Annahme verbunden, in der deutschen Überlieferung liege eine Störung (in diesem Fall Zeilentausch bzw. Textausfall) vor, die mittels des besseren lateinischen Textes zu beheben sei, handelt es sich doch um eine Version des ›Fließenden Lichts‹, die «gewiß» (N eumann ) aus einer originalnahen Vorlage hervorgegangen ist. Offenbar fungiert die ›Lux divinitatis‹ überall dort, wo sie «unecht» im Sinne von B ecker sein könnte, 719 als Lieferant von authentischen Text-Ersatz- 270 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 717 Vgl. T aigel (1955), S. 33f.: «Der erste Satz des Kap. ist ohne Zusammenhang mit dessen Inhalt.» 718 B umke (1991), S. 266. 719 B ecker (1951), S. 37f. unterscheidet, um noch einmal daran zu erinnern (vgl. S. 157f. oben), zwischen «echten» und «unechten» Zusätzen. Im Unterschied zu den «echten Zusätzen», die «ausschliesslich auf das Konto des Übersetzer-Redaktors gehen, also nicht von Mechthild stammen können», haben wir mit «unechten Zusätzen», so B ecker , dann zu tun, «wenn die entsprechende deutsche Stelle für den Text der Vorlage verständnisnotwendig ist oder der Kontext der Einsiedler Handschrift anderweitig eine Auslasteilen, um einen defekt gewordenen deutschen Text, die Redaktion Heinrichs von Halle, zu reparieren. Ohne diese Möglichkeit gänzlich auszuschließen (s. dazu S. 248, Anm. 645), fragt man sich, ob es überhaupt berechtigt ist, einen einzigen, dem deutschen und lateinischen Überlieferungszweig des ›Fließenden Lichts‹ gemeinsamen und autorisierten Ausgangstext zu postulieren - beachte die suggestive Formulierung «gewiß»! -, wenn es (1.) feststeht, dass die lateinische Bearbeitung wegen ihrer Eigenständigkeit «nur selten den Wortbestand des deutschen Textes sichern kann», 720 und wenn es sich (2.) nachweisen lässt, dass es eine Reihe von Zusätzen und zumindest einen Zeilentausch in der ›Lux divinitatis‹ gibt, die nicht weniger ‹echt› sind als die Plustexte, die die angeblich von Mechthild bearbeitete ‹Neuauflage› des ›Fließenden Lichts‹ (= F 2 , Diagramm 4) gegenüber der ›Lux divinitatis‹ zusätzlich überliefert. Hinzu kommen Phänomene, wie Umstellungen, Zeilensprünge und metathetisch entstandene Lesarten, die auf eine mehrgliedrige Traditionskette schließen lassen, an deren Ende die Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹ steht. Wohl ist in Betracht zu ziehen, dass die lateinischen Übersetzer bearbeitend mit dem Text ihrer Vorlage umgegangen sind (vgl. Kap. II.2.3), oft kann jedoch nicht festgestellt werden, ob und, wenn ja, was verändert wurde. Folglich müssen Abweichungen von dem von E repräsentierten deutschen Text nicht immer und überall das Werk der Übersetzer sein. Gegenüber dem älteren bipolaren Denkmodell, das nur ein Original und eine mehr oder weniger textgetreu vorgehende lateinische Bearbeitung kennt, muss man stärker differenzieren und berücksichtigen, dass sich in der ›Lux divinitatis‹ womöglich mehrere textgeschichtliche Schichten überlagern. Manche von ihnen sind jüngeren Ursprungs und datieren in die Zeit, als die Übertragung der mittelniederdeutschen Vorlage ins Lateinische erfolgte, andere dagegen können einem älteren Textzustand angehören. Ich denke hier vor allem an jene ‹Zusätze› und ‹Umstellungen›, die Anspruch auf Originalität (im Sinne von B umke ) erheben, weil sie sich vom präsupponierten Mechthildischen in keiner Weise unterscheiden (s. dazu Kap. II.2.2). Solche Fälle sollte es eigentlich gar nicht geben, wenn die Entwicklung des Originals linear ablief und ein Corpus mit ständig wachsendem Textbestand zur Folge hatte. Dieses von N eumann entworfene und heute allgemein akzeptierte Modell der Textgenese wäre eine plausible Erklärung für den erweiterten Textbestand der Bücher I-VI des ›Fließenden Lichts‹, nicht jedoch für die ‹originalen› Plustexte der ›Lux divinitatis‹. Das Bild, das die Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ uns bietet, scheint mir in etwa mit dem vergleichbar zu sein, was wir vom ›Iwein‹ Hartmanns von Aue her kennen: «Wir können nicht sagen, ob die eine [Version] gekürzt oder Von der Schrift zum Buch 271 sung erkennen lässt.» Mit anderen Worten: Weil die «unechten Zusätze» der ›Lux divinitatis‹ «auf eine Verderbnis in der deutschen Überlieferung führen», sind sie im textkritischen Sinn eigentlich echt. Sonstige Ergänzungen in der lateinischen Übersetzung gelten dagegen textkritisch als unecht. 720 N eumann (1990), S. XXV. die andere erweitert hat.» 721 Dies bedeutet, dass es keine objektivierbaren textkritischen Kriterien gibt, um die «historische Differenz» 722 zwischen den ‹Zusätzen› der beiden Versionen des ›Fließenden Lichts‹ zu ermitteln. Dasselbe gilt auch für die so genannten ‹Umstellungen› im lateinischen Text (s. dazu Kap. II.2.1). Der Begriff suggeriert, wir hätten es mit einem sekundären Textzustand zu tun. Zwar ist nicht auszuschließen, dass der eine oder andere Zeilentausch auf das Konto der Überlieferung bzw. der Übersetzer geht, ein unverständlicher Text ist auf diese Weise jedoch nicht entstanden. Man kann also nicht behaupten, die von E abweichende Textfolge in Rb sei fehlerhaft. Genau genommen bietet Rb an manchen Stellen einen ‹originalen› Text, der E in Nichts nachsteht. Ich denke hier nicht nur an die Einschaltung nach dem Stichwortprinzip in LD I.13,18f. (Rev. Bd. II.2, S. 458,34f.), eine Technik, die sich im ›Fließenden Licht‹ oft beobachten lässt und Mechthild zugeschrieben wird (s. dazu S. 159f. oben), sondern auch an die von W ilhelm O ehl ‹berichtigte› Textfolge in FL III.10: 184,5-8 (III.10,26-28) entsprechend LD I.22,16f./ Rev. Bd. II.2, S. 467,25f. (s. S. 165, Anm. 279 mit Text). Offenbar kann selbst bei den ‹Umstellungen› nicht mit Sicherheit festgestellt werden, welcher Zustand jeweils primär, welcher sekundär ist. Es bleibt demnach nichts anderes übrig, als zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ anzusetzen, die jeweils zum Ausgangspunkt der deutschen und lateinischen Überlieferung wurden. Dabei endet die Tradition, die zur Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹ (= * LD, Diagramm 5) führt, in einer «textlichen Sackgasse»: 723 An dieser Textversion (= Y, Diagramm 5), die parallel zur anderen verläuft (= X, Diagramm 5), wurde nicht weiter gearbeitet. Das neu gewonnene Modell der frühen Text- und Überlieferungsgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ sieht demnach folgendermaßen aus: Es wäre naheliegend, in X und Y Autorfassungen zu vermuten. Man fragt sich jedoch, ob sich Autortext und Redaktortext in unserem Fall exakt voneinander abgrenzen lassen. Dies ist bekanntlich die Frage, die auch die aktuelle, von der New Philology angestoßene Textualitätsdebatte bestimmt. Anders als die 272 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 721 J. H einzle (2003), S. 13f. Ähnlich H ausmann (2001), S. 74. 722 J. H einzle (2003), S. 13. 723 Diesen Ausdruck habe ich H aferland (2006), S. 195 entliehen. Er führt ihn im Zusammenhang mit der Beschreibung des textgeschichtlichen Status der *J-Fassung des ›Nibelungenliedes‹ («textliche Sackgasse und Parallelfassung zu *C») ein. X F 2 G (I-VII) G 1 [A (I) A 1 B (I-II) B 1 … ]E (I-V) E 2 F (I-VI) F 1 F x Y *LD LD Diagramm 5 ältere Forschung, die am Anfang der Überlieferung den einen Ausgangstext, das Original, sah, steht die heutige Diskussion im Zeichen der «Abkehr von einem allzu einfachen Literaturmodell, das nur die Größe des als stabil zu denkenden Autortextes kennt.» 724 Dies erklärt sich, wie in Kap. I.3 gezeigt, aus der Erkenntnis, dass das hehre Ziel der klassischen Textkritik L achmann scher Prägung, den einen vom Autor gewollten Text aus dem Dickicht der Überlieferung ans Tageslicht der kritischen Textausgabe zu führen, in vielen Fällen de facto nicht realisierbar ist, weil die Methode mit Prämissen operiert, die auf die mittelalterliche Überlieferungswirklichkeit volkssprachlicher Literatur - sie ist von Anfang an variant, kopial und unautorisiert 725 - oft nicht übertragbar sind. Anders als in der New Philology hat die Erkenntnis über die Nicht- Rekonstruierbarkeit originaler Textzustände in der germanistischen Mediävistik nicht dazu geführt, dass man den Original- und Autorbegriff für gänzlich unbrauchbar erklärte. Verabschiedet wurde lediglich die Vorstellung, es hätte ein einziges Original gegeben, das am Beginn der Text- und Überlieferungsgeschichte stand. Man rechnet mit der Existenz mehrerer Originale, die den Ausgangspunkt der Überlieferung gebildet haben, und zwar vor allem bei Gattungen, die im Grenzbereich von Schriftlichkeit und Mündlichkeit angesiedelt sind (Mären, Heldendichtung, höfische Epik und Lyrik, geistliches Spiel). Da es sich hierbei um Literatur handelt, die aus dem Vortrag lebt, könnte, so wird vermutet, jede neue Aufführung Varianten und damit ein je neues Original hervorgebracht haben. Bemerkenswert ist dabei, dass die Frage, ob das jeweils neue Original vom Autor selbst stammt, nur bei Gattungen offen gelassen wird, deren Kennzeichen Anonymität ist (Heldendichtung, geistliches Spiel, Mären). 726 Wo wir dagegen einen Autornamen haben - bei den Texten der höfischen Epik und Lyrik ist das der Fall -, neigt man dazu, Autorfassungen anzusetzen. 727 Was dabei verwundert, ist die Bereitschaft, die ‹Arbeit am Text› 728 zu personalisieren, und dies obwohl es keinen erkennbaren Grund Von der Schrift zum Buch 273 724 S tackmann (1997), S. 132. Vgl. auch S pechtler (1976), S. 228. 725 Zu den Gegebenheiten volkssprachlicher Textüberlieferung im Mittelalter s. die informativen Überblicke von G rubmüller (1998) und M icha (1964). Obwohl die Trias kopialvariant-unautorisiert für weite Teile der volkssprachlichen mittelalterlichen Literatur gilt, schließt dies trotzdem nicht aus, dass es auch ein konservatives Reproduktionsverhalten gegeben hat. Für Beispiele aus dem Bereich der Schule s. H ausmann (2005), S. 759-760. Vgl. auch S. 362ff. weiter unten 726 Vgl. J. H einzle (1978), S. 100: «jeder Tradierende [ist] ein potenzieller Autor, dessen Werk als ‹Original› gelten kann. Mit anderen Worten: es gibt, extrem gesprochen, nicht ein Original, sondern grundsätzlich soviele Originale, wie es Fassungen gibt.» Für weitere Beispiele s. S chubert (2000), S. 37f. und H aferland (2006). 727 So gibt S tackmann (1993), S. 12 zu bedenken, man müsse ins Kalkül miteinbeziehen, «daß ein mittelalterlicher Autor selbst seinen Text als ‹offen› behandelt, ihn also im Laufe der Zeit verändert hat und daß die Überlieferung von verschiedenen Stadien dieses Textes ausgegangen sein kann.» Ähnlich S chweikle (1985) und neulich W enzel (2003), S. 82. 728 Damit ist ein Phänomen angesprochen, dem die germanistische Mediävistik seit geraumer Zeit wachsende Aufmerksamkeit schenkt und das in etwa C erquiglini s Konzept dafür gibt, dass textgeschichtliche Prozesse bei signierter Überlieferung anders abgelaufen wären als bei einer anonymen Überlieferung. Es scheint, als stünde ein heimliches Anhängen an die Autorität des A u t o r n a m e n s hinter den Bemühungen, Varianten dadurch zu adeln, dass man sie zu Autorvarianten erklärt. 729 Eine solche Vorgehensweise ist methodisch insofern problematisch, als der historische Autor und seine Intention zumindest in der höfischen Lyrik und Epik zu editorisch uneinholbaren Kategorien geworden sind. 730 Dies hängt damit zusammen, dass zwischen Entstehungs- und Überlieferungsvarianten in diesem Bereich nicht eindeutig unterschieden werden kann, denn die Voraussetzung dafür, d.h. das Vorliegen einer autographen oder zumindest autorisierten Überlieferung, 731 ist hier oft nicht gegeben. 732 Wohl kann die Varianz bei besonders günstiger Überlieferungslage bis zu einem gewissen Punkt zurückverfolgt werden, doch muss man sich vor Augen halten, betont J oachim H einzle , «daß selbst im Optimalfall die Distanz des kritischen Textes zum Autortext erheblich sein dürfte, ohne daß wir in der Lage wären, sie zu kalkulieren.» 733 Das ist der Grund, warum die rekonstruierten «parallelen Fassungen» der ›Klage‹ von J oachim B umke nicht als Autorfassungen verhandelt werden und warum sich G eorg S teer mit der Erstellung von «parallelen Redaktionstexten» bei der Ausgabe der ›Rechtssumme‹ begnügt. Und selbst wenn man mit einer Folge von unmittelbar auseinander entstandenen Fassungen operieren sollte, ist der Gedanke, eine unmittelbar vorgängige Fassung könnte dem Ausgangstext der Folge näher stehen und wegen ihrer vermeintlichen Autorennähe einen höheren Grad an Authentizität für sich beanspru- 274 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ von «récriture» entspricht. Anders als das 19. Jahrhundert, das in der Überlieferung nur Abfall vom reinen Ursprungstext und in den Literaturverwaltern (den Übersetzern, Bearbeitern und Kompilatoren) nur Textverschlechterer sah, begreift man die mittelalterliche Literaturproduktion heute als einen Prozess der (autorunabhängigen) Wieder- und Neuverschriftlichung. Text bedeutet in diesem Zusammenhang «transitorisches Resultat von ›Arbeit‹», von «Arbeit an einem Stoff, einem literarischen Motiv, einem Konzept» (J an -D irk M üller ), s. dazu S. 76f. oben. 729 So S chubert (2000), S. 40. Vgl. auch H ausmann (1999), S. 19 und (2000), S. 33. 730 Konkret bedeutet dies den freiwilligen Verzicht des Editors darauf, dem eigenen ingenium einen allzu großen Raum bei der Textkonstitution zu gewähren. Obwohl die Autorintention mittlerweile für einen «emeritierten Gespenst» (W alter J aeschke ) erklärt wurde, scheint die Divinatorik als Methode aus der Textkritik immer noch nicht gänzlich verbannt zu sein. Ich sehe ihre Nachwirkungen in der angesprochenen Tendenz seitens mancher Editoren, in bzw. anhand der Überlieferung bezeugte respektive erschlossene Varianten zu hierarchisieren, um manche davon zu Autorvarianten zu nobilitieren. Divinatorisch geht man demnach nicht mehr in der Konjekturalkritik, wohl aber bei Emendationen vor. Hier scheint die Methode ihr letztes Refugium gefunden zu haben. 731 Vgl. S teer (2005a), S. 55: «Allseits befriedigend können Texte von Autoren nur dann ediert werden, wenn sie im Autograph erhalten sind, und das sind sie nur in wenigen Fällen.» 732 Zur autographischen Überlieferung mittelalterlicher deutscher Literatur s. H onemann (2000) und H onemann / R oth (2005). 733 J. H einzle (1993), S. 55. chen, eine «triviale Annahme», betont H arald H aferland mit Blick auf die seiner Meinung nach genetisch voneinander abhängigen Textausformungen des ›Nibelungenliedes‹. 734 Vor diesem Hintergrund erscheint es als nur allzu konsequent, wenn B umke im Hinblick auf die Teilveröffentlichungen, Mehrfachredaktionen und wechselnden Vortrags- und Aufzeichnungssituationen, die schon in der Frühphase der Überlieferung speziell der höfischen Dichtung zu eigenständigen Fassungen geführt haben können, feststellt: «Welchen Anteil die Autoren daran hatten und wie weit Varianten erst bei der Wiedergabe der Texte entstanden sind, läßt sich nicht mehr feststellen.» 735 Der Text ist bereits in Autornähe eine instabile Größe. Dies gilt nicht allein für die höfische Epik und Lyrik sowie für die Heldendichtung, sondern auch für das ›Fließende Licht‹, wie es an jenen Varianten abzulesen ist, die sich von dem jeweils anderen Überlieferungszweig her gesehen als Zusätze und Umstellungen definieren lassen und die auf einer besonders frühen, noch in die Lebzeiten Mechthilds zurückreichenden Textstufe aufgetreten sind. Autornähe impliziert dabei nicht zwingend auktoriale Kontrolle über alle Parameter des Textes. Ich denke hier vor allem an die Interpolationen im deutschen Text. N eumann führt sie auf die ergänzende Durchsicht der Bücher I-V bzw. I-VI durch Mechthild zurück. 736 Einschaltungen können jedoch genauso gut von einem Redaktor herrühren. Für eine solche Zuweisung hat sich H ubert S tierling am deutlichsten ausgesprochen. Er sieht überall die Hand des Redaktors am Werk, der ursprünglich Zusammengehöriges auseinanderreißt und zu Versatzstücken verarbeitet, um sie an anderen Stellen, die ihm inhaltlich passender erscheinen, einzufügen. 737 Der Großteil der von S tierling gebrachten Belege hat nicht überzeugt. 738 Allein bei den Interpolationen nach dem Stichwortprinzip war man vereinzelt bereit, ihm zuzustimmen. So weist A lbert H auck auf das in LD II.14 (Rev. Bd. II.2, S. 493, LG II.14) fehlende Einschiebsel FL V.24: 380,9-12 (V.24,34-36) hin und bemerkt, «ob es auf Rechnung eines Redaktors oder der Verfasserin selber kommt», müsse offen bleiben. 739 Ähnlich äußert sich H einz T illmann zu dem aus «disparaten Textstücken» 740 bestehenden Kapitel FL I.22, das in seinem Mittelteil ein formal und inhaltlich Von der Schrift zum Buch 275 734 H aferland (2006), S. 180. 735 B umke (1996b), S. 127. 736 Vgl. N eumann (1954b), S. 60f. und den Untersuchungsband zur kritischen Textausgabe. Auch V ollmann- P rofe (2003) ist in ihrer Ausgabe bemüht, die Textstücke, die in der ›Lux divinitatis‹ nicht bezeugt sind, für Mechthild zu reservieren, und dies sogar in einem Maße, das deutlich über N eumann hinausgeht, vgl. S. 56f. oben 737 Vgl. S tierling (1907), S. 17-19 und den Untersuchungsteil seiner Arbeit zu den Büchern I-III des ›Fließenden Lichts‹. 738 Und sie sind in der Tat problematisch, vgl. H auck (1911), S. 190-192, T illmann (1933), S. 62-65, N eumann (1954b), S. 62-65 und T aigel (1955), S. 41-43. 739 H auck (1911), S. 190. Ähnlich S tierling (1907), S. 18. 740 T illmann (1933), S. 11. Ähnlich S tierling (1907), S. 65f. eigenständiges Segment (38,21-40,19 [I.22,7-34]) enthält, ein Textstück wohlgemerkt, das auch separat überliefert ist. 741 «Wem die Komposition zuzuschreiben ist, ob sie ev. auf M. selbst zurückgeht, läßt sich mit unseren Mitteln nicht entscheiden», stellt T illmann fest. 742 Das, was sich im Falle des ›Fließenden Lichts‹ nicht entscheiden lässt, gilt bei den ›Offenbarungen‹ der Elsbeth von Oye als Ergebnis einer posthum erfolgten Redaktion der mutmaßlich autographen Aufzeichnungen der Ötenbacher Schwester durch einen Dominikaner, der Elsbeth «mit Sicherheit persönlich bekannt war.» 743 Was den Fall Elsbeth singulär macht, ist die Tatsache, dass die verschiedenen, «mehr oder weniger zeitgleich und am selben Ort» 744 entstandenen Bearbeitungen - wir befinden uns also auch hier in Autornähe - auch in handschriftlicher Überlieferung vorliegen. Dieser Textkomplex, der sich um das mutmaßliche Autograph der ›Offenbarungen‹ rankt, wird trotz seiner Singularität als «ein Paradigma mystischer Textgeschichte» 745 verhandelt, denn sein Beispiel erlaubt es, Rückschlüsse auf Texte zu ziehen, deren Geschichte weniger gut dokumentiert ist. In unserem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass jene Kompilationstechnik, deren Spuren die Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ noch erkennen lässt, im Elsbeth-Corpus auch handschriftlich bezeugt ist, und zwar in einem redaktionell überarbeiteten Text. Kurz nach dem Tod von Elsbeth wählte ein anonymer Dominikaner aus ihren mutmaßlich eigenhändigen Aufzeichnungen, die ihm im Züricher Kodex und in anderen (heute verlorenen) Büchlein vorlagen, Teile aus, die er zu einer 276 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 741 Zum einen findet sich das Textstück FL I.22: 38,21-40,19 (I.22,7-34) im ›Buch der Vollkommenheit‹ des Pseudo-Engelhart von Ebrach (H, Ka, M 2 , Mü 1 , Mü 2 , Mü 3 , Mü 4 und Sa), zum anderen in der Briefsammlung des Heinrich von Nördlingen (L) inseriert. 742 T illmann (1933), S. 11. Vgl. auch M ichel (1986), S. 511: «Ungewiß, ob der Übergang auf eine Assoziation Mechthilds zurückgeht oder aufgrund eines redaktionellen Stichwortzusammenhangs brútegom/ brut [vorgenommen wurde]; für letzteres spricht, daß die anschließende Stelle außer in E noch drei Mal [eigentlich mehrmals, s. oben Anm. 741] separat überliefert ist. Anderseits haben selbst die nach Themen umgruppierenden lateinischen Übersetzer die Abfolge so belassen, also keinen Bruch wahrgenommen.» Letzteres ist insofern kein Argument, als es in der lateinischen Bearbeitung nur selten vorkommt, dass ein Kapitel auseinandergerissen wird, um das ausgelöste Teil an einer inhaltlich passenderen Stelle zu inserieren, vgl. S. 121, Anm. 101. Dies ist umso bemerkenswerter, als schon die Übersetzungsvorlage Querverweise enthielt, die teilweise nach dem Stichwortprinzip konzipiert waren und es durchaus ermöglicht hätten, thematisch passende Textstücke zusammenzuführen. Die Übersetzer entscheiden sich nur in zwei Fällen dafür, die indizierten Kapitelteile zu einer Texteinheit zu verschmelzen, vgl. S. 121f., Anm. 102 und 103 jeweils mit Text. Ansonsten werden die durch den Querverweis angezeigten Kapitel einfach aneinander gereiht, vgl. dazu Kap. II.1.1. 743 S chneider -L astin (1994), S. 60. 744 S chneider -L astin (2000), S. 522. 745 N eumann (1967), S. 47. Vgl. auch die Überlegungen von S chneider -L astin (2000), S. 523 zur Modellhaftigkeit des Falls Elsbeth für die Ermittlung der redaktionellen Überarbeitungen der Vita der Adelheit von Freiburg. Vita zusammenstellte, wobei er die Offenbarungen thematisch ordnete. Entstanden ist dadurch ein in Kapiteln eingeteiltes, mit Kapitelüberschriften und einem Register versehenes sowie durch einen Prolog eingeleitetes Gnadenleben, ›Leben und Offenbarungen‹ genannt. 746 Wie der Redaktor bei seiner Arbeit vorging, sagt er selbst: das es dest begreiffenlicher sei, so ist sein ein teil abgelassen und ist mit grossem fleiß recht geordenet und etliche ire wort verwandelt, doch in geleichem sinne (›Leben und Offenbarungen‹ Vorrede, S chneider - L astin 2009, S. 405, Z. 28-30). Was das Ordnungsprinzip der Textbausteine innerhalb eines Kapitels betrifft, so gruppiert der Redaktor die Textteile nach Stichworten. Dieses Vorgehen ist in manchen Fällen offenkundig, in anderen dagegen nicht. Letztere können aufgedeckt werden, weil wir zumindest eine der Vorlagen des Redaktors kennen, und zwar die Züricher Handschrift von Elsbeths ›Offenbarungen‹. 747 Ein Beispiel liefert gleich der Anfang des ersten Kapitels: Von meinen kintlichen tagen hab ich des begird gehabt, ob ich sein wirdig were gesein, das ich ein mitleiden sölte haben mit den blüenden minnezeichen unsers herren Jesu Christi, die er enpfing an seinem kreucze.› ‹Ich hette ze einer zeit herczenlichen durst d a r n a c h. Do wart gesprochen dise wort: ›Wie möchte ich dir dises verzeihen, darnach mich ewiklichen hat getürstet? Mein turst hat in diser sach vörkumen dein begirde.‹› (›Leben und Offenbarungen‹ Kap. I, S chneider -L astin 2009, S. 409, Z. 2-7) Dieser Passus setzt sich aus zwei separaten Textstücken der ›Offenbarungen‹ zusammen. darnach steht dabei für das Stichwort (minnezeichen), über das die Verbindung hergestellt ist: Von minen kintlichen tagen habe ich dez girde gehebt, ob ich sin wirdig were gesin, daz ich ein mitteliden solte habin mit dem sun d e r b l u t i n d e n m i n n e z e i c h e n, die er inpheng an sinem krúze. (›Offenbarungen‹ 105,1-7) und Ich hatte zi einer zit herziklichin <turst> n a c h d e r g l i c h e i t d e r b l u t i g i n m i n n e z e i c h e n unsers herren Jesu Christi. Do wart gisprochin diz wort: ›Wie m o chti ich dir dez verzichin, darnach mich ewiklich hat gitúrst? Min turst hat in dirre sache verkomen din bigirde.‹ (›Offenbarungen‹ 113,1-9) Hat der Redaktor in diesem Fall nicht nur umgestellt, sondern auch verwandelt, so begnügt er sich an anderen Stellen damit, den Text recht geordenet zu präsentieren. Ich zitiere eine andere Episode aus dem mit Von usser übünge und irm strengen leidende überschriebenen ersten Kapitel: ‹Ich zeigte got ze einer zeit, das mir mein creucz gar peinlichen were. Do ward gesprochen: › [= ›Offenbarungen‹ 19, Z. 14-20 und 20, Z. 1] ‹›Als mein götliche Von der Schrift zum Buch 277 746 Vgl. S chneider -L astin (1995), S. 208f. Textabdruck bei S chneider -L astin (2009). 747 Ich zitiere nach dem Typoskript der von Wolfram Schneider-Lastin (Zürich) vorbereiteten Edition der ›Offenbarungen‹. nature gemenschet ward in der person meines sünes, also wirt dein menschliche nature vergottet in dem p e i n l i c h e n s e r e d e i n e s c r e u c z e s.› [= ›Offenbarungen‹ 20, Z. 8-12] ‹Das p e i n l i c h s e r e d e i n e s k r e u c z e s sol dir werden ein süsses niessen in der lebenden magenkraft meiner götlichen nature.› [= ›Offenbarungen‹ 21, Z. 4-7] (›Leben und Offenbarungen‹ Kap. I, S chneider - L astin 2009, S. 410, Z. 54-58) Ungleich häufiger als diese beiden Fälle kommt eine Technik zur Anwendung, die Textbausteine nach gewissen Stichworten mechanisch aneinanderreiht. So häufen sich gegen Ende des ersten Kapitels Abschnitte, die vom Kreuz als Marterinstrument handeln. In anderen Kapiteln werden nur Textstücke versammelt, die ein bestimmtes Stichwort aufweisen. Dieses Stichwort wird in der Überschrift genannt (recte gesetzt): Von gelossenheit in hertikeit (Kap. 10), Wi susiklich got in ir gewurcket hat (Kap. 11), Von dem adel der gehorsame und von dem nucze dez siechtagen (Kap. 12), Wie sie got kreftiget wider den feint (Kap. 18) usw. Führt man sich diese Beispiele vor Augen, so ist nicht auszuschließen, dass das ›Fließende Licht‹ Spuren einer vergleichbaren Redaktion aufweist. Das gilt freilich nicht nur für Stellen, wo der Text nach dem Stichwortzusammenhang hergestellt wurde, 748 sondern auch für Einschaltungen, die einen Sachverhalt erläutern bzw. kommentieren. 749 Freilich lässt sich nicht feststellen, ob das Interpolierte anderen und, wenn ja, welchen Teilen des ›Fließenden Lichts‹ entnommen wurde. Die Annahme, es hätte einzelne, frei stehende Textpartien gegeben, ist indessen keine bloße Hypothese eines «hyperphilologischen Rationalismus», 750 was an den Schlusskapiteln der Bücher III, IV und VII zu erkennen ist. Diese bestehen aus Textstücken, die in keinem organischen Zusammenhang miteinander stehen und den Eindruck erwecken, als handle es sich um übrig gebliebene Textbausteine, die zumindest formal zu einem Kapitel geformt wurden (s. dazu S. 253f., Anm. 673). Wie ein Textblock zu einer thematisch passenderen Stelle verschoben werden kann, zeigt die Stellung von FL V.23: 366,5-12 (V.23,50-55) in der ›Lux divinitatis‹ in augenscheinlicher Weise (s. dazu S. 159f. oben): Sollte die Versetzung, wie allgemein angenommen, das Werk eines Redaktors sein, der sich an Stichwörtern orientierte, so 278 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 748 Außer den beiden oben (S. 272) genannten Beispielen wäre hier auf FL III.24: 220, 30-222,2 (III.24,13-16, auch in LD IV.33/ Rev. Bd. II.2, S. 565f. bzw. LG IV.31), FL VI.1: 422,32-424,8 (VI.1,63-73, fehlt LD V.13/ Rev. Bd. II.2, S. 600 bzw. LG V.9), FL VI.8: 446,24-448,6 (VI.8,8-16, auch in LD VI.14/ Rev. Bd. II.2, S. 631 bzw. LG VI.14) und FL VI.19: 472,17-474,14 (VI.19,2-14, auch in LD V.29/ Rev. Bd. II.2, S. 612 bzw. LG V.22) hinzuweisen. Zu diesem Verfahren s. auch L öser (1999), S. 314f. 749 S. dazu FL II.24: 124,21-27 (II.24,71-76, fehlt LD II.21/ Rev. Bd. II.2, S. 516 bzw. LG II.19), FL IV.2: 234,19-22 und 34-37 (IV.2,89-91 und 101-102, fehlen LD Prol. 3-4/ Rev. Bd. II.2, S. 440 bzw. LG Vorrede 2-3) sowie die in Anm. 336 (S. 180) genannten Stellen und die Plustexte der ›Lux divinitatis‹ (Kap. II.2.2). 750 So N eumann (1954b), S. 65 über S tierling s ‹Zerstückelungstheorie›. spräche im Grunde nichts dagegen, auch bei vergleichbaren Fällen im ›Fließenden Licht‹ die Einwirkung einer fremden Hand zu vermuten. 751 Dasselbe gilt für die im ›Fließenden Licht‹ verstreuten Rückverweise. Ihre Zahl ist nicht besonders groß. So stößt man in FL IV.25: 296,24f. (IV.25,17f.) auf den Hinweis: Wie si [die Seelen im Fegefeuer] aber behalten m o gen werden, das haben wir an einer anderen stat funden. Verwiesen wird hier auf FL III.21: 212,23-214,31 (III.21,93-129), wie auch der Marginalie iii libro xxi f entnommen werden kann. 752 Eine vergleichbare Glosse (In dem ersten teile xliiii) 753 ermöglicht auch bei FL VI.31: 492,19 (VI.31,3f.): Ich sprach an einer stat in diseme b v che, das dú gotheit min vatter ist von nature das Nachschlagen der referierten Stelle. In anderen Fällen muss der Leser ohne eine solche Hilfestellung auskommen, vgl. FL VII.48: 622,35f. (VII.48,26): Des wil ich nu swigen, wan das ist p ch in dem b v che [vgl. FL I.1] geschriben und vielleicht FL VI.21: 478,29f. (VI.21,24f.): Das s o llent die jungesten br v der wesen, als da vor ist geschriben. 754 Die Rückverweise werden als Beleg für die Fähigkeit Mechthilds zum Selbstzitat aufgefasst und gelten als Beweis, dass «die Autorin ihr Werk als ein schriftliches [beherrscht].» 755 Man stößt jedoch auch in der ›Lux divinitatis‹ auf Rückverweise, und zwar über den deutschen Text hinausgehend. FL IV.3 handelt laut Überschrift von drien gaben der wisheit. Den größten Teil des Kapitels bilden Ausführungen zur ersten Gabe der Weisheit (240,4-244,9 [IV.3, 12-74]). Während der hier gebotene eigenständige und groß angelegte Visionsbericht über die Kirche als herrscherliche Jungfrau den Leser des deutschen Textes bald vergessen lässt, dass es sich um das erste Glied einer Aufzählung handelt, ruft der lateinische Text den ursprünglichen Erzählzusammenhang mit folgenden Worten in Erinnerung: Secunda de qua prediximus sapiencia usw. (LD II.25,2/ Rev. Bd. II.2, S. 503, LG II.22,2: Die ander weysheyt von welcher wir vor geredet hand). Auf einen vergleichbaren Fall stößen wir bei Von der Schrift zum Buch 279 751 Freilich kann die Umstellung von FL V.23: 366,5-12 (V.23,50-55) in der ›Lux divinitatis‹ auch auf Mechthild zurückgehen. Sollte dies der Fall sein, so wäre dies ein unschlagbarer Beweis dafür, dass die Übersetzungsvorlage eine andere Version des ‹Originals› bot. 752 Diesem Rückverweis entspricht der Vorverweis iiii libro xxv d in FL III.21, der versehentlich um einige Zeilen nach unten gerutscht ist (er bezieht sich auf 214,2f. oder 8f. [III.21,106f. oder 111f.]) 753 Dieser Verweis weicht von dem üblichen Schema der Stellenverweise ab. Man fragt sich, ob er erst auf einer späteren Überlieferungsstufe in den Text gelangt ist (vgl. dazu auch S. 123f. oben). Ein Vorverweis auf FL VI.31 findet sich in FL I.44 jedenfalls nicht. 754 Es ist unklar, ob sich dieser Satz auf ein vorangehendes Kapitel (FL IV.27 bzw. VI.15) bezieht oder ob es sich um einen in den Text geratenen, den Inhalt der Textstelle referierenden Randeintrag handelt, denn von den Jüngsten Brüdern ist auch in 478,27 (VI.21,22) die Rede. Eine Entsprechung für diese Stelle fehlt in der ›Lux divinitatis‹. Man liest dort Folgendes: Hij sunt predicatores nouissimi quibus eam amiciens protegam aduersus fallacias et malicias antichristi (LD III.5,27f./ Rev. Bd. II.2, S. 524, LG III.5,39-41: Dise werdent sein die letsten prediger mit welchen ich sye cleiden wirt vnd beschirmen wider die falscheyt vnd bosheyt des endtechrists). 755 G rubmüller (1992), S. 337. Vgl. auch V ollmann- P rofe (2008b), S. 208. der Übersetzung von FL III.15. Das deutsche Kapitel erscheint in der ›Lux divinitatis‹ zweigeteilt: Der erste Teil (192,31-194,28 [III.15,4-28]) steht in LD V.25/ Rev. Bd. II.2, S. 610f. (LG V.20), der zweite (194,23-198,5 [III.15,24-67]) in LD VI.8/ Rev. Bd. II.2, S. 625f. (LG VI.8). Der erste Teil von FL III.15 endet in der lateinischen Übersetzung mit dem Vorverweis: Exaudiuit dominus me sicut in hoc libro continetur (LD V.25,23/ Rev. Bd. II.2, S. 611, LG V.20,35f.: vnd der herr hatt mich erh o rt als do in disem buch begriffen wirt). Zweifelsohne rühren die letztgenannten Verweise von den Übersetzern her. Sie zeigen, dass es nicht zwingend ist, Mechthild als sprechend-schreibendes Subjekt hinter jenen Querverweisen des deutschen Textes zu vermuten, die aus einer Ich- oder das Ich mit einschließenden Wir-Perspektive formuliert sind. 756 Bemerkenswert ist - davon wird in Kap. III.3 (S. 348ff.) ausführlicher die Rede sein -, dass es immer wieder solche Ich-Aussagen im lateinischen Text gibt, die über das ›Fließende Licht‹ hinausgehen, sei es, weil der deutsche Text an der entsprechenden Stelle in dritter Person Singular formuliert, sei es, dass er überhaupt keine Entsprechung zu dem bietet, was in der ›Lux divinitatis‹ steht. Ich-bezogenes Sprechen eignet sich demnach nicht als Authentizitätskriterium, und dies selbst an jenen Stellen nicht, an denen das Ich sein eigenes Sprechen und Schreiben thematisiert. 757 Unter diesen Umständen wäre zu fragen, ob die These, das ›Fließende Licht‹ stelle das von Mechthild eigenhändig und in eigener Regie niedergeschriebene Werk dar, in ihrer Exklusivität aufrechterhalten werden kann. Exklusiv ist diese von N eumann zum Durchbruch verholfene Position insofern, als sie mit Hinweis auf das das Buch dominierende und sein Sprechen und Schreiben reflektierende Ich die Beteiligung von Schreibern, Beichtvätern und Mitschwestern an der Textgenese marginalisierte. Dass mit solchen, wie es im ›Fließenden Licht‹ selbst heißt, vr o mden henden (FL VII.64: 662,11 [VII.64,8]) in der Tat zu rechnen ist, kann Textstellen entnommen werden, die sich in das etablierte Bild von Mechthild als «Herrin ihres Textes» 758 so gar nicht fügen wollen. Dies zeigt sich am Umgang der Forschung mit diesen loci suspecti. 280 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 756 Die Möglichkeit, die Querverweise könnten auf den Redaktor zurückgehen, erwägt auch O ehl (1911), S. 197 mit Anm. Es wäre zu vermuten, dass sie erst eingefügt wurden, als der Text publiziert und damit einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wurde. Dies schließe ich aus dem gänzlichen Fehlen von Vor- und Rückverweisen in den ›Offenbarungen‹ der Katharina Tucher (ediert von W illiams / W illiams -K rapp 1998), einer Schrift wohlgemerkt, die in der vorliegenden (autographen) Form wohl kaum je zur Verbreitung bestimmt war, vgl. K. S chneider (1999), S. 115 und J eep (2000), S. 241. 757 Vgl. auch S uerbaum (2003), S. 250: «Wenngleich diese das eigene Sprechen und Schreiben reflektierenden Kapitel immer wieder wegen ihrer möglichen biographischen Bezüge untersucht worden sind, enthüllen sie doch mehr über die in aller Demut sich der eigenen von Gott geoffenbarten Autorität bewußten Sprecher-Rolle als über konkrete Lebensumstände.» Hinzuweisen wäre auch die Überlegungen von B ürkle (1999), S. 139 zum Typus der «schreibenden Mystikerin», vgl. S. 21f. oben. 758 V ollmann -P rofe (2008b), S. 208. Im lateinisch-deutschen Prolog des ›Fließenden Lichts‹ wird die schriftliche Fixierung der göttlichen Offenbarungen, die einer begina bzw. swester zuteil wurden, an einen Predigerbruder delegiert, wobei dessen Anteil am Zustandekommen des Buches mit conscribere bzw. samente und schreib umschrieben wird. A lbert H auck war der Ansicht, auf diese Angabe sei wenig Verlass, denn sie entstammt LD II.40,12-14 (Rev. Bd. II.2, S. 517). Dort liest man, Heinrich von Halle habe Mechthilds dicta gesammelt (collegit). Aus dem Sammeln soll der Prolog-Verfasser, so H auck , das Schreiben bzw. Verfassen des Buches gemacht haben. 759 Ähnlich skeptisch verhält sich N eumann gegenüber dem Prolog. Zwar gibt er zu bedenken, conscribere könne «auch die Tätigkeit des Zusammenschreibens aus Vorlagen wie die Niederschrift nach Diktat» 760 meinen, doch will N eumann das Verb in einem anderen Sinn verstanden wissen. Dafür weist er auf das Visionsbuch Mechthilds von Hackeborn hin. N eu mann zitiert eine Stelle aus dem Prolog des ›Liber specialis gratiae‹, wo die Helftaer Mitschwestern Mechthilds versichern: Illa ergo quae, ipsa nobis narrante, didicimus, pro modulo nostro […] conscribemus (Rev. II.1, Lib. Prolog, S. 2). 761 N eumann s Lesart besagt, dass die Schreiberinnen sich unmöglich als Verfasserinnen verstanden haben können. 762 Deshalb heißt conscriptus auch im Prolog des ›Fließenden Lichts‹ nichts anderes, so N eumann an anderer Stelle, als «eine saubere, vielleicht kalligraphische Abschrift aus den von Mechthild gelieferten Heften.» 763 Dass dem so ist, begründet N eumann auch mit dem Hinweis auf FL II.26, wo von einem schriber die Rede ist, der das Buch nach Mechthild (na mir) geschrieben haben soll. 764 Ob es zulässig ist, conscribere auf die Bedeutung von ‹abschreiben› zu reduzieren und sich dabei ausgerechnet auf den ›Liber‹ Mechthilds von Hackeborn zu berufen, erscheint angesichts der Entstehungsumstände dieser Offenbarungsschrift höchst zweifelhaft. Es sei daran erinnert, dass der ›Liber‹ mit Ausnahme einiger Briefe Mechthilds, die am Ende von Buch IV wiedergegeben sind, aus Fremdaufzeichnungen besteht, die auf zwei Helftaer Mitschwestern zurückgehen. 765 Diese Aufzeichnungen - sie gründen auf von Mechthild Von der Schrift zum Buch 281 759 Vgl. H auck (1911), S. 189. 760 N eumann (1954b), S. 35. 761 ‹Das also, was wir aus dem, was sie uns erzählt hat, erfahren haben, wollen wir nach unserem Vermögen […] aufschreiben.› 762 Vgl. N eumann (1954b), S. 35. 763 N eumann ebd., S. 65. 764 Vgl. N eumann ebd., S. 35. 765 Dass es sich um zwei Personen handelt, geht etwa aus Lib. V.22 (Rev. Bd. II.1, S. 355) hervor: Vidit [Mechthild] etiam de Corde Dei tres radios tendentes in corda duarum personarum quae hunc librum scribebant (‹Auch sah sie aus dem Herzen Gottes drei Strahlen ausgehen in die Herzen zweier Personen, die dieses Buch schrieben›), ähnlich Lib. V.31 (Rev. Bd. II.1, S. 369). In weiten Teilen der Forschung herrscht Einigkeit darüber, dass eine dieser personae Gertrud von Helfta war, vgl. etwa H aas (1982/ 1984), S. 222, G rubmüller (1981), Sp. 10 und R uh (1993), S. 302. Diese Annahme gründet auf mündlich vermittelten Gnadenerlebnissen sowie auf Berichten einer ihr vertrauten Schwester 766 - sind weit mehr als eine mechanische Mitschrift des Gehörten. So berichten die beiden Schreiberinnen, dass Mechthild des Öfteren zusammenhangslos gesprochen habe und dass ihnen die Bedeutung des Gesagten manchmal verborgen blieb. Aufgeschrieben wird nur das, was sie meinen, verstanden zu haben. 767 Wir haben es also nicht mit einer mechanischen Übertragung des Gehörten ins Geschriebene zu tun, sondern mit einem Transformationsprozess, der eine Interpretation, d. h. eine Bearbeitung, voraussetzt. 768 Weiterhin geben die beiden Schwestern zu, dass sie nur einen Teil dessen, was Mechthild offenbart wurde, aufgezeichnet haben. 769 Allem An- 282 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ jenen Textpartien, die Lib. VII,1-10 und Leg. V.4 gemeinsam sind (Stellennachweise bei A nkermann 1997, S. 58, s. dazu auch S pitzlei 1991, S. 46, Anm. 132). Dazu vermerkt P eters (1988a), S. 126: «Sicher ist freilich nur, daß in beiden Texten dasselbe Material über Mechthilds Tod - einmal [im ›Legatus‹] ausdrücklich auf Gertrud, das andere Mal [im ›Liber‹] auf eine ungenannte Schwester bezogen - verarbeitet worden ist. Daß deshalb eine der Schreiberinnen des Mechthild-Buches die Heilige Gertrud gewesen sein muß, scheint mir weniger gesichert und zwingend zu sein.» Zustimmend H ubrath (1998), S. 172 und (1999), S. 239, Anm. 15 (es sei hier darauf hingewiesen, dass es vielfache intertextuelle Bezüge auch in dem als Produkt eines Autorenkollektivs geltenden Engelthaler Schrifttum gibt, vgl. R ingler 1980, S. 81, 89 und 371f., P eters 1988b, S. 109 sowie B ürkle 1999, S. 292f.). - Die andere Schreiberin will R uh (1992), S. 3f. mit jener Person identifizieren, die die Bücher I und III-V des ›Legatus‹ Gertruds von Helfta verfasst hat. Kritisch äußern sich dazu A nkermann / S roka (1996/ 1997), S. 275-282. Den Identifizierungsvorschlag von R uh kommentiert H ubrath in keinem ihrer Beiträge zum ›Liber‹ (s. Literaturliste), ja mehr noch, sie nimmt erstaunlicherweise nicht einmal Notiz davon. 766 Vgl. Lib. V.24 (Rev. Bd. II.1, S. 356): Nam illa persona quae hunc librum partim ex ore ipsius [sc. Mechthilds], partim ex ore sibi familiarissimae conscripsit, ante tres annos fere talem per somnum vidit visionem (‹Denn jene Person, die dieses Buch teils aus ihrem [Mechthilds] Mund, teils aus dem Mund ihrer Vertrauten zusammengeschrieben hat, sah eine Vision vor beinahe drei Jahren im Schlaf›). Von einer Vertrauten ist auch in Lib. II.43 (Rev. Bd. II.1, S. 193) die Rede: Ex tunc illa hunc librum ita bene recognovit, quem nunquam corporeis viderat oculis, ut familiari suae ostenderet quantitatem libri, et formam corii quo erat opertus ediceret, et zonae qua circumligatus fuerat (‹Von da an erkannte sie das Buch, das sie niemals mit leiblichen Augen gesehen hatte, so gut, dass sie ihrer Vertrauten die Größe desselben beschrieb, sowie das Aussehen der ledernen Hülle, von welcher es umgeben, und der Schnur, mit welcher es umwunden war›). 767 Vgl. Lib. II.31 (Rev. Bd. II.1, S. 177): Quandoque etiam tam latenti lingua loquebatur, ut eam bene intelligere non possemus; unde nihil de his, praeterea quae diligenter et veraciter audivimus, et conservare potuimus, ad laudem Dei et utilitatem scripsimus proximorum (‹Zuweilen sprach sie auch mit einer so dunklen Sprache, dass wir sie nicht gut verstehen konnten. Deshalb haben wir nur das, was wir gewissenhaft und wahrhaftig gehört haben und behalten konnten, zum Lob Gottes und zum Nutzen der Nächsten aufgeschrieben›). 768 Vgl. H ubrath (1999), S. 241. 769 Vgl. Lib. V.30 (Rev. Bd. II.1, S. 363): Tanta etiam praetermisimus quod haec quae scripta sunt, pauca, respectu eorum quae omisimus, videantur. Haec autem ad Dei solius gloriam schein nach pflegen die Mitschwestern einen sehr souveränen Umgang mit Mechthilds dicta: Aufgeschrieben wird nicht nur, was sie meinen verstanden zu haben, sondern auch das, was s i e für nützlich und förderlich für das Seelenheil des Nächsten halten. Sie bleiben mitunter keine passiven Mitschreiberinnen, sondern werden in den Offenbarungsprozess mit einbezogen. Auf die Frage Mechthilds, woher sie wissen kann, ob all das wahr ist, was die beiden aufgeschrieben haben, wenn sie das Buch noch nicht gelesen und auch nicht approbiert hat, erwidert der Herr. Er sei mit den Herzen derer, die von ihr hören wollen; Er sei das Verständnis im Ohr der Hörenden, durch welches sie verstehen, was sie hören; Er sei im Munde derer, die davon sprechen; Er sei in der Hand der Schreibenden. Auf diese Weise sei alles, was sie in ihm und durch ihn sprechen oder schreiben, wahr. 770 Die Mitschwestern gelten offenbar als ko-inspirierte Personen. 771 Sie dürften ihre eigenen «Teilwahrheiten» 772 dem Werk beigesteuert und somit das, was schriftlich niedergelegt ist, wohl nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich geformt haben. 773 Daher ist es auch nicht verfehlt, sie, gegen N eumann , als Ko-Autorinnen des ›Liber‹ zu bezeichnen. 774 Dies gilt im Übrigen auch für jene Helftaer Schwester, die die Bücher III-V des ›Legatus divinae pietatis‹ nach mündlichen Mitteilungen von Ger- Von der Schrift zum Buch 283 et proximorum utilitatem protulimus […] (‹Wir haben auch Vieles ausgelassen, und das, was geschrieben ist, erscheint wenig im Vergleich mit dem, was wir übergangen haben. Was aber geschrieben ist, das haben wir einzig zu Gottes Ehre und des Nächsten Heil aufgezeichnet›). 770 Lib. V.22 (Rev. Bd. II.1, S. 354): Ego sum in corde desiderantium audire in te, excitando ad hoc desiderium earum. Ego sum intellectus in aure audientium, per quem intelligunt quod audiunt. Ego etiam cum in ore inde loquentium; ego sum in manu scribentium; in omnibus cooperator eorum et adjutor; sicque omne quod in me et per me veritatem dictant et scribunt, est verum. 771 So heißt es in Lib. V.22 weiter: Vidit [Mechthild] etiam de Corde Dei tres radios tendentes in corda duarum personarum quae hunc librum scribebant; per quod intellexit quod divina inspirante et confortante eas gratia, hoc opus peragebant […] (‹Sie sah aus dem Herzen Gottes drei Strahlen ausgehen in die Herzen zweier Personen, die dieses Buch schrieben; daraus erkannte sie, dass dieselben auf Eingebung und unter dem Beistand der göttlichen Gnade dieses Werk vollbrachten›), vgl. auch Lib. V.31 (ebd., S. 370): Noli timere; ego totum feci. Meum est ergo omne opus illud. Ego dedi tibi, et tam veraciter sicut de spiritu meo accepisti, ita vere eas [die Schreiberinnen] meus compulit Spiritus et scriberent et elaborarent (‹Fürchte dich nicht; ich habe Alles gemacht. Mein ist also jenes ganze Werk. Ich habe es dir gegeben, und so wahrhaftiglich du es von meinem Geiste empfangen hast, so wahrhaft hat mein Geist jene [die Schreiberinnen] angetrieben, dass sie schrieben und es ausarbeiteten›). 772 H aas (1982/ 1984), S. 223. 773 In welchem Maße das mündlich Mitgeteilte und das von einer anderen Person schriftlich Niedergelegte mitunter auseinander gehen können, zeigt der ›Liber de vere fidelium experientia‹ der Angela Foligno auf anschauliche Weise, der diese Diskrepanz auch thematisiert, s. dazu E mmelius (2004), S. 57. 774 H ubrath (1999), S. 238 spricht in diesem Zusammenhang von einem «open concept regarding the author.» trud verfasst hat. 775 Ihren Anteil am Buch beschreibt der Herr mit folgenden Worten: In derselben Liebe, womit ich dir [Gertrud] alles in diesem Buch Geschriebene in gnädiger Zueignung einflößte, habe ich es auch dem Gedächtnis einer Zuhörerin anvertraut, indem ich es zusammenstellte und ordnete und durch ihre Hand zu meinem Wohlgefallen niederschreiben (conscribere! ) ließ. 776 Dazu R uh : «Zusammenstellen, ordnen, niederschreiben» bezeichnen genau die Tätigkeit einer Redaktorin, der Aussagen, Berichte, Bekenntnisse zur Verfügung stehen, die diese indes nach freiem Belieben bzw. nach der Zweckbestimmung des Buches, hier dessen Veröffentlichung, verwenden kann. Der Spielraum, der Schwester N zustand, war ein denkbar großer. Sie ist die eigentliche Autorin des ›Legatus‹ III-V und wohl auch - was indes erst mit philologischen Mitteln erhärtet werden müßte - des ›Liber specialis gratiae‹. 777 284 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 775 Dass die Bücher III-V der Schreiberin in die Feder diktiert wurden, wie es in weiten Teilen der Forschung heißt (vgl. etwa P ierre D oyère , Introduction, in: Leg., SC, Bd. 139, S. 9-91, hier S. 22 und A nkermann / S roka 1996/ 1997, S. 275), hält R uh (1992), S. 8, Anm. 15 für «eine bloße Annahme, die auf der Interpretation der Nota nach ‹Legatus› IV 25 beruht (s. dazu ‹Legatus› IV [SC, Bd. 255], S. 246, Anm. 2).» Auch sollte berücksichtigt werden, betont R uh ebd., dass «‹Diktat› im Mittelalter keineswegs einem Stenogramm [entspricht], verbürgt jedenfalls nicht den Wortlaut. Und daß mündliche Aussagen, zu welchem Zwecke auch immer, interpretiert, d. h. modifiziert, gekürzt und erweitert wurden, war dem mittelalterlichen Textverständnis so selbstverständlich wie legitim.» Dies findet seine Bestätigung in den in Angelas ›Liber‹ thematisierten Verschriftlichungsumständen ihrer Offenbarungen, s. oben Anm. 773. 776 Leg. V.33 (SC, Bd. 331, S. 266): Ego enim in eodem amore, quo omnia in libro isto conscripta gratuita pietate mea tibi infudi, eodem etiam amore eadem memoriae a te audientis commendavi, componens et ordinans ac per manus ejus secundum optimum beneplacitum meum conscribens universa. 777 R uh (1992), S. 6. Zur Kritik der These von R uh , die von ihm Schwester N. genannte Schreiberin hätte auch am ›Liber‹ mitgearbeitet, s. A nkermann / S roka (1996/ 1997), S. 275-282. Ansonsten sei darauf hingewiesen, dass die Entstehungsbedingungen des von R uh für authentisch gehaltenen zweiten Buches des ›Legatus‹ keineswegs geklärt sind. Wohl ist dieser Teil in Ich-Form gehalten und nach dem Zeugnis des Prologs von Gertrud selbst niedergeschrieben worden (vgl. SC, Bd. 139, S. 114: In secundo libro continentur quae ipsamet, instigante Spiritu Dei, per gratiarum actionem conscripserat de modo susceptae gratiae), doch sind selbst hier «verschieden zu kombinierende Varianten der Autorschaft» denkbar, betonen A nkermann / S roka (1996/ 1997), S. 277. Ihnen zufolge könnte Buch II «a) original von Gertrud stammen, b) von Gertrud niedergeschrieben und von fremder Hand redaktionell überarbeitet worden sein, c) eine oder mehrere Mitschwestern zur Verfasserin haben.» Für die Richtigkeit dieser Annahme sprechen die Untersuchungsergebnisse von A nkermann / S roka . Es wird darauf hingewiesen, «daß gerade die Elemente, in denen die später entstandenen Teile des Legatus divinae pietatis [das sind die Bücher III-V sowie I] von dem Buch II abweichen, in Übereinstimmung mit dem Liber specialis gratiae stehen» (S. 281), s. dazu auch A nkermann (1997), S. 182-241. Dass die Möglichkeiten b) und c) nicht ganz auszuschließen sind, bezeugt Wenn es im Prolog vom ›Fließenden Licht‹ heißt, es handle sich um einen liber conscriptus, so bedeutet das im Lichte der obigen Ausführungen mitnichten, dass eine Abschrift gemeint ist. Eher wird man an ein Buch denken müssen, das nach Diktat oder schriftlichen Notizen Mechthilds zusammengestellt wurde. 778 Diese Bedeutungsnuancen des Verbes conscribere hat auch N eumann in Erwägung gezogen (s.o.). Dass er sie nicht gelten lässt, 779 ist von seiner Position her gesehen nur allzu verständlich, denn die Aufwertung der Rolle des quodam frater des Prologs hätte die Frage aufgeworfen, wie sich sein Anteil an der Entstehung des ›Fließenden Lichts‹ mit dem von Mechthild vereinbaren lässt. 780 Eine weitere Gefahr für Mechthilds auktoriale Integrität und schriftstellerische Souveränität sah man in jenem schriber, von dem in FL II.26 gesagt wird, er hätte das Buch nach Mechthild (na mir) geschrieben. H einz T illmann identifiziert den anonymen Schreiber kurzerhand als Heinrich von Halle und betont, Heinrich habe «abgeschrieben, aber n i c h t g e ä n d e r t.» 781 Dieser Ansicht ist auch N eumann , denn er sieht es als erwiesen an, dass das Corpus der Bücher I-V «eine von M. schon ergänzte und von ihrem Beichtiger geprüfte (V.12), in Bücher und Kapitel eingeteilte, mit Kapitelüberschriften Von der Schrift zum Buch 285 übrigens R uh selbst, wenn er darauf hinweist, ‹Hackebornisches› würde sich auch in dem als authentisch geltenden zweiten Buch des ›Legatus‹ finden. Freilich erklärt R uh (1992), S. 16 diesen Befund damit, dass Gertrud - sie ist für R uh eine der Schreiberinnen des ›Liber‹ (zur Kritik s. oben Anm. 765) - «gelegentlich dem Einfluß Mechthilds und der Schwester N erlegen ist.» 778 So auch H asebrink (1998), S. 156. Wie in ›Liber‹ und ›Legatus‹ steht conscribere auch im ›Liber visionum‹ der Elisabeth von Schönau für einen redaktionellen Umgang mit schriftlichen Notizen, die von einem Dritten (vom Bruder Elisabeths sowie von ihren Mitschwestern) herrühren, vgl. R oth (1884), S. 1: Ego autem Eckebertus […] conscripsi omnia hec, et alia, que de revelationibus eius leguntur, s. dazu C lark (1999), S. 36-39. Auf das deutsche Pendant des Terminus Technicus conscribere stößen wir in der Einleitung der Vita der Schwester Gerdrut von Engelthal: […] z v Engeltal, da ain swester waz die hieß Gerdrut, der bichtiger wir baid [ich br v der C v nrat Fridrich vnd ich br v der Hainrich, die baid caplan waren z v Engeltal] waren vnd dem sie je ains sait dem anderen ain anders, je als ir vnser herr gnad gab her z v vns. Vnd daz hab wir etlich tail z v ain ander geschriben, daz sie vns gesagt hat vnd was ir got all ir tag von kinthait vncz jn ir alter genaden hat getan, als wir es aller werlichest mochten vinden, zitiert nach R ingler (1980), S. 445. 779 R uh (1993), S. 250f. missversteht N eumann , wenn er die referierte Prolog-Stelle mit Berufung auf N eumann (1954b), S. 35 wie folgt paraphrasiert: «Von Mechthild wird gesagt, daß sie ‹in vollkommener Weise den Fußstapfen des Predigerordens gefolgt› sei, und ein Bruder dieses Ordens [Heinrich von Halle] habe das Buch ‹mitgeschrieben› (conscriptus), das heißt, nach Diktat aufgezeichnet.» 780 Diese Frage hat M orel (1869), S. XXII dahingehend beantwortet, dass er die Angabe des Prologs zu einem «scheinbare[n] Widerspruch» zur Autorschaft Mechthilds erklärte, einem Widerspruch, der «seine Lösung in dem Worte g e s a m m e l t [findet], so dass mit Greith (S. 207) anzunehmen ist, dieser Bruder habe die von Mechthild geschriebenen einzelnen Blätter gesammelt und abgeschrieben» (Sperrung von M orel ). 781 T illmann (1933), S. 2, Anm. 7 (Sperrung von T illmann ). versehene und i n R e i n s c h r i f t ü b e r t r a g e n e Fassung war.» Letzteres wird mit FL II.26 begründet. 782 Eine andere Einschätzung von FL II.26 vermittelt N eumann in seiner Textausgabe (zur Textkritik s. S. 266f.). Mit Berufung auf die auf Mechthilds Fürbitte folgende Antwort Gottes, die von mehreren Schreibern handelt, und vor allem mit Hinweis auf die lateinische Übersetzung (O domine cum gemitu cum desiderio peto pro scriptoribus qui hunc librum post me conscripserint . ut graciam tuam eis in mercede conferas qualem ad huc alius non accepit, LD Prol 6,25f./ Rev. Bd. II.2, S. 444,7- 10, ähnlich LG Vorrede 5,36f.) wird schriber in schribere (FL II.26, 34) emendiert. Offenbar denkt N eumann nicht mehr an einen konkreten Schreiber, der Mechthild bei der Abfassung ihres Buches behilflich war, sondern an die zukünftigen Kopisten des ›Fließenden Lichts‹. In die gleiche Richtung weisen auch die Überlegungen von N igel F. P almer . Zwar hält er anders als N eumann an der handschriftlich bezeugten Lesart schriber fest, paraphrasiert jedoch die hier zur Diskussion stehende Stelle in einer Weise, die der von N eumann vorgetragenen Position entspricht: «Herr, ich seufze und bitte f ü r j e d e n S c h r e i b e r , der sich zu Deinem Werkzeug macht und dieses Buch n a c h m e i n e m H i n s c h e i d e n [na mir] abschreiben wird.» 783 Die Begründung lautet: «Die Stelle sollte indessen auf keinen Fall auf einen Amanuensis der Visionärin bezogen werden, der etwa ihr Buch zusammenstellte oder die fertige Abschrift besorgte. Damit wird nur das Offenbarungsmodell der lateinischen Übersetzung auf den deutschen Text übertragen» (ebd.). Die von N eumann und P almer vertretene Interpretation ist durch ein temporales Verständnis von na mir geprägt, und zwar im Sinne des von der ›Lux divinitatis‹ gebotenen post me (nach mir, LG Vorrede 5,37). Denkbar ist jedoch auch eine andere Lesart von FL II.26. Sie findet sich nicht nur in den unter Anm. 782 genannten früheren Arbeiten von N eumann , sondern auch in der von V ollmann -P rofe vorgeschlagenen Übersetzung der referierten Stelle. Wie P almer lässt V ollmann -P rofe schriber (138,8f.) unverändert stehen, was auch angebracht erscheint, weil sowohl in der Überschrift als auch im Register von einem einzigen Schreiber die Rede ist. Übersetzt wird jedoch wie folgt: «O Herr, ich seufze und wünsche und bitte für deinen Schreiber, der das Buch n a c h m e i n e r A n w e i s u n g geschrieben hat» (139,15, Sperrung von mir). Die Übersetzung gründet auf der Annahme einer wie auch immer gearteten Kooperation zwischen Mechthild und ihrem Schreiber. Diese Deutung ließe sich erhärten, wenn man die feinen Bedeutungsunterschiede im Bittgebet beachtet, die zwischen dem deutschen und dem lateinischen Text feststellbar sind. Anders als in der ›Lux divinitatis‹, die eher auf das richtige Abschreiben abhebt, erweckt die Bitte Mechthilds, Gott möge auch ihm (dem Schreiber) zum Lohn solche Gnade schenken, wie sie noch niemals einem Menschen zuteil wurde (das du im p ch wellist die gnade geben ze lone, die nie menschen wart 286 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 782 Vgl. N eumann (1987a), Sp. 262 (Sperrung von mir). Ähnlich N eumann (1954b), S. 36f. 783 P almer (1992), S. 225 (Sperrungen von mir). gelúhen, FL II.26: 138,9f. [II.26,35f.]), im deutschen Text den Eindruck, als gälte sie einem bestimmten Schreiber, der in den Offenbarungsprozess mit einbezogen ist. Diese Vorstellung ist bei Offenbarungsschriften, die durch die Beteiligung eines Dritten entstanden sind, gar nicht so ungewöhnlich. Man denke nur an den Status der Schreiberinnen in den oben vorgestellten, unter dem Namen Mechthilds von Hackeborn bzw. Gertruds von Helfta laufenden Helftaer Offenbarungswerken. 784 Wenn die Existenz eines Schreibers anhand von FL II.26 wahrscheinlich gemacht werden kann, stellt sich die Frage, ob es sich um einen rein rezeptiven oder einen mitgestaltenden Schreiber handelt. 785 Sollte das ›Fließende Licht‹ teilweise nach mündlichen Mitteilungen Mechthilds von einem unbekannten Dritten aufgezeichnet worden sein, 786 so gälte es auch hier das, was R uh in Bezug auf den ›Liber‹ festgestellt hat: Der Anteil der an der Buchgenese beteiligten Instanzen «ist nicht zu bestimmen.» 787 Selbst wenn wir es nur mit jemandem zu tun hätten, der die Reinschrift des jeweiligen Aggregatzustands des in Entstehung begriffenen Werkes besorgte, sollte die Frage erlaubt sein, über welche «textformende Kompetenz» (O ltrogge / S chubert ) ein solcher Schreiber verfügt haben kann. 788 Dass wir mit frühen Abschriften in der Tat zu rechnen haben, zeigt nicht nur FL II.26, sondern auch das letzte Kapitel des sechsten Buches (FL VI.43), das in der Art eines testimonium veritatis bekräftigt, Schwester Mechthild hätte die schrift, die sich im vorliegenden Buch findet, mit iren henden niedergeschrieben. Zugleich wird vermerkt, das Buch sei gesetzet, ein Ausdruck, der wenn auch nicht auf redaktionelle Bearbeitung, so doch auf eine bereits in kopialer Überlieferung vorliegende Textgestalt schließen lässt, auf welche hier zurückgegriffen wird, wobei die Art der Wiedergabe getrúwelich gewesen sein Von der Schrift zum Buch 287 784 Auch Hildegard lässt außer sich selbst ihren symmista, den vertrauten Helfer des zu schreibenden Werkes (d.i. Volmar von Disibodenberg), durch Gott autorisieren, vgl. M eier (2004), S. 253. 785 So auch D inzelbacher (2004), S. 166. 786 Dies setzt voraus, dass die textinternen Angaben zur Schreibtätigkeit der Ich-Sprecherin an sich nicht beweiskräftig sind, vgl. G rubmüller (1992), S. 335: «Konnte Mechthild von Magdeburg schreiben? Konnte sie lesen? Absurde Fragen, wie es scheint, angesichts eines schriftstellerischen Werkes von Rang, ausgeprägter Formulierungskunst, geistlicher Bildung: Aber die Fragen sind nicht eigentlich beantworbar.» S. dazu auch Anm. 757 oben mit Text. 787 R uh (1992), S. 3. Ähnlich äußert sich D oyère zu den Büchern III-V des ›Legatus‹, s. Leg. (SC, Bd. 139), S. 23. 788 Illustrative Beispiele aus dem nicht-mystischen Bereich dafür, wie weitgehend die Schreiber an der Modellierung von Texten mitgearbeitet haben, liefern die von Oswald von Wolkenstein in Auftrag gegebenen Sammlungen seiner eigenen Gedichte (s. dazu S chweikle 1993, S. 129f.) und die einst Donaueschinger, heute Karlsruher Handschrift des ›Nüwen Parzifal‹, die die Reinschrift (so B umke 2005, S. 25) dieses von einer Autorengruppe verfassten Werkes darstellt (s. dazu O ltrogge / S chubert 2002, S. 365). Vgl. in diesem Zusammenhang auch B aisch (2006), S. 42-53. soll. Wieviele Abschriften vorgenommen wurden, bis dieses Textstück eingefügt wurde, lässt sich nicht feststellen. Unbegründet ist jedenfalls die Annahme, der Urheber dieser Notiz, die anlässlich der «zweiten «offiziellen» Redaktion», 789 das heißt anlässlich der Ausgabe der Bücher I-VI (= F 1 , Diagramm 5), inseriert worden sein soll, sei Heinrich von Halle. 790 Wenn dem so wäre, dann müsste man eigentlich erwarten, dass FL VI.43 auch in der lateinischen Version auftaucht. Das ist jedoch nicht der Fall. Dazu erklärt N eumann : FL VI.43 «ist vom Übersetzer der Revelationes mit Grund nicht in seinen Text aufgenommen worden, weil die lateinische Version weder mit dem Wortlaut noch mit dem Aufbau der Vorlage also getrúwelich verfuhr», wie es Heinrich von Halle tat, dessen «ehrfurchtsvolle[s] Bekenntnis» in FL VI.43 «eine willkürlich verfahrende Redaktionsarbeit noch unter Mechthilds Augen gewiß aus[schließt].» 791 Wie man zu diesem Argument auch stehen mag, unerwähnt bleibt, dass FL VI.43 auch im Register des sechsten Buches fehlt. Es empfiehlt sich daher, den Befund mit E rnst B ecker wie folgt zu deuten: Dieses Schlusskapitel [FL VI.43] wird weder von Mechthild, noch von Heinrich, noch von dem zweiten Bearbeiter stammen. Es kann erst im weiteren Verlaufe der deutschen Ueberlieferung hierher gesetzt worden sein. Immerhin beweist es, dass die ersten sechs deutschen Bücher noch einige Zeit das Gesamtwerk Mechthilds darstellten, das siebente Buch also erst verhältnismässig spät den voraufgehenden Büchern zugefügt wurde. Denn dieses Schlusskapitel steht anscheinend für die Gesamtheit aller sechs Bücher. 792 Wir haben es also mit einem Schreiberkolophon zu tun, 793 der erst auf einer späteren Textstufe mit Überschrift und Kapitelzählung ausgestattet und so in die Kapitelfolge des ›Fließenden Lichts‹ eingereiht wurde. 794 Dies lässt auf eine längere Kopialüberlieferung schließen, in die das ›Fließende Licht‹ (genauer 288 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 789 R uh (1993), S. 251. 790 Außer auf R uh (Anm. 789) wäre hier auf O ehl (1911), S. 17, A ncelet -H ustache (1926), S. 43, F innegan (1991), S. 21 und H asebrink (1998), S. 150 hinzuweisen. Verwirrend sind die Angaben bei N eumann : Auf S. 65 seiner Akademie-Abhandlung (1954b) wird das «ehrfurchtsvolle Bekenntnis» in FL VI.43 expressis verbis Heinrich von Halle zugeschrieben, auf S. 34 ist dagegen nur von einem «Herausgeber» bzw. «Redaktor» die Rede, ähnlich N eumann (1990), S. 251, App. zu FL VI.43 («wohl Zusatz eines Redaktors») und D ers . (1993), S. 142f., Anm. zu VI.43,1-5 («vom Herausgeber des Corpus, welches die Bücher I-VI umfaßte»). N eumann wird mit Sicherheit an Heinrich von Halle gedacht haben, denn Heinrich ist ja derjenige, den N eumann als Herausgeber und Redaktor der Bücher I-VI des ›Fließenden Lichts‹ identifiziert. 791 N eumann (1954b), S. 65. Ähnlich N eumann (1993), S. 142, Anm. zu VI.43,1-5. 792 B ecker (1951), S. 205. 793 So auch S enne (2004), S. 149, Anm. 29 und W ebster (2005), S. 116. Vgl. auch T illmann (1933), S. 2, Anm. 7, H auck (1911), S. 190 und G rubmüller (1992), S. 337. 794 Dieser Schreiberzusatz dürfte noch keine Zählung gehabt haben, als das erste Prooemium unter anderem mit dem Querverweis vi libro in ende versehen wurde, s. dazu S. 123f. oben. die Einheit der Bücher I-VI) schon früh eingegangen ist. In der Tat weist auch der textgeschichtliche Befund in diese Richtung (s. Diagramm 4 mit vorangehendem Kommentar). Auf einer dieser Abschreibestationen könnte auch der lateinische Prolog eingefügt worden sein, denn auch er fehlt der ›Lux divinitatis‹ (s. dazu S. 144f.). Des Weiteren ist B ecker zuzustimmen, dass die Bücher I-VI «noch einige Zeit das Gesamtwerk Mechthilds darstellten.» Besonders deutlich sieht man dies am multifunktionalen Glossenwerk, das diesen Teil des ›Fließenden Lichts‹ auszeichnet und auf einer frühen Textstufe, jedenfalls noch vor der Vergabelung der Textgeschichte in zwei Überlieferungszweige, eingefügt wurde (s. dazu Kap. II.1.2). Ohne ein solch gelehrtes Rahmenwerk muss dagegen das siebte Buch auskommen. Für diesen Teil des Textes gelten jedoch ohnehin andere Entstehungsbedingungen. Im vorletzten Kapitel des siebten Buches (FL VII.64) findet sich ein Gebet, in dem die Ich-Sprecherin - sie figuriert als betlerin - Gott für die Hilfe fremder Augen, fremder Herzen und fremder Hände dankt: Herre, ich danken dir, sit du mir benomen hast die maht miner p gen, das du mir nu dienest mit fr o mden p gen. Herre, ich danken dir, sid du mir benomen hast die maht miner henden, das du mir nu dinest mit fr o mden henden. Herre, ich danke dir, sid du mir benomen hast die maht mines herzen, das du mir nu dienest mit vr o mden herzen (662,8-13, [VII.64,6-10]) Dieser Dank gilt einer konkreten Personengruppe, was aus dem unmittelbar anschließenden Bittgebet deutlich wird: Herre, ich bitte dich vúr si, das du es in wellest lonen in ertrich (662,14f. [VII.64,11]). Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um die Angehörigen des Zisterzienserinnenklosters Helfta, wo Mechthild die letzten Jahre ihres Lebens verbracht hat. 795 Dies geht aus dem Prolog der ›Lux divinitatis‹ hervor: Tandem post multas tribulaciones in senectute uita sanctimonialium in helpede assumpta et per annos . xij . commorata omnium uirtutum perfeccione floruit. Bemerkenswert ist der folgende Zusatz: ut earundem testimonio conprobatur (LD Prol 1,33-35/ Rev. Bd. II.2, S. 436,30- 33). 796 Diese Berufung auf das Zeugnis der Helftaer Mitschwestern ist in der Forschung bislang unbeachtet geblieben. Man fragt sich, ob es sich um ein schriftliches Zeugnis handelt, das hier referiert wird. Diese Frage ist insofern berechtigt, als es tatsächlich eine soror M. in Helfta gibt, die in den dortigen Visionsschriften gelegentlich auftritt und die in der Forschung mit Mechthild Von der Schrift zum Buch 289 795 Auf eine Schwesterngemeinschaft gibt es immer wieder Anspielungen in diesem letzten Buch des ›Fließenden Lichts‹, vgl. mine vrowen (FL VII.4: 540,20 [VII.4,3]), si (FL VII.8: 550,11 [VII.8,23]), samenunge (FL VII.13: 558,5 [VII.13,16] und VII.53: 634,18f. [VII.53, 2]), under inen (FL VII.14: 558,25 [VII.14,14f.]). Völlig aus der Luft gegriffen ist die Annahme, Gertrud von Helfta hätte der erblindeten Mechthild als Schreiberin zur Seite gestanden, so L anczkowski (1987), S. 424. Zustimmend zitiert von K eul (2004), S. 201. 796 LG Vorrede 1,46-50: Zum letsten nach viel trúbseligkeyt in yrem alter ward sy angenommen in ein samlung der Closterfrawen zú Helpede vnd wonet do xij Jar vnd blúwet mit volkommenheit aller túgent als dan bewert wúrt vß der selbigen closterfrawen zugnús. von Magdeburg identifiziert wird. 797 Sollten diese Stellen den Referenzpunkt der genannten Berufung auf die Zeugenschaft der Helftaer Mitschwestern darstellen, so würde dies für die Datierung des ›Lux divinitatis‹-Prologs bedeuten, dass der Prolog erst einige Jahre nach der eigentlichen Übersetzung, frühestens jedoch Anfang des 14. Jahrhunderts entstanden sein kann. 798 Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass es sich um eine topische Wendung handelt, die bezweckt, den vorbildlichen Lebenswandel der Protagonistin durch Augenzeugen zu bestätigen. In diesem Fall wäre die Stelle ohne jeglichen Aussagewert für die Datierung des Prologs. Irritierend wirkt jedoch, dass dem Prolog-Verfasser die Kunde von der Existenz eines siebten Buches fehlt. Erklären lässt sich dies wohl damit, dass dieses Buch erst nach der Abfassung des ›Lux divinitatis‹-Prologs gesammelt und dem bestehenden Corpus des ›Fließenden Lichts‹ angeschlossen wurde. 799 Die endgültige, sieben Bücher umfassende Gestalt des ›Fließenden Lichts‹ wird vermutlich ein Mitglied des Helftaer Konvents posthum besorgt haben. 800 Eine oder mehrere Mitschwestern scheinen auch bei der Niederschrift der Offenbarungen Mechthilds von Magdeburg und/ oder deren Redaktion beteiligt gewesen zu sein. 290 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 797 Vgl. P eters (1988a), S. 122-125. S. dazu auch S. 131, Anm. 136 oben. 798 Buch II des ›Legatus‹ stammt aus dem Jahr 1289, die restlichen Bücher wurden gegen 1301 aufgezeichnet. Zwischen der Niederschrift des zweiten Buches des ›Legatus‹ und der Bücher III-V bzw. I liegt die Niederschrift der Offenbarungen Mechthilds von Hackeborn in den Jahren 1290-1299. 799 O rtmann (1992), S. 160 u.ö. nennt das siebte Buch eine «Nachlese in Helfta». Hier sei darauf hingewiesen, dass sich gelegentlich in der Forschung die Ansicht findet, auch Buch VI sei in Helfta entstanden, vgl. P reger (1874), S. 95, G rössler (1887), S. 16 und 33, B ecker (1951), S. 204, H eimbach (1989), S. 163, K asten (1995), S. 11 und S uerbaum (2003), S. 250. Wenn überhaupt eine Begründung für diese Annahme gegeben wird, so werden jene Kapitel des sechsten Buches genannt, in denen ein recht spezifischer Personenkreis belehrt (vgl. FL VI.1: Priorin, VI.2: Kanoniker, VI.7: ein geistlich mensch), Kritik an Missständen, vor allem unter geistlichen lúten, geäußert (vgl. FL VI.3, 13 und 21) und auf Verdächtigungen selbstbewusst geantwortet wird (vgl. FL VI.31 und 36). Deutliche Anspielungen auf ein monastisches Umfeld gibt es nur im siebten Buch, vgl. FL VII.4: 540,19 (VII.4,2f.), VII.8: 550,11 (VII.8,22f.), VII.13: 558,5 (VII.13,16), VII.14: 558,11 (VII.14,4) und VII.53: 634,18f. (VII.53,2). Auch sonst hebt sich Buch VII von den vorangehenden Büchern ab, s. dazu weiter unten. 800 So N eumann (1993), S. 202. Im Jahre 1954 war N eumann noch anderer Meinung: Ausgehend von FL VII.41, das laut Überschrift von einem predierbr v der handelt, worüber der Text selbst jedoch nichts aussagt (hier liest man nur von einem geistlichen man), nimmt N eumann (1954b), S. 40 an, man müsse jene Person, die die Kapiteleinteilung und die Überschriften besorgte, «wohl» im Hallischen Dominikanerkloster suchen. H aas (1982/ 1984), S. 271 vermutet sogar, die Schlussredaktion des ›Fließenden Lichts‹ «dürfte» von Heinrich von Halle in Helfta (! ) vorgenommen worden sein. Dass die Überschrift von FL VII.41 ein starkes Indiz für eine in Dominikanerkreisen erfolgte Endredaktion wäre, ist zu bezweifeln, denn es lassen sich Beispiele dafür nennen, dass ein solcher Bezug auch in der Überlieferung hergestellt werden konnte, vgl. S. 187, Anm. 367 mit Text und S. 244 oben. Ein gewichtiges Indiz für die Rezeption des Gesamttextes im dominikanischen Bereich ist die Überschrift von FL VII.41 allemal. Einen Hinweis darauf, dass Teile des siebten Buches auf Fremdaufzeichnungen zurückgehen, liefert der oben zitierte Passus aus FL VII.64. Diese Textstelle wird in der Forschung als Beleg dafür angeführt, dass die Helftaer Nonnen die Offenbarungen der im Alter allem Anschein nach erblindeten Mechthild nach ihrem Diktat aufgezeichnet haben. 801 Die Ausführungen von oben zeigen allerdings, dass das Schreiben nach Diktat in Helfta keine mechanische Mitschrift bedeutet. Die Schreiberinnen, die sich in den Dienst ihrer begnadeten Mitschwester stellen, können mitunter die Aufgabe des Kompilators, ansatzweise sogar diejenige des Kommentators übernehmen. 802 Deshalb empfiehlt es sich, ins Kalkül miteinzubeziehen, dass das vom ›Liber‹ und dem ›Legatus‹ her bekannte arbeitsteilige Prinzip, das als das Charakteristikum der Helftaer Literaturproduktion gilt, 803 auch die Modalitäten der Entstehung von Buch VII des ›Fließenden Lichts‹ bestimmt haben kann. Dagegen heißt es über das siebte Buch in der Forschung: «Eine Redaktion hat es allem Anschein nach nicht erfahren. So gesehen, kommt ihm der höchste Grad an Authentizität zu.» 804 K urt R uh , der sich für eine solche Einschätzung des letzten Buches des ›Fließenden Lichts‹ aussprach, weist zur Begründung darauf hin, dass das siebte Buch im Unterschied zu den früheren Entstehungsphasen ohne jeglichen Schlussvermerk endet (ebd.). Ob dies als Argument für eine fehlende Redaktion ausreicht, sei dahingestellt. N eumann selbst hat eine Redaktion jedenfalls nicht ausgeschlossen. Er weist darauf hin, «[d]aß an der heutigen Gestalt des ‹Fließenden Lichts› vor seiner Übertragung in alem. Sprachform eine dritte Hand beteiligt gewesen ist, die auch für Buch VII die Kapiteleinteilung und die Überschriftung besorgte.» 805 Vergleicht man die Überschriften von Buch VII mit denen der Bücher I-VI, so zeigt sich in der Tat, dass sie «um möglichst exakte Inhaltsangaben bemüht und auch formal stärker schematisiert (sie beginnen z.B. fast durchweg mit Wie oder Von) [sind].» 806 Von einer tiefgreifenderen Redaktion des siebten Buches will selbstverständlich auch N eumann nichts wissen. Dasselbe gilt im Übrigen auch für F rank T obin . Er ist der Ansicht, Buch VII sei im Vergleich zu den frühen Büchern des ›Fließenden Lichts‹, die «a certain role-playing on the part of the author-narrator» erken- Von der Schrift zum Buch 291 801 Vgl. etwa N eumann (1987a), Sp. 261 und (1993), S. 202, P almer (2005), S. 252 und V oll mann- P rofe (2007b), S. 59. Allerdings wird eine Mitarbeit der Helftaer Mitschwestern in all diesen Fällen nur für den Schlussteil des siebten Buches attestiert. 802 So H ubrath (1996), S. 54 über den Anteil der Schreiberinnen Mechthilds von Hackeborn an der Entstehung des ›Liber specialis gratiae‹. Zum Helftaer Literaturbetrieb s. auch N emes (2012). 803 Vgl. H.-J. S chiewer (2002b), S. 181-183 und (2004), S. 297-300 sowie P almer (2005), S. 253. 804 R uh (1993), S. 251 und daran anschließend S enne (2002), S. 7. 805 N eumann (1954b), S. 40. 806 N eumann (1993), S. 202. Einen besonders deutlichen Beleg für die Aufteilung eines ursprünglich wohl zusammenhängenden Textabschnittes liefern die Kapitel FL VII.22- 25, s. dazu V ollmann- P rofe (2003), S. 839, Anm. zu 576,11-578-24. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für FL I.39-43. nen lassen, literarisch gänzlich unprätenziös. 807 Diese Gegenüberstellung suggeriert, als sei die authentische Stimme Mechthilds im letzten Buch unverhüllter zu vernehmen als in den stärker literarisierten früheren Büchern. Zu erklären ist diese Sicht wohl damit, dass Buch VII allgemein als das am deutlichsten ‹didaktische› Buch des ›Fließenden Lichts‹ wahrgenommen und als solches von den vorangehenden ‹mystischen› Büchern abgehoben wird. 808 Der Forschung ist durchaus zuzustimmen, dass das siebte Buch im Hinblick auf Inhalt und Diktion sowie redaktionelle Bearbeitungsspuren eine Sonderstellung einnimmt. Allerdings ist es fraglich, ob man diese Sonderstellung zu einem Authentizitätsbeweis ummünzen kann. So wird man die Tatsache, dass sich der Großteil der lateinischen Zitate (aus Bibel und Liturgie) im siebten Buch befindet, «kaum im Sinne einer geradlinigen Zunahme der Lateinkenntnisse der älter gewordenen Nonne» 809 erklären. Dasselbe gilt auch für 292 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 807 Vgl. T obin (1994), S. 60f.: «In the early books one can detect a certain role-playing on the part of the author-narrator. She is conscious of being literary in her creation. She is able to turn her mysticism into an aesthetic experience. She both is and poses as a literary artist. In the final book, the pose is largely gone, replaced by a frankness lacking any literary pretension.» 808 S. dazu S uerbaum (2009), S. 31. 809 M argetts (1977), S. 126, Anm. 14. Bedingt aussagekräftig sind in diesem Zusammenhang die wenigen deutschen Direktzitate aus der Bibel, weil sie nicht nur im siebten Buch, sondern auch im ganzen Werk verstreut vorkommen, vgl. FL II.22: 78,2 (II.2,20): ein tag ist mir tusent jar, vgl. Ps 89,4 (mille anni ante oculos tuos tamquam dies) - FL II.19: 108,6 (II.19,64f.): got ist allú ding in allen dingen, vgl. I Cor 14,28 (ut sit Deus omnia in omnibus) - FL III.3: 162,17f. (III.3,5f.): Fr p we brut, ir sprechent in der minne b v ch úwerem lieben z v , das er von úch vliehe, vgl. Ct 8,14 (Fuge, dilecti mi) - FL III.10: 184,28f. (III.10,41f.): Vatter, enpfahe minen geist, nu ist es alles vollekomen, vgl. Lc 23,46 [= Ps 30,6] (Pater, in manus tuas commendo spiritum meum) bzw. Io 19,28 (iam omnia consummata) - FL III.20: 206,1f. (III.20,16f.): Du bist alles sch o ne, min frúndinne, und kein vlekke ist an dir, vgl. Ct 4,7 (tota pulchra es amica mea et macula non est in te), s. dazu H asebrink (2000), S. 159 - FL IV.12: 260,23f. (IV.12,42): Wir s o llen got sehen als er ist, vgl. I Io 3,2 (Quoniam videbimus eum sicuti est) - FL IV.12: 260,26 (IV.12,44): ist manigerleie wonunge in dem himmelriche, vgl. Io 14,2 (In domo Patris mei mansiones multae sunt) - FL IV.12: 260,29 (IV.12,46): Eya, entwich mir, lieber herre, vgl. Ct 8,14 (Fuge, dilecti mi) - FL V.23: 364,11f. (V.23,27f.): Ich gibe mich gotte ze dienste nach dinen worten, vgl. Lc 1,38 (Ecce ancilla Domini, fiat mihi secundum verbum tuum) - FL VI.11: 454,7f. (VI.11,6f.): Venite, benedicti patris mei, koment z v mir, alle seligen, und gant von mir, alle unselegen, vgl. Mt 25,34 und 41 (Venite, benedicti Patris mei bzw. Discedite a me, maledicti) - FL VI.29: 490,19f. (VI.29,32): Gant von mir, ir vervl v hten, in das ewige fúr, vgl. Mt 25,41 (Discedite a me, maledicti, in ignem eternum) - FL VI.33: 500,24 (VI.33,24): min vrid si iemer mit dir, vgl. Lc 24,36 u.ö. (Pax vobis) - FL VI.35: 502,13 (VI.35,2): Stand uf, min vil lieber, und erhole dich, vgl. Ct 2,13 u.ö. (Surge, amica mea, speciosa mea, et veni) - FL VII.7: 544,31f. (VII.7,16f.): als ein mensche sin antlitze besihet in eime claren spiegel, vgl. Iac 1,23 (hic comparabitur viro consideranti vultum nativitatis suae in speculo) - FL VII.25: 578,21f. (VII.25,10f.): das gesach nie menschen p ge, das gehort nie menschen ore, vgl. I Cor 2,9 (quod oculos non vidit nec auris audivit) - FL VII.46: 618,17f. (VII.46,10f.): Z v den wellen wir komen, min vatter und ich, und das von R uh postulierte gesteigerte und präzisere theologische Sachwissen, das dem in Helfta geschriebenen siebten Buch eigen sein soll und das R uh auf Heinrichs Belehrung zurückführen will. 810 Darüberhinaus fragt man sich, ob die Dominanz der Lehre monastischer Disziplin und der entsprechenden literarischen Vermittlungformen im siebten Buch des ›Fließenden Lichts‹ allein dadurch zu erklären ist, dass Mechthild bestrebt war, den Interessen ihrer Rezipientinnen entgegen zu kommen. 811 Hier sei auf eine Besonderheit von Buch VII hingewiesen: Man stößt im siebten Buch des ›Fließenden Lichts‹ immer wieder auf Texte, deren narrative Struktur darauf schließen lässt, dass bestimmte, im monastischen Raum beheimatete Textsorten modellbildend wirkten. Zu nennen wäre etwa die Passionsmeditation auf die sieben Tagzeiten in FL VII.18, 812 der Einfluss der Herzkloster-Allegorie auf die Beschreibung des «Tugendklosters» 813 in FL VII.36, 814 das litaneiartige Lobgebet in FL VII.19, die Ave-Maria- Paraphrase in FL VII.20, Gebete in FL VII.30 und 51 (sie werden in den Überschriften auch als solche bezeichnet), an kirchliche Feste anknüpfende Visionen in FL VII.2 und 60, Gewissenspiegel und Dankgebet anlässlich des Eucharistieempfangs in FL VII.21. Auch für die vorangehenden Bücher wäre zu erwägen, inwieweit sie inhaltlich und formal an eine schon in der ersten Hälfte/ Mitte des 13. Jahrhunderts vorhandene volkssprachliche (mitteldeutsch/ niederdeutsche) geistliche Literatur anknüpfen, eine Literatur, die freilich nur spärlich erhalten ist, deren Existenz aber vorausgesetzt werden muss, will man das ›Fließende Licht‹ nicht, wie bisher, als ein gänzlich isoliertes Phänomen in der literarischen Landschaft des 13. Jahrhunderts sehen. 815 Das Fehlen einer solchen Untersuchung hat schon H erbert G rundmann beklagt. 816 Sie gilt immer noch als Desiderat, trotz gelegentlicher Hinweise in der Forschung. 817 So weist K laus G rubmüller auf eine im östlichen Niederdeutschen und in Thüringen gut bezeugte niederdeutsche Reimapokalypse aus dem 12. Jahrhundert hin und vermerkt, mögliche Bezie- Von der Schrift zum Buch 293 wellen ein wonung mit in machen, vgl. Io 14,23 (ad eum veniemus et mansiones apud eum faciemus) - FL VII.55: 640,18 (VII.55,26): Únser herre got hat úns allererst geminnet, vgl. I Io 4,19 (Deus prior dilexit nos) und FL VII.63: 660,8f. (VII.63,11): Herre, din wille geschehe und nit der min, vgl. Lc 22,42 (non mea voluntas sed tua fiat). 810 Vgl. R uh (1993), S. 249. Dieses Postulat von R uh wie auch ein eingehender Vergleich von Buch VII mit Buch I-VI einerseits und den Helftaer Offenbarungsschriften anderseits sind Forschungsdesiderate. 811 Vgl. V ollmann- P rofe (2003), S. 835, Anm. zu 554,1-32 über FL VII.11: «Die Darstellungsform, wonach der Herr «in Gestalt von» geschaut wird, ist den früheren Büchern fremd, kam den Rezipienten aber offenbar entgegen.» In der Tat lässt die Faktur des glichnisses in FL VII.11 (und in VII.13) ein allegorisch gedeutetes Exempel als Prätext erkennen, s. D icke (2003), S. 275. 812 S. dazu B aier (1977), S. 421. 813 V ollmann- P rofe (2003), S. 843, Anm. zu 598,5-602,12. 814 S. dazu G. B auer (1981), Sp. 1164: «früheste dt. Behandlung des ‹Herzkloster›-Themas». 815 Vgl. etwa die Formulierung von K eul (2004), S. 23: «Mechthilds Buch taucht aus dem Dunkel der Geschichte auf wie ein Blitz aus heiterem Himmel.» 816 G rundmann (1935/ 1977), S. 467. 817 Grundlegend: S chweitzer (1992). hungen zum ›Fließenden Licht‹ seien im Einzelnen noch nicht geprüft. 818 Neulich hat C arola R edzich auf das Fragment einer ostmitteldeutschen Prosaübersetzung der Apokalypse aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts hingewiesen, das in einem der Frühdrucke des Klosters Neuhelfta vermakuliert wurde. 819 Das Anzitieren eines geistlichen Minneliedes vermutet V ollmann -P rofe in dem in FL II.25 (134,15f. [II.25, 134f.]) enthaltenen canticum animae. 820 Auf Übereinstimmungen zwischen FL II.25 und einer Passage aus dem Gnadenleben des Friedrich Sunder, ja sogar auf die Identität eines Verses (FL II.25: 130,21-22 [II.25,70-71]), weist S iegfried R ingler (1980), S. 250f. hin. Daraus schlussfolgert er: «Der identische Vers könnte etwa einer allgemein verbreiteten Liedzeile entstammen, die Übereinstimmungen in Begriffen und Reihenfolge aber durch den gleichen thematischen Vorwurf bedingt sein, angeregt durch eine gemeinsame Quelle.» R ingler denkt an ›Tochter Syon‹-Dichtungen, so auch an das um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstandene ›Tochter Sion‹-Gedicht des Lamprecht von Regensburg. 821 Für die Existenz einer solchen Quelle sprechen auch die «ganz konkrete[n] Textparallelen», die N eumann zwischen FL II.25: 132,2f. (II.25,88ff.) und den Werken Beatrijs’ von Nazareth ermittelt hat. 822 Last but not least sei auf einen Aufsatz von N igel F. P almer hingewiesen, in dem es indirekt auch um die Frage geht, welchen literarischen Hintergrund wir für solche Texte wie das ›Fließende Licht‹ im 13. Jahrhundert ansetzen können. 823 Einen Eindruck von diesem literarischen Hintergrund könnte die Mitüberlieferung in der neu aufgefundenen Moskauer ‹Mechthild-Handschrift› vermitteln. 824 Doch gerade diese unter die ‹Mechthild-Exzerpte› vermischten (anonymen) Texte lassen folgende Frage aufkommen: Ist es denkbar, dass es sich bei dem einen oder anderen Kapitel des heute unter dem Namen Mechthilds von Magdeburg laufenden ›Fließenden Lichts‹ um ursprünglich anonyme Texte ganz unterschiedlicher Provenienz handelte? Mit anderen Worten: Ist es möglich, dass sich ‹fremdes› Material unter die Kapitel des ›Fließenden Lichts‹ gemischt hat? Das Phänomen ist nicht unbekannt. Man denke etwa an die (erst durch philologischen Spürsinn identifizierten) Texte des Johannes von Sterngassen, die in die Offenbarungen der Adelheit 294 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 818 G rubmüller (1992), S. 342, Anm. 27. Zur Präsenz und Rezeption der Apokalypse (hier des Apokalypsenkommentars des Heinrich von Hesler) in Mitteldeutschland s. auch die Überlegungen von H onemann (2008b), S. 6-8. 819 Vgl. R edzich (2004), S. 166f. 820 V ollmann- P rofe (2003), S. 745, Anm. zu 134,18. S. dazu auch S. 177, Anm. 325 oben. 821 Ähnlich äußert sich R ingler (1980), S. 81 im Zusammenhang von Motiv- und Strukturparallelen zwischen dem ›Fließenden Licht‹ und den ›Offenbarungen‹ der Adelheid Langmann. In der Tat ist es nicht ausgeschlossen, dass es eine volkssprachlich-mystische (Lied)- Tradition sowohl im 13. als auch im 14. Jahrhundert gab, s. T heben (2010), S. 311. 822 N eumann (1965), S. 242. N eumann versteht diese Parallelen allerdings als Beweis für eine direkte Abhängigkeit. Ähnlich E piney -B urgard (1992). Kritisch dazu G ooday (1974) und S panily (2002), S. 152f. 823 P almer (2007), S. 97-100. Vgl. auch S tierling (1907), S. 35. 824 Irritierenderweise tauchen die nicht identifizierten Textpartien - sie stammen von einer anderen Schreiberhand - mitten in den Mechthild-Exzerpten auf. G anina / S quires (2010), S. 68 erwägen, es könnte sich um bislang unbekannte Texte von Mechthild handeln. Das ist jedoch aus den oben genannten Gründen keineswegs zwingend, selbst wenn man sich aufgrund von Duktus und Thema (vgl. FL IV.12 und V.4) ans ›Fließende Licht‹ erinnert fühlt. von Freiburg Eingang gefunden haben. 825 Hinzuweisen wäre auch auf die für die Überlieferung des Minnesangs charakteristische Varianz von Autorzuschreibungen, die unter anderem damit erklärt wird, dass Texte, die im Anhang zu einem bestimmten Autorcorpus zunächst anonym überliefert sind, auf einer bestimmten Stufe der Rezeption bzw. Re-Produktion einem mit Autornamen ausgewiesenen Corpus angeschlossen werden. 826 Ähnlich hätte es auch den beiden kurzen Stücken ergehen können, die am Schluss des Einsiedler Cod. 277 enthalten sind. 827 Die Logik, die solche auf (Re)Integration hinauslaufenden Prozesse ansteuert, ist selbst in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den beiden Kapiteln noch zu spüren: Nach H ubert S tierling gehört eines der beiden Kapitel zu den Offenbarungen Mechthilds. 828 N eumann ist dagegen der Meinung, dass die beiden angehängten Textstücke nichts mit dem Mechthild-Corpus zu tun haben. 829 Würde die Einsiedler Handschrift keinen «sterile[n] Seitentrieb einer reicheren entwickelten Überlieferung» 830 darstellen, wäre es durchaus vorstellbar, dass beide Textpartien - infolge ihrer Vereinigung mit den vorangehenden losen Kapiteln des ›Fließenden Lichts‹ während des Reproduktionsprozesses - für die nachfolgende Generation von Rezipienten nicht mehr vom ‹eigentlichen› Text Mechthilds zu trennen gewesen wären. Buch VII hebt sich von den vorangehenden Büchern des ›Fließenden Lichts‹ auch dadurch ab, dass sich hier immer wieder Anklänge an frühere Formulierungen feststellen lassen. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Dublette in FL V.20: 356,6-10 (V.20,2-4) und VII.18: 564,13-17 (VII.18,3-7): FL V.20 FL VII.18 O grosser t p der edelen gotheit, O grosser t p w der edelen gotheit, o cleine bl v me der s u ssen maget, o cleiner bl v me der s u ssen maget, o nútzú fruht der sch o nen bl v men, o nútzú fruht der sch o nen bl v men, o heilig oppher des himelschen vatter, o heliges oppfer des himelschen vatter, o getrúwe l o sephant aller der welte o getrúwes l o sepfant aller welte N eumann zufolge «scheint es sich um eine bewußte Wiederverwendung seitens der Verfasserin zu handeln.» 831 V ollmann -P rofe dagegen ist der Ansicht, die nochmalige Verwendung der Anrufungen im siebten Buch «dürfte kaum auf M. zurückgehen.» 832 Auf ein vergleichbares Verfahren stößen wir auch in FL VII.8: 548,10-13 (VII.8,3-5). Den Prä-Text bildet hier FL I.40: 56,5-8 (I.40,2-4): Von der Schrift zum Buch 295 825 S. dazu S chneider -L astin (2000), S. 524f. 826 S. dazu K ornrumpf (1981), Sp. 582 und meine Überlegungen zur Authentizität der Gertrud von Helfta zugeschriebenen ›Exercitia spiritualia‹, s. N emes (2004c). 827 Abgedruckt bei M orel (1869) S. 282f. 828 S tierling (1907), S. 55, Anm. 2. 829 N eumann (1948/ 1950), S. 171. 830 N eumann (1954a), S. 217. 831 N eumann (1993), S. 92, Anm. zu V.20,2-4. 832 V ollmann- P rofe (2003), S. 837, Anm. zu 564,10-568,27. Zu einem vergleichbaren Fall aus der Überlieferung der ›Engelberger Predigten‹ s. S tauffacher (1982), S. 10/ 15. FL I.40 FL VII.8 Herre, ich bringe dir min klein o ter: Herre, min pine ist Das ist gr o sser denne die berge, tieffer denne das das abgrúnde, es ist breiter denne die welt, min herzeleit ist breiter denne die welt, tieffer denne das mer, min vorhte ist gr o sser denne die berge, h o her denne die wolken, min gerunge ist h o her denne die sternen, sch o ner denne die sunne, manigvaltiger denne die sternen Des Weiteren nenne ich folgende Stellen: FL VII.1: 532,4f. (VII.1,129f.): Ist dise rede iht ze lange, das ist des schult, das ich in der cronen manigleie wunne vant und FL I.3: 26,19f. (I.3,27f.): Ist dirre brief ze lang, das ist des schult: Ich was in der matten, da ich manigerleige bl v men vant, FL VII.17: 562,13 (VII.17,12f.): ir [vr p gewissen] sint des túfels helle und gotz himmelrich und FL V.29: 390,31f. (V.29,6f.): so wurde er [gemeint ist derjenige, der sich rehte hielti nach dem zuge, der von gotte kumt] des túfels helle und gotes himmelrich bzw. FL VII.13: 556,20 (VII.13,5f.): »Min lieber pilgerin [gemeint ist der Herr], wannan kumestu? « Do sprach er: »Ich kum von Jerusalem …«) und FL VI.33: 500,9f. (VI.33,13f.): »Eya lieber bilgerin, wannan kumstu? « Do antwúrt er: »Ich kum von Jerusalem …«. Dieses letzte Beispiel ist auch deswegen aufschlussreich, weil es zeigt, dass im siebten Buch über einzelne Formulierungen hinaus auch narrative Strukturen (hier: die Vision des Herrn in Gestalt eines Pilgers) nachwirken, die man aus den früheren Büchern kennt, vgl. auch FL VII.1: 526,34-528,16 (VII.1,64-78) und I.6, FL VII.6 und III.15: 192,31f. bzw. 194,14f. (III.15,4f. bzw. 17f.), FL VII.17 und II.22, VII.37: 604,7-15 (VII.37,16-22) und I.44: 60,2-10 (I.44,29-35), FL VII.39 und V.23: 372,30- 374,26 (V.23,155-180). Diese Art von Wiederverwertung ist den früheren Büchern fremd. 833 Man kennt jedoch dieses Verfahren aus der Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹. So enthält das canticum animae (FL II.25: 134,11-18 [II.25,131-137]) folgende zusätzliche Verse in der Handschrift B: 296 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 833 Ich sehe hier von dem vermeintlichen Selbstzitat Ich sturbe gerne von minnen (FL II.4: 86,29 [II.4,51]) ab, das sich auf das in FL II.2: 76,14f. (II.2,2f.) präsentierte lied der minne beziehen soll (so P oor 2004, S. 70f.). Womöglich handelt es sich hier wie schon beim canticum animae in FL II.25: 134,15f. (II.25,134f., s. dazu S. 177, Anm. 325) um ein bekanntes Lied, das in FL II.4 lediglich anzitiert, in FL II.2 dagegen paraphrasiert oder gar übernommen wird. Damit ist zugleich auch gesagt, dass das Vorhandensein einer ähnlichen Formulierung in den ›Offenbarungen‹ der Margareta Ebner (das ich von minnen gern da stürb, S trauch 1882, S. 74,24f., vgl. auch S. 49,3f.: daz ich sterbe in siner minne) nicht, wie von M. S chmidt (1993), S. 120 behauptet und von G ottschall (2007), S. 157f. bestätigt, als Beweis für eine direkte Beeinflussung der ›Offenbarungen‹ durch das ›Fließende Licht‹ gelten kann, sondern eher als ein weiterer Hinweis aufzufassen ist, dass es eine von diesen mystischen Offenbarungsschriften unabhängig verlaufende volkssprachliche (Lied)Tradition sowohl im 13. als auch im 14. Jahrhundert gab, s. dazu S. 293f. oben. wol mich herr das ich in erdreich ye ward geparen. Nu han ich den funden den ich. in erdreich han ercharen Nu czu dem ersten han ich als mein trawren. vnd als mein hertzenlaid verlaren Vnd überwunden. 834 «Dieses gereimte Mittelstück ist», wie G isela K ornrumpf feststellt, «ohne Parallele bei Mechthild, verwendet aber ihr Vokabular.» 835 Das gilt übrigens auch für Z. 7f. des neu aufgefundenen Mechthild-Fragmentes R (s. S. 171f. oben). Ein weitaus bekannteres Beispiel liefert das Prooemium I des ›Fließenden Lichts‹, das aus lauten Textstücken besteht, die anderen Teilen des Gesamttextes entnommen wurden. Es herrscht in der Forschung Einigkeit darüber, dass das Prooemium I nicht auf Mechthild, sondern auf einen «Sammler» 836 zurückgeht, der sich hier allerdings als «kongenialer Sachverwalter» 837 Mechthilds erweist. Ähnliches wäre für die oben genannten ‹Dubletten› des siebten Buches zu erwägen, die womöglich auf einen ‹Testamentverwalter› zurückgehen, der sich der literarischen Hinterlassenschaft Mechthilds annahm. Seine Hand meine ich auch in kapitelabschließenden adhortativen Formeln zu erkennen, wie Got helfe úns rehter masse, amen! in FL V.5. Dieser Aufruf fehlt in der gesamten lateinischen Überlieferung (das wieder entdeckte Exzerpt Vä mit einbegriffen). Während E rnst B ecker der Ansicht war, der Schlusssatz sei «sicherlich nicht echt», 838 meint N eumann ihn für Mechthild in Anspruch nehmen zu können: «Ob der Schlußsatz unecht ist (so Becker, S. 77), erscheint trotz der fehlenden Stütze in den ›Rev.‹ fraglich. Mechthild liebt ja am Kapitelende einen Rückbezug auf sich und die Hörer/ Leser. Außerdem ergibt mnd. mânde : amen den abschließenden Kolonreim.» 839 Adhortative Schlussformeln, wie die eben genannte, finden sich auch an anderen Stellen des ›Fließenden Lichts‹: Got gebe úns allen die krone! Amen (FL I.46: 70,29 [I.46,54]), Got m u sse úns alle alsust binden! (FL II.24: 126,4 [II.24,87]) und Got gebe úns und behalte úns allen dise minne! Amen (FL VII.55: 642,4 [VII.55,44]). Interessanterweise fehlen all diese Sätze in den entsprechenden Kapiteln der lateinischen Übersetzung, während sie in der deutschen Parallelüberlieferung, soweit vorhanden, bewahrt sind. 840 Zieht man in Betracht, dass sich solche an ein Kollektiv gerichteten Aufrufe im siebten Buch auffällig häufen, 841 wird man sich des Von der Schrift zum Buch 297 834 N eumann (1993), S. 284,238-241. 835 V izkelety / K ornrumpf (1968), S. 285. 836 So N eumann (1954b), S. 34. Ähnlich S tierling (1907), S. 61f. und V ollmann- P rofe (2003), S. 703. Allein N ellmann (1989), S. 205 spricht sich für Mechthilds Autorschaft aus. 837 D icke (2003), S. 268, Anm. 5. Ähnlich T aigel (1955), S. 11, Anm. 1. 838 B ecker (1951), S. 77. 839 N eumann (1993), S. 87, Anm. zu V.5,31. 840 Für den Beleg aus dem siebten Buch scheidet ›Lux divinitatis‹ als Vergleich selbstverständlich aus. In der deutschen Parallelüberlieferung ist dieser Satz allerdings ebenso vorhanden wie die Schlusssätze von FL II.24 und V.5, vgl. Apparat bei N eumann (1990), S. 302, S. 62 und S. 160. Zu FL I.46 gibt es keine weitere Handschrift außer dem Einsiedler Kodex. 841 Ich zähle folgende zusätzliche Belege: FL VII.10: 552,30f. (VII.10,17f.): Die m u ssen niemer von úns genomen werden, VII.11: 554,32 (VII.11,19): Herre, des hilf allen den, die Eindrucks nicht erwehren können, in diesen Schlusssätzen Spuren einer redaktionellen Bearbeitung des gesamten Textcorpus zu sehen. 842 Denn sie lassen sich auf den offensichtlichen Bedarf zurückführen, das Ende von Einzelkapiteln deutlich zu markieren. 843 Wenn es um den Umgang der Forschung mit jenen Textstellen geht, die eine auf mehrere Instanzen verteilte Textgenese erahnen lassen, so müsste man auch auf LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 517) hinweisen, wo die Figur eines Dominikaners namens Heinrich von Halle, Lektor zu Ruppin, eingeführt wird. Dieser Dominikaner soll Mechthilds Aussagen (dicta) gesammelt (collegit), zu einem Buch verfasst (redegit) und in sechs Teile geschieden haben (distinxit), wie es nun vorliegt (sicut legentibus nunc apparet), wobei Heinrichs buchorganisatorische Tätigkeit in der Überschrift als Kompilation bezeichnet wird (De fratre heinrico lectore qui compilauit librum istum). Bemerkenswerterweise ist es Heinrich, von dem im weiteren Verlauf des Kapitels behauptet wird, durch das Schreiben des Buches Verdienste im Himmel erworben zu haben, vgl. huius animam soror . Mechtildis que postmodum superuixit . uidit in aspectu domini in celo librum hunc in manu tenentem et de ipso risu iocundissimo gloriantem . Per scripturam namque huius uoluminis multa sibi premia comparauerat quibus in conspectu sanctorum apparuit gloriosus (LD II.40,14-17/ Rev. Bd. II.2, S. 517,8-13). 844 J eanne A ncelet -H ustache ließ sich von diesen Aussagen über den Anteil Heinrichs am Schreibprozess nicht stören, sondern wies darauf hin, es gäbe zum Glück («heureusement») auch Textstellen, die beweisen, dass Mechthild 298 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ gerne pine liden dur dich, VII.17: 564,9 (VII.17,37): Wol im, der sich hie an in vlisset und VII.36: 602,11f. (VII.36,58): Wol in, die da inne blibent. 842 Auch T aigel (1955), S. 28 registriert die Wendung zum Leser am Schluss einzelner Kapitel, die das Stück in den erbaulichen Gebrauch einbezieht. Dazu wird vermerkt: «Vielleicht entstammen diese Wendungen späterer Überlieferung.» 843 Dafür spricht auch folgende Beobachtung: Immer wieder findet man Kapitel im siebten Buch, die durch liturgische Formeln (vgl. FL VII.4.25.26.35) oder ein einfaches Amen (vgl. FL VII.15.18.21.30.32.55.64) abgeschlossen werden, während diese Art von formalen Kapitelschlüssen für die ersten sechs Bücher eher untypisch ist. Tauchen sie dort trotzdem auf, fehlen sie bezeichnenderweise in den meisten Fällen in der lateinischen Übersetzung, vgl. etwa FL I.44, II.4.26, IV.19.21, V.35 (auch in der ›Lux divinitatis‹), VI.7, VI.33 und 37 (beide auch in ›Lux divinitatis‹). Ähnlicher Provenienz könnten auch solche «Überschrift-Schlüße» (M ohr 1963, S. 383) sein wie Dis ist ein hovereise der minnenden selen, die ane got nút wesen mag (FL I.4: 28,3f. [I.4,11f.], fehlt LD IV.24/ Rev. Bd. II.2, S. 559 bzw. LG IV.23), Dis sint die vier, die gotte in sinem strite wol behagent (FL I.11: 34,6 [I.11,3], fehlt LD IV.10/ Rev. Bd. II.2, S. 547 bzw. LG IV.9), So wonestu in der waren w u stenunge (FL I.35: 54,3 [I.35,15], fehlt LD V.23/ Rev. Bd. II.2, S. 609 bzw. LG V.18), s. dazu auch S. 169f., Anm. 300. 844 LG II.37,19-24: Dises brúder heinrichs seell den mechtildis vberlebt hatt . hat sye gesehen im himmel vor dem angesicht gottes . diß búch in seiner hand haltende . von ym mit frolichstem lachen glorierin . Wan durch das schreiben dises buchs hatt er ym vil lon gewunnen mit welchem er scheinet eerlich in dem angesicht der heiligen . selbst ihre Schriften verfasst und der Redaktor auf diese von ihr geschriebenen Blätter zurückgegriffen hat. 845 N eumann selbst nahm an LD II.40/ Rev. Bd. II.2, S. 517 wenig Anstoß, denn er bezog sie auf Heinrichs Redaktion der Bücher I-VI, die seiner Meinung nach in der chronologischen Aneinanderreihung und Einteilung der einzelnen Kapitel in Bücher, im Einfügen von Überschriften sowie in der Erstellung einer sauberen, vielleicht kalligraphischen Abschrift bestand. 846 Einzig die Angabe, Heinrich hätte Mechthilds dicta gesammelt, erschien N eumann «zumindest schief, denn Mechthild selbst hatte ja ihr Buch eigenhändig niedergeschrieben, wie sie mehrfach bezeugt.» 847 Wenngleich die Möglichkeit, dass Teile des ›Fließenden Lichts‹ auf mündliche Mitteilungen Mechthilds zurückgehen, die von einem Schreiber aufgezeichnet wurden, nicht auszuschließen ist, erscheint es doch ratsam, die Beweiskraft des referierten Passus aus der ›Lux divinitatis‹ nicht zu strapazieren, denn es ist im Grunde unklar, ob sich die Angaben auf den deutschen oder den lateinischen Text beziehen. Wie in Kap. II.1.1 gezeigt, haben die spätmittelalterlichen Leser der ›Lux divinitatis‹ diese Stelle auf das ihnen vorliegende Buch, auf den lateinischen Text, bezogen. Sollte dies nicht der Fall und doch der deutsche Text gemeint sein, so wäre mit P almer davon auszugehen, dass wir es hier mit zwei, je nach deutschem und lateinischem Text differierenden Offenbarungs- und Vermittlungsmodellen zu tun haben. 848 Allerdings weist P almer in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass «man die Angaben der lateinischen Fassung zur Entstehungsgeschichte des Werks keineswegs als historisch falsch abqualifizieren [sollte]. Vieles muß offenbleiben.» 849 Die Frage nach dem Anteil von Schreibern, Beichtvätern und Mitschwestern an der Entstehung des ›Fließen- Von der Schrift zum Buch 299 845 Vgl. A ncelet -H ustache (1926), S. 34. 846 Vgl. N eumann (1954b), S. 54. 847 N eumann ebd., S. 42. 848 Vgl. P almer (1992), S. 225. Als Hinweis für ein vom deutschen Text abweichendes Offenbarungsmodell ließen sich auch die Angaben im lateinischen Prolog des ›Fließenden Lichts‹ anführen, in welchem im Zusammenhang der Verschriftlichung der an die begina ergangenen Visionen ein quodam frater ordinis predicatorum eingeführt wird. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass der Prolog-Verfasser seine diesbezügliche Kenntnis aus dem Text selbst (hier aus FL II.26) geschöpft hat, wie er auch sonst bei seinen biographischen Informationen bis auf einige konkrete Angaben zur Lebens- und Werkgeschichte «innerhalb des Rahmens des von Mechthild vorgegebenen Lebensbildes» (P eters 1988a, S. 56. S. dazu auch S. 141ff. oben) bleibt. In diesem Fall hätte er die Stelle, wo steht, der Schreiber hätte das Buch ‹nach Mechthild› (na mir) geschrieben, im Sinne von ‹nach meiner Anweisung› verstanden. In dieser Bedeutung ist das vom Prolog- Verfasser benutzte Verb conscriptus tatsächlich bezeugt (s. S. 281ff. oben). Nicht mehr mit FL II.26 vereinbaren lässt sich dagegen die Angabe, dass es sich um einen Dominikanerbruder handelt. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie falsch sein muss. Denn es ist davon auszugehen, dass der Orden nicht nur bei der Verbreitung (s. dazu Kap. II.2.4), sondern auch bei der Entstehung und Veröffentlichung des ›Fließenden Lichts‹ unmittelbar beteiligt war (s. dazu weiter unten). 849 P almer (1992), S. 226. den Lichts‹ bleibt demnach legitim. Und sie stellt sich umso dringlicher, als der Dominikanerorden dem Werk nachweislich reges Interesse entgegenbrachte, was dem überlieferten Text auch anzumerken ist. Der Dominikanerorden begegnete dem ›Fließenden Licht‹ mit großem Interesse. Das sieht man nicht nur daran, dass der Text in dominikanischen Kreisen (in Erfurt? ) ins Lateinische übertragen und verbreitet wurde (vgl. Kap. II.2.4). Auch an der Entstehung sowie an der Veröffentlichung des Textes scheint der Orden nicht unwesentlich beteiligt gewesen zu sein. In diese Richtung weisen solche der scholastischen Texterschließungspraxis entstammenden buchorganisatorischen Elemente, wie die Einteilung des Textmaterials in Büchern und Kapiteln sowie die Untergliederung der Kapitel in kleinere Abschnitte mittels Kleinbuchstaben, die schon der ‹Neuauflage› des ›Fließenden Lichts‹ (= F 1 , Diagramm 5) zueigen waren. Dazu kommen Register, die den einzelnen Büchern vorangestellt sind und eine grobe Übersicht über deren Inhalt vermitteln, indem die Überschriften der einzelnen Kapitel aneinander gereiht und durchgezählt werden. Eine größere Tiefenerschließung ermöglichen die zahlreichen Wortglossen, die die Bücher I-VI begleiten und zusammen mit den Stellenverweisen, die über Themen und Stichworte ein dichtes Beziehungsnetz zwischen den einzelnen Teilen des ›Fließenden Lichts‹ herstellen, in die Nähe der Textgenese zurückreichen (s. dazu Kap. II.1.2 und S. 257ff. oben). Dieser vom gelehrt-lateinischen Schulbetrieb her bekannte buchorganisatorische Apparat spricht dafür, dass der deutsche Text schon früh in den Sog der lateinischen Buchproduktion der Dominikaner geraten ist. 850 Daran, dass die «Latinisierung» 851 des ›Fließenden Lichts‹ das Werk eines Dominikaners ist - er wird mit Mechthilds angeblichem Beichtvater und Redaktor ihrer Schriften, Heinrich von Halle, identifiziert -, bestand bis jetzt auch kein Zweifel. Ablehnend steht man dagegen einer über solche Formalien hinausgehenden Einflussnahme des Ordens gegenüber, und dies obwohl H ans U rs von B althasar und M argot S chmidt , ja, selbst N eumann , auf manche scholastisch-klärende Zusätze hingewiesen haben, die Heinrich hinzugefügt haben soll. 852 Obwohl sich diese Belege nicht dazu eignen, um einen dominikanischen Einfluss auf das ›Fließende Licht‹ zu erweisen, 853 halte ich es trotzdem für empfehlenswert, außer Mechthild weitere textschöpferische Instanzen ins Kalkül miteinzubeziehen. Anlass dafür bietet das im ›Fließenden 300 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 850 S. dazu P almer (1989), S. 77f. 851 V ollmann- P rofe (2000), S. 133, Anm. 2. 852 Vgl. M. S chmidt (1955), S. 422, Anm. 9, S. 431, Anm. 102, S. 437, Anm. 135 usw. und N eumann (1993), S. 142, Anm. zu VI.42,3. 853 Es ist B althasar selbst, der einräumt, dass sich die Zusätze «weder philologisch noch historisch einwandfrei als hinzugefügt beweisen lassen», s. M. S chmidt (1955), S. 21 mit Anm. Dessen ungeachtet kennzeichnet S chmidt in der zweiten, neubearbeiteten Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ Passagen, auf welche B althasar hingewiesen hat, als «vermutbaren» oder «offenbaren» Zusatz von Heinrich, vgl. M. S chmidt (1995), S. 347, 379, 391, 393 usw. Kritisch dazu S uerbaum (2003), S. 246, Anm. 23. Licht‹ unübersehbare dominikanische Element. Ich denke hier nicht nur an die Kapitel, die von Dominikus bzw. einzelnen Angehörigen des Dominikanerordens handeln, 854 sondern vor allem an die engagierte Parteinahme zugunsten der Dominikaner im Pariser Mendikantenstreit in FL IV.27. Bemerkenswert ist an diesem Kapitel jene Beobachtung von N eumann , wonach FL IV.27 eine Erwiderung auf den ›Tractatus brevis de periculis novissimorum temporum‹ des Wilhelm von St. Amour darstellt, zu einer Schrift wohlgemerkt, die die wichtigsten Argumente der Pariser weltgeistlichen Professorenschaft gegen die Bettelorden versammelt, so auch den im ›Fließenden Licht‹ aufgegriffenen und richtiggestellten Vorwurf, dass die Bettelmönche falsche Propheten im Vorspann des Antichrists seien. 855 Auf weitere dominikanische Elemente im ›Fließenden Licht‹ hat M arianne H eimbach aufmerksam gemacht. Sie lenkt die Aufmerksamkeit zum einen auf die Entsprechungen, die zwischen dem Dominikusbild des ›Fließenden Lichts‹ und dem der offiziellen Ordenschronistik sowie der Kanonisationsakten bestehen. 856 Zum anderen weist sie auf die Übereinstimmungen zwischen den Konstitutionen des Dominikanerordens und dem ›Fließenden Licht‹ bezüglich solcher Vorschriften hin, die den Ordensalltag regeln. 857 H eimbach stellt weiterhin fest, dass das apostolisch-pastorale Wirken des Ordens im ›Fließenden Licht‹ stark in den Vordergrund gerückt werde. 858 In diesem Zusammenhang wäre mit E lizabeth A ndersen weiterführend zu fragen, ob die Betonung des pastoralen Aspekts und die unübersehbare Präsenz des dominikanischen Elementes dazu dienen, die Dominikaner als Seelsorgeorden par excellence zu präsentieren, und dies wohlgemerkt zu einer Zeit, als der Weltklerus ernsthaft bemüht war, den Bettelorden nicht nur das Recht auf universitäre Lehre, sondern auch auf die Laienpastoration streitig zu machen. 859 Diese dominikanischen Bezüge des Textes legen die Vermutung nahe, der Orden könnte die Entstehung des ›Fließenden Lichts‹ nicht, wie allgemein an- Von der Schrift zum Buch 301 854 Vgl. S. 243f. oben und L eppin (2007). 855 Vgl. N eumann (1954b), S. 53. Zum Inhalt des ›Tractatus‹ s. T raver (2003), S. 38-52. In den Bereich schultheologischer Auseinandersetzungen führt auch die in FL V.23: 364,32- 37 (V.23,43-48) angedeutete Vorstellung der Geburt der ganzen Trinität aus Maria, die aus der Verknüpfung der Inkarnations- und Trinitätsthematik in der inhabitatio-Lehre resultiert, s. dazu S. 194 oben. 856 Vgl. H eimbach (1989), S. 133-141. 857 Vgl. H eimbach ebd., S. 137, Anm. 188 und S. 156, Anm. 279. 858 Vgl. H eimbach ebd., S. 136 und 149f. Vgl. auch A ndersen (2000), S. 135-140. 859 S. dazu A ndersen (2000), S. 137f. und (1996). So gesehen dürfte es kein Zufall sein, dass die Nähe der begnadeten begina zu den fratres ordinis predicatorum, aus deren Reihen der ‹Conscriptor› des vorliegenden Buches (liber iste) rekrutiert haben soll, im lateinischen Vorbericht so ostentativ zur Schau gestellt wird. Eine ähnliche Akzentuierung der Seelsorgethematik findet sich auch in den von Dominikanern verfassten Viten der brabantischen mulieres religiosae. Sie lässt sich, so B ürkle (1999), S. 216, «womöglich intentional als eine literarisch-ideologische Profilierung der Dominikaner als Seelsorgeorden verstehen.» genommen, nur beratend begleitet, sondern auch aktiv mitgestaltet haben. Auch die reiche lateinische theologische Tradition, die hinter den Aussagen des ›Fließenden Lichts‹ immer wieder aufscheint, 860 wäre als Indiz für eine gelehrte Einflussnahme zu werten. Wohl werden wir im Text mit einem Ich- Sprecher konfrontiert, der sein Ungelehrtsein ostentativ behauptet (vgl. etwa FL VII.21: 572,23 [VII.21,2f.]: Ir wellent lere haben von mir und ich selber ungeleret bin) und nicht müde wird, seinen inferioren Status gegenüber den wisen meistern an der schrift mit immer neuen Ausdrucken (wie etwa unvletiges pf v l und ungelerter munt in FL II.26, ein tore, ein súndig und ein arm mensche in FL IV.2 oder súndig wip in FL V.12) zu vergegenwärtigen. 861 Doch fragt man sich, wie ungelehrt eine Person sein muss, um einen solch konsequenten dogmatischen Fauxpas zu begehen, wie er im ›Fließenden Licht‹ beispielsweise an der Frage nach den Voraussetzungen der Wesensverwandtschaft des Menschen mit Gott (per naturam bzw. per gratiam) Schritt für Tritt zu beobachten ist (s. dazu S. 196ff. oben). Die hier besprochenen Stellen führen uns einen komplexen Schreibprozess vor Augen, der bis in Autornähe zurückreicht und auf eine ‹tradition vivante› schließen lässt. Bemerkenswerterweise findet diese ihre Bestätigung in dem aufgezeigten textgeschichtlichen Befund. Demnach müssen wir sowohl auf auktorialer (gemeint ist die Situation Mechthilds als schreibende Frau) als auch auf semiauktorialer (gemeint ist der Fall des Diktats und des Abschreibens mit all ihren Implikationen für die Textgeschichte) sowie auf redaktioneller Ebene (Dominikaner, Helftaer Mitschwestern als Bearbeiter) mit einer kontinuierlichen ‹Arbeit am Text› rechnen, einer Arbeit, die auch nach der Veröffentlichung einzelner Werkabschnitte, beispielsweise der Bücher I-VI, fortgesetzt wurde und zur Entstehung von Versionen beigetragen hat. Das immer wieder postulierte Original - Original meint hier nicht den Autortext, sondern den Ausgangspunkt der uns vorliegenden Überlieferung - scheint es offenbar nur im Plural gegeben zu haben. Entgegen der bisherigen Überlegungen muss es sich dabei nicht gleich auch materialiter um mehrere Originale handeln, die in Form von eigenständigen Handschriften zum Ausgangspunkt des jeweiligen Überlieferungszweiges des ›Fließenden Lichts‹ wurden. Möglich wäre, die unterschiedlichen Originalzustände in einer einzigen Handschrift zu verorten. 862 Ich denke an 302 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 860 Zu den vielfältigen Einflüssen der monastischen Theologie auf das ›Fließende Licht‹ s. etwa L. M eyer (1951), T aigel (1955), R inaldi (1986), S. 106-123 und 190-196, R uh (1993), S. 275-292 und V erlaguet (2005). Hinzuweisen wäre auch auf die bislang wenig beachteten Untersuchungsergebnisse von L aubner (1975), S. 6, die zu der Erkenntnis geführt haben, «daß sich bei Mechthild häufig ähnliche Motivkombinationen zur betreffenden Bibelstelle nachweisen lassen wie bei den mittelalterlichen Exegeten.» 861 S. dazu S panily (2002), S. 152-169. 862 Darauf weist auch H.-J. S chiewer (2005), S. 44 im Zusammenhang der Genese jener Varianz hin, die für die Epenüberlieferung als typisch gelten darf. Vgl. auch H aferland (2006). ein mehrschichtiges Original, 863 das, wie die schon öfter genannte Züricher Handschrift der ›Offenbarungen‹ Elsbeths von Oye, einen durch Streichungen, Umschreibungen und Zusätze gezeichneten Text aufwies. 864 Die Varianz, die zwischen dem ›Fließenden Licht‹ und der ›Lux divinitatis‹ speziell im Textbestand festzustellen ist, könnte in diesem Fall dadurch zustande gekommen sein, dass die am Rande nachgetragenen oder auf beigefügten Zetteln stehenden Zusätze in unterschiedlicher Vollständigkeit in den Hyperarchetyp des jeweiligen Traditionszweiges (= F x 1 und F x 2, Diagramm 6) eingegangen sind. 865 Daraus ergäbe sich bei der Beachtung dessen, was oben über die frühe kopiale Weitergabe des Textes gesagt wurde, das folgende modifizierte Bild der Textgeschichte: Dieses Modell ist allerdings insofern nicht tragfähig, als die Varianz im Textbestand nicht den einzigen Unterschied zwischen dem deutschen und lateinischen Überlieferungzweig ausmacht. Dazu kommen Divergenzen bezüglich der Text- und Kapitelfolge (die Ebene des Wortlauts, die Textformulierung also, muss in unserem Fall leider eine inkommensurable Größe bleiben). Setzt Von der Schrift zum Buch 303 863 Von einem «mehrschichtigen» Autograph, das «sogar in toto m e h r e r e Autortexte bietet», ist bei H onemann / R oth (2005), S. 223 (Sperrung von H onemann / R oth ) die Rede. H onemann / R oth sprechen von Autortexten. Ich dagegen will offen lassen, ob das von mir angesetzte mehrschichtige Original ein Autograph, ein Teilautograph oder eine von fremder Hand annotierte Reinschrift der Offenbarungen Mechthilds war (s. dazu unten). 864 Zum Textbild der Züricher Handschrift (Autograph? ) der ›Offenbarungen‹ Elsbeths s. S chneider -L astin (1994), S. 56f. Durchstreichungen sowie Ersetzungen und Ergänzungen am Rand und auf kleineren Zetteln fand man auch in der 1944 verbrannten Handschrift Nr. 166 des Fichard’schen Familienarchivs in Frankfurt, in einer Handschrift vom Anfang des 16. Jahrhunderts, die mehrere Werke Johanns von Soest nachweislich in autographer Überlieferung enthielt, s. dazu W iegand (1922), S. 97-106 und neulich S tock (2005). Ähnliches Textbild weist auch die Hs. 1500,3 der UB Freiburg (olim: Sammlung Leuchte, Berlin, Ms. III) auf. Im betroffenen Teil überliefert die Handschrift eine Chronik über die Geschichte Schlesiens für die Jahre von 965 bis 1611, wobei zumindest die späteren Einträge (vom Jahr 1565 an) aus der Perspektive eines Glogauers geschrieben sind (freundliche Auskunft von David Heyde, Freiburg). Zur Handschrift s. R aczek (1864/ 1865) und H.-J. S chiewer (2002c), S. 341. 865 Ich denke dabei an einen Fall wie die von S turlese (1992) erschlossene Textgeschichte von Meister Eckharts ›Opus tripartitum‹. [A (I) A 1 B (I-II) B 1 … ]E (I-V) E 2 F (I-VI) F 1 F x F 2 G (I-VII) G 1 F x 1 *LD LD Diagramm 6 man einen Basistext als Ausgangspunkt der Überlieferung an, der zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschrieben wurde - bei dieser Abschrift handelt es sich um den zur lateinischen Übersetzungvorlage führenden Traditionszweig des ›Fließenden Lichts‹ (=F x 1, Diagramm 7) -, so wäre es eher vorstellbar, dass die Plustexte, die die ›Lux divinitatis‹ dem ›Fließenden Licht‹ gegenüber zusätzlich überliefert, bei einer nochmaligen Bearbeitung bzw. Abschrift der Mutterkopie (= F 2 , Diagramm 7) gestrichen wurden. Dies wäre eine mögliche Erklärung für ihr Fehlen im deutschen Überlieferungszweig. 866 Im Gegenzug können neue Texte an anderen Stellen hinzugefügt 867 bzw. die Text- und Kapitelfolge geändert worden sein. In diesem Fall würde die vom Original genommene und in die Überlieferung eingegangene Abschrift einen bestimmten Aggregatzustand des Werkes dokumentieren und wäre auf jeden Fall als eine eigenständige Version anzusehen. Es ist diese Eigenständigkeit, die das hier gezeichnete Modell von jenem von N eumann unterscheidet (vgl. Diagramm 1). Denn N eumann spricht jener Textgestalt, die von der ›Lux divinitatis‹ präsentiert wird, jede Eigenständigkeit ab. Für ihn sind sämtliche, dort anzutreffende Abweichungen vom deutschen Text Änderungen, die auf das Konto der Übersetzer gehen. Schematisch ließe sich dieses Modell wie folgt darstellen: 304 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 866 So dokumentiert sich in der Traktat-Fassung der ›Offenbarungen‹ Elsbeths ein präredaktioneller Textzustand, während die Züricher Handschrift an der gleichen Stelle (infolge von Streichung und Ersetzung) einen bereits redigierten Text aufweist, vgl. S chnei der -L astin (1994), S. 58. 867 Ein solches Modell zur Erklärung der Divergenzen, die zwischen dem deutschen und lateinischen Überlieferungszweig des ›Fließenden Lichts‹ speziell im Textbestand besteht, scheint auch in der Mechthild-Forschung punktuell angedacht worden zu sein. So zählt B ecker (1951), S. 50 den nur in FL IV.2 enthaltenen Satz Swenne ein mensche in einem heiligen leben gemach sines fleisches ane rechte notdúrftekeit und an allen sinen fúnf sinnen s v chet, so werdent si unkúsche, das ist: grob und las; und wird verkaltet dú ware gotz minne (234,19-22 [IV.2,89-91], fehlt LD Prol 3/ Rev. Bd. II.2, S. 440; LG Vorrede 2) nicht, wie N eumann , zu den «zahlreichen Zwischenbemerkungen» (N eumann 1993, S. 66, Anm. zu IV.2,101-103), die Mechthild eingefügt haben soll, nachdem das Corpus der Bücher I-VI zur Übersetzung freigegeben wurde, sondern führt ihn auf eine in den Text eingedrungene Glosse zurück. Eine ähnliche Begründung gibt S tierling (1907), S. 89 für das angebliche Fehlen von FL III.1: 148,6 (III.1,32f.): Merke, ob si do út gekússet [A (I) A 1 B (I-II) B 1 … ]E (I-V) E 2 F (I-VI) F 1 F x F 2 G (I-VII) G 1 F x 1 *LD LD Diagramm 7 Angesichts der Tatsache, dass die skizzierten Bearbeitungen auf einer besonders frühen, in Autornähe zurückreichenden Überlieferungsstufe erfolgten, wäre es naheliegend, für die sich hier abzeichnende Arbeit am Text Mechthild selbst verantwortlich zu machen und die überlieferungswirksam gewordenen Textversionen zu Autorfassungen zu erklären. Dass man gut beraten ist, auch bei einem solchen Modell Vorsicht walten zu lassen, will ich anhand der Überlieferung zweier Werke verdeutlichen, die zwar nicht dem mystischen Bereich entstammen, aber strukturelle Ähnlichkeiten zur Textgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ aufweisen. Das ›Alsfelder Passionsspiel‹ ist in einer Handschrift aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts (Kassel, UB/ LMB, 2° Ms. poet. et roman. 18) überliefert, an der vier Hände gearbeitet haben. 868 Schreiber A legt den Grundstock des Passionsspiels für die Alsfelder Aufführung von 1501 an. Indizien sprechen dafür, dass er den Text zumindest an einer Stelle bearbeitet hat. Schreiber B, der mit dem Alsfelder Priester Heinrich Hültscher identifiziert werden kann, hat den Grundstock des Spiels für die Aufführung des Jahres 1511 grundlegend überarbeitet und erweitert, indem er Texte mittels Randnotizen umstellte, neue Textteile am Blattrand notierte und ganze Textblöcke mittels eingeklebter Blätter einfügte. Mit der gleichen Technik erweitern Schreiber D und C den Textbestand. Zwar arbeiten sie in enger Verbindung mit Schreiber B, dennoch kann nicht gesagt werden, dass Heinrich Hültscher dabei der «einzige textproduktive Autor» (S. 72) gewesen wäre und die beiden anderen Schreiber ihm nur zugearbeitet hätten. J ohannes J anota zufolge sind die Erweiterungen auf allen Ebenen solcher Art, dass man ihnen den Status von «textgenetischen Autorvarianten» (ebd.) zusprechen darf. Daher sei es nicht angebracht, so J anota weiter, lediglich von Bearbeitungen und Redaktionen zu sprechen. Es gilt: «Dieses (Autoren-)Team hat zwischen 1501 und 1517 - den Grundstock (A) fortschreibend - distinkte Spielrealisationen geschaffen. Wäre nur eine von ihnen - von einer einzigen Hand geschrieben - überliefert, würde sie jeder als ein eigenes Spiel in der Tradition der Hessischen Passionsspiele sehen, mit dem gleichen Status der Selbständigkeit wie - bislang - das Frankfurter Passionsspiel und das Heidelberger Passionsspiel» (S. 73). Wenn man nun den Gedankengang von J anota aufgreift und ihn auf die von mir erarbeiteten Entstehungsumstände des ›Fließenden Lichts‹ fokussiert, könnte man sich indes auch fragen, ob überhaupt jemand auf die Idee käme, die in der Überlieferung nachweisbaren distinkten Spielrealisationen des ›Alsfelder Passionsspiels‹ unterschiedlichen ‹Redaktoren› zuzuschreiben, wenn es die Kasseler Von der Schrift zum Buch 305 wart? in dem entsprechenden Kapitel der ›Lux divinitatis‹: «Vielleicht war dieser Satz, der im Lateinischen fehlt, nur eine Randglosse, die irrigerweise in den Text gezogen ist.» Tatsächlich ist der Satz in der Übersetzung enthalten: Perpendite nunc si tunc ab ipso fuerit osculata, LD II.27,12 (Rev. Bd. II.2, S. 504,25, LG II.24,16f.: achtent nún ob sy nit sey von ym gekusset worden). 868 Zu den folgenden Ausführungen s. J anota (1998), S. 69-76. Handschrift nicht gäbe und wenn sich bei der kritischen Behandlung der Überlieferung herausstellen würde, dass die erschlossenen Fassungstexte innerhalb eines Zeitfensters von nur wenigen Jahren und in einem geographisch gut eingrenzbaren Bereich entstanden sind. 869 Mein zweites Fallbeispiel stammt aus dem 13. Jahrhundert. Die ›Schwarzwälder Predigten‹ sind in einer Reihe von Handschriften überliefert, deren Mehrzahl einer Fassung des Werkes angehört, die als die Vulgatfassung bezeichnet wird. 870 Die Vulgatfassung selbst bildet den Endpunkt eines längeren Arbeitsprozesses, der sich im verbliebenen Rest der Handschriften dokumentiert. Ausgangspunkt der Überlieferung ist jedenfalls die Handschrift Freiburg, UB, Hs. 460 (Sigle: Gr). Sie wurde größtenteils von einer Hand geschrieben, die, so H ans -J ochen S chiewer , «zumindest partiell einer schriftlichen Vorlage folgte» (S. 54). Von dieser Hand stammen auch die zahlreichen Korrekturen und Ergänzungen am Blattrand. Letztere sind solcher Art, als wären sie von einem Autor vorgenommen worden, denn «Ergänzungen eines grammatisch und logisch sinnvollen Textes überwiegen» (S. 55). Dazu kommen Ersetzungen, die von der gleichen auktorialen Kompetenz zeugen. Die Handschrift weist also all jene Merkmale auf, die F riedrich S tegmüller als Kriterium für das Vorliegen eines Autographs definiert hat. So heißt es bei S tegmüller : «Wenn in einem Manuskript von derselben Hand sachliche Änderungen, Tilgungen, Ergänzungen, Umstellungen angebracht sind, die über die übliche Verbesserung von Schreibfehlern eines Kopisten durch einen Korrektor hinausgehen und so den Charakter redaktioneller Umarbeitung haben, so spricht die Präsumption für ein Autograph» (zitiert nach S chiewer ebd., S. 59). Nun wäre es naheliegend, Gr für das Autograph jenes Schreibers, eben des Autors, zu halten, der den Großteil der Predigten schrieb und annotierte, gäbe es nicht eine zweite Hand, die bei der Erstellung der Handschrift beteiligt war. Zwar hebt sich diese Hand von der ersten stilistisch ab, doch «schreibt sie Predigten nach denselben Grundprinzipien und nimmt im Sinne der S tegmüller schen Definition Korrekturen mit auktorialer Kompetenz vor» (S. 60). Und schließlich gibt es eine gleichzeitige und verwandte dritte Hand, die Textbausteine zu Predigten hinterlässt. All dies lässt darauf schließen, dass die Konzeption und die Ausarbeitung des Predigthandbuchs Gr nicht von einer einzigen Person verantwortet wurde, sondern das Ergebnis eines «kollektiven Individuums, einer Kommunität» (S. 60) ist. Folglich haben wir es auch nicht mit dem Autograph eines Verfassers (des ‹Schwarzwälder Predigers›), sondern mit einem «‹kollektiven› Autograph» (S. 63) zu tun, dessen Entstehung im franziskanischen Bereich verortet wird. Darüber hinaus kann dieses Autograph auch nicht «das ›Original‹ der Sonntagspredigten im Sinne eines letztgültigen, autorisierten, d. h. dem Einfluß der Autoren endgültig entzogenen Werks [sein], son- 306 Die zwei Versionen des ›Fließenden Lichts‹ 869 Das ist der Grund dafür, dass B umke die in Autornähe entstandenen Fassungen der höfischen Epik nicht zu Autorfassungen erklärt, vgl. S. 82ff. oben. 870 Zu den folgenden Ausführungen s. H.-J. S chiewer (1996). dern ›res non confecta‹ - ›work in progress‹» (ebd.). Dies geht daraus hervor, dass an Gr unmittelbar nach seiner Entstehung weitergearbeitet wurde. Diese Arbeit führte über drei Zwischenstufen zur wirkungsmächtigen Vulgatfassung und fand «in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe zur ersten belegten Fassung in Gr» (S. 79) statt. Von der Schrift zum Buch 307 III Vom Ich zum Autor. Autorkonstitution im Vollzug der Überlieferung III.1 Vorüberlegungen War meine bisherige Herangehensweise an die Frage nach der Verfasserschaft des ›Fließenden Lichts‹ eine primär textgeschichtliche und produktionstechnische, so gilt es jetzt eine rezeptionsorientierte Perspektive einzunehmen. Nach der ‹Buchwerdung der Schrift› soll die Frage nach der ‹Autorwerdung des Ich› unter Berücksichtigung der Text- und Überlieferungsgeschichte angegangen werden. Am Anfang meiner Untersuchungen steht demnach nicht die Prämisse, dass das sein Sprechen und Schreiben reflektierende Text-Ich mit der uns heute als Mechthild von Magdeburg bekannten Verfasserin identisch ist, denn diese Zuschreibung ist, wie B urkhard H asebrink beiläufig, aber durchaus zutreffend festgestellt hat, «bereits das Ergebnis der Textgeschichte, in der die Autorfrage auf die Magdeburger Begine hin konkretisiert wird.» 1 Deshalb dürfte es nicht uninteressant sein, der Genese der Autorsignatur nachzugehen und ihre Wirkung in der Rezeption aufzuzeigen (vgl. Kap. III.2), zumal sie eine biographische, Leben und Werk vereindeutigende Lektüre begünstigt und zur Personalisierung der zunächst anonymen Textfigur zur Autorfigur Mechthild beigetragen zu haben scheint. 2 Ein solches Textverständnis tritt, wie wir in Kap. III.3 sehen werden, beim Umgang der lateinischen Übersetzer mit dem ›Fließenden Licht‹ besonders deutlich hervor. Es antizipiert eine vorkritisch subjektzentrierte Lektüre, die die Figur der visionär begnadeten, schreibenden Frau nicht als funktionalen Bestandteil des Textes begreift, sondern die über die persona gemachten textinternen Aussagen (so auch die über 1 H asebrink (2007b), S. 92. 2 Dies entspricht einer Tendenz, die K uhn (1980), S. 85 unter dem Begriff «Personalisierung des Autors» zu fassen suchte. Charakteristisch dafür sei, dass «nicht der historische oder biographische Autor, sondern ein aus seiner Funktion re-personalisierter Autor die jetzt personal werdende Autorrolle trägt.» Auf dieses vor allem aus der Überlieferung des Minnesangs inzwischen hinlänglich bekannte Phänomen trifft man auch sonst im Bereich der ‹mystischen› Literatur. So konnte B ürkle (1999), S. 235-258 ein ausgeprägtes Interesse an der Entdeckung und Personalisierung des Autors sowie an der Einheitsstiftung von Autor und Werk in den Schwesternbüchern des 14. Jahrhunderts beobachten. Auf ähnliche Tendenzen in der Überlieferung der ›Vita‹ des Heinrich Seuse machen A ltrock / Z iegeler (2001) und (2002) aufmerksam. Hinzuweisen wäre auch auf die Geburt des Autors Tauler aus dem Prediger Tauler sowie auf seine Ausstattung mit einer Biographie, s. R. S chnell (2001a), S. 100-105 und L entes (1995), S. 124-126. Vom Ich zum Autor Vorüberlegungen das Schreiben des Buches) auf die im nachhinein mit ‹Schwester Mechthild› identifizierte Person überträgt. 3 Installiert wird auf diese Weise eine einzige Referenzfigur, der damals wie heute die Verantwortung für das Verfassen des Buches übertragen wird (s. dazu Kap. III.4). 4 So geht es, um ein aktuelles und einschlägiges Beispiel zu nennen, S ara S. P oor in ihrer Fallstudie «Mechthild of Magdeburg and her Book» darum, Mechthild als Autorin zu etablieren. Auf diese Arbeit von P oor empfiehlt es sich auch deshalb näher einzugehen, 5 weil diese es verweigert, Mechthilds Autorschaft als Ergebnis der Überlieferung anzusehen und dies, obwohl P oor selbst «a vertical view» 6 erprobt, indem sie danach fragt, «how the transmission of the text does or does not constitute Mechthild the author as a function or an effect of the medieval book or the textual tradition it constructs» (S. 10). Bezeichnend für das Text- und Autorverständnis von P oor ist es, dass die Relevanz der F oucault entliehenen Kategorie ‹Funktion Autor› (zum Begriff s. S. 69, Anm. 330 oben) nur im Hinblick auf die Exzerpt- und Teilüberlieferung sowie auf einige sekundäre Rezeptionszeugnisse, nicht jedoch in Bezug auf die Handschrift E untersucht wird, eine Handschrift wohlgemerkt, der wir das einzige vollständige Exemplar der deutschen Version des ›Fließenden Lichts‹ verdanken. 7 Der Grund dürfte darin liegen, dass P oor den im ersten Teil der Einsiedler Handschrift überlieferten Text gerade nicht als Rezeptionszeugnis, sondern als authentischen Ausdruck des auktorialen Selbstverständnisses von Mechthild liest. Eine solche Einstellung zum überlieferten Text ist umso erstaunlicher, als man P oor nicht unterstellen kann, sie gehe von einem Autor aus, der seinen Text auf allen Produktionsebenen kontrolliert. Ausdrücklich weist sie auf folgenden Umstand hin: «It is in fact impossible to know precisely what words 310 Vom Ich zum Autor 3 Zur Unterscheidung zwischen persona und Person s. A ndersen (2000), S. 105, Anm. 31. A ndersen weist darauf hin, dass sich die Einheit und Kohärenz des ›Fließenden Lichts‹ als literarisches Werk in der persona der Autorin und ihrer spirituellen Biographie gründet. Präzisierend fügt sie hinzu: «Vollmann-Profe in N eumann (1990: XIII) reaches a similar conclusion, but where she talks about the ‹person› of the author I would prefer to use the term ‹persona› in order to maintain an awareness of Mechthild’s identity in the FLdG as a literary construct.» Diese Unterscheidung ist umso beachtenswerter als A ndersen selbst in einer früheren Publikation (1995, S. 80) noch der Ansicht war: «The Fließende Licht der Gottheit is unified by the person of the author and her biography, not by any literary structural principles» (Sperrung von mir). 4 Dieser Tatsache versucht der zweite Teil der Kapitelüberschrift (‹Autorkonstitution im Vollzug der Überlieferung›) Rechnung zu tragen. Er ist in Anlehnung an ein Dictum formuliert, mit dem G rubmüller (1969), S. 202 das Charakteristikum des ›Tösser Schwesternbuch‹ zu fassen versucht, das ist «Werkkonstitution im Vollzug der Überlieferung.» 5 S. dazu auch N emes (2006). 6 P oor (2004), S. XIII. Vgl. auch P oor (1999). 7 Das Fehlen einer eingehenden Beschäftigung mit der Einsiedler Handschrift als Ganzer moniert auch M ossman (2005), S. 189. Eine an gender-spezifische Fragestellungen orientierte Analyse von E, die P oor verweigerte, bietet W ebster (2005), S. 255-311. were indeed written mit iren henden (by her hand) and which ones were added or changed by a compiler, translator, or copying scribe» (S. 11). Trotz dieser aus der Überlieferungssituation des ›Fließenden Lichts‹ resultierenden Unabwägbarkeiten ist P oor der Ansicht: «Yet despite the problems with verifying Mechthild’s actual writing of The Flowing Light, the text as received, when read carefully and in context, can and does tell us something about Mechthild’s authorship» (ebd.). Das ist richtig. Nun wäre angesichts der Zielsetzung der Arbeit und vor allem vor dem Hintergrund der in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts angelaufenen altgermanistischen Diskussion um «Autorschaft und Überlieferung» 8 zu erwarten, dass die angestrebte Kontextualisierung auf die Ausarbeitung eines corpusgebundenen Autorbildes hinausliefe, eines Autorprofils wohlgemerkt, das in E, der einzigen vollständigen Handschrift des ›Fließenden Lichts‹, seinen Niederschlag gefunden hat. 9 Das ist jedoch nicht der Fall. Die von P oor angestrebte Kontextualisierung dient lediglich dazu, neue Argumente für Mechthilds Autorschaft und damit für die Authentizität des überlieferten Textes bereitzustellen. Zwar will P oor von vornherein nicht ausschließen, dass es auch andere «potential ‹authors›» (S. 12) gegeben haben können, dass also Mechthild nicht «the only maker of the book as we have received it» sei, doch betont sie nachdrücklich: «she is nevertheless the primary one» (S. 49). Bei der Beweisführung rekurriert P oor zum Teil auf die gleichen Argumente, die schon die ältere Forschung für Mechthilds Autorschaft geltend machte, teilweise entwickelt sie auch neue. So muss die schon von A ncelet -H ustache , T illmann und N eumann (Kap. I.1.1) den alemannischen Übersetzern unterstellte Sorgfalt und Treue (P oor : «great care», S. 49) im Umgang mit dem Text für die Authentizität seiner poetischen Qualitäten herhalten. Deshalb gelte, meint P oor , folgender Axiom: «In the absence of evidence suggesting that Heinrich [von Nördlingen] drastically rewrote (or wrote, for that matter) The Flowing Light himself, we are therefore justified in naming Mechthild as primarily responsible for the poetic qualities that make her book so singular» (S. 50). Allerdings fragt man sich angesichts der in Kap. I.2 (S. 48f.) zusammengetragenen Indizien, ob die Übersetzer, wie übrigens auch N eumann selbst, den Text stellenweise ‹mechthildischer› als Mechthild selbst - vorausgesetzt, Mechthild ist diejenige, die die poetischen Qualitäten des Textes zu verantworten hat - gestaltet haben könnten. Die durch «Mechthild’s activity as the earthly author of The Flowing Light» (S. 54) verbürgte Authentizität des Geschriebenen sieht P oor von Anfang an gesichert. So un- Vorüberlegungen 311 8 So lautet der Titel eines programmatischen, auch von P oor (2004), S. 9f. diskutierten Aufsatzes von W achinger (1991). Aus der überaus reichen Forschungsliteratur, die den Autor, genauer die ‹Funktion Autor›, als «Produkt der Überlieferung» (vgl. U. M üller 1995) begreift, seien folgende Titel genannt: H enkel (1998), H olznagel (1998), H aus mann (1999) und (2000), W enzel / W enzel (2000), R. S chnell (2001b), E. W enzel (2003), W arning (2007) und jetzt S chuchert (2010). 9 Auch M ossman (2005), S. 189 bemängelt, dass P oor kein «‹überlieferungsgeschichtliches Autorbild›» als Alternative zu der (nach der Meinung von M ossman zurecht) kritisierten P eters schen Sicht der Autorfigur als literarisches Konstrukt vorlegt. terstellt sie Mechthild eine bewusste Entscheidung für die Volkssprache (genauer «the language of the hometown», S. 34), eine Entscheidung, die, so P oor , als Positionierung gegen die Sprache der Kirche (Latein) und die des Hofes (Mittelhochdeutsch) zu verstehen sei: Erst die Wahl der Sprache ihrer Heimatstadt hätte es Mechthild ermöglicht, alle geistliche lúte 10 mit ihrem Buch zu erreichen und es in die Dienste der dominikanischen Innenmission zu stellen. Wie man unschwer erkennen kann, setzen sich Volkssprachlichkeit und Autorschaft für P oor gegenseitig voraus. In der Tat findet sich bei P oor ein Satz wie dieser: «The vernacularity of Mechthild’s book can be read as a reflection of authorial agency» (S. 12). Mit anderen Worten: Die Entscheidung für das Niederdeutsche als Offenbarungs- und Literatursprache soll Mechthild als Autorin ausgewiesen haben. In welchem Maße P oor die Autorschaft Mechthilds an die Volkssprachlichkeit des Textes bindet, sieht man an den Argumenten, die den angeblich bewussten Charakter der Entscheidung für die eigene Muttersprache beweisen und das auktoriale Selbstverständnis Mechthilds offenbaren sollen. Es wird behauptet, das Schreiben in der Volkssprache stelle «a new course in disregarding the more scholastic convention of dictating to a scribe who records in Latin» (S. 32) dar. Dies will P oor dahingehend verstanden wissen, als hätte sich Mechthild durch die Wahl der Verschriftlichungssprache bewusst als alleinige Textproduzentin positionieren wollen. P oor sieht in dem mit der lateinischen Sprache verbundenen Diktat offenbar eine Gefahr für auktoriale Integrität und schriftstellerische Souveränität. Dessen ungeachtet reproduziert sie die seit langem in der Forschungsliteratur kursierende Beobachtung, Mechthild habe sich in Helfta beim Verfassen des siebten Buches des ›Fließenden Lichts‹ der Hilfe ihrer Mitschwestern anvertraut, bedenkenlos, ohne zu reflektieren, auf welche Weise sich der Beitrag der vr o mden p gen und vr o mden henden (FL VII.64) mit der Vorstellung vereinbaren lässt, Mechthild sei die einzige textschöpferische Instanz gewesen (S. 281ff. und 289ff. oben). Ein weiteres Argument für die vermeintlich bewusste Entscheidung für die Volkssprache lautet: Wenn es die Absicht Mechthilds gewesen wäre, ihr Werk auf Latein zu verfassen, wäre sie sicherlich in ein Kloster eingetreten. Stattdessen wählte sie die Beguinage: «From this perspective, we can view Mechthild’s choice of the vernacular as rooted also in her choice of a particular form of religious life» (S. 29). P oor versucht diese bewusste Entscheidung gegen das Kloster durch eine nicht unproblematische Kontextualisierung des Kapitels FL II.23 plausibel zu machen: Sie ist der Ansicht, Mechthild sei der klösterlichen Lebensform abgeneigt gewesen, wie es dem Disput zwischen minne und stumpfen selen zu entnehmen sei (S. 29f). 11 Wie sehr es Mechthild 312 Vom Ich zum Autor 10 Deutlicher formuliert eine der Rezensentinnen von P oor : «Mechthild […] uses local vernacular to instruct the masses», s. M urti (2006), S. 157. Dasselbe Publikum setzt auch K eul (2004), S. 156 für das ‹Fließende Licht› an. 11 L anger (2004), S. 240 sieht in FL II.23 eher ein grundsätzliches Problem angesprochen. Im Unterschied zu K öbele (1993), S. 84f., die das Kapitel, wie P oor , als Reflex des Gegensatzes von monastischer Lebensform und Beginenexistenz interpretiert (ähnlich K öbele 2007b, S. 152), betont L anger : «Die These ist zu relativieren. Mechthilds radikale Verinnerlichung der Abkehr der Seele von ihrer Weltverfallenheit geht über den Gegensatz Orden-Beginentum hinaus und zielt auf die grundsätzliche Unterscheidung von Scheinheiligkeit, in der das Prinzip der Eigenliebe, und wirklich geistlichem Leben, in dem das Prinzip der Gottesliebe handlungsbestimmend wirkt.» Vgl. auch M ichel (1995c), S. 49f. auf die Volkssprache ankam, ersieht P oor auch noch daran, dass Mechthild selbst dann an ihrer Muttersprache festhält, als ihr mit dem Eintritt ins Kloster Helfta durchaus die Möglichkeit gegeben wäre, die Arbeit an ihrem Offenbarungsbuch auf Latein fortzusetzen (S. 24). Wirklich überzeugend wirkt dieses Argument nicht. Außerdem unterstellt die Gleichung ‹Entscheidung für Beguinage› = ‹bewusste Wahl der Volkssprache›, dass die Verschriftlichung und Veröffentlichung der Offenbarungen von Anfang an geplant war - ein an sich zwar reizvoller, aber höchst spekulativer Gedanke. Der beachtliche Argumentationsaufwand, den P oor zum Erweis von Mechthilds Autorschaft aufbringt, wird verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, gegen wen hier eigentlich angekämpft wird. Es handelt sich um U rsula P eters und den von ihr entwickelten diskursanalytischen Ansatz. Dieser besagt, um es noch einmal auf den Punkt zu bringen (s. S. 17ff. oben), dass das textuell konstruierte Autorbild von traditionellen Weiblichkeits- und Heiligkeitsstereotypien stark überzeichnet ist, so dass die über die persona getroffenen Aussagen nur bedingt Rückschlüsse auf die Person Mechthilds sowie auf die konkreten Umstände der Textproduktion erlauben. P oor kann dies nicht gelten lassen. Das ist von ihrer Position her gesehen auch nachvollziehbar, denn eine an Gender interessierte Herangehensweise muss fast zwangsläufig eine sich ihrer Möglichkeiten und Grenzen bewusste Autorin postulieren. P oor sieht das Konfliktpotenzial zwischen dem diskursanalytischen und dem eigenen gender-spezifischen Ansatz und bringt es auch auf den Punkt: «According to this logic [gemeint ist das Text- und Autorverständnis von P eters ], the impulse to revise literary histories to include female authors [das ist eines der Anliegen von P oor ] would be read as historically irresponsible or anachronistic because the authorship of women writers like Mechthild is impossible to prove beyond any doubt» (S. 8). 12 P oor moniert, der von P eters gewählte Zugang zum Text ließe keinen Raum für «agency», denn «this approach clearly results in a kind of overdetermination» (ebd.). In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, P eters habe die grundsätzliche Frage, wer eigentlich wen in einem bestimmten Sinn stilisiert und wer als der eigentliche Textproduzent zu gelten hat, gar nicht erst gestellt: «The question of agency is a loud silence throughout Peters’s work. The argument that a mystical text like Mechthild’s is a literary construct leads inevitably to the question of who did the constructing, a question Vorüberlegungen 313 12 P oor spricht hier einen Punkt an, der die postmodernen Theorien, allen voran die Diskurstheorie, vom heutigen Feminismus, welcher Couleur auch immer, trennt: Im letzteren wird trotz der postmodernen These vom Tod des Subjekts am Subjektbegriff festgehalten, das heißt, die Subjektrolle wird auch für die Frauen beansprucht. R. S chnell (1998), S. 26f. vermerkt dazu: «Von vielen Feministinnen wird die These vom Tod des Subjekts als möglicherweise raffinierter machtpolitischer Schachzug beargwöhnt. Es sei doch auffallend, daß ausgerechnet in dem historischen Moment, in dem Frauen für sich denselben Status wie die Männer fordern - d. h. als Subjekte über sich selbst verfügen zu können -, männliche Intellektuelle [gemeint ist hier vor allem B arthes und F oucault ] den Subjektstatus als obsolet hinstellen.» that Peters does not address» (S. 222, Anm. 31). Nun spricht sich P oor in Abgrenzung zu P eters für die volle «agency» von Mechthild aus (s. dazu oben). Was man bei P oor vermisst, ist eine eingehende Auseinandersetzung mit der von P eters und neulich von B ürkle 13 vertretenen Position, dass die Modellierung der Ich-Figur der visionär begnadeten, schreibenden Frau textsortenspezifisch erfolgt und dass der Akt des Schreibens genauso Teil der vertexteten Autorrolle ist wie die in den Text eingestreuten «Biographiefragmente». 14 Beide sind funktional in die Programmatik des Textes eingebunden und dazu berufen, den Eindruck einer «personal verbürgten Erfahrung» 15 zu evozieren. Die Berechtigung einer solchen Herangehensweise wird man trotz des von P oor monierten «literary determinism» (S. 8) schwerlich bestreiten können, 16 zumal ein die Gattungszusammenhänge oder den jeweiligen Handlungskontext berücksichtigender Zugang zum Thema Autorschaft inzwischen auch in anderen Bereichen der germanistischen Mediävistik erfolgreich erprobt wurde. 17 Auch hier wird mit vertexteten Autorrollen operiert und nachdrücklich betont, das textlich evozierte Autorbild dürfe nicht auf biographische und lebensweltliche Informationen hin ausgeschlachtet werden, zumal wenn es sich nachweisen lässt - instruktiv sind in diesem Zusammenhang die Werke des Hartmann von Aue -, dass die Erzählinstanz in verschiedenen Gattungen und Handlungskontexten verschiedene Rollen besetzt. Mag der durch Eigen- oder Fremdsignatur bezeugte Autornamen in so vielen, zum Teil widersprüchlichen Rollen auch figurieren, zumindest bei den als kano- 314 Vom Ich zum Autor 13 Zu B ürkle s. S. 21ff. oben. Einige der Arbeiten von B ürkle werden in der Literaturliste des Buches von P oor zwar erwähnt, doch wird auf sie im Zusammenhang der Frage nach dem literarischen Status und dem Autorschaftskonzept des ›Fließenden Lichts‹ bezeichnenderweise nicht eingegangen. 14 Zum Begriff s. H aubrichs (1998). 15 B ürkle (1994), S. 140. Zu den strukturellen Komponenten, wie Erfahrung in ihrer Unmittelbarkeit textlich evoziert werden kann (u.a. auch durch die Emphase des Ich), s. auch S. 14f. und 150ff. oben. Damit fügt sich das ›Fließende Licht‹, wie die mystische Literatur überhaupt, in eine Entwicklung, die in der lateinischen Literatur im späten 11. Jahrhundert ihren Anfang nahm: Sie führt, wie M eier (2004) gezeigt hat, zur Herausbildung eines Autorschaftstypus, dessen Kennzeichen eine «existenzielle Autorisierung» (S. 214) ist, welche auf der Grundlage «eine[r] Art ‹Augenzeugenschaft› und eine[r] Argumentation a persona auctoris» (S. 262) erfolgt. 16 So stellt etwa D. K lein (2006), S. 84, im Hinblick auf das ›Fließende Licht‹ mit P eters fest: «Die ungelehrte, sich ganz dem Willen Gottes unterwerfende und zu höchster Gnade befähigte Schreiberin ist eine Rolleninszenierung, die zur Programmatik frauenmystischen Schrifttums gehört und dazu dient, die Heiligkeit der Protagonistin und ihres Werkes zu betonen.» Vgl. auch S uerbaum (2003), S. 250: «Wenngleich diese das eigene Sprechen und Schreiben reflektierenden Kapitel immer wieder wegen ihrer möglichen biographischen Bezüge untersucht worden sind, enthüllen sie doch mehr über die in aller Demut sich der eigenen von Gott geoffenbarten Autorität bewußten Sprecher- Rolle als über konkrete Lebensumstände.» 17 Vgl. P eters (1991), S. 31-42, R euvekamp -F elber (2001) bzw. D. K lein (2006), S. 62f. (mit weiteren Literaturangaben). Zur mittellateinischen Literatur s. M eier (2004). nisch geltenden Texten der höfischen Epik und Lyrik steht fest, dass der Träger dieses Namens auch derjenige ist, der die Texte produziert und in ihnen sich selbst gleichsam textuell entwirft. 18 Das Provokative an dem Ansatz von P eters und B ürkle ist - und das scheint P oor übersehen zu haben -, dass gerade die Frage nach der personalen Identität der textimmanent modellierten Autorfigur mit dem «tatsächlichen Autor» (A lbrecht H ausmann ) offen gelassen wird: Ausgegangen wird vielmehr vom«‹Gemeinschaftsprojekt› eines personell wie auch immer zusammengesetzten Autorenkollektivs.» 19 Wie provokativ eine solche Behauptung ist, wird deutlich, wenn man sich auch folgenden Tatbestand vergegenwärtigt: Wohl wird auch in der germanistischen Mechthild-Forschung seit dem wegweisenden Aufsatz von W alter H aug aus dem Jahre 1984 akzeptiert, dass autobiographisches Ich und Erzähler-Ich dissoziiert werden müssen und die textintern bezogenen Erzählfigurationen nicht auf die Person Mechthild hin nivelliert werden dürfen. Trotzdem geht man nicht soweit, Mechthilds Rolle als Textarchitektin in Zweifel zu ziehen, und dies obwohl H aug selbst an einer Stelle seines Aufsatzes zu bedenken gab, autobiographisches Ich und das Erzähler-Ich mögen im Falle des Schreibens «in hohem Maße identisch sein, absolut fallen sie jedoch nicht zusammen.» 20 Dessen ungeachtet behauptet H aug einige Seiten später: «Mechthild kann lesen und schreiben, sie hat ihr Werk zweifellos selbst niedergeschrieben.» 21 Mit anderen Worten: Mag sich die Autorin textintern auch im Plural figurieren, textextern muss es sie im Singular geben. In diesem Sinne argumentiert auch P oor , wenn sie versucht, durch eine problematische Kontextualisierung Mechthilds «agency» zu erweisen. 22 Die Berechtigung, einen einzigen Textproduzenten für das ›Fließende Licht‹ anzusetzen, ersieht P oor auch aus der «single author mentality in German Vorüberlegungen 315 18 Vgl. H ausmann (1999), S. 8: «Es gab den historischen Autor Reinmar, für uns jedoch gibt es nur die Vorstellung, die die Texte über ihren Autor hervorrufen. Dieser von den Texten selbst evozierte «Autor» ist gemeint, wenn im Titel der vorliegenden Arbeit von «Reinmar als Autor» die Rede ist» oder D. K lein (2006), S. 63f.: «Die im folgenden verwendeten Autornamen verstehe ich jeweils als Chiffre für ein empirisch-biographisches Individuum, das als Literaturproduzent auf ein Werk oder einen Werkkomplex bezogen, als Person aber nicht oder kaum zu fassen ist.» 19 B ürkle (1994), S. 138. Vgl. auch B ürkle (2000), S. 511. P eters (1988a), S. 65f. will dieses Kollektiv in Helfta situieren, wofür es allerdings wenig Anlass gibt, denn es ist nicht recht einzusehen, warum Mechthild nicht als Begine unter der Leitung des Dominikanerordens gelebt haben kann (s. dazu weiter unten). 20 H aug (1984/ 1995), S. 556. 21 H aug ebd., S. 571. Auch V ollmann -P rofe (2008b), S. 206 geht davon aus, dass «erzähltes Ich und Autorin nicht identisch sind», doch hält sie im Sinne eines emphatischen Autorbegriffes (vgl. die Apostrophierung Mechthilds als «Herrin über ihren Text», S. 208) für «sinnvoll», die verschiedenen Figurationen des Ichs (brut, mensche, des menschen geist, ein sele) «wieder zu bündeln zu dem einen Ich, das sich ihrer bedient.» 22 Was die Stimmenvielfalt des Textes betrifft, heißt es dagegen: «The intermingling of traditions and voices in combination with the dialogic form make a single authorial voice difficult to isolate», so P oor (2006), S. 196. Mediävistik» (S. 10). Es wird vermerkt: «Although Peters argues in another essay that the literary critic can legitimately work with the different types of author-roles only as they are constructed in different literary genres, modern concepts of authorship continue to dominate literary studies and the canons this work constructs» (S. 9, Kursivierung von P oor ). Dies hält P oor für umso bemerkenswerter, als die Zuschreibung gerade bei einem kanonischen Autor wie Gottfried von Straßburg auf einer sehr dünnen handschriftlichen Basis beruht. Trotzdem gelte es: «Despite the uncertainties about Gottfried’s authorship that might be suggested by the specifics of the Tristan transmission, Gottfried’s place in the canon of medieval German literature remains secure. He is still the man behind Tristan, however open or unfixed the text itself may be» (S. 10). Wenn auch diese Beobachtung zutrifft, 23 die Argumention als solche wirkt doch abrupt. Diese scheint auf folgende Forderung hinauszulaufen: Was einem Mann wie Gottfried und einem Text wie der ›Tristan‹ gewährt wird, nämlich Autor zu sein und kanonische Geltung beanspruchen zu dürfen, sollte einer Frau wie Mechthild und ihrem Werk nicht verwehrt bleiben. Wie man zu diesem letzten argumentum pro auctore auch stehen mag, wichtig ist der Hinweis auf die Bedeutung der Überlieferung, was die Konstituierung der Autorfigur betrifft. 24 Deshalb soll es in einem ersten Schritt um die Genese der Autorsignatur und deren Präsenz bzw. Absenz in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rezeption des ›Fließenden Lichts‹ und seiner lateinischen Übersetzung gehen. Untersucht werden nicht nur die erhaltenen Handschriften, deren Zahl durch eigene Recherchen erheblich vermehrt werden konnte, sondern auch die inzwischen ebenfalls zahlreicher gewordenen sekundären Rezeptionszeugnisse. Eine solche Untersuchung ist umso mehr angebracht, als in der Mechthild-Forschung immer wieder zu vernehmen ist, Mechthilds Name erscheine nur selten in der spätmittelalterlichen Überlieferung und Rezeption. 25 Diese Einschätzung dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Kenntnis und Verwendung von Namen in der Überlieferung mittelalterlicher deutscher Literatur allgemein bisher nur marginal Thema der altgermanistischen Forschung war. 26 316 Vom Ich zum Autor 23 Vgl. dazu auch die Überlegungen von B ein (2002a), S. 95 zum germanistischen Umgang mit einem anderen ‹unfesten› Text, dem ›Iwein‹: «Man weiß nicht, was Hartmann einmal geschrieben hat, ob diesen ›Iwein‹ oder jenen oder beide, aber man will doch nicht so weit gehen, in Frage zu stellen, dass er überhaupt einen ›Iwein‹ verfasst hat.» In diesem Sinn hält B umke (1996a), S. 48 am Author nur noch «theoretisch» fest. 24 Dass der Autor für uns erst durch die Überlieferung konstituiert wird, betont auch W achinger (1991), S. 1 in seinem wegweisenden Aufsatz zu «Autorschaft und Überlieferung» (so der Titel des Aufsatzes). 25 Vgl. etwa A ndersen (2000), S. 142 und 143, W illiams -K rapp (2002), S. 209 und 210, K eul (2004), S. 34 und P oor (2004), S. 130 u.ö. 26 Dies betonen P almer (1983), S. 83, W achinger (1991), S. 2, T ervooren (1995), S. 197f. und R. S chnell (2001b), S. 125, Anm. 74. Vgl. auch S teer (1988), S. 403f. Die Untersuchungen von P almer (1983), H olznagel (1998), A ltrock / Z iegeler (2001) und (2002) stellen in diesem Zusammenhang die rühmlichen Ausnahmen dar. III.2 Die Genese der Autorsignatur und ihre Präsenz in der Überlieferung und Rezeption des ›Fließenden Lichts‹. Bei der Frage, von wem der Text handelt und wer als dessen Verfasser zu gelten hat, haben schon immer die Namensangaben in den Überschriften jener Kapitel eine Rolle gespielt, die am Ende des fünften und sechsten Buches des ›Fließenden Lichts‹ situiert sind. So wird das Text-Ich, das sich aus Furcht vor dem heimlichen swank der italen ere nur unter Zwang (betwungen) dazu bewegen lässt, die folgende rede (eine Vision) aufzuschreiben, in der Überschrift von FL V.32 in E zu swester Mehthilt konkretisiert. 27 Auch das Textsubjekt des umfangreichen Gebets in FL V.35, das sich an einer Stelle als Frau, als armú súnderinne (408,13 [V.35,11]), zu erkennen gibt, wurde nachträglich mit swester Mehthilt identifiziert. 28 Auf diese Namensform stößen wir auch in den Kapiteln FL VI.42 und 43 (beide sind nur in E enthalten). FL VI.42 bietet ein Textstück belehrenden Charakters, das an einen lieben b v len adressiert ist und den Eindruck erweckt, als handle es sich um die Abschrift eines Originalbriefes. In der Tat legt die Überschrift eine solche «historisch konkrete Briefsituation» 29 nahe, denn sie nennt Absender und Adressaten, konkretisiert die familiäre Beziehung der Briefpartner und identifiziert den im Text anonym bleibenden Bruder als Angehörigen des Dominikanerordens: Dis schreib swester Mehthilt an einer cedelen irem br v der B., predier orden, und sprach. ‹Schwester Mechthild› wird außerdem in der die Bücher I-VI abschließenden Wahrheitsbeteuerung (FL VI.43) genannt. Unbeachtet geblieben ist bislang die Tatsache, dass der Name Mechthild auch in der lateinischen Übersetzung wiederholt auftaucht. 30 Zur Einführung des Namens dürfte es allerdings nicht erst in Rb, sondern auf einer davor liegenden Textstufe gekommen sein, denn auch die von Rb unabhängige Handschrift Rw nennt den Namen Mechthild. Während diese beiden wichtigsten Textzeugen der lateinischen Tradition in der Anzahl der Namensnennungen und in ihrer Zuordnung zu den einzelnen Kapiteln weitgehend übereinstimmen, lassen sich unter den gleichen Gesichtspunkten deutliche Differenzen zwischen dem lateinischen und dem deutschen Text (vertreten durch E und C) Die Genese der Autorsignatur 317 27 Ähnlich C (fol. 113 v ), vgl. S. 432 weiter unten. 28 So in E und C (fol. 116 r ), vgl. S. 435 weiter unten. FL V.35 ist auch in die Sammlung der Briefe Heinrichs von Nördlingen an Margareta Ebner (L) eingegangen. Es steht hier allerdings «ohne jede weitere Bemerkung» (S trauch 1882, S. XXI, Anm. 2) am Ende der Sammlung, vgl. den Textabdruck bei N eumann (1954c), S. 164-167 (S trauch 1882 meinte darauf verzichten zu können, den Text abzudrucken, denn er war der Ansicht, der L-Text sei mit demjenigen von E identisch). 29 W and -W ittkowski (2000), S. 241. 30 Dies übersieht A ndersen (2000), S. 46 wenn sie behauptet: «Mechthild remains equally anonymous in the Ld. [= ›Lux divinitatis‹]», und erneut S. 131: «As in the FLdG [= ›Fließendes Licht der Gottheit‹] Mechthild is never named but is identified as a type of person, a ‹virgo sancta› [‹holy virgin›].» Ähnlich P oor (2004), S. 88. Die Genese der Autorsignatur feststellen. Diese Unterschiede sind insofern von Bedeutung, als sie helfen, die Genese der Autorsignatur zurückzuverfolgen. Das vorwiegend aus der Ich-Perspektive geschriebene Kapitel FL II.24 wird in der Einsiedler Handschrift wie folgt angekündigt: Wie sich die minnende sele gesellet gotte und sinen userwelten lieben und sol gelich sin allen heligen. Anders als der Verfasser der deutschen Kapitelüberschrift, der das im Text figurierende Ich offenbar als ein exemplarisches verstanden wissen und es für eine «identifikatorische Rezeption» 31 reservieren wollte, sehen die lateinischen Übersetzer im Text eine unmittelbare Selbstaussage der mit Schwester Mechthild identifizierten Textfigur. In der Überschrift heißt es: De penis quas spiritualiter cum ipso 32 et alijs sanctis pertulit soror mehtildis (LD II.19/ Rev. Bd. II.2, S. 497). 33 Auf Mechthild als sprechendes Subjekt ist auch die Übersetzung von FL VI.26 bezogen: Während im deutschen Text ein nicht identifiziertes Ich über den Tod sinniert, wird die Sprecherfigur in der Überschrift von LD VI.20 (Rev. Bd. II.2, S. 639) beim Namen genannt: Qualiter exultat de morte [soror M.]. 34 Eigenständig wird der Name Mechthild nicht nur in den Überschriften, sondern auch im laufenden Text eingefügt: so beispielsweise in LD VI.18,2/ Rev. Bd. II.2, S. 637,26: Cvm senuisset soror M dixit. 35 Hierbei handelt es sich um eine Sprecherangabe, die den in FL VI.4: 436,23 [VI.4,3f.] aus der Ich-Perspektive gestalteten retrospektiven Blick auf die Zeit vor drissig jaren einleitet. Ein weiteres Beispiel wäre LD I.23,3f./ Rev. Bd. II.2, S. 468,30-32: Die quadam dum sorores omnes ad audiendum verbum dei properarent remansit soror mehtildis sola in quodam cubiculo clausa etc. 36 Es handelt sich um einen 318 Vom Ich zum Autor 31 S eelhorst (2003), S. 133. Auch M ichel (1995b), S. 179 weist darauf hin, dass das Ich in Sätzen, in denen es undefiniert bzw. mehrdeutig ist, «im sprachlogischen Sinne eine «Variable» [darstellt], an deren Stelle beim aktuellen Lesevollzug ein konkreter Eigenname gesetzt werden kann.» Zur historisch rhetorischen Valenz des Ich, die aufgrund der «grundsätzlichen sprachlichen Offenheit der in der ersten Person gesprochenen Rede» (S uerbaum 2009, S. 32) die Möglichkeit der «multiple[n] Besetzbarkeit und Exemplarität» mit einschließt, s. B ürkle (2003), S. 93. 32 Wie in Ra (fol. 162 v ) handelt es sich bei ipso in Rb um eine Verschreibung für christo. Die richtige Lesart bietet das Register zu Rb (fol. 51 rb ) sowie die Kapitelüberschrift von Rw, vgl. nächste Anm. 33 Dieser Kapiteltitel findet sich, wie in Anm. 32 bereits angedeutet, auch in Ra (fol. 162 v ). Rw übersetzt: Von den pinen die do geistlich mit christo vnd andern heiligen getragen hatt die schwester [im Register liest man Sant statt schwester] Mechtildis (LG II.19). 34 Ergänzt nach dem Register von Rb (fol. 52 ra ). Das Kapitel fehlt in Ra. Die entsprechende Kapitelüberschrift in Rw lautet: Wie sich erfrowet Sant mechtildis von irem sterben (LG VI.20). 35 Das Kapitel fehlt in Ra. Die entsprechende Stelle in Rw lautet: Do schwester mechtildis alt worden was sprach sye (LG VI.18,2). 36 Auch in Ra (fol. 119 v ) enthalten. Rw übersetzt: Eins tages do alle schwestern gingen zúhoren das wort gottes blib schwester Mechtildis allein in einem kemmerlin beschlossen (LG I.23,2-8). in FL I.29 fehlenden Situationsbericht, den die Übersetzer ihrer Vorlage entnommen haben könnten (s. dazu S. 188f. oben). Besonders häufig fällt der Name Mechthild in den beiden letzten Kapiteln des zweiten Buches der ›Lux divinitatis‹. LD II.40 (Rev. Bd. II.2, S. 516) informiert zunächst über die Verwunderung, welche die dicta et scripta sororis mehthildis bei dem in FL V.12 genannten und hier mit dem Ruppiner Lektor frater heinricus dictus de hallis identifizierten Meister Heinrich ausgelöst haben. Daraufhin folgt die Erwiderung des nun mit Mechthild identifizierten Textsubjekts, das heißt die Übersetzung von FL V.12. Abschließend wird der lector predictus als derjenige vorgestellt, der die dicta huius mehtildis omnia collegit et in unum uolumen redegit . ac in sex partes illud distinxit. Der Übersetzer weiß zudem zu berichten, dass Mechthild Heinrich überlebte und ihn in einer Vision sah: huius animam soror . Mechtildis que postmodum superuixit . uidit in aspectu domini in celo etc. 37 In LD II.39 (Rev. Bd. II.2, S. 515) werden zwei nicht unbedingt zusammengehörige Kapitel des deutschen Textes unter der Überschrift De fratre baldewino zusammengezogen. Das eine handelt von dem gotz trost eis beswereten br vders Baldewinus (FL IV.26), das andere wird - davon war bereits oben die Rede - als ein Brief präsentiert: Dis schreib swester Mehtilt an einer cedelen irem br v der B., predier orden, und sprach (FL VI.42). Weil der Übersetzer von der Identität des br v der B. und br v der Baldewinus ausgeht, 38 kann er folgende biographische Notiz dem Kapitel voranschalten: Frater baldewinus germanus sorori . Mechtildis . ab ipsa puericia nutritus bonis moribus et omni uirtute instructus est . et nichilominus per ipsius industriam litteris appositus sufficienter disciplinis scolasticis est inbutus . Tandem meritis sororis ad predicatorum ordinem est receptus . In quo in virtutibus et sciencia sic profecit quod ipsum licet inuitum fratres ad supprioratus officium promouerunt etc. 39 Darauf folgt die Übersetzung von FL IV.26 und VI.42. Beide Kapitel werden durch eine Überleitungsformel miteinander verbunden, die der Übersetzer aus der oben zitierten Überschrift von FL VI.42 geschöpft hat. Dabei transformiert er das in der Überschrift Gesagte in die 1. Pers. Sg. und legt die auf diese Weise umgeformte Aussage Mechthild gleichsam in die Feder: Scripsi eciam eidem fratri meo dicens (LD II.39,14/ Rev. Bd. II.2, S. 516,9, LG II.36,19f.: Ich schrib aúch meinem brúder sprechend). Die Genese der Autorsignatur 319 37 Ähnlich Ra (fol. 152 v -153 r ) und LG II.37. 38 Dabei handelt es sich um eine keineswegs zwingende Annahme, vgl. S. 209, Anm. 462 oben. 39 Ähnlich Ra (fol. 165 r ). Der Abschnitt ist auch im ›Liber de Viris Illustribus Ordinis Praedicatorum‹ des Johannes Meyer enthalten (s. dazu S. 105 oben). Rw übersetzt: Bruder Baldewinús . ein leiplicher brúeder Mechtildis . von iúgent h a r vffgezogen in gútten sitten . vnd in aller túgent vnderwisen Durch yere fursichtigkayt zú der l o r verordnet / hat genúgsam in schúlicher lerkunst vberkommen . Darnach vß dem verdienen seiner schwester ward er vffgenommen in prediger orden . Do hatt er in kúnst vnd túgenden also zúgenommen . das die brúder yn zú einem supprior wider seinen willen . erwelt hond (LG II.36,2-8). Vergleicht man den deutschen und den lateinischen Text in Bezug auf die Anzahl der Kapitelüberschriften, in denen ‹Schwester Mechthild› als handelndes Subjekt identifiziert wird, so stellt man eine auffällige Divergenz fest: Sieht man einmal von FL VI.42 ab, sind es jeweils unterschiedliche Kapitel, deren Inhalt als unmittelbare Selbstaussage der historischen Person Mechthild ausgewiesen wird. Diese Divergenz ist umso auffälliger, als die Zuschreibungsfrequenz innerhalb des jeweiligen Traditionszweiges relativ konstant ist, das heißt bestehende Zuschreibungen werden weiter tradiert, gegebenenfalls vermehrt (s. dazu unten). Deshalb fragt man sich, wie die oben beobachtete Divergenz in Bezug auf die Zuschreibungen zu erklären ist und woher die Kenntnis des Namens, die bei diesen Zuschreibungsakten vorausgesetzt werden muss, stammen könnte. Es scheint, um diese Frage gleich zu beantworten, als hätte das dem deutschen und lateinischen Überlieferungszweig gemeinsame Textstück FL VI.42, das schon im Basistext des ›Fließenden Lichts‹ enthalten war, 40 den Anlass dafür gegeben, Mechthild auch an anderen Stellen des Textes als Bezugsperson zu installieren. Dabei wird der Name, wie gesagt, je nach Traditionszweig unterschiedlichen Kapiteln zugeordnet, was darauf hindeuten kann (nicht muss), dass die Ausgangstexte des deutschen und lateinischen Traditionszweiges 41 auch in dieser Hinsicht eine je eigene Entwicklung durchgemacht haben. Auf diese beiden Punkte gilt es im Folgenden einzugehen. Es ist im Zusammenhang der Frage nach der Genese der Autorsignatur von besonderer Bedeutung, sich bewusst zu machen, dass die Aufdeckung der Autorschaft Mechthilds an einer recht peripheren Stelle des Textes erfolgt und dass sie zunächst einem Textstück am Rande des Corpus gilt: 42 Es handelt sich dabei um das bereits des Öfteren erwähnte FL VI.42, ein Kapitel, das den vorläufigen Abschluss jener Einheit der Bücher I-VI bildete, aus der die Ausgangshandschriften der deutschen und lateinischen Überlieferung geflossen sind. 43 In der Überschrift dieses Kapitels dokumentiert sich nicht nur ein besonderes Interesse an Mechthild als Person, sondern auch ein exklusives Wissen um ihre Lebensumstände: Wir erfahren nicht nur den Namen des lieben b v len, der im Text als Adressat angesprochen wird, sondern werden auch darüber informiert, dass es sich um ein von swester Mehthilt eigenhändig geschriebenes 320 Vom Ich zum Autor 40 Gemeint ist die Textstufe F x , s. S. 272 (Diagramm 5) und S. 304 (Diagramm 7). 41 Gemeint sind die Versionen X und Y bzw. F x 1 und F 2 , vgl. S. 272 (Diagramm 5) bzw. S. 304 (Diagramm 7). 42 Auf das gleiche Phänomen ist B ürkle im Zusammenhang der Schwesternviten und der einzelpersönlichen Viten- und Offenbarungstexte des 14. Jahrhunderts aufmerksam geworden, s. B ürkle (2003), S. 84, Anm. 18 (mit weiterführenden Angaben). 43 Das Verhältnis der beiden Textversionen zueinander kann, wie auf S. 272 (Diagramm 5) und S. 304 (Diagramm 7) gezeigt, aus textgenetischer Sicht als ein Nebeneinander oder ein Nacheinander definiert werden. Auf jeden Fall handelt es sich um eigenständige Textausformungen, die nicht auf einen Text, auf das vermeintliche eine Original, reduziert werden dürfen. Textstück handelt, worüber der Text allerdings nichts aussagt. Streng genommen wird Schwester Mechthild an diesem Punkt der Überlieferung - wir befinden uns auf der Textstufe F x (s. Anm. 40 oben) - nur für dieses eine Textstück als Schreiberin und Verfasserin verantwortlich gemacht. Ein gänzlich anderes Bild bietet sich beim nächsten Textstück, wenn es heißt: Dise schrift, die in disem b v che stat, die ist gevlossen us von der lebenden gotheit in swester Mehtilden herze und ist also getrúwelich hie gesetzet, alse si us von irme herzen gegeben ist von gotte und geschriben mit iren henden. Deo gratias. Hier wird bereits das gesamte damals greifbare Textcorpus Mechthild zugeschrieben. Dabei muss allerdings betont werden, dass wir es hier mit einer Zuschreibung im Akt der Rezeption zu tun haben, 44 die bei einer der frühen Abschreibestationen des deutschen Textes erfolgt sein muss. Denn bei FL VI.43 handelt es sich, wie in Kap. II.3 (S. 287f.) dargelegt, um eine Schreibernotiz, die aller Wahrscheinlichkeit nach erst nach der Freigabe des ›Fließenden Lichts‹ zur Übersetzung in den Text gelangt ist. Dadurch wird das Corpus, dem die Beglaubigung gilt, als eine Kopie ausgewiesen. Eine Kopie muss allerdings - das zeigt der in Kap. II.3 herausgearbeitete textgeschichtliche Befund - bereits die Vorlage gewesen sein. Wieviele Abschriften vorgenommen wurden, bis das erst in einem späteren Angleichungsprozess zu einem richtigen Kapitel umgeformte Schreiberkolophon seinen Weg in den Text fand, kann nicht festgestellt werden. 45 Das ist indes auch nicht die entscheidende Frage sondern diejenige, ob das Urteil des Schreibers über die Verfasserschaft des ›Fließenden Lichts‹ auf eine Kombination des in FL VI.42 Gesagten mit jenen Stellen des Textes zurückgeht, wo ein (stellenweise weibliches) Ich in unterschiedlichen Situationen des Schreibens und Sprechens figuriert. Mit anderen Worten: Es ist denkbar, dass wir es mit einer Vernetzung unterschiedlicher textinterner Aussagen zur Figur Mechthild als Autorin aller sechs Bücher des ›Fließenden Lichts‹ (und nicht nur eines Textstückes am Rande des Textcorpus wie in FL VI.42) im Akt der Rezeption, das heißt bei einer Abschrift des Textes, zu tun haben. Auf ein solches, auf Vernetzung und Amplifikation basierendes Verfahren scheint auch das von FL VI.43 abweichende Bild zurückzugehen, das von der Textfigur im lateinischen Prolog zum ›Fließenden Licht‹ gezeichnet wird. Die Genese der Autorsignatur 321 44 Vgl. A ndersen (2000), S. 128: «The final chapter of Book VI would appear to be further evidence of editorial intervention and management of Mechthild’s persona as author.» 45 Ein mögliches Indiz für eine in Helfta angefertigte Abschrift könnte eine auffällige Parallele in Lib. II.43 (Rev. Bd. II/ 1, S. 193) Mechthilds von Hackeborn sein. Hier äußert sich Gott über den ›Liber‹ wie folgt: Omnia quae in hoc libro continentur scripta, a Corde meo divino profluxerunt, et refluent in ipsum. Von der schrift, die in disem b v che stat, und vom Ausfließen derselben aus der lebenden gotheit ist auch in FL VI.43 die Rede. Doch man fragt sich, ob es erlaubt ist, aus dieser Parallele weitreichende Folgerungen zu ziehen. Immerhin könnte die Wendung in Lib. II.43 auf den Einfluss des ›Fließenden Lichts‹ zurückgehen. Dies erwägt auch R uh (1993), S. 302, Anm. 7, doch stellt er gleich fest: «Als Beweis der Abhängigkeit genügt er mir nicht.» Manches spricht dafür, dass der deutsche Text hier auf biographische Informationen hin ausgeschrieben und mit weiteren quasi-historischen Details angereichert wurde, deren Aussagewert jedoch insofern problematisch ist, als es sich um hagiographische Versatzstücke handelt (vgl. S. 134f. oben). Entstanden ist auf diese Weise eine am heiligmäßigen Lebenswandel der Protagonistin - es ist von einer begina die Rede, die ausdrücklich als virgo sancto corpore et spiritu apostrophiert wird - orientierte Kurzvita. Mit diesem Wandel in der Darstellung der textintern agierenden persona lässt sich vielleicht erklären, dass der Prolog ein vom deutschen Text abweichendes Verschriftlichungsmodell bietet: 46 Für das Schreiben des Buches wird nicht mehr die zur ‹Schwester Mechthild› personalisierte Textfigur verantwortlich gemacht, sondern ein frater predicti ordinis [predicatorum]. Das Thema Schreiben erfährt hier demnach eine geschlechtsspezifische Ausdifferenzierung in gottinspirierte Mystikerin und schreibenden Geistlichen, was durch die Wahl des Texttyps (Kurzvita) bedingt sein könnte. 47 Damit wird der volkssprachliche Text in die Tradition der im 13. Jahrhundert aufgekommenen ‹mystischen Heiligenviten› gestellt - ein Geistlicher (der Beichtvater oder ein professioneller Hagiograph) übernimmt auch hier den Part des Schreibenden - und dem Erwartungshorizont eines lateinisch gebildeten (wohl dominikanischen) Publikums angepasst. Allerdings scheint der Prologverfasser bei der von ihm vorgenommenen Rollenverteilung nicht ganz willkürlich vorgegangen zu sein. So könnte er auf die Existenz eines Dritten, der neben Gott und der Mystikerin am Buchwerdungsprozess beteiligt war, aus dem Text, genauer aus FL II.26, geschlossen haben. Denn hier wird ein schriber genannt, der das Buch nach Mechthild (na mir) geschrieben haben soll und der in den Offenbarungsprozess mit einbezogen zu sein scheint. Dies impliziert einen nach Vorlagen oder nach Diktat arbeitenden Schreiber (s. dazu S. 285ff. und 298ff. oben). Sollte der Prologverfasser von dieser Stelle beeinflusst gewesen sein, so wird er, wie die von ihm evozierte Konstellation ‹begnadete Frau›/ ‹schreibender Bruder› nahelegt, an die Situation des Diktats gedacht haben. Dazu passt das Verb conscribere, mit dem die Tätigkeit des Bruders im lateinischen Prolog charakterisiert wird (s. dazu S. 281ff. oben). Auch die Ordenszugehörigkeit des Bruders könnte der Prologverfasser aus dem Text abgeleitet haben, und zwar aus Stellen, die die Nähe der im Prolog als begina vorgestellten Textfigur zum Dominikanerorden suggerieren. 48 Freilich ließen sich die Angaben des Prologs auch dadurch erklären, 322 Vom Ich zum Autor 46 Dass dem Prolog ein anderes Offenbarungsmodell zugrunde liegt als dem deutschen Text, betont P almer (1992), S. 225. 47 Zur Frage der texttypenspezifischen Modellierung der Figur der begnadeten, schreibenden Frau s. B ürkle (1999), S. 259f. 48 Auf einer solchen Kombinationsleistung beruhen übrigens auch die in der Forschung anzutreffenden Spekulationen über die Identität des frater im lateinischen Prolog (P reger 1869b, S. 158-160 und R uh 1993, S. 250 zufolge Heinrich von Halle), aber auch die des schriber in FL II.26 (T illmann 1933, S. 2, Anm. 7 zufolge Heinrich von Halle) und des bihter in FL IV.2 (S trauch 1885, S. 154 sieht in ihm einen Dominikaner, N eumann 1954b, S. 39 und R uh 1993, 248 Heinrich von Halle). dass der Verfasser den Text für den Dominikanerorden vereinnahmen wollte, aus dessen Reihen auch er rekrutiert haben dürfte und den er wohl als Zielpublikum vor Augen hatte. Wie dem auch sei, im Hinblick auf meine Ausführungen von weiter unten (Kap. III.3) ist es wichtig, auf die im Prolog dokumentierende biographistische Lesart hinzuweisen, die den Text offenbar als historische Quelle über das Leben der hier anonym bleibenden begina begreift. Auch dieses Wissen um Mechthilds status beguinagii scheint der Prologverfasser aus dem Text erschlossen zu haben. Dabei handelt es sich um ein biographisches Detail, das durchaus wahr sein kann, jedenfalls für wahr gehalten wurde. Dies machen auch die Rezensenten U rban K üsters und O tto L anger gegen die Kritik geltend, die U rsula P eters an der Beginenthese geäußert hat. Zwar bestreiten sie die von P eters gemachte Beobachtung nicht, dass die Angaben im Prolog der deutschen Ausgabe des ›Fließenden Lichts‹ von «Mechthilds Selbstaussagen im Werk» abhängig sein könnten, doch geben sie zu bedenken: «Immerhin aber bleiben diese Stellen im Blick auf die Wirkungsgeschichte bedeutsam, zeigen sie doch an, daß die Zeitgenossen einen zeitweiligen Beginenstatus Mechthilds angenommen und weitervermittelt haben, daß das Werk mithin unter dieser Vorgabe und Wertung rezipiert wurde.» 49 Ja, mehr noch: K üsters und L anger nennen inhaltliche Gründe dafür, dass Mechthild sehr wohl eine unter der Obhut der Dominikaner lebende Semireligiose war. Da sind zum einen die Unterschiede in der Spiritualität, die das ›Fließende Licht‹ von den Helftaer Schriften abheben, 50 zum anderen ist es die Auswahl von Heiligen und Vorbildern, die Mechthild von den «zoenobitischen Idealen des zisterziensisch-benediktinischen Mönchtums» abrücken. So wird, betonen K üsters und L anger , unter den núwen heligen (FL V.34) «bezeichnenderweise als erste Elisabeth von Thüringen genannt, die Leitfigur der vita sororum in saeculo (irme bilde ist manig vrowe gevolget).» 51 Eines der Hauptargumente, das P eters gegen die Beginenthese anführt, ist das Fehlen von «textexterne[n] Dokumente[n] im Sinne einer historischen Bezeugung der Magdeburger Begine.» 52 Genau genommen gilt diese Feststellung nicht allein für Mechthilds Beguinage, sondern auch für die Anfänge des Beginentums in Magdeburg überhaupt. 53 In manchen Arbeiten wird die Präsenz der Beginen in Magdeburg schon um 1230 angesetzt. So behauptet H ildegund K eul unter Berufung auf die stadtgeschichtlichen Untersuchungen von F riedrich W ilhelm H offmann , 54 die Beginenbewegung habe ab 1230 auch in Magdeburg Fuß gefasst. 55 Die Tatsache, dass H offmann die Anfänge des Die Genese der Autorsignatur 323 49 K üsters / L anger (1991), S. 38. Ähnlich K eul (2004), S. 176. 50 Vgl. K üsters / L anger ebd., S. 39 und W ehrli -J ohns (1990), S. 329f. 51 K üsters / L anger ebd., S. 39. Auch L eppin (2007), S. 553 ist der Ansicht, dass die hervorgehobene Stellung von Elisabeth in der Reihe der ‹neuen› Heiligen für die Wertigkeit von Belang sein könnte, die diese bei Mechthild erfahren, vgl. hierzu auch D inzelbacher (2004), S. 161, V oigt (2007b), S. 379 sowie V ollmann -P rofe (2007b), S. 59. 52 P eters (1988a), S. 54. 53 Vorausgesetzt, Magdeburg ist die stat (FL IV.2: 230,6 [IV.2,21]), wo Mechthild ein Leben in ellende führte, s. dazu S. 4, Anm. 11 mit Text. 54 H offmann (1845). Vgl. auch H offmann (1885). 55 K eul (2004), S. 131. Ähnlich P ätzold (2005), S. 101 (ohne Quellenangabe) und M ulder - B akker (2005), S. 162f. bzw. 172. Beginentums in Magdeburg auf 1230 datierte, hat nichts mit der gängigen Datierung der Ankunft Mechthilds um etwa die gleiche Zeit in Magdeburg zu tun, denn die ersten wissenschaftlichen Anstrengungen um die Erschließung ihrer Biographie datieren ja erst in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und konnten H offmann deshalb noch nicht bekannt sein. H offmann sah sich aus einem anderen Grund dazu veranlasst, die Anfänge des Magdeburger Beginenwesens auf 1230 zu setzen. Man liest bei ihm: «Im Jahre 1230 wurde im alten Burggrafenschlosse in der Stadt das Kloster Mariä Magdalenä (die Nonnenburg) angelegt, welches dem damals entstandenen Orden der Beguinen (Büßerinnen, Reuerinnen) übergeben wurde.» 56 Dem setzte bereits A ncelet -H ustache entgegen: «Nous ignorons pour quelles raisons les historiens de Magdebourg assimilent cet ordre de pénitentes aux Béguines.» 57 Damit bleibt offen, ob es Beginen um 1230 in Magdeburg gab und dies, obwohl die Mechthild-Forschung der Ansicht ist, Mechthild wäre etwa um die gleiche Zeit in Magdeburg angekommen. Allerdings sind die diesbezüglichen Berechnungen, wie in Kap. II.1.3 (S. 138ff.) ausgeführt, höchst problematisch und können deshalb auch nicht zu weiterführenden Überlegungen verwendet werden. Dessen ungeachtet wird man davon ausgehen können, dass es auch in Magdeburg spätestens um die Jahrhundertmitte Frauen gab, die eine vita religiosa ohne Ordensanbindung geführt haben. 58 Hinzuweisen wäre in diesem Zusammenhang nicht nur auf die Magdeburger Rekluse Margareta Contracta, deren Vita gegen 1260, spätestens 1270 (in den Niederlanden? ) verfasst wurde, 59 sondern auch auf den Beschluss der Provinzialsynode von Magdeburg aus dem Jahre 1261. Hier heißt es: De mulieribus, que Begine vocantur, statuimus, ut plebano, in cuius morantur parochia, obediant sicut ceteri parrochiales; alioquin ad id per ipsos plebanos cum excommunicationis sententia compellantur. 60 Das wichtigste Zeugnis für das Magdeburger Beginenwesen gilt freilich das ›Fließende Licht‹ selbst, in dessen ersten sechs Büchern (Entstehungszeit: 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts) an mehreren Stellen von Beginen die Rede ist, vgl. FL III.15, III.24 und V.5. 61 In diesem Zusammenhang hat FL III.15 in der Mechthild-Forschung schon immer eine 324 Vom Ich zum Autor 56 H offmann (1845), S. 175 bzw. (1885), S. 100. 57 Vgl. A ncelet -H ustache (1926), S. 55, Anm. 5. Die Gleichsetzung von Beginen und Reuerinnen wird bei S pringer (2004), S. 93f. vermieden. Vgl. auch R eichstein (2001), S. 300f. 58 S. dazu demnächst J örg V oigt , Beginen im Spätmittelalter. Untersuchungen zum Beginenwesen in Thüringen und im Reich, Diss. Jena masch. 2009 (erscheint in der «Kleinen Reihe der Historischen Kommission für Thüringen» voraussichtlich 2011). 59 Vgl. P. G. S chmidt (1992), S. XII. 60 Zitiert nach G rundmann (1935/ 1977), S. 331, Anm. 24. Übersetzung: «Über die Frauen, die Begine genannt werden, setzen wir fest, dass sie dem Pfarrer, in dessen Pfarrei sie sich aufhalten, Gehorsam leisten sollen und ihm in allem so gehorchen sollen wie die übrigen Pfarrangehörigen. Andernfalls sollen sie durch dieselben Pfarrer mit dem Verfahren der Exkommunikation bedrängt werden.» 61 Die Forschung war bemüht, die Zahl der Belegstellen zu vermehren. Ausgehend von der Annahme, Mechthild wäre nicht nur eine Begine, sondern auch die Leiterin einer Beginengemeinschaft gewesen, hat man auch folgende Kapitel für ‹beginisch› erklärt: FL II.20 (vgl. K eul 2004, S. 168), FL III.5 (vgl. G rundmann 1935/ 1977, S. 328, Anm. 18), FL III.17 (vgl. L eppin 2007, S. 550), FL IV.17 (vgl. O ehl 1911, S. 135 und B ecker 1951, S. 175, Anm. 2), FL V.11 (vgl. O ehl 1911, S. 11, B ecker 1951, S. 176 und N eumann 1954b, S. 72f.), FL VI.7 (vgl. O ehl 1911, S. 11, M c G inn 1999, 395 und K eul 2004, S. 175) und FL VI.37 (vgl. O ehl 1911, S. 11 und G rundmann 1935/ 1977, S. 328f., Anm. 18). wichtige Rolle gespielt, wenn es darum ging, Mechthilds religiosen Status zu bestimmen. Das Kapitel fängt mit der Beginenschelte eines Ich-Sprechers an. Die vil torehtigen beginen werden wegen ihres häufigen Kommunionsempfangs vom Ich-Sprecher getadelt, der sich anschließend als eine von ihnen zu erkennen gibt: Nu ich bin die minste under úch, ich m v s mich schemmen, hitzen und biben. Nicht nur unser Wissen von Mechthild als Begine lässt sich auf diese keineswegs eindeutige 62 Textstelle zurückführen, sondern möglicherweise auch das der mittelalterlichen Rezipienten. Ich denke nicht nur an den Verfasser des lateinischen Prologs zum ›Fließenden Licht‹ und an die Colmarer Exzerpte, von denen weiter unten noch die Rede sein wird, sondern auch an diejenigen, die die Überschriften zum deutschen und lateinischen Text besorgt hatten. So handelt FL V.5 laut Überschrift von einer beginen vegefúr, der dur eigenwillen kein gebet half. Im Text selbst ist nur von einer fr p wen die Rede. 63 Zu vergleichen wäre auch FL IV.17. Das Kapitel stellt eine mit einer Teufelsvision verbundene Fürbitte um ein vr p we dar, von der es heißt: sie hette sich begeben und wolte dennoch ze hove dienen. Diesmal ist es nicht die Überschrift des deutschen Textes, die weiterführende Angaben bietet (vgl. Von einer vrowen, die ze hove gerne was; von irme túfel, der ir siben bosheit riet), sondern diejenige der lateinischen Übersetzung: De begina in apparencia et non existencia (LD III.9/ Rev. Bd. II.2, S. 527). 64 Auch im Text selbst wird präzisierend vermerkt: Femina quedam habitum religionis beginarum induerat . sed tamen curijs dominorum secularium seruiebat (ebd., Z. 2f.). 65 Aufschlussreich ist auch das vorangehende Kapitel. Es handelt sich wieder um eine Teufelsvision. Den situativen Rahmen stellt der Einleitungssatz her: In mea societate quedam est femina religiosa [LG III.8: ein geistliche frow] . de qua multa pacior incommoda . Distorta enim et pertinax ad benefaciendum . nequaquam meis exhortacionibus acquiescit (LD III.8/ Rev. Bd. II.2, S. 526, entsprechend FL VI.7: 444,4f. [VI.7,3f.]: In miner geselleschaft ist ein geistlich mensch, von dem lide ich manig not dur sine b o sen sitten, also das mir der mensche an keinen dingen volgen wil). Die Überschrift identifiziert diese Frau als begina, 66 wodurch auch das sprechende Text-Ich als dem Beginenstand zugehörig erwiesen wird. Demnach waren Die Genese der Autorsignatur 325 62 Es könnte sich um einen Demutstopos handeln. Außerdem ist zu beachten, dass der Vorwurf, Beginen würden zu einem häufigen Kommunionsempfang neigen, in den mittelalterlichen Quellen geradezu topisch auftaucht, vgl. B rowe (1938), S. 106-109. 63 Ähnlich LD VI.12 (Rev. Bd. II.2, S. 629): De purgatorio cuiusdam begine que est sensus und LG VI.12: Vom fegfuir einer beginen. Vgl. auch Be 113 r : Vidit eciam quandam Begutam (sic! ) que fuerat mire deuocionis sed obstinata in suis indiscretis exercicijs. In der neu aufgefundenen Handschrift aus Växjö (Vä), die nur dieses eine Kapitel überliefert, heißt es dagegen: Exemplum contra proprium sensum volentes sequi et corpus suum sine discretione affligentes. 64 LG III.9: Von eime begina in dem schin aber nit in den warheit. In diesem Sinn übersetzt auch O ehl (1911), S. 135 Ein vr p we hette sich begeben mit «Eine Frau war Begine geworden etc.» und dies, obwohl das Verb sich begeben auch in der Bedeutung ‹ins Kloster gehen› bezeugt ist, vgl. V ollmann -P rofe (2003), S. 782, Anm. zu 274,3 und FL VII.36: 602,10 (VII.36,57): Der sich in dis closter wil begeben etc. 65 LG III.9,2f.: Ein fraw hett angelegt das Beginen cleidt vnd dennocht dienet sy in den h o ffen der weltlichen herren. 66 Das übersieht K asten (1995), S. 11, wenn sie den geistlichen menschen, von dem im deutschen Text die Rede ist, im Anschluss an die These von P eters , wonach das ›Fließende Licht‹ in Helfta entstanden wäre, auf eine Angehörige des Helftaer Konvents bezieht. die Übersetzer des ›Fließenden Lichts‹ von Mechthilds status beguinagii überzeugt. Womöglich ging es ihnen sogar darum, Mechthild als eine ‹Vorzeige-› oder ‹Ausnahmebegine› zu profilieren. Denn es fällt auf, dass sämtliche Kapitel der ›Lux divinitatis‹, die von Beginen handeln, diese in keinem guten Licht erscheinen lassen. Damit wird allerdings nur eine Tendenz verstärkt, die auch in den beginischen Kapiteln des deutschen Textes zu beobachten ist. Auf ein vom Prolog abweichendes Verfahren, um eine Art von accessus ad auctorem zu schaffen, stößt man in der Praefatio der lateinischen Übersetzung. Doch nicht nur die Technik ändert sich. Auch das von Mechthild gezeichnete Bild ist hier ein anderes. Doch bevor ich auf diesen Punkt näher eingehe (s. Kap. III.3), möchte ich den Faden wieder aufnehmen und die Wirkung der Autorsignatur in die Überlieferung und Rezeption hinein verfolgen. Zunächst wende ich mich dem deutschen Überlieferungszweig zu. Ist der Autorname einmal enthüllt, so ist er frei verfügbar und kann nach eigenem Gutdünken von Schreibern oder Redaktoren an weiteren Stellen des Gesamttextes inseriert werden. Durch diesen Umgang mit dem Autornamen wird wohl jene oben angesprochene Divergenz zu erklären sein, die zwischen dem deutschen und lateinischen Text, vertreten durch die Handschriften E und Rb, in puncto Einzelzuschreibungen besteht. Wie Einzelzuschreibungen entstehen, zeigt die Colmarer Handschrift (C) in augenfälliger Weise. Wir haben es hier mit einer Handschrift zu tun, die umfangreiche Exzerpte aus dem ›Fließenden Licht‹ bietet. Es sind Lesefrüchte, die der Colmarer Bürger Hans Schedelin zusammengetragen und für seinen persönlichen Gebrauch eigenhändig niedergeschrieben hat. 67 Unter den von ihm ausgewählten Kapiteln finden sich auch die oben vorgestellten Kapitel FL V.32 und FL V.35: Wie in E wird ihr Inhalt in C durch die jeweilige Überschrift auf swester mehthilt bezogen (vgl. S. 432 und 435 weiter unten). Schedelin wollte sich allerdings mit diesen beiden Kapiteln nicht zufrieden geben, sondern war bemüht, die Zahl jener Textstücke zu erhöhen, die Schwester Mechthild in konkreten lebensweltlichen Situationen präsentieren. So versucht er das in FL II.20 Gesagte auf Mechthild umzumünzen, indem er die Überschrift gemäß seinem Ziel umschreibt. Die alte Überschrift lautete: Wie swester Hiltegunt ist gezieret in dem himmelriche mit drin mantelen, mit VII cronen und wie sie lobent die IX k o re. In C wird der Name Hildegund gegen den von Mechthild ausgetauscht (vgl. S. 458 weiter unten). Allerdings scheint Schedelin bald bemerkt zu haben, dass ein solch rein mechanischer Austausch des Namens nicht möglich ist, denn Schwester Hildegund stellt das Objekt und nicht das handelnde Subjekt des Kapitels dar. Letzteres ist jenes Ich, das an anderen Stellen der Handschrift als swester mehthilt identifiziert wird. Schedelin versucht nun über dem Problem 326 Vom Ich zum Autor 67 Vgl. N emes (2009b). Bislang ging man davon aus, dass es sich um eine Handschrift handelt, die im dominikanischen Bereich (in einem der Frauen- oder Männerkonvente des Ordens) entstanden ist, vgl. V ölker (1967), S. 32, N eumann (1993), S. 235 und P oor (2004), S. 130. Herr zu werden, indem er zunächst auf den verballhornten Namen swester mehtegvnt ausweicht, anschließend jedoch zu hiltegvnt zurückkehrt. Dessen ungeachtet lässt er den Namen mehthilt in der Überschrift stehen. Dieser wird im Register wiederholt. 68 Anders als bei C können die Namensangaben in E bis auf FL VI.42 und VI.43 nicht datiert werden. Wohl lassen sich die Namensnennungen in FL V.32 und V.35 bis zur Textstufe *EC zurückverfolgen, doch bleibt im Grunde unklar, ob sie schon im Basistext des ›Fließenden Lichts‹ (F x , s. S. 320, Anm. 40) enthalten waren. Wegen ihres Fehlens in den entsprechenden Kapiteln der ›Lux divinitatis‹ ist man geneigt anzunehmen, dass der Name Mechthild in den Überschriften von FL V.32 und V.35 erst in dem zu E hinführenden deutschen Traditionszweig eingefügt wurde. Ob dies in Basel geschah oder schon auf einer früheren Textstufe stattfand, bleibt offen. Sollte es, wie von W erner W illiams - K rapp vermutet, 69 in Basel dazu gekommen sein, so fragt man sich, warum der Name Mechthild ausgerechnet von denjenigen verschwiegen wird, die aufgrund einer besonderen Faszination am Text dafür gesorgt haben, dass das ›Fließende Licht‹ in Süddeutschland bekannt wurde. Ich meine hier Personen wie Heinrich von Nördlingen, Christine Ebner und Heinrich von Rumersheim: Sie alle identifizieren den Text nicht über einen Namen, sondern über den Titel. So heißt es in den ›Offenbarungen‹ der Christine Ebner: ‹Ich [Gott] hon dir daz büch dor vmb zu gefüget, daz dein geistliche frewde dester grözzer sein vnd dein ding.› Vnd maint daz büch, daz da heisset ein vzflizzendes liht der gotheit (Nürnberg, StB, Cent V App. 99, fol. 16 v ). Und weiter: ‹Mein ewigez liep, ich [Gott] hon dir daz büch gesant, daz do heizzet ein ausfliessendez liht der gotheit, vor deim töt dor umb, daz du dester küner seist in dein gnaden; nit allein durch dich: Du solt dor von reden, di weil du lebest, dor umb daz man dein genaden, di ich dir tw, dester gelewiger sei› (ebd., fol. 70 r ). 70 Auch bei Heinrich von Rumersheim, der das heute als die Einsiedler Handschrift bekannte b v ch auf die Veranlassung der Vorbesitzerin, der Basler deo devota Die Genese der Autorsignatur 327 68 Das Register wurde anhand der Überschriften erstellt. Dafür sprechen folgende Abschreibefehler: Die Überschrift von FL IV.26 lautet in C (wie in E): von dem gottes troste eins bewerten br q der baldewinvs. Im Register lesen wir jedoch: Eins bewerten br q der baldewins. Die Tatsache, dass der erste Teil der Überschrift fehlt, erklärt sich damit, dass er in der Handschrift auf der vorangehenden Seite steht: Schedelin hat ihn bei der Erstellung des Registers schlichtweg übersehen, vgl. S. 405 und 413 weiter unten. Einen anderen aussagekräftigen Beleg liefert die Überschrift von FL II.24: wie sich die minnende sele gesellet gotte vnd sinen vserwelten lieben vnd sol glich sin allen heiligen wie der túfel vnd die sele sprichet ze sammen. Im Register lautet der entsprechende Eintrag dagegen: wie sich die minnende sele gesellet gotte vnd sinen vsserwelten lieben vnd sol glich sin allen heiligen wie der túfel vnd die sele sprichet zvo samemen an vnser pin sint wir schvldig. Der letzte Satz (an - schvldig) ist nur versehentlich in die Überschrift geraten: Er stellt eine Marginalie zur ersten Zeile des Kapitels dar, die mit der Überschrift zusammengezogen wurde, vgl. S. 407 und 461 weiter unten. 69 Vgl. W illiams -K rapp (2002), S. 217, Anm. 16. 70 Zitiert nach B ürkle (1999), S. 254 mit Anm. 288. Margarete zum Goldenen Ring, dem Gebrauch der Waldschwestern im Einsiedler Hochtal anempfiehlt, fällt nur der Buchtitel (das liecht der Gotheit), nicht jedoch der Name der visionären Autorin, 71 der der Handschrift leicht hätte entnommen werden können. Das gleiche gilt für Heinrich von Nördlingen mit dem bedeutenden Unterschied, dass Heinrich immer wieder umschreibende Epitheta findet, die geradezu die Funktion des Platzhalters für den verschwiegenen Autornamen übernehmen. So wird diejenige, durch die got ditz himelsches gesang [d. i. das kurz zuvor eingeführte buch das haisst Das Liecht der gothait] hat usz gesprochen, gleich in dem Brief, wo das ›Fließende Licht‹ zum ersten Mal erwähnt wird, als junckfrouliche himelsche orgelkunigin apostrophiert. 72 Sie ist für Heinrich allerdings nicht nur die Empfängerin von göttlichen Offenbarungen, sondern auch deren Schreiberin. Dies ist an den einleitenden Worten zu einem umfangreichen Exzerpt aus dem ›Fließenden Licht‹ (FL I.22: 38,21-40,19 [I.22,7-34]) zu erkennen: nu merck furbas, also sagent und schreibent uns die früindt gotz. 73 Aufschlussreich ist auch der Kommentar, mit dem Heinrich das Exzerpt abschließt: hier innen und des glich tunt vor uns usz die groszen gotzfrund des innern menschen geistlich himelfart. 74 Der Text wird also auf das Erleben der zu einem Gottesfreund konkretisierten Textfigur hin ausgelegt. Dieses Textverständnis begegnet uns auch an anderen Stellen, wo Zitate aus dem ›Fließenden Licht‹ in die Briefe an Margareta Ebner eingeflochten werden. So schließt der aus FL V.6 und 7 bestehende Auszug im Brief XLVIII mit dem Vermerk: diz wart geben einer hoch gezogner sel in got. 75 Desgleichen heißt es wenige Zeilen später: und in ditz glich wart ain grosz gotzfründ gezogen. 76 Was danach kommt, ist zunächst eine paraphrasierende Wiedergabe von FL IV.12, gefolgt von einem Direktzitat (262,34-38 [IV.12,79-82]). Schließlich heißt es wieder: sich, wie tief sie sich gelassen kunden, die der diemütiger minender träwe gotz inan worden sind. 77 Aufschlussreich für Heinrichs Lektüreeinstellung ist ein Vergleich mit seiner Vorlage in Bezug auf die Sprecherfigurationen. Dabei stellt man fest, dass es Heinrich nicht auf eine «‹literaturwissenschaftliche› Differenzierung» 78 verschiedener Sprecherrollen ankommt, versteht er es doch, anders als seine Vor- 328 Vom Ich zum Autor 71 Vgl. den Textabdruck bei N eumann (1993), S. 176. 72 S trauch (1882), S. 246,128 (Brief XLIII). 73 S trauch ebd., S. 251,36f. (Brief XLVI). 74 S trauch ebd., S. 252,60f. (Brief XLVI). 75 S trauch ebd., S. 257,23f. 76 S trauch ebd., S. 257,44. 77 S trauch ebd., S. 258,54-56. 78 Den Begriff habe ich M anuwald (2007) entliehen. Sie beschreibt damit den Umgang mit den verschiedenen Ich-Rollen im bebilderten ›Willehalm‹ und stellt dabei fest, dass diese nach gängiger literaturwissenschaftlicher Lesart dem Autor bzw. dem Erzähler zugeschriebenen Ich-Rollen im Rezeptionsvorgang auf ein und dieselbe Ich-Figur bezogen werden, «so daß die Autorrolle auch bei Passagen, in denen sie nicht explizit ist, assoziiert werden kann» (S. 91) und dies umso leichter, «je konsistenter die Ich-Rolle ist, die sich im Text erkennen läßt» (S. 80). lage, nicht, zwischen verschiedenen Textsubjekten zu unterscheiden, die in den von ihm ausgewählten Passagen agieren. Denn in seiner Vorlage sind es die brut bzw. die sele, die als Textfiguren eingeführt werden, wobei sich sele zumindest in FL IV.12 mit ich und brut abwechselt. Heinrich dagegen bezieht alles auf das exemplarische Verhalten jener grosz gotzfründ bzw. hoch gezogner sel, die er als sprechend-schreibendes Subjekt hinter dem Text vermutet und als imitables Beispiel seiner Beichttochter, der Medinger Nonne Margareta Ebner, anempfiehlt. 79 Wohl durch dieses Vorbildhafte erklärt es sich, dass das Textsubjekt in den von Heinrich gebrachten Zitaten anonym bleibt. Zwar wird es als «Gottesfreund» identifiziert und damit ein Stück weit lebensweltlich konkretisiert, doch dient diese Konkretisationsleistung eigentlich dazu, dem Geschriebenen den Anstrich des historisch Beglaubigten und Authentischen zu verleihen. Es kommt dabei weniger auf die Person des Gottesfreundes an als auf das Exemplarische, das von ihm präsentierte mystagogische Modell, wie man dem Wirken Gottes in der eigenen Person Raum schafft. 80 In diesem Sinne führt Heinrich die junckfrouliche himelsche orgelkunigin gleich in jenem Brief, in dem er auf das ›Fließende Licht‹ zum ersten Mal zu sprechen kommt, als jemanden ein, durch die got ditz himelsches gesang hat usz gesprochen. Ob ihre Identität mit dem grosz gotzfründ, der in den späteren Direktzitaten aus dem ›Fließenden Licht‹ als Referenzfigur auftaucht, den Rezipienten, allen voran Margareta Ebner, bewusst war, muss offen bleiben, und dies obwohl die Briefe mit den Mechthild-Exzerpten in der Handschrift aufeinander folgen (in der Edition sind sie nach chronologischen Gesichtpunkten geordnet). Entscheidend ist die von Heinrich vorgenommene Öffnung des Textes auf eine «identifikatorische Rezeption» (s. S. 318, Anm. 31) hin. Eine solche Einstellung dem Text gegenüber ist nicht nur in den Lektüreanweisungen Heinrichs und in der oben zitierten Stelle aus den ›Offenbarungen‹ der Christine Ebner, 81 sondern gelegentlich auch in der späteren Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ zu beobachten. 82 Sie dürfte neben der Exzerpierungspraxis, die zumindest im deutschen Traditionszweig mit einer Tendenz zur Anonymisierung der Die Genese der Autorsignatur 329 79 Vgl. dazu G ottschall (2007), S. 150-158 und F ederer (2010). 80 Zum Konzept der Gottesfreundschaft s. R. D. S chiewer (2007) und demnächst die Beiträge in S cheepsma / S chiewer / W arnar (2011). 81 S. dazu B ürkle (1999), S. 254. 82 Vgl. das Explizit von B (datiert auf 1416): Hye hat das p u ch ein end Jn dem man got minichleich erchent (zitiert nach N eumann 1993, S. 290, Z. 494) bzw. die von einer Hand des 16. Jahrhunderts eingetragene Corpusüberschrift in E: Von offenbarungen einer liebhabenden Seel (zitiert nach N eumann 1990, S. 1, Apparat). Hinzuweisen wäre auch auf das Engelthaler Bücherverzeichnis von 1447, in dem auf fol. 7 v zwei puchlein von der mynenden sele genannt werden. T hali (2003), S. 270, Anm. 125, zufolge wäre zu überlegen, ob vielleicht eines der beiden puchlein das ›Fließende Licht‹ meinen könnte. Anders als T hali spricht sich B ürkle (1999), S. 29, Anm. 76 und (2007), S. 452 dafür aus, Mechthilds ›Fließendes Licht‹ in dem auf pag. 8 genannten puchlein daz hat ein seliger prediger gesant den junkfrawen in tewcze lant zu sehen. — Auf die postmodern anmutende Spekulation von P oor (2004), S. 120f., der Schreiber Fridericus Pellengriesser ersprechend-schreibenden Textfigur einhergeht, mit dafür verantwortlich sein, dass die Autorsignatur ausbleibt. 83 Freilich fehlt eine den modernen Autorausgaben vergleichbare Setzung des Namens am Anfang des Textcorpus auch in der Einsiedler Handschrift, der einzig vollständigen Handschrift des ›Fließenden Lichts‹. 84 Allerdings dokumentieren sich hier, wie oben ausgeführt, frühere Versuche, die Autorfigur zu dechiffrieren und diese mit einer Art Kurzvita auszustatten. Vor diesem Hintergrund erscheint es umso bemerkenswerter, dass wir mit der Colmarer Handschrift über einen Rezeptionszeugen verfügen, der die bewusste Setzung des Namens Mechthild nicht scheut. Ich denke hier nicht an die Namensnennungen in einzelnen Kapitelüberschriften, von denen bereits die Rede war (s. S. 326f. oben), sondern an die Vorankündigung im Register: dise noch gonden Capitel sint geschriben vs eime b q che dz heisset dz vsl r htende b q ch [! ] der gotheit vnd sint siben geteilede vnd ist vs allen sibenen geschriben vnd ist die erschinvnge sant mehtehilt (fol. 1 r ). Diese wird am Anfang des Textcorpus mit geringer Variation wiederholt: alle dise noch geschribenen kapittel sint geschriben vs den vij b x cheren sant mehthilden vnd heisset dz vs l r htende lieht der gotheit (fol. 84 r ). Eine derartige Signatur an einer solch exponierten Stelle ist in der volkssprachlichen Mechthild-Überlieferung einzigartig. Sie erklärt sich aus dem Inhalt der Handschrift. Auf diesen empfiehlt es sich auch deshalb etwas ausführlicher einzugehen, weil sich hier die in der Mechthild-Überlieferung seltene Gelegenheit bietet, ein corpusgebundenes Autorprofil zu eruieren, das Ergebnis einer bewußten Textauswahl ist. Die Vorlage, aus der C exzerpiert wurde, war eine vollständige Handschrift des ›Fließenden Lichts‹. Das geht aus der zitierten Überschrift eindeutig hervor. Ein solches Exemplar, das alle sieben Bücher des ›Fließenden Lichts‹ enthält, ist bekanntlich der Einsiedler Kodex. Doch kommt er - das haben die textkri- 330 Vom Ich zum Autor scheine infolge der in der Budapester Handschrift fehlenden Zuweisung des Textcorpus an Mechthild als der eigentliche Verfasser des ›Fließenden Lichts‹, soll hier nicht eingegangen werden, weil diese auf einem Missverständnis und einer falschen Einschätzung des handschriftlichen Befundes beruht. Zu den von Pellengriesser geschriebenen Handschriften s. N emes (2005), S. 125-127. 83 Anders P oor (2004), S. 91-94: Sie führt das Ausbleiben der Autorsignatur in den Zitaten von Heinrich von Nördlingen auf den defizitären Status weiblicher Autorschaft zurück. 84 Das Gleiche gilt für die nur aus dem Bibliothekskatalog der Erfurter Kartause bekannte Handschrift des ›Fließenden Lichts‹, vgl. Lux divinitatis, sunt revelaciones antique cuiusdam begine in vulgari sermone, que sancta fuit, et dicitur Lux divinitatis influens in corda, que vivunt sine dolo falsitatis et sunt 7 libri parciales etc. (L ehmann 1928, S. 432,16-18). Eine Diskussion um die Identität des Autors findet bezeichnenderweise (dazu weiter unten) erst im folgenden Eintrag statt, in dem eine Exzerpthandschrift der ›Lux divinitatis‹ verzeichnet ist, vgl. Revelaciones b. Mechtildis, et nota, quod diverse fuerunt persone Mechildis et Mechtildis, ut claret ex principiis et finibus librorum ambarum virginum, ubi inventur diversitas vite earum et conscriptorum, sunt autem hee revelaciones hic abbreviate. Liber eiusdem b. Mechtildis, qui appellatur Lux divinitatis fluens semper in corda veritatis, et habet 27 capitula et ponitur in principio libri (L ehmann 1928, S. 432,25-30). tischen Untersuchungen von P aul -G erhard V ölker gezeigt 85 - als unmittelbare Vorlage nicht in Frage, denn die Colmarer Exzerpte gehen auf eine Textstufe zurück, die vor E liegt. 86 Selbst wenn der Einsidlensis anhand des Lesartenvergleichs als unmittelbare Vorlage ausscheiden muss, bietet er ein gutes Bild über die Aufmachung der verschollenen Vorlagehandschrift. Der Schreiber von C übernimmt nur ganze Kapitel, d. h. er tastet die Integrität der Kapitel nicht an. Wie seine Vorlage versieht er die herausgezogenen Texte mit roten Überschriften sowie Buch- und Kapitelzahlen. Auch die rotgestrichelten, textgliedernde Funktion erfüllenden Großbuchstaben werden relativ konsequent übernommen. 87 Gegen Ende der Exzerpte (ab fol. 133 r , entspricht FL IV.12) werden sogar die Marginalien abgeschrieben, die inhaltliche Erläuterungen zu einzelnen Textpassagen bieten. 88 Platziert werden sie zunächst am Rand, in der Höhe der referierten Stellen, später (ab fol. 137 r , entspricht FL II.19) jedoch in den laufenden Text eingefügt. Aus dem Textfluss werden sie mit roter Tinte hervorgehoben. V ölker war der Meinung, dass eine solch fortschreitende Eingliederung der Randnotizen in den Text bei mehrfacher Abschrift zur völligen Zerstörung des Textzusammenhangs geführt hätte. Dass dies nicht der Fall ist, zeigt, so V ölker weiter, dass Schreiber und Exzerptor identisch sind, denn «nur der Urheber einer solchen Textanordnung konnte Verwirrungen so durchgehend vermeiden, wie es in der vorliegenden Handschrift geschehen ist.» 89 In der Tat war, wie bereits angedeutet (s. oben Anm. 67 mit Text), der Exzerptor und Schreiber, ja sogar der Besitzer der Handschrift, ein und dieselbe Person: der Colmarer Bürger Hans Schedelin. Sein hier skizzierter Umgang mit dem Text seiner Vorlage - dieser gleicht einer fast mechanischen Vorlagentreue und zielt offenbar auf die Konservierung des Layouts ab - zeugt von der Dignität, über welche die Offenbarungen der von Schedelin als heilig apostrophierten Mechthild in seinen Augen verfügt haben müssen. Für eine vollständige Handschrift des ›Fließenden Lichts‹ spricht nicht nur die oben zitierte Corpusüberschrift, sondern auch die Vorgehensweise von Schedelin beim Exzerpieren. Er bewegt sich zunächst linear, entlang der von der Vorlage vorgegebenen Kapitelfolge, später greift er jedoch anscheinend wahl- Die Genese der Autorsignatur 331 85 Vgl. V ölker (1967), S. 36-48. 86 Dabei handelt es sich um einen Tatbestand, der auf die gesamte Exzerptüberlieferung des ›Fließenden Lichts‹ (inklusive Mo, s. dazu G anina / S quires 2010) zutrifft, stellt doch die Einsiedler Handschrift den «sterile[n] Seitentrieb einer reicher entwickelten Überlieferung» dar, so N eumann (1954a), S. 217. Vgl. auch V ölker (1967), S. 48. 87 Dies zeigt der Vergleich mit E, vgl. N eumann (1993), S. 198-200. Das ist der Grund, warum die rotgestrichelten Großbuchstaben auch in meiner Transkription (S. 403f. weiter unten) markiert werden. 88 Querverweise auf thematisch verwandte Stellen werden jedoch übergangen. Diese müssen in der Vorlage enthalten gewesen sein, denn sie scheinen die Textauswahl beeinflusst zu haben (dazu weiter unten). 89 V ölker (1967), S. 32. los auf verschiedene Kapitel des VII. Buches zurück, dem dann Kapitel aus den vorangehenden Büchern nachgereiht werden. Zwar scheint das auf diese Weise zustande gekommene Textkonvolut keinen übergeordneten Auswahlprinzipien zu gehorchen, innerhalb der Kapitelabfolge lassen sich jedoch thematische Blöcke ausdifferenzieren. So setzt das Exzerpt mit zwei Fegefeuervisionen (FL III.15 und 17) ein, die das Leiden im Jenseits thematisieren. Darauf folgt eine kurze Belehrung über den Nutzen der unverschuldeten Versuchung auf Erden (FL III.18). Den Block schließt ein ‹Trostkapitel› (FL III.22) ab, in welchem versichert wird, Gottes Barmherzigkeit sei größer als seine Gerechtigkeit. Die sündige Menschheit darf also darauf hoffen, dass die Zahl derer, die in der Stunde ihres Todes erlöst werden, größer sein wird als diejenige der Verdammten: Jch sage dir bi miner g o ttelichen trvwe dz der me ist in der heiligen cristenheit die von dem mvnde ze himelriche varent Denne der si die z q der ewigen helle varent (fol. 87 r , entspricht FL III.22: 216,7f.). Der nächste thematisch zusammenhängende Textblock (FL IV.20-23, IV.25 und 26) hebt sehr stark auf die Vorzüge des Dominikanerordens und das exemplarische Leben einzelner seiner Vertreter ab. Hierauf folgen drei umfangreiche Kapitel mit Endzeitvisionen (FL IV.27, VI.15 und 21), die den Kampf der ‹letzten Brüder› - diese werden nach dem Bild der Dominikaner beschrieben - und der letzten Propheten gegen den Antichrist schildern. In diesem Teil der Handschrift verlässt Schedelin die von seiner Vorlage vorgegebene Reihenfolge der Bücher und Kapitel zum ersten Mal. Anlass für die Abweichung dürfte ein Querverweis in der Vorlage gewesen sein, vergleichbar etwa dem in der Einsiedler Handschrift: Am Ende von FL IV.27 findet man im Einsiedler Exemplar des ›Fließenden Lichts‹ den Verweis: S v ch hie von me VI. vel [recte libro] XV. 90 Tatsächlich folgt im Colmarer Exzerpt auf FL IV.27 das Kapitel FL VI.15. Dass Schedelin auch FL VI.21 in den Endzeit-zentrierten Block aufgenommen hat, liegt wohl daran, dass in der Überschrift von den lesten [br x dern] 91 die Rede ist. Auf den textkonstituierenden Effekt von Querverweisen dürfte auch die Reihung FL III.15/ 17 am Anfang von C zurückgehen. 92 Im weiteren Verlauf kommen thematisch zusammenhängende Textpartien weniger häufig vor. Abgesehen von drei aufeinander folgenden Kapiteln (FL V.8.14.15), die sich auf die Geistlichkeit konzentrieren, und einigen Textabschnitten, an denen ein biographisches Interesse Schedelins an swester mehthilt abzulesen ist (FL V.32, V.35, VI.6 und II.20), kommen immer wieder Visionsberichte vor, die vorzugsweise über das Schicksal von Verstorbenen im Jenseits (meist im Fegefeuer) berichten und die sich wie ein roter Faden durch das Exzerpt hindurchziehen. Im letzten Viertel tauchen gehäuft Texte auf, die das 332 Vom Ich zum Autor 90 Vgl. N eumann (1993), S. 225, Glosse zu IV.27,168f. (entspricht FL IV.27: 310,18f.). 91 Im Gegenteil zum Register (fol. 1 v ) ist br x dern in der Kapitelüberschrift (fol. 98 r ) ausgefallen. 92 Vgl. N eumann (1993), S. 221, Glosse zu III.15,1 (entspricht FL III.15: 192,28). Zur textkonstituierenden Wirkung von Stellenverweisen s. auch Kap. II.1.2. Problemfeld teuflische Versuchung, Sünde und ihre Folgen bzw. den Weg der Seele zurück zu Gott thematisieren. 93 Konstitutiv für die von Schedelin getroffene Textauswahl scheint das Bild Mechthilds als einer Visionärin bzw. Empfängerin von göttlichen Offenbarungen zu sein. Unübersehbar ist diese Profilierung schon im Auftaktkapitel des Exzerptes, in welchem die mit Mechthild identifizierte Textfigur verkündet: jch m q s mich selber melden sol ich gottes g x te werlichen m o gen vollebringen (fol. 84 r , entspricht FL III.15: 194,10f. [III.15,14f.]). Komplementär zu der Visionärinnenrolle erscheint ‹Schwester Mechthild› in der Fürsprecherrolle, denn immer wieder interveniert sie erfolgreich für die im Fegefeuer leidenden Seelen, was mit der ihr zugeschriebenen Heiligkeit durchaus im Einklang steht. Schedelin interessiert sich also für die Visionärin, die von Gott selbst inspiriert aus dieser besonderen Gottesnähe heraus Fürbitte für Andere ablegt und geistliche Ratschläge hinterlässt. Ausgeblendet bleibt dagegen der Aspekt des Schreibens, zumindest spielt dieses Thema bei dem von C evozierten Autorbild nicht dieselbe zentrale Rolle wie in der Handschrift E. Das von Schedelin gezeichnete Bild von Mechthild kommt uns nicht unvertraut vor, denn es findet sich auch in dem dem deutschen Text vorangestellten lateinisch-deutschen Prolog. Bedenkt man, dass die Vorlage von C eine dem Einsidlensis ähnliche Handschrift war, so ist vorstellbar, dass sich Schedelin bei der Ausformulierung seines Mechthild-Bildes von den Angaben des Prologs leiten ließ. 94 So ist im Prolog von einer virgo sancta corpore et spiritu und ihrem Buch (liber) die Rede, welch letzteres als per gratiam a domino inspiratus vorgestellt wird. Dem entspricht bei Schedelin die Apostrophierung Mechthilds als Heilige - den Namen Mechthild wird Schedelin dem Text entnommen haben (s. dazu oben) - und ihre Präsentation als eine gottinspirierte Visionärin. Auch die starke Präsenz von Kapiteln in C, die von Dominikanern bzw. dem Dominikanerorden handeln, könnte ihren Grund in jenem Hinweis des Prologs haben, wonach die genannte virgo 40 Jahre lang Gott gedient hätte sequens perfecte vestigia fratrum ordinis predicatorum. Um diese Nähe zu verdeutlichen, scheint Schedelin seine Vorlage auf Kapitel hin durchforstet zu haben, die einen Bezug zu den Dominikanern aufweisen. Den zitierten Vorbericht vor Augen führend verwundert es daher wenig, gleich im ersten der exzerpierten Dominikus-Kapitel auf folgende Aussage zu stößen: Jn sante dominicvs tage bat jch vnseren herren f r r der brediger orden gemeine do ger p chete des vnser <liber> 95 herre dz er selber z q mir kam vnd brohte sant dominicvm den jch Die Genese der Autorsignatur 333 93 Zur thematischen Kohärenz von C im Kontext der Mitüberlieferung s. auch P oor (2004), S. 123-127 (zu ihrem Verständnis der Handschrift als Ganzes s. Anm. 96 weiter unten). 94 Demnach kann der lateinische Prolog nicht erst in E eingefügt worden sein. Tatsächlich fand er sich auch in der verschollenen Erfurter Handschrift (s. S. 330, Anm. 84), wie der Angabe begine zu entnehmen ist. Zur Datierung des Prologs s. auch S. 143ff. oben. 95 Von jüngerer Hand (so N eumann 1990, App. zu IV.20,3) über der Zeile geschrieben. minnete r ber alle heiligen (fol. 87 v , entspricht FL IV.20: 286,5-8 [IV.20,2-4]). Und schließlich dürfte es auch kein Zufall sein, wenn wir aus dem Mund der mit sant mehthilden identifizierten Textfigur gleich zu Beginn der Textauswahl Folgendes vernehmen: Die vil torehten beginen wie sint ir also frefel dz ir vor vnserem almehtigem richtere n r t bibenent wenne ir gottes lichamen so dicke mit einer blinden gewonheit nement Nv ich bin die minneste vnder r ch Jch m q s mich schemen hiczen vnd biben (fol. 84 r , entspricht FL III.15: 192,31-35 [III.15,4-7]). Als begina wird die oben genannte virgo sancta auch im Prolog vorgestellt. Der Prologverfasser wird sich dabei, wie Schedelin, auf FL III.15 gestützt haben (s. dazu S. 322f. oben). Allem Anschein nach ist das von Schedelin gezeichnete Autorbild nicht unabhängig vom Prolog des ›Fließenden Lichts‹ entstanden. Nicht durch den Prolog verbürgt ist dagegen die Kenntnis des Namens Mechthild. Auch die Nobilitierung der Protagonistin der Colmarer Exzerpte zu einer Heiligen (sant mehtehilt) geht über die Angaben des Prologs deutlich hinaus. Damit wird jedoch Mechthild jenen beiden, auch offiziell als heilig geltenden Personen gleichgestellt, mit deren Legenden die Handschrift schließt: Christophorus und Alexius. Es ist jedoch nicht nur die Heiligkeit, die diese drei Figuren auszeichnet und miteinander verbindet, sondern auch ihre Zugehörigkeit zum Stand der Laien. Dies ist insofern bemerkenswert, als auch derjenige, der diese Texte auswählte und für seinen persönlichen Gebrauch abschrieb, ein Laie war. 96 Die Colmarer Handschrift sticht aus der Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ dadurch hervor, dass sie eine Signatur trägt. Allerdings fragt man sich, ob Schedelin an die uns heute als Mechthild von Magdeburg bekannte Visionärin dachte, als er die von ihm exzerpierten Texte sant mehtehilt zuschrieb, oder ob er Mechthild mit ihrer weitaus bekannteren Helftaer Mitschwester, Mechthild von Hackeborn, verwechselte. 97 Diese Frage drängt sich umso mehr auf, als die Apostrophe ‹heilig› in der Regel fester Bestandteil in der Signatur der lateinischen und volkssprachlichen (niederländischen und deutschen) Handschriften des ›Liber specialis gratiae‹ ist. 98 Daher gilt es: «If only one Mechthild were to be remembered, it was more likely to be Mechthild of Hacke- 334 Vom Ich zum Autor 96 Anders P oor (2004), S. 127-129: Sie sieht in dem angeblich observanten Charakter der Textauswahl (für P oor ist der Schreiber von C ein Dominikaner) den Grund dafür, dass die Legenden des Christophorus und Alexius in die Handschrift aufgenommen worden sind. 97 So auch V ölker (1967), S. 60, Anm. 3. 98 Über die Art der Signierung in der Überlieferung des ›Liber‹ gibt die von Z ieger (1974), S. 11-70, erstellte (keineswegs vollständige) Handschriftenliste Auskunft. Vgl. auch Namur, Musée Provincial des Arts anciens Namurois, Fonds de la Ville, Cod. 103, fol. 108 r -239 v (Incipit liber spiritualis gratie seu revelationes mechtildi … Explicit liber spiritualis gratie … beate mechteldis … revelatus) und Cod. 160, fol. 114 r -125 r (Incipiunt aliqua excerpta ex Revelationibus beate macthildis virginis), dazu F aider (1934), S. 184f. und 231f. (Online: http: / / www.cicweb.be/ fr/ manuscrit.php? id=237). Hinzuweisen wäre auch auf Parkminster, St. Hugh’s Charterhouse, Cod. dd 21 (C 104), dazu H ogg (2004), S. 46f. born.» 99 Einer Reihe von Rezeptionszeugnissen ist zu entnehmen, dass wir mit der Möglichkeit der Verwechslung in der Tat rechnen müssen. Diese werden im Folgenden aus zwei Gründen genannt: Erstens legen sie Zeugnis davon ab, dass das ›Fließende Licht‹, genauer seine lateinische Übersetzung, im Spätmittelalter um einiges bekannter und verbreiteter war als bislang angenommen, und zweitens zeigt sich hier, im lateinischen Überlieferungszweig, eine bislang ungeahnte hohe Frequenz und Kontinuität, was die Setzung des Autornamens betrifft. Vor der Verwechslung zweier Visionärinnen mit dem Namen Mechthild warnt Jakob Volradi, der literaturhistorisch überaus versierte Bibliothekar der Kartause Erfurt, nachdrücklich, wenn er im ›Registrum librarie fratrum Carthusiensium apud Erffordiam‹ zu bedenken gibt: et nota, quod diverse fuerunt persone Mechildis et Mechtildis, ut claret ex principiis et finibus librorum ambarum virginum, ubi inventur diversitas vite earum et conscriptorum, sunt autem hee revelaciones hic abbreviate. Liber eiusdem b. Mechtildis, qui appellatur Lux divinitatis fluens semper in corda veritatis, et habet 27 capitula et ponitur in principio libri. 100 Eine vergleichbare Notiz, die von einem der im Katalog bezeugten Hände des späten 15. Jahrhunderts herrührt - er hat auch die Mechthild-Exzerpte in We3 besorgt (s. u.) -, findet sich in einer aus der Erfurter Kartause stammenden Handschrift des ›Liber‹ Mechthilds von Hackeborn. Sie lautet: De hac sanctissima virgine et sorore eius [sc. der Mechthild von Hackeborn] abbatissa gertrude multa habentur in memoriali habundancie suauitatis divine sanctissime virginis trute videlicet in libro quinto eiusdem perlongum que in eodem monasterio fuit Ibidem eciam fuit mechtildis altera [sc. Mechthild von Magdeburg, s. S. 230f. oben] ab hac eciam virgine sanctissima sicut habetur videlicet in prologo reuelacionum eiusdem virginis (Eisleben, Stiftung Luthergedenkstätten/ Luthers Geburtshaus, Cod. H 546, fol. 68 r ). Auch hier dokumentiert sich das Wissen um die Existenz zweier Visionärinnen, die nicht nur den gleichen Namen tragen, sondern auch aus demselben Kloster kommen. An einer anderen Stelle der Handschrift werden sogar die unterschiedlichen Schreibweisen für den Namen Mechthild reflektiert. Stein des Anstoßes ist die von der einst Erfurter, heute Eislebener Handschrift abweichende Namensform mechtildis in jenem Exemplar des ›Liber‹, das den Erfurter Kartäusern als Vorlage diente, um die in ihrem Besitz befindliche Abschrift zu korrigieren. 101 Es wird moniert, eadem [sic! ] liber habet mechtildis Et hic iste Die Genese der Autorsignatur 335 99 P oor (2004), S. 183. 100 L ehmann (1928), S. 432,25-30. 101 Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um die Handschrift Wolfenbüttel, HAB, Cod. Guelf. 1003 Helmst. aus dem benachbarten Benediktinerkloster, s. dazu im Einzelnen S. 226ff. oben. Es ist bemerkenswert, dass auch We1, eine andere Exzerpthandschrift der ›Lux divinitatis‹, die von der Hand eines Erfurter Benediktiners herrührt, die in der Kartause für Mechthild von Hackeborn reservierte Schreibweise mechildis benutzt. Mehr noch: Mechthild wird sogar für eine Klosterjungfrau gehalten, vgl. Oracio beate mechildis monialis virginis (fol. 107 v , Überschrift). liber in titulo habet mechildis (fol. 73 v ). Die Irritation kommt daher, dass Volradi wie sein unbekannter Katalog-Mitarbeiter, der Schreiber von We3 und der oben zitierten literaturgeschichtlichen Notiz in der Eislebener Handschrift, die Namensform mechtildis für die uns heute als Mechthild von Magdeburg bekannte Visionärin, mechildis dagegen für Mechthild von Hackeborn reservieren. Tatsächlich schreibt Volradi mechildis, wenn er eine Handschrift des ›Liber specialis gratiae‹ in seinem Katalog verzeichnet. Nur an einer Stelle scheint Volradi der von ihm selbst angemahnten Verwechslung zum Opfer gefallen zu sein. Ich denke an die unter der Signatur J 2 primo genannte und bislang weitgehend übersehene mystische Sammelhandschrift, die unter anderem ein Registrum in librum spiritualis gratie s. Mechildis virginis cum oracionibus devotis eiusdem libri enthielt, gefolgt vom Registrum in librum eiusdem [sic! ], qui dicitur Lux divinitatis. 102 Hier werden zwei unterschiedliche Texte unter ein und demselben Namen subsumiert, und zwar unter dem von Mechthild von Hackeborn. Die von Volradi für Mechthild von Hackeborn reservierte Namensform mechildis wird in Erfurt auch in einem weiteren Fall mit dem Text der Namensschwester in Verbindung gebracht. So heißt es in der aus der dortigen Kartause stammenden und höchstwahrscheinlich auch dort entstandenen Exzerpthandschrift Vä: Hec capta sunt ex libro dicto lux divinitatis beate Mechilde (fol. 219 r ). Dass sich ein einheitlicher Umgang mit der Schreibweise mechtildis/ mechildis trotz der Bemühungen Volradis und seines Katalog- Mitarbeiters in Erfurt offenbar nicht durchsetzen konnte, zeigt auch eine Marginalie in Weimar, HAAB, Oct 64, fol. 77 v , in der auf LD VI.7,9/ Rev. Bd. II.2, S. 624,22f. Bezug genommen wird: S. Mechildis . christus perto m (? ) S. mechtildis purgatorium . dedit mille animas ei et 1000 liberabat. 103 Nicht jeder im Spätmittelalter verfügte über die Expertise des Jakob Volradi bzw. seines Mitarbeiters, wenn es darum ging, zwei Visionärinnen mit dem gleichen Namen voneinander zu unterscheiden. Dies zeigt sich besonders deutlich am ›Repertorium universale veteris ac nove Librarie Carthusiensium minoris Basilee‹ des Basler Kartäusers Urbanus Moser (s. dazu S. 109f. oben): Die Rubrik Opera Mechtildis virginis (Bl. 208 v ) umfasst sowohl Auszüge und Vollhandschriften des ›Liber specialis gratiae‹ Mechthilds von Hackeborn als auch Textzeugen der ›Lux divinitatis‹ Mechthilds von Magdeburg. Nicht eindeutig zu interpretieren, ist dagegen das Zeugnis des Johannes Meyer und der alemannischen Rückübersetzung (Rw). Hier wie dort figuriert eine soror Mechtildis de monasterio Helpede 104 bzw. eine heilige frawe Mechtild von Helpede. 105 Selbst wenn der Hinweis auf Mechthilds monialen Stand und auf 336 Vom Ich zum Autor 102 L ehmann (1928), S. 431,4-6. 103 Der Hinweis des Johannes Hagen, eines weiteren Erfurter Kartäusers, auf die von ihm angefertigten Exzerpte aus den Offenbarungen der S. Mechthildis abbatisse ist ohne Aussagewert und bleibt hier auch unberücksichtigt, s. dazu S. 394f. weiter unten Nr. VIII. 104 L oë (1918), S. 27, Nr. 25. 105 S enne (2002), S. 95. ihr Heimatkloster aus dem Prolog der ›Lux divinitatis‹ abgeleitet sein sollte, 106 bleibt im Grunde unklar, ob Johannes Meyer bzw. der Verfasser der Prologüberschrift von Rw nicht doch an die andere Mechthild gedacht haben. Dass man mit dieser Möglichkeit rechnen muss, zeigt die im Jahre 1487 fertiggestellte Albertus-Vita des Petrus de Prussia. Sie ist, wie in Kap. II.1.1 (S. 112) gezeigt, in ihren Ausführungen zu Heinrich von Halle dem ›Liber‹ des Johannes Meyer verpflichtet. Allerdings ist es hier nicht mehr die ›Lux divinitatis‹, die Heinrich geschrieben haben soll, sondern der Liber spiritualis gratiae: Das sind die reuelationes & visiones factas cuidam sanctae virgini, nomine Machtildis de Helpede, Ordinis Cisterciensis. 107 Nicht nur bei Johannes Meyer und bei Rw fragt man sich, an welche der beiden Mechthilden gedacht wurde. Die gleiche Frage stellt sich sowohl bei We1 (vgl. S. 335, Anm. 101) als auch in Bezug auf jene selige gnedenrich mechthild, die in einem Gebet des reich illustrierten Gebetbuches der Straßburger Reuerin Ursula Begerin (Bern, BB, Cod. 801) als myn getruwe helfferin angerufen, als Mitglied einer heilig jungfrowlich versamelunge bezeichnet (fol. 173 v ) und sogar mit einem eigenen (allerdings nicht signierten) Andachtsbild bedacht wird (den Hinweis auf die Handschrift verdanke ich Nigel F. Palmer/ Oxford). R egina C ermann zufolge handelt es sich um Mechthild von Hackeborn. 108 Das ist denkbar, doch wäre auch eine andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Demnach könnte die Figur der ‹seligen Mechthild› im Begerin-Gebet auch auf der Kenntnis der ›Lux divinitatis‹ beruhen. Dass man zwischen Visionärinnen, die denselben Namen trugen, aber mit unterschiedlichen Texten ausgestattet waren, nicht unterschieden hat, weil man dazu nicht mehr im Stande war, zeigt gerade der oben zitierte Katalogeintrag des Urbanus Moser, in dem zwei unterschiedliche Offenbarungsschriften (der ›Liber specialis gratiae‹ und die ›Lux divinitis‹) unter einem einzigen Namen, höchstwahrscheinlich dem von Mechthild von Hackeborn, subsumiert werden. Die Voraussetzungen für einen solchen Namenskonflikt sind zu dem Zeitpunkt, als das Begerin-Gebet entstand (um 1475-1480), und in dem Orden (dem der Kartäuser) 109 , aus dem der Redaktor der Gebetstexte entstammt sein kann, gegeben. 110 So lässt sich bei den Kartäusern und speziell in der Basler Kartause im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts ein reges Interesse daran erkennen, die ›Lux divinitis‹ zu exzerpieren (vgl. Ra, We3, Vä, Be und ferner die Marginalie in Weimar, HAAB, Oct 64 fol. 77 v , dazu S. 336 oben) und sie für die Gebetspraxis des eigenen Ordens (vgl. Ba, Br und We2), ja sogar darüber Die Genese der Autorsignatur 337 106 Vgl. LD Prol. 1,33f. (Rev. Bd. II.2, S. 436,30-31): Tandem post multas tribulaciones in senectute uita sanctimonialium in helpede assumpta etc. 107 Ähnlich äußern sich auch J acques Q uetif und J acques E chard in ihrem 1719 erschienenen Werk ‹Scriptores ordinis praedicatorum›, vgl. S. 113 oben. 108 C ermann (2002), S. 109. 109 Vgl. C ermann ebd., S. 116-118 bzw. die in Vorbereitung befindliche kommentierte Ausgabe der Handschrift durch J effrey H amburger und N igel F. P almer . 110 Ausgehend von der Identifikation der selige gnedenrich mechthild mit Mechthild von Hackeborn vermutet C ermann ebd., S. 116 auch dominikanischen Einfluss. Diese Annahme gründet auf der weit verbreiteten und korrekturbedürftigen Meinung, die Dominikaner allein wären für die geistliche Betreuung von Helfta bzw. für die Verbreitung der hier entstandenen Schriften zuständig gewesen, s. dazu S. 215 oben. hinaus (vgl. Au und We1), fruchtbar zu machen (zu den einzelnen Handschriften s. S. 106ff. oben). Zudem avancierte Mechthild von Magdeburg zu dieser Zeit in den kartäusischen Quellen (wohl infolge des genannten Namenskonflikts) bereits zu einer virgo beata/ sancta (s. dazu weiter unten). Auch wusste man, dass sie Klosterfrau war (vgl. etwa das Zeugnis von Rw, einer Handschrift wohlgemerkt, die die vielleicht in der Basler Kartause entstandene alemannische Rückübersetzung überliefert). Vor diesem Hintergrund scheint nicht ausgeschlossen, dass der Verfasser des Begerin- Gebets zur ‹seligen Mechthild› an Mechthild von Hackeborn dachte, seine Kenntnis über Mechthild jedoch nicht dem ›Liber specialis gratiae‹, sondern der ›Lux divinitis‹ verdankte. Ein von der Mechthild-Forschung bislang übersehenes sekundäres Rezeptionszeugnis, das von vergleichbar profunden literaturhistorischen Kenntnissen zeugt wie das ›Registrum‹ des Jakob Volradi, ist der ›Catalogus testium veritatis‹ des Matthias Flacius Illyricus (1520-1575). 111 Wir haben es hier mit einer Sammlung von testes zu tun, die dazu bestimmt ist, den in allen Jahrhunderten der Kirche präsenten Geist der (lutherischen) Reformation zu bezeugen. 112 Entsprechend liegt der Sammlungsschwerpunkt auf solchen Wahrheitszeugen, die (oft in sehr allgemeiner Form) Kritik an der katholischen Kirche oder einzelnen ihrer Vertreter (allen voran den Papst) üben. Das Werk liegt in zwei Ausgaben vor, wovon die eine im Jahre 1556 in Basel, 113 und die andere, erweiterte Ausgabe 1562 in Straßburg erschienen ist. 114 Zudem gibt es eine 1573 bei J. Schmidt in Frankfurt am Main gedruckte deutsche Übersetzung. 115 Der uns interessierende Eintrag findet sich in unverändertem Wortlaut in beiden lateinischen Ausgaben des ›Catalogus‹, und zwar im Basler Druck von 1556 auf pag. 936, in jenem von Straßburg auf pag. 541. Überschrieben ist der Abschnitt mit Mechtildis prophetia (ich zitiere nach der Basler Ausgabe). Gleich in der ersten Zeile kommt Flacius auf seine (unbekannte) Quelle zu sprechen: Inter alias prophetias iam olim rhythmis scriptas, edita est etiam cuiusdam sanctae mulieris nomine Mechtildis prophetia. Darauf folgt eine paraphrasierende Wiedergabe von LD Prol. 7,1f. (Rev. Bd. II.2, S. 444f.). Auch auf LD III.5 (Rev. Bd. II.2, S. 523f.) und LD III.13-14 (Rev. Bd. II.2, S. 531-535) wird Be- 338 Vom Ich zum Autor 111 Vgl. den Hinweis bei C. B. M. F rank (1990), S. 183 (die Stellenangaben sind zu korrigieren). 112 Zum ›Catalogus‹ s. H aye (1992), H artmann (2001), S. 141-145 und (2003) sowie S chmidt - B iggemann (2004). 113 Titel: ›Catalogus testium Veritatis, Qui ante nostram aetatem reclamarunt Papae‹. Online abrufbar über http: / / www.uni-mannheim.de/ mateo/ camenahist/ autoren/ flacius_hist.html. 114 Titel: ›Catalogus testium veritatis qui ante nostram aetatem Romanae pontifici eiusque erroribus reclamarunt‹ 115 Titel: ›Catalogus testium veritatis. Historia der Zeugen, Bekenner und Märterer, so Christum und die evangelische Warheit biss hieher, auch etwa mitten im Reich der Finsternus warhafftig erkennet... und dem bäpstlichen vermeinten Primat... erstlich widersprochen... Auss dem Latein M. Flachs in unsere gemeine teutsche Sprach gebracht... durch Conradum Lautenbach‹ zug genommen. 116 Abschließend äußert sich Flacius zur Person Mechthilds: Quando autem ea mulier uixerit, non est adscriptum: illud certe apparet, eam acu [? ], quod aiunt, rem tetigisse. opinor hanc ab ea, cuius superius mentionem feci, diuersam esse. Jene andere Mechthild, von der hier die Rede ist, ist Mechthild von Hackeborn. Von ihr handelte Flacius einige Seiten zuvor (pag. 921-923 der Basler, pag. 529-531 der Straßburger Ausgabe): Sie wird als B. Mechthildis uirginis vorgestellt, wobei Flacius auf den Pariser Druck ihrer Schriften hinweist 117 und mitteilt, dass Mechthild ante 200 annos floruit. Der ›Catalogus‹-Eintrag des Flacius über Mechtildis prophetia diente als Vorlage für eine Notiz über S. Mechtildis Eine heilige Jungfraw, die in die unter dem Pseudonym Johann Frawenlob laufende Schrift ›Die lobwürdige Gesellschafft der gelehrten Weiber‹ (1631, ohne Angabe zum Erscheinungsort) Eingang gefunden hat. 118 Dies erkennt man nicht nur an der Angabe, Mechthild hätte unter andern eine Prophecey hinder jhr verlassen (welche sampt andern Reymen gedruckt ist), 119 sondern auch an der wortgetreuen Übersetzung der nachfolgenden Ausführungen von Flacius zum Inhalt der mechthildischen Die Genese der Autorsignatur 339 116 Zu den Zusammenhängen, in denen Flacius auf Mechtildis prophetia zu sprechen kommt, s. C. B. M. F rank (1990), S. 130f. und 183 sowie ferner P reger (1861), S. 463- 468. 117 Gemeint ist der ›Liber trium virorum et trium spiritualium virginum‹ des Jacobus Faber Stapulensis (Erstdruck: Paris 1513), der außer dem ›Liber specialis gratiae‹ den ›Liber Scivias‹ Hildegards von Bingen und eine Sammlung der Schriften von Elisabeth von Schönau enthält, s. dazu R ice (1971), S. 112-115. Die Prophezeiungen Mechthilds waren Flacius nach eigenen Angaben auch aus einer alten Exzerpthandschrift bekannt: Summarium uero quoddam eius prophetiarum manuscriptum in ueteri codice uidi, a minorita quopiam (ut erat adscriptum) excerptum (pag. 922). Die Referenz kann nicht aufgelöst werden. Jedenfalls handelt es sich nicht um das einzig vollständige, heute in Wolfenbüttel aufbewahrte Exemplar des ›Liber‹ (HAB, Cod. Guelf 1003 Helmst.), obwohl es sich nach dem Besitzervermerk auf fol. 1 r beurteilt Teil der flacianischen Bibliothek war, s. dazu S. 229 oben. 118 Abgedruckt bei G össmann (1985), S. 46-83, hier S. 74f. Die zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage (München: Iudicium-Verlag 2000) bietet auch Abbildungen, die jetzt auch über http: / / www.literature.at/ webinterface/ library/ ALO-BOOK_V01? objid=21610 abrufbar sind (zu Mechthild s. S. 24f.). Die Mechthild-Forschung hat M. S chmidt (1986b), S. 82, Anm. 34 auf dieses neue Rezeptionszeugnis des ›Fließenden Lichts‹ aufmerksam gemacht. 119 Der Hinweis von Frawenlob auf einen Druck der mechthildischen Prophetien hat die Forschung - mich eingeschlossen, s. N emes (2008b), S. 357, Anm. 15 - zu Spekulationen veranlasst, ob hier ein Druck der oberdeutschen oder der lateinischen Fassung oder gar, wie von N eumann angenommen (s. die von M. S chmidt 1986b, S. 82, Anm. 34 referierte schriftliche Mitteilung N eumann s an sie), einer Rückübersetzung der ›Lux divinitatis‹ gemeint ist. S enne (2004), S. 142, Anm. 8, zufolge kann diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden. Vorsicht ist in der Tat angebracht, denn man fragt sich, ob es berechtigt ist, das von Flacius gebrauchte Verb edire in einem so engen Sinn zu übersetzen, wie es Frawenlob tut. Vgl. in diesem Zusammenhang Ra fol. 99 r : Incipiunt capitula in librum qui dicitur lux divinitatis editus a quadam sancta puella virgine Mechtildis nomine per diuinam graciam inspiratam sed per fratrem heinricum collectus est. Prophetien. Anders als bei Flacius stellt sich bei Frawenlob jedoch die Frage, ob er sich der Tatsache bewusst war, dass es zwei ‹Prophetinnen› namens Mechthild gab. Es fällt nämlich auf, dass Frawenlob ausgerechnet jenen ›Catalogus‹-Eintrag übergeht, der von Mechthild von Hackeborn handelt. Dies ist umso auffälliger, als Frawenlob sonst alle von Flacius genannten prophetisch begabten Frauen (Birgitta von Schweden, Elisabeth von Schönau, Hildegard von Bingen, Katharina von Siena) samt ihren Aussprachen und Kurzbiographien verzeichnet. Dafür, dass die beiden Mechthild bei Frawenlob in eine Personalunion eingegangen sind, spricht auch die Tatsache, dass er den Hinweis von Flacius, es habe eine andere Mechthild gegeben (s. Zitat oben), übergeht. Selbst wenn bei Flacius bzw. Frawenlob offen bleiben muss, ob sie auf den deutschen oder lateinischen Text Bezug nehmen, zeigen alle anderen sekundären Rezeptionszeugnisse, dass die Setzung des Autornamens vorzugsweise im Zusammenhang mit der lateinischen Übersetzung erfolgt. Dies findet seine Bestätigung in den erhaltenen Handschriften der ›Lux divinitatis‹. Von der Divergenz, die zwischen dem deutschen und dem lateinischen Überlieferungszweig in Bezug auf die Häufigkeit der Nennung des Autornamens in den Überschriften sowie an unterschiedlichen Stellen des Textes besteht, war bereits die Rede. Unerwähnt geblieben ist bislang die Tatsache, dass es auch zwischen den einzelnen Textzeugen der ›Lux divinitatis‹ Unterschiede gibt, was die Setzung des Autornamens betrifft. So ist die Namensangabe in der Überschrift von LG II.20 (Von dem standt der kilche der do hubsch vnd wunderbarlich ward anzeigt Sancte Mechthildj) ohne Parallele in den übrigen Handschriften des lateinischen (und deutschen) Textes. 120 Auch sonst neigt Rw dazu, deutlich zu machen, um wessen Buch bzw. wessen Offenbarungen es sich eigentlich handelt. 121 Desgleichen haben wir in Ra eine Kapitelüberschrift, in welcher der Name eigenständig eingefügt wurde: Hier trägt LD VI.21 (Rev. Bd. II.2, S. 640) die Überschrift Sequitur graciarum accio sancte virginis mechtildis (fol. 194 r ), während Rb, die Vorlage von Ra, an der gleichen Stelle nur eine Verweisung auf das entsprechende Kapitel des deutschen Textes enthält. 122 Als ‹heilige Jungfrau› wird Mechthild auch in der dem Text vorangestellten Überschrift tituliert: Incipiunt capitula in librum qui dicitur lux divinitatis editus a quadam sancta puella virgine Mechtildis nomine per diuinam graciam inspiratam sed per fratrem heinricum collectus est (Ra fol. 99 r ). 340 Vom Ich zum Autor 120 Die entsprechende Überschrift lautet in Rb und Ra (hier zeilenversetzt): De statu sancte ecclesie pulchre et mirabiliter demonstrato (LD II.22/ Rev. Bd. II.2, S. 500, es handelt sich um FL IV.3). 121 Ich denke nicht nur an die Corpusüberschrift Nun volgt hiernach ein vorred des geistlichen vatters henrici Ruppinensis leszmeisters in das buch so genant ist das liecht der gotheit welches von christo ist geoffenbart worden der heiligen frawen Mechtildi von Helpede, sondern auch an die Formel, mit der einzelne Bücher angekündigt werden, vgl. Hie fahet an das erst buch der offenbarung der heilige Mechtildis bzw. Hie anfacht das funfft buch mechtildis. 122 Rw hat Ein gebett (LG VI.21). Die in der Kartause Basel im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts entstandene umfangreiche Exzerpthandschrift Ra ist insofern von Bedeutung, als sie zum Ausgangspunkt weiterer Auszüge wurde, die in die Gebetbücher der Basler Kartause eingegangen sind. So bilden die Kapitel LD VI.17,48-91 (Rev. Bd. II.2, S. 635,3u-S. 637) und LD III.1,25-31 (Rev. Bd. II.2, S. 520,14-23) der Handschrift Ra den Grundbestand von Ba. Beide Textstücke tragen eine Überschrift und nennen den Namen Mechthild, und dies sogar über Ra hinausgehend, vgl. Oracio beate mechtildis virginis (fol. 272 r ) 123 bzw. Sequentem oracionem iussit dominus cotidie dicere quemdam venerabilem decanum magdeburgensis prostrato corpore prout in revelacionibus sancte mechtildis virginis habetur Cap. 50 Oracio (fol. 274 r ). 124 Nicht mehr zum Grundbestand gehört das oben genannte, in Ra mit Sequitur graciarum accio sancte virginis mechtildis (fol. 194 r ) überschriebene Gebet LD VI.21, denn es wurde auf den unteren Rand von fol. 272 r nachgetragen. Die Überschrift lautet hier: Graciarum actio beate mechtildis ad sanctam trinitatem. Die beiden zum Grundbestand von Ba gehörenden Textstücke sind auch in Br enthalten. Hier trägt der zweite Gebetstext eine etwas kürzere Überschrift als in Ba: Sequentem oracionem iussit dominus Mechtildis virginis habetur Capitulo L (fol. 76 v ). Außerdem findet sich in Br, wie auch in Ba, Sondergut. Es handelt sich um einen kurzen Spruch, der um einige Seiten getrennt von den beiden anderen Mechthild-Exzerpten auf fol. 78 v überliefert ist. Eine Überschrift fehlt zwar, doch gibt es eine Quellenangabe: Ex libro qui dicitur lux divinitatis sancte Mechtildis virginis. Wie Ra, Ba und Br sind (bis auf We2) alle anderen Exzerpte aus der ›Lux divinitatis‹, die in letzter Zeit aufgetaucht sind, signiert, vgl. Oracio generalis sororis Mechthildis ora libenter (Au fol. 242 r ), Ex reuelacione cuiusdam Sancte virginis puto Mechtildis (Be fol. 113 v ), Oracio beate mechildis monialis virginis (We1 fol. 107 v ), Jn reuelacionibus sancte mechtildis (We3 fol. 104 v u.ö.), Hec capta sunt ex libro dicto lux divinitatis beate Mechilde (Vä fol. 219 r ) und Weimar, HAAB, Oct 64, fol. 77 v (vgl. S. 336 oben). 125 Es ist diese Setzung des Autornamens, die die lateinische Exzerptüberlieferung von jenen Auszügen unterscheidet, die dem ›Fließenden Licht‹ Die Genese der Autorsignatur 341 123 Ra fol. 151 r bietet Oracio devotissima. In Rb und Rw ist das Kapitel zwar abgesetzt, trägt jedoch keine Überschrift, vgl. LD VI.17,47-90 bzw. LG VI.17,67-127. 124 Ra fol. 132 r bietet De decano magdeburgensi Capitulum quinquagesimum. Die entsprechende Überschrift von Rb lautet: Incipit liber tercius capitulum primum . De decano magdeburgensi . vi a . parte . ij . c (LD III.1). Rw liest: Hie fahet an das dritt buch vom dechen von Madenburg (LG III.1). 125 Ob die von W itter (1746) verzeichneten Straßburger Handschriften der ›Lux divinitatis‹ (s. dazu S.111, Anm. 66 oben) signiert waren, lässt sich nicht mehr feststellen. Ebenso unklar ist, ob mit den unter B 165.4 (W itter ebd., S. 21) verzeichneten Excerpta ex Revelationibus S. Mechtildis Virginis Auszüge aus der ›Lux divinitatis‹ Mechthilds von Magdeburg gemeint sind oder ob es sich um ein weiteres Exemplar des im Spätmittelalter ungemein verbreiteten ›Liber specialis gratiae‹ Mechthilds von Hackeborn handelt. entnommen wurden: Letztere sind mit Ausnahme von C durchweg anonym überliefert. Eine Ausnahme findet sich allerdings auch in der Exzerptüberlieferung der ›Lux divinitatis‹. Ich denke an die Lesefrüchte Dietrichs von Apolda, die in seine Dominikus-Vita Eingang gefunden haben. Wohl markiert Dietrich diese Textpassagen als Zitate, doch verzichtet er darauf, seine Quelle zu nennen. Es heißt lediglich: Ex secretissimis & verissimis revelationibus sumpta sunt, quae sequuntur bzw. Cuidam beatum Dominicum speciali caritate diligenti Dominus multa de meritis ipsius & gloria, & etiam de Ordine Praedicatorum revelavit, quae scripta reliquit; ubi inter alia sic loquitur. 126 Zwar ist es nicht ersichtlich, warum Dietrich es unterlässt, seine Quelle zu identifizieren, 127 aber der letztgenannte Vermerk macht deutlich, dass die ungenannt gebliebene Frau für Dietrich nicht nur Medium, sondern auch Schreiberinstanz ist. Damit liegt Dietrich auf der Linie seiner Vorlage, der ›Lux divinitatis‹, denn auch diese hebt, wie es aus dem folgenden Kapitel hervorgeht, auf die Person Mechthilds als begnadete und schreibende Frau ab und dies sogar in einem weitaus größeren Maße als bisher angenommen. III.3 Biographisierung der Autorrolle in der ›Lux divinitatis‹ Die angeführten primären und sekundären Rezeptionszeugnisse, allen voran diejenigen der lateinischen Übersetzung, lassen ein reges Interesse daran erkennen, den Text mit einem Namen zu verbinden. Dies zeugt von der Relevanz der Autorinstanz in der spätmittelalterlichen Rezeption des ›Fließenden Lichts‹, genauer der ›Lux divinitatis‹. Diese Beobachtung überrascht insofern nicht, als in der lateinischen Übersetzung die Tendenz festzustellen ist, das Geschriebene auf das Agieren und Erleben der Autorfigur hin - sie wird, wie im vorangehenden Kapitel gezeigt, an manchen Stellen des Textes zur soror mehtildis personalisiert - transparent zu machen, und dies sogar in einem Maße, das deutlich über das hinaus geht, was wir von den Briefzitaten des Heinrich von Nördlingen her kennen (s. S. 328 oben). Zur Beschreibung dieses aus der Re- 342 Vom Ich zum Autor 126 Acta Sanctorum Augusti, Bd. 1, Antwerpen 1733 (ND Brüssel 1970), S. 627 (Nr. 383) und S. 604 (Nr. 251). 127 K eul (2004), S. 31 vermutet: «Vielleicht fürchtet er [Dietrich von Apolda], dass sein eigener Text durch die Namensnennung [i.e. von Mechthild von Magdeburg] an Glaubwürdigkeit verlieren würde.» Auch P oor (2004), S. 88f. macht genderbedingte Gründe für die Auslassung des Namens von Mechthild in der Dominikus-Vita verantwortlich. Diesen Positionen ist mit V oigt (2007a), S. 383 jedoch entgegenzuhalten: «Wenn der Erfurter Dominikaner Dietrich von Apolda in seiner Vita des Dominikus, also der offiziellen, von der Ordensleitung in Auftrag gegebenen Heiligenvita des Ordensgründers, Passagen aus dem »Fließenden Licht der Gottheit« übernimmt, dann unterstreicht dies meines Erachtens die äußerst hohe Wertschätzung der Dominikaner Mechthild gegenüber […].» Biographisierung der Autorrolle in der ›Lux divinitatis‹ zeption des Minnesangs des 13. und 14. Jahrhunderts hinlänglich bekannten Phänomens gebrauche ich den von R üdiger S chnell entliehenen Begriff der «Biographisierung der Autorrolle». 128 Erstaunlicherweise ist dieser Umgang der lateinischen Übersetzer mit dem deutschen Text der Forschung bislang weitgehend unbekannt geblieben und dies, obwohl vereinzelt darauf hingewiesen wurde, dass die lateinischen Übersetzer dazu neigten, diejenigen Aussagen, die im deutschen Text in der dritten Person stehen, in die 1. Pers. Sg. zu transponieren. 129 Zudem hat man darauf aufmerksam gemacht, dass Stellen, an denen sich ein Ich über sein persönliches Befinden äußert, durch das Einfügen von Adjektiven bzw. Substantiven in Femininform auf die Verfasserin bezogen werden. 130 Wie wenig Beachtung diese Phänomene bislang gefunden haben, erkennt man etwa daran, wie E lizabeth A ndersen die Einstellung des Übersetzers zu Mechthild mit Blick auf die in der Praefatio der ›Lux divinitatis‹ benutzten Kapitel beschreibt: «By using this material as a preface, he would seem to be suggesting […] that interest in the identity, let alone the individuality, of Mechthild is marginal to the substance of what she has to communicate.» Wenig später heißt es wieder: «In not naming her, he too presents Mechthild as a type of holy person rather than as an individual.» 131 Auch S ara S. P oor ist der Ansicht: «the composer of this prologue summarily ignores the human author Mechthild. In this way, the translator legitimizes the authenticity (as God’s words) of what Mechthild writes while at the same time effacing her particular agency in writing it.» 132 Bezeichnenderweise machen beide Interpreten der ›Lux divinitatis‹ beim Prolog bzw. der Praefatio der lateinischen Übersetzung halt. Eine eingehende Beschäftigung mit der ›Lux divinitatis‹ als Ganzer findet nicht statt. Das vermisst man bei A ndersen umso mehr, als es ihr um ein Thema, «The voices of Mechthild of Magdeburg», 133 geht, zu dem die lateinische Übersetzung Substanzielles hätte beitragen können. 134 Deshalb soll ergänzend zu A ndersen im Folgenden von der vertexteten Stimme Mechthilds (verstanden als ‹Funktion Autor›) in der ›Lux divinitatis‹ die Rede sein, einer ‹gendered Biographisierung der Autorrolle in der ›Lux divinitatis‹ 343 128 R. S chnell (2001b), S. 127. Zu Biographisierungstendenzen in den illustrierten Lieder- und Epenschriften s. P eters (2000), (2001b) und (2008). 129 Vgl. N eumann (1993), S. 135, Anm. zu VI.33,3-24 und D inzelbacher (2004), S. 168. 130 Vgl. N eumann (1990), S. 248, App. zu VI.38,3 und ferner S enne (2004), S. 145. 131 A ndersen (2000), S. 131 und 133. 132 P oor (2004), S. 88. 133 Vgl. A ndersen (2000). 134 Außerdem dürften die folgenden Ausführungen zur Überlieferung der lateinischen Übersetzung wertvolles Material auch für eine zuerst von P oor (2004) vor dem Hintergrund von genderspezifischen Fragestellungen - und freilich ohne Kenntnis der neueren Handschriftenfunde - in Angriff genommene Untersuchung liefern, die den Strategien von Autorschafts- und Autoritätskonstruktion in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rezeption des ›Fließenden Lichts‹ gilt. Denn gerade hier wäre jener «Diskurs über Mechthilds Feminität» zu finden, den S tridde (2005), S. 273 als den größten Mangel des von P oor untersuchten Quellenmaterials bezeichnet. voice›, 135 die im lateinischen Text eine geschlechtsspezifisch-konkretisierende Deutung erfährt. Ähnlich dem Prolog des ›Fließenden Lichts‹, der den nachfolgenden Text «in der Art der den provenzalischen Minneliedern vorangestellten Trobadorbiographien» 136 auf quasi-biographische Details hin ausschreibt, wird die lateinische Übersetzung mit einer Praefatio eröffnet, die aus einem apologetisch motivierten Prolog, einer bio-bibliographisch orientierten Kapitelauswahl (FL VI.5, IV.2, III.20, IV.13, VI.20: 476,4-12 [VI.20,4-11], II.26, Prooemium I und II) und einer am Prolog argumentatorisch anschließenden Schlussbemerkung besteht. Wendet man sich dem Bild zu, das speziell im Prolog von Mechthild gezeichnet wird, so stellt man fest, dass Mechthilds Teilnahme am Mitteilungsprozess der Offenbarungen deutlich eingeschränkt ist. Dies erkennt man vor allem am accessus-artigen Teil des Prologs, in dem es unter anderem um die Frage nach dem auctor des vorliegenden Buches geht: Auctor quippe eius pater et filius et spiritus sanctus est . Materia eius christus et ecclesia est . et sathanas cum corpore suo . Modus agendi hystoricus et misticus . finis vero presentis uite ordinatio . et preteritorum utilis recordacio . et prophetica insinuacio futurorum (LD Prol. 1,26-29/ Rev. Bd. II.2, S. 436,20-24) 137 N igel F. P almer wies darauf hin, dass der vierfache Fragenkatalog im Prolog der ›Lux divinitatis‹ aus der Tradition der gelehrten Kommentarliteratur stammt und dem im universitären Bereich aufgekommenen, aristotelischen causae- Schema (auctor/ causa efficiens, materia/ causa materialis, modus agendi/ causa formalis, finis/ causa finalis) genau entspricht. Bemerkenswert ist allerdings, «daß nur die Trinität als Autor genannt wird, nicht auch Mechthild selbst.» 138 So weit hätte man nicht gehen müssen, betont P almer , denn nach der Literaturtheorie des 13. Jahrhunderts wäre es durchaus möglich gewesen, die Autorrolle nach causa efficiens movens (Gott) und causa efficiens mota (Evangelist, Prophet) aufzugliedern. 139 344 Vom Ich zum Autor 135 Den Begriff habe ich dem von C atherine M. M ooney herausgegebenen Sammelband «Gendered voices. Medieval saints and their interpreters» (Philadelphia 1999) entnommen. Die Leitfragen der hier versammelten Aufsätze fasst C aroline W alker B ynum im Vorwort wie folgt zusammen: «how do we discern individual voices? how are these voices gendered? how much of what survives is determined by genre, by social or religious stereotypes, by individual experience? » (S. X) Um diese Fragen kreisen auch die folgenden Ausführungen. 136 P eters (1988a), S. 57. 137 LG Vorrede 1,34-40: der lerer disser geschrift ist der vatter / sún / vnd der heilig geist Aber die materi disses buch ist christus vnd die kirch vnd Sathanas mit sinem leip / Die wise zuhandeln in dissem buch ist historisch vnd geistlich Aber die entliche meinúng ist ordenung des heiligen lebens vnd die nútzlich hinderdenckúng der vorgangen dingen vnd die prophetische anzeigúng der zukúnfftigen dinger. 138 P almer (1992), S. 219. 139 Vgl. P almer ebd. Zu dieser Differenzierung s. auch B umke (1997), S. 103, S uerbaum (1998), S. 34 sowie K ühne (1999), S. 71. Dass in Bezug auf die causa efficiens nicht diffe- Wenn auch nicht im accessus-artigen Teil des Prologs, so kommt der Verfasser in der daran anschließenden Textpartie doch auf die Frage zu sprechen, welche Rolle dem menschlichen Part im Offenbarungsprozess zukommt. Auch hier erscheint diese eingeschränkt. Es ist nur von der Andacht und der Einfalt derjenigen die Rede, «durch welche diese Schrift bekannt wurde» (per quam hec scriptura innotuit, LD Prol. 1,30/ Rev. Bd. II.2, S. 436,25f.). An dieser Stelle bleibt zunächst offen, auf welchen Moment des Vermittlungsprozesses das Verb innotescere zu beziehen ist, ob es also nur die Preisgabe oder auch die Verschriftlichung der in der scriptura festgelegten göttlichen Offenbarungen meint. Von vornherein würde man denken, dem Prologverfasser komme es auf die Rolle des Menschen als Medium an, wird doch die Tradition der visionären Prophetinnen des Alten Testamentes (genannt werden Deborah und Hulda) gleich am Anfang des Prologs aufgerufen. 140 Tatsächlich bestimmt dieser Deutungshorizont den weiteren Verlauf des Prologs. Dies erkennt man an einzelnen Elementen, die dem Ezechiel-Kommentar Gregors des Großen entstammen, einem Text, der im Hochmittelalter wie eine «Poetologie der Vision» 141 gelesen wurde. So wird die Ezechiel-Deutung Gregors nicht nur in der dreifachen Untergliederung der Prophetie anzitiert, auf welche der Prologverfasser im Zusammenhang der Diskussion nach dem finis des Buches (s. Zitat oben) sowie der Frage nach der Aufgabe der Prophetie (vgl. LD Prol. 1,38/ Rev. Bd. II.2, S. 436,37f.) zu sprechen kommt, 142 sondern auch im Hinweis auf die qua Geschlecht bedingte infirmitas (vgl. LD Prol. 1,11-15/ Rev. Bd. II.2, S. 435,11-436,2) und simplicitas (LD Prol. 1,31/ Rev. Bd. II.2, S. 436,26) derjenigen, «durch welche diese Schrift bekannt wurde» (s. Zitat oben): Ein solcher Schwächebeweis war seit Gregor zur Voraussetzung des Prophetentums geworden. 143 Obwohl das Visionäre im Prolog unüberhörbar in den Vordergrund gerückt und als probates und legitimes Mittel zur Erschließung von Glaubenswahrheiten präsentiert wird, stellt es nur einen, wenn auch wesentlichen Teil einer umfassenderen Legitimationsstrategie dar, die darauf abzielt, dem Leser der ›Lux divinitatis‹ ein testimonium ueritatis (LD Prol. 1,29/ Rev. Bd. II.2, S. 436,25) an die Hand zu geben. Es ist im Hinblick auf das Verständnis der lateinischen Übersetzung als Ganzer von Bedeutung, dass dieses testimonium an den heiligmäßigen Lebenswandel der als uirgo sancta apostrophierten Pro- Biographisierung der Autorrolle in der ›Lux divinitatis‹ 345 renziert wird, hängt möglicherweise damit zusammen, dass der Prologverfasser auf die Nennung der neuen technischen Termini und damit auf die ihnen zugrunde liegende Lehre der causae verzichtet, vgl. P almer (1992), S. 219. 140 Ein ähnliches Verfahren wendet Ekbert zur Modellierung der Prophetenrolle ihrer Schwester Elisabeth von Schönau an, s. M eier (2004), S. 235 und 262 sowie C lark (1999), S. 42f. 141 M eier (2004), S. 244. 142 Vgl. P almer (1992), S. 220. Ähnliche Bedeutung wird der Prophetie auch bei Hildegard von Bingen zugemessen, s. M eier (2004), S. 231. 143 Vgl. S panily (2002). S. 81f. und M eier (2004), S. 228 zu Hildegard von Bingen. tagonistin, der hier als einer schon Verstorbenen gedacht wird, 144 zurückgebunden ist. 145 So heißt es am Ende des Prologs: Interpretaturus igitur barbara lingua conscriptum librum istum . in quo mira quedam et inaudita continentur mysteria . aliqua de sanctitate persone . cui hec demonstrata sunt celitus . premittere dignum duxi . ut mirabilia dicta factis mirabilioribus fulciantur . Et quis nobis expressius electorum enarrabit perfectionem . quam ipsi in quibus et per quos deus sua perfecit opera […] Sic hec sancta persona quid in ea et cum ea spiritus diuinus gesserit ad laudem ipsius et gloriam eloquens profert dicens (LD Prol 2,5-12/ Rev. Bd. II.2, S. 437,9-18). 146 Wie im lateinischen Prolog des ›Fließenden Lichts‹ wird Geltung auch hier durch den Hinweis auf die besondere Heiligkeit der Protagonistin generiert. Als wahrnehmbare äußere Zeichen dieser Heiligkeit macht der Prologverfasser in einem der vorangehenden Abschnitte die sincera deuocio, die columbina simplicitas, die heiligmäßige Lebensführung in einer geistlichen Gemeinschaft (jener von Helfta) und vor allem die visionäre Gabe geltend (vgl. LD Prol. 1,29- 41/ Rev. Bd. II.2, S. 436,24-437,2). 147 Diese aus dem Text selbst abgeleiteten Angaben zum Lebenswandel der Protagonistin (der Hinweis auf Helfta gehört nicht dazu) 148 werden in einem Zirkelschlussverfahren wieder an den Text herangetragen, um nun den Text selbst als ein testimonium ueritatis dem Leser anzubieten. Leben und Werk werden gleichgesetzt, das Geschriebene wird zum auto- 346 Vom Ich zum Autor 144 Vgl. Nunc a sponso uirginum assumpta uirgo sancta ipso perfruitur (perfinitur Rb) quem amauit cuius caritas mirabilis suam multis decorauit miraculis dilectricem (LD Prol. 1,39- 41/ Rev. Bd. II.2, S. 436,39-437,2). Übersetzung: Nún ist disse heilige iungfrow von dem gespons der iungfrowen im himmel entpfangen vnd durchnúist den / den sy liebhat welches wúnderbarliche liebin sin liephaberin geziret hat mit vil mirackel (LG Vorrede 1,56-59). 145 Vgl. auch K öbele (2007b), S. 156. 146 LG Vorrede 1,66-77: Darumb so ich mit vngeordnetter zungen wúrd vßlegen disses geschriben buch / in welchem etliche vngeh o rti . vnd wunderbarliche heimlickeiten . begriffen sint / so wil ich als ich billich schetz . vor an etwas sagen . von der heiligkeyt disser person welcher sollichs ist vom himmel angezeigt / vff das die wunderbarliche sprúch gegrúnt werden mit wúnderbarlichen geschichten vnd wer mag vns cl a rlicher vorkúnden die volkommenheit der vßerwelten dan sy selbst In welchen vnd durch welchi gott volbringt sine wergk […] also dise heilige person was in yr vnd mit yr der gotliche geist geschaffet hat / spricht sy vß zú sinem lob vnd eer sprechende. 147 Die miraculis, von denen in LD Prol 1,40 (Rev. Bd. II.2, S. 437,2) die Rede ist (vgl. Anm. 144 oben), meinen höchstwahrscheinlich nicht post mortem bewirkte Wunder (obwohl Mechthild hier als einer Verstorbenen gedacht wird), sondern beziehen sich auf die diuinae illuminaciones et reueleciones, von denen in der vorangehenden Zeile die Rede war: Sie werden genannt, um die Protagonistin als eine von Gott legitimierte Visionärin zu erweisen. In diesem Zusammenhang wird auf das oben besprochene, aus dem Ezechiel- Kommentar Gregors bekannte Argument rekurriert, Mechthild hätte die plurima secretorum dei misteria . de preteritis . presentibus . et futuris . prophetico spiritu (LD Prol 1,38f./ Rev. Bd. II.2, S. 436,37f.) gesehen. 148 P eters (1988a), S. 121, Anm. 33 ist der Ansicht, die biographischen Informationen des ›Lux divinitatis‹-Prologs, allen voran der Hinweis auf Helfta, könnten durch eine Verwechslung mit Mechthild von Hackeborn bedingt sein. biographischen Zeugnis, zur unmittelbaren Selbstkundgabe. 149 Anders als im lateinischen Prolog des ›Fließenden Lichts‹, in dem das Schreiben an einen Predigerbruder delegiert erscheint, figuriert Mechthild in der ›Lux divinitatis‹ weiter in der Rolle der Schreiberin. Damit wird jedoch «die textinterne Autorin der ursprünglichen Fassung zugleich zur rezipierten Autorin der Lux divinitatis.» 150 Man könnte in diesem Zusammenhang auch von der «Personalisierung des Autors» sprechen, einer Vorgehensweise, die hier wie auch in anderen, ähnlich gelagerten Fällen - denke man nur an die Rezeption der höfischen Epik und Lyrik im 14. und 15. Jahrhundert - dazu führt, dass «nicht der historische oder biographische Autor, sondern ein aus seiner Funktion re-personalisierter Autor die jetzt personal werdende Autorrolle trägt.» 151 Aus dieser Fokussierung auf Mechthild als Person erklären sich zwei Phänomene, die bei der Konstitution des lateinischen Textes durch die Übersetzer eine Rolle gespielt haben. Instruktive Beispiele findet man bereits in einem der in der Praefatio enthaltenen Kapitel. Im Sinne der angedeuteten autobiographischen Lesart lässt die auf den Prolog folgende Kapitelauswahl Mechthild selbst zu Wort kommen. Dafür greift der Prologverfasser zunächst auf FL IV.2 zurück. 152 Dieses Kapitel wird in der lateinischen Übersetzung aufgespalten und mit Überschriften versehen, die das bio-bibliographische Interesse, das diesen Teil der ›Lux divinitatis‹ bestimmt, noch einmal unterstreichen: 153 De instrvctione persone ad inchoandum librum (LD Prol. 3; Von der vnderwisung der person anzufahen disses Buchlinn, LG Vorrede 2) und De castigacione et afflictione corporali quam [haec] 154 femina sancta attribuit corpus suum (LD Prol. 4; Von der leipliche pinigung mit welcher disse selige frow iren leip straffet, LG Vorrede 3). 155 Aufschlussreich ist Biographisierung der Autorrolle in der ›Lux divinitatis‹ 347 149 Die Erklärung für dieses auch aus der Rezeption des Minnesangs bekannte Phänomen findet sich möglicherweise in einer Einstellung, die in den mittelalterlichen Anleitungen zum Verfassen von Predigten thematisch wird: Hier wird immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig die Übereinstimmung von Leben und Lehre, von Werk und Wort (vita und verbum) für die Glaubwürdigkeit und Geltung einer Predigt sei. Für zahlreiche Beispiele s. R. S chnell (2001a), S. 92-96. 150 S enne (2004), S. 150. 151 K uhn (1980), S. 85. 152 Diesem wird ein kurzes Textstück (FL VI.5) vorangestellt, das wie FL IV.2 selbst von den Anfängen des geistlichen Lebens der Protagonistin handelt und das Moment der prima cognicio reflektiert. 153 Deutlicher als in Rb wird die sancta puella virgine Mechtildis (fol. 99 r ) in den Anfangskapiteln der Exzerpthandschrift Ra in den Mittelpunkt gerückt, vgl. folgende Kapitelüberschriften De sanctitate persone scribentis istum librum (fol. 101 v ), De primo raptu eius et de visione sibi tunc ostensa (fol. 102 r ), De castigacione et affliccione qua hec sancta virgo attriuit corpus suum (fol. 103 v ) und De timore quem habuit pro scriptura huius libri et de consolacione ipsius (fol. 104 r ). 154 Einem Vorschlag von B ecker (1951), S. 21 folgend nach Ra/ Rw berichtigt. 155 Auch die Überschriften der restlichen Kapitel fokussieren auf das Thema Schreiben und Buch, vgl. LD Prol. 5: De sanctis per quos illustratur liber iste (LG Vorrede 4: Von den heiligen durch welchi dis buch gebrist wurt), LD Prol. 6: De continencia huius libri triplici et humiliacione et recusacione huius operis (LG Vorrede 5: Von trierlei begriff dises buch in diesem Zusammenhang ein Vergleich des deutschen und des lateinischen Textes auf die in diesen Textpartien vorherrschende Erzählperspektive hin. Man stellt fest, dass diese in FL IV.2 uneinheitlich ist. So dominiert die Ich-Perspektive in den Anfangs- und Schlusspartien des Kapitels, für den Mittelteil (Z. 26-98) sind dagegen wechselnde Figurationen (ich/ die sele/ si) charakteristisch. Anders als im deutschen haben wir es im lateinischen Text (bzw. in der alemannischen Rückübersetzung) mit einem durchgehenden Ich-Bericht zu tun, und zwar auch an Stellen, an denen FL IV.2 keine Entsprechung bietet. Ich denke hierbei an die Sprecherangaben Et dixi bzw. Et aio, mit denen die Sprecherpositionen in der Dialogsequenz LD Prol. 4,19-21/ Rev. Bd. II.2, S. 441,18-20/ LG Vorrede 3,26-28 (= FL IV.2: 236,24-27 [IV.2,122-124]) markiert sind. Doch nicht nur die Erzählperspektive erhält einen personalen Bezug, sondern auch die Selbstapostrophen ich der einvaltigosten menschen eines (FL IV.2: 228,15f. [IV.2,5]) bzw. ich unseliger mensche (FL IV.2: 234,32 [IV.2,99]) werden konkretisiert, denn die lateinischen Übersetzungsäquivalente puella simplicissima (LD Prol. 3,9/ Rev. Bd. II.2, S. 437,30f., LG Vorrede 2,14: einfaltigs d o chterlin) bzw. ego infelix et misera (LD Prol. 4,3/ Rev. Bd. II.2, S. 440,25, LG Vorrede 3,3: Ich vnselige vnd arme) verdeutlichen, dass es ein weibliches Textsubjekt ist, das nach dem Verständnis des Übersetzers hier über sein Leben Rechenschaft ablegt. Ansatzpunkte für eine solche Deutung finden sich zwar auch in FL IV.2 (vgl. ich unwirdigú súnderin, 228,21 [IV.2,8f.]; ich dú lieboste, 230,3f. [IV.2,19] bzw. ich armú bibende, 236,32 [IV.2,128]), doch der eigentliche Grund für einen solchen Umgang mit dem Text wird erst aus den oben zitierten Worten des Prologverfassers deutlich: Et quis nobis expressius electorum enarrabit perfectionem . quam ipsi in quibus et per quos deus sua perfecit opera (LD Prol 2,8-10/ Rev. Bd. II.2, S. 437,13-15, LG Prol. 1,72f.: vnd wer mag vns cl a rlicher vorkúnden die volkommenheit der vßerwelten dan sy selbst In welchen vnd durch welchi gott volbringt sine wergk). Diese Lektürehaltung des Prologverfassers bestimmt nicht nur die in die Praefatio eingegangene Kapitelauswahl. Das ›Fließende Licht‹ als Ganzes wird als ein einziges testimonium gelesen. Dies ist daran zu erkennen, dass das hier skizzierte Verfahren der Personalisierung nicht auf die Praefatio beschränkt bleibt, sondern auch im weiteren Verlauf der Übersetzung Anwendung findet. Hinzuweisen wäre auf Stellen wie LD I.5,3 (Rev. Bd. II.2, S. 450,21), wo ego indigna (LG I.5,4: ich vnwúrdige) für ich unwirdiger mensch (FL III.9: 174,11 [III.9,2]) steht, oder auf LD IV.21,16 (Rev. Bd. II.2, S. 558,7), wo ich ein vil súndig m o nsche (FL I.2: 22,14f. [I.2,18f.]) mit indigna ualde et peccatrix sum (LG IV.20,24: ich bin fast vnwúrdig vnd ein súnderin) wiedergegeben wird. 156 348 Vom Ich zum Autor vnd von der demutigung vnd beschirmung dises wercks) und LD Prol. 7: De nomine et perpetuitate huius libri (LG Vorrede 6: Von dem namen vnd von der ewigkeit dises buchs). 156 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch jener Nachtrag in Ra, der auf fol. 209 v steht und einem Kapitel gilt, das auf fol. 175 v -176 r schon einmal abgeschrieben wurde: LD IV.16 (Rev. Bd. II.2, S. 553). Der deutsche Text (FL V.6) ist verwirrend, was die Iden- Aufschlussreich ist weiterhin die Übersetzung von FL II.24. Von LD II.19-21 (Rev. Bd. II.2, S. 497-500) war im Zusammenhang der Genese der Autorsignatur bereits die Rede (s. S. 318 oben). Was dieses Kapitel auszeichnet, ist die Überschrift: Hier wird das handelnde Textsubjekt nicht, wie in FL II.24, mit der minnenden sele, sondern mit soror mehtildis identifiziert. Dies hängt wohl damit zusammen, dass die dominierende Erzählhaltung in FL II.24 die Ich-Perspektive ist. Davon ausgenommen ist lediglich ein längerer Abschnitt, in dem ein Disput mit dem Teufel wiedergegeben wird (122,28-124,10 [II.24, 48-62]). Während der verbale Schlagabtausch im deutschen Text zwischen dem meister von der helle und einer von ich zu sele wechselnden Sprecherfigur ausgetragen wird, ist von einem solchen Changieren der Sprecherfiguration im lateinischen Text keine Spur. In den durch Inquit-Formeln markierten Sprecherpositionen wird vielmehr durchgehend 1. Pers. Sg. gesetzt. Im lateinischen Text ist es also nicht die sele, die mit dem Teufel disputiert, sondern Mechthild selbst. Das wird nicht nur durch die Überschrift suggeriert, die das im Text handelnde Ich zur ‹Schwester Mechthild› konkretisiert, sondern auch durch eine Textpartie, in der der Teufel an die Heiligkeit seines Dialogpartners appelliert und ihn auffordert, ihn, den Teufel, zu heilen: Confusus ergo abijt . reuersusque in forma pauperis dixit michi . Eya sana me sancta femina et sanabor . Et dixi . Qui infirmus est quem sanabit (LD II.20, 12-14/ Rev. Bd. II.2, S. 498,34-36) An der Stelle der femina sancta (LG II.19,61: heilige fraw) figuriert sele im deutschen Text: Do v v r er hin und verwandelt sich und kam wider gelich eim vil armen siechen manne, dem sin gederme usviel, und sprach: «Eya, du bist also helig, mache mich gesunt.» Do sprach aber dú sele: «Der selber siech ist, der mag nieman heilen.» (FL II.24: 122,33-37 [II.24,52-54]) Als femina sancta wird Mechthild auch in jenem quasi-biographischen Vermerk vorgestellt, 157 der sich am Ende der lateinischen Übersetzung des Tagzeitgebets FL I.30 findet und wie folgt lautet: Biographisierung der Autorrolle in der ›Lux divinitatis‹ 349 tität des sprechenden Ichs betrifft, denn die feminine Form der Selbstapostrophe wechselt sich mit der maskulinen ab, vgl. ich aller menschen unwirdigeste (134,7 [V.6,6]) bzw. so spriche ich armer betr u bter mensche (134,11 [V.6,9]). Von dieser Inkonsequenz findet sich in der lateinischen Übersetzung keine Spur, denn dort wird durchgehend die Femininform für die Ich-Apostrophen gewählt, vgl. ego omnium indignissima bzw. ego […] purificata inuoco te (Entsprechung fehlt Rw wegen Blattverlust). Im Nachtrag auf fol. 209 v werden dagegen diese Stellen in die Maskulinform transponiert, was womöglich mit der Indienstnahme des Textes durch den kartäusischen Schreiber aus Basel für die (eigene? ) Privatandacht zusammenhängt (er Text selbst könnte in diesem Fall als Lobgebet aufgefasst worden sein). 157 Dieser ist ohne Parallele in jener Version des deutschen Textes, die wir heute von E her kennen, s. dazu S. 189f. oben. Hec septem uerba femina sancta corpore debilitato per spiritus feruore uel eciam per languorem amorem delectantem (? ) decantare domino consueuit (LD IV.54,6-8/ Rev. Bd. II.2, S. 581,6-8). 158 Einen vergleichbaren Situationsbericht bietet die Überschrift des vorangehenden Kapitels, in dem das Tagzeitgebet nicht in Übersetzung, sondern im ursprünglichen deutschen Wortlaut wiedergegeben wird: Auch hier wird das Gebet Mechthild in den Mund gelegt, vgl. De septem horis canonicis quas infirma dicebat (Überschrift von LD IV.53/ Rev. Bd. II.2, S. 580). 159 Und schließlich sei darauf hingewiesen, dass das Bewusstsein von bzw. das Interesse an der weiblichen Identität der Sprecherfigur auch noch Jahrzehnte nach der Entstehung der ›Lux divinitatis‹ präsent war. Dies ist einem der zahlreichen Randeinträge zu entnehmen, die auf jenen Vergleich mit einer Handschrift des ›Fließenden Lichts‹ zurückzuführen sind, dem die von Rb präsentierte lateinische Übersetzung in Basel unterzogen wurde (s. dazu S. 362ff. weiter unten). Die uns interessierende Marginalie ego misera steht in Rb mit Einweisungszeichen auf fol. 84 vb und gehört zu LD V.22,13 (von den Rev. Bd. II.2, S. 608,12 stillschweigend in den Text hineingenommen). In der von Rb unmittelbar abhängigen Handschrift Ra findet man die Marginalie bereits im Text: Dum ego misera anxiarer et mearum penarum [penarum mearum, Rb] tedium me teneret etc. (fol. 192 v ). 160 Der deutsche Text, an dem sich der Korrektor von Rb orientierte, lautet nach E: Do mich ungetrúwen menschen erdros miner pine etc. (FL V.2: 322,17 [V.2,14]). Damit sichert die Rb-Marginalie eine subjektzentrierte Lesart nicht nur für den lateinischen, sondern auch für jenen deutschen Text, mit dem die ›Lux divinitatis‹ verglichen wurde, und dies in Basel, etwa hundert Jahre nach der Entstehung der lateinischen Übersetzung. 161 Bemerkenswert ist diese Marginalie, weil sie zusammen mit den Korrekturen nach dem deutschen Text, von denen noch die Rede sein wird (s. S. 362ff. weiter unten), ein ausgeprägtes Interesse an der Wiederherstellung des Originals der offenbar als Autorin geltenden Mechthild gegenüber einer ‹verfälschenden› Übersetzung/ Überlieferung dokumentiert. Eine andere Möglichkeit, den testimonium-Charakter des Textes zur Geltung zu bringen, ist die Emphase des Ich. Ergänzend zu den bisher genannten Beispielen (FL IV.2 und II.24) sei auf LD VI.7/ Rev. Bd. II.2, S. 624f. (LG VI.7) hingewiesen: Während FL II.8 allgemein von einem Menschen (ein mensche) spricht, der Fürbitte für die Seelen im Fegefeuer leistet und einige von ihren 350 Vom Ich zum Autor 158 Vgl. LG IV.44,17-20: Dise vij wort hatt dise heilige fraw . nach yr gewonheit gesongen gott dem herren dúrch den inbrunst des geistes . oder durch kranckheit . auch im schwach gemachtem leip . darzú gereitzet durch die liebin. 159 Vgl. LG IV.44: Hie sind beschriben die vijzit [sic! ] die sie in der kranckheit sprach. 160 Die auf eine von Rb unabhängige Vorlage zurückgehende alemannische Rückübersetzung bietet keine Entsprechung, vgl. Do ich in engsten was vnnd verdrúß etc. (LG V.17,20). 161 Die Marginalien von Rb werden von Karin Schneider auf das dritte Viertel des 14. Jahrhunderts datiert, s. S. 221, Anm. 516 oben. Qualen erlöst, treffen wir im lateinischen Text auf eine durchgehende Ich- Perspektive. 162 Ähnlich verhält es sich mit LD IV.58 (Rev. Bd. II.2, S. 585), der Übersetzung von FL VI.33. 163 Es ließe sich auf eine Reihe von weiteren Kapiteln hinweisen, in denen wir auf das gleiche Phänomen stößen, vgl. FL II.3 und LD I.27-28/ Rev. Bd. II.2, S. 472f. (LG I.27-28) - FL III.15 und LD V.25/ Rev. Bd. II.2, S. 610 (LG V.20) bzw. VI.8/ Rev. Bd. II.2, S. 625 (LG VI.8) - FL III.22 und LD VI.16/ Rev. Bd. II.2, S. 633 (LG VI.16) - FL IV.22 und LD II.35/ Rev. Bd. II.2, S. 511 (LG II.32) - FL V.34: 404,21-406,6 (V.34,21-38) und LD II.17/ Rev. Bd. II.2, S. 495,15-496,2 (LG II.17) 164 - FL VI.10 und LD VI.13/ Rev. Bd. II.2, S. 630 (LG VI.13) - FL VI.16 und LD I.24/ Rev. Bd. II.2, S. 469f. (LG I.24) - FL VI.24 und LD I.18/ Rev. Bd. II.2, S. 464 (LG I.18). Wie ist dieser Befund zu deuten? H ans N eumann war mit Blick auf die Übersetzung von FL VI.33 der Ansicht, dass die Form der Ich-Erzählung in der ›Lux divinitatis‹ auf eine «vereinheitlichende Redaktion» 165 hinweist. Auch G isela V ollmann -P rofe attestiert der lateinischen Übersetzung eine Tendenz, den Wechsel zwischen erster und dritter Person Singular zu egalisieren. Sie hängt, so V ollmann -P rofe , mit einem «Streben nach ‹Logik› und Durchsichtigkeit» 166 zusammen. Für mich stellt sich allerdings die Frage, ob diese Begründung allein genügt, um die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem lateinischen Text in den oben genannten Fällen zu erklären. Es fällt nämlich auf, dass wir bei den angeführten Kapiteln immer wieder mit Visionsberichten zu tun haben. Beschreibt man die Praxis der Übersetzer, wie üblich, vor dem Hintergrund von E, so hat man den Eindruck, als käme es ihnen im Grunde darauf an, das Ich Mechthilds in Textpartien visionären Inhalts herauszustellen. Dies wundert insofern wenig, als sie im Prolog der Tradition der alttestamentlichen Prophetinnen zugeordnet wurde. Die Rede von der Egalisierung der Sprecherposition trifft damit nur zum Teil das eigentliche Anliegen der Übersetzer. Zudem fragt man sich, ob die Vorlage der ›Lux divinitatis‹ zu einer Egalisierung, wie beschrieben, immer und überall Anlass geboten hat. Anders ausgedrückt: Ist es zwingend anzunehmen, dass der lateinischen Übersetzung dieselbe Fassung des deutschen Textes vorgelegen hat, die auch der oberdeut- Biographisierung der Autorrolle in der ›Lux divinitatis‹ 351 162 Auch hier haben wir es mit einer ‹gendered voice› zu tun, vgl. Tunc compassionis igne succensa […] sustuli (Z. 3f./ Rev. Bd. II.2, S. 624,15) bzw. Ego autem nimia iocunditate concepta dixi (Z. 15f./ Rev. ebd., S. 625,2f.). 163 Diese zeichnet sich zusätzlich dadurch aus, dass das Textsubjekt bereits in der Überschrift festgelegt wird, vgl. De capitulo spirituali et peregrino qui apparuit ei (LG IV.46: Von dem geistlichen capittel vnd von dem bilgerum so yr erschinen). Hinzuweisen wäre auch auf die Überschrift von LD I.34 (Rev. Bd. II.2, S. 478): Anders als in Rb (De incomparabilibus reuelacionibus, ähnlich LG I.34) lautet diese in Ra: De incomparabilibus reuelacionibus sibi factis (fol. 124 v ). 164 Für ich armer mensche (FL V.34: 404,21 [V.34,21]) steht in LD II.17,6f. (Rev. Bd. II.2, S. 493,20f.) ego paupercula (LG II.17,9: ich arme). 165 N eumann (1993), S. 136, Anm. zu VI.33,3-24. 166 V ollmann -P rofe (2000), S. 150. schen Übertragung als Textgrundlage diente? Diese Frage ist insofern berechtigt, als die Divergenzen zwischen dem deutschen und dem lateinischen Text in Bezug auf die Gestaltung der Erzählperspektive zunächst darauf schließen lassen, dass die ›Lux divinitatis‹ die ursprüngliche Form der Aufzeichnungen bewahrt, während das ›Fließende Licht‹ für jene Entpersonalisierung steht, die bei der Textgeschichte der Schwesternviten des 14. Jahrhunderts immer wieder zu beobachten ist und auf redaktionelle Bearbeitungen durch einen Dritten zurückgeführt wird. 167 Doch ist diese Annahme keineswegs zwingend. Anhand einer Stelle aus den ›Offenbarungen‹ der Elsbeth von Oye, die in autornaher Überlieferung vorliegen (s. dazu S. 204ff. und 276ff. oben), ließe sich zeigen, dass das distanzierende ein mensche nicht unbedingt das Werk eines Redaktors (oder einer Redaktorin) sein muss, sondern auf die Autorin selbst zurückgehen kann. 168 Daher könnten die Ich-Formen der ›Lux divinitatis‹ sehr wohl einen stellenweise präredaktionellen Textzustand dokumentieren. 169 Das Changieren der Sprecherpositionen im ›Fließenden Licht‹ wäre dann entweder als das Werk Mechthilds oder als dasjenige eines Redaktors anzusehen. Obwohl ich die Möglichkeit, dass die Übersetzungsvorlage hinter der einen oder der anderen Ich-Form des lateinischen Textes durchscheinen kann, nicht gänzlich ausschließen möchte, bin ich doch der Ansicht, dass die meisten Divergenzen zwischen der deutschen und der lateinischen Überlieferung in Bezug auf die Erzählposition in visionären Textpartien redaktioneller Natur sind und mit der Bestrebung der Übersetzer zusammenhängen, den Text auf das Handeln und Erleben Mechthilds hin transparent zu machen. Wir können sogar eine kontinuierliche Zunahme von Ich-Berichten ausgehend vom deutschen Text über die lateinische Übersetzung hin zur alemannischen Rückübersetzung registrieren. Hinzuweisen wäre auf LD IV.58 (Rev. Bd. II.2, S. 585). Hier findet man zwei Kapitel des ›Fließenden Lichts‹ zusammengezogen, die in einem nur losen Zusammenhang zueinander stehen. Bei FL VI.33 handelt es sich um die Vision eines menschen. Diesem begegnet Jesus in Gestalt eines Pilgers, der von Jerusalem kommend grosse smacheit, arm v t und pine diesem menschen mitbringt und ihn mit denselben krönt. Daraufhin ver- 352 Vom Ich zum Autor 167 Vgl. G rubmüller (1969), S. 197f., R ingler (1980), S. 79f. und P eters (1986), S. 412-414. Kritisch äußert sich dazu B ürkle (1999), S. 275-279 und (2000), S. 509f. 168 Textbeleg bei S chneider -L astin (2000), S. 524. Dieser Fall zeigt, dass man bei Überlegungen zu Textgenese und Textschichtung der volkssprachlichen Viten- und Offenbarungsliteratur sehr wohl mit der von B ürkle (s. Anm. 167 oben) bestrittenen Annahme der «Priorität von Berichten in der Ich-Form» (R ingler 1980, S. 65) operieren kann. S. dazu auch T hali (2006), S. 131 und ferner W illiams -K rapp (2001), S. 469. Vgl. auch E mmelius (2008), S. 315ff. 169 Der heutige Überlieferungszustand des ›Fließenden Lichts‹ stützt diese Annahme insofern, als die Mehrzahl der Kapitel mit Visionsschilderungen in der ersten Person Singular steht, vgl. FL II.7, II.20.21.26, III.9.17.19.21, IV.3,13-74, IV.14.17.23.26.27, V.5.14.15. 23.28, VI.7.9 und 15. schwindet der Pilger und der mensch ist betrübt. Allerdings wird ihm gegönnt, den Pilger noch einmal zu sehen. Dieser erscheint ihm glich einem gewaltigen herren in der himmlischen Glorie. Damit endet FL VI.33. Das nächste Kapitel setzt zwar recht unvermittelt an (Ein stimme wart geh o rt und disú wort wurden gesprochen alsust, 500,27 [VI.34,2]), scheint jedoch thematisch an das vorangehende insofern anzuknüpfen, als hier vom Empfang, Kleiden und Krönen derjenigen - man beachte den Subjektwechsel! - die Rede ist, dú die welt hat versmahet und die lúgene hat ervl Y get und die warheit hat geminnet und die mich gebenedigt hat (FL VI.34: 500,29f. [VI.34,3f.]). 170 In unserem Zusammenhang ist die zitierte kapiteleinleitende Inquit-Formel von Bedeutung. Diese bleibt in LD IV.58 (Rev. Bd. II.2, S. 585) unangetastet (audita est vox in qua hec uerba dicta sunt, Z. 18/ Rev. ebd., S. 585,30), wohingegen die distanzierte Erzählperspektive des vorangehenden Kapitels in einen distanzlosen Ich-Bericht transponiert wird. Mit diesem Wechsel scheint die Änderung zusammenzuhängen, die die zitierte Inquit-Formel in der alemannischen Rückübersetzung bzw. ihrer lateinischen Vorlage erfahren hat: Ich hon geh o rt die stim in welcher dise wort gesprochen sind (LG IV.46,28). Ein weiteres illustratives Fallbeispiel liefert die Marginalie semper salutem optarem zu LD VI.22,9f. (Rev. Bd. II.2, S. 640,32f.) quorum si uiuerem, die vom Korrektor von Rb zur Herstellung des Reimes eigenständig eingefügt wurde (s. dazu S. 49, Anm. 241 oben mit Text). Ähnliche Bearbeitungstendenzen lassen sich auch bei anderen Texten beobachten. Hinzuweisen wäre etwa auf die dritte Redaktion des ›Liber‹ der Angela Foligno, dessen Bearbeiter nicht nur die Kapitel neu ordnete und thematisch einteilte, sondern auch die Aussagen von Angela durchgehend in die erste Person brachte. 171 Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang zudem die Differenzen zwischen den beiden Fassungen der deutschen Übersetzung der Vita der Katharina von Siena. Eine von ihnen (Fassung A) zeichnet sich durch eine distanziert wirkende Erzählhaltung in der 3. Person aus, während für die andere (Fassung B) die auktoriale Position des Ich-Erzählers charakteristisch ist, wie es im Übrigen auch der lateinischen Vorlage, der ›Legenda maior‹, entspricht. T homas B rakmann ist der Ansicht, dass die weitestgehend konsequente Eliminierung der auktorialen Position zugunsten eines Positionswechsels in die 3. Person die ursprünglichere Fassung des ›Geistlichen Rosengartens‹ gewesen sein könnte. Erst in einem weiteren Redaktionsschritt wäre dann in der Fassung B, so B rak mann , die 3. Person durch die 1. Person ausgetauscht worden. 172 Auch die Faktoren werden benannt, die diesen Wechsel bedingt haben könnten, darunter der Biographisierung der Autorrolle in der ›Lux divinitatis‹ 353 170 Statt die mich gebenedigt hat liest man in E den defekten Satz die gebenedigt hat. Die von N eumann vorgeschlagene und von V ollmann -P rofe (2003), S. 502,1 übernommene Emendation ist in Anlehnung an den lateinischen Text formuliert: me laudans benedixit (LD IV.58,19/ Rev. Bd. II.2, S. 585,32). 171 Vgl. D inzelbacher (2004), S. 168. 172 Vgl. B rakmann (2005), S. 221 und 257. unmittelbar und lebendiger wirkende Erzählduktus und vor allem die Augenzeugenschaft (ebd.). Der Beichtvater macht sich durch die Setzung der Ich-Position als Augenzeuge erkennbar und verbürgt die Authentizität des Erzählten. Vom Ansatz her vergleichbar sind die Änderungen, die eine späte Abschrift der ›Gnadenvita‹ der Christine Ebner erfuhr: «Hier werden die Erzählpositionen flexibel dem Kontext angepaßt: Etwa Sie-Berichte der GV [›Gnadenvita‹] werden zu Ich-Berichten, die wohl an die nachfolgenden, ausgedehnten Ich-Passagen angelehnt sind […], oder identische Textpassagen werden einmal in der ersten, einmal in der dritten Person präsentiert.» 173 S usanne B ürkle spricht von «Authentisierungsstrategie» (ebd.). 174 In diesen Kontext gehören auch die von B ürkle referierten Fälle aus der Überlieferung der ›Offenbarungen‹ der Adelheid Langmann und der ›Gnadenvita‹ der Christine Ebner, die einen plötzlich auftretenden und scheinbar unmotivierten Wechsel von Sie zu Ich, das heißt von einer durchgehend distanzierten Erzählperspektive zur distanzlosen ersten Person, zeigen. B ürkle betont auch hier nachdrücklich, dass die Erzählhaltung in diesen Fällen jeweils funktional gewählt und von den jeweiligen Textintentionen abhängig sei. 175 Dasselbe gilt für manche Textstellen aus dem ›Fließenden Licht‹, die ähnlich unvermittelt wie die von B ürkle genannten Belege zum Ich-Bericht umschlagen. Die wohl prominentesten Beispiele findet man in FL I.44 und II.4. Während die Setzung des Ich in FL I.44: 64,21f. (I.44,92): Was ir [der Seele] nu geschehe, das weis si, und des getr o ste ich mich 176 wohl dazu dient, die Innigkeit der Beziehung zwischen der nakent sele und dem Herren in der selig stilli, der Liebesvereinigung, zu inszenieren, scheint im anderen Kapitel - es handelt von der Vision der Johannes-Messe einer armen dirne - eher das Konzept der Augenzeugenschaft beim Wechsel von Sie zu Ich eine Rolle gespielt zu haben. In der Forschung scheint es einen Konsens darüber zu geben, dass Mechthild unter dem Pseudonym ‹arme Dirne› von einer ihr selbst zuteil gewordenen Vision berichtet. 177 Den Anlass für diese Annahme liefert eine Stelle, an der das Erzählen aus der Perspektive der armen dirne aufgebrochen und in die einer Ich-Figur als einer am Geschehen unmittelbar beteiligten Instanz überführt wird. Allerdings kann dieses Ich weder mit der armen dirne noch mit dem Ich Mechthilds als Autorin identisch sein. Eher handelt es sich um ein drittes, ein Rollen-Ich, das an einer wichtigen Stelle der Vision - es geht um den Moment der Konsekration, der Umwandlung der Hostie ins Lamm - als Augenzeuge auftritt. So heißt es an der referierten Stelle: Mit also 354 Vom Ich zum Autor 173 B ürkle (1999), S. 285. 174 Ähnlich bewertet W ürth (2007), S. 189 die Funktion der wenigen Ich-Partien, die in den ›Libellus de dictis quatuor ancillarum‹ eingegangen sind. 175 Vgl. B ürkle ebd., S. 277-279 und (2000), S. 500-504. 176 Anders LD IV.13,57f. (Rev. Bd. II.2, S. 552,6f.): Quid sibi tunc eueniat non ignorat et hec est consolacio quam exoptat (LG IV.12,88f.: Was ir dan beschee das weist sye woll . vnd das ist der trost den sye begert). 177 Vgl. B ynum (1982), S. 236f., F innegan (1991), S. 18, H amburger (2004), S. 12f., P oor (2004), S. 58 und daran anschließend W ebster (2005), S. 152. s u ssen p gen sach es [das Lamm] úns [das Ich des Augenzeugen und der armen dirne] an, das ich [der Augenzeuge] es niemer me vergessen kan (FL II.4: 90,8f. [II.4,93]). 178 Verzichtet man darauf, in diesem Ich einen Platzhalter für Mechthilds Namen zu sehen, so löst sich die intrikate Frage nach der Herkunft der letzten Zeile des Kapitels. Man liest hier: Nu die, der dis geschach, die ist tot und ist hingevarn. Got helfe úns, das wir si noch m u ssen sehen in der engel schar! Amen (FL II.4: 90,21-23 [II.4,102-103]). Da man davon ausging, dass die ‹arme Dirne› mit Mechthild identisch ist, konnte man nicht anders, als den Satz zu einer redaktionellen Zutat zu erklären. Und weil die letzte Zeile auch in der lateinischen Übersetzung enthalten ist, 179 spekulierte man, sie könnte von den lateinischen Übersetzern in den deutschen Text eingetragen 180 oder aber später (etwa in Basel) aus dem Lateinischen ins Deutsche zurückübersetzt worden sein. 181 Beide Annahmen entfallen, wenn man darauf verzichtet, diejenige, der dis geschach, mit Mechthild zu identifizieren. 182 Denkbar ist freilich auch, dass hier der singuläre Fall vorliegt, jenen schriber zu fassen, der laut FL II.26 das vorliegende Buch nach Mechthilds Anweisung (na mir) geschrieben hat (s. dazu S. 266f. oben). Sollte dies zutreffen, so würde FL II.4 weniger die ad hoc Aufzeichnung einer mündlich vermittelten Vision darstellen als einen Bericht, der aus einem gewissen zeitlichen Abstand zum Berichteten und offenbar auch zu derjenigen, die berichtet (Mechthild? ), stattfindet. Die hier referierten Fälle aus der deutschen und vor allem der lateinischen Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ warnen nicht nur vor einer unkritischen Ineinssetzung von erzähltem Ich und Autorin, sondern sie zeigen auch, dass die Setzung des Ich kein absolutes Kriterium ist, einen Text allein aufgrund der vorherrschenden Sprecherposition für authentisch (im Sinne der Textkritik) zu erklären. Die Tatsache, dass der Gebrauch der Ich-Form nur bedingt Biographisierung der Autorrolle in der ›Lux divinitatis‹ 355 178 Ähnlich LD II.7,11f. (Rev. Bd. II.2, S. 487,18-20): Qui tam benignissimo aspectu . luminum dulcium . in nos miseros respexit . quod eius a me memoria non recedet . sed mentem meam reficiet in eternum (LG II.7,16-19: welches also mit gnedigem amplick seiner súessen aúgen vns angesehen hatt . das sein gedechtnús von mir nit wychen wúrt . Sunder wirt ewiglich mein gemiet erkicken). Allerdings macht die lateinische Übersetzung durch die Einfügung einer Inquit-Formel in der ersten Person Sg. von allem Anfang an deutlich, dass dieses Ich mit der armen Dirne - sie bleibt als ancilla vero paupercula im lateinischen Text erhalten - und die arme Dirne selbst mit Mechthild identisch ist, vgl. LD II.5,4f./ Rev. Bd. II.2, S. 484,15f. bzw. LG II.5,6. Diese Lesart geht insofern auf, als es Hinweise im lateinischen Text gibt, dass Mechthild zu dem Zeitpunkt, als die Übersetzung entstand, nicht mehr lebte, s. S. 101, Anm. 7 oben. 179 Vgl. LD II.7,21f. (Rev. Bd. II.2, S. 487,1u-488,2): Nunc ea que hec misteria prospexit ex hoc mundo transijt quam nos uidere faciat rex sanctorum in consorcijs angelorum (LG II. 7,31-34: Nún dise welchi solliche heimlickeyt gesehen hatt Ist gangen vß diser zeyt welchi vns macht sehen der kúnig aller heiligen in der geselschafft der engel Amen). 180 Vgl. S tierling (1907), S. 77. 181 Vgl. N eumann (1993), S. 32, Anm. zu II.4,102f. und V ollmann -P rofe (2003), S. 732, Anm. zu 88,28f. 182 Auf die arme dirne bezogen erscheint das Kapitel auch in FL VI.36: 504,3 (VI.36,8f.). genuines Material garantieren kann, ist nicht zuletzt an jenen Textpartien abzulesen, die die lateinische Übersetzung dem deutschen Text gegenüber in Ich-Form zusätzlich überliefert. Manche von ihnen könnten der Übersetzungsvorlage entnommen worden sein, 183 andere gehen dagegen höchstwahrscheinlich auf die Übersetzer zurück. Letzteres gilt vor allem für Sprecherangaben 184 sowie für Pronomina, die eingefügt worden sind, um eine personale Perspektive zu ermöglichen. 185 Deutlich redaktioneller Natur sind auch folgende Fälle: - FL III.15 wurde in der lateinischen Übersetzung aufgeteilt und an zwei unterschiedlichen Stellen inseriert: 192,31-194,28 (III.15,4-28) entspricht LD V.25/ Rev. Bd. II.2, S. 611 (LG V.20), 194,24-198,5 (III.15,24-67) bildet LD VI.8/ Rev. Bd. II.2, S. 625f. (LG VI.8). LD V.25 schließt mit dem Vorverweis: Exaudiuit dominus me sicut in hoc libro continetur (LG V.20: vnd der herr hatt mich erh o rt als do in disem buch begriffen wirt), LD VI.8 wird mit der Rekapitulation eröffnet: Cvm in festo quodam corpus dominicum suscepissem dixi domino (LG VI.8: Do ich an einem hochzitlichen tag hett empfangen den leip des herrens / Do sprach ich zum herren). - LD II.39/ Rev. Bd. II.2, S. 515f. (LG II.36) besteht aus FL IV.26 und VI.42. An der Schaltstelle beider Kapitel liest man den in Anlehnung an die Überschrift von FL VI.42 (Dis schreib swester Mehthilt an einer cedelen irem br v der B., predier orden, und sprach) formulierten Satz: Scripsi eciam eidem fratri meo dicens (Z. 14/ Rev. Bd. II.2, S. 516,9, LG II.36,19f.: Ich schrib aúch meinem brúder sprechend). - Im Unterschied zu FL VI.3 (Das dirre selber herre ze techan ist erkorn, das ist gottes wille, wan das hat er selbe gesprochen alsus) weist der Anfang von LD III.2 (Rev. Bd. II.2, S. 521) einen personalen Bezug auf: Iste de quo loquor uenerabilis uir secundum uoluntatem die electus est a concanonicis in decanum . Et dixit michi dominus (LG III.2: Diser von dem ich rede erwurdiger man nach gottes willen wart erwelet von den Chorherren zú einem dechen vnd der herr sprach zú mir). 356 Vom Ich zum Autor 183 Vgl. LD II.35,38-42/ Rev. Bd. II.2, S. 512,25-30 (dazu S. 184 oben) und LD I.4, 12-17/ Rev. Bd. II.2, S. 450,10-18 (dazu S. 191f. oben). 184 Vgl. LD Prol. 4,19-21/ Rev. Bd. II.2, S. 441,18-20 (LG Vorrede 3,27-30) und FL IV.2: 236,24-27 (IV.2,122-124) — LD Prol. 6,31/ Rev. Bd. II.2, S. 444,17 (LG Vorrede 5, 44) und FL II.26: 136,23 (II.26,17) — LD Prol. 7,6 und 8/ Rev. Bd. II.2, S. 445,2f. und 5 (LG Vorrede 6,8 und 11) und FL Prooemium II — LD VI.13/ Rev. Bd. II.2, S. 630f. (LG VI.13) und FL VI.10. Diese können freilich schon in der Vorlage gestanden haben. 185 Vgl. LD IV.8,14 (Rev. Bd. II.2, S. 546,21) Sic maledixit michi dominus dicens (LG IV.7,22f.: Also vorflucht mich gott sprechend) und FL I.7: 30,23 (I.7,2): Ich vl v che dir - LD IV. 57,26f. (Rev. Bd. II.2, S. 584,13f.) Et ecce pena corporis et anime vmbre similes tenebrose sustulit se a me (LG IV.45,115-117: Die pein des leibs vnd der seelen glich einem finsteren schatten / hat sich von mir hinweg gemacht) und FL V.12: 264,5f. (IV.12,86f.): Do h v p sich dú pine von der sele und von dem libe gelich einem vinsteren schine — LD Prol. 4,12/ Rev. Bd. II.2, S. 441,6f., LD IV.59,11/ Rev. Bd. II.2, S. 586,14f. und LD V.5,6f./ Rev. Bd. II.2, S. 593,1f. (zu diesen Stellen s. S. 247, Anm. 641 mit Text). - Ein vergleichbarer Fall findet sich am Schluss von LD IV.7 (Rev. Bd. II.2, S. 545): Hec sunt verba cantici virginalis . vocem vero amoris et sonum cordis non exprimo quia calamo scribe non pingitur quod lingua non exprimitur (LG IV.6: diß sint die wort des iúngfrowlichen gesangs . Aber die stim der liebin vnd das gethon des hertzens erkler ich nit wan das mag nit gemalet werden mit der feder des schribers das do nit mag mit der zungen vßgeredet werden). FL II.25: 134,19-21 (II.25,140-143) formuliert deutlich distanzierter: Dis sint dú wort des sanges. Der minne stimme und der s u sse herzeklang m u sse bliben, wan das mag kein irdenschú hant geschriben. Die Emphase des Ich in der lateinischen Übersetzung zeigt, dass der Gebrauch der Ich-Form allein nicht genügt, um diese zu «Signum und Garantie von Authentizität» 186 zu erklären. Damit wird zunehmend schwierig, die Stimme des Autors im «Rauschen der Überlieferung» 187 wahrzunehmen, denn die Ich- Rede kann ihm auch unterschoben werden. Dass wir mit einer solchen Vorgehensweise als Möglichkeit rechnen müssen, kann der am Anfang der ›Vita‹ des Heinrich Seuse erzählten Buchentstehungsgeschichte entnommen werden. 188 Sie thematisiert die literarische Kooperation zweier Personen, eines bredigers, der im Text als der diener der ewigen wisheit figuriert, und eines heiligen erlúhten menschen (S. 7,2 und 5), der durch den Pronomengebrauch als eine weibliche Figur identifiziert wird. Die Information, dass es sich um Elsbeth Stagel handelt, erfahren wir erst an einer späteren Stelle der ›Vita‹, genauer zu Beginn des zweiten Teils im 33. Kapitel (vgl. S. 96,6-7). Wenn auch die Identität des heiligen erlúhten menschen am Anfang der ›Vita‹ noch nicht aufgedeckt ist, wird das Verhältnis der beiden Protagonisten im weiteren Verlauf des Anfangskapitels zunehmend konkreter. So übernimmt der diener die Rolle des Lehrers, der auf das Drängen des menschen Details über die wise sines anvanges und fúrgangs und etlich u bunge und liden, die er hat gehabt (S. 7,10-11), mitteilt. Im Gegenzug schreibt si all das auf, was ir selb und och andren menschen ze einem behelfen, und tet das verstoln vor ime, daz er nút dur von wúste (S. 7,12-14). Der geischliche dúpstal (S. 7,15) bleibt allerdings nicht unentdeckt. Das Geschriebene muss ausgehändigt werden und wird verbrannt. Als der diener weitere Notizen, die er erhält, ebenfalls verbrennen will, verbietet es ihm Gott in einer Audition. Nun erfahren wir, dass die nachfolgende ›Vita‹ aus diesen nicht verbrannten Teilen der Aufzeichnungen Elsbeths besteht. Zudem wird uns mitgeteilt, dass diese in Hinblick auf eine avisierte Publikation ergänzt wurden und zwar so, als ob sie, Elsbeth, sie geschrieben hätte: Etwaz g v ter lere wart och na ir tode in ir person von im dur z v geleit (S. 8,2f.). 189 Biographisierung der Autorrolle in der ›Lux divinitatis‹ 357 186 B ürkle (1999), S. 278. 187 B aisch (2004), S. 100. 188 Zu den folgenden Ausführungen s. B ihlmeyer (1907), S. 7. Für Beispiele aus der Überlieferung der deutschen Predigten Meister Eckharts s. H asebrink (2009), S. 160. Vgl. ferner die Ausführungen von B umke (1997), S. 96f. zur «Verfügbarkeit des Autornamens». 189 Anders versteht S chwietering (1964) die Angabe in irer person. S chwietering interpretiert diese Stelle dahingehend, dass Seuse den nicht verbrannten Teil der Schriften Elsbeths III.4 Die Frage nach dem Autor. Plädoyer für einen erweiterten Autorbegriff Die beiden vorangehenden Kapitel zeigen ein geradezu neuzeitlich anmutendes Interesse an der Entdeckung der Autorschaft des ›Fließenden Lichts‹ beziehungsweise an der Einheitsstiftung von Autor und Werk. Dieses Interesse manifestiert sich darin, dass das im Text figurierende Ich im Laufe der Überlieferung identifiziert und infolge einer subjektzentrierten Lektüre, die derjenigen der Mechthild-Philologie des 19. und 20. Jahrhunderts gar nicht unähnlich ist (s. dazu Kap. I.1.1 und I.1.2), als Person immer stärker konturiert wird. Es ist offensichtlich, dass dies eine direkte Folge der Präsentation der ‹Autorin› bzw. ihrer persona im ›Fließenden Licht‹ ist, wobei ‹Autorin› hier als Chiffre für ‹Verfasserin› und für ein Textgenesemodell zu verstehen ist, in dem es den Autor auch im Plural geben kann. 190 Ich meine eine arbeitsteilige Literaturproduktion, die im mittelalterlichen Literaturbetrieb nachweisbar ist 191 und vor allem für Texte aus dem Bereich der Mystik, so auch für das ›Fließende Licht‹ (s. S. 281ff. oben), als konstitutiv gelten darf. 192 Dessen ungeachtet firmieren die Texte - ich fokussiere auf den Bereich der Mystik - in der Überlieferung unter einem einzigen Namen. Darauf macht auch H ans -J ochen S chiewer ausmerksam, wenn er die Eigenart des Helftaer Schrifttums wie folgt beschreibt: 1. Im Falle Mechthilds von Hackeborn besitzen wir den ›Liber specialis gratiae‹ unter ihrem Namen, o b w o h l die Niederschrift durch Getrud von Helfta und eine weitere ungenannte Schwester nach Diktat und Aufzeichnungen erfolgte. 2. Im Falle Gertruds von Helfta besitzen wir den ›Legatus divinae pietatis‹ unter ihrem Namen, o b w o h l nur das II. Buch von ihr stammt, Buch III-IV nach ihren Vorgaben verfaßt wurden, und zwar von derselben Schwester, die schon mit ihr zusammen Mechthilds Text geschrieben hatte. Zugleich verfaßt diese Schwester eine 358 Vom Ich zum Autor durch mystische Lehren ergänzt habe, «als ob sie an ihre Person gerichtet wären» (S. 309). Vielleicht spielt bei dieser Deutung der Hinweis von B ihlmeyer (1907), S. 133* eine Rolle, wonach die ‹in der Person› der Elsbeth nachträglich eingefügte ‹Lehre› sich auf die Schlusskapitel 46-53 bezieht, «welche in Form eines Gesprächs zwischen Seuse und seiner geistlichen Tochter die Unterweisung in der eigentlichen Mystik enthalten.» Meine Deutung der Stelle stimmt mit der von H.-J. S chiewer (2002b), S. 185 überein. 190 Zum Begriff ‹Autor im Plural› s. T ervooren (1995), S. 196 und J.-D. M üller (1999), S. 158. Zu ähnlichen Überlegungen in der Neugermanistik s. M artens (2004), S. 49. 191 Vgl. H.-J. S chiewer (1996), S. 60f. und B umke (1996a), S. 66f. bzw. 593f. Dokumente einer solchen arbeitsteiligen Literaturproduktion sind etwa das ‹kollektive Autograph› der ›Schwarzwälder Predigten‹ (s. dazu H.-J. S chiewer 1996) und des ›Alsfelder Passionsspiels‹ (s. dazu J anota 1998) sowie die korrigierte Reinschrift des ›Rappoltsteiner Parzival‹ (s. dazu B umke 1997 und O ltrogge / S chubert 2002). 192 Vgl. K eller (2000), S. 205, wo im Zusammenhang von Texten aus dem Bereich der Mystik von «kollektiver, jedenfalls von kooperativ entstehender Literatur» die Rede ist. Auch H.-J. S chiewer (2002b), S. 179 und 182 macht das «arbeitsteilige Schreibprinzip» als Charakteristikum dieser Texte aus. Die Frage nach dem Autor Vita Gertruds nach deren Tod (I. Buch), die integraler Bestandteil des ›Legatus‹ wird, ohne daß Gertrud mit diesem Text zu tun hat. 193 Hinzuweisen wäre auch auf die ›Offenbarungen‹ der Margareta Ebner. Wohl zeichnen sich diese durch die souveräne Setzung des Ich aus, das häufig in der medialen Position der Schreibenden figuriert, doch erfahren wir an einer Stelle, dass es eine weitere Schwester gibt, diu mir haimlich ist und mir daz gescriben hat. 194 Diese Schwester scheint die Gnadenerfahrungen der Margareta (hier einen Traum) ad hoc aufzuzeichnen. 195 Ihre Identität wird in einem der Briefe Heinrichs von Nördlingen an Margareta Ebner bzw. den Medinger Konvent aufgedeckt. Heinrich kommt auf sie im Zusammenhang einer wiederholten Bitte an Margerata zu sprechen, das du [Margareta] mir in dem willen gotz die wandlung, die got mit dir gethan hat, ordenlichen schribest, und wolt uns got ichtz mer durch dich geben, des beraub uns nit, die wil wir so gar ain geträwe helferin und schriberin haben an unserm lieben kind in got Elszbet Schepach. 196 Es ist jedoch nicht nur die Hand der Elsbeth, die Spuren im Text hinterlassen hat. Auch Heinrich selbst dürfte ihn mitgestaltet haben. Dies geht aus einem seiner Briefe hervor, in dem er den Erhalt der langersehnten ersten Seiten von Margaretas Aufzeichnungen kommentiert. Man liest hier: ich getar auch weder dar zu oder dar von gelegen weder in latein noch in tüchtz bis das ich es mit dir überlesz und es ausz dinem mund und ausz dinem hertzen in newer warhait verstand. 197 Nun lässt sich auch hier, wie beim Helftaer Schrifttum, beobachten, dass die textinternen Hinweise auf eine weitere textproduzierende Instanz in der Rezeption der ›Offenbarungen‹ ignoriert werden und der Text für Margareta allein reklamiert wird. So heißt es in einem Nachtrag, mit dem die älteste überlieferte Handschrift der ›Offenbarungen‹ (Maria Medingen, Franziskanerinnenkloster, o. Sign.) vielleicht im frühen 17. Jahrhundert versehen wurde: Das leben der Seligen margareta Ebnerin die hat mit Irer handt geschrift dises b u ch selber geschriben (fol. 1 r ). 198 Wie schon im Fall des testimonium veritatis am Ende des sechsten Buches des ›Fließenden Lichts‹ (FL VI.43) scheint das den Text dominierende und in unterschiedlichen Situationen des Schreibens figurierende Ich auch hier den Anlass dazu gegeben zu haben, eine singuläre Autorinstanz zu installieren. Ja, mehr noch: Der Verfasser Die Frage nach dem Autor 359 193 H.-J. S chiewer (2004), S. 298 (Sperrungen von mir). Ob Gertrud an der Entstehung des ›Liber‹ beteiligt war, ist allerdings ungewiss, s. dazu S. 281f., Anm. 765 oben. 194 S trauch (1882), S. 90,11f. 195 Vgl. S trauch ebd., S. 90,18-21: … und gewan da ainen geturst mit fräden und gedaht, ich wölt si ez lauzzen wissen und an schreiben die selben sache, die as crefteklichen mir enmitten an lag. 196 S trauch ebd., S. 238,58-63 (Brief XL). Elsbeth Schepach war zunächst als Schaffnerin, seit 1345 als Priorin des Klosters bei der literarischen Fixierung des Gnadenlebens von Margareta behilflich, vgl. S trauch ebd., S. 321. 197 S trauch ebd., S. 240,15-18 (Brief XLI). 198 Zitiert nach B ürkle (2003), S. 91. der zitierten, vermutlich aus bibliothekstechnischen Gründen inserierten Überschrift erklärt Margareta nicht nur zur Autorin, sondern er qualifiziert den vorliegenden Kodex sogar als Autograph. Eine solche Schlussfolgerung dürfte die Emphase des Ich in Kombination mit dem Alter (Mitte 14. Jahrhundert) und der Provenienz der Handschrift (Medingen, das Heimatkloster von Margareta) nahegelegt haben. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch die Geburt des Autors Seuse in der Überlieferung des ›Exemplars‹, genauer in derjenigen der ›Vita‹. Anders als in den ›Offenbarungen‹ bzw. im ›Fließenden Licht‹ ist die Autorkonkretisation hier nicht an die Ich-Rolle eines Erzählers gebunden, sondern an die Textfigur des dieners der ewigen weisheit. Die Repersonalisierung dieser Textfigur führt zur Etablierung eines einzigen Autors und dies, obwohl die Produktion auch in diesem Fall in verschiedene Beteiligte aufgefächert wird. Es fällt auf, dass der diener unter den Instanzen, an die Verantwortlichkeit für das Geschriebene delegiert wird, keine dominante, sondern eine eher diffuse Rolle spielt. 199 Dies liegt nicht zuletzt an der Figur der Elsbeth Stagel, wird sie doch im Prolog der ›Vita‹ gleichsam als Mitautorin bzw. Mitarbeiterin vorgestellt (vgl. Zitat auf S. 357 oben). Ein solch diffuses Bild, was die Identität des eigentlichen Autors betrifft, lässt die Überlieferung nicht gelten. Vielmehr hat sich in dieser «ein fortschreitendes Interesse daran entwickelt, den Text mit einem Autornamen zu verknüpfen und die Person des Autors immer stärker zu konturieren.» 200 Letzteres ist am Funktionswandel der Bilder abzulesen, die die ›Vita‹ begleiten, denn dieser deutet auf eine «biographisierende Lesart» 201 der ›Vita‹ hin, die dazu berufen ist, den diener als Autor, als Heinrich Seuse, als Person der Lebenswelt zu präsentieren. 202 Dies geht in manchen Handschriften auf Kosten der Autorschaft von Elsbeth Stagel. In der ältesten Handschrift des ›Exemplars‹ wird sie noch mit ihrem Namen und indirekt in ihrer Eigenschaft als schreibende Nonne dargestellt, und zwar durch ein ihr beigegebenes Buch. Dieses wird ihr in späteren Textzeugen aus der Hand genommen, bis das Buch vollständig fehlt, was darauf hindeutet, dass «die Problematik der auf mehrere Instanzen verteilten Autorschaft teilweise getilgt wird, um umso stärker Heinrich Seuse als Autor in den Vordergrund treten zu lassen.» 203 Wie Mechthild von Hackeborn, Margareta Ebner und Heinrich Seuse scheint auch Mechthild von Magdeburg in ihrer Funktion als Autorin und Referenzfigur des ›Fließenden Lichts‹ ein «Ergebnis der Textgeschichte» 204 zu sein. Denn auch in der Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ wird die Tatsache, dass Mechthild laut FL II.26 ein schriber zur Seite stand, weitgehend ausge- 360 Vom Ich zum Autor 199 Vgl. A ltrock / Z iegeler (2001). S. 160. 200 A ltrock / Z iegeler (2002), S. 325. 201 A ltrock / Z iegeler (2002), S. 331. 202 Vgl. A ltrock / Z iegeler (2001), S. 163-169. 203 A ltrock / Z iegeler (2002), S. 330. 204 H asebrink (2007b), S. 92. blendet und «die Autorfrage auf die Magdeburger Begine hin konkretisiert.» 205 Dies lässt sich nicht nur anhand von FL VI.43 und der lateinischen Übersetzung beobachten. 206 Auch für Heinrich von Nördlingen dürfte Mechthild, genauer die junckfrouliche himelsche orgelkunigin, durch die got ditz himelsches gesang hat usz gesprochen, 207 nicht nur ein Sprachrohr Gottes, sondern auch Autorin gewesen sein, kündigt er doch eines der dem ›Fließenden Licht‹ entnommenen Zitate mit dem Vermerk an: also sagent und schreibent uns die früindt gotz. 208 Das ist umso bemerkenswerter, als Heinrich eine vollständige Handschrift des deutschen Textes vorgelegen haben muss, dessen lateinischer Prolog Anlass zu Bedenken bezüglich der Autorschaftsverhältnisse hätte geben müssen, wird doch hier das Schreiben des Buches (vielleicht in Anlehnung an FL II.26) an einen Dritten delegiert. Von solchen Bedenken ist jedoch keine Spur. Dies bedeutet, dass die textinternen Aussagen, die eine auf mehrere Instanzen verteilte Textgenese suggerieren, in der Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ weitgehend ausgeblendet bleiben (einzige Ausnahme könnte, wie gesagt, der lateinische Prolog zum ›Fließenden Licht‹ sein). Stattdessen wird Mechthild als singuläre Autorinstanz installiert und wegweisend für die zukünftige Rezeption als solche etabliert. Ähnlich wird die Mechthild-Philologie des 19. und 20. Jahrhunderts vorgehen, um eine Autorin aus der Taufe zu heben, und dies sogar gegen anderslautende Aussagen des Textes (s. dazu Kap. I.1.1). Sind es die Schreiber und Leser, die den Autor konstituieren, so ist es auch kein Widerspruch, wenn wir bei manchen mystischen Werken, so auch beim ›Fließenden Licht‹, auf Rezeptionszeugnisse stößen, die ein deutliches rezipientenseitiges Interesse für das Original bekunden. So etwas dürfte es nach dem jetzigen Stand der altgermanistischen Forschung höchstens bei den Produzenten, 209 nicht jedoch bei den Rezipienten gegeben haben. Man ist der Ansicht, der Originalitätsbegriff wäre dem Mittelalter fremd gewesen, 210 den Tradierenden hätte «ein Bewußtsein von der Festigkeit und Geschlossenheit der Texte» 211 , welche sie weitergaben, gefehlt und die Redaktoren wären «nicht um die getreue Bewahrung eines Autortextes» bemüht, sondern hätten den Die Frage nach dem Autor 361 205 H asebrink ebd. 206 Was die Beurteilung von FL II.26 in der ›Lux divinitatis‹ betrifft, denken die Übersetzer, wie auf S. 266f. oben gezeigt, nicht an einen bestimmten Schreiber, der Mechthild bei der Abfassung ihrer Offenbarungen beisteht, sondern an die zukünftigen Kopisten des Textes. 207 S trauch (1882), S. 246,128-130 (Brief XLIII). 208 S trauch ebd., S. 251,36f. (Brief XLVI). 209 Zahlreiche Beispiele für die Sorge der Textproduzenten um die Bewahrung des originalen Wortlauts findet man bei G rubmüller (2001) und Q uast (2001). Vgl. dazu auch D. K lein (2008), S. 27 mit Anm. 210 So S tein (1981), S. 46. Ähnlich M icha (1964), S. 226: «Literarisches Eigentum und Achtung des vom Autor selbst signierten Textes sind im Mittelalter völlig unbekannte Begriffe, insbesondere bei der vulgärsprachlichen Literatur.» 211 F. H einzle (1974), S. 11. Text ihrer Vorlage «als frei für sich verfügbar» 212 angesehen. Dies mag auf die Überlieferung der höfischen Epik und Lyrik sowie der Heldendichtung zutreffen, wohingegen sich aus dem Bereich der mystischen Literatur Beispiele nennen lassen, die das Gegenteil erweisen. 213 Das Original der Aufzeichnungen Mechthilds steht nicht erst seit der Wiederentdeckung des ›Fließenden Lichts‹ um die Mitte des 19. Jahrhunderts im Zentrum des Interesses. Der originale Wortlaut hat bereits die mittelalterlichen Rezipienten beschäftigt, wie sich anhand der Randnotizen der um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstandenen Handschrift Rb belegen lässt. Die uns interessierenden Randbemerkungen stammen nicht vom Schreiber, sondern von einem etwas jüngeren Benutzer der Handschrift (s. dazu S. 221, Anm. 516 oben), und sie lassen erkennen, dass Rb mit einem Exemplar des deutschen Textes verglichen wurde. 214 Das Ergebnis dieses Kollationierungsverfahrens, das sich auf das gesamte Textcorpus erstreckt, jedoch nicht systematisch durchgeführt wurde, sind Nachträge am Blattrand, die einen sinnvollen lateinischen Text komplettieren. Das Anliegen des Korrektors ist offensichtlich: Er ist bestrebt, den Wortlaut des lateinischen Textes dem deutschen anzunähern. Dies geht aus folgenden Stellen deutlich hervor: 215 LD I.5,4f. (Rev. Bd. II.2, S. 450,23): quod in tua perfecta trinitate ueritate uidi et audiui consilium (fehlt Ra und LG I.5,6), vgl. FL III.9: 174,13 (III.9,3f.): das ich in diner ganzen drivaltekeit han geh o rt und gesehen den hohen rat - LD I.5,10-12 (Rev. ebd., S. 450,32f.): Naturam angelorum spirituum michi conformabis . ut spiritus sint creati hominem quoque facies (fehlt Ra und LG I.5,16f.), vgl. FL III.9: 174,27f. (III.9,14f.): und solt die engel nach mir bilden, das si ein geist sin mit mir und das ander sol der mensch sin - LD I. 10,6-8 (Rev. ebd., S. 454,19-22): Quantumcumque tamen perspicaces sunt . non tamen omnia incarnacionis future misteria peruiderunt quia nec carnem nec sanguinem . nec victum [? ] nec gloriosum nomen ihesu uiderunt (mit Einweisungszeichen am unteren Blattrand in Ra fol. 112 r , fehlt LG I.10,7-9), vgl. FL IV.14: 266,14f. (IV.14,6f.): Swie clar ir p gen waren, si sahen doch noch weder bein noch vleisch noch varwe noch den heren namen Jhesum - LD I.24,9f. (Rev. ebd., S. 469,31f.): Et ecce uidi in excelso perfecte et sancte trinitatis sine desiderio animam domini nostri ihesu christi (in Ra im Text, fehlt LG I.24,12f.), vgl. FL VI.16: 468,13-15 (VI.16,11-13): Do sach ich in der h o hin der ganzen 362 Vom Ich zum Autor 212 S tackmann (1997), S. 135. 213 Erste Hinweise bei N emes (2008c). 214 N eumann wies im Anmerkungsband wiederholt darauf hin, dass diese Handschrift unmöglich mit E identisch sein kann, sondern eine andere, dem Übersetzungsoriginal stellenweise näher stehende Abschrift des ›Fließenden Lichts‹ gewesen sein muss, vgl. N eumann (1993), S. 97, Anm. zu V.23,117f., ebd., S. 112, Anm. zu VI.2,33 und ebd., S. 118, Anm. zu FL VI.10,1f. (ergänzend dazu S. 242, Anm. 619 oben). Damit korrigiert N eumann die von ihm früher vertretene Position, Rb wäre direkt mit dem aus dem Besitz der Margareta zum Goldenen Ring kommenden Exemplar des ›Fließenden Lichts‹ verglichen worden, vgl. N eumann (1954b), S. 52 und daran anschließend S enne (2002), S. 23, Anm. 88. 215 Die Belege entnehme ich den ersten drei Büchern der ›Lux divinitatis‹. Die Glossen sind recte gesetzt. heligen drivaltekeit ungegeret die sele únsers herren Jhesus - LD I.24,28-32 (Rev. ebd., S. 470,23-28): ut recogitet hominis fragilitatem Hostiumque ipsius crudelitatem . et contra ipsos pugnandi obseruo corde continuam necessitatem . cum nondum sit liber ab hostibus . et quod oportet vt homo sit vsque ad mortem in continua pugna velud vir bene armatus . cuius tamen velati sunt oculi . tenebris videlicet humane fragilitatis (mit Einweisungszeichen am unteren Blattrand in Ra fol. 120 v , fehlt LG I.24,37-39), vgl. FL VI.16: 470,5-10 (VI.16,32-36): und das er des gedenke, wie krank der mensche si und das er nit ist geschaffen von sinen vienden vri und das der mensche m v s iemer me vehten als ein wol gewaffenter man, dem doch sinú p gen verbunden sint: Das ist ir vinstrú menscheit, da mit si gebunden sint - LD I.26,17 (Rev. Bd. II.2, S. 472,13f.): per quam moritur in me omnis carnis concupiscencia (in Ra fol. 121 v im Text, fehlt LG I.26,23), vgl. FL II.2: 78,27f. (II.2,42): der mir benimet allen mines fleisches wank - LD I.28,2f. (Rev. ebd., S. 473,9f.): in quo christus . ix . mensibus requieuit vel resedit cum corpore et anima (fehlt Ra fol. 122 r und LG I.28,4), vgl. FL II.3: 80,31f. (II.3,26): da Christus nún manot in sas mit sele und mit libe - LD II.2,11f. (Rev. ebd., S. 482,4-6): anima autem christiana filia patris / soror filij et spiritus sancti est amica et uere sancte trinitatis sponsa (in Ra fol. 126 r im Text, fehlt LG II.2,15), vgl. FL II.22: 114,9-12 (II.22,15): Dú minste sele ist ein tohter des vatters und ein swester des sunes und ein vrúndinne des heligen geistes und werliche ein brut der heligen drivaltekeit - LD II.3,3f. (Rev. ebd., S. 482,17): quod prorsus obmutesco et obstupesco . nec eloqui valeo quod cognosco (fehlt Ra fol. 126 r und LG II.3,4), vgl. FL VI.41: 514,11f. (VI.41,4f.): das ich stum wurde vúrbas me ze sprechende, das ich bekenne - LD II.26,6f. (Rev. ebd., S. 503,30): piscis enim vita non diu durat in arido (in Ra fol. 163 v im Text, fehlt LG II.23,9), vgl. FL III.1: 146,12f. (III.1,10): wan der visch mag uf dem sande nit lange leben - LD II.28,12f. (Rev. ebd., S. 505,13f.): iuxta quod hi emendantur et conuertuntur (in Ra fol. 127 r im Text, fehlt LG II.25,18), vgl. FL III.1: 148,27 (III.1,49): das sie sich besseren und bekerent - LD II.32,8-10 (Rev. ebd., S. 508, 1u-509,3): In ix° . ardens amor 216 . In illo dulcis exilio summitatem tenet purissima sanctitas . In throno est potencia 217 maiestatis et uirtuosa dominacio (Ra fol. 129 r : In nono ardens caritas In illo dulci exilij throno est potencia magestatis et virtuosa dominacio, LG II.29,12f.: Im Neúnden thron . dises súessen elends ist imbrúnstiger gewalt der maiestat vnd mechtige herschafft), vgl. FL III.1: 154,37-156,2 (III.1,146): in dem núnden das minnebrennen, in dem s u ssen ellende ist dú luter helikeit. Das h o hste in dem throne ist dú gewaltigú ere und dú kreftigú herschaft - LD II.32,12 (Rev. ebd., S. 509,6): Eya gloriosa spaciositas 218 et dulcis eternitas angustia (fehlt Ra fol. 129 r und LG II.29,17), vgl. FL III.1: 156,5 (III.1,150): Eya, das erliche rum und dú s u sse ewekeit - LD II.32,13f. (Rev. ebd., S. 509,8): singularis familiaritas . que inter deum et vnamquamque animam semper interuolat . Hec consistit in tam mirabili deliciositate (in Ra fol. 129 r im Text, fehlt LG II.29,19), vgl. FL III.1: 156,6-8 (III.1,151f.): dú sunderlichú heimlicheit, dú zwúschent gotte und einer ieglichen sele ane underlas gat, die lit an so notlicher zartekeit - LD II.33,9f. (Rev. ebd., S. 509,23-25): Si afflictio nos crvciare posset dolor et querela propter hoc perpetua nobis esset Nunc autem bono animo esse debemus (in Ra fol. 129 v im Text, fehlt LG II.30,13), vgl. FL III.1: 156,17-19 (III.1,160f.): m o hten wir pine liden, so w o lten wir es iemer klagen, nu s o llen wir úns wol gehaben - LD III.1,28f. (Rev. ebd., Die Frage nach dem Autor 363 216 amor von späterer Hand am Rand nachgetragen. 217 -ncia von einer späteren Hand nachgetragen. 218 Für spaciositas (LG II.29,17: wijtte) steht die Sekundärlesart speciositas in Ra fol. 129 r . S. 520,18-20): et tuam deprecor maiestatem . cum omnibus amicis tuis . ut tua dulcedo descendens … animam irriget (mit Einweisungszeichen in Ra fol. 132 v , fehlt LG III. 1,40), vgl. FL VI.2: 434,4-8 (VI.2,33f.): Nu bitte ich dich, vil lieber vatter, mit allen dinen vrúnden, das din s u sse himmelval, der hernider gússet […] m u sse mine sele reinigen - LD III.2,13 (Rev. ebd., S. 521,20f.): Confortari debent / et in deum spem suam ponere (in Ra fol. 165 v im Text, fehlt LG III.2,20), vgl. FL VI.3: 436,17f. (VI.3,13): Man sol wesen stark und getrúwen volleklichen gotte - LD III.11,31 (Rev. ebd., S. 530,14f.): Cum uiduis . non hospitabunt (in Ra fol. 139 v im Text, fehlt LG III.11,46), vgl. FL IV.27: 302,5f. (IV.27,44): Si s o nt p ch mit keiner witwen ze herberge wesen - LD III.14,4f. (Rev. ebd., S. 533,7): Hanc arborem ego uidi magna non est . fructus pulcher ualde ut rosa . aspectu delectabilis (mit Einweisungszeichen am Rand von Ra fol. 141 r , fehlt LG III.14,6), vgl. FL IV.27: 308,7-9 (IV.27,131f.): Disen b p n han ich gesehen; er ist nit gros und sin fruht ist uswendig vil sch o ne und lustlich als ein rose - LD III.15,8f. (Rev. ebd., S. 535,15f.): Ego autem per multa tempora sum preuisus (in Ra fol. 142 v im Text, fehlt LG II.15,12), vgl. FL VI.15: 466,5 (VI.15,74): Ich bin lange vor gesehen. An Nachträgen, die mit der Formel In originali dicitur/ ponitur/ sic habetur angekündigt werden, ist zu erkennen, dass es dem philologisch arbeitenden Korrektor nicht nur auf einen guten, sondern auf den originalen Text ankommt. 219 So liest man am unteren Rand von Rb fol. 57 rb : In originali dicitur quod hoc ocultacio durauerit usque ad temptacionem deserti. Diese Anmerkung entspricht FL V.23: 372,30f. (V.23,155f.), während LD I.17,2f./ Rev. Bd. II.2, S. 462,26 bzw. LG I.17 nichts über die Dauer der ocultacio Christi aussagt. Ein anderes Beispiel: Die Überschrift zu dem FL VI.10 entsprechenden lateinischen Kapitel lautet in LD VI.13 (Rev. Bd. II.2, S. 630): De purgatorio cuiusdam scolaris interfecti Sexta parte . x c (LG VI.13: Vom fegfüir eines weltlichen menschen). Am oberen Rand von Rb fol. 88 vb wurde nachgetragen: In originali ponitur titulus talis Quod oraciones misse . audicio uerbi dei in predicacionibus . vita bonorum Jeiunium . carene liberant animas de purgatorio. 220 Ergänzend 364 Vom Ich zum Autor 219 Ob original hier die ursprünglich mittelniederdeutsche Version des ›Fließenden Lichts‹ oder die alemannische Übersetzung meint, lässt sich nicht entscheiden. Die bisher, zugunsten des mittelniederdeutschen Textes vorgetragenen Argumente der Forschung überzeugen jedenfalls nicht. So sind die von P reger (1873), S. 203 genannten Argumente deshalb nicht hinnehmbar, weil sie auf einer unhaltbaren Datierung von Rb auf das Ende des 13. Jahrhunderts basieren (zu den Hintergründen der Datierung s. S. 208ff. oben). Das Gleiche gilt für B ecker (1951), S. 24, denn auch er datiert die Marginalien von Rb, wie übrigens die Handschrift auch, zu früh (vgl. S. 257ff. oben). Auf einem Missverständnis beruht die Ansicht von V ölker (1967), S. 57, dass jene In originali-Vermerke, die eine genaue Wiedergabe der entsprechenden Kapitelüberschrift des deutschen Textes bieten, «dem Text zu Lebzeiten Mechthilds zugefügt worden» sind. Um dies zu erweisen, beruft sich V ölker auf B ecker . Wohl konnte B ecker zeigen, dass die Kapitelüberschriften des ›Fließenden Lichts‹ alt sind, doch beansprucht er die Kenntnis der Kapitelüberschriften nur für die Übersetzer, nicht jedoch für den Verfasser der In originali-Vermerke, vgl. B ecker (1951), S. 44f. Diesen will B ecker , wie in S. 257ff. oben ausgeführt, mit Heinrich von Nördlingen identifizieren. 220 Dieser und die in Anm. 214 oben genannten Fälle zeigen, dass die deutsche Handschrift, mit der Rb verglichen wurde, trotz der zeitlichen und räumlichen Nähe zum Einsiedler kommen hinzu: In originali sic habetur In regno Dei . 9 . chori et desuper tres throni (mit Einweisungszeichen zu LD II.7,4/ Rev. Bd. II.2, S. 487,6 in Entsprechung zu FL II.4: 88,34f. [II.4,83f.]; der Nachtrag steht in Ra fol. 160 v im Text, fehlt jedoch in LG II.7); - In originali habetur ista rubrica Homo spiritualis animali paruo animali [sic! ] est similis . quod ad multa est utile habet autem similitudo fere . xxx . partes Et hoc nomen eius (entspricht der Überschrift von FL IV.18 und bezieht sich auf LD V.1/ Rev. Bd. II.2, S. 587, der Nachtrag fehlt LG V.1); - In originali De duabus vijs dissimilibus quarum vna descendit ad infernum alia sursum scandit in celum et quolibet [? ] habet (am oberen Blattrand zu LD V.30/ Rev. Bd. II.2, S. 613 in Entsprechung zur Überschrift von FL IV.4, der Nachtrag fehlt LG V.30). Anders als bei den kommentierenden Randeinträgen (das sind knappste Inhaltsangaben und Bibelzitate), die bis zu Lebzeiten Mechthilds zurückverfolgt werden können, und auch im Unterschied zu den Korrekturen, die eine fehlerhafte Abschrift anhand der Vorlage oder einer anderen Handschrift verbessern und zum ursprünglichen Bestand der lateinischen Übersetzung gehören, ist bei den oben genannten Marginalien davon auszugehen, dass diese nicht über Rb hinausreichen (s. dazu S. 257ff. oben). Sie sind also ein Spezifikum von Rb. Offenbar bestand im Basler Dominikanerkonvent, der Bibliotheksheimat von Rb, im dritten Viertel des 14. Jahrhunderts die Möglichkeit, die deutsche und lateinische Version des ›Fließenden Lichts‹ zu vergleichen bzw. vergleichend zu benutzen. Dies gilt indes nicht nur für Rb, sondern auch für eine andere wichtige Handschrift der Mechthild-Überlieferung, den Einsiedler Kodex 277, eine Handschrift, die, wie Rb, kaum sehr lang nach der Jahrhundertmitte entstanden sein dürfte und dem dominikanischen Milieu in Basel entstammt (s. dazu S. 239ff. oben). Dass der deutsche und lateinische Text zur gegenseitigen Korrektur herangezogen werden konnten, beweist die von der Haupthand von E eingetragene Randnotiz in manibus filii: Denn sie bezieht sich auf FL VI.15: 464,3 (VI.15,43) und wurde LD III.14,38 (Rev. Bd. II.2, S. 534,21f.) entnommen. 221 Einen weiteren Beleg für die vergleichende Benutzung der lateinischen Übersetzung vermutet B ecker in der Randbemerkung zu FL IV.12: 262,23f. (IV.12,70f.) 222 Hinzuweisen wäre auch auf die Glosse fúrig zu FL I.2: 22,29 (I.2,30), die eine Rückübersetzung von ignea (LD IV.22,10/ Rev. Bd. II.2, S. 558,24, LG IV.21,16: fúrine) sein könnte. 223 Es gibt außerdem Die Frage nach dem Autor 365 Kodex 277 nicht dieser gewesen sein kann: Die Entsprechung zu audicio uerbi dei in predicacionibus fehlt dort in der Überschrift, vgl. N eumann (1993), S. 118, Anm. zu VI.10,1f. 221 Vgl. N eumann (1993), S. 121. 222 B ecker (1951), S. 25. Zur Diskussion dieser Stelle s. N eumann (1993), S. 71. 223 Vgl. N eumann (1993), S. 209, Anm. 26. Nicht zwingend auf den in Basel erfolgten Vergleich des deutschen Textes mit der lateinischen Übersetzung zurückzuführen sind, die von N eumann (1993), S. 208 angeführten lateinischen Randglossen, denn sie können der deutschen Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹ entstammen. Unberücksichtigt lasse ich auch jene angeblich biographische Notiz am Ende von FL II.4, die je nach For- Indizien dafür, dass manche Lesarten von B auf einen Vergleich mit der ›Lux divinitatis‹ zurückgehen könnten. 224 Die gemeinsame Rezeption der deutschen und lateinischen Version des ›Fließenden Lichts‹ ist auch über Basel hinaus zu belegen. Wie den Verweisungen auf die Buch- und Kapitelzählung des deutschen Textes in den Überschriften der ›Lux divinitatis‹ entnommen werden kann, wurde eine solche, auf die gleichzeitige Lektüre beider Texte abzielende Rezeptionshaltung bereits von den Übersetzern dem lateinischen Text eingeschrieben. 225 Ihre Spuren erkennt man nicht nur an den oben genannten Arten von Marginalien (Inhaltsangaben, Bibelzitate, nach dem deutschen Text vorgenommene Korrekturen), sondern auch an einzelnen eingestreuten deutschen Glossen, unter denen sich auch einige Lemmata finden, die ihre Herkunft aus dem Mittelniederdeutschen noch erkennen lassen. 226 Andere sind erst im alemannischen Raum in den lateinischen Text eingedrungen. 227 Auch der einzige Querverweis in Rb (triplex alludens gaudium Canticum virginum in 2 libro c. 25 puerorum [recte predicatorum] hic Cantus trinitatis in 5 libro 26 c) lässt darauf schließen, dass der lateinische Text mit dem deutschen verglichen werden konnte und auch verglichen wurde, wie es an der Dominikus-Vita des Dietrich von Apolda abzulesen ist (vgl. S. 264f. oben). 366 Vom Ich zum Autor schungsposition aus dem deutschen in den lateinischen oder aus dem lateinischen in den deutschen Text eingetragen worden sein soll. Zur Diskussion dieser Stelle s. S. 354f. oben. 224 Vgl. V izkelety / K ornrumpf (1968), S. 302. 225 Zur Datierung der Verweisungen s. Kap. II.1.2. Das Mitführen der Buch- und Kapitelzahlen des deutschen Textes im lateinischen hat man zu Recht als Hinweis auf die Hochschätzung der Vorlage verstanden, vgl. O rtmann (1992), S. 181, V ollmann -P rofe (2000), S. 155 (Diskussionsbericht) und W ebster (2005), S. 123. 226 Vgl. V ölker (1967), S. 56 und N eumann (1993), S. 97, Anm. zu V.23,117f. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fälle: en hungert v ch, Glosse zu LD I.16,3 (Rev. Bd. II.2, S. 461,12), vgl. FL V.23: 370,19 (V.23,117f.): hungerlachen - en liste, Glosse zu LD I.16,17 (Rev. ebd., S. 462,1), vgl. FL V.23: 372,6 (V.23,137f.): ein liste - en borte, Glosse zu LD I.16,18 (Rev. ebd., S. 462,3), vgl. FL V.23: 372,7 (V.23,137): ein borte - en opherlamb, Glosse zu LD I.16,23 (Rev. ebd., S. 462,11), vgl. FL V.23: 372,13 (V.23,142): ein oppferlamp - en reige, Glosse zu LD II.30,6 (Rev. ebd., S. 507,23), vgl. FL III.1: 152,30 (III.1,108): ein reien - widerhake, im Text, vgl. LD III.8,17 (Rev. ebd., S. 526,29) und LG III.8,25, entsprechend FL VI.7: 444,24 (VI.7,18): Widerhak - grelheit im Text, vgl. LD III.9,28 (Rev. ebd., S. 528,16) und LG III.9,38, entsprechend FL IV.17: 276,4 (IV.17,30): grellekeit bzw. LD IV. 43 (Rev. ebd., S. 580), vgl. FL I.30, dazu S. 190, Anm. 380 oben. 227 Vgl. Die gnade gr u zzet vnd bindet, Glosse zu LD Prol. 3,5f. (Rev. Bd. II.2, S. 437,25) entsprechend FL VI.5: 440,17f. (VI.5,7f.): Gnade gr u sset erlúhtet und bindet dich - alsez rehte verburnen solte, Glosse zu LD I.16,24 (Rev. ebd., S. 462,12) entsprechend FL V.23: 372,14 (V.23,143): als es rehte verbúrnen solte, dazu N eumann (1993), S. 98 - Daz andere, Daz dritte, Dc vierde, Glossen zu LD II.11,6-8-10 (Rev. ebd., S. 491,3-6-8) entsprechend FL IV.20: 286,13, 16, 19 (IV.20,8,10,12): Das andere, Das dritte, Das vierde - Owe leider, Glosse zu LD V.14,10 (Rev. ebd., S. 601,34), vgl. FL VI.1: 426,36 (VI.1,125): Owe leider. Die Möglichkeit, den deutschen Text zu zitieren bzw. vergleichend heranzuziehen, bestand jedoch nicht nur in Erfurt des 13. Jahrhunderts. Auch die in letzter Zeit aus der dortigen Kartause bekannt gewordenen Exzerpthandschriften der ›Lux divinitatis‹ legen Zeugnis davon ab, dass der deutsche Text bekannt war. Ich denke nicht nur an Vä, eine Handschrift, die durch Kontamination der beiden Überlieferungszweige des ›Fließenden Lichts‹ entstanden ist (s. dazu S. 370 weiter unten), sondern auch an We3. Die Exzerpte, die in diese von einem leider anonymen Katalog-Mitarbeiter von Volradi (s. dazu S. 335 oben) geschriebene Handschrift eingegangen sind, enthalten Textpartien, die (sofern es sich nicht ad-hoc-Übersetzungen des Schreibers handelt) einem thüringischen Textzeugen des ›Fließenden Lichts‹ entnommen sein könnten, 228 vgl. fol. 109 r (LD VI.1,2f./ Rev. Bd. II.2, S. 619,2f.): Item in revelationibus sancte mechtildis dicit esse ciuitatem infernalem in abisso profundissima in deme neddersten abgrunde (= FL III.21: 206,17 [III.21,3f.]); fol. 115 v (LD II.28,10f./ Rev. Bd. II.2, S. 505,10f.): […] Regnum hoc finem in sua posicione habet inicialem sed in sua essencia non sortitur finem Celum ambit choros Et inter celum et choros ordinati sunt peccatores seculares […], dazu am linken Rand: Czwischen deme hymele (= FL III.1: 148,25 [III.1,47f.]); ebd. (LD II. 29,4f./ Rev. Bd. II.2, S. 506,4f.): […] Jta que thronus dei et celum sunt vna inclita domus vnd da ist disi enelende vnd dye ix chore jnne befangen (= FL III.1: 150,13f. [III.1,67f.]) jubilantes […]); ebd. (LD II.29,15f./ Rev. Bd. II.2, S. 506,21f.): Sancti apostoli post deum sunt in throno habentque illam solitudinem vnd werden haben das enelende vnd seraphyn zu lone (= FL III.1: 150,29f. [III.1,79]) Et iohannes baptista ist en forste in deme throne (= FL III.1: 150,31 [III.1,80]) Angeli vltra celsitudinem seraphyn non morantur […]. Diese Beobachtungen zur Textgeschichte zeigen, dass es mancherorts auch noch Ende des 15. Jahrhunderts ein Bewusstsein von der zweisprachigen Existenz des ›Fließenden Lichts‹ gab und dass beide Textversionen parallel gelesen werden konnten. 229 Ein indirektes Zeugnis dafür, dass eine solche gemeinsame Rezeption in manchen Fällen auch intendiert war, findet man bei Heinrich von Nördlingen. In einem seiner Briefe bittet Heinrich seine Beichttochter, die Medinger Nonne Margareta Ebner, sie solle ihm die Lucem divinitatis, das buch, das sie bzw. ihr Konvent aus dem Zisterzienserkloster Kaisheim erhalten hat, zurückschicken. 230 Man kann wohl davon ausgehen, dass der von Heinrich benutzte Werktitel die ›Lux divinitatis‹ meint. 231 Es ist im Hinblick darauf, wie über das Verhältnis beider Versionen des ›Fließenden Lichts‹ im Spätmittelalter geurteilt wurde, nicht unwichtig festzuhalten, dass die Nennung Die Frage nach dem Autor 367 228 Zum Phänomen der «macaronisation», von mischsprachigen Texten, s. P almer (1983), S. 94-99 (mit Beispielen aus der Überlieferung der Werke Marquards von Lindau) und S. W enzel (1994). 229 Vgl. S enne (2004), S. 149. 230 S trauch (1882), S. 248,52f. (Brief XLIV). 231 Dafür haben sich neulich P almer (2005), S. 255 und W ebster (2005), S. 124 ausgesprochen. Vgl. auch M uschg (1935), S. 300 und B ecker (1951), S. 24. des lateinischen Textes bei Heinrich geradezu beiläufig erfolgt. Das sticht ins Auge, wenn man sich vergegenwärtigt, mit welch überschwänglichen Worten Heinrich das Liecht der gothait ankündigte und es den Medinger Nonnen zu einer ehrfürchtigen Lektüre anempfahl, und zwar mit der bemerkenswerten Begründung: ich man euch als des gutz, das got in im selber ist und in diszem buch bewiszt hat. 232 Ähnliches findet man im Zusammenhang mit der Nennung der ›Lux divinitatis‹ nicht. Anders als der deutsche Text wird demnach die lateinische Übersetzung nicht zum Objekt der Devotion gemacht. Sie bleibt dem ›Fließenden Licht‹ unter- und nachgeordnet. Dies betont auch W ebster , wenn sie darauf hinweist, dass dem ›Fließenden Licht‹ ein den Verweisungen der lateinischen Übersetzung vergleichbares Referenzwerk nicht beigegeben wurde: «This suggests that the Latin text was considered secondary and supplementary to the German, as it was felt necessary to offer a means by which the reader of the Latin could refer to the original vernacular.» 233 Diese Verhältnisbestimmung ändert sich erst, als das Bewusstsein von der zweisprachigen Existenz des ›Fließenden Lichts‹ schwindet und die Funktion der Verweisungen in den Kapitelüberschriften der ›Lux divinitatis‹ nicht mehr verstanden wird. So kann bei der Wolhusener Handschrift (Rw) mit gutem Recht davon ausgegangen werden, dass diese als Übersetzungshilfe oder anstatt des lateinischen Textes benötigt wurde. 234 «Und vermutlich hielt man die Lux divinitatis auch für Mechthilds eigentlichen Text; denn obwohl sich die Überlieferung des Fließenden Lichtes, wie es in der Einsiedler Fassung präsentiert ist, auf den (vorwiegend west)oberdeutschen Sprachraum konzentriert, deutet auf die Kenntnis einer Version des deutschen Überlieferungszweiges nichts hin.» 235 Untrügliches Zeichen dafür, dass hier nicht mehr der lateinische dem deutschen Text unterbzw. nachgeordnet ist, ist das Fehlen der Verweisungen auf die Buch- und Kapitelzählung des ›Fließenden Lichts‹ in den Tituli von Rw, so dass man zurecht behaupten kann: «Streng genommen haben wir es also mit einer Übersetzung, nicht mit einer Rück-Übersetzung zu tun.» 236 Damit ist allerdings über die Beschaffenheit der lateinischen Vorlage der alemannischen Rückübersetzung nichts ausgesagt. Diese könnte die Verweisungen auf den deutschen Text sehr wohl enthalten haben. Ob ihre Funktion verstanden wurde, ist freilich höchst fraglich, denn nichts deutet darauf hin, dass das ›Fließende Licht‹ in jenem Kreis bekannt war, in denen die alemannische Übersetzung der ›Lux divinitatis‹ vermutlich entstand, d.i. die Basler Kartause. 237 368 Vom Ich zum Autor 232 Vgl. S trauch (1882), S. 246,121f. (Brief XLIII). 233 W ebster (2005), S. 123. Vgl. in diesem Zusammenhang auch P almer (1983), S. 86. 234 S. dazu S enne (2002), S. 35. 235 S enne ebd., S. 18. 236 S enne ebd. Damit ist freilich nur die Perspektive der mittelalterlichen Rezipienten beschrieben. Wir dagegen können den Status des ehemals Wolhusener Textes in Kenntnis der Text- und Überlieferungsgeschichte des ›Fließenden Licht‹ sehr wohl als Rückübersetzung bezeichnen. 237 Zum Entstehungsort der alemannischen Rückübersetzung s. S enne (2003), S. 159. An diesem Befund dürfte auch die Exzerpthandschrift Be aus Buxheim nichts ändern. Wir haben es hier mit einem Text zu tun, in dem einzelne Kapitel im Zuge einer sukzessiven Lektüre exzerpiert und dabei stark verkürzt bzw. paraphrasiert worden sind. Oft sind es sentenzenhafte Aussprüche, die das Interesse des Exzerptors geweckt haben. Von der Zweckbestimmung her scheint es sich um eine für die ans liturgische Jahr gebundene Gebetspraxis präparierte Textsammlung Ex reuelacione cuiusdam Sancte virginis puto Mechtildis (fol. 113 v ) zu handeln. 238 Wichtig ist in unserem Zusammenhang folgender Eintrag: Circa annum domini M. d lx surget ordo excellenter Sanctus per filium imperatoris fundandus Cuius habitum fratres deferent subtus album . exterius rubeum Et predicabunt xxx annis in pace multum fructum faciendum Post apparebit Antichristus contra quem fortiter predicabunt Qui et eos ante aduentum Enoch et Helye occidet Caput xxvij . parte iiij (fol. 112 v ). Hier wird inhaltlich auf LD III.10-14/ Rev. Bd. II.2, S. 528-534 (= FL IV.27) Bezug genommen. Dabei werden Angaben zum Inhalt der referierten Kapitel mit der Marginalie 239 Iste venient (veniunt, E) Anno domini M° d° l° vel lx° (M° DC° vel hodie, E) et xxx a annis in pace predicabunt uerbum dei (et predicant verbum dei in pace xxx annis, E) postea veniet antichristus (Rb fol. 69 va ) kombiniert. Den Hinweis auf Caput xxvij . parte iiij hat der Exzerptor der Überschrift De inpugnacione ordinis fratrum predicatorum . iiij a . parte . xxvii (LD III.10/ Rev. Bd. II.2, S. 528) seiner Vorlage entnommen, die nach dem textgeschichtlichen Befund beurteilt dieselbe Handschrift war, die auch Ra als Grundlage diente: Rb aus dem Dominikanerkloster von Basel. 240 Während die Kapitelverweisungen in Rb dazu berufen sind, eine parallele Lektüre des lateinischen und des deutschen Textes zu ermöglichen, ist eine solche Zweckbestimmung bei dem in Be geratenen Verweis nicht zu erkennen. Einmal mehr zeigt sich, dass die Kenntnis vom deutschen Text in der Basler Kartause - Be (bzw. seine Vorlage) ist höchstwahrscheinlich hier entstanden (vgl. S. 110, Anm. 60 oben) - nicht vorausgesetzt werden kann. Ein gänzlich anderes Bild als bei den Kartäusern in Basel bietet sich in der Kartause Erfurt. Wie schon bei den Basler Dominikanern ist auch hier ein sichtbares Unbehagen an der mangelnden Worttreue der lateinischen Übersetzung und ein ausgeprägtes Interesse an der Wiederherstellung des ursprüngli- Die Frage nach dem Autor 369 238 Vgl. den Zusatz Exemplum ad propositum in petro Exi a me domine quia homo peccator sum [Lc 5,8] (fol. 112 v ) zur paraphrasierenden Nacherzählung von LD IV.57,7-11/ Rev. Bd. II.2, S. (= FL IV.12: 262,16-21 [IV.12,65-69]): Perfectius illa anima deuota debet habet que ex humili amore ihesu . ihesum a se libenter patitur ad tempus alienare quam que eius presenciam cum importunitate sember querit habere et non wlt eo propter ipsius honorem carere. Für die Verwendung der Exzerpte im Rahmen der Privatandacht spricht ihre Platzierung im Anhang zu Arnoldis ›Meditationes et orationes‹, s. dazu A chten (1983), S. 18. 239 Sie ist sowohl in Rb als auch in E enthalten. Die Varianten von E stehen in Klammern. 240 Zur Dokumentation s. H ellgardt / N emes / S enne (2011). chen Wortlauts der Aufzeichnungen Mechthilds zu beobachten. Dies zeigt eine von mir wieder aufgefundene Handschrift aus Växjö (Vä). 241 Sie überliefert im Anschluss an das nach dem Ausweis des Kolophons 1460 geschriebene ›Quadragesimale de casibus conscientiae‹ des Bartholomaeus de Rinonico Pisanus OFM ein als Exempel verstandenes Exzerpt aus der ›Lux divinitatis‹, genauer LD VI.12/ Rev. Bd. II.2, S. 629f. (= FL V.5). Trotz des geringen Textumfangs ist der Neufund von Bedeutung, denn er liefert zusammen mit We3 (s. dazu S. 367 oben) einen eindrucksvollen Beleg dafür, dass es in manchen Kreisen auch noch Ende des 15. Jahrhunderts ein Bewusstsein von der zweisprachigen Existenz des ›Fließenden Lichts‹ gab. 242 Dieses Bewusstsein manifestiert sich in der Textkonstitution des Exzerptes aus Växjö. Erfolgte die Annäherung der lateinischen Übersetzung an den deutschen Text im Fall von Rb punktuell mittels Glossen, so wird sie bei Vä zum Gestaltungsprinzip: Diese Handschrift aus dem Besitz der Erfurter Kartause zeigt eine wortgetreue Übersetzung, entstanden durch einen Wort-für-Wort-Vergleich der ›Lux divinitatis‹ mit einer Handschrift des ›Fließenden Lichts‹. Allem Anschein nach galt der deutsche Text auch hier als original. Ein vergleichbares Verfahren der Textkonstitution ist auch in einer anderen, ebenfalls in der Kartause in Erfurt entstandenen Handschrift ansatzweise zu beobachten: We3 (s.o.). 243 Das Interesse am Original impliziert im Falle von Rb und stärker noch bei Vä einen fast philologisch anmutenden Umgang mit der jeweils greifbaren Überlieferung. Dieser auf Kontamination, auf der gleichzeitigen Benutzung von zwei Vorlagen, basierende Umgang zielt nicht allein auf die Herstellung eines guten Textes ab. Es geht vielmehr um einen authentischen Text, wobei Authentizität und Textidentität hier nicht an den Inhalt, 244 sondern an den Wortlaut gebunden ist. Instruktiv sind die referierten Fälle aus der Überlieferung der lateinischen Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ in Bezug auf die aktuelle Diskussion um mittelalterliche Textualität, und dies aus zweierlei Hinsicht. Rb und Vä zeigen zum einen, dass die Antwort auf die vor dem Hintergrund der altgermanistischen Fassungsdebatte aufgekommene Frage nach der «Identität eines mittelalterlichen Textes» 245 textsortenbedingt unterschiedlich ausfallen kann. Denn anders als bei den beiden Handschriften der ›Lux divinitatis‹ ist Textidentität beispielsweise in der höfischen Epik und überraschenderweise auch bei Rechtstexten gerade nicht an die Wörtlichkeit gebunden. 246 Zum anderen zeigt sich bei Rb, Vä und ansatzweise bei We3 eine Form von 370 Vom Ich zum Autor 241 S. dazu N emes (2008b). 242 Zur Präsenz des ›Fließenden Lichts‹ und seiner lateinischen Übersetzung in der Kartause Erfurt s. S. 219 und 226ff. oben. 243 Zur Dokumentation s. den textgeschichtlichen Apparat der in We3 eingegangenen Kapitel bei H ellgardt / N emes / S enne (2011). 244 Ein Interesse an der Konservierung der inhaltlichen Authentizität der Vorlage attestiert S enne (2004), S. 149 für die ›Lux divinitatis‹. 245 J.-D. M üller (1999), S. 163. Vgl. auch F. W enzel (2005). 246 Vgl. B umke (1996a), S. 59 und S chulze (2001). Kontamination (diejenige der durchgehenden Vorlagenvermischung), die bei den Texten der höfischen Epik in der jüngsten Fassungsdiskussion zum absoluten Sonderfall erklärt wurde 247 und die man selbst in der lateinischen Literatur des Mittelalters auf den Umgang mit der Bibel, den Schriften der Liturgie sowie den Klassikern der römischen und christlichen Antike beschränkt sieht. 248 Und die ›Lux divinitatis‹ steht hier nicht allein. Denn wenn es um die Frage nach der Relevanz des Originals in der Perzeption der mittelalterlichen Rezipienten und um die Mittel geht, wie diese Textgestalt im Zweifelsfall wieder hergestellt werden kann, so wäre auch auf die Überlieferung des ›Liber specialis gratiae‹ Mechthilds von Hackeborn hinzuweisen. Ich erinnere an die Schreibernotiz der einzig vollständigen Handschrift des ›Liber‹ (Wolfenbüttel, HAB, Cod. Guelf. 1003 Helmst.), die besagt: Incipit liber specialis gratiae de sanctimoniali quadam Mechthildis nomine que vixit circa annum Dominum m m cc m lxxx m in claustro dicto Helpede quod monasterium est translatum ad civitatem Ysleben anno Domini m° ccc° lvj° in die sancti Severi episcopi [22. Oktober] primo intraverunt Et ego Albertus sacerdos eram ibi post quam librum istum conscripsi et domina abbatissa monstravit michi librum quem ibi habuit et perscrutatus sum veram veritatem […] 249 Die Frage nach dem Autor 371 247 Vgl. B umke (1996a), S. 17-30. Zustimmend S trohschneider (1998), S. 108 und 112, N ellmann (2001), S. 381, S chubert (2003), S. 135 und S chulze (2007), S. 15. Es seien hier auch einige Ausnahmen genannt. B umke selbst macht auf Püterich von Reichertshausen aufmerksam. Püterich behauptet in seinem ›Ehrenbrief‹ von 1462, er habe 30 «Titurels» gesehen, «von denen keiner der richtige war.» Dieses Zeugnis hält B umke (2005), S. 26f., Anm. 75 für nicht ‹mittelalterlich›, sondern erklärt es durch den Einfluss der «neuen humanistischen Philologie», vgl. auch B umke (1996a), S. 18. Nicht abzustreiten ist indes, dass es auch in der vulgärsprachlichen Epik-Überlieferung einen ‹philologischen› Umgang mit Texten gab. So weist die ehemals Donaueschinger, jetzt Karlsruher Handschrift des ‹Nüwen Parzifal› - die Handschrift ist in diesem Fall auch das Werk, fertiggestellt im Jahr 1336 - im Teil des ‹alten› ›Parzival‹ eine kleine Zahl von Stellen auf, aus denen O ltrogge / S chubert (2002), S. 367f. zufolge die Mischung verschiedener Vorlagen zwecks Herstellung eines besseren Textes hervorgeht. Weitere Beispiele (diesmal aus der englischen und französischen Literatur des Mittelalters) findet man bei K ennedy (1970), S. 529-531 und bei M icha (1964), S. 228. M icha stellt zudem Überlegungen über die Arbeitsverhältnisse mittelalterlicher Schreiber an, die mehrere Vorlagen benutzt haben, um ‹ihren› Text zu konstituieren. Nicht in diesen Zusammenhang gehört dagegen eine andere Form der Kontamination, die H aferland (2006) zufolge im Zuge des mündlich memoriellen (nicht schriftlichen! ) Prozesses der Überlieferung entsteht. 248 Ein Interesse an der Herstellung des originalen Wortlauts sehen B umke (1996a), S. 16 und S chulze (2007), S. 15 besonders im Umgang mit der Bibel, den Schriften der Liturgie sowie den Klassikern der römischen und christlichen Antike gegeben. Für zahlreiche Belege s. W attenbach (1958), S. 317-344. Ergänzend dazu: L ehmann (1926/ 1960), E lle gast (1983) und D epreux (1994), S. 282f. Hinzuweisen wäre auch auf das von Oswald de Corda (gest. 1434), Mönch der Grande Chartreuse, wahrscheinlich im Jahre 1417 verfasste ›Opus pacis‹, eine Abhandlung über das Emendieren von Texten, vgl. R ouse / R ouse (1988). 249 Zitiert nach Z ieger (1974), S. 12, abgedruckt auch in Rev. Bd. II/ 1, S. VIII. Der Schreiber, Priester Albertus, gibt hier kund, dass er sich in Helfta, in Mechthilds ehemaligem Heimatkonvent, aufhielt, nachdem er die Handschrift des ›Liber‹ abgeschrieben hatte. Hier in Helfta soll ihm die Äbtissin das Buch Mechthilds gezeigt haben. Ob der letzte Satz (perscrutatus sum veram veritatem) dahingehend zu verstehen ist, dass Albertus seine eigene, anhand einer unbekannten Vorlage erstellte Abschrift des ›Liber‹ mit dem Helftaer Exemplar verglich, ist mit dem heutigen Erscheinungsbild der Handschrift zwar nicht zu beweisen, doch gibt es keinen Grund, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln. Im Mittelalter galt Albertus’ Abschrift auf jeden Fall als eine am Original überprüfte Kopie des ›Liber‹. Abzulesen ist dies an einer Handschrift, die als einer der ältesten Textzeugen des ›Liber‹ (Eisleben, Luthergedenkstätten/ Luthers Geburtshaus, Cod. H 546) gilt, bislang jedoch wenig beachtet wurde. Denn diese weist, wie in Kap. II.2.4 (S. 226ff.) gezeigt, eine Reihe von Randvermerken aus dem 15. Jahrhundert auf, die darauf hindeuten, dass der Text mit einer anderen Handschrift des ›Liber‹ verglichen und anhand dieser Handschrift durchkorrigiert wurde. Als Korrekturexemplar diente dabei aller Wahrscheinlichkeit nach der Abschrift von Albertus. Man sah in ihr offenbar ein Exemplar, das dem Original der Offenbarungen Mechthilds von Hackeborn besonders nahe steht. Wir haben es also wieder mit jenem Typ von Kontamination zu tun, den wir im Zusammenhang der Überlieferung der ›Lux divinitatis‹ kennengelernt haben. 250 Dabei handelt es sich um ein textgeschichtliches Phänomen, das in der volkssprachlichen Überlieferung des ›Liber‹ immer wieder anzutreffen ist. 251 Einen weiteren besonders instruktiven Beleg für das von mir postulierte rezipientenseitige Interesse am originalen Wortlaut diesmal aus dem volkssprachlichen Bereich liefern zwei Engelberger Bände mit einer frühen, unabhängig vom ›Exemplar‹ überlieferten Ausgabe des ›Büchlein der ewigen Weisheit‹ des Heinrich Seuse: Engelberg, Stiftsbibl., Cod. 141 und 153. 252 Dazu kommt eine Züricher, ursprünglich Ötenbacher Handschrift, die, wie die beiden Engelberger Bände, eine frühe, noch vor dem ›Exemplar‹ entstandene Version des ›Büchlein‹ enthält: Zürich, ZB, C 172. Alle drei Handschriften datieren auf das 14. Jahrhundert und sind mit einem anderen Exemplar des 372 Vom Ich zum Autor 250 Im Hinblick auf die textkritisch bearbeiteten Handschriften der ›Lux divinitatis‹ (Vä, We3) und des ›Liber specialis gratiae‹ (d.i. der oben genannte Eislebener Codex) aus der Erfurter Kartause ist es bemerkenswert, dass die vermutlich älteste Abschrift des ›Opus‹, dieses Handbuchs für kartäusische Textkritik (s. Anm. 248 oben), sich ausgerechnet in einer Handschrift der Erfurter Kartause erhalten hat, vgl. E ifler (2009), S. 71. 251 Z ieger (1974), S. 103-105 unterscheidet zwischen «einsprachiger» (mindestens zwei Handschriften derselben Schreibsprache werden verglichen) und «zweisprachiger Kontamination» (verglichen werden in diesem Fall eine volkssprachige und eine lateinische Handschrift). Ob der Textvergleich im Einzelfall mit dem Anspruch stattfand, einen guten oder den authentischen Text herzustellen, geht aus den Ausführungen von Z ieger leider nicht hervor. 252 Zu den Handschriften s. T hali (2009), S. 255f. und F asching (2009), S. 335-342. ›Büchlein‹ (in der Fassung des ›Exemplar‹? 253 ) verglichen und durchkorrigiert worden. 254 Bemerkenswert ist dieses Bemühen um eine genaue Abschrift insofern, als ein solcher Umgang mit dem Text vom Autor selbst eingefordert wurde. Seuse mahnt jeden zukünftigen Kopisten unter der Androhung der göttlichen Strafe, den Text getreu, und zwar wortgetreu, abzuschreiben. So heißt es am Ende des ›Büchlein‹: Swer dis b u chli, daz mit fliss geschriben und geriht ist, well ab schriben, der sol es alles sament eigenlich an worten und sinnen schriben, als es hie stat, und nit dar z v noch dur von legen noh dú wort verwandlen, und sol es denne einest oder zwirunt hier ab durnehtklich rihten, und sol nút sunders dar us schriben, denne die hundert betrahtung ze hindrost; die schrib dar us, ob er well. Wer im út anders t v t, der sol vúrchten gottes rach, wan er ber p bet got des wirdigen lobes und dú menschen der bessrung und den, der sich dar z v gearbeit hat, siner arbeit. Und dar umb, wer es hier umb nit well lassen, das m v s gerochen werden von der EWIGEN WISHEIT . 255 Der Grad des Interesses an der originalen Textgestalt lässt sich jedoch nicht nur am Wortlaut messen. Anhand einer Abschrift der ›Viten der Schwestern von Töss und der Elisabeth von Ungarn, Nonne von Töss‹ aus dem Jahre 1628 (Sarnen, Bibl. des Benediktinerkollegiums, Ms. pap. 171) hat K laus G rubmüller darauf hingewiesen, dass sich das «Bestreben nach konservierender Überlieferung» 256 zuweilen selbst auf die Bewahrung des Schriftbildes der Vorlage erstrecken kann. Dies bestätigt die Überlieferung der ›Offenbarungen‹ der Margareta Ebner auf eindrückliche Weise. Davon, dass die älteste Handschrift der ›Offenbarungen‹ eine in Medingen aufbewahrte Pergamenthandschrift v. J. 1353 ist, war bereits oben die Rede (s. oben S. 359f. oben). Überliefert ist der Text je- Die Frage nach dem Autor 373 253 Vgl. H aas / R uh (1992), Sp. 1114 und B lumrich (1994), S. 190f. 254 Die Korrekturen in der Züricher Handschrift C 172 stammen laut B ihlmeyer (1907), S. 36* und 13*ff. «aus späterer Zeit» (zur Handschrift s. auch F asching 2009, S. 334, Anm. 24). Im Falle des Engelberger Kodex Cod. 141 wird erwogen, Elsbeth Stagel, die ‹geistliche Tochter› von Seuse, könnte den Text korrigiert, wenn nicht gar geschrieben haben, vgl. B ruckner (1950), S. 69f. und F asching (2009), S. 337 (mit Literaturangaben). Die Korrekturhand ist im Falle von Cod. 153 eine jüngere. 255 B ihlmeyer (1907), S. 325,18-28. Hier sei auf einen anderen Fall der Handschriftenkontamination aus der Seuse-Überlieferung hingewiesen. Es handelt sich um die Züricher ›Horologium‹-Handschrift C 143 vermutlich aus Töss (die zweite Hand identisch mit der Hand im Engelberger Codex 141 sowie mit der Hand in Teil I des ›Solothurner- Legendar‹, d.i. Solothurn, ZB, Cod. S 451, und der Münchener ›Horologium‹-Handschrift Clm 28242, vgl. F asching 2009, S. 334 und S chneider 2009, Bd. 1, S. 146f.). Man findet hier auf mehreren Seiten verteilt Randnotizen mit Auszügen aus dem ›Büchlein der ewigen Weisheit‹, vgl. http: / / www.handschriftencensus.de/ 18846 (den Hinweis auf die Handschrift verdanke ich Richard F. Fasching, Fribourg). Hinzuweisen wäre in diesem Zusammenhang auch auf eine Handschrift aus der Überlieferung der Werke Marquards von Lindau, auf welche P almer (1983), S. 98 aufmerksam gemacht hat: München, BSB, Clm 9003. 256 G rubmüller (1969), S. 178. doch auch in der Handschrift London, British Library, Add. 11430. Man wäre geneigt, die Londoner Handschrift anhand von sprachlichen Merkmalen sowie von Schrift und Layout noch ins 14. Jahrhundert zu datieren, 257 gäbe es nicht einen Schreibervermerk, der das genaue Datum der Abschrift (der Vorlage? ) verrät: 1698. 258 Das bedeutet, dass wir es hier mit einer quasi fotomechanischen Reproduktion zu tun haben, wohlgemerkt in handschriftlicher Form. Wie lässt sich das erklären? Wohl nicht allein aus Respekt vor der Dignität des Inhalts, sondern auch aus Respekt gegenüber der Vorlage, der oben genannten der Medinger Pergamenthandschrift, in der man offenbar Margaretas eigenhändige Aufzeichnungen, eben das Autographoriginal, sah. 259 Den Anlass für diese Annahme dürfte jene Notiz geliefert haben, die S usanne B ürkle zufolge im frühen 17. (! ) Jahrhundert in die Medinger Handschrift der ›Offenbarungen‹ eingetragen wurde und besagt: Das leben der Seligen margareta Ebnerin die hat mit Irer handt geschrift dises b u ch selber geschriben (fol. 1 r ). 260 Das Phänomen einer solch mechanischen Vorlagentreue lässt sich in der Überlieferung von Texten, die dem Bereich der (Frauen)Mystik zugeordnet werden, auch sonst beobachten. So stellt die 1518 entstandene Handschrift Wolfenbüttel, HAB, Cod. 3254, eine wortgetreue Abschrift der ältesten Handschrift des ›Engelthaler Schwesternbuches‹ (Nürnberg, GNM, Cod. 1338) dar. 261 Hinzuweisen wäre auch auf die ›Offenbarungen‹ der Christine Ebner, die ‹original› in einer Nürnberger Handschrift aus dem 14. Jahrhundert (Nürnberg, StB, Cod. Cent. V App. 99) und als «direkte Abschrift» 262 in einer Handschrift der Bibliothek der Familie Ebner von Eschenbach (Nürnberg, Privatbibl. der Freiherren Ebner von Eschenbach, Cod. 90) vorliegen. Letztere ist vielleicht im 15. Jahrhundert entstanden, vorausgesetzt, es handelt sich nicht um eine besonders raffinierte ‹Fälschung›, oder weniger provokativ formuliert, ein Imitat des 18. Jahrhunderts. 263 Mit Sicherheit ins Mittelalter, genauer ins 374 Vom Ich zum Autor 257 In diesem Sinne S trauch (1882), S. XXIX und N eumann (1954c), S. 162f. 258 Die Handschrift selbst könnte indes deutlich später entstanden sein und sogar auf das 18. Jahrhundert datieren. Die von S trauch (1882), S. XVII herrührende und von der späteren Forschung perpetuierte Datierung der Handschrift auf das 16. Jahrhundert ist jedenfalls falsch (freundliche Mitteilung von Nigel F. Palmer/ Oxford). 259 Weitere Abschriften der Medinger Handschrift sind Berlin, SBB-PK, Ms. germ. quart 179 (um 1470) und drei «im Ganzen wortgetreue» (S trauch 1882, S. XVI) Kopien aus Medingen aus den Jahren 1676, 1687 und 1728. Auch die Londoner Kopie wurde ihrerseits abgeschrieben, und zwar von einer Hand des 18. Jahrhunderts, vgl. S trauch (1882), S. XXIIff. 260 Zitiert nach B ürkle (2003), S. 91. Man weiß aus der Beschreibung eines Auktionskatalogs auch von einer anderen, heute verschollenen Handschrift der ›Offenbarungen‹, die im Besitz des Medinger Konvents war und als Autograph galt, vgl. S trauch (1882), S. XVIIf., Anm. 2 und O ppitz (1997), S. 15. Einem Vorbesitzer dieser Handschrift zufolge soll die Hand mit Hand I der Londoner Kopie des 17. Jahrhunderts (sie schrieb die ›Offenbarungen‹ und das ›Pater Noster‹) identisch sein, vgl. S trauch (1882), S. XXI. 261 Vgl. B ürkle (1999), S. 255f.. 262 P eters (1988a), S. 157, Anm. 103. 263 Auskunft über die Handschrift verdanke ich Susanne Bürkle (Köln). 14. Jahrhundert, kann die Handschrift Straßburg, BNU, Cod. germ. 2929, von Heinrich Seuses ›Exemplar‹ datiert werden: Sie gilt als eine «originalnahe» Kopie, die «das Layout seiner Vorlage seiten- und zeilengetreu zu wahren» 264 versucht. Vergleichbares lässt sich auch bei der oberdeutschen Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ feststellen. Die in der Mitte des 15. Jahrhunderts entstandene Colmarer Teilüberlieferung (C) bietet einen Text, der von seiner buchmäßigen Organisation her (Buch- und Kapitelzählung, Kapitelüberschriften, zweizeilige rote Lombarden, Marginalien) jener Handschrift ähnlich ist, die das ›Fließende Licht‹ einzig vollständig überliefert, und zwar der Einsiedler Kodex 277. 265 Allerdings kann dieser - das haben die textgeschichtlichen Untersuchungen von P aul -G erhard V ölker (1967) gezeigt - nicht die unmittelbare Vorlage von C gewesen sein. Es muss also ein weiteres Exemplar des ›Fließenden Lichts‹ mit den genannten Buchcharakteristika gegeben haben. Die Existenz zweier Handschriften, die gleich strukturiert sind, aber nicht unmittelbar voneinander abgeschrieben sein können, lässt darauf schließen, dass die buchmäßige Strukturierung des Textmaterials auf einer früheren Textstufe erfolgt sein muss. 266 In der Tat lassen sich die Buchcharakteristika bis in Autornähe zurückverfolgen. Man hat offenbar die buchmäßige Organisation nicht als etwas Akzidentielles, sondern als Teil des Textes, gewissermaßen als ‹original› begriffen und dies, obwohl diese Teile des Textes nicht von Mechthilds Hand herrühren sollen. Offenbar kann die Nähe eines Textes zum Original nicht nur an der Buchstabentreue gemessen werden. Die Nachahmung des Layouts kommt als weiterer Parameter hinzu. 267 Die hier angeführten Beispiele zeigen, dass es Bereiche der mittelalterlichen Literatur gibt, in denen wir ein Interesse an der Bewahrung des authenti- Die Frage nach dem Autor 375 264 A ltrock / Z iegeler (2001), S. 169f. Vorsichtiger äußert sich dazu H amburger (2008), S. 179f. Als weiteres Beispiel nennen A ltrock / Z iegeler (2001), S. 170, Anm. 53 die so genannte ›Kalocsaer Kleinepik-Handschrift‹ (Genf, Bibliotheca Bodmeriana, Cod. Bodmer 72), deren Schreiber ein «nahezu identisches Verfahren» angewandt haben soll. Zur Begründung weisen sie auf die Untersuchung von K onrad Z wierzina aus dem Jahre 1928 hin, in welcher die Abhängigkeit der Genfer Handschrift von dem Kodex Heidelberg, UB, Cpg 341 als erwiesen verhandelt wird. Doch steht dies keineswegs fest, vgl. W etzel (1994), S. 129. Auch ist unklar, ob die vermeintliche Vorlagentreue mit einem Interesse am Original zu tun hat. 265 Für Abbildungen von C s. N eumann (1993), Frontispiz, Abb. 1 (fol. 140 r ) und N emes (2009), S. 214 (fol. 136 v -137 r ). 266 Auch die im Besitz von Oliver Kessler (Bonn) befindliche Handschrift des ›Fließenden Lichts‹ (Bo) soll von der Seitengestaltung her dem Codex Einsidlensis ähnlich sein. Herr Kessler hat mir über die Handschrift brieflich außerdem folgendes mitgeteilt: Es handelt sich um ein Einblattfragment, das als spärlicher Rest einer ursprünglich wohl vollständigen Handschrift des ›Fließenden Lichts‹ als Hintergrund eines Bildrahmens vermakuliert war. Überliefert werden hier Kapitel aus dem ersten Buch. Beschreibstoff ist Pergament, was auf das hohe Alter des Fragments schließen lässt. Die vom Besitzer des Fragments in Aussicht gestellte Publikation dieses Fundes steht immer noch aus. 267 Zu ähnlichen Tendenzen in der neugermanistischen Editionsphilologie s. J.-D. M üller (1999), S. 159f. und M artens (2004), S. 40-45. schen Textes nicht nur bei den Literaturproduzenten, sondern auch bei den Literaturrezipienten beobachten können, und dies sogar jenseits solch normativer Textbereiche wie die der biblischen und liturgischen Schriften sowie der Klassiker der paganen und christlichen Antike. 268 Es ist m. E. kein Zufall, dass wir ausgerechnet bei Texten auf ein rezipientenseitiges Interesse an der Wahrung bzw. Wiederherstellung des authentischen Wortlauts stößen, die dem Bereich der Offenbarungsliteratur, genauer der (Frauen)Mystik, angehören. B urkhard H asebrink umriss neulich anhand des ›Fließenden Lichts‹ ein für die gesamte mystische Literatur paradigmatisches Verfahren, das Geltung durch den Verweis auf ein ‹Sprechen vom Anderen her› begründet. Es geht darum, das eigene Sprechen nicht nur als ein Sprechen von Gott oder zu Gott, sondern geradewegs als ein Sprechen von Gott her erscheinen zu lassen. 269 Es ist wohl diese Art von Sprechen, so scheint mir, der den oben skizzierten Umgang mancher Rezipienten mit Texten erklärt, die der Gattung des mystischen Offenbarungsschrifttums angehören: Die Stimme des Autors, das Original, bleibt bewahrt, weil der Rezipient den Text als Zufluss der Rede vom Anderen her begreift. Dass dies in der Tat der Fall sein kann, findet seine Bestätigung nicht nur im Erscheinungsbild der Handschriften, sondern auch in manchen sekundären Rezeptionszeugnissen, die Aufschluss darüber geben, wie die mittelalterlichen Rezipienten über den Status des jeweiligen Offenbarungstextes gedacht haben. So werden die Schriften der Margareta Ebner von Heinrich als hailig geschrift 270 gelesen. Hinzuweisen wäre auch auf die besondere Verehrung, die den Autographen Rulman Merswins im Grünenwörth entgegen gebracht wurde. Diese galten als Heiligtum (heiltum). 271 In einer ähnlichen, von Ehrfurcht bestimmten Rezeptionshaltung werden die Briefe der Hildegard von Bingen aufgenommen. 272 Mit großer Vorsicht (cum magna cautela) gehen auch die Schreiberinnen 376 Vom Ich zum Autor 268 Freilich ließe sich das oben aufgezeigte Interesse am authentischen Wortlaut je nach Einzelfall auch auf andere Faktoren zurückführen. Vor allem bei den Imitaten des 17. und 18. Jahrhunderts wäre der Einfluss des Druckes mit seinem beliebig reproduzierbaren Layout zu erwägen. Eine Rolle könnten auch historisierende Tendenzen gespielt haben, die sich in der archaisierenden Verwendung von Schriftformen manifestieren und seit dem 15. Jahrhundert zu beobachten sind, s. dazu G raf (1996), S. 390f. und (2003), S. 24f. sowie J. H einzle (2004), S. 11-14. 269 Vgl. H asebrink (2006), S. 393. 270 S trauch (1882), S. 242,39 (Brief XLII). 271 Vgl. J anota (2004), S. 132. Zur Literaturproduktion von Grünenwörth s. K rusenbaum - V erheugen (2008) und demnächst den Sammelband von S cheepsma / S chiewer / W arnar (2011). 272 Vgl. D erolez (1988), S. 227,45-54 (Ep. XVIII): Proinde proximam domui ingressus ecclesiam, cartam rescripti eiusdem super altare deposui et procumbens oraui Spiritum Sanctum, ut et lectione eius me dignum efficeret et hebitudinem cordis mei ad capienda que legissem acueret, et, si quid peccatis meis exigentibus immineret periculi, precibus sanctorum euadendi exitum ostenderet. Deinde resumens illam legensque bis uel ter in silentio, pre ammiratione dictorum quasi alteratus et pene factus in extasi (nam super mit dem von ihnen geschriebenen Buch der Offenbarungen Mechthilds von Hackeborn um. Sie sehen in ihm die Materialisation der Gnadengaben (specialis gratiae) Gottes. 273 Eine weitaus wichtigere Rolle als bei Mechthild spielt die Materialität der Überlieferung bei Christina von Stommeln: Hier erlangte die Handschrift (Aachen, Bischöfliches Diözesanarchiv, Hs. Nr. 559, ›Codex Juliacensis‹), die das maßgebliche hagiographische Corpus, gewissermaßen den «literarischen Körper» (C hristine R uhrberg ) dieser 1312 im Rufe der Heiligkeit verstorbenen Begine enthält, einen reliquienähnlichen Status, denn sie wurde von 1342 - damals hat man den ersten Versuch unternommen, sie zu kanonisieren - bis 1973 nicht mehr von Christinas Gebeinen getrennt. 274 Last but not least sei auf das ‹Fließende Licht‹ und die Überschrift des redaktionell eingefügten ersten Prooemiums hingewiesen: Dis b v ch sol man gerne enpfan, wan got sprichet selber dú wort. Wie ernst diese Lektüreanweisung genommen wurde, zeigt der Prolog der ›Lux divinitatis‹. Man liest hier: Sic eciam omnes qui hunc librum scripturi uel lecturi sunt si tamen pia mente intenderint incrementum consolacionis et gracie spiritus / sicut in ipso promissum est a domino consequentur Legenda est autem hec scriptura pia et religiose intelligenda . et secundum morem aliarum sanctarum scripturarum sane et fideliter (LD Prol. 1,20-24/ Rev. Bd. II.2, S. 436,12-18). 275 Die Frage nach dem Autor 377 vires meas erant que dicebantur, et magis uox spiritus uel lingua angelica quam hominis uidebatur) bzw. die Übersetzung des Briefes bei S torch (1997), S. 212: «Daher betrat ich die dem Haus zunächstliegende Kirche, legte den Briefbogen auf den Altar, fiel auf die Knie und bat den Heiligen Geist, mich würdig zu machen, ihn zu lesen. Er sollte mein stumpfes Herz hellhörig machen, um zu erfassen, was ich las, und wenn als Folge meiner Sünden eine Gefahr drohe, auf die Fürbitte der Heiligen einen Ausweg aus dem Verderben zeigen. Dann nahm ich ihn wieder an mich und las ihn schweigend zweibis dreimal, wie verzückt vor Bewunderung deiner Aussagen und fast in Ekstase; es ging nämlich über meine Kräfte, was gesagt wurde, und schien mehr die Stimme des Geistes oder die Sprache der Engel als Menschensprache zu sein.» 273 Vgl. Lib. V.24 (Rev. Bd. II/ 1, S. 357): Nec hoc silendum puto, quod cum hic Liber cum magna cautela servaretur a personis quae ipsum scribebant, die quodam sancto, una ex eis volens in eo legere, cum vix aperuisset librum, alia quaedam persona in vehementia dixit ad eam: «Eia! quod boni habetur in hoc libro? quia primo ut eum aspexi, cor meum miram et tam affectuosam sensit commotionem, quae omnia membra mea pertransivit» bzw. die Übersetzung von J. M üller (1881), Bd. 1, S. 250: «Es ward jedoch dies Buch stets mit großer Vorsicht bewahrt, von den Personen, die es schrieben. Als nun an einem heiligen Tage eine aus ihnen darin lesen wollte, und sie kaum das Buch geöffnet hatte, sprach eine zweite Person in großem Eifer zu ihr: ‹Ei, was für Gutes wird dieses Buch enthalten! Denn da ich es vorerst ansah, empfand mein Herz eine so wunderbare Bewegung, daß es alle meine Glieder durchschauerte›», dazu H ubrath (1999), S. 241. 274 Vgl. R uhrberg (1995), S. 147. Zur Instrumentalisierung von Heiligenviten und von Schriften, die von der Hand von Heiligen herrühren sollen, als Kontaktreliquie s. auch S chreiner (2002), S. 84f. 275 LG Vorrede 1,28-33: Also oúch alle die so disses búch schreiben oder lesen werden wo sy mit gútigem gemúet vffmercken werden erlangen von dem herren als vor vorheissen ist grossi des trosts vnd genod des geists Aber disse schrifft sol gutiglich gelesen werden vnd geistlich vorstanden werden vnd nach gewonheit anderer heiliger geschrifften vnd glaúblich. Dazu vermerkt N igel F. P almer : «Schon in diesem ersten, rezeptionsorientierten Abschnitt wird der Umgang mit dem Buch ihrer [Mechthilds] Offenbarungen jenem mit einem Träger des Heils oder einer heiligen Schrift verglichen.» 276 Auf dieses Verständnis des Textes stößen wir auch bei Heinrich von Nördlingen. So heißt es an einer Stelle seiner an die Medinger Nonnen gerichteten Lektüreanweisung, die das von Heinrich eingeführte ›Fließende Licht‹ in einem quasi-liturgischen, auf die Verkündigung von heilswahrheiten ausgerichteten Rahmen einbindet: 277 ich man euch als des gutz, das got in im selber ist und in diszem buch bewiszt hat. 278 Interresant ist dabei, dass die Auratisierung der Schrift bei Heinrich (wie schon im Prooemium) nicht an den heiligmäßigen Lebenswandel der Offenbarungsempfängerin zurückgebunden erscheint. Sie leitet sich eher davon ab, dass das Geschriebene als unmittelbare Selbstkundgabe Gottes begriffen wird. 279 Dass es dem so ist, ist einer erfolgreichen Geltungssicherungsstrategie zu verdanken, die im letzten Kapitel des zweiten Buches Anwendung findet. Die Sprecherin wendet sich hier besorgt an Gott und zieht ihn zur Rechenschaft wegen der Anfeindungen, die sie wegen des Schreibens des Buches erdulden musste. Daraufhin meldet sich Gott zu Wort. Mit dem Buch in seiner rechten Hand versichert er, derjenige, der es ihm aus der Hand reißen möchte, sollte stärker sein als er selbst. Zur Begründung weist Gott auf folgenden Umstand hin: Das b v ch ist drivaltig und bezeichent alleine mich. Dis bermit, das hie umbe gat, bezeichent min reine, wisse, gerehte menscheit […]. Dú wort bezeichent mine wunderliche gotheit […]. Dú stimme der worten bezeichenet minen lebendigen geist etc. (FL II.26: 136, 14-20 [II.26: 10-15]). Worum es hier geht, ist nicht die Autorisierung oder gar die Sanktifizierung der Sprecherin als Vermittlerin, so als wäre sie diejenige, die infolge des göttlichen Schreibbefehls bzw. durch ihr heiligmäßiges Leben die Inhalte des Buches verbürgt. Die hier verfolgte Geltungssicherungsstrategie zielt eher darauf ab, das Buch als Inkarnation des trinitarischen Gottes vorzustellen, wobei b v ch hier nicht nur dú worte, den Inhalt der Selbstkundgabe Gottes, sondern auch das bermit, den Offenbarungsträger in seiner Dinglichkeit meint. 280 Besonders deutlich wird dies an jener Stelle des Textes, wo behauptet wird, es sei dis b v ch, das Gott in seiner rechten Hand hält. Diese Stelle ist für die Auratisierung des Geschriebenen insofern entscheidend, als hier dem Buch in seiner ganzen Materialität göttlicher Ursprung zugeschrieben wird. 281 Dies geschieht durch das ikonographisch gut bezeugte Bild ‹Gott mit 378 Vom Ich zum Autor 276 P almer (1992), S. 218. Vgl. auch M c G inn (2000), S. 180-185. 277 Vgl. G ottschall (2007), S. 156. 278 Vgl. S trauch (1882), S. 246,121f. (Brief XLIII). 279 S. dazu Z immerman B eckman (2007). 280 Die theologisch überaus provokative Aussage dieser Textstelle hat O rtmann (1992), S. 172 auf den Punkt gebracht: Gott wird Buch. Das Buch ist die literarische Inkarnation Gottes; es nimmt die trinitarische Erscheinungsweise Gottes an. Zu dieser Thematik s. demnächst auch K iening (2010). 281 Vgl. H asebrink (2006), S. 395. dem Buch in der Hand›, das die Idee des präexistenten Buches, des so genannten göttlichen Exemplars evoziert. 282 Das bereits fertige Buch in der Hand Gottes steht für das ideelle Exemplar des ›Fließenden Lichts‹ und will zum Ausdruck bringen, dass das Buch nicht das Werk eines Menschen (beispielsweise der heute als Autorin geltenden Mechthild von Magdeburg) ist. Es kann vom Menschen nur abgeschrieben werden, und zwar entsprechend dem seinem Inhalt und seiner Materialität nach präexistenten göttlichen Ur-Exemplar. Dies gilt nicht nur für den ersten Abschreiber, den wir Autor nennen, sondern auch für die Abschreiber des Abschreibers, die späteren Kopisten des ›Fließenden Lichts‹: Auch sie haben Sorge dafür zu tragen, dass das Buch in seiner originalen, d.h. von Gott vorgegebenen Gestalt, tradiert wird. Dies ist zwar nicht immer und überall in der bezeugten Überlieferungsgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ der Fall. Überall dort jedoch, wo sich die Rezipienten des göttlichen Ursprungs des Originals bewusst machen und das Überlieferte als Selbstkundgabe Gottes begreifen, ist es zu erwarten, dass man auf einen festen Text bzw. auf Tendenzen der Textverfestigung stößt. Fragt man nach den Gründen, die das Interesse am Original motiviert haben könnten, so scheint es mir wichtig auch darauf hinzuweisen, dass wir es in den oben genannten Fällen oft mit Texten zu tun haben, in denen eine Repersonalisierung der Autorrolle und eine Konkretisierung der Autorfrage auf die Figur der begnadeten, stellenweise auch schreibenden persona hin im Überlieferungsprozess stattgefunden hat. Dies gilt nicht nur für die beiden Mechthilden, für Margareta Ebner und Heinrich Seuse, sondern auch für das ›Tösser Schwesternbuch‹ - hier wurde Elsbeth Stagel als Autorin identifiziert - und die Texte des Christine-Ebner-Corpus (›Offenbarungen‹ und das ›Engelthaler Schwesternbuch‹). 283 Außer dem Anspruch der vorgestellten Texte, Offenbarungen Gottes zu sein, scheint die repersonalisierte Autorrolle entscheidend dazu beigetragen zu haben, dass es ein Interesse am Original der nun als Autorin (bzw. Autor im Falle von Seuse) geltenden Textfigur aufkam. Aus textkritischer Sicht - ich konzentriere mich wieder auf das ›Fließende Licht‹ - fragt man sich allerdings, ob das Original das Werk der von der Überlieferung herausgestellten Autorin allein sein kann. Diese Frage stellt sich vor allem deshalb, weil sich die textinternen Aussagen über eine auf mehrere Instanzen verteilte Textgenese durch Beobachtungen zur frühen Text- und Überlieferungsgeschichte bzw. zum Umfeld der Textentstehung plausibilisieren lassen (s. Kap. II.3). Damit komme ich auf das oben angedeutete Konzept des ‹Autor im Plural› zu sprechen (s. S. 358, Anm. 190 mit Text). Aus rezeptionsgeschichtlicher Sicht erscheint es durchaus angebracht, an Mechthilds Autorschaft festzuhalten. Denn das ›Fließende Licht‹ bzw. seine lateinische Übersetzung wurde in weiten Teilen der Überlieferung (die sekundären Re- Die Frage nach dem Autor 379 282 S. dazu N emes (2007), S. 387f. 283 Zur Entdeckung der Autorschaft im ›Tösser Schwesternbuch‹ und im Christine-Ebner- Corpus s. B ürkle (1999), S. 233-258. zeptionszeugnisse mit einberechnet) unter der Vorgabe rezipiert, dass die Offenbarungen in ihrer schriftlichen Form auf Mechthild selbst zurückgehen. Aus produktionstechnischer Sicht bleibt jedoch offen, inwieweit sich das textuelle Konstrukt der begnadeten, schreibenden Frau und das rezeptionsgeschichtliche Rekonstrukt der ‹Schwester Mechthild› als Autorin des ›Fließenden Lichts‹ mit der faktischen Verfasserschaft zur Deckung bringen lassen und dies vor allem dann, wenn wir mit weiteren textproduzierenden Instanzen aus dem Umfeld der Textgenese zu rechnen haben. J oachim B umke hat in einem ähnlich gelagerten Fall - er hatte den ›Rappoltsteiner Parzival‹ vor Augen, an dessen Entstehung außer Claus Wisse und Philipp Colin weitere Instanzen beteiligt waren, ohne dass ihr jeweiliger Anteil am Endprodukt mit Sicherheit bestimmt werden kann - von «eingeschränkter Autorschaft» 284 gesprochen. Dem würde ich im Anschluss an M argarete H ubrath und J ohannes J anota einen erweiterten Begriff von Autorschaft vorziehen wollen. H ubrath entwickelt ihr «open concept regarding the author» 285 vor dem Hintergrund jener, wohlgemerkt textinternen, Angaben, die zu den Umständen der Buchgenese im ›Liber specialis gratiae‹ gemacht werden. J anota dagegen kann sich bei seinem Plädoyer für einen «erweiterten, nicht auf eine Person eingeengten Autorbegriff» 286 auf handgreifliche Fakten, auf text- und überlieferungsgeschichtliche Gegebenheiten, konkret auf das kollektive Autograph des ›Alsfelder Passionsspiels‹ berufen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Forderung von J anota : «Statt von Bearbeitungen oder Redaktionen sollte man bei Textgenesen, an denen mehrere Personen beteiligt sind, von erweiterter Autorschaft sprechen.» 287 Dies bietet sich auch beim ›Fließenden Licht‹ an, denn auch hier lässt sich, wie in Kap. II.3 gezeigt, eine ‹Arbeit am Text› erschließen, die bis in die Nähe Mechthilds zurückverfolgt werden kann und möglicherweise auf mehrere Instanzen verteilt war. An der Bindung des überlieferten Textes an Mechthild wäre aus rezeptionsgeschichtlichen Gründen trotzdem festzuhalten. Allerdings sollte man diese Autorbindung, wie H ans -J ochen S chiewer in einem anderen Zusammenhang zu bedenken gibt, «nur noch als formales Kriterium der textimmanenten Zuweisung gelten lassen (z. B. Autornennung im Text), auch wenn Dritte am Werk weitergearbeitet haben.» 288 380 Vom Ich zum Autor 284 B umke (1997), S. 87. 285 H ubrath (1999), S. 238. 286 J anota (1998), S. 69 (Kursivierung von J anota ). 287 J anota ebd., S. 73. 288 H.-J. S chiewer (2005), S. 40. Auch T ervooren (1995), S. 197 betont, dass die überlieferten Namen «zunächst nur als Etiketten oder Zuschreibungen durch die Tradition zu werten [sind].» IV Zusammenfassung und Ausblick Das ›Fließende Licht der Gottheit‹ wurde, wohl in den Jahren zwischen 1250 und 1283, von Mechthild von Magdeburg in der Sprache ihrer Heimat aufgezeichnet. Dieses mnd. [mittelniederdeutsche] Original ist nicht erhalten. Auf uns gekommen ist das Werk allein in lateinischer Übersetzung und oberdeutscher Übertragung. So lauten die Anfangszeilen der Prolegomena zu der von H ans N eumann im Jahre 1990 vorgelegten textkritischen Ausgabe. Im Hinblick auf das Thema dieser Arbeit sind sie insofern von Bedeutung, als sie das Grundgerüst jenes textgeschichtlichen Modells enthüllen, das von N eumann in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt zur Grundlage der in der Folgezeit erschienenen Editionen wurde: Dieses Modell gründet auf der Annahme, es hätte einen einzigen Textarchitekten und das von ihm verfasste e i n e Original gegeben, welches zum Ausgangspunkt der lateinischen und deutschen Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ wurde. Die vorliegende Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, die Berechtigung dieser Annahme zu prüfen. Dies impliziert eine kritische Auseinandersetzung mit dem ‹ein Werk/ ein Autor›-Modell der Mechthild-Forschung. Sie erfolgt in zwei Schritten. Zunächst ging es darum, den textgeschichtlichen Status des deutschen und des lateinischen Überlieferungszweiges neu zu verhandeln und die daraus resultierenden Konsequenzen für die Verfasserfrage zu reflektieren. Methodisch galt es dabei, an die seit mehr als einem Jahrzehnt vornehmlich im Bereich der höfischen Epik und Lyrik geführte altgermanistische Diskussion anzuknüpfen, die um den Umgang mit früh- und vormoderner Textualität und den Instanzen der Textautorisation entbrannt ist. Erwartungsgemäß war meine Herangehensweise an die Frage nach der Verfasserschaft des ›Fließenden Lichts‹ in diesem Zusammenhang eine primär textgeschichtliche und produktionstechnische. In einem zweiten Schritt galt es, diese Sicht auf die Autorschaft in eine rezeptionsorientierte Perspektive zu überführen, so dass nach der ‹Buchwerdung der Schrift› die Frage nach der ‹Autorwerdung des Ich› in den Mittelpunkt gestellt wurde. Am Anfang meiner Untersuchungen stand demnach nicht die Prämisse, dass das sein Sprechen und Schreiben reflektierende Text-Ich - es handelt sich um eine der wichtigsten Textfiguren des ›Fließenden Lichts‹ - mit der uns heute als Mechthild von Magdeburg bekannten Verfasserin identisch ist, denn diese Zuschreibung ist «bereits das Ergebnis der Textgeschichte, in der die Autorfrage auf die Magdeburger Begine hin konkretisiert wird» (B urkhard H ase brink ). Dieses Verständnis von Autorschaft als Rezeptionsphänomen (die Zusammenfassung und Ausblick Zusammenfassung und Ausblick Schlagworte lauteten: ‹Autorkonkretisation› und ‹Re-Personalisierung der Autorrolle›) machte es notwendig, wie schon beim Textbegriff einen Methodentransfer zu erproben. Den Hintergrund bildete dabei die ursprünglich in der Minnesang-Forschung beheimatete, inzwischen jedoch auch auf die mystische Literatur ausgeweitete Diskussion um Autorschaft und Überlieferung. Die Hauptergebnisse der vorliegenden Arbeit lassen sich in zehn Thesen zusammenfassen (ihre Reihenfolge entspricht dem in dieser Arbeit gefolgten Gang der Argumentation): These 1: Konfrontiert man den Argumentationsgang und die Prämissen einer bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts vornehmlich an Fragen der Textgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ und der Lebensgeschichte Mechthilds von Magdeburg interessierten Forschung mit den seit Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts aufgekommenen neuen Paradigmen im Umgang mit dem Text und den dort figurierenden Sprecherrollen, so zeigt sich, dass die Prämissen, auf welche die ältere Forschung und vor allem N eumann rekurrierte, um eine Autorin (auch und gerade gegen anderslautende Aussagen des Textes) aus der Taufe zu heben und diese mit einem sowohl vom Erlebnisgehalt als auch vom textkritischen Wert her als authentisch geltenden Text auszustatten, ihre frühere Selbstverständlichkeit weitgehend eingebüßt haben. Dessen ungeachtet blieb das von N eumann geprägte Bild von der Verfasserschaft und dem Status des überlieferten Textes weitgehend unangefochten. These 2: Die vorliegenden Editionen des ›Fließenden Lichts‹ gründen auf dem Postulat, es hätte das eine, dem deutschen und dem lateinischen Überlieferungszweig (›Lux divinitatis‹) gemeinsame Original gegeben, das trotz des zeitlichen und räumlichen Abstands zum angenommenen Ort (Magdeburg/ Helfta) und Zeitpunkt der Textgenese (zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts) sowie eines Mitte des 14. Jahrhunderts vollzogenen Sprachwechsels (vom Mittelniederdeutschen ins Alemannische) in einer Einsiedler Handschrift aus der Mitte des 14. Jahrhunderts weitgehend in der von Mechthild intendierten Form vorliegt. Diese Einschätzung des text- und überlieferungsgeschichtlichen Befundes ebnete Editionen den Weg, die die überlieferte, mit Mechthilds Werk als weitgehend identisch angesehene Textgestalt je nach Standpunkt entweder dem angenommenen Original annähern (N eumann ) oder in ihrer rezipierten Form dokumentieren wollen (V ollmann -P rofe ). These 3: Die in den letzten 25 Jahren fragwürdig gewordenen Prämissen, die der älteren Forschung dem Erweis der auktorialen Souveränität Mechthilds und der textlichen Integrität des Überlieferten dienten, sowie die Unabwägbarkeiten, mit denen die Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹ belastet ist, machen notwendig, den Autor- und Textbegriff der Mechthild-Forschung neu zu diskutieren. Wichtig ist dabei, dass der textgeschichtliche Befund erlaubt, diese Diskussion vor dem Hintergrund der sich in der germanistischen Mediävistik seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts anbahnenden (Stich- 382 Zusammenfassung und Ausblick wort: überlieferungsgeschichtliche Methode), seit den Neunzigern intensivierten (Stichwort: New Philology) und mit den Arbeiten von J oachim B umke , allen voran seinem Buch über «Die vier Fassungen der Nibelungenklage» (1996), in die entscheidende Phase eingetretenen Diskussion um die adäquate Beschreibung des Status mittelalterlicher Textualität zu führen. These 4: Die Untersuchungen zur frühen Text- und Überlieferungsgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ führen den Prozesscharakter der Textgenese vor Augen und lassen darauf schließen, dass der Text zu dieser Zeit ähnlich «fieberhaft» (P aul -G erhard V ölker ) abgeschrieben wurde wie einige Jahrzehnte später die alemannische Übertragung im süddeutschen Raum. Anlässlich dieser intensiven und schon früh einsetzenden Abschreibetätigkeit dürfte es zur Ausbildung von zwei Textversionen gekommen sein, die zum Ausgangspunkt des deutschen und des lateinischen Überlieferungszweiges wurden. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass sich in der ›Lux divinitatis‹ womöglich mehrere textgeschichtliche Schichten überlagern: Manche von ihnen sind jüngeren Ursprungs und datieren in die Zeit, als die Übertragung der mittelniederdeutschen Vorlage ins Lateinische (im Dominikanerkloster in Erfurt? ) erfolgte, andere dagegen können einem älteren Textzustand angehören und der deutschen Übersetzungsvorlage entnommen worden sein. Das Verhältnis der in den beiden Überlieferungszweigen des ›Fließenden Lichts‹ dokumentierenden Textausprägungen zueinander kann dabei textgenetisch entweder als ein Nebeneinander (zwei materialiter vorliegende ‹Originale›) oder als ein Nacheinander (ein mehrschichtiges Original) definiert werden. Wie dem auch sei, haben wir es hier wie dort mit eigenständigen Textausformungen zu tun, die, anders als bislang angenommen, nicht auf einen Ideal-Text, auf das vermeintlich e i n e Original, vereinheitlicht werden dürfen. These 5: Angesichts einer bis in die Lebzeiten Mechthilds zurückreichenden «Arbeit am Text» (J an -D irk M üller ) und der nicht unbegründeten Annahme einer auf mehrere Instanzen verteilten Textproduktion empfiehlt es sich, von autornaher Überlieferung im Sinne von J oachim B umke zu sprechen, lässt sich doch der textkonstitutive Anteil der im nachhinein mit Mechthild identifizierten Autorin nicht von dem anderer Akteure unterscheiden. These 6: Der von B umke entwickelte Ansatz, der den Autor «auf sozusagen handfest empirisch-philologische Weise […] zur jedenfalls historisch uneinholbar gewordenen Kategorie erklärt» (P eter S trohschneider ), reicht nicht aus, um die Text- und Überlieferungsgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ adäquat zu beschreiben, denn diese kennt auch die Instanz des Autors, wurde doch das ›Fließende Licht‹, genauer gesagt, seine lateinische Übersetzung, im Spätmittelalter unter der Vorgabe rezipiert, dass es sich um die von Mechthild eigenhändig niedergeschriebenen Offenbarungen handelt. Daher empfiehlt es sich, Autorschaft auch als Rezeptionsphänomen anzugehen. Zusammenfassung und Ausblick 383 These 7: Die Etablierung Mechthilds als Autorin erfolgt im Akt der Rezeption durch Zuschreibung und verdankt sich der Vernetzung unterschiedlicher textinterner Aussagen, die über das in verschiedenen Situationen des Sprechens und Schreibens figurierende Text-Ich gemacht werden. These 8: Die lateinische Übersetzung liefert einen in der Mechthild-Forschung erstaunlicherweise bislang übersehenen Beleg für jenes in der spätmittelalterlichen Rezeption der höfischen Epik und Lyrik häufig beobachtete Phänomen, das man «Personalisierung des Autors» (H ugo K uhn ) bzw. «Biographisierung der Autorrolle» (R üdiger S chnell ) nennt. Im Falle der ›Lux divinitatis‹ meint dies eine Vorgehensweise, die das Geschriebene auf das Agieren und Erleben der textintern entworfenen und in der Überlieferung zu soror mehtildis personalisierten Autorfigur transparent werden lässt, indem die Autorstimme einer geschlechtsspezifisch-konkretisierenden Deutung (‹gendered voice›) unterzogen wird. Diese Personalisierung ebnete den Weg für die in der spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Rezeption (vor allem der lateinischen Übersetzung) immer wieder zu beobachtende Hagiographisierung der Mechthild-Figur (denkbar ist auch eine Kontaminierung mit Mechthild von Hackeborn, die stets mit dem Zusatz sancta auftritt). These 9: Die Konkretisierung der Autorfrage auf Mechthild findet in der Überlieferung des ›Fließenden Lichts‹, genauer, der ›Lux divinitatis‹ statt, obwohl es textinterne Aussagen gibt, die eine auf mehrere Instanzen verteilte Textgenese suggerieren. Daher überrascht es nicht, auf Belege für ein rezipientenseitiges Interesse für d a s Original in der spätmittelalterlichen Rezeption der ›Lux divinitatis‹ zu stoßen. Dabei ist im Hinblick auf die aktuelle Diskussion um die Frage nach der Identität eines mittelalterlichen Textes interessant, dass der Originalitätsanspruch an die Wörtlichkeit des Überlieferten gebunden und durch Kontamination mit dem als Original angesehenen deutschen Text rekonstruiert wird. Offenbar bewirkt die ‹sakralisierende› Personalisierung des in verschiedenen Situationen des Sprechens und Schreibens figurierenden Text-Ich zur Autorfigur Mechthild (s. These 8) eine Auratisierung des Wortlauts. These 10: Die Beobachtungen zur frühen Text- und Überlieferungsgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ und der Stellenwert von Autorschaft in der Rezeption der ›Lux divinitatis‹ bestätigen die These von H ans -J ochen S chiewer , wonach der Autor «keine Authentisierungsinstanz» ist, wohl aber «eine Autorisierungs- und Auratisierungsinstanz.» Will man trotz der Schwierigkeiten, die die Identifizierung der genuinen Autorstimme im «Rauschen der Überlieferung» (M ar tin B aisch ) impliziert, Stellung zur Autorschaft des ›Fließenden Lichts‹ speziell aus produktionstechnischer Sicht beziehen, so sollte man von einem erweiterten Begriff von Autorschaft ausgehen, der die Möglichkeit einer auf mehrere Instanzen verteilten Textgenese zulässt. Aus rezeptionsgeschichtlicher Perspektive dagegen empfiehlt es sich, an Mechthilds Autorschaft festzuhalten, 384 Zusammenfassung und Ausblick firmiert doch das ›Fließende Licht‹ bzw. seine lateinische Übersetzung in weiten Teilen der spätmittelalterlichen Überlieferung unter dem Namen der werkintern in unterschiedlichen Situationen des Sprechens und des Schreibens präsentierten und im Nachhinein mit Mechthild identifizierten Textfigur. Aus den in der vorliegenden Arbeit gemachten Beobachtungen zur frühen Textgeschichte des ›Fließenden Lichts‹ ergeben sich Konsequenzen für den editorischen und interpretatorischen Umgang mit der Einsiedler Handschrift, dem nach wie vor einzig vollständigen Textzeugen des ›Fließenden Lichts‹, die hier kurz angesprochen werden sollen. Zunächst zu den editorischen Konsequenzen: Die Möglichkeit, dass der ›Lux divinitatis‹ eine Handschrift des ›Fließenden Lichts‹ vorgelegen haben kann, die eine von der im süddeutschen Raum verbreiteten Version in Textbestand, Textfolge und Textformulierung partiell abweichende Textgestalt bot, zwingt zu einem im Vergleich zum bisherigen Usus restriktiveren Umgang mit der lateinischen Übersetzung bei Fragen der Emendation. So wäre neu zu überdenken, ob es berechtigt ist, «unechte Zusätze» (E rnst B ecker ) der ›Lux divinitatis‹ in den deutschen Text mit der Begründung aufzunehmen, dass dieser unvollständig sei. Eine solche Vorgehensweise wäre vor dem Hintergrund der vorliegenden Arbeit nur dann erlaubt, wenn die entsprechende lateinische Stelle für den Text der Vorlage verständnisnotwendig ist, nicht jedoch wenn der Kontext der Einsiedler Handschrift «anderweitig» (B ecker ) eine Auslassung erkennen lässt. In diesem letzten Fall riskiert man, dass Unterschiede, die zwischen zwei Versionen im Textbestand bestehen, eingeebnet werden. Auch nicht übernommen werden dürfen Kolonreime und parallele Satzstrukturen, die vom lateinischen Text her gesehen der deutschen Überlieferung abhanden gekommen zu sein scheinen. Der Grund dafür ist diesmal nicht die Gefahr der Fassungskontamination. Eher müssen wir, wie in Kap. I.2 (S. 48f.) gezeigt, damit rechnen, dass die lateinischen Übersetzer den Kolonreim bzw. die Parallelitäten auch dort hergestellt haben können, wo diese im deutschen Text nicht anzutreffen sind, aber zu erwarten wären, setzt man eine auf Formstrenge bedachte Autorin an. Das Gleiche wäre im Übrigen auch bei den Handschriften der deutschen Parallelüberlieferung immer in Erwägung zu ziehen, sofern diese über E hinausgehend Kolonreime und Satzparallelitäten aufweisen. Trotz dieser Einschränkungen bleibt die ›Lux divinitatis‹ ein wichtiges Korrektiv zum deutschen Text, denn sie allein bietet Parallelüberlieferung bei etwa der Hälfte der Kapitel. Eingriffe in den deutschen Text auf der Grundlage der lateinischen Übersetzung sind bei all diesen Kapiteln nur dann statthaft, wenn der erstere überlieferungsbedingte Korruptelen aufweist, die das Textverständnis erschweren. Solche sinnentstellende Fehler können aufgrund der lateinischen Parallelüberlieferung behoben werden, sofern diese nah am deutschen Text bleibt (ist dies nicht der Fall, so muss man, wie in Kap. II.2.1 und 2 ge- Zusammenfassung und Ausblick 385 zeigt, mit einem von E abweichenden Wortlaut in der Übersetzungsvorlage der ›Lux divinitatis‹ rechnen). Eine solche Vorgehensweise findet ihre Berechtigung darin, dass wir für die der deutschen und lateinischen Überlieferung gemeinsamen Bücher I-VI einen Basistext (F x , vgl. S. 268, Diagramm 4 und die dazugehörigen Ausführungen) ansetzen können, einen Grundtext, der sich allerdings infolge einer noch zu Lebzeiten Mechthilds andauernden Arbeit am Text, an der mehrere Instanzen (ein oder mehrere Schreiber, ein oder mehrere dominikanische Beichtväter/ Redaktoren bzw. Mechthilds Helftaer Mitschwestern) beteiligt gewesen sein können, in zwei überlieferungswirksam gewordenen Versionen ausdifferenziert hat, ohne dass wir in der Lage wären, festzustellen, welchen Anteil Mechthild an den einzelnen Versionen hatte. Dies hat Konsequenzen für den interpretatorischen Umgang mit dem Text: Wenn sich Mechthilds Rolle innerhalb der am Werk tätigen personalen Instanzen nicht mit Sicherheit bestimmen lässt, so wird methodisch zunehmend problematisch, das Geschriebene als einen literarisch wie auch immer überformten Ausdruck von Mechthilds Gedanken- und Erfahrungswelt zu lesen. Dies betonen auch Untersuchungen, die, wie die vorliegende Arbeit, mit dem emphatischen Begriff vom Autor als einer «das Textmaterial zentrierenden und organisierenden Kohärenzfigur» (M artin B aisch ) kritisch auseinandersetzen. So erklärt J oachim B umke den Autor, unter dessen Namen die Texte der höfischen Epik überliefert sind, zu einer Instanz, die infolge der Alterität der Entstehungsbedingungen und Produktionsformen dieses Segments mittelalterlicher Literatur über keinerlei hermeneutische Relevanz mehr verfügen kann. 1 Die Alterität der Produktionsformen gilt indes nicht nur für den höfischen Roman, sondern auch für eine Reihe von Texten, die unter dem Begriff ‹Frauenmystik› subsumiert werden. Neuere Untersuchungen, die die in den Texten dieser von B ernard M c G inn so genannten «neuen Mystik» 2 angesprochenen kollektiven, jedenfalls kooperativen Entstehungsumstände reflektieren, haben zu einer desillusionierten, aber problembewussteren Einschätzung der Autorschaft dieser Texte geführt. So betont U rsula P eters angesichts der von ihr aufgedeckten Entstehungsumstände des Christine-Ebner-Corpus, «daß hier nur bedingt nach der Selbstpräsentation, nach Darstellungsformen und Intentionen einer Autorin gefragt werden kann.» 3 Auch das von M argarete H ubrath an einem einzelpersönlichen Offenbarungstext wie dem ›Liber specialis gratiae‹ Mechthilds von Hackeborn entwickelte «open concept regarding the author» 4 führt dazu, dass man «nicht mehr einfach von Mechthilds Visionen reden [kann], wenn man das, was der ›Liber‹ zur Entstehung mitteilt, 386 Zusammenfassung und Ausblick 1 B umke (1996a), S. 87ff. Vgl. auch S trohschneider (1998), S. 110 und B ein (2002b), S. 98. 2 M c G inn (1999), S. 24. Zustimmend und weiterführend K eller (2000), S. 205ff. und E mmelius (2004). 3 P eters (1984), S. 225. Ähnlich äußert sich B ürkle (1999), S. 246 zu dem von G rubmüller (1969) als das Produkt eines Kollektivs von Autorinnen definierten, von der Forschung jedoch als das Werk der Elsbeth Stagel gelesenen ›Tösser Schwesternbuch‹. 4 H ubrath (1999), S. 238. ernstnimmt und wie Hubrath mit dem im 13. Jahrhundert etablierten Verständnis von Autorschaft konfrontiert.» 5 Ähnlich ernst zu nehmen sind die im ›Fließenden Licht‹ verstreut vorkommenden, in ihrer Bedeutung von der älteren Forschung allerdings heruntergespielten Hinweise auf eine auf mehrere Instanzen verteilte Textproduktion, ein Genesemodell, das durch Beobachtungen zur frühen Text- und Überlieferungsgeschichte plausibilisiert werden kann. Daher grenzt es an einen «quasi religiöse[n] Glaube[n]» 6 , wenn man trotz eingestandener text- und überlieferungsgeschichtlicher Unabwägbarkeiten an der durch Mechthilds Autorschaft verbürgten Authentizität des ›Fließenden Lichts‹ festhält und den Text auf diese Weise für eine subjektzentrierte Lektüre reserviert. Wenn auch das «Rauschen der Überlieferung» (M artin B aisch ) die Frage nach der genuinen Autorstimme als eine methodisch heikle Angelegenheit erscheinen lässt, kann dasselbe für die Diskurse über die Autorstimme doch aufschlussreich sein und dies vor allem, wenn sich diese Diskurse auf die Textkonstitution auswirken und sich in die Überlieferung einschreiben. Daher ist der Blick auf die Handschriften nicht nur wegen der Konstitution eines kritischen Textes und der Rekonstruktion der Überlieferungswege bedeutsam: Er kann auch für die Frage nach den in der Überlieferung dokumentierenden historischen Mechthild-Lektüren von Relevanz sein, die den Gegenstand weiterführenden Untersuchungen bilden könnten. 7 Freilich kann von Mechthild-Lektüren in einem historischen Sinn nur dort die Rede sein, wo eine markierte Mechthild-Rezeption vorliegt. 8 Eine solche Rezeption ist in der deutschen Überlieferung nur im Fall der Colmarer Handschrift anzutreffen, während sich im Einsiedler Kodex eher frühere Versuche dokumentieren, den Autornamen zu dechiffrieren. Vielversprechender im Hinblick auf die Erarbeitung historischer Mechthild-Lektüren sind die Handschriften der ›Lux divinitatis‹, partizipieren sie sich doch an der im lateinischen Text erfolgten ‹sakralisierenden› Re-Personalisierung der textinternen Autor-Figur zur textexternen Autorin Mechthild, indem sie diese durch die bewusste Setzung des Autornamens perpetuieren (s. These 8 und 9). Infolge solcher Art markierten Mechthild-Lektüren wird das ›Fließende Licht‹ bzw. seine lateinische Übersetzung geradezu zu einem ‹kanonischen› Text, 9 der dieses Charisma bis in die gelehrte Auseinandersetzung der Moderne und der Gegenwart bewahrt. Zusammenfassung und Ausblick 387 5 R uhrberg (2000), S. 166. Ähnlich äußert sich B ürkle (2003) in Bezug auf einen anderen einzelpersönlichen Offenbarungstext, die ›Offenbarungen‹ der Margaretha Ebner. 6 N isters (1997), S. 29. 7 Dabei sollten sowohl die Textauswahl und die jeweiligen Textbearbeitungstechniken, als auch die kodexinterne und -externe Mitüberlieferung beachtet werden. Zur Ausdehnung des Überlieferungszusammenhanges von der kodexbezogenen Mitüberlieferung auf den Bibliothekszusammenhang s. S chnell (1985) und L öser (2002). 8 Zu dieser Problematik in der Eckhart-Überlieferung s. H asebrink (1996), S. 213 und jetzt G ottschall (2009). 9 Inzwischen avancierte das ›Fließende Licht‹ sogar zu Weltliteratur, vgl. D amrosch (2003). V Anhang V.1 Vermeintliche Rezeptionszeugnisse des ›Fließenden Lichts‹ I Um die schriftstellerische Tätigkeit der Teresa von Avila zu rechtfertigen, stellt Jerónimo Grácián, der Beichtvater von Teresa und Herausgeber ihrer Hohelied-Meditationen, sie in eine Reihe mystisch begnadeter Frauen. Erwähnt wird neben Hildegard von Bingen, Birgitta von Schweden, Elisabeth von Schönau und Katharina von Siena eine Santa Mechthildis. 1 K laus R einhardt war der Ansicht, die hier genannte Heilige mit Mechthild von Magdeburg identifizieren zu können. 2 E lke S enne machte als erste die Mechthild- Forschung auf das Zeugnis des Grácián aufmerksam, 3 eine Ansicht, die auch von S ara S. P oor übernommen wurde. 4 Es lässt sich jedoch mit einiger Sicherheit sagen, dass Grácián höchstwahrscheinlich nicht die heute als Mechthild von Magdeburg bekannte Mystikerin, sondern ihre Helftaer Mitschwester, Mechthild von Hackeborn, im Sinn hatte. Dies legt sein ausdrücklicher Hinweis auf den ›Liber trium virorum et trium spiritualium virginum‹ des Jacobus Faber Stapulensis (Erstdruck: Paris 1513) nahe. In diesem in der Folgezeit überaus populär gewordenen Druck ist außer dem ›Liber Scivias‹ Hildegards von Bingen und einer Sammlung von Schriften Elisabeths von Schönau - beide werden, wie gesagt, bei Grácián genannt - der ›Liber specialis gratiae‹ Mechthilds von Hackeborn enthalten. 5 II K urt R uh hat im vierten Band seiner Mystik-Geschichte auf ein Exempel aufmerksam gemacht, das sich im Traktat ›De weg van de ezel‹ der niederländi- 1 Vgl. Conceptos del amor de dios escritos por la beata Madre Theresa de Jesus sobre algunas palabras de los Cantares de Salomon. Con vnas annotaciones del Padro M. Fray Geronyme Gracian de la Madre de Dios Carmelitano, Prolog A2-3. Ich habe die Brüsseler Ausgabe von 1612 der BSB München (Signatur: Asc. 4870) eingesehen. 2 Vgl. K. R einhardt (1998), S. 114f. 3 Vgl. S enne (2002), S. 11, Anm. 37, S. 12, Anm. 45 und S. 36, und wieder S enne (2003), S. 158f., Anm. 53 bzw. (2004), S. 143, Anm. 15. 4 P oor (2004), S. 178. S. dazu N emes (2006), S. 8, Anm. 21. 5 S. dazu R ice (1971), S. 112-115. Anhang Vermeintliche Rezeptionszeugnisse des ›Fließenden Lichts‹ schen Mystikerin Alijt Bake aus Gent (ca. 1415-1455) findet. 6 Hier ist von einer Klausnerin (! ) Machtelt die Rede, die vom Herrn mit vielen Visionen begnadigt wurde, doch von ihm vernehmen musste, dass eine Schwester in ihrer Nachbarschaft lebte, «die allzeit in Arbeit und im Leiden stand und keine Visionen von Gott empfing», aber dem Herrn mehr behagte als sie. R uh hält es für eine «zwingende Folgerung», 7 die Akteure dieses Exempels mit den Magdeburger mulieres religiosae Mechthild und Margareta Contracta zu identifizieren, fehlen doch bei der Inkluse Margareta Berichte über Ekstasen und Visionen, Entrückungen in den Himmel und ins Fegefeuer gänzlich, während sie bei Mechthild eine wichtige Rolle spielen. Diese Ansicht von R uh wurde von der neueren Forschung unhinterfragt übernommen. So rekurriert S ara S. P oor auf sie, um die weit bis ins 15. Jahrhundert reichende Autorität Mechthilds von Magdeburg «as a teacher of or an exemple for other women» 8 zu erweisen. Auch A nneke B. M ulder -B akker hält es für selbstverständlich, dass die namenlose Schwester des Exempels Margareta Contracta ist, da doch die genannte Klausnerin Machtelt mit Mechthild von Magdeburg zu identifizieren sei. 9 M ulder -B akker ist sogar der Ansicht, Mechthild und Margareta hätten sich gekannt, ist doch mit der in FL V.5 genannten Begine Margareta gemeint. 10 Ja, mehr noch: Auch Hadewijch soll in ihrer ›Liste der Vollkommenen‹ die beiden Magdeburger Religiosen genannt haben und zwar dort, wo sie von den beiden perfectae von der anderen Seite des Rheins berichtet. 11 R uh ist zuzustimmen, wenn er schreibt, die Kenntnis Margaretas durch Alijt stelle kein Problem dar, da ihre Vita fast zur Gänze in den Niederlanden verbreitet worden war. 12 Dass Alijt Margareta tatsächlich kannte, ist daran zu sehen - und das ist R uh entgangen -, dass sie im Traktat ›De lauteringsnacht 390 Anhang 6 Vgl. R uh (1999a), S. 264 und (2004), Sp. 790. R uh beruft sich auf die zusammenfassende Nacherzählung des Exempels durch S paapen (1968), S. 30. 7 R uh (1999a), S. 265. Ähnlich R uh (2004), Sp. 790. 8 P oor (2004), S. 82 und 84. 9 Vgl. M ulder -B akker (2005), S. 162f. und 172. Falsch ist die (nicht belegte) Behauptung: «Beguines did, in fact, live in the fields outside Magdeburg, near the St. Gertrude Chapel, before Archbishop Albrecht moved them into the Agnes convent in the Neustadt around 1230.» S. dazu S. 323ff. oben. 10 Vgl. M ulder -B akker ebd., S. 162. 11 Vgl. M ulder -B akker ebd., S. 260, Anm. 64. Zu der Textstelle s. W illaert (1996), S. 163 bzw. H ofmann (1998), S. 170. 12 Vgl. R uh (1999a), S. 265 und (2004), Sp. 790 sowie S cheepsma (2008b), S. 89. Zur handschriftlichen Überlieferung der Vita s. P. G. S chmidt (1992), S. XV-XVIII. Ergänzend dazu: Köln, Hist. Archiv der Stadt, G. B. 8° 55, fol. 30 r -31 r (De accidia [sic! ] ex vita sancte margarete contracte Spirituales homines accidiam sepe habent …). Bemerkenswert ist, dass die Handschrift auch Exzerpte aus den Offenbarungen der sancte bzw. beate mechtildis (von Hackeborn) überliefert (fol. 31 r , 31 v und 49 v -50 r ), s. M enne (1937), S. 477 und 478. Auf eine Kurzfassung der Margareta-Vita (entstanden im Brabanter oder Lütticher Raum) macht P.-G. S chmidt (2007) aufmerksam. van de actie‹ namentlich genannt wird: Hierin ist von S. Margriete de lamme die Rede. 13 Trotz dieser Belege, die für die Kenntnis Margaretas durch Alijt sprechen, überzeugt der Versuch von R uh nicht, die im referierten Exempel genannte, dort allerdings anonym bleibende Schwester mit Margareta zu identifizieren. Nicht weniger problematisch ist die Gleichsetzung der Klausnerin Mechthild mit der in der spätmittelalterlichen Rezeption als Begine oder als soror wahrgenommenen Mechthild von Magdeburg. R uh argumentiert wie folgt: «Daß Mechthild zur selben Zeit [wie Margareta] in Magdeburg lebte, erklärt sich wohl schlichtweg aus ihrem Namen.» 14 Dieses Argument scheitert zum einen daran, dass es keinen erkennbaren Grund gibt, in der anonymen Mitschwester der Klausnerin Machtelt Margareta Contracta zu sehen, zum anderen an der Tatsache, dass Mechthilds Beiname ‹von Magdeburg› nicht mittelalterlich ist, sondern erst mit der Editio princeps von 1869 eingeführt wurde. 15 Die These hat - wie R uh selbst zugeben muss - außerdem eine «kleine Crux» 16 : Uns ist nichts über die Aufnahme des ›Fließenden Lichts‹ oder seiner lateinischen Übersetzung im Nordwesten bekannt. III Um zu belegen, dass nur der Schlüssel der sapientia den verschlossenen Mund öffnen kann, beruft sich Cornelius a Lapide SJ (1567-1637) auf die Angaben einer von Engelhard verfassten Mechthild-Vita (Kap. 5). Laut dieser Vita lebte S. Mechtildis das mystische Schweigen so hingegeben, dass man sie für stumm Vermeintliche Rezeptionszeugnisse des ›Fließenden Lichts‹ 391 13 Vgl. S paapen (1968), S. 398. S paapen will in der hier genannten Margriete die Dominikanerterziarin Margareta von Metola aus Umbrien (gest. 1320) sehen, von der berichtet wird, sie sei verkrüppelt und blind gewesen. Allerdings weist S paapen darauf hin, dass eine Margriete de Kreupele großes Ansehen in den Niederlanden genoss und selbst die Ruusbroec-Gesellschaft eine «alte Lebensbeschreibung» von ihr besitze (ebd., S. 398, Anm. 59). Dass diese Margareta mit der Magdeburger Rekluse identisch ist, hat S paapen übersehen. Die von S paapen genannte Margareta Contracta-Handschrift der Ruusbroec- Gesellschaft scheint bei P.-G. S chmidt (1992), S. XV-XVIII nicht verzeichnet zu sein. 14 R uh (1999a), S. 265 und (2004), Sp. 790. 15 Vgl. M orel (1869), S. XXIV. In dem genannten Traktat ›De lauteringsnacht van de actie‹ wird unter den vriendinnen Gods außer S. Margriete de lamme und Katharina von Siena auch eine S. Machtildis genannt, doch handelt es sich wieder einmal nicht um Mechthild von Magdeburg, sondern um diejenige von Hackeborn, s. S paapen (1968), S. 398, Anm. 58. In der Tat war Mechthild von Hackeborn wie Margareta Contracta in den Niederlanden namentlich bekannt, was an den zahlreichen Handschriften des ›Liber‹ ablesbar ist, die aus dem niederländischen Raum überliefert sind, s. dazu Z ieger (1974), S. 31-58, und M. S chmidt (1987), Sp. 257. Zu den von Z ieger und M. S chmidt genannten Handschriften kommen folgende hinzu: Darmstadt, Hessische Landes- und Hochschulbibliothek, Cod. 971; Cambrai/ Kamerijk, BM, Cod. 749; S-Gravenhage, KB, Cod. 135 F 5 und 73 G 29; Utrecht, UB, Cat. 246 und 247, Wien, ÖNB, Cod. 4224 und Series Nova 12865 sowie Parkminster, St. Hugh’s Charterhouse, Cod. dd 21 (C 104). 16 R uh (1999a), S. 265. hätte halten können. 17 U we R uberg meint die hier genannte S. Mechtildis mit Mechthild von Magdeburg identifizieren zu können. 18 Ihm schloss sich A lois M. H aas an. 19 Die Identifikation trifft trotzdem nicht zu, denn in Wirklichkeit spielt Cornelius a Lapide auf die ›Vita Mechtildis Diessensis‹ des Zisterziensers Engelhard von Langheim/ Ebrach (entstanden um 1200) an. 20 IV R olf H ünicken behauptet Auswirkungen des ›Fließenden Lichts‹ bis nach Ostpreußen. So soll sich das Buch ›Von siben ingesigeln‹ des Tilo von Kulm nicht nur gedanklich, sondern «an zahlreichen Stellen wörtlich» 21 mit Mechthilds ›Fließendem Licht‹ decken. Ähnlich spricht C hristian K rollmann von «unmittelbaren Beziehungen» 22 zwischen Tilo und Mechthild. Diese, vor allem bei H ünicken ideologisch motivierte Ansicht, bei der es um den Nachweis kultureller Zugehörigkeit der östlichen Kolonialgebiete zum deutschen Kernland geht, ist auf P hilipp F unk zurückzuführen. 23 Die von ihm eingebrachten Allusionen und angeblichen Parallelstellen sind jedoch wenig aussagekräftig und beweisen keineswegs eine unmittelbare Abhängigkeit zwischen den beiden Texten. Angesichts der Fülle von Autoren und Werken, deren Kenntnis die Forschung Tilo unterstellt hat, empfiehlt sich äußerste Zurückhaltung. 24 Dasselbe gilt auch für die angeblichen literarischen Beziehungen zwischen der Dorothea-Vita des Johannes von Marienwerder und dem ›Fließenden Licht‹. 25 Denn die Kenntnis dieses Textes bzw. seiner lateinischen Übersetzung ist weder unmittelbar (durch Handschriften) 26 noch mittelbar (durch sekundäre Rezep- 392 Anhang 17 [Silentium significat] Moraliter, disce hic quanta sit virtus silentii, quam etiam on coelo servant, et nobis commendant Beati: de qua virtute multa dixi Isaiae cap. xxx,15 et cap. xxxii, vers. 17, et Threnor. III,26. Quocirca «S. Mechtildis silentium tantum indixerat sibi, ut mutam crederes: si vero loqueretur, cum angelo te conferre putares,» ait Engelhardus in ejus Vita, cap. V.; quae proinde, ut indem narrat, cum quadam vice et inadvertenter verbum otiosum excidisset, illud diu multis lacrymis ez poenis castigavit, s. Cornelius a Lapide, Commentaria in Scripturam Sacram Bd. 21, Paris 1866, Sp. 186ab. Auf diese Stelle rekurriert auch A ndreas S panner , Polyanthea sacra, Bd. 2, Augsburg 1739, Sp. 652a. 18 Vgl. R uberg (1978), S. 117. Cornelius erwähnt die heilige Mechthild auch an anderen Stellen seines riesigen Bibelkommentars, und zwar in Bd. 6, Sp. 519a; Bd. 17, Sp. 169b und Bd. 20, Sp. 324a, s. R uberg ebd., S. 117, Anm. 110. 19 Vgl. H aas (1989), S. 221. 20 S. dazu O ppel (1979), Sp. 553f. 21 H ünicken (1941), S. 209. 22 K rollmann (1933), S. 88. 23 Vgl. F unk (1927), S. 77f., Anm. 3. 24 So M asser (1995), Sp. 934. 25 Vgl. H örner (1993), S. 466-504 und V ollmann -P rofe (2007a). 26 Vgl. P äsler (2005) sowie M entzel -R euters (2007) und (2008). tionsdokumente, wie etwa den ›Cherubinischen Wandermann‹ des Angelus Silesius, s. Nr. VI) im Raum östlich der Oder bezeugt. 27 V S ara S. P oor macht auf eine Vision der Magdalena Beutlerin (1407-1458) aufmerksam, in der berichtet wird, Magdalena wären die beiden heiligen Jungfrauen Hildegard und Mechthild erschienen. P oor ist der Ansicht, Magdalena hätte Mechthild von Magdeburg gemeint. 28 Dies ist aber nicht sehr wahrscheinlich. Denn zu dem Visionärinnenpaar Hildegard und Mechthild gehörte nicht diejenige von Magdeburg, sondern ihre Helftaer Mitschwester, Mechthild von Hackeborn. Dies kann außer dem oben angeführten Zeugnis Gráciáns und dem ›Liber trium virorum et trium spiritualium virginum‹ des Jacobus Faber Stapulensis (s. Nr. I) der Handschrift Mainz, StB, Hs I 330 entnommen werden: In dieser Handschrift gesellt sich zu Hildegard von Bingen und Mechthild von Hackeborn die andere bekannte Helftaer Mystikerin Gertrud. 29 VI In seinem Artikel über Angelus Silesius vermerkt F ranz -J osef S chweitzer , Mechthild von Magdeburg werde im ›Cherubinischen Wandermann‹ epigrammatisch anzitiert. 30 Die Epigramme III.45-46 sind an eine H. Mechtildis adressiert. Gemeint ist jedoch wohl Mechthild von Hackeborn. 31 VII M arc -A eilko A ris macht in seiner Kleinmonographie zur Rezeption der Schriften Hildegards von Bingen bei den Kartäusern auf die Mainzer Handschrift I 330 aus der dortigen Kartause aufmerksam. Diese soll auf Bl. 49-153 das ›Fließende Licht‹ Mechthilds von Magdeburg überliefern. 32 Das trifft je- Vermeintliche Rezeptionszeugnisse des ›Fließenden Lichts‹ 393 27 Was allerdings insofern verwundert, als die Nachricht über Jutta im ›Fließenden Licht‹ auf dominikanische Vermittlung zurückgehen könnte, s. dazu S. 138, Anm. 171 und 172 oben. 28 Vgl. P oor (2004), S. 82 und 84. Der Bericht findet sich in der Handschrift Mainz, StB, Hs II 16, fol. 152 v (von 1491). In die Handschrift Freiburg, UB, Cod. 185 (ca. 1656/ 57) wurde die Vision nach der von S chleussner (1907), S. 204 erstellten Stellenkonkordanz nicht aufgenommen. Zu den Magdalenaviten s. demnächst D oerr (2011). 29 Vgl. L ist / P owitz (2006), S. 317-319. Laut W ieland (1973), S. 1, Anm. 4 findet man die Schriften dieser drei begnadeten Frauen auch in der Handschrift Mainz, StB, Hs I 13 (fehlt bei Z ieger 1974), die als direkte Vorlage für Hs I 330 diente. 30 S chweitzer (1998), S. 20. Ähnlich L üers (1926), S. 39. 31 Vgl. G nädinger (1984), S. 340f., Anm. zu III.45 und T obin (1995), S. 8. 32 Vgl. A ris (1999), S. 24. doch nicht zu, 33 denn wir haben es hier wieder einmal mit Auszügen aus dem ›Liber specialis gratiae‹ Mechthilds von Hackeborn zu tun. 34 VIII In seinem Schriftenverzeichnis vom Jahre 1465 vermerkt der Erfurter Kartäusertheologe Johannes Hagen, er habe aus den Schriften der heiligen Frauen Hildegard (von Bingen), Elisabeth (von Schönau), Birgitta (von Schweden), Dorothea (von Montau), Katharina von Siena und S. Mechthildis abbatisse einiges, freilich nicht viel, abgeschrieben, sie aber größtenteils vollständig, Einzelnes wiederholt gelesen: Et de quibusdam aliis revelacionibus factis feminis extraxi quedam, non tamen multa, licet pro maiori parte integra legi et quedam sepius. 35 J oseph K lapper will die von Johannes Hagen genannte Äbtissin Mechthild mit Mechthild von Magdeburg identifizieren. 36 Dies ist allerdings nur dann möglich - sieht man von der Apostrophierung ‹Äbtissin› einmal ab -, wenn wir Johannes Hagen unterstellen, dass er zwischen Visionärinnen mit demselben Namen unterscheiden konnte. Für ein solches Unterscheidungsvermögen scheint auf den ersten Blick die von Hagen verwendete Schreibweise zu sprechen, denn die revelationes der uns heute als Mechthild von Magdeburg bekannten Visionärin laufen im Erfurter Bibliothekskatalog unter dem Namen Mechtildis. Die Namensform Mechildis steht dagegen für Mechthild von Hackeborn (s. dazu S. 230f. oben). Demnach wusste zumindest der Verfasser des Bibliothekskatalogs, der mit Jakob Volradi identifiziert wird, zwischen den beiden Mechthilden zu unterscheiden. Ob auch sich Johannes Hagen des Unterschieds bewusst war, muss dahingestellt bleiben, vor allem wenn man bedenkt, dass er S. Mechthildis für eine Äbtissin hält und damit an Mechthild von Hackeborn heranrückt, die nach dem Zeugnis des ›Liber‹ zwar keine Äbtissin, aber die Schwester der damals regierenden Äbtissin von Helfta, Gertrud von Hackeborn, war. 37 Eher für die Kenntnis der Zisterzienserin von Helfta spricht im Übrigen auch eine Stelle in Hagens Traktat ›Circa visionem 394 Anhang 33 Dieses A ris unterlaufene Irrtum geht wohl auf D inzelbacher / V ogeler (1994), S. 21 zurück. S. dazu R uh (1995b), S. 357, Anm. 4. 34 Richtiggestellt von A ris selbst, s. Aris (2004), S. 179, Anm. 34. Zur Handschrift s. C arle varis / F ührkötter (1978), S. LIV-LVI und neulich L ist / P owitz (2006), Bd. 3, S. 317- 319. Diese Mainzer Handschrift ist bei Z ieger (1974) und M. S chmidt (1987), Sp. 256f. nicht verzeichnet. 35 Zitiert nach K lapper (1961), T. 2, S. 126. Von einer Handschrift, die Excerpta Indaginis ex diversis libris et auctoribus enthielt, berichtet der Bibliothekskatalog (s. L ehmann 1928, S. 428,37ff.), s. dazu S. 231f., Anm. 572 oben. 36 Vgl. K lapper (1960), T. 1, S. 78f. und (1961), T. 2, S. 177. 37 Vgl. Rev. Bd. II/ 1, Lib. VI.1, S. 373: Domina Gertrudis, Abbatissa nostra, […] hujus felicis, de qua scripsimus, Virginis secundum carnem soror exstitit. Auch die andere Helftaer Mystikerin, Gertrud von Helfta wurde in der Neuzeit immer wieder mit Gertrud von Hackeborn verwechselt, vgl. etwa S. 225, Anm. 538. Tundali‹, überliefert in der Handschrift Oxford, Bodleian Library, MS Hamilton 54 (S. C. 24476). 38 mehthildis wird hier im apologetischen Kontext (es geht um das rechte Verständnis von Visionstexten) und in einem Zug mit truta (Gertrud von Helfta) genannt (fol. 189 r ). Dabei wird (wie bei Jerónimo Grácián, s. Nr. I oben) pauschal auch auf andere visionär begnadete Frauen wie Birgitta von Schweden, Katharina von Siena, Dorothea von Montau, (Pseudo-? ) Elisabeth von Schönau, Marie von Oignies, Hildegard von Bingen hingewiesen (in diesem Zusammenhang fällt auch der Name des Bernhard von Clairvaux). Selbst wenn wir davon ausgehen, dass Hagen an die uns heute als Mechthild von Magdeburg bekannte Visionärin denkt, ist es davon auszugehen, dass er (ähnlich Urbanus Moser OCarth, vgl. S. 109f. oben) zwischen den beiden Mechthilden wohl nicht unterschieden hat. IX H elga W äss meint die bildliche Darstellung Mechthilds auf einem Epitaphaltar des Magdeburger Domes (spätes 14. Jahrhundert) zu entdecken. 39 Dazu sieht sie sich durch eine Frauenfigur in Nonnenkleidung veranlasst, die hinter einem Lesepult sitzend «eine Hand auf das aufgeschlagene Buch auf dem Pult legt, während ihre andere Hand in einem aufgeschlagenen Buch auf ihren Knien zu schreiben scheint. Von dem Buch auf dem Pult steigen flammengleich zwei Spruchbänder auf […]. Von den erwähnten Spruchbänden wird eines seitlich von einem Engel empor gehoben. Beide Bänder schlängeln sich in die Höhe dem Himmel zu, wo Christus und Maria als Himmelskönigspaar jeder eines mit einer Hand in Empfang nimmt» (Bd. 2, S. 380f.). Die Frauenfigur findet sich in der rechten unteren Hälfte des Bildes und wird von zwei Männergestalten umrahmt: «Rechts vor ihrem Lesepult kniet mit einem Buch ein Stifter […]. Neben der sitzenden Frau in Nonnenkleidung kniet betend erhobenen Händen die Gestalt eines Mannes mit Bart» (ebd.). In der linken unteren Bildhälfte wird die Geburt Christi dargestellt und zwar in Verbindung mit einer Anbetung. Die obere Hälfte umfasst außer Christus und Maria eine Reihe von Engeln. Im Zentrum steht eine männliche Gestalt, die aufgrund der Attribute, der Geißelsäule und einer Lanze als der auferstandene Christus interpretiert werden kann. W äss deutet das Bild wie folgt: «In der Frauengestalt am Lesepult wird vermutlich die Begine und Mystikerin Mechthild von Magdeburg (+ 1282 in Helfta) gezeigt […]. Sie ist in dem Retabel in das Literaturstudium versunken, während sie eine ihrer Visionen oder Gesichte niederschreibt. Die Spruchbänder sind in diesem Zusammenhang die Gedanken, welche ihr vom Himmel aus zugesandt werden, der haltende Engel leitet sie zu Mechthild herunter. Der Vermeintliche Rezeptionszeugnisse des ›Fließenden Lichts‹ 395 38 Zur Handschrift und zum Werk selbst s. P almer (1982), S. 27f. Für den Hinweis auf die Stelle danke ich Nigel F. Palmer (Oxford). 39 Vgl. W äss (2006), Bd. 1, S. 421 und Bd. 2, S. 380f. (Abb. 538). stark an den Rand gedrängte fromme Stifter wird zum Beobachter der Vision von Geburt, Anbetung und Überwindung» (Bd. 2, S. 381). Abgesehen von den offensichtlichen Wiedersprüchen, die in Bezug auf die Identität der Stifterfigur und die Darstellung der Frauengestalt (Nonne vs. Begine) zwischen Bildbeschreibung und Bilddeutung bestehen, lassen die Ausführungen von W äss offen, welche Stelle aus Mechthilds Offenbarungsbuch gemeint sein könnte. Wahrscheinlich denkt W äss an FL V.23 (allerdings fehlt hier jeder Hinweis auf den auferstandenen Christus). Man sieht sich jedoch auch aus einem anderen Grund zur Kritik veranlasst. Denn es stellt sich die Frage, ob die Darstellung der Geburt Christi in Verbindung mit einer schreibenden Frau zwingend auf Mechthild von Magdeburg hindeuten muss, zumal weder die Stifterfigur (sie bleibt anonym) noch die Spruchbänder (sie sind unbeschriftet) einer solchen Deutung Vorschub leisten. Es wäre eher an Birgitta von Schweden zu denken. 40 396 Anhang 40 Vgl. S chiller (1991), S. 402. Für den Hinweis danke ich Undine Brückner (Oxford). Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ V.2 Ungedruckte Texte aus der Teil- und Exzerptüberlieferung des ›Fließenden Lichts‹ - Mit Kurzbeschreibung der Handschriften V.2.1 Augsburg, UB, Cod. III. 1. 4° 8 (Ha) Papier • I+ 404 Bll. • 20,2-20,5 × 13,9 cm • Zisterzienserinnenkloster Kirchheim im Ries • 1464 • ostschwäbisch, stark bairisch geprägt Inhalt: Thomas Peuntner, Johannes Nider, Konrad Kügelin, Erbauliche Traktate und Kurztexte. Schreiber: Johannes K. von Bopfingen, vgl. fol. 115 r : Et sic est finis per me Johannem k. de bopfinge anno etc. lxiiii° (115 v ) … geschriben als man zalt tausent vierhundert vnd jn dem vier vnd sechczigosten am mitwochen nachst (durchgestrichen) Nachts nach dem heiligen Osterleichen tag Oder an der mitwochen in osterfeyren etc. [4. Apr. 1464], ähnliche Vermerke auf fol. 135 r : … per me johannem k. Anno etc. lxiiij°, fol. 301 v : cccc° lxiiij° per me jo. k. und fol. 352 v : Anno domini cccc° lxiiii jo. k. Provenienz: Ursprünglich im Besitz der Gräfin Agnes von Werdenberg. Von Agnes kam die Handschrift in die Hände ihrer Tochter Gräfin Magdalene von Oettingen (1424-1502), die seit 1438 als Klosterfrau und seit 1466 als Äbtissin im Zisterzienserinnenkloster Kirchheim lebte. Über sie gelangte die Handschrift in den Besitz des Klosters, vgl. Vorderspiegel Daz buch gehort gen kyrchen zü gebruch S. madalenen von öttingen Eptissin da selbs und ist fraw agneßen von werdenberg gewesen ir mütter selg und fol. 404 v von der gleichen Hand: kyrchen. Im Vorderdeckel Bleistiftsignatur von neuerer Hand: K[irchheim] 252. Nach der Säkularisation (1803) in den Besitz der Fürstlich-Oettingen-Wallersteinschen Bibliothek Harburg übergangen. Seit 1980 in der UB Augsburg. Literatur: B. S chnell (1984), S. 165-173 — K. S chneider (1988), S. 264-271 - http: / / www.handschriftencensus.de/ 4341 (B alázs J. N emes / K laus G raf , Mai 2010). Textabdruck: Mechthild-Exzerpte auf fol. 236 v -238 r (FL I.1: 18,25-20,23 [I.1,8-24], Textabdruck bei B. S chnell 1981) und fol. 239 r -242 r : FL V.27: 388,5-14 (V.27,4-11), III.24: 222,10-16 (III.24,22-27) und III.15: 194,4-23 (III.15,10-24, mit Auslassungen). Die letzten drei Textstellen wurden von K. S chneider (1988), S. 269 identifiziert und sind nicht ediert (s. N eumann 1990, S. XVI). Die Textwiedergabe erfolgt handschriftengetreu. Auf Normalisierungen wurde verzichtet. (239 r ) ›Do vnnser herr zu e himel f v r do empfieng jn der vatter‹ Bis wilkomen mein erlicher svnn nym an dich das ich selber pin Bis wilchomen mein hand an Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 397 deinen wercken Mein ere an deinen gewalt mein chrafft an deinem streitt Bis wilchomen mein lob an deinem streitt / (239 v ) Bis wilkomen mein lob an deinem gesige Mein wil an deiner wider chunfft Mein zoren an deinem gericht Mein gothait ist dein kron Dein menschait ist mein sun Vnser baider gaist ist ain will ain rat ain chrafft Dein sel ist vnnser dreyer person aller nechster gebruch | ›Sibenerlai mynne vnd liebin‹ (240 r ) Ain getrewe mynn lauffet stetticlichen zu e got Ain begerende mynn d v t dem hertzen groß nott Ain s v chende mynn ist ir selbs allain Ain bechantnuss mynn gibt sich allen creaturen gemain Ain erleuchte mynn ist mit gemenget mit traurichait der synn Ain sweigende mynn gebrauchet gottes on alle arbait Ain lauter mynn haltet sich in got stil (240 v und die Hälfte von 241 r unbeschrieben) | (241 r ) ›Von dem sacrament‹ Item gast du dem herren vor mit diem u ttigem iamer vnd mit hailiger forcht So m v ß er dir uolgen von der h o chi her nider Gastu aber jm engegen mit pl u nder begerung (241 v ) So m v ß er dir begegnen Gast du im nach mit verainigung deins willen er lat sich vinden So du zu e gottes tisch gast Die warhait r u get dich Die forcht behaltet dich Die scham gaiselt dich Die rewe betr u bt dich Die gerunge czuicht dich Die myn f u ret dich Der cristen gelaub beschrempt dich Die getrewe maynunge die beraittet dich Alle deinen g v tten werck schreyendt waffen wber dich Der gewaltig got der empfach (242 r ) dich Sein raine menschait verainiget sich mit dir Sein hailiger gaist der tr o st dich Anmerkungen: Es handelt sich nicht um eine fragmentarische Überlieferung, wie von B. S chnell (1984), S. 169 behauptet wird. 398 Anhang V.2.2 Augsburg, UB, Cod. III. 1. 4° 32 (M 2 ) Papier • 182 Bll. • 21,2-21,5 × 15,5 cm • Zisterzienserinnenkloster Kirchheim im Ries • 4. Viertel des 15. Jahrhunderts (aufgrund der Wasserzeichen) • ostschwäbisch Inhalt: Pseudo-Engelhart von Ebrach ›Das Buch der Vollkommenheit‹ (Bearbeitung C), Meister Eckhart, Tauler und weitere mystische Kleintexte. Schreiber: unbekannt, mehrere Hände (Handschrift aus zwei Teilen zusammengebunden). Provenienz: Vorbesitzereintrag auf fol. 1 v Margret von Lichen, Zisterzienserin im Kloster Kirchheim (gest. 1563), aus ihrem Besitz stammen auch Augsburg, UB, Cod. III 1 2° 37 und Cod. III 1 4° 31. Vorsatzblatt recto: Bleistiftsignatur von einer neueren Hand K[irchheim] 89. Nach der Säkularisation (1803) in den Besitz der Fürstlich-Oettingen-Wallersteinschen Bibliothek Harburg übergangen. Seit 1980 in der UB Augsburg. Literatur: K. S chneider (1988), S. 321-323 - M ayer (1999), S. 200 u.ö. - K. S chneider (2006), S. XXXVI-XXXVII - http: / / www.handschriftencensus.de/ 9543 (K laus K lein , Dezember 2009). Textabdruck: Mechthild-Exzerpte auf fol. 13 r/ v (Mosaik bestehend aus FL V.16: 350,12f. [V.16,5f.], V.29: 392,16f. [V.29,18f.] und V.33: 402,14-18 [V.33,11-14], von N eumann 1990 bei der Textkonstitution berücksichtigt, nicht ediert) und auf fol. 44 v -45 r (FL I.22: 38,21-40,19 [I.22,7-34], gedruckt von Q uint 1940, S. 82 bzw. S tammler 1948, S. 27-28 und 209). Die Exzerpte wurden bei der Edition der Pseudo-Engelhart von Ebrachschen Spruchsammlung berücksichtigt s. K. S chneider (2006), S. 17, Nr. 32 und S. 60f., Nr. 133 (Sigle Au). Die Textwiedergabe erfolgt handschriftengetreu. Normalisierungen werden nicht vorgenommen. Die wenigen Abbreviaturen sind aufgelöst. Ergänzungen in der Handschrift (von derselben Hand mit Einweisungszeichen über der Zeile eingetragen) stehen in spitzen Klammern. Die handschrifteneigene Interpunktion wird beibehalten. (13 r ) ›Wie der túfel die menschen meiliget vmb die s u nde‹ Es ist kain sünde so claïne noch so groß es sey der túfel jr genoß/ | Wann wenn der mensch einer sünden begert/ zehant seczt der túfel seinen st v l neben gottes wonung in die sele/ die er allaïne besaß/ | vnd alls dich der mensch an kainer sünden misset v t/ alls offt enpheht die sele ein túffelischen flecken vnd der túfel die sünde sicht sein geleichen an/ biß daz fleck die sele ] ber ze ] cht/ | vnd durich frisset als den rost das e ‰ sen t v t/ vnd alls der strauß sein ay an sicht/ bis es z v einem vogl wirt/ der mensch der in Jammerkait (13 v ) vnd in qual <der> versamnüsse liget/ der ist nicht volkumen sunder er ist in gross gebrechen Anmerkungen: Der letzte Satz (der mensch - gebrechen) gehört nicht mehr zum Exzerpt aus dem ›Fließenden Licht‹. Doch ist dies in M 2 wie auch in einigen anderen Handschriften der Spruchsammlung (Ka, Mü 1 und Mü 2 ) nicht weiter erkennbar, denn Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 399 der Schlusssatz wird weder abgesetzt (wie etwa in H und Mü 3 ) noch mit einem Paragraphenzeichen versehen (wie in Mü 4 ). - Auch die Vergleiche mit dem Eisen und dem Strauß sind Textbausteine, die dem ›Fließenden Licht‹ fehlen. Zum Vergleich mit dem Strauß s. V izkelety / K ornrumpf (1968), S. 305, Anm. 1. 400 Anhang V.2.3 Colmar, Bibliothèque de la Ville (olim: Bibliothèque du Consistoire de l’Église de la Confession d’Augsbourg), Ms. CPC 2137 (C) Papier • 192 Bll. • 21,5 × 14,4 cm • Hans Schedelin, Colmar (Schreiber und Besitzer) • 2. Viertel/ Mitte des 15. Jahrhunderts (aufgrund der Wasserzeichen) • elsässisch Die Handschrift wird noch einmal beschrieben, weil die von V ölker (1967) und N eu mann (1993), S. 233-238 gebotenen Beschreibungen unvollständig oder fehlerhaft sind. Zudem liegen neue Erkenntnisse zur Datierung und Provenienz der Handschrift vor. Ihr Inhalt wird hier nur aufgelistet. Weiterführende Angaben zu den einzelnen Texten (Incipits, Hinweise zur Parallelüberlieferung, Forschungsliteratur) findet man bei N emes (2009b), S. 203-205. Alte römische und moderne arabische Foliierung. Letztere dürfte erst vor kurzem durchgeführt worden sein, denn in der älteren Literatur wird die Handschrift nach der römischen Zählung zitiert. Während die alte Foliierung nur den Textteil erfasst (Register und leere Blätter am Anfang bleiben unberücksichtigt), erstreckt sich die moderne arabische Blattzählung auf die gesamte Handschrift. Dadurch kommt es zwischen den beiden Zählungen zu einer Verschiebung um 6 Zähler. Die Nähe der Wasserzeichen zu den Fälzen erschwert eine genaue Identifizierung. Während vom Ochsenkopf nur die einander zugewandten Hornspitzen und die einkonturige Stange mit Blume erkennbar sind, lassen sich die beiden anderen Wasserzeichen besser bestimmen: Hand, ähnlich P iccard (1977), Nr. 45/ 96, 63/ 64, 73/ 74, 71/ 75 (belegt für 1425-1443) und einfache Krone mit Stirnreif und Lilienaufsatz, jedoch ohne Bügel und Beizeichen, ähnlich P iccard (1961), Nr. 311-317 (belegt für 1437-1468). V ölker (1967), S. 29 und N eumann (1993), S. 234 datieren die Handschrift auf die erste Hälfte, B olchert (1955), S. 25 auf die Mitte des 15. Jahrhunderts. Lagen: 2 IV 16 + VIII 32 + IV 40 + VIII 56 + IV 64 + VIII 80 + IV 88 + VIII 104 + VI 116 + VIII 132 + IV 140 + VIII 156 + IV 164 + VIII 180 + IV 187 (fehlerhafte Lagenformel bei N eumann 1993, S. 233). Das letzte Blatt der letzten Lage wurde auf den Innenspiegel des hinteren Deckels eingeklebt. Bl. 179 und 180 sind lose. Lagennummerierung und Wortreklamanten fehlen gänzlich. In den Fälzen findet man Reste eines lateinischen Textes in gotischer Buchschrift mit roten Initialen. Schriftraum: 10 × 14,5-15 cm. Zeilenzahl: 26-30. Register und Texte wurden lagenübergreifend von einer einzigen Hand aufgezeichnet (gegen N eumann 1993, S. 233 und P oor 2004, S. 122), die auch die Foliierung durchgeführt hat (V ölker 1967, S. 29). Es handelt sich um die Hand von Hans Schedelin, Bürger zu Colmar, der auch der Besitzer der Handschrift war. Oberrheinische Bastarda. Interpunktionszeichen fehlen gänzlich: Ihre Funktion übernehmen rot gestrichelte (Groß)Buchstaben. Der Trennungsstrich am Ende der Zeile wurde manchmal vergessen. Marginalien: fol. 133 r -135 v , ab fol. 137 r mit roter Tinte in den Text integriert. Federproben: fol. 4 v meister, Innenspiegel des hinteren Deckels du bist ihs dz und 16 m 14 (? ). Am Ende der Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 401 Alexiuslegende hat eine Hand des 15. Jahrhunderts vermerkt: vnd ist sin [Alexius] tag in h p we monat an dem xvii tage (fol. 185 v ). Überschriften sind rot. Einzelne Wörter (Zahlwörter und Nomina Sancta) werden mit roten Einrahmungslinien bzw. Unterstreichungen hervorgehoben. Zeilenfüllsel sind in den Überschriften häufig. Die Buchziffern werden im Mechthild-Teil entweder mitten über dem Schriftspiegel oder in der Höhe der Kapitelüberschriften platziert. In der Höhe der Kapitelüberschriften findet man außerdem Kapitelzahlen. Sie stehen oft in ein- oder zweikonturiger Einrahmung, die bei einfachen Einrahmungslinien schwarz, bei doppelten schwarz-rot sind. Die Handschrift ist rubriziert. Initialen sind immer ausgeführt, Vormerkbuchstaben für den Rubrikator vorhanden. Außer den einfachen, 2-3zeiligen roten Initialen findet man vor allem im Mechthild-Teil aufwendiger gestaltete Initialen sowie einfache Lombarden mit Innendekoration und J-Initialen, die bis zu 15 Zeilen umfassen können und in Blatt-, Herz- oder Blütenmotiven enden. Außerdem laufen die Schäfte von l, k, h, b in der ersten Zeile eines Blattes oft in fahnenförmigen, manchmal rubrizierten Formationen aus. Der Einband ist alt. Es handelt sich um einen stark abgegriffenen, vergilbten Schweinslederüberzug auf Holzdeckel ohne jegliche Verzierung. Die ursprünglich bis zur Mitte des hinteren Deckels überschlagenden Riemen sind nicht mehr vorhanden. Erhalten sind lediglich je zwei Messingstifte der Riemenbefestigung auf dem Vorder- und Rückendeckel. 5 Stoffschnüre als Lesezeichen an der Buchrippe befestigt. Auf dem Buchrücken sieht man außer dem älteren quadratischen Signaturschild 2137 ein neueres rundes mit der Angabe: CPC 2137 MS. Eintrag auf der Innenseite des Vorderdeckels (Abkürzungen werden aufgelöst): Der vngerechten menschen ist so vil dz sy nieman getilcken kan den got der z r ret r ber die welt gemenlichen. Unbeschrieben: fol. 4 r -7 v , 147 v , 165 v , 170 v , 178 r-v und 185 v -187 v . Provenienz: Die Handschrift gehörte zusammen mit weiteren 5 Bänden (Colmar, Bibliothèque de la Ville Ms. CPC 279, 280, 321, 1945 und 1947) dem Colmarer Bürger Hans Schedelin, der diese Handschriften teilweise auch selbst geschrieben hat. Der Sohn von Hans, Hennyn Schedelin, hat die liberye seines Vaters einer von ihm gegründeten Elendenherbergen vermacht (das Testament befindet sich in den Archives Municipales Colmar, Fonds de l’Hôpital Civil B 1 und ist auf den Samstag vor Bartholomäustag 1462 datiert). Was das weitere Schicksal der Sammlung betrifft, so wurde sie im Jahre 1543 in das 1541 aufgehobene und zwischenzeitlich völlig entvölkerte Franziskanerkloster, das von der Stadtverwaltung zur Aufnahme aller karitativen Einrichtungen der Stadt vorgesehen war, zur Aufbewahrung gebracht und mit dem dort verbliebenen Rest an bibliothekarischem Material vereinigt. Dieser Bestand wurde zum Grundstock der 1575 gegründeten Protestantischen Konsistorialbibliothek, die seit 1972 als Depositum in der Colmarer Stadtbibliothek aufbewahrt wird. Literatur: N emes (2009b), S. 203-205 — http: / / www.handschriftencensus.de/ 4650 (B alázs J. N emes , Januar 2009). 402 Anhang Abbildung: N eumann (1993), Frontispiz (Abb. 1) [= fol. 140 r , olim fol. 134 r , in Farbe] und N emes (2009b), S. 214 [= fol. 136 v -137 r ]. 1 r -3 v Register 7 r -13 v Von den Geboten des Neuen Testaments 13 v -68 v Der Mönch von Heilsbronn, ›Von den sechs Namen der Eucharistie‹ 68 v -83 v Von göttlicher Güte 83 v -147 r Mechthild von Magdeburg, ›Das fließende Licht der Gottheit‹ (Exzerpte) 148 r -165 r Vom Nutzen des Leidens 166 r -170 r (Ps.-Tauler: ) Predigt von dreierlei Abenden 171 r -177 v Christophorus-Legende 177 v Ein gebet von sant cristoffelvs (ohne Text) 179 r -185 r Alexius-Legende Textabdruck: Die Handschrift wurde bei der Erstellung eines kritischen Textes durch N eumann (1990) berücksichtigt. Nicht ediert. Ergänzungen stehen in spitzen Klammern. Dabei handelt es sich einerseits um versehentlich ausgelassene Buch- und Kapitelangaben, die von mir stillschweigend ergänzt werden. Anderseits werden Nachträge mit spitzen Klammern angezeigt, die Schedelin selbst vorgenommen hat. In eckigen Klammern stehen Tilgungen aller Art (Tilgung durch Wegschaben des Buchstabens, durch Expungierung, durch Streichung). Ausrufezeichen in runden Klammern machen auf Verschreibungen aufmerksam. Korrigiert werden gelegentliche Verschreibungen in der Buch- und Kapitelzählung. Die korrigierten handschriftlichen Varianten werden in den Fussnoten angezeigt. In der älteren Literatur wird der Text nach der alten römischen Blattzählung zitiert (auf diese beziehen sich auch die Zahlen im Register). In der Zwischenzeit erhielt die Handschrift jedoch eine moderne Foliierung (s. dazu oben). Bei den recto-Seiten werden beide Zählungen angegeben, bei verso-Seiten dagegen nur die moderne Blattzählung. Seitenwechsel wird in runde Klammern gesetzt. Die Gliederung des Textes in Kapitel erfolgt entsprechend der Handschrift. Die Kapitel werden durch Überschriften voneinander abgegrenzt. Die römische Buch- und Kapitelzählung wird vor den Kapitelüberschriften platziert, und zwar ungeachtet dessen, ob sie am Rande (wie die Kapitel- und gelegentlich auch die Buchzählung) oder in der Kolumne (Buchzählung) steht. Die Überschriften sind in der Handschrift mit Rubrum hervorgehoben. Dasselbe gilt für die gegen Ende des Exzerptes in den laufenden Text integrierten Marginalien. In der Transkription erscheinen diese Textpassagen im Fettdruck. Fett gedruckt werden außerdem Buchstaben mit einem Minium-Strich: Als Majuskeln werden sie nur dann transkribiert, wenn sie sich eindeutig als solche zu erkennen geben. Eine Ausnahme stellt dabei die d-Schreibung dar: Da zwischen Groß- und Kleinschreiung in diesem Fall nicht unterschieden werden kann, wird rubriziertes d konsequent als Majuskel, nicht rubriziertes d als Minuskel umgesetzt. Rot gestrichelte Buchstaben scheinen aufgrund fehlender Interpunktionszeichen textgliedernde Funktion erfüllt zu haben. Einen ähnlich distinktiven Gebrauch dürften sie bereits in der Vorlage gehabt haben, s. N eumann (1993), S. 198-200. Da die textgliedernde Funktion von Buchstaben mit Minium-Strich von unserem Schreiber erkannt und relativ konse- Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 403 quent übernommen wurde, darf dieses Charakteristikum von C bei der Transkription nicht unterschlagen werden. Die handschrifteneigene Groß- und Kleinschreibung wird grundsätzlich beibehalten (Ausnahme: rubriziertes d, s.o.). Schaft- und rundes s (dieses ausschließlich am Wortende) werden durch s wiedergegeben. Das in der Handschrift durchweg geschwänzte z wird als z transkribiert. y mit und ohne Punkt erscheint in der Transkription einheitlich als y. i mit oder ohne Punkt bzw. mit Strich wird zu i vereinheitlicht. Es wird zwischen i und j unterschieden. cz und tz sind häufig nicht auseinander zu halten: Es wird zugunsten von cz vereinheitlicht. Von wenigen Ausnahmen abgesehen (uns 109 r , sch Y wunge 101 v , svr Y get 115 v , vunken 121 r ) begegnet v statt u. Nach anlautendem w wird dagegen konsequent u gesetzt (wund 3 r , wunne 127 r , wunder 138 r , wunderlich 137 r usw.). Allerdings lässt der Schreiber in vielen Fällen u nach w ausfallen (wnne 90 v , wnden 93 r , wnder 106 r usw.). Vor Nasal oder Liquid plus Konsonant wird u und ü zu i entrundet (winne 105 v , winnenklich 122 r , antwirtet 85 r , wirden 107 v , willinen 93 v usw.). Von abbreviierten Nomina Sancta findet man in der Handschrift nur jhs cps. In Anlehnung an die handschriftenübliche Schreibweise wird die Abbreviatur als jhesvs cristvs aufgelöst (vgl. fol. 93 r , 93 v u.ö.). Falls die abgekürzte Form dekliniert wird, wird sie entsprechend aufgelöst. Allerdings kommt es auch vor, dass dieses Nomen Sanctum sowohl in der abbreviierten, als auch in der ausgeschrieben Form im falschen Kasus verwendet wird (gedenckent s r cristvs tot 91 v , dz wz cps blvt 116 r , mit dinem lieben svne jhv cpi 116 v ). Nasalstriche, der -(e)r-Haken (meist über einem e im Auslaut oder einem v: vertrucket 131 r , vrasses 98 v ), die per- und pro-Kürze (personen 99 v , propheten 106 v , prophecien 127 r ) werden aufgelöst. Der Nasalstrich im Dat. Sg. Mask./ Neutr. wird zur starken Endung -m. Dies entspricht - abgesehen von Ausnahmen (mit grosser grime 114 r ) - dem Sprachgebrauch der Handschrift. Bei den Praefixkomposita schwankt die Schreibung der Handschrift. Im Allgemeinen überwiegen die getrennt geschriebenen Praefixsilben. Feste Gruppen lassen sich nicht ausmachen. In den Fussnoten werden Dittographien, von Schedelin selbst vorgenommene Ergänzungen und Hervorhebungen (in rotem Halbkreis, rote Einrahmungslinien unten- und oberhalb des Wortes, Unterstreichungen mit roter Tinte) sowie, falls nötig, eigene Korrekturen (s.o.) angegeben. Die Fussnoten verzeichnen außerdem die Marginalien (sofern diese nicht in den Text integriert auftreten, s.o.). Zeilenumbruch wird durch | angezeigt. (1 r ) 78 dise noch gonden Capitel sint geschriben vs eime b q che dz heisset dz vsl r htende b q ch der gotheit vnd sint siben geteilede vnd ist vs allen sibenen geschriben[en] vnd ist die erschinvnge sant mehtehilt dis ist dz erste Mit aht tvgenden solt dv gon z q gottes tische mit dem l o sepfant loste ein mensche sibenzig tvsent selen von dem grvwelichen fegef r r dz manigvalt ist 80 von eins geistlichen menschen vegef r r von f r nfer leige helfe vs der pin vnd von edelkeit bredigers ordans 80 von des ritters strite mit vollen woffen wider die begervnge (1 v ) 81 von gottes erbarmeherczikeit vnd sinre bekorvnge vnd gerehtikeit 81 von sehs tvgent sant dominicvs 404 Anhang 82 dvrch sehzehen ding hat got brediger ordan liep 82 von viererhande kronen br q der heinriches vnd der wirdikeit sant dominicvs 83 von sant johannes ewangelisten begrebede 84 wie vnser gegenwertikeit si nv in himelriche jn dem fegef r r vnd in der helle 85 Eins bewerten br q der baldewins 85 von dem ende bredigers ordan von dem encrist vnd enoch vnd elias 90 von enoch vnd elias pin vnd von den lesten bredigern vnd von des endecristes bosheit 92 wie b o se phafheit sol genidert werden wie brediger alleine bredigen s o nt vnd bisch o fe sin vnd von den lesten br x dern 93 von viererleige pin vnd viererleige nvcz vnd von maniger leige schar der s r nden 94 Got wil wegen alle vnschvldige pin vnd p ch driier leige l r te bl q t 94 von einer beginen vegef r r die dvrch eigenen willen kein gebet half 95 wie die sele lobet die drivaltikeit 95 wie got wider lobet die sele 95 dr r kint sol der g q te mensche haben 96 Eins b o sen priesters fegef r r 97 von eins g q ten priesters vegef r r 97 war vmb der mensche ist verworffen vnd doch geminnet vnd wie dv dich segenen solt (2 r ) 97 von sant marien gebet von gabrieles lieht von des kindes t q che wo von die milch kam vnd von des kindes opfer 103 von sehserleige kinden vnsers herren gottes vnd von tvgenden sant dominicvs vnd wie got sinen ordan geeret hat an iiij dingen 105 Mit zwelf worten enphieng der himelsche vatter sinen svn jhesvm 106 von siben kronen br q der albrehtes ein anders ist saczvnge gottes ein anders ist erwelvnge 106 Noch gottes zvge were der mensche also ein engel obe er den volgete vnd von der bosheit der t r fele 107 Von dem hohen ende swester mehtehilt 108 wie kleine s r nde schadet der volkvmenheit vnd wie sich der t r fel nohet der selen 109 Von f r nffer leige nvwen heiligen dvrch b o se l r te gesant vnd wie got wil weschen die cristenheit in sin selbes bl q te hie noch 110 wie swester mehtehilt dancket vnd lobet got vnd bittet f r r driier leige l r te vnd f r r sich selber 112 Jn der lesten zit solt dv haben minne gervnge vorhte rvwe driier leige 113 Vnser eigen wille mag wider ston dem wider hacken die g q te sele ist snel z q gotte 114 zwischent gotte vnd lvczifier ist zweiger hande vegef r r wie der t r fel piniget die selen 115 wer die heiligen eret den erent s r vnd tr o stent in an sime ende 115 Gebet messe gottes wort g q ter l r te leben jor vasten karenen l o set die selen Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 405 116 wie ein sch q ler tot ist vnd ein brediger (2 v ) 116 Wie die sele vnsers herren wonet in der heiligen drivaltikeit vnd von jrem ambaht wie s r sprichet f r r den s r nder vnd von dem ambaht vnser fr p wen 118 von einer leyge br x der 118 wie ein brediger br q der wart gesehen 119 Von der kronen vnd wirdikeit vnsers herren jhesv cristi die er noch dem jvngestage enphohen sol 122 Ein wenig von dem paradise 124 wie man z q gotte fliehen sol in der bekorvnge 124 Ein lere die g q t ist 124 von gottes fl q che in aht dingen 124 der minneste lobet got an x dingen 124 Mit drin dingen wonest dv in der h o hin 124 der got minnet der an gesiget dr r ding 125 vier sint an dem stritte gottes 125 die sele lobet got an f r nf dingen 125 wie got kvmet in die sele 125 w<i>e 41 die sele got enphohet vnd lobet 125 wie got die sele enphohet 125 Got glichet die sele an vier dingen 125 die sele lobet got an f r nf dingen 125 Got glichet die sele an f r nf dingen 125 Got liebekoset mit der selen an sehs dingen 125 wie die sele lobet got an vj dingen 125 von der bekantnisse vnd von der gebrvchvnge 125 wie ein mensch ytel ere vnd bekorvnge wider ston sol 126 vnser s r nde z q k r nftig val irdensch wesen dz himelrich gottes goben s o llent ston offen vor vnseren p gen 126 wie die brvt die vereinet ist mit gotte verwirffet alle creatvren trost svnder alleine got vnd wie s r sincket von der pine (3 r ) 129 Von dem vegef r r al z q mole do von l o sete ein mensche tvsent selen mit der minne trehenen 130 Got lobet sine brvt an f r nf dingen 130 die brvt widerlobet got an f r nf dingen 130 von sibener leyge liebin gottes 130 von sibener leyge volkvmenheiten 130 zwischent gotte vnd der selen sol die minne sin vnd ander dr r ding 130 wo von kvnt lvterkeit swerheit krancheit eissvnge swindikeit n o te ellende vnd selten getr o stet 130 wie der von minnen ist wund wie der wirt gesvnt 130 von siben goben eins br q ders 131 wie got friget die sele vnd machet s r wise in siner liebin 406 Anhang 41 i über der Zeile. 131 wie die sele ber x ret gottes friheit in aht dingen 131 wie die bekantnisse vnd die sele sprichet ze samen vnd sprichet dz s r drivaltig sy von driien himelen die bekantnisse sprichet aller erst 133 wie swester mehtehilt ist gezieret in dem himelriche mit drin mentelen mit siben kronen wie s r lobent die n r n k o re 134 wilt dv den berg an sehen so solt dv haben siben ding 134 wie die sch p wunge froget die minnende sele von seraphin vj wise nidersten menschen 135 wie die minne froget vnd leret die stvmphen selen vnd brehte s r gerne z q irem liebe vnd sprichet aller erst vnd die stvmpfe sele antwirtet 136 wie sich die minnende sele gesellet gotte vnd sinen vsserwelten lieben vnd sol glich sin allen heiligen wie der t r fel vnd die sele sprichet z q samemen an vnser pin sint wir schvldig (3 v ) 138 Von der clage der minnenden selen wie ir got schonet vnd enz r het sine gobe von wisheit wie die sele froget got wo er sy vnd wie er si von den b p mgarten von den bl q men vnd von dem gesmack der die sele lobet got an drin dingen 141 Ein gebet wenne man die jvncfr p wen kr o net 141 von einer kronen der minnenden selen (83 v ) mit aht tvgenden solt dv gon z q gottes tische mit dem l o sepfant loste ein mensche sibenzig tvsent selen von dem grvwelichen vegef r r dz manig valtig ist (84 r , lxxviij) alle dise noch geschribenen kapittel sint geschriben vs den vij b x cheren sant mehthilden vnd heisset dz vs l r htende lieht der gotheit liber iij.xv Die vil torehten beginen wie sint ir also frefel dz ir vor vnserem almehtigem richtere n r t bibenent wenne ir gottes lichamen so dicke mit einer blinden gewonheit nement Nv ich bin die minneste vnder r ch Jch m q s mich schemen hiczen vnd biben jn einer hochgezit wz ich also verbl o det dz ich sin n r t getorste nemen wand ich miner besten fromikeit vor sinen p gen schemete do bat ich minen vil lieben dz er mir sin ere dar an wolte wisen Do sprach er werlich gest dv mir vor mit dem x tigen jomer vnd mit heilliger vorhte so m q s jch dir volgen also die hohe fl q t der tieffen m r len Gestv mir aber engegen mit bl x gender [gel] gervng der fliessender minne so m q s ich dich gem q ssen vnd mit miner g o ttelicher natvre ber x ren als min einige k r niginne jch m q s mich selber melden sol ich gottes g x te werlichen m o gen vollebringen Dz hinderte mich werlich n r t mer denne einen heissen oven dz hinderte dz man in al vol wisser simelen sch r be Do gieng ich z q gottes tische in einer edelen schar die bewarten mich vil trvwelich vnd hielten mich doch vil sere ze vare die worheit r x gete mich die vorhte schalt mich die schame geiselte mich Der rvwe vertampnet mich Die gervnge zoch mich die minne f q rete mich der cristen gl p be schirmete (84 v ) mich die getrvwe meinvnge z q allen g q ten dingen bereiten mich vnd alle mine g q ten wercke schrvwen woffen r ber mich Der gewaltige got enphieng mich sine Reine menscheit vereinigete sich mit mir din heiliger geist troste mich Do sprach ich herre nv bistv min wand dv bist mir h r tte gegeben vnd p ch an der Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 407 stat do man sprichet pver natvs est nobis Nv gere ich herre dines lobes vnd n r t mins frvmmen also dz h r tte din herlicher lichame den armen selen z q troste kvme Dv bist werlich min Nv solt dv herre h r tte den gevangenen ein l o se pfant sin Do gewan s r also grosse maht dz s r in f q rte mit siner kraft vnd komen an ein so grvweliche stat die menschen p ge ie gesach so engestlich ein bat gemaht gem r schet von f r re vnd von beche von pf q le r p ch vnd stancke ein dicke vinster nebel gieng dar r ber also ein swarcze hvt gezogen do logent die selen jnne glich als die crotten in dem horwe ir geschefnisse wz menschen glich s r worent doch geiste vnd hettent des t r fels glichnisse an jn s r svtten vnd brieten mit ein ander s r schrvwen vnd hetten vnzellich jomer vmb ires fleisches willen dz s r so tief hetten gevellet 42 Dz fleisch hatte verblendet iren geist (85 r , lxxviiij) dar vmb svtten s r aller meist Do sprach des menschen geist O herre wie maniger ist dirre armen Dv bist min gewor l o se pfant dv m q st dich nv erbarmen Do 43 sprach vnser herre der ist one menschen zal vnd dv maht ir zale n r t begriffen die wile din fleisch irdenschen teil mit dir haben sol s r sint alle zerbrochen vas gewesen vnd hant in ertriche geistliches lebendes vergessen S r sint von allem leben vnd von allen landen Do frogete der mensliche geist Eya lieber herre wo sint die clvsenere der wirde ich hie keinre gewar Do antwirtet vnser herre ire s r nden worent heimelich nv sint s r in disem grvnden alleine mit den t r felen gebvnden Do betr x bete sich des menschen sele vil sere vnd leite sich vf die f x sse vnsers vil lieben herren vnd gerte creftiklichen arbeiten minnenklich vnd sprach vil lieber dv weist wol wz ich gere Do sprach vnser herre dv hast mich mit rehte har broht jch losse s r niht vnbedaht Do stvnt vmb s r ein vil grosse schar der t r fele die ir pflogent jn dem vnsegenten bade die worent p ch r ber mine zal di s r ribent tw v ngen vnd verossent vnd n q gen vnd mit f r rigen geischelen sl q gen do sprach jnen des menschen geist also z q h o renet ir s r nden vresse Sehent an dis l o se pfant (85 v ) ist es n r t t r re dz r ch dar an berr x ge do erschrockent s r alle bibende in grvwelicher schemmede vnd sprach jo Nv f x rent s r von hinnan wie vnselig wir sin wir m x ssent p ch der worheit jehen Do gab in vnser herre einen s q ssen winsch den armen selen vs sinem g o ttelichen herczen Do h q bent s r sich vs mit grossem liebe vnd fr o iden Do sprach die fr o mde sele Eya vil lieber herre wo s o nt s r nv hie sich hin keren do sprach er ich wil s r bringen vf einen bl q men berg do vindent s r me wunne denne jch gesprechen k o nne Do diente jn vnser herre vnd wz ir kamerer vnd ir vil lieber geselle do seite mir vnser herre Dz ir do sibenzig tvsent werent Do frogete aber die sele wie lange ir pine were do sprach vnser herre bi den drissig joren koment s r nie z q irme lichamen vnd zehen jor soltent s r noch in der pine wesen were in so edels pfant n r t f r r s r gegeben die t r fele flvhent s r getorstent es n r t nemmen Vil lieber sprach aber die sele wie lange s o llent s r hie noch wesen Do antwirtet ir aber vnser herre vnd sprach als lange vns g q t dvncket 408 Anhang 42 gevellet verbessert aus gewellet. 43 Mit Hervorhebung. liber iij.xvii von eins geistlichen menschen vegef r r von f r nfer leyge helfe vs der pine vnd von edelkeit brediger ordan (86 r , lxxx) Jn pinen han ich p ch gesehen einen geistlichen man z q dem hatte ich by sinem lebende g q ten won Jch bat driie monate f r r sine sele mit hercziklicher sere dz ime dz nie m o hte geschehen Dz ich sine not m o hte besehen vncze an den obent in dem lesten tage also er sinen geist vf gab do wart er mir vil schiere gewiset in minem gebette dz ich f r r die arme sele tet jch sach alleine vnd sine pin m o chte er mir n r t erz o igen Er wz bleicher varwe jn einem wissen nebele do frogete jch owe war vmb bistv n r t z q [d] himel Do antwirtet er mir mit verborgenen worten in rvwelicher scheme vnd er las ein b q ch also weinende vnd alle die wort schrvwent roche r ber in vnd do z q alle die b q ch die er ie hette gelesen Do sprach er mir wz z q der welte al ze liebe an gedencken worten vnd gelasse zwene trachen logent z q sinen f x ssen die svgent jme allen den trost vs den er enphohen solte von der heiligen cristenheit wider den tregen gehorsam dz er one not noch sinen willen vnd n r t noch siner prelaten lere wolte gon jch frogete jn wo sint dine viende die dich soltent pinigen Do antwirtet er mir von der edelkeit mins ordens m o hte mich nie kein t r fel ber x ren jch hette grossen strit in minem lichamen vnd jch (86 v ) hette eins dinges willen were dz vollegangen Dz were vil vnn r cze gewesen Dar vmb lies mich got n r t langer leben jch brenne in mir selber min eigen wille m q s mich qvelen Do frogete ich Eya sage mir wo mitte mag man dir helfen Do sprach er der mir ein jor alle tage hvndert venien vnd zwelf disciplinen vnd vil trehenen mit rvwigem herzen vs reinen p gen gebe dz solte mine b q sse sin vnd wesen messe sol man doch lesen Eya sage megeden vnd priestern Dz s r wellent f r r mich bitten dz ende miner pin wil jch dir n r t sagen wand ich wil mine br x der do mitte n r t betr x ben Nv vare von mir do enphieng er des t r fels zeichin oder glichnisse an sich vnd brante vnd wart stvm gegen mir liber iij.xviii von des ritters stritte mit vollen woffen wider die begervnge Jch bat f r r einen menschen also jch wz gebetten dz jme got des lichamen ber x rvnge wolte benemen dz doch one s r nde beschiht des der b o se wille do z q n r t bringet do sprach vnser herre swig behagete dir dz do ein ritter were mit vollen woffenen vnd von edeler kvnst vnd mit worer man craft vnd mit geringen henden dz der lidig were Vnd versvmete sins herren ere vnd verl r re den richen solt vnd den edelen lobes schal den beide der herre vnd der ritter in dem lande haben sol Mer wo aber wer ein vngetr o iert man der von vngerete nie z q strite kam (87 r , lxxxj) wolte der in f r rsten tvrner kvmen dem were schiere sin lip genomen Dar vmb m q s ich der l r te schonen die so lihte ze valle kvment die lon ich stritten mit den kinden vf dz s r ein bl q men schappel ze lone gewinnent Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 409 <liber iij.> xxii von gottes erbarmeherczikeit von siner bekorvnge vnd gerehtikeit Jch han so vnmessige barmherczikeit von gotte geh o rt vnd gesehen Dz ich sprach herre wie mag dis beschehen joch ist din gerehtikeit diner barmherczikeit genos wie ist din g x tin also gros Do sprach vnser herre ein vil getrvwes wort alsvs Jch sage dir bi miner g o ttelichen trvwe dz der me ist in der heiligen cristenheit die von dem mvnde ze himelriche varent Denne der si die z q der ewigen helle varent die gerehtikeit het doch stette ir gewalt wz ir mit schvlden vor gevallet 44 dz wirt ir von mir niemer [keren] benomen jch wil aber aller erst also ein vatter z q der beswerten selen kvmen habe ich r t g q tes vnverzwifelt von ir vernomen dz kvnt von der grossen bekorvnge die ich noch minen kinden han Do sprach die sele Eya vil lieber woltest dv mir dine bekorvnge sagen vf dz din lvst vnd mine begervnge r ber ein kemen Do sprach vnser herre nv h o re wie jch bin bekort min g x tin vnd min miltikeit (87 v ) min trvwe vnd min barmherczikeit twingent mich so sere Dz ich s r losse fliessen r ber die berge der hoffertigen vnd r ber die tal der dem x tikeit vnd r ber die b r sche der werrikeit vnd r ber die slehten wege der reinikeit vnd noch vaster twinget mich min g x tin denne den b o sen menschen t q t sin vngem x te vnd grosser ist aber min gerehtikeit denne aller t r fel bosheit Do sprach die sele herre din gerehtikeit f x get dir also rehte wol jn der lebendigen worheit dz s r mir git vnzelliche fr o ide one herczeleit war s r p ch hine sleht so fr p wet sich in die worheit liber iiij.xx sehs tvgent sant dominicvs Jn sante dominicvs tage bat jch vnseren herren f r r der brediger orden gemeine do ger p chete des vnser <liber> 45 herre dz er selber z q mir kam vnd brohte sant dominicvm den jch minnete r ber alle heiligen ebe jch getar sprechen sprach vnser herre dominicvs 46 min svn hatte jn ertriche vier ding an jme die solten alle prior an in haben Er hette sine br x der also minnenklichen liep dz er dz nie m o hte erliden dz er s r betr x bete mit den sachen die von sinem eigenem m q twillen komen Dz 47 ander dz er dicke sine spise [b o serte] besserte sinen br x deren ze helfe vnd ze liebe vf dz jvnge br x der n r t wider gedehtent in die welt vnd dz die alten n r t erlegent in dem wege Dz 48 dritte dz er (88 r , lxxxij) mit heiliger wisheit dz bilde gab dz s r do z q solten dvrch got messig sin in allen irme wesende vnd an allen iren sitten vnd an aller ir notdvrft Dz 49 vierde dz er so barmeherczig wz dz er sine lieben br x der nie wolte besweren mit dekeiner b q sse die jme der orden n r t wisete noch der schvlde Aber sprach vnser herre 410 Anhang 44 wz - gevallet Dittographie. 45 liber über der Zeile von jüngerer Hand, s. N eumann 1990, App. zu IV.20,3. 46 Mit Hervorhebung. 47 Mit Hervorhebung. 48 Mit Hervorhebung. 49 Mit Hervorhebung. Noch sage jch dir zwey ding wenne dominicvs lachete so lachete er mit geworer s x ssikeit des heiligen geistes So er aber weinete so [weinden alle sine br x der] weinete er mit so grosser trvwe dz er iemer alle sine br x dere z q vorderst an siner gervnge tr q g vor minen p gen vnd do z q mit aller maht die heilige cristenheit Dz einige lachen one alle itelkeit mag b o se sin das wiste jch E des n r t liber iiij.xxi dvrch sehzehen ding hat got brediger ordan liep Hie noch sprach vnser lieber herre alsvs zwei ding minne ich also sere in der brediger orden dz inen min g o ttelich hercze z q lachet one vnder los Dz eine ist die heilikeit irs lebendes dz ander ist der grosse nvcz der heiligen cristenheit Dar z q gr x ssent s r mine helige drivaltikeit mit siben dingen die sprechent alsvs Creftiklichen s r fzen herczeklichen weinen lebendige gervnge herte twang k r nberlich ellende getrvwe dem x tikeit fr o liche minne Aber sprichet vnser herre S r erent p ch mine driie (88 v ) namen mit siben dingen vssewendig an l o belichen gesange mit geworer bredivnge mit rehter l o svnge Mit minnenklicher trostvnge Mit fr r ntlicher helfe Mit heiligem bilde Vnd p ch sint s r ein heilsames bant des heiligen cristenen gl p ben Me sprichet vnser lieber herre alsvs jr alm q sen die s r gebent den armen dvrch mine liebin die ist also heilig dz der armen l r te s r nde geminret werdent die s r enphohen vnd dz p ch der t r fel do niene bliben mag do man ir alm q sen isset dis kvnt von der heilikeit irs gevelligen arenm q tes Eya ewiger bvrne der gotheit do jch vs geflossen bin vnd alle ding jch vnwirdige creatvre lobe dich mit allem dem dz vnder dir ist dz ich herre doch alsvs von dir getr o stet bin amen <liber iiij.> xxii von viererhande cronen br q der heinrich vnd der wirdikeit sant dominicvs Jn brediger orden starb ein br q der an eime heiligen oster tage do er hette gebrediget vnd messe gesvngen vnd den l r ten hette gegeben vnseren herren den heiligen fronlichamen vnd do er alle sine pfliht hette vollebroht do hies er sich olien vnd f q r gegen naht Do er wz begraben Do gieng ein mensche z q sinem lichamen vnd gr x ssete bede sele vnd lip des pflag s r alle zit noch geistlicher l r te ende vnd do mahte got in ir sele ein g o ttelich hochgezit vnd also wart ir sine sele jn gottes vmbehalsvnge in grosser ere bewiset Do sach s r wol dz sin ere (89 r , lxxxiij) n r t wz vollekvmen vnd frogete vnseren herren wie lange er also solte wesen vnd ebe er dehein vegef r r hette gelitten Do sprach vnser herre Er sol alsvs sin vierczig stvnden dz [dz] worent siben tage vnd siben naht er hette sich geneiget vf gocz brvst in vnzellicher wollvst wider die geistliche jnnekeit die ime hie wz vil vnbereit vnd also snelleklichen wz er do one pine komen also ein m q ter ir liebes kint vs der eschen in ir schossen het genomen Do sprach er sage miner swester jch wil s r tr o sten bi jnnen vierczig tagen mit gotte dz geschach S r starb vierzehen naht do noch do ladet er mich z q siner hochgezit also er solte enphohen sin ere dar z q bereitet sich alles himelsches her vnd Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 411 scharetent sich in sch o ne procession Sant dominicvs kam mit einer grossen schar die worent alle brediger vnd s r tr p gent alle gvldine crencze die in dem orden sint hin gevarn do noch edele also s r selber in dem orden heilig worent Sant dominicvs brohte br q der heinriche engegen ein l r htende crone die spilete in irre blickvnge also sch o ne also die svnne in irme liehtesten done die gab er jme von gotte zelone dz er sinem heiligen bilde hette gevolget in der brediger ordene Sant dominicvs ist vor den anderen vnzellichen sch o ne wand er hat von iegelichem br q dere (89 v ) S r nderliche wirdikeit ze lone Jch sach in s r nderlich gekleidet an driier leige wirdikeit Er treit ein wis kleit der angebornnen k r schekeit dar z q ein gr x ne kleit der wahssenden gottes wisheit vnd do z q ein vnbesprenget rot kleit wand er die marter geistlich leit S r habent ein herlich zeichin von des ordens wirdikeit dz nieman me treit Ein sch o ne baner get jme vor dem volgent alle die noch die hie an irme rote stant Vnser herre sas in siner almehtikeit vnd kr o nete disen br q der mit driier hande wirdikeit Dz wz einvaltige gehorsamy gewillige arenm q t stette vnahtberkeit Do danckete br q der heinrich vnserem herren alsvs Jch dancke dir [d] herre dines fvndes vnd diner behaltnisse vnd z q nemvnge do neiget er vnserem herren vnd kerte sich z q sinen br x deren Do sprach sant dominicvs sigest wilkvmen lieber svn Nv gang in die ere dines herren allelvia Dz mir dise gnode m o hte geschehen vnd dis m o chte beschehen dz wz s r nderlichen do von dz ich dvrch got ellende wz vnd von gottes fr r nden stetteklichen arglich versmohet <liber iiij.> xxiii von Sant iohannes ewangelisten begrebede Sant johannes ewangelisten lichamen han jch gesehen mit den p gen miner vnwirdigen selen Er lit in grosser wnne vnd begraben (90 r , lxxxiiij) obe allen zergenglichen dingen vnder der schepphenisse des ewigen riches Sin lichame hat nv der g o ttelichen ewikeit als vil enphangen dz er l r htet als ein f r rige cristalle er lit reht also minnenkliche menslich geschaffen also er were in eime himelschen jvbel geistlich entsloffen sine p gbr p wen sint im alleine brvn vnd hat sin p gen z q geton vnd lit vf sinem r r cken vnder jme obe jme vnd al vmb jme ist es alles clor vnd ie z q siben stvnden kvment die heiligen engele z q dem lichamen mit l o belichem gesange der lvtet alsvs heilig lvter einvaltig wise gotte von herczen liep S x sse wise hat der gesang denne tvsent seiten oder harpfen klanck zwischent sinem lichamen vnd der geschefnisse des himelriches ist n r t me denne ein d r nne want als ein eiges lise vnd ist [ p ch] doch also ewig veste dz dar kein lichame me dvrch mag vncze an den jvngesten tag amen liber iiij.xxv wie vnser gegewertikeit si nv in himelriche jn dem vegef r r vnd in der helle Vnser gegenwirtikeit ist nv zem himelriche rehte also wir nv hie sint bekleidet mit den tvgenden vnd gezieret vnd dvrch flossen mit der heiligen gottes minne also sint wir ieczen do allen seligen offenbar vnd s r lobent got vnd fr p went sich 412 Anhang an vns als ebe wir ieczen mit in do werent Dz vns aber z q get Dz sehent (90 v ) s r n r t vor mer dz wir vahssent an der edelkeit vnd den an der clorheit vnd stigen vf an der h o hin Dz geschiht den seligen die noch hie sint von stvnde ze stvnden hie von meret sich der heiligen vnd der engel wnne Owe so wir aber in grosser tegeliche s r nde sinckent so erl o schet vnser sch o ne himelblicken So gerent die engel vnd die heiligen bittent an vnseren lieben herren dz wir vns bekerent vnd wider lvter werdent Vnser gegenwirtikeit ist p ch in dem vegef r r also schiere wir es hie erarnen dz t q t allen den we die do sint S r m o gent vns doch n r t gehelfen wand s r selber so jemerlichen smelczent Es ist menige arme sele in sogetanen vegef r re mit sogetoner schvlde dz s r n r t wissen mag obe s r ieme sol werden erl o set War vmb s r woltent 50 n r t bihten mit irem fleischlichen mvnde Wie s r aber behalten m o gent werden dz haben wir an einer anderen stat fvnden Des s r nders gegenwertikeit ist p ch offenbar in der helle Dem volget gottes barmherczikeit noch also sint s r h r tte do morne sint s r der engel [genos] gesellen alsvs so vart vnser gegenwertikeit vs vnd in z q dem himelriche in dz vegef r r vnd z q der vnseligen helle do noch dz wir vns mit m q twillen z q gesellen liber iiij.xxvi von dem gottes troste (91 r , lxxxv) eins bewerten br q der baldewinvs Ein br q der in der brediger orden der wz so sere beswert mit einem g q ten ambahte in der gehorsamy also vil maniger ist dz ime engieng sine jvnclichen maht vnd verlor sine menliche kraft Doch tet er es mit g q tem willen do bat jch vnseren herren dz er sine gnode do z q wolte keren vnser herre wisete mir vnd sprach jch horte vnd sach alsvs alle die erbeit die er lidet vnd dz er liset vnd schribet Dz sol alles von minnen singen min lob vor minem ewigen gesinde alsvs Grosser got ewig creftig wnnderlich allelvia vnd jch wil sin h p bet vf heben vnd alle sine maht also ich die habe geton n r t alleine von natvren me p ch vaste von gnoden <liber iiij.> xxvii von dem ende brediger orden vnd von endecriste von Enoch vnd Elias Der brediger ordan wart sere an gevohten jn valschen meisteren dar z q von manigem grissigem s r nder Do bat ich vnseren lieben herren dz er an inen wolte beh x ten sin selbes ere Do sprach got alle die wile dz ich s r haben wil so mag s r nieman vertilcken Do frogete jch aber Eya lieber herre sol der ordan beston vncze in dz ende der welte Do sprach vnser (! ) jo s r s o llent wesen vncze bi dem ende der welte Aber so s o llent kvmen einer hande l r te die s o llent s r vor verwisen also dz die l r te die denne kvment (91 v ) wiser s o llent sin vnd gewaltiger vnd armer von jrdenscher notdvrft vnd f r riger von dem heiligen geiste Dvrch die ellendige not die der cristenheit denne z q get Do sach ich dise l r te vnd ir kleider vnd ir leben vnd do z q dz ir wz ein grosse menige s r hant n r t me Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 413 50 s r woltent Dittographie. denne zwei kleit dz nehste ist wis vnd dz o berste rot noch der reinen menscheit vnsers herren vnd noch sinem heiligen tode Jr hor vnd ir bart blibet inen also lang also es wirt Jr g r rtel ist gemaht von baste eines oleb p mes [vnd] noch der heiligen barmherczikeit die s r tragent z q der verwiseten cristenheit S r gont alle barf q s Me in dem lande do es gefr r ret do tragent s r rote sch q he mit wissen riemen vnd enkeine hosen jr h p bet twahent s r ze svmer selber in dem walde mit wasser vnd ze winter n r t wand s r hant kein eigen wonvnge S r sint in allen stetten geste vnd lident menigen kvnber S r enhabent hvs noch hof silber noch golt niergen behalten Jr iegelicher get bi einem stabe der ist wis geverwet rot Der stab hat ein kr r nbin Die ist einer spangen lang vnd ist von helfanbeine bi dem helfanbeine s o nt s r wesen k r sch vnd in allen dingen reine Der stab ist wis vnd rot do bi so gedenckent s r cristvs tot ein halb an dem stabe ist die marter vnsers herren gegraben ander halb sin himel vart (92 r , lxxxvj) Den stab m x ssent s r an allen enden bi in haben so s r essent oder schloffent bettent oder bredigent oder messe singent oder bihte h o rent vnd wo s r den stab vs der hant lossent Do m x ssent s r in in die erde stossen vor iren p gen dz s r cristvs marter stetteklichen an sch p wen Wenne ir weg ist drissig milen lang Do s r hine m x ssent dvrch nvcz oder not so m x ssent ir zwene einen esel [haben] mit in f x ren dz s r ettewenne riten S r m o gent ir stebe n r t f x ren by irre siten Me s r m x ssent in in der hant vor jnen vf gerichtet f x ren als ein gottes cr r cze Dar vmb m x ssent s r dz sn o deste tier riten dz s r sich got an der dem q t glichen vnd p ch ir f x sse werdent jnnen also [sn] sere dz s r die lengin n r t m o gent volle gen aber die sch q he tragent Dz mag n r t langer weren denne von aller heiligen tage vncze ze sant peters tag also er bobest wart S r s o llent niemant n r t bitten ze b q che noch z q kleide Me als man jnen dz brot n r t b r ttet so s o nt s r es dem x tiklichen bitten vnd s o nt by den gemeinen l r ten essen vnd trincken alle die spise die s r jnen gebent one fleisch alleine S r s o nt p ch n r t me vasten denne dz die cristene E geb r tet vnd s o nt also herbergen dz s r m o gent betten vnd sloffen von den l r ten vnder eime svnderlichen tache Also die l r te dis heilige leben erkennent vnd an gesehent so werdent s r sin (92 v ) also sere gebessert dz s r inen gerne ir notdvrft gewilliklich mit grosser liebin gebent S r s o nt p ch mit keiner wittewen z q herberge wesen Die l r te s o nt in ir herten f x sse weschen mit grosser jnnekeit vnd s o llent dz gotte sere dancken dz s r do gen vnd salbent die verweisete cristanheit also maria magadalene tet vnserem herren S r salbent s r p ch vnd dz s o llent mannes namen t q n wand s r n r t got sint Also die l r te dz gesehent dz ir kleider ze kranck sint so gebent s r in nvwe vil wolte man in gerne geben S r s o nt es n r t nemen Me s r rotent barmhercziklichen ze gebende an alle n r cze stette Jr gros kapitel ist zwirent in dem jore vs geleit dvrch nvcz vnd not der cristenheit z q svmer in dem walde z q winter in der stat vf der bvrger rothvs Wer in disen orden wil varen der sol selber zweigerleige b q ch haben vs dem grosten b q che sol er bredigen dz erste dz an dem b q che ist geschriben Dz sprichet Credo in devm 51 vnd do noch sint es alles meisterliche sermone alles geor- 414 Anhang 51 Credo in devm mit Hervorhebung. dent mit dem cristenen gl p ben vs dem minnesten b q che sol er sine gezit von dem jore leiten vnserem herren Der erste meister der dis leben sol erheben dz sol des k r nig svn von rome sin oder wesen Sin Name sprichet vor 52 gotte ze t r te allelvia Dem sol der bobest sinen nehsten gewalt geben vnd dar noch k r set er selber vnd enphohet von dem bobest dis leben So (93 r , lxxxvij) begebent sich alle hohe meister mit jme die s o llent n r t jvnger denne bi vier vnd zwenzig joren wesen S r enphohent p ch nieman er si denne gesvnt vnd ze habe z q hoher sch q le gelert vnd s r m x ssent alle priester bihter vnd hohe vserwelte lerer wesen Den ersten meister s o nt s r hei<s>sen ir f r rste vnd sol gon selbe vierde br x der wand der cristen gl p be wirt aller dickest an jme vers q ht vnd vierzehen s o nt einen meister vnder in haben den s o nt s r heissen iren h q ter vnd der sol gen selbe dritte br x deren jr gewalt ist vil gros wand kein bischof ist ir genos War s r kvment Do ist jnen bredigen bihte h o ren vnd messe singen vnd lesen vnverbotten jn iegelichem bist q m s o llen ir sibene wesen noch den siben goben des heiligen geistes Jn eime erczebist q m drizehen noch dem heiligen Convente vnsers herren z q Rome s o llent ir drissig wesen noch dem seligen k p ffe noch dem also cristvs wart gegeben z q jervsalem sol ir wesen aller meist do jhesvs dvrch vns den tot leit Ir minnestes capittel s o nt s r haben z q drin w v chen noch der ganczen einvnge der heiligen drivaltikeit mit f r nf br x deren noch dem bilde der heiligen f r nf wunden oder mit 53 sibenen noch den siben goben des heiligen geistes vnd do noch me also s r z q samen m o gent kvmen wo s r essent oder trinckent Do sol die wile der elteste jn den orden ettewz sprechen (93 v ) von cristvs (! ) wandelvnge vnd von sinem heiligen leben vnd die anderen s o llent swige Jch sach p ch ir bette wie s r s o llent ligen vf dem str p we zwischent zwein willinen t p chen vnd ein k r ssin ist in vnder dz h p bet gegeben Dz sol vnder dem vnderen t p che vf dem str p we ligen jr lenden s o llent niemer sanfte siczen noch ligen wand s r s o nt alle ir tage gesvnt wesen vncze an die heilige marter also cristvs tet Me ein iegelicher alt meister der vil n r cze ist gewesen vnd von alter n r t mag volle herten vncze in dz ende des ordens er werde kranck oder siech die sol man sanfte legen vnd lieplich halten wand s r k o nnent noch denne vil heiligen rot geben vnd der besten spise s o nt s r denne leben Dis heilige leben sol ston mit g q tem fride drissig jor dar bi jnen s o nt s r die cristenheit so sere erl r hten vnd leren dz von vngelerter einvaltikeit niemant darf von cristenem gl p ben keren Owe do noch sol es an die not gon So kvnt der endecrist vnd vnder windet sich der weltlichen f r rsten mit golde vnd mit dem edelen gesteine vnd mit grvndeloser valscher listikeit Do jnen nv vil liebe z q ist Har vmb volgent s r jme vil gerne vnd sprichet er si ir got vnd ir herre vnd gebent jme gros geleite jr jngesigel vnd ir briefe Owe so kvnt er z q geistlicher gewalt Do vindet er p ch die gitikeit vnd bringet also grosse valsche wisheit Dz der bisch o fen vnd pr o besten vnd der phaffen (94 r , lxxxvijj) also wenig bestet So tragent dise seligen br x dere jren lip veile vnd bredigent vil sere cristenen gl p ben vnd gebent ei- Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 415 52 Über vor ein lang ausgezogener Nasalstrich. 53 Dittographie. nen geworen aplos aller s r nden allen den die in cristenem gl p ben mit geworer rvwe sterbent dz s r on alles vegef r r behalten werdent Dvrch dz dise heiligen br x der mit den l r ten also heiliklichen vor habent vmb gegangen so sol manig heiliger marterer mit jnen besten Manig jvde vnd semeliche wise heiden s o nt von disen br x deren den heiligen t p f vnd cristenen gl p ben enphohen Dis sol den endecrist so sere versmohen dz er sin gros gebot vnd sweren twang vf alle die legen sol die z q iren bredigen gont Der denne dar get vnd mit inen bestot der ist ein selig man So get es an die not So scheident sich die g q ten von den b o sen vnd vertr o stent sich des libes vnd alles dz s r hant So kvmet des endecristes botten Dar vnd dvrch stechent aller erst den heiligen brediger dvrch sine cristene lere mit einer ysinin stangen do m q s der gottes trvt an hangen vnd winden z q armen gottes kinden So tragent s r in denne zwischent jnen gespisset den heiligen man vor aller welte gemeine die b o sen lachent die g q ten weinent So singet er mit des heiligen geistes stimme Credo in devm 54 Vnd tr o stet vnd r x ffet volgent mir heiligen gottes kinder alle die jme denne volgent Die werdent gevangen vnd ir p gen verbvnden vnd werdent mit geischelen geslagen (94 v ) Vnd getriben also die schof in dem r p be in eine stat Do ein gros wasser get do slahet man in allen ir seliges h p bet abe vnd wirffet s r in dz wasser do des wassers n r t en ist Do tribet man s r vf dz velt vnd martert s r do Got der git den b o sen den sin dz s r den g q ten die p gen verbindent dz s r in irre gevengnisse n r t m o gent gesehen Die grosse gezierde vnd die vnmessige herschaft vnd die ere die die vnseligen hant von dem endecriste irem herren dvrch dz s r deste bas bestanden Wand s r p ch menschen sint also s r Den seligen brediger nement s r also tot vnd seczent in vil hoch in der selben stette vf der selben stat do er gocz wort sprach vnd gemartert wart Die do noch denne cristenen gl p ben bredigent wellen Die m x ssent wesen lebende marterer vnd hohe heiligen Des endecristes gewalt ist also gros dz niemant ist sin genos Also der bobest wider in n r t me mag gestriten So kert er sich z q den heiligen br x deren vnd lidet dz s r lident so kvnt inen z q helfe Enoch vnd hElyas die nv sint in dem s x ssen paradise vnd lebent do mit sele vnd mit libe jn der selben wnne vnd essent die selbe spise Die adam 55 wz gegeben ebe er do [zuo] jnne were bliben S r m x ssent p ch jn gottes gehorsamy den selben b p m miden do eva vnd adam den apfel von essent Do s r gottes gebot brochent Disen b p m han jch gesehen er ist n r t gros (95 r , lxxxviiij) vnd sine frvht ist vssewendig vil sch o ne vnd lvstlich also ein rose aber jnnewendig ist s r von natvren svr Dz bezeichent den bitteren schaden der s r nden Den got nie menschen gonde Dar vmb dz dise frvht den edelen menschen als vnbekeme ist dz s r noch vnser vergift ist so leite got sin gebot do vf Wand er dem menschen nie vngemach gesch q f Jn der lesten not also dise seligen br x der dz gemeine volck also lange hant getr o stet dz nieman g q ter ist bliben Er habe dvrch got die marter gelitten so lebent noch dise br x der aller meist So ist ir vnschvldige not also gros dz ir gebet ist also heilig Dz jnen denne erst got 416 Anhang 54 Credo in devm mit Hervorhebung. 55 Mit Hervorhebung. Enoch 56 vnd Helyam 57 sendet die denne tr o stent vnd vs dem walde leitent vnd gont aber bredigen vnd sich z q m tode bereitent Die zwene herren die denne kvmen sint vs dem paradise Die sint von g o ttelicher worheit also wise dz s r den endecrist mit gewalt vmb tribent S r sagent jme rehte wer er si vnd von welicher maht sine zeichen sint vnd wie er har kvmen si Vnd welich ende er s o lle nemen Also dis die verkerten vernement wie vnselig in ein got ist gegeben dvrch ire grosse gitikeit vnd dvrch jren wollvst maniger bosheit die got an jrem herczen weis So bekeret sich denne manig edel man vnd manige sch o ne fr p we die von der cristenheit dem endecriste worent gevolget So (95 v ) m x ssent die seligen gemartert werden Wand endecrist ist denne in ertriche der gr o ste gewalt geben Er heisset samnen alle die man die er an cristenem gl p ben gemercken kan So bereittet man vf der strossen siedende phfannen vnd tribet s r denne z q mole do z q vnd sendet noch iren hvsfr p wen vnd noch iren sch o nen kinden so heisset man die man kiesen oder erwelen weder s r lieber behalten wellent in dem vngl p ben die sch o nen fr p wen vnd ire lieben kint richet q m vnd ere Oder s r in cristenem gl p ben in den phfannen wellent sieden vnd jren lip verlieren So sprechent die man O ir lieben wip vnd kint gedenckent n r t an mich Me gedenckent dz ir cristen sint vnd oppherent got einen lip so scheident wir vns n r t So bindet man den mannen ir f x sse vnd hende vnd wirffet s r in die phfannen So sprechent fr p wen vnd kint v p ch herre jhesvs cristvs marien svn 58 dvrch dine liebin so wellent wir gerne liden die selbe not So machet man eine gr q be vol f r res do wirffet man die kint vnd die m x ter in Vnd wirffet vf s r f r r holcz vnd str p vnd verbrennet s r also der engel geleitet Enoch 59 vnd Helyas 60 vs dem paradise die clorheit vnd die wnne Die s r nv hant an jrme libe die m q s alle alles Do bliben also s r dis ertrich ane sehent so erschreckent s r also die man t q nt die dz mer ane sehent vnd sich v o rchtent wie s r r ber (96 r , lxxxx) kvmen s o llent So entphohent s r den irdenschen schin vnd m x ssent denne t o tliche menschen sin so essent s r honig vnd vigen vnd trinckent wasser mit wine vnd [ p ch] ir geist wirt p ch von gotte gespiset liber vi.xv von enoch vnd elias pine vnd von den lesten bredienden vnd von des endecristes bosheit O creftige gottes minne dv hast also s x sse not an mich geleit dz min sele noch wnder qvelt wenne ich des gedencke dz min licham erl o schen sol also mit dem tode dz ich n r t me liden [sol] noch loben sol minem lieben jhesvm so ist mir also we dz ich denne gere obe es m r gelich wer ze lebende jn dem jvngesten tage do twinget mich z q die getrvwe minne die gottes ist one mich vnd n r t min Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 417 56 Mit Hervorhebung. 57 Mit Hervorhebung. 58 jhesvs cristvs marien svn mit Hervorhebung. 59 Mit Hervorhebung. 60 Mit Hervorhebung. Dar vmb sprichet vnser herre Solt dv sterben so lo dich rvwen alle dine zit wie heilig dv sist Eya herre jch bitte dich dz min begervnge n r t sterbe So ich mit minem lichamen n r t me mag erwerben Do sprach vnser herre din begervnge sol leben wand s r mag n r t sterben dvrch dz s r ewig ist Erbeittet s r alsvs dvrch mich vncze in die leste zit so kvnt wider ze semene sele vnd lip so secze ich s r denne wider in so lobent s r mich one ende vnd s r hat mir gedienet sit dem ersten beginne wand dv woltest mit adam vncze har dvrch mine liebin gewesen sin alsvs woltest dv aller menschen kvmber vnd aller menschen dienst vollebringen (96 v ) Dvrch mich Jch spriche me din wesen sol sten vncz an den lesten menschen Eya vil lieber min wie sol der leste mensch sin z q dem sich min wesen f x get wand geistlicher l r te leben wirt an dem ende der welte vil t r re alsvs antwirtet vnser herre Enoch 61 sol der leste mensche wesen der geistliches lebendes sol pflegen Do noch wisete mir got Dz ende dirre welte aber wenne die lesten br x der s o nt gemartert werden also jr hor dz s r niemer s o nt abe gesniden dz ist von eime s r nderlichen vor 62 rote des willen gottes Do mitte heissent s r der endecrist hencken an die b o ime Do hangent s r vnd sterbent vil schone wand ir hercze dz brennet by jnen von dem s x ssen himel f r re also sere als der lichame qvelet in der not dar vmb zwischent dem troste des heiligen geistes vnd der pine des armen fleisches so scheidet ir sele von jrme libe one alle eisvnge der pine Elyas 63 vnd Enoch 64 die wandelent von jndia vncze an dz mer vnd ir iegelichem volget ein michel schar die alle cristene l r te sint vnd von dem endecriste z q inen fliehent die werdent alle tot geslagen z q glicher wise also man die t o bigen hvnde jn den strossen jaget den ist vergeben ir s r nde vnd s r n r t langer m o gent leben so volgent jnen die anderen Aber die heimelich cristan sint wand s r erkennent dz von gotte wol dz s r dem vngl p ben anders n r t m o gent entfliehen Elyas 65 wirt aller erst gemartert vnd er wirt an ein hoch cr r cze gebvnden vnd genegelt (97 r , lxxxxj) Dvrch sine hende Dz t q nt s r dvrch den grimen has dz er ie von dem heiligen sprach vnd wz cristvs do an geschach S r gebent jme keinen tot wand dvrch dz er also lange qvele dz er vorsache der cristenen lere vnd also z q endecriste kere so stet der heilige gottes trvt vnd wirt siner pinen nieme lvt Er tr o stet die heilige cristenheit driie tage vnd driie naht vncze jme die sele vs get Jch sach den himelschen vatter z q sinem ende vnd er enphieng helias 66 sele mit sinem menschlichen henden vnd sprach kvm min lieber es ist zit an dir vnd in eime himelschen blicke f q rte in got hin Der vnselige mensche endecrist Der engestattet des niht dz man den gottes trvt nit begraben m o ge dvrch dz er wil dz die cristene alle verzagen Dar an ist er betrogen wand alle die den lichamen ane sehent die werdent beweget z q cristenem gl p ben vnd 418 Anhang 61 Mit Hervorhebung. 62 vor über der Zeile. 63 Mit Hervorhebung. 64 Mit Hervorhebung. 65 Mit Hervorhebung. 66 Mit Hervorhebung. in glvstet dz s r nv ane bettent wand s r werdent als vol s x ssikeit von des heiligen lichamen gegenwertikeit dz s r vergessent der bibvnge des todes vnd alles jrdenschen g q tes Enoch 67 der lebet denoch [wa n d] wand den endecrist den glvstet des dz er alle die wisheit geh o re die Enoch 68 von gotte weis vf dz er es offenbarliche m o ge verkeren mit siner valschen lere vnd ebe er Enoch 69 m o hte z q jme geziehen so were alle die welt mit grossen eren sin vnder des (97 v ) So wirt der b o sen also vil von dem endecrist gezogen dz er Enoch 70 mit grimmigen worten bestet vnd denne erst saget Enoch dem endecrist die gancze worheit alsvs Dv bist aller der welte ein geissel gesant von gotte dvrch der b o sen bosheit vnd dvrch der g q ten heilikeit Dv kanst wol die geschrift der alten E vnd also wol der nvwen E nv sich wie dv noch dinen wercken solt gedihen Hie z q hastv mit flisse gekorn noch der geschrift m q stv sin verlorn Dz kanstv selber wol gelesen dv hast p ch n r t geschaffen die erden noch die himel dv gibest den engelen n r t dz ewige leben Dv enhast den menschen n r t gemachet sele vnd lip dv enhast nie keinre creatvren sinen natt r rlichen lib geben wie m o htest dv denne got wesen dine werck vollebringest dv alles mit l r gene jn valscher list die ewige worheit ist jhesvs cristvs der ein ewig got mit sinem vatter ist Der endecrist sprichet mit grimme wie getarstv minen vigent vor mir genemen dem dv miner eren r ber mich erkennest jch wil mich din E getr o sten vnd ich wil alle die welt von dir l o sen Nement in getrate mit miner gewalt vnd giessent jme bech in sinen mvnt vnd bindent jme sere sinen hals so swiget z q hant min vigent M o hte jch sine wort h o ren jch liesse in gerne langer qvelen henckent jn also tot hoch r ber alle m o rder dvrch dz alle Die in ane sehent Dz s r dem cristenen gl p ben (98 r , lxxxxij) entfliehent Er hat mir gesprochen an min ere nieman darf siner lere jch bin lange vor gesehen es sol mir noch miner lere er gen Enoch 71 sprichet sin heiliges gebet jn sinem reinen herczen alsvs ewiger vatter vnd svn vnd heiliger geist dv ewiger got vngescheiden jch dancke dir herre an mir diner langen erwelvnge vnd jch lobe dich herre nv in dirre qvelvnge Jch bitte dich herre f r r dine vnd mine schof die nv one hirten blibent behalt s r herre s r nderlichen vnd tr o ste s r heimelichen Nv enphoch herre mine sele jch habe z q minem lichamen kein irdensche liebin Die antwirte die jme denne got wil geben vmb sin dancken vnd sin gebet dz hie stot geschriben Dz sach jch vnd las es in der heiligen drivaltikeit geschriben alsvs Lieber svn nv jle sere z q mir jch bin werlich in dir dine fr r nde f r r die dv mich hast gebetten die s o nt jr kinder selber t o iffen jch wil s r schiere von dem endecriste l o sen s r s o nt in jrem herczen cristen bliben vnd ich wil s r beh x ten vor allem zwifel kvm liebes trvt jch beite din vnd min hercze spilet gegen dir Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 419 67 Mit Hervorhebung. 68 Mit Hervorhebung. 69 Mit Hervorhebung. 70 Mit Hervorhebung. 71 Mit Hervorhebung. liber vi.xxj wie b o se phafheit sol genidert werden wie brediger alleine bredigen s o nt vnd bisch o fe sin vnd von den lesten Owe crone der heiligen cristenheit wie sere bistv gefelvet din edelen steine sint dir entvallen wand dv krenckest vnd schendest (98 v ) den heiligen cristenen gl p ben Din golt dz ist verfvlet jn dem ph q le der vnk r schekeit wand dv bist verarmet [Vnh] Vnd hast der woren minne n r t Din k r schekeit ist verbrant jn dem gittigen f r re des vrasses Din dem x tikeit ist versvncken in dem svmphe dines fleisches Dine worheit ist z q [ist] nihte worden jn der lvgene dirre welte dine bl q men aller tvgenden sint dir abegevallen Owe crone der heiligen phafheit wie bist dv verswunden joch hastv n r t me denne dz vmbe val din selbes dz ist pheflich gewalt do mitte richtest dv vf got vnd sine vserweleten fr r nde har vmb wil dich got nideren E dv r t wissest wand vnser herre sprichet alsvs jch wil dem bobeste von Rome sin hercze r x ren mit grossem jomer vnd in dem jomer E wil ich jme z q sprechen vnd clagen jme dz mine schofhirten von jervsalem morder vnd wolfe sint worden Wand s r vor minen p gen die wissen lamber morden vnd die alten schof die sint alle h p bet siech wand s r m o gent n r t essen Die gesvnden weide die Do wahssent an den hohen bergen dz ist g o tteliche liebin vnd heilige lere Wer den helle weg n r t weis der siht an die verb o sete phafheit wie rehte ir leben z q der helle get mit wiben vnd mit kinden vnd mit anderen offenbaren s r nden So ist des not Dz die lesten br x dere kvment wand wenne (99 r , lxxxxiij) der mantel ist alt so ist er p ch kalt So m q s jch miner brvt der heiligen cristenheit einen nvwen mantel geben Dz s o llent die lesten br x der wesen also Do vor ist geschriben Svn bobest dis solt dv volle bringen so macht dv dinen lib lengen Dz nv dine vorvaren also vnlange lebent Dz kvnt do von dz s r mines heimelichen willen n r t vollebringent Also sach jch den bobest an sinem gebette vnd do horte ich dz jme got k r ndete dise rede liber v.ii von zwierer leige pin vnd vierer leige nvcz vnd von der manigvaltigen schare der s r nden Jch dancke got aller g x te vnd clage r ber mich selben alle die wile dz ich lebe wand got der pineget n r t ze vergebens die wile dz der mensche s r nden mag so darf er der pine also wol also der tvgenden Die pine ist vil n r cze die der mensche jme selber an leit dvrch got mit rote Die pine ist aber also vil edeler vnd n r czer die vns got an leit mit sinen vigenden oder mit sinen fr r nden als got edeler ist allen pineren cristvs loste vns n r t mit der pine die er jme selber an leite me er lerte vns wie wir jme soltent dienen mit erbeiten vnd mit pinen Aber er l o sete vns mit der pine die jme sine vigende an legeten one schvlde vnd mit dem iemerlichen ende do nieman wz sin getrvwer fr r nt denne ein maget alleine (99 v ) Maria sin m q ter die jme wz vereinet werlich jnnewendig die best q nt alleine vssewendig mit jme Do mich vngetrvwen menschen erdros miner pine do gab mir got disen trost vnd sprach nv sich der pinen mag nieman enperen wand s r l r tert den menschen ie von stvnde ze stvnde von sinen ma- 420 Anhang nigvaltigen s r nden Owe do sach ich vns mitte volgen ein also gros grvwelich schar der manigvaltigen s r nden also obe alle berge alle steine alle regens trophen alles gras b o ime l p b vnd sant alles lebende personen weren vnd vns vertrvcken wolten dz wir niemer vf z q gotte kement Owe den leidigen st p b s r nden die wir n r t z q worten bringen k o nnen Do wider wirt vns hie die pine gegeben die wir heimelich an vnserem armen libe tragent Dz ander die bitterkeit der pine beschirmet vns vor dem z q k r nftigen valle do vor dicke ein reine hercze bibent dz gocz geist in jme treit beslossen Dz dritte die edelkeit der pine machet vns wirdig die gnode gottes z q enphohende Wand wenne ich alles min gemach mine notdvrft vnd allen minen jrdenschen trost mit angest vnd mit vorhten vnd mit ellendigem herczen enphohe so ist got mit sinem troste do liber v.iii got wil wegen alle vnschvldige pin vnd p ch driier leige l r te bl q t (100 r , lxxxxiiij) Jn dem jvngesten tage so wil cristvs jhesvs vor sinem vatter vf haben eine herliche woge do sol sin heilige erbeit vnd sin vnschvldige pine vffe ligen vnd do jnne vnd do bi alle die vnschvldige pine smocheit vnd herczeleit die ie dvrch cristvs liebin von menschen wart gelitten jo so get es an die rehte woge So fr p went sich die aller meist die do jnne vil habent der megede bl q t von natvre Der marterer bl q t dvrch den cristenen gl p ben vnd ander manslahtig bl q t dz one schvlde geschiht in rehter not Dz wil der heilge gottes svn mit sinem bl q te wegen wand es ist in worer vnschvlde vs gegeben dz ehter bl q t kvnt n r t in die woge war vmb es ist <vor> 72 bewollen aber es l o schet die selbe s r nde die kvnt von des [v] fleisches k r nde liber v.v von einer beginen fegef r r die dvrch eigenen willen kein gebet half Owe s r nde dz dv so schedelich bist sider dem mole dz heilige werck also rehte schedelich sint Die man t q t one rot also dz man sprichet nein jch bin kvmen r ber menschen rot jch wil leben noch gottes rote von disen worten site mir ie vnd ie wand sich kein mensche an keiner stat also rehte n r czlich dem x tigen mag also dz er mit vndertenigen herczen cristanliches rotes volget Dz han jch fvnden an einer fr p wen Die hette vnseren (100 v ) herren von herczen lieb vnd der liebin gebrvhte s r mit also vnmenslicher erbeit dz ir natvre verdorrete also sere dz s r m q ste sterben Do bat ich f r r s r in cristenlicher gewonheit jn dem zvge mines geistes sach jch iren geist der wz clor an jme selber also die svnne Dz hatte s r von irme reinen herczen in getrvwer meinvnge s r wz bevangen mit einer grossen dvnsternisse vnd gerte vil sere z q dem ewigen liehte S r wz in eime vf zvge so wz ie die vinster naht do vor dz wz der eigen wille one rot der disen volkvmenen menschen also sere gehindert hat Jch frogete s r wo mitte mag man dir gehelfen Do antwirtet s r alsvs jch wolte in ertriche keins men- Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 421 72 vor über der Zeile. schen rot volgen noch cristenlicher ordenvnge dar vmb mag mir keins menschen gebet noch gervnge helfen Do kerte ich mich z q vnserem lieben herren vnd frogete in wie dz jomer were dz ein mensche z q pinen m o hte kvmen der sich hie dvrch sine liebin so heiliger pine hette an genomen Do sprach vnser herre alle tvgende sint mir vnmere Die one rot geschehent wand ich kam in ertrich mit grosser vndertenikeit minem vatter vnd allen menschen vnd do f q r ich ze himele in ganczer friheit Mer dz ich nie getet do volgete mir nieman mitte (101 r , lxxxxv) Dise gervnge gebet vnd alle erbeit die man hie f r r s r t q t do wirt s r mitte gezieret wenne s r z q himel vert Die sele wand alles dz vns in dem wege des himelriches ze helfe wirt geben dz ist mit rehte vnser also wir aber dar kvmen so wirt es den gemeinen selen dz t q t vns got z q liebe dz s r deste E z q vns kvment vnd helfent vns got in der ewigen ere loben die rehtikeit ires lidendes dz worent sibenzehen jor aber die erbermede gottes hat es ir gelossen vf sibenzehen monade wand s r es von also herczeklicher liebin tet Got helfe vns rehter mosse amen liber v.vi wie die sele lobet die heilige drivaltekeit Herre jhesv criste der dv bist geflossen svnder beginne vs dem herczen dines ewigen vatters geistlich vnd geboren von einer lvteren ganczen maget sant marien fleischlich vnd der do bist mit dinem vatter ein geist ein wille ein wisheit ein gewalt ein o berste kraft r ber alles dz ie wart svnder ende Herre ewiger vatter wand ich aller menschen vnwirdigoste p ch vs dinem herczen geflossen bin geistlich vnd ich herre jhesv criste geboren bin vs diner siten fleischlich vnd ich herre got vnd mensche mit vwer beder geist gereiniget bin So spriche ich armer betr x beter mensche alsvs Herre himelscher vatter dv (101 v ) bist min hercze herre jhesv criste dv bist min lip herre heiliger geist dv bist min oten Herre heilige drivaltekeit dv bist min einige z q flvht vnd min ewige r q we liber v.vii wie got wider lobet die sele Dv bist ein grvntvestvnge mines g o ttelichen fleisches Dv bist ein ere megetlicher bestandvnge Dv bist ein bl q me der hohen wnne Dv bist ein v o getin der t r fele Dv bist ein spiegel der jnnewendigen sch Y wunge liber v.viii dr r kint sol der g q te mensche haben Nieman weis wz trost oder pine oder gervnge ist er werde [l] selber E ger x ret mit disen drin jch s q che helfe wand mir ist leider als we jch habe dr r kint do ich grossen jomer an sihe Dz erste sint die armen s r nder die ligent in dem ewigen tode do ist 73 n r t me trostes an denne dz s r den menschlichen lip hant Owe dz 422 Anhang 73 Dittographie. kint siche ich mit bl q tigem herczen an vnd ich nime es mit weinenden p gen an miner selen aren vnd trage es f r r die f x sse sines vatters Do ich es bi gewinnen habe So sihe ich dis kint an vnd bitte sinen getrvwen vatter jhesvm dz er dis kint erwecke mit der selben stimme siner g o ttelichen barmherczikeit do er laservs mitte erweckete Hie z q antwirtet got alsvs jch wil des kindes s r hte wandelen wolte es n r t wider in disen tot (102 r , lxxxxvj) vallen So sol es mir iemer glich wesen an miner sch o nin an miner edelkeit an miner richeit vmbvangen vnd dvrch gangen mit aller wollvst in der ewigen ewikeit stant vf liebes min kint dv bist genesen den frigen willek r r den ich dir han gegeben den wil ich dir niemer benemen wand do gegen wirt alle dine wirdikeit gewegen in dem sch o nen himelriche den heiligen glich Owe noch lit dis kint stille vf sinem eigenen m q twillen Min ander kint dz sint die armen selen jn dem fegef r r qvelent den m q s ich min hercze bl q t z q trinckende geben wenne ich f r r s r bitte vnd ich die manigvaltige not vnd den bitterlichen gesmag an sihe den s r von iegelicher s r nde s r nderlichen lident so han ich m q terliche pine Doch ist mir dz lieb dz s r mit rehter schvlde pine got z q eren lident s r lident ir pine mit grosser getvlt s r lident ir not in gezogener wisheit vnd trinken jn sich selber vil manig herczeleit Sol dis kint vil schiere genesen so m q s die m q ter vil getrvwe vnd barmherczig wesen Min drittes kint Dz sint vnvolkvmene geistliche l r te wenne ich alle mine siechen kint ane sihe so ist mir von keinem also we also von Disem alleine wand es sich leider mit vswendigen sinnen jn zergenglichen dingen also (102 v ) verre vnd also sere von himmelischen dingen hat geteilet Dz es die edele gewonheit vnd die s x ssen gottes heimelicheit alles hat verloren Dar es got mit s r nderlicher erwelvnge jnne hatte gezogen hie noch werdent s r also sere verkert dz s r nieman mit worten vmbe get q n kan So bescheltent s r die jnnekeit vnd verkerent gottes s x ssikeit vnd haltent p ch alles dz ze vare dz s r sehent vnd h o rent So schinent s r vssewendig wise vnd sint doch alle leider jnnewendig toren Dis kint mag aller wirst genesen wand es vallet aller erst in m q twilligen krieg Dar noch jn trockeit do noch in valschen trost do noch in misse trost dar noch wirt es leider aller gnoden los So trasit dis arme kint denne in s r ntlichem lebende vncze in sin ende so ist es vil sere gewoget war die versvmete sele hin wendet liber v.xiiij von eins b o sen priesters vegef r r Es ist lange dz ich ein fegef r r sach dz wz glich eime f r rigen wasser vnd sot also ein f r rige glocken spise vnd es wz obenan mit eime vinsteren nebel bezogen in dem wasser swebeten geistliche vische die worent glich menschen bilden Dis worent der armen phaffen selen Die in diser welte hettent geswebet in der gittekeit aller wollvst vnd hettent hie gebrant jn der verwasenen vnk r schekeit die s r also sere (103 r , lxxxxvij) Verblendet dz s r n r t g q tes m o gent geminnen vf dem wasser vorent vischer die hetten noch schif noch necze me s r vischetent mit iren f r rigen klowen wand s r p ch geiste vnd t r fel worent als s r s r brohtent vf dz lant so zvgent jnen geistlich bitterlich die hvt abe vnd wirffent s r in einen Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 423 siedenden kessel al ze hant Do inne stiessent s r si mit f r rigen kolben also s r denne noch iren willen volger worent so vrossent s r si in iren snebelen So h q bent sich die t r fele vf dz wasser aber vnd totten s r dvrch iren zegel vnd vischeten s r vnd svtten s r vnd vrossent s r vnd t q wetent s r aber liber v.xv von ein g q ten p<r>iesters 74 vegef r r Ein reine priester starb in siner eigener rehten pharren Do bat ich f r r in also f r r einen anderen menschen in cristenlicher gewonheit Do sach min sele die sine in l o belicher wirdikeit also dz er noch in beitvnge wz der himelschen ere vier engel f q rten in r ber alles vnwittere in den ersten himel vnd s r lireten jme mit den himelschen seiten Dz wz sin vegef r r do mitte s r in z q der himelschen wnne bereiten jch frogete in wo mitte er die s r nderliche wirdikeit hette enphangen Do sprach er ich minnete jn ertriche dz ein o te vnd ich vorhte mich (103 v ) alleine mit minem gebette Do sprach ich Eya dv vil seliger war vmb f x re dv n r t ze hant mit disen winnenklichen engelen ze himele Do sprach er aber alsvs die ere ist also gros die ich enphohen sol von miner reinen phafheit dz ich dar noch n r t kvmen mag liber v.xxi 75 war vmb der mensche ist verworffen vnd doch geminnet vnd wie dv dich segenen solt Alsvs sprach des menschen sinne der die worheit hat ervaren herre min lichame ist get o ttet in der verwandelvnge aller bosheit Dar vmb habent mich dine viende verworffen von irem antlit also einen toten der do r bel r r chet Aber herre min sele die ist lebendig in dir Dar vmb bin ich geminnet von dinen fr r nden Eya hercze lieber br r tig p m min s x sser jhesv criste jch gesegene mich one vnderlos in minem herczen f r r alle irdensche ding vnd bitte dich dz dv mich vs jnen behaltest vngemenget wand wie heilig s r sint s r wegent mich doch in den hohesten pvnten von dir dz mag ich n r t erliden dar vmb m q s jch von jnen kriegen liber v.xxiii von sant marien gebet von gabriels lieht von des kindes t q che wo von die milch kam von des kindes opfer Jch sach ein maget an irem gebette ir lichame wz geneiget z q der erden vnd ir geist hette sich vf gerihtet gegen der ewigen gotheit Wand vor der zit dz jhesvs cristvs den himel vf slos mit dem schl r ssel des heiligen (104 r , lxxxxviij) cr r czes so wart nie mensche also heilig dz sin geist m o hte oder m x ste vf stigen mit erbeiten vnd sweben mit gervnge vnd behalten mit der minne der heiligen drival- 424 Anhang 74 r über der Zeile. 75 Hs. xxii. tikeit in der ewigen h o hin Dar vmb m o hte der reinen jvncfr p wen geist in den himel n r t kvmen wand adam hette den grendel also verre f r r geschoben Me got der neigete sich vnder stvnden dem ertrich also nohe dz er sine fr r nt troste vnd dz s r sinen willen vernomen Aber die profeten rieffent lvte vnd ladetent vnseren herren sere har nider Me dise jvncfr p we zoch vnseren herren her nider mit einer s x ssen stimme irre selen vnd s r sprach in irme gebette do s r wz alleine alsvs herre got ich fr p we mich Des dz dv kvmen wilt in also edeler wise Dz ein maget din m q ter wesen sol herre do wil jch z q dienen mit miner k r scheit vnd mit allen dem dz ich von dir habe Do trat der engel gabriel her nider in eime himelschen liehte Dz lieht bevieng die jvncfr p we al vmbe vnd 76 der engel hette also lieht gewete dz jch dz lieht mit minen fleischlichen p gen (! ) Do st q nt s r vf vnd erschrack [Dz] do s r den engel an sach do vant s r ir glichnisse der k r scheit an sinem antlit Do st q nt s r mit (104 v ) Grosser zvht vnd neigete ir oren vnd rihte vf ir sinne Do gr q ste s r der engel vnd k r ndet ir gottes willen Sine wort die worent bekeme irem herczen vnd ir sinne wirdent vol vnd ir sele wart f r rig ie doch frogete s r noch dem vnderscheide Do brohte s r megetliche schemde z q vnd g o tteliche liebin do s r berihtet wart Do tet s r ir hercze vf jn g q tem willen mit aller maht Do knvwete s r nider vnd sprach jch gibe mich gotte z q dienste noch dinen worten Do trat die gancze heilige drivaltikeit mit der gewalt der gotheit vnd mit dem g q ten willen Der menscheit vnd mit der edelen gen q gheit des heiligen geistes dvrch den ganczen lichamen irs maget q mes in der f r rigen selen irs g q ten willen vnd saste sich in dz offen hercze irs aller reinesten fleisches vnd vereinete sich mit allen dem dz er an ir vant also dz ir fleisch sin fleisch wart also dz er ein volkvmen kint w v chs jn irme libe vnd also dz s r ein gewore m q ter wart sines fleisches vnd ein vnverserte maget bleib also s r in ie langer tr q g ie lihter vnd sch o ner vnd wiser s r wart Do st q nt s r vf vnd sprach herre vatter jch (105 r , lxxxxviiij) lobe dich wand dv hast mich gros gemacht vnd min geslehte sol gros werden jn himel vnd vf erde Do die zit vmb kan als ander fr p wen trvrig sint vnd besweret gont do wz maria lihtvertig vnd fro jr licham wz doch also wol geton wand s r hette do jnne vmb vangen den wol gemahten gottes svn Maria wiste der zit n r t vor wenne got wolte werden von ir geboren E s r in in irem schosse sach in der strosse vnd in der naht ze bethlahem in der fr o mden stat do s r selber wz ein arme vngeherberget gast Der almehtige got mit siner wisheit der ewige svn mit siner menslichen worheit Der heilige geist mit siner kleinlichen s x ssikeit gieng dvrch die gancze want marien lichame mit swebender wunne on alle erbeit Dz wz also schiere geschehen als die svnne gibet iren schin noch dem s x ssen t p we in minnenklicher r q we Do maria ir sch o nes kint ane sach Do neigete s r ir h p bet z q sinem antlitte vnd sprach sist mir wilkvmen min vnschvldiges kint vnd min gewaltiger herre do alle ding din sint Jn der entphengnisse vnsers herren vnd in der drahte siner m q ter (105 v ) vnd in siner gebvrt vnd in der schosse siner m q ter E er in in die kripfen kam do wz die kraft der heiligen drivaltikeit vnd dz win- Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 425 76 Dittographie. nenkliche himel f r r an marien also heis dz der helle geist der alle die welt dvrch vart vnd alle geschiht der dingen weis dem lande vnd der stat Do maria jnne wz nie also m o chte kvmen dz er dz wunder hette vernomen wie dz kint were har kvmen Maria nam von joseph sattel ein herte t q ch dz der esel vf sinem r r cken vnder dem sattel tr q g vnd do z q dz oberste teil von irme hemde Do s r vnseren herre hette vnder getragen Dz ander teil bant s r wider vmb iren lichamen ze samene in disen t q chen wand die cleinliche jvncfr p we den grossen heilant vnd leite in in die kripfen Do weinete er al ze hant also ein nvwe boren kint wand die wile dz die kint sprochelos sint so weinent s r niemer one rehte not also tet vnser herre Do er wider siner edelen art in eime vihe stalle also herte wart gebettet dvrch die b o se s r nde do weinete er alles menslich k r nne Do verbarg er alle sine winne vnd allen sinen gewalt Do wart Die jvncfr p we betr x bet vnd dz kint wart hvngerig vnd kalt Do m q ste die m q ter iren svn stillen dz wz sines vatter wille vnd des (106 r , C) heiligen geistes wollvst Do neigete sich die jvncfr p we mit m x terlicher liebin in megetlicher zvht z q jrme gepinegetem kinde vnd bot jme ire kintliche brvst h o rent nv wunder die l r htende bl x migen sch o nen p gen vnd die geistliche sch o nin ires megetlichen antlittes vnd die s x ssikeit ires reinen herczen vnd die winnenkliche spilvnge ir edelen selen Dise vier ding zvgent sich z q semen noch des vatters willen vnd noch des svnes notdvrft vnd noch des heiligen geistes wollvst in ir megetlich brvst do flos die s x sse milch har vs von irem reinen herczen Do s p g dz kint menslich vnd sin m q ter fr p wete sich heiliklichen Die engel svngent gotte einen lobesang die hirten kvment s r s q hten vnd fvndent in einer gast kripfen offenbar bewnden vnser wores l o se pfant Do frogete ich maria wo joseph were Do sprach s r er ist in die stat gegangen vnd k p ffet vns cleine vische vnd gemeine brot vnd wasser trvnckent s r p ch Do sprach ich Eya fr p we dv soltest essen dz aller sch o neste brot vnd trinken den aller edelsten win Nein sprach s r dz ist richer l r te spise der habent wir n r t in disem armen leben Do der fr o mde sterne erschein Do kam sattenas p ch z q bethelhem vnd volgete den drin k r nige vil swinde (106 v ) noch vnd er sach dz kint vil arglichen an Do man dem kinde mit dem hohen opher also grosse ere bot do koment sattenas gedencke in grosse not Vnd sprach in jme selber alsvs wie ist dir vnseligen nv geschehen Dis mag wol dz selbe kint wesen Do die propheten hant von geschriben Dz dir din meister lvcifier also lange vnd also vil dicke hat bevolhen dz dv z q siner zelvnge soltest kvmen vnd machen die vnreine so blibet vns z q der helle alle die welt gemeine Dis kint one s r nde gezilet vnd geborn es were mir anders nie verholen Nv hatte ich alle mine kvnst verlorn Nv m q s ich wider z q minen meisteren kvmen vnd clagen jme dise not wand dis kint wirt vns noch allen ze gros Sol es r ber vns stigen wie s o nt wir dz erliden Es wart E nie kein kint geborn dem dise ere wirde gebotten Do lvczifier dise mere vernam do sas der grvnt vient vnd gram mit sinen zenen grein dz sines zornes f r r r ber alle helle schein Do sprach er alsvs Sol ein mensche vnser rihter wesen so m x ssen wir iemer me vor allen menschen bliben die noch sinem willen lebent var hin wider sattenas vnd nim z q helfe die f r rsten von dem lande Die meister von jvden vnd lere s r wie s r in 426 Anhang t o tten in siner kintheit ebe dz er in die sch q le get Do sathanas z q herodas 77 kam Do vant er lvczifier glichnisse an (107 r , Cj) Dem verb o seten man has hoffart gittikeit in dise driie wege gieng der grosse t r fel jn sin gros hercze vnd bereittet sich in alle sine f r nf sinne vnd machte den k r nig also mort girig dz er tet des t r fels willen an den vnschvldigen kinden Die nv erliche heiligen in himelriche sint jch frogete marian war s r dz opher hette geton Dz s r ir selber n r t k p fte ein oppher lamp Do sprach s r die heilige fliessende miltekeit vnd die notd r rftige barmherczikeit vnd die minne williger arenm q t die hant mir den schacz benomen Min opher lamp wz jhesvs cristvs des almehtigen gottes svn der vs minem herczen wart geborn vnd dem noch sines vatters gebotte alle die vnbeflecten lambere die ie geopfert vnd gebroht wirden z q eren noch sines vatters meinvnge Der ist min wor opher lamp jch solte anders keins haben Dz opher dz minem kinde wart broht Do han ich mitte alle die bedaht die jch werlich konde vinden nothaft Dz worent verarmete weisen vnd reine jvncfr p wen Die koment do mitte z q der E dz man s r n r t bedorfte steinen vnd do z q die ellenden siechen vnd die langen alten Die solten es geniessen vnd den het es got behalten aber drissig marg goldes Die worent mir noch rehter notdvrft von disen armen r ber bliben die solte ich z q dem hvnger t q che geben do die (107 v ) Gemeinen l r te z q giengent z q irem gebette wand do lag grosse bezeichenvnge an Dz t q ch wz halber swarcz vnd halb wis Norden jme tempel wz dz t q ch swarcz dz wz die lange dvnsternisse in der alten E Do vsse worent geneiget gr x ne bilde wand alleine die E verdinsteret wz mit menigen grossen s r nden so worent doch semeliche menschen Dar jnne die nie d r rre wirden von iren s r nden mer s r worent dinster mit der schvldigen die gesch o pfede der bilde dz wz alles von der schvlde vnd von der not die den grossen got also sere bewegeten dz er vnd wie er behielt mit sinem gesinde Noe 78 den rehten man vnd lies alle die welt vnder gon So denne in dem bettehvse wz dz t q ch edel wis dz wz ein vorzeichen der reinen kloren k r schekeit Sant marien 79 do wir noch alle mitte solten r ber winden alles vnser herczeleit Dar vf worent bilde geneiget mit golde die worent glich den vogelen Die Noe vs der arcken hette gesant Dz do bi worent bekant die vngetrvwen giren die allen jren trost hie s q chent vf erden Mer do wz p ch an geneiget die reine tvbe mit eime gr x nen zwige Die also vnschvldig wider kam dz s r dz os in iren mvnt n r t nam Do bi worent die bekant die alle tage mit nvwen tvgenden z q gotte kvment vnd haltent sich in den getrvwen himel flvge mit des heiligen geistes zvge lange her nider (108 r , Cij) do die st r cke z q semen giengent do wz ein gvldin liste mitten r ber mitten gieng ein gr x ne porte Der wz beseczet mit edelem gesteine dz bezeihente dz aller edelste holcz dz vnseren herren lichamen an jme tr q g do man die himel porten dvrch gr q b vnd mit den hameren s r vf sl q g Dz adames grendel dannan fl q ch alleine die bet r tvnge wenig ieman wiste so worent [vf dem cr r cze] doch die zwei Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 427 77 Mit Hervorhebung. 78 Mit Hervorhebung. 79 Mit Hervorhebung. gezierde ein erlich cr r cze vf dem cr r cze wz geneiget ein wis opher lamp vnd es wz gezieret mit edelem gesteine vnd mit clorem golde als es rehte verb r rnnen solte dz wz vor bezeichent vnd wart do vollebroht do dz vnschvldige gottes lamp einen grossen minne tot an dem hohen b p me nam Dar vmb viel dz totte hvngert q ch mit dem totten lambe in der marter vnsers herren nider Dz man dz lebendige gottes lamp in der selben stat iemer me solte an betten Maria neigete irem kinde jhesv einen rock mit also gef x ger not wenne jme der rock wirde kvrcz vnd enge dz s r in m o hte witten vnd lengen Der rock wz brvn val von hertem gezwirnetem garne joseph wz armer l r te zimberman also dz er pfenninge z q sinre notdvrft gewan Maria die notte vnd span dz in drin kleider gewan Do s r flvhent in Egipten lant do hette s r gottes (108 v ) engel vmbe vangen mit eime himelschen liehte Dz der t r fel n r t wiste wo dz kint hin kam vncz an die zit dz es gew v chs ein kint von drissig joren ein volkomen man Do wart der t r fel sin gewar in der w u stin vnd do noch z q manigen stvnden g o tlicher zeichenen Do kerte er sich z q den j r deschen meisteren die worent jnnewendig <vil> 80 b o se vnd vssewendig an irme gelosse vil sch o ne Die lerte er wie s r jhesvm mit verkerten worten solten wider ston vnd solten sine lere niemer enphohen so m o htent s r an j r descher E bestan Do f q r aber sathanas z q lvczifier vnd sprach owe meister vnser ere m q s vergan jch han fvnden in dem s r ndigen ertriche einen man Der ist alleine starcker vnd wiser denne wir alle worent E wir z q valle komen Wand ich kan jme mit allen minen sinnen einen s r ndigen gedang n r t an bringen Do grein aber lvczifier als ein hvnt vnd beis sinen helle hvnt vnd sprach dv solt jme mit allen menschen wider ston jst er denne aller menschen hohester so mag er allen s r nden entgon Meister wir kvment wol vs dirre not wand ich vinde der l r te aller meist die den man gerne t o tent Do sprach er nein jch v o rhte es were vns vil lihte b o se wand er mit des o bersten gottes kraft die von fleischlicher s r hte vnd von menslichem tode also 81 (109 r , Ciij) balde l o set wirde jme sin lip benomen jch v o rhte noch me dz sin sele wolte z q uns har kvmen vnd l o set die sinen wand dz ist verre r ber vnser maht dz er die l r te in ertriche l o set wider die natvre von aller leige pine streben Me er selber m q s mit den erbes r nden varen z q der helle aber blibet er reine von allen s r nden vnd nimet man ime sinen lib vn verschvldet so geh o rt er n r t z q der helle wand nie engel noch mensche wart one schvlde vertampnet so ist er alleine edel vnd fry vnd wz er denne wil dz m q s r ber vnseren dang geschehen Me dv maht dz mit lihter kvnst z q bewaren dz vns z q der helle die meiste schar Aber dv solt ie do noch ston dz man in vf dz aller h o heste versmohe vnd dz man in qvele mit der aller scharpfesten pine ist er denne ein lvter mensche so mag er vallen in grossen zwifel vnd also mag er vns bliben Maria vnser fr p we sprach mit jren gedencken vnserem herczen z q als dicke s r wolte vnd so antwirte ir etwenne sin gotheit do von tr q g s r gezogenliche ir herczeleit vnd dz wz maria magadelene vil vnbereit wenne s r vnseren herren mit fleischlichen 428 Anhang 80 vil über der Zeile. 81 Dittographie. p gen n r t sach so wz s r vngetr o stet vnd ir hercze tr q g die wile gros jomer vnd vngemach S r brante sere in einvaltiger (109 v ) minne one hohe bekantnisse himelscher dinge vncze an die stvnde Do die apostelen enphiengen den heiligen geist do aller erst wart ir sele verwundet mit Der gotheit Aber vnser fr p we wz vil stille do vnser herre von dem tode vf erst q nt also erlich Do hette ir hercze an g o ttelicher bekantnisse vor allen menschen den tieffensten abegrvnt liber v.xxiiij von sehsser leige kinden vnsers herren gottes vnd von tvgenden sant dominicvs vnd wie got sinen orden geeret hat an iiii dingen Ein hoher f r rste der einen n r czen svn het jme selben vnd einen tr o stlichen svn sinem volcke der svn ist also ein l o belich svn sinem vatter vnd ein also erlich lieb svn dz die geh r gnisse des svnes vnd alle sine werck erweckent des vatters ere wo der svn hine keret dirre hohe f r rst Dz ist vnser lieber herre der himelsche vatter Der hat gewunnen siben n r cze s r ne vnd eine vil sch o ne tohter bi vnser m q ter der heiligen cristenheit Sin erster svn ist vnser lieber br q der vnser herre jhesvs cristvs welich ere der himelsche vatter des svnes hat vnd welichen trost sin volck von jme hat Dz ist wol offenbar vnd wie sich der himelsche vatter mit disem svne vereinet hat vnd wie er in z q der rehten hant geseczet hat vnd wie vil gewalt vnd eren er jme gegeben hat Dz ist one mosse Vnd doch wol z q mosse (110 r , Ciiij) Der ander svn des himelschen vatters dz worent die heiligen apostelen Die vns den t r ren schacz behalten habent der vs dem hohen berge wart gegraben den ein b p n tr q g vnd vnser viende an f r nf enden dvrch gr q ben vnd allen vnseren himelschen schacz do vs jagetent vnd sl q gent Der dritte svn dz worent die k x nen marterer die die himel strossen mit jrem bl q te begossen habent Der vierde svn dz worent die stetten bihter die vns reinigen vnd lerent Der f r nfte svn dz worent die reinen jvncfr p wen die ir k r schekeit dvrch gottes liebin hant behalten die m o gent den himelschen vatter f r r vns bewegen wand s r sin glichnisse gancz an in tragent Er wil s r jme selber alleine haben vnd s r s o llent ir schappel in siner fr o ide ewiklich tragen jo s r s o llent ir h p bet n r t mit schemde bedecken also irdensche br r te pflegent Do vnser herre dise n r czen kint in die hohen wirtschaft also erlich hette bi jme geseczet dz alles ires leides vnd ir fromikeit in ertriche vergessen wz do gieng sin gemeine volck also sere jrre an dem rehten gl p ben vnd an der lvteren bihte Dz sich der himelsche vatter erbarmete vnd gewan do zwene s r ne jn einer trahte aber bi vnser lieben m q ter (110 v ) der heiligen cristenheit vnd s r s o igete selber dise zwene s r ne jo mit beden iren br r sten die also vol der s x ssen milche sint dz s r s r nie vnd p ch niemer me m o gent volle svgen vs Dise br r ste dz wz vnd ist die alte E vnd die nvwe E do vnser m q ter die heilige cristenheit mitte s o igete alle gottes kint Dis sprach p ch vnser herre man solte nieman z q priester wihen [en] er k o nde denne die bede die alte E vnd die nvwe E wand vf eime f q sse z q hofe gon vnd p ch n r t lange ze dienste ston dise zwene s r ne dz sint die brediger vnd Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 429 die minre br x der Do sant dominicvs 82 vnd sant franczcissicvs 83 die ersten wirczelen von worent Owe wz des vil vergangen ist des s r trvwelichen pflogent ie me des verget ie krancker der orden wirt ie langer er stet ie E ein ander svn geboren wirt vs dem getrvwen herczen Des ewigen vatters der sine kint ze mole n r t wil verlossen Sant dominicvs 84 der mercke sine br x der mit getrvwer andaht mit lieplicher anegesiht mit heiliger wisheit vnd n r t mit vnwirdischeit n r t mit verkerten sinnen vnd mit grvwelicher gegen wertikeit Den wisen lerte er f r rbas me Dz er mit g o ttelicher einvaltikeit solte temperen alle sine wisheit Den ein valtigen lerte er die wore wisheit Den (111 r , Cv) bekorten half er tragen heimelichen alles sin herczeleit Die jvngen lerte er vil swigen do von wirdent s r vssewendig gezogen vnd jnnewendig wise Die krancken vnd siechen troste er vil minnenkliche vnd er bedahte p ch alle ire not mit getrvwen flisse S r fr o wetent sich alle gemeine siner langen gegenwirtikeit vnd sine s x sse geselleschaft machete jnne senfte alle ire k r nberliche erbeit Dirre orden wz in den ersten zitten reine einvaltig vnd do z q vol der <brennenden> 85 gottes liebin die reine einvaltikeit die got einigen menschen git Die wirt also vnder wilen gespottet von ettelichen l r ten dz er die gobe verl r ret do man die gottes wisheit jnne vindet vnd k r set dz verl o schet p ch gottes brennende minne Dem in dem orden von herczen leit ist dz er ahtber wirt vnd alle irdensche ere f r r ein grosse bekorvnge enphohet der mag des n r t gelossen von rehter edelkeit sines geistlichen geistes den er von gotte het enphangen mit heiliger sinkvnge sines herczen vnder alle creatvren entweder er m q s Die ere behalten mit vorhten der schemde vnd mit getrvwem flisse vnd mit barmehercziger helfe vnd mit milter fr o ide oder er m q s do [von] noch sten mit aller wisheit dz er die b r rdin mit eren gelasse wand ein geistlich (111 v ) hercze Dz m q s stillen fride haben vnd minnenkliche sol es bl x gen vf ze gegen der heiligen drivaltikeit Got hat dise zwene s r ne svnderlich geeret mit vier dingen Dz hat er dar vmb geton Dz s r vmb sich selber n r t me sorgen denne alleine dz s r die s r nden lossen Me alle ir sorge vnd erbeit sprach vnser herre solte dar vmb geschehen dz min volck selig vnd heilig wirde Dz erste ist sch o ne entphengnisse von den l r ten Dz ander trvwe helfe an der notdvrft von nihte Dz dritte die heiligoste wisheit vs der g o ttelichen worheit Dz vierde der n r czeste gewalt der heiligen Dz man die br x dere erbeit one barmeherczikeit vnd one s x sse lere do von geschehent schedeliche ding der ich nv m q s swigen 430 Anhang 82 Mit Hervorhebung. 83 Mit Hervorhebung. 84 Mit Hervorhebung. 85 brennenden für bredigen (gestrichen) mit Einweisungszeichen am rechten Rand. <liber v.> xxvij mit zwelf worten enphieng der himelsche vatter sinen svn jhesvm Mit disen worten enphieng der himelsche vatter sinen svn do er von disem irdenschen strite in den himelschen fride wz kvmen Sist wilkvmen min erlicher svn dz ich selber bin min hant an dinen wercken Min ere an diner gewalt Min kraft an dinem strite Min lob an dinem sige Min wille an diner widerkvnft Min wnder an diner vffart Min zorn an dine gerihte Die vnbefleckete brvt die dv mir bringest Die sol din vnd min iemer me vngescheiden sin Min gotheit ist din (112 r , Cvj) crone Din menscheit ist min s r ne vnser beder geist Dz ist min wille Ein rot ein kraft an allen dingen one beginne vnd one ende din sele ist vnser driier personen aller nehste brvt O wie winnenkliche cristi sele in der heiligen drivaltikeit spilet z q glicher wise also dz wunderliche blicken dz in der sch o nen svnnen swebet Dz nieman kan gesehen denne der vil sch o ne p gen hat liber v.xxviij von siben cronen br q der albreht ein anders ist saczvnge gottes ein anders ist erwelvnge Wo die kvnst hat wisheit vnd minne do bringet die erwelvnge frvht vnd nieman weis wz er g q tes an ime hat er werde denne mit dem b o sen vers q chet Jch bat f r r br q der albrehtes sele von minnen do wisete mir got sine wirdikeit Do sach ich [siben] siben megede kronen obe sinem h p bete sweben Do wunderte mich sere wie es do vmb were wand er ein rvwer wz gewesen Do sprach vnser herre Dise cronen hat er dar vmb gewinnen Dz er siben jvncfr p wen an ir k r schekeit behielt mit manigen erbeiten alleine Dvrch mine liebin vnd ewiklichen s o nt s r alle sine wirdikeit zieren vnd s o nt doch niemer 86 ber x ren sinen lip noch sine selen jch habe dz in himelriche gesehen lon wirdikeit vnd crone vnd dz ist n r t alles ein Der lon lit an den wercken Die wirdikeit 87 an tvgenden crone an der minne (112 v ) aber der lon ist rich noch der manigvaltikeit g q ter wercke Die wirdikeit ist gebreitet noch der mosse der tvgenden Die crone l r htet in der h o hin noch dem flisse der brennvnge in der minne br q der 88 albreht seite mir do ein br q der solte sterben r ber sehs jor dz wart n r t wor jn dem sibenden jore frogete jch vnseren herren wie dz were Do sprach vnser herre er sach die saczvnge vnd n r t mine erwelvnge jch erwele mine s r nderliche fr r nde in langer smocheit one schvlde vnd ich friste s r in heiliger gervnge langer ze lebende Wenne der mensche in der minne liehte dz ist in der worheit sin hercze besihet so vindet er n r t wand dz er zerehte versmohet sol sin me denne iemant Dar jnne wahsset die gervnge mit vnmessigem hvngere vnd bringet denne den menschen vs jme selber in gottes wille Also verre dz got des ger q chet dz er den menschen fristet vnd git jme denne alles nvwe goben ebe er s r mit gezogenem flisse wil behalten vnd bewaren Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 431 86 niemer verbessert aus nieman. 87 k aus g verbessert. 88 Auslautendes r verbessert aus b. <liber v.xxviiij> noch gottes zvge wer der mensche als ein engel ebe er den volgete vnd von der bosheit des t r fel Der sich rehte hielte noch dem zvge der von gotte kvnt vnd noch dem liehte dz er bekennet der keme in also grosse wnne vnd in also heilig bekantnisse Dz enkein hercze (113 r , Cvij) m o chte getragen So were er also ein engel alle zit minnenklich mit gotte vereinet in allen dingen so wirde er des t r fels helle vnd gottes himelrich Wenne aber der g q te mensche von dem zvge lot so sendet jme got den t r fel z q dz er in bekore mit den dingen die aller swerest sint vf dz er in wider erwecke aber vnser lieber herre der encz r het dem t r fel sine maht vnd beschirmet den menschen Dz er in n r t gevellen mag Me er wenet rehte dz ime vrlop si geben dz er demmenschen (! ) sinen willen m o ge vellen dar vmb ist er also flissig tag vnd naht Owe mir armen mir ist vil dicke also geschehen Got hat mir ein also erlich ding gewiset vnd globet z q leistende dz ich es vor miner vnwirdikeit n r t getorste getrvwen vnd dar vmb dancke ich es jme leider n r t Do kan der t r fel vnd wolte mir pine ane legen Do sprach jch wz wilt dv joch sihest dv wol dz got hie mit mir ist wie getarstv mich gepinigen vor siner gegenwirtikeit Do sprach der t r fel jch wil nv also jch ie wolte minen st q l seczen bi dem sinen jo ich wolte in von dem st q le diner selen triben ebe ich m o chte vnd seczen mich do in vnd wolte vil gerne dz himelriche paradis vegef r r vnd ertrich dz die alle ein helle weren in der ewigen helle Do sprach ich woltest dv n r t dz dise ding alle ein himelrich were vf dz dv p ch z q hvlden kemest Do sprach (113 v ) Nein dz mag ich niemer get q n Do sprach ich owe wie bistv so rehte vnselig dz dv dich vor gotte n r t schemest Do sprach er wer r t g q tes an jme hat der ist n r t al ze mole b o se vnd wer s r ndiget der verl r ret die schemde wand schemete er sich so tette er der s r nden n r t Jch bin d r rrik x ne also ein fliege vnd valle ie z q Jch schone niemannes Nvwen der sich mit tvgenden weret der blibet vnbesweret Vnd der in gotte vestestet (! ) der r ber windet erlich alles sin herczeleit <liber v.> xxxii 89 von dem hohen ende swester mehthilt Nv m q s ich doch dise rede betwngen schriben die ich gerne wolte verswigen Wand ich v o rhte vil sere den heimelichen swang der italen ere Aber ich v o rhte michel me wil mir got gereht wesen Dz ich gottes arme al ze vil habe verswigen jomer vorhte herczeleit vnd stette herczeleit han jch getragen heimelich von kinde vmb ein g q t ende Nv an miner lesten zit hat mir got alsvs gewiset Dz von himelriche hernider koment vier scharen in einer procession dz worent jvnc fr p wen vnd engel die jvncfr p wen bezeihentent tvgende do ein Mensche gotte mitte gedienet hatte Die engel bezeichent ein reine leben do der mensche gotte mitte gevolget hat Vnser herre vnd sin erliche (114 r , Cviij) m q ter volgeten der 432 Anhang 89 Verbessert aus xxxviii. winnenklichen processio vncze die ersten st q ndent vor des menschen mvnde so wz der weg fridesam al vmb vnd bi jnen wz er clorer denne die svnne von dem schine der heiligen Die do koment von der gottes winne 90 Do sprach die sele Herre dirre weg gevallet mir r ber alle mine wirdikeit vnmossen wol Aber ich v o rhte sere wie jch vs minem lichamen s o lle kvmen Do sprach vnser herre also dz sol geschehen so wil ich minen otten ziehen dz dv mir volgest also ein agestein an bedenhalben Der procession wz ein schar t r felen der wz also vil dz mir Dz n r t m o hte geschehen dz ich s r m o hte r ber sehen ie doch so v o rhte ich keinen S r vnder sl q gent sich mit grosser grime vnd s r vnder trottent sich als die vnsinnigen des fr p wete sich die sele noch me denne dz s r vor ir sach vnser herre Do frogete s r von grossem wundere vnseren herren wie dz were Do sprach vnser herre die fr o ide kvmet von der gewissin sicherheit dz dv denne dz wol wissest Dz dich alle dise t r fele niemer m o gent von mir gehinderen <liber v.> xxxiii wie kleine s r nde schadent der volkvmenheit vnd wie sich der t r fel do von nohet der sele Dz hindert geistliche l r te aller meist an rehter volkomenheit Dz s r der kleinen (114 v ) s r nden also wenig ahtent Jch sage r ch dz werlichen wenne ich mich versvme mit eime lachende dz nieman schadet oder mit einer s r rikeit in minem herczen Die ich nieman bewise oder mit einer kleinen vngetvlt miner eigener pine so wirt min sele vinster vnd mine sinne also stvmpf vnd min hercze also kalt dz ich ellendeklich m q s weinen vnd iemerlichen clagen vnd fr r ntlichen bitten vnd creftiklichen geren vnd dem x tiklichen bekennen alle mine vntvgende denne erst mag mir armen die gnode geschehen dz ich wider krieche also ein geslagener hvnt in die k r chin Noch me wenne jch einen gebresten an mir vnbekant vnd vngewandelt so stet z q hant ein helle flecke an miner selen So mag dz kein rot sin der t r fel der des vegef r res pfliget do die s r nde jnne brennen solte Er wil z q hant sin glichnisse an sehen So beginnet so beginne (! ) mich eisende do ich alleine bin wand min sele wart fry gemaht von aller eissvnge do ich die gobe enphieng die man heisset bekante minne So valle ich z q hant vf die erden vnd sprich Misere mei devs 91 Oder pater noster So ze hant kvm jch wider in min s x sse paradis Do mich der flecke vs hette gewiset liber v.xxxiiij von f r nfer leige nvwen heiligen dvrch b o se l r te gesant vnd wie got wil weschen die cristenheit jn sin selbes bl q te hie noch (115 r , Cviiij) Mich wndert sere noch der edelkeit die do lit an der heilikeit vnd noch der krancheit die an dem menschen lit Dz sant elsabet 92 also balde heilig wart vnd also vnlange vnder der erden lag Des berihte mich vnser herre vnd Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 433 90 miemer verbessert aus minne. 91 Mit Hervorhebung. 92 Mit Hervorhebung. sprach alsvs es ist der botten reht dz s r snelle sint Elsabeht 93 die ist vnd s r wz ein botte den ich gesant habe z q den vnseligen fr p wen die in den b r rgen sossen mit der vnk r schekeit also sere dvrch flossen vnd mit der hoffart so sere r ber zogen vnd mit der italkeit alse stette vmbevangen dz s r noch rehte in dz abegr r nde solten sin gegangen in irem bilde ist manige fr p we gevolget der mosse s r wolten vnd m o hten Sant dominicvs 94 sancte (! ) ich den vngl o ibigen ze botten vnd den tvmben z q lere vnd den betr x beten ze troste Jch sancte (! ) p ch Sant franczciscvm 95 ze botten den gittigen phaffen vnd hoffertigen leigen Me sant peter 96 der nvwe marterer Der ist min botte des bl q tes do nv die valsche cristenheit so iemerlich jnne bevangen stet S r sprach alle s r sint reine vnd s r sint vor minen p gen vnk r sch S r sprach s r [habent mich lieb] sint vngetrvwe vnd sint doch vor minen p gen valsch S r sprach s r habent mich lieb s r hant ir fleisch michel lieber wer mit mir wil bliben der tr o ste sich mit sant peters 97 des irdenschen libes Die verborgen schvlde (115 v ) machet zejvngest offenbare not Jch armer mensche ich wart in minem gebette also k x ne dz jch frevelichen tette vnd nam al ze mole die verb o sete cristenheit an miner selen aren do borete ich mit jomer Do sprach vnser herre Las Svst dir alze swere Eya nein s x sser lere jch wil s r vf heben vnd f r r dine f x sse tragen mit din selbes armen Do dv s r mit an dem heili- (! ) cr r cze tr x ge Do gestattete mir armen got mins willen vf dz er mich m o chte gestillen Do die arme cristenheit alsvs f r r vnseren herren kam do wz s r glich einer jvncfr p wen Do sach ich s r an vnd ich sach p ch dz s r vnseren herren ane sach do schemete ich mich vil sere Do sprach vnser herre Nv sich gezimet mir dise jvncfr p we wol in minem ewigen brvtbette one ende z q minnende vnd mit minen keyserlichen armen z q mir z q nemende vnd mit minen g o ttelichen p gen an z q sehende wand s r svr Y get ist an ir bekantnisse vnd s r p ch lam ist an iren henden wand s r n o te g q te werck t q t s r ist p ch hvfhalcz an den f x ssen irre gervnge wand s r min selte vnd trecklich gedencket S r ist p ch vnfletig an irre h r te wand s r ist vnreine vnd s r ist vnk r sch do sprach der arme geist wel rot sol ir denne werden Do sprach vnser herre jch wil s r weschen in ir selbes bl q te vnd alle die seligen die do werlich vnschvldig sin die wil ich beschirmen vnd nemen s r verborgen z q mir in eime heiligen tode Me sprach (116 r , Cx) vnser herre swester Jvntte von sangerhvsen die han ich den heiden gesant ze botten mit jrme heiligen gebette vnd mit jrem g q ten bilde Dis sprach p ch vnser herre Dis b q ch sende ich nv ze botten allen geistlichen l r ten bede den b o sen vnd den g q ten wand wenne die s r len vallent so mag dz werck n r t beston jch sage dir werlich sprach vnser herre jn disem b q che stet min hercze bl q t geschriben dz ich in dem lesten ziten ander warbe giessen wil von driier hande bl q t Sagete mir vnser herre alsvs Dz erste bl q t dz abel vnd die kint jo- 434 Anhang 93 Mit Hervorhebung. 94 Mit Hervorhebung. 95 Mit Hervorhebung. 96 Mit Hervorhebung. 97 Mit Hervorhebung. hannes babetisten 98 vnd alle die ir heilig vnsgechvldiges bl q t gvssent vor der marter vnsers herren dz wz cristvs bl q t wand s r litten dvrch sine liebin den seligen tot Dz ander bl q t Dz wz des himelschen vatters bl q t dz cristvs vs sinem vnschvldigen herczen gos Dz dritte bl q t dz man vor dem jvngesten tage vergiessen sol in cristenem gl p ben dz ist dz heilgen [bl q t] geistes bl q t wand svnder des heiligen geistes andaht wart nie g q ttat vollebroht Der marterer bl q t gibet geselleschaft vnd kronen Des vatters bl q t in cristo git l o svnge vnd gl p ben Dz leste bl q t in dem heiligen geiste git behaltvnge vnd ere liber v.xxxv wie swester mehthilt dancket vnd lobet got vnd bittet f r r driier leige l r te vnd f r r sich selber Eya milter vatter got von himelriche z r ch mine sele also fliessende vnbek r nbert jn (116 v ) dich vnd fl r s ir herre zegegen mit allen dem dz dv hast winnenkliches in dir So mag s r bitten vnd gebieten vnd dich herre volle loben aller diner g x tin Eya vnd gib mir herre diner heiligen drivaltikeit zvge jn dem s x ssen minne flvge Also dz ich herre l o belich gebrvche aller diner milten goben vnd ich dich s x sser herre des iemer bitte des dv mir herre z q dinem lobe nit wellest geben amen Eya zarter vatter aller g x ti jch arme s r nderinne dancke dir aller trvwe mit minem gepinigetem libe vnd mit miner ellendigen selen vnd mit minem s r ndigen herczen vnd mit minen betr x beten sinnen Vnd mit minem versmoheten wesen an dirre welte Herre vatter dis ist min vnd anders niht Vnd mit dinem lieben svne jhesv cristi vnd mit der gemeinschaft aller creatvren also s r worent vnverb o set vnd also s r noch wider kvmen s o nt in dz aller l o belicheste dz s r werden wellent vnd m o gent Eya s x sser vatter mit allen Disen dingen so lobe ich dich h r tte vmb alle dine getrvwe beschirmvnge Die dv ie geleitest an minen armen lichamen vnd an mine ellendige sele Mit disen siben dingen grosser got so dancke ich dir herre aller diner milten goben die dv mir herre ie ge(117 r , Cxj)r q chetest ze gebende an libe vnd an sele Mit diser meine aller creatvren so gere ich herre h r tte Disen lobes in allen dingen vmb alle ding die herre vatter vs von dinem s x ssen herczen vnbewollen sint geflossen aber mit allen disen dingen lieb vor allem liebe so bitte ich dich herre dir selben ze eren vmb wore wandelvnge vnd vmb gancze bekervnge der armen s r nder die h r tte ligent in den h p bet s r nden jch bitte dich me min war lieb vmb heilige wahssvnge aller tvgenden vnd cristenlicher bestandvnge allen den seligen die hie lebent one h p bet s r nde Jch bitte dich aber vil lieber f r r alle gepinigete selen die dvrch vnser s r nde jn dz vegef r r sint gevaren Dz wir mit g q tem bilde solten bewaren Jch bitte dich herre vmb heilige heiligvnge vnd vmb wore beschirmvnge vnd vmb dines heiligen geistes erf r llvnge allen den bi namen [den] die min ellende herre mir armen dvrch dine liebin helfent hie tragen an libe vnd an sele Jch bitte dich richer got dvrch dinen armen svn jhesvm dz dv die pine mines geist- Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 435 98 Mit Hervorhebung. lichen arenm q tes vnd die gallen miner bitterkeit ze honig wellest machen jn dem gomen miner selen Jch bitte dich lebendiger got (117 v ) vmb die ewige edelkeit vnsers cristenen gl p ben Dz dv herre vns denne bewarest vor allen valschen gez r gen mit diner g o ttelichen wisheit vnd bestette herre vnseren geist ze r q wende in diner heiligen drivaltikeit Jch bitte dich s x sser herre f r r alle mine cristene piner dz s r dich noch m x ssent bekennen vnd heiliklichen minnen jch bitte dich almehtiger got vmb wore st r rvnge mit vnderscheide den valschen l r ten in der herschaft vnd vmb barmeherczige beschonvnge der vnschvldigen in der gemeine jch bitte dich ewiger trost Dz dv h r tte ze troste wellest kvmen allen den beswerten selen die h r tte mit angeste von irem lichamen scheiden dz Dv barmehercziger got ir behalter wellest sin vnd vrteile s r in dz ewige leben Jch bitte dich herre vmb reine l r tervnge vnd geistliche bestvnge vnd l o beliche behaltvnge der g o ttelichen [be] worheit jn allen dingen allen den bi namen Die geistlichen schin vnd geistliche gewalt alleine dvrch dine liebin tragent Jch bitte dich milter got vmb wore dangnemikeit ze allen zitten vmb alle dine goben Den z q helfe die dvrch dine liebin k r nberliche b r rdin tragent jch bitte dich heiliger got vmb barmeherczige an sihte mins vnn r czen lebendes vnd vmb stette einvnge herre din selbes in miner sele vnd vmb (118 r , Cxij) die getrvwe wege spise dines heiligen lichamen dz der m x sse sin an minem ende min leste spise an sele vnd an libe p ch bitte jch dich hohe winnenkliche drivaltikeit vmb die leste stvnde der ellendiger scheidvnge miner armen selen von minem s r ndigen libe Dz dv dich denne herre wellest z q mir neigen also dz alle mine vigende von mir trvrig scheiden vnd ich herre do noch diner s x ssen wollvst vnd miner langen gervnge dich m o ge one vnderlos ane sehen also dz miner selen p gen jn diner gotheit m x sse spilen vnd die s x sse minne lvst vs diner g o ttelichen brvst Dvrch mine sele m x sse sweben Per dominvm nostrvm jhesvm cristvm filivm tvvm amen liber vi.vi 99 in der lesten zit solt dv haben minne gervnge vorhte rvwe driier leige Jch frogete vnseren herren wie ich mich solte halten an der lesten zit mins endes Do sprach vnser herre Dv solt dich halten an der lesten zit als dv dich hielte in der ersten zit dv 100 solt dich halten minne vnd gervnge rvwe vnd vorhte wand dise vier ding worent ein beginne dines lebendes Dar vmb m x ssent s r p ch din ende wesen Do sprach ich lieber herre wo blibent noch zwey ding die fvndamente vnd ein crone sint der himelschen ere dz ist cristan gl p be vnd wore hoffenvnge Do sprach vnser herre alsvs Din gl p be ist worden (118 v ) ein wissenschaft vnd din hoffenvnge hat sich verwandelt in ein wore sicherheit dise glosen sach in sinen worten vnd weis s r p ch in minem herczen Min rvwe lit an drin dingen mich rvwent mine s r nde nv aller meist dz kvnt von der liebin aber die pine Der rvwe die han ich verloren in der minne alminnende [me] mich 436 Anhang 99 Hs. v. 100 dv verbessert aus nv. rvwent aller menschen s r nde also dz mir rehte ist als eime siechen denne eins also edelen dinges lvstet dz es jm n r t werden mag oder leider selten Des m q s min hercze jomerig sin vnd min sele jaget mit ir gervnge noch dem grossen wilden tiere dar vmb sprach vnser herre Man mag die grossen tier n r t gevohen man jage es denne in ein wasser also wirt niemer s r nder bekert er werde denne gejaget mit jlender gervnge heiliger l r te in die tieffen trehenen ires herczen Mich rvwent alle g q te werck Die jch versvmet han Dvrch mins fleisches 101 liebin one wore not do von sprichet vnser herre man mag keine wonvnge bvwen man habe iene stette also mag man keinen lon enphohen in himelriche one g q tet g q ter wercke Dz losset vnser herre dvrch herczekliche liebin dz er sprechen m o ge z q einer Nim min aller liebeste dise manigvaltigen wirdikeit die hast dv selber verdienet Dz got dis wort sprechen m o ge mit worheit der selen z q eren vnd z q liebe rechte also ebe er die sache ir selikeit n r t (119 r , Cxiij) were vnd s r m o ge enphohen volkvmen ere an libe vnd an sele har vmb ist vnserem herren ze vnseren erbeiten z q vnserem arenm q te ze vnseren we tagen also herczeklichen liebe dz wir hie in der woren minne tragen dz er sine rehtikeit also edelich entwichet also es iemer siner gotheit gezimet Dz han jch gegriffen in dem hvffen der gottes gobe liber vi.vii vnser eigen wille mag wider ston dem wider hacken die g q te sele ist snel z q gotte Jn miner geselleschaft ist geistlich mensche von dem lide jch manige not dvrch sine b o se sitten also dz mir der mensche an keinen dingen volgen wil do clagete [ist] jch gotte mit aller miner gervnge vnd wunderte mich sere wo von dis m o chte sin do sprach vnser herre Sich wz es weret do sach jch dz ein s r nderlich t r fel dem menschen z q hengete vnd zoch s r wider von allen g q ten dingen do sprach ich wer hat dir den gewalt geben dz dv gotte also grosse smocheit b r test an disem menschen Do sprach der t r fel mir hat nieman die gewalt geben denne alleine ir eigen m q twille jn disen worten sach ich dz der t r fel allen geistlichen l r ten mit so smehilichem spotte volgete die jme vrlop gebent an in selben also der s r lvgenlich leben dz er gotte vnschvldiget sich selben vnd alle creatvren Do sprach ich wer sol disem armen menschen des helfen dz es von dir los werden do sprach der t r fel betwngen von gotte ir mag nieman helfen wand ir eigen m q twille wand got hat ir die gewalt gegeben (119 v ) dz s r iren sin mag vmb keren Wenne s r dz t q t so m q s ich von ir ilen Nv frogete ich dich in der ewigen worheit wie heissest dv Do sprach der t r fel jch heisse wider hag vnd dise schar die dv hinderwert sihest dz sint alle mine kvmpane von disem selben ambahte Dz ich habe vnd der ist also maniger also wir manigen menschen vinden der z q g q ten gedingen siner getrvwen meisterschaft n r t volgen wellent Hie von wart min sele also snel z q gotte dz s r sich rehte vf h q b one erbeit ir selbes vnd bewant sich rehte in die heilige drivaltikeit also ein kint sich bewindet in Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 437 101 fleisches verbessert aus fleisd (? ), -es nachträglich angehängt. den mantel siner m q ter vnd leit sich reht an ir brvst Do sprach min sele mit der maht vnd mit der stimme aller creatvren alsvs Eya vil lieber nv bedencke mine not in disem menschen also dz dv herre sine sinne wandelest mit diner g o ttelichen s x ssikeit Nein sprach vnser herre miner s x ssikeit ist s r n r t wirdig me ich wil s r siech machen an irem libe dz s r von der pine also lam wirt dz s r n o te s r ntliche wege get vnd jch wil s r also stvm machen dz s r sol b o se wort sol verswigen s r sol p ch also blint werden Dz s r sich schemet italkeit ze sehende Me wz man jr denne t q t dz t q t man mir werlich Dz geschach do noch in vierzehen tagen allelvia liber vi.viii zwischent gotte vnd lvcifier ist zwaiger hande vegef r r wie die der t r fel piniget die selen (120 r , Cxiiij) Vnser menslicher br q der ist jhesvs cristvs der ist mit allen tvgenden vf gevaren z q himel jn die h o hin sin gotheit vnd jme mag dar nieman volgen er habe denne p ch alle tvgende z q glicher wise also sich die heilige drivaltikeit hat erlich geseczet obe allen dingen in die 102 winnenkliche h o hi mit allen sinen tvgentlichen fr r nden do noch iemer erlichen sch o ne vnd fr o idenrich also s r dz l o beliche glichnisse siner g o ttelichen tvgenden mit jnen bringent jo ein iegelich tvgent die hie in ertriche wirt gevormet mit g q ten willen on valsch gezieret mit der minne vnd vollebroht one s r nde Dz sint jn himelriche die seiten die do klingen iemer on ende vs von der getrvwen selen vnd von g q t willigem lichamen jn die heilige drivaltikeit dz der vatter sinem svne dancket dz er s r mit tvgenden Dar gezogen het vnd der svn den vatter eret dz er s r geschaffent hat Vnd dz der heilige geist den vatter vnd den svn also zartlichen twingent dz die heilige drivaltikeit also sere creftiklich gegen ir fl r sset vnd also s x sse singet dz s r alle ding mit gotte meinen vnd minnent also ist der s r ndige t r fel lvcifier versvncken vnder allen dingen mit allen den alleine Die vntvgende minnent vnd meinent (120 v ) zwischent gottes h o he vnd des t r fels abegr r nde ist noch zweiger hande vegef r r jn den zwein vegef r ren ist maniger leige pine vnd not Dz erste vegef r r ist 103 der n r cze kvnber den wir in dirre welte lident in manigvaltigen pinen Dz es sich an hebet vor der hellemvnt vnd endet vor der himelporten Aber die t r fel m o gent die selen n r t f r rbas pinigen denne vf ertrich in der lvft vnd an allen den stetten Do der mensche ges r ndet hat vnd in aller der h o hin do er den lvft entrihtet hat mit sinen s r nden do mitte erz r get s r der t r fel dz ir schame vnd ir pin deste gr o sser si von allen den s r nden die hie vngewandelt blibent Me wenne s r also selig werdent dz s r ie von des t r fels handen werden so brennent s r in in selber pinlich dvrch kleine not Do noch kvment s r mit helfe vnd lidvnge r ber alle not dz ist dem himelriche also nohe Dz s r alle fr o ide habent one driierleige fr o ide hant s r noch n r t dz s r got n r t sehent Dz s r ir ere n r t enphangen hant Dz s r n r t gekr o net sint also ist dz vegef r r vf ertrich vnd in 438 Anhang 102 die verbessert aus dich. 103 ist verbessert aus sist. dem lvfte zwischent der helle vnd dem himelriche Es ist aber in geistlicher wise also dz die sele von irdenschen dingen keine pin mag <ge>liden 104 wenne s r kvnt von disem libe liber vi.viiij wer die heiligen eret den erent s r vnd tr o sten in an dem tode (121 r , Cxv) Dz man die heiligen eret mit sch o ner gedehtnisse vnd mit aller der meine so man haben mag in dem tage also s r got geeret hat mit einem heiligen ende Dz ist in also wol z q dancke dz s r do gegenwirtig kvment mit aller der herschaft die s r von frmikeit (! ) enphangen habent Dz sach ich werlich an sant mariamagadalenen 105 (! ) tag do man got erte mit l o belichem sange vmb die grosse ere die s r z q lone het enphangen Si schrikete in dem kore noch dem heiligen sange vnd s r sach einen iegelichen sengere in sin p gen vnd s r trat vnd sprach alle die iemer min ende erent z q der ende wil ich kvmen vnd ich wil s r [in] wider eren alles noch dem also s r m o gen enphohen so wil ich in zestatten ston Vier grosse ercengel die f q rtent s r zwischent jnen vnd der lvczelchen engel wz vil r ber menschen zal Do frogete ich s r wie die vier f r rsten hiessent Do sprach s r der erste heisset kraft Der ander heisset gervnge Der dritte g q ter wille der vierde heisset stettikeit wand mit disen vier tvgenden han ich r ber wnden alles min herczeleit Dar vmb hat mir got geben ze lone bede dienest herren vnd crone von anderen heiligen ist es p ch also Dz sprichet vnser herre wenne man den minnesten vunken ploset er gibet hicze vnd schin in dem himel f r re do bi b r rnende heiligen sint <liber vi.> x gebet messe gottes (121 v ) wort g q ter l r te leben jor vasten karenen l o set die sele Jch bat f r r eine sele der lichame wart gem r rdet in einem s r ndigen leben Do sprach vnser herre alsvs Siben jor vasten vnd siben carenen dz wer als ein regen trophe in eime grossen f r re bi den Drissig joren wirt er mir n r t abe gebetten wand er hat mit t o rlicher hoffart sinen lip verloren Drissig jor vor siner zit die m q s er mir gelten in der not Eya herre jo en mag doch diner g x tin gebeiten Wo zwene ringent mit ein ander do m q s der krancker vnder gon der krencker der wil ich sin alleine wie ich almehtig bin Drissig hvndert messen ist sin l o svnge wand er nie gancze messe gehorte er entete es dvrch scheme Herre wo mitte wart er behalten wenne er horte mine wort so s r fzet er des lonete ich jme do er leste lebete also dz er do s r fzete vmb sine s r nde Herre ebe siner m q ter br q der der ein geistlich man ist gesehen von siner jvgent vncze an sine growen hor mit manigen arbeiten vnd kvnber Der dz opherte f r r in vnd gienge do vs vnd saste sich in die stat do er erst inne bekant wart dvrch dine liebin woltest dv die selen iht lidig lossen jo sprach vnser herre wirde jch also sere getwungen so m x ste jch Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 439 104 ge über der Zeile. 105 Mit Hervorhebung. geben alles dz man wolte Herre obe der geistliche man sine g q ten werck der armen selen gebe wie solte ir denne geschehen al ze hant lies mich got den (122 r , Cxvj) Seligen sehen dz mir E n r t m o chte geschehen dvrch sine vnk r sche pine Die min sele n r t mag erliden Do wz er sch o ner den die svnne vnd er swebete in clorer winne hoch r ber alle jrdensche jomerkeit Do sprach er fr o lich vnd wz vil gemeit Sage minen fr r nden vnd were dz ertrich gvldin vnd die clore svnne dar in schine one vnderlos bede tages vnd nahtes Do z q des s x ssen meigen lvft sch o ne bl q men mit voller frvht so wolte ich n r t eine stvnde Dar jnne wesen also winnenklich ist dis leben Noch wz er n r t in dem ewigen himel kvmen liber vi.xi wie ein sch q ler tot ist vnd ein brediger Alsvs sprach vnser herre jch sage dir mit miner brennenden gotheit vnd mit miner lebendigen menscheit Dz sin natvre tot ist eins heiligen todes also dz er niemer h p bet s r nde <me> 106 get q t vf ertriche Do wart er gesehen einem brediger glich vnd st q nt vf einer roten marmel s r len vnd bredigete dem volcke alsvs Venite benedicti patris mei 107 kvment z q mir alle seligen vnd gont von mir alle vnseligen Do wart gesehen vnd bekant Dz alle brediger vns von disen zwein worten bredigent vnd lerent liber vi.xvi wie die sele vnsers herren wonet in der drivaltikeit vnd von irem ambaht wie s r sprichet f r r den s r nder vnd von dem ambaht vnser fr p wen Also ich erwachete in der naht so vers q che ich mit wisheit mine maht ebe jch (122 v ) arme r t betten mag f r r die vngetrvwe cristenheit Die minem liebe t q t so manig leit vnder wilen z r het er mich einen anderen weg one brvcke vnd one steck Do ich jme volgen m q s blos vnd barf q s von allen irdenschen dingen wer mag die menscheit so sanfte betwingen wer mag die sele so snel vf rvcken wer mag die sinne so hoch erl r hten also got der s r geschaffen hat der t q t mit vns wunderliche getot also gedohte ich jn einer naht an die heilige drivaltikeit mit s x ssem flisse miner selen on erbeit Do sach ich in der h o hin der ganczen heiligen drivaltikeit vngegeret die sele vnsers herren jhesvs Sin sele wonet stette obe 108 aller wirdikeit jn der heiligen drivaltikeit do ist s r jnne bevangen vnd wunderlichen beworcht vnd s r l r htet erlich r ber alle creatvren sch o ne dvrch die heiligen driie personen Do gerte ich mit grosser gezogenheit also man do z q hofe pfliget Dz ich m o hte sprechen z q sinen eren mit der sele vnsers herren wand mich des bedvnhte Dz s r svnderlich wunder worhte Do swebete ich ir also nohe dz ich s r gr x ssete alsvs Genediget sistv [r] vil liebe wz wunders wirkest dv in disem ewigen spiegel do sich alle seligen so wunderlich jnne 440 Anhang 106 me über der Zeile. 107 Mit Hervorhebung. 108 obe verbessert aus ober, -r getilgt. besch p wen dv hast s x sse erbeit jn winnenklicher vn(123 r , Cxvij)r q we do sprach die sele vnsers herren z q der sn o den also Sist wilkvmen min glichnisse wand ich bin p ch ein sele also p ch dv bist vnd ich han aller selen b r rden getragen mit minem vnschvldigen lichamen Dis ist min ambaht jch r x re on vnderlos Dise grvndelosen gotheit Do mitte mane ich den himelschen vatter siner endelosen liebin die er z q des menschen sele treit jch gr x sse p ch mine g o tteliche menscheit vnd dancke jme miner selikeit vnd mane in siner ge[scholl]selleschaft wand er selber ein irdensch mensche wz Dz er gedencke von wannan er si kvmen wie gros vnd wie edel der mensche sibbe an jme si vnd losse den menschen n r t verloren werden wand nieman het sich selber gemaht noch geborn Dar vmb hastv alle dine not one s r nde r ber kvmen also mane ich gottes menscheit z q s r nderlicher erbarmherczikeit vnd dz er des gedencke wie kranck der mensche si vnd dz er n r t ist geschaffen von sinen vienden fry vnd dz Der mensche m q s iemer me vehten also ein wol gewahssen man dem doch sine p gen verbvnden sint Dz ist ir vinstere menscheit do mitte s r gebvnden sint Gedencke edeler gottes svn wie iemerlich ich in ertrich wz jn dir betr x bet Vnd stant noch allen menschen (123 v ) vetterlichen bi die min glichnisse in in tragent wand ich din sele bin jch m q s p ch den heiligen geist z q siner goben twingen wand er m q s alle selikeit dem menschen von dem himelriche jn dz ertrich bringen Sch r hest dv ewiger vatter den grendel diner gerehtikeit also veste f r r dz himelriches t r re Dz die armen s r nder hie in n r t m o gent kvmen jch clage es jhesvs dinem lieben svne Der do hat den schl r ssel dines riches in siner menslichen hant mit der almehtigen gewalt der selbe schl r ssel wart gesmidet in dem selben lande von der jvden handen Wenne jhesvs den schl r ssel vmb wendet so mag der verworffene s r nder kvmen z q dinen hvlden Dis ist des himelschen vatters wort Min sele mag des n r t erliden dz ich den s r nder von mir wise dar vmb volge jch manigem also lange noch vncze dz ich in begriffe vnd behalte jme so enge stat dar mir nieman mit sinnen gevolgen mag Nv sprichet aber vnsers herren sele alsvs Dz ist mine wirdikeit vnd also bin ich gezieret Die gotheit ist min crone sine menscheit habe ich z q lone Der heilige geist hat mich vmb vangen Vnd also winnenklich dvrch gangen Dz mir kein creatvre mag gelichen noch also lange alsvs trage ich one vnderlos in diser heiligen drivaltikeit alle jrdensche s r nder von stvnde (124 r , Cxviij) ze stvnde dz s r got noch n r t losse vallen in dz ewige abgr r nde Aber die jvncfr p we in der lichame jch z q herberge wz Do ich vs von der gotheit kam in ires svnes menscheit die jvncfr p we ist ein beschirmerin aller k r scheit vnd ein clagerin der bekorten Die sich mit rvwen v o rhtent hie vor der heiligen drivaltikeit dz gerihte noch an iren henden stet Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 441 liber vii 109 .xlviiij von eime leige br q der Jn der brediger ordan wart ein leige br q der erslagen von dem tvnre Do wart f r r sine sele gebetten mit getrvwer gervnge ebe r t an jme wer vngewandelt dz jme dz wirde vergeben Do wart sin sele dem selben menschen bewiset der f r r in bat do wz er sch o ne in himelscher winne vnd hette keine pine dz wz Do von als sin sele sprach jch wz dem x tig an minem herczen jch wz vorhtig an minen sinnen jch wz g q t willig in allen minen wercken dar vmb han ich keine pine Die sele war vmb f x re n r t ze hant ze dem himelriche Do sprach er ich m q s aller erst hie enphohen g o tteliche bekantnisse vnd himelsche minne der hette ich in ertriche n r t wo von ist dz dz dv den kleinen flecken hast an dinem antlit Do sprach er jch wisete min antlit ernest den die minen willen n r t taten dz bleib vngewandelt an mir wo mitte mag man dir den flecken benemen Do sprach er hette jch einen s r fzen Do m o hte jme do von n r t geschehen von dem menschen wan (124 v ) die wile wart jme gegeben Do fr p wete er sich vnd sprach Nv ist es enweg Wo von tragest dv dise cronen Nv bist dv noch z q himel n r t kvmen Do sprach er jch hette einen s r nderlichen tot do von het got mir s r gegeben liber vij.xli wie ein brediger br q der wart gesehen Jch bekante vor vierczig joren einen geistlichen man denoch worent geistliche l r te einveltig vnd minnen f r rig Er nam z q in geistlichem lebende vnd in fromikeit vnd leistete vnserem herren offenbar menige heilige erbeit Der ist nv hinnan gevaren Do bat jch vnseren herren f r r sine sele cristenliche obe iene schvlde an jme were dz got jme dz vergebe Do sach jch aller erst eine clorheit die wz jme von gotte bereit do envant ich in n r t jme Do betr x bete sich min sele Dar noch z q einem anderen mole Do ich aber f r r in bat do vant ich in in einem f r rigen wolcken do bat er dan man jme wz geben Do sprach ich mit aller maht z q vnserem lieben herren Eya lieber herre g o nne mir des dz ich m x sse r bels mit g q tem lonen Do rechete er vf in dem wolken Vnd sprach o herre wie starck ist dine kraft wie reht ist dine worheit Do sprach ich wo nv wie gehastv dich nv Do sprach er jch habe mich als mir schinet wo von habest dv dise pin Die [d] sele Die valsch heilig schinent Die besageten die vnschvldigen z q mir des lies ich engelten vnd hette s r ndigen won vf s r (125 r , Cxviiij) do von habe ich dise pin Eya hette ich noch einen s r fzen Des m o hte jme von mir n r t geschehen er hatte sich p ch ein teil vergessen an mir z q m dritten mole bat ich aber f r r in do f q r er winnenklichen hin Do begegent jme vnser lieber herre vnd sprach ime z q dz din weg alsvs lange vnd alsvs swer ist gewesen noch dinem tode Dz ist dir von b o sen l r ten gegeben Dv hast mir heiliklichen gevolget vnd getrvwelichen gedienet dv solt der jvncfr p wen crone tragen cronen der rehtikeit vnd cronen der worheit do f q r er l r htende hin r ber aht k o re vnd r q rte den n r nden Do sach 442 Anhang 109 Hs. vi. ich sin n r t me Hetten jme die valschen lvgener n r t z q getragen so were er one pine z q der ewigen fr o ide gefaren Dz er inen getrvwen wolte dz wz sin schade liber vii.i von der cronen vnd wirdikeit vnsers herren jhesv cristi die er noch dem jvngesten tage enphohen sol Vnser herre der himelsche vatter hat noch behalten in siner g o ttelichen wisheit manige vnsprechenliche gobe Do er noch dem jvngesten tage sine vserweleten kinder mitte zieren wil nemelichen sinem eingebornen svn jhesvm vnseren l o ser dem hat der himelsche vatter eine crone bereittet mit also grossen erlichen manigvaltigen wercke gemaht vnd gezieret Dz alle die meistere die ie wirden vnd nv sint vnd iemer s o nt werden n r t m o hten volleschriben Die clorheit vnd die manig (125 v ) valtige wunne der cronen Die crone wart gesehen mit geistlichen p gen Der minnenden selen in der ewigen ewikeit vnd wart bekant ir gesch o pnisse wz ist dz ewikeit dz ist die vngeschaffene wisheit der endelosen gotheit die weder beginne noch ende hat Die crone hat driie b o gen Der erste bogen worent die patriarchen Der ander die profeten Der dritte die heilige cristenheit die crone wirt gebildet vnd gebl x met mit der gegenwirtikeit aller seligen die in dem jvngesten tage gottes rich besiczen s o llent S r s o llent doch ir wirdikeit ordenlich besiczen noch iren wercken Der erste bogen der cronen wirt gewiret vnd erl r htet mit edelem gesteine aller der heiligen jnnikeitte vnd g q ter wercken die die patriarchen ie vollebrohten Der bogen wirt p ch gebildet mit menschen bilde sele vnd lib Dz erste bilde vf dem bogen der crone dz ist sant steffan vnd alle die marterer gebildet mit jme die ie in cristenem gl p ben ir bl q t gegossen haben Do bi sant peter vnd alle gottes appostelen mit ime p ch gebildet Do by alle die selige die der appostelen lere gevolget habent die elichen l r te s o nt p ch an dem bogen gebildet sin mit jren kinden die mit g q ten wercken gotte gevolget hant Der ander bogen der cronen der wirt gebildet mit sant johannes babitisten vnd allen geistlichen vetteren mit jme den got sine schof bevolhen (126 r , Cxx) hat der bogen wirt gewiret mit aller gewalt geistlicher vnd wirt gebl x met mit cristenlicher lere Der dritte bogen der cronen wirt gebildet aller sch o nest mit der edelen menscheit vnsers herren jhesv cristi vnd bi jme sin erliche m q ter maria mit allen iren jvncfr p wen die dem lambe volgent s o llent Sant johannes 110 babitista der wirt do dem lambe gebildet vil nohe vnd alle die gebl x me mit jme die vnder sinen henden cristen worden sint Der bogen der cronen wirt mit der sch o phenisse aller creatvren gewiret noch der liebin vnd noch der meinvnge des sch o pfers die er do z q hatte do er alle ding gesch q f noch sinem willen Die crone wirt r ber algebl x met (! ) mit manigen ritterlichen schilte des heiligen starcken cristenen gl p ben Dz keyser rich sol p ch an der cronen ston gebildet gewiret vnd gebl x met vncze an den lesten gebvren iemer do noch wirdig dz s r gotte gedienet hant Die crone sol p ch gezinnet werden bi Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 443 110 Mit Hervorhebung. des endecristes zitten mit manigen erlichen bilde also Elyas 111 vnd Enoch 112 vnd manig heilig marterer vor in gebl x met mit der heilikeit ires lebendes vnd gewihet mit irem t r ren bl q te Die crone sol p ch geverwet sin mit des lambes bl q te vnd erl r htet vnd verg r ldet mit der creftigen minne die jhesvs brach sin s x sses hercze Dise crone hat (126 v ) Vnser himelscher vatter geschaffen jhesvs cristvs hat s r verdienet der heilige geist hat s r gewircket vnd gesmidet in der f r rigen minne vnd also v o ge gemaht mit der edelen kvnst der heiligen drivaltikeit Dz s r vnserem l o ser jhesv cristo also wol f x get vnd also erlichen stet dz der himelsche vatter von sime ein gebornen svne me fr o ide enphohet Dz m q s sin alleine die ewige gotheit svnder beginne alle winne vnd fr o ide hat in jme vnd nv hat vnd iemer haben sol so t q t ime doch dz s r nderlichen ewiklichen wol Dz er sinen ewigen svn mit allen sinen volgern so fr o lich ane sch p wen sol wenne jhesvs cristvs sin jvngestes gerihte hat geton vnd sin obent essen hat gedienet vnd begangen so sol er dise crone von sime himelschen vatter in grosser ere enphohen vnd mit jme die mit libe vnd mit sele z q der ewigen hochgezit dar mit erbeit kvmen sint So sol ein iegelich sele vnd lip ir wirdikeit an der cronen sehen Die crone ist gez r get in ertriche in t r rer kost mit silber noch mit golde noch mit edelem gesteine me mit menchen erbeiten mit menschen trehenen sweis vnd bl q t mit allen tvgenden vnd ze leste den pinlichen tot Die engel werdent an der cronen n r t gesehen Dar vmb dz s r n r t menschen sint abe s r m x ssent mit winnenklichem sange got loben (127 r , Cxxj) an der cronen Der erste kor singet alsvs wir lobent dich herre vmb dine eliche E do alle dise von sint kvmen die gebildet sint an diner cronen der ander kor wir lobent dich mit dem gl p ben aberhame vnd mit der heissen gervnge vnd prophecien aller propheten Der dritte kor wir lobent dich herre mit der wisheit vnd fromikeit aller diner apostelen Der vierde kor wir lobent dich herre mit dem bl q te vnd mit der getvlt aller diner marterer Der f r nfte kor wir lobent dich herre vmb dz heilige gebet vnd cristenliche lere aller babitisten vnd aller bihter Der sehste kor wir lobent dich herre mit der rvwe stetikeit diner wittewen Der sibende kor wir lobent dich herre mit der k r schekeit aller jvncfr p wen Der ahte kor wir lobent dich herre mit der frvht diner m q ter vnd maget Der n r nde kor wir lobent dich herre vmb dinen heiligen tot vnd vmb din erlich leben noch dinem tode vnd vmb dinen grossen vs flvs aller gobe vnd aller g x te do dv vns herre mitte geh o het vnd l o belich geordent hast Wir lobent dich herre mit diner f r rigen minne Do dv vns jme vereinet hast Obenan vf der cronen swebet dz aller sch o neste baner dz ie in disem keyser riche wat (! ) gesehen dz sol Dz heilige cr r cze wesen Do cristvs sinen tot hatte an gelitten dz cr r cze hat vier ende Dz niderste ende ist gezieret mit wunne (127 v ) clorer denne die svnne z q dem v o rderen ende vnder dem cr r cze swebent vf gerihtet die s r le geverwet mit des lambes bl q t gebl x met vnd gezieret mit den nagelen do vnser herre mitte wart gewundet Oben vf dem b p me des cr r czes swebet die aller sch o neste keyserli- 444 Anhang 111 Mit Hervorhebung. 112 Mit Hervorhebung. cheste dornin crone des riches die dorne sint gebl x met lilien wis rosen var winnenklich himel clor Dis ist dz baner der cronen Do jhesvs cristvs den sig mitte gewan vnd lebendig wider z q sinem vatter kam Al ze hant noch dem jvngesten tage in der ewigen hochgezit also got alle ding nvwe het gemacht so wirt dise crone geoffenbaret vnd swebete vf dem h p bete der menscheit vnsers herren der heiligen drivaltikeit ze lobe vnd ze eren vnd allen seligen z q fr o ide iemer Die menscheit vnsers herren ist ein begriffenlich bilde jn siner ewigen gotheit also dz wir die gotheit begriffen m o gent mit der menscheit gebrvchen gliche der heiligen drivaltikeit halsen vnd k r ssen vnd die vnbegriffenliche gotheit vmb vohen Den himelrich noch ertriche helle noch vegef r r niemer begriffen mag noch wider ston Die ewige gotheit schinet vnd l r htet vnd machet minnen l r stig alle die seligen die jme gegenwirtig sint Dz s r sich froowent (! ) one erbeit vnd lebent iemer one herczeleit Die menscheit vnsers herren gr x sset (128 r , Cxxij) fr p wet vnd minnet one vnderlos sin fleisch vnd sin bl q t alleine do fleisch noch bl q t n r t si Nv so ist doch die br x derliche sibbe also gros dz er sine mensliche natvre s r nderlichen minnen m q s Der heilige geist git p ch vs sinen minnenden himel flvs do mitte er dem seligen schencket vnd s r so volle trencket dz s r mit fr o iden singent zertlich lachent vnd springent jn gezogener wise vnd fliessent vnd swiment s r fliegent vnd kliment von kore ze kore vncze f r r des riches h o hi Do sehent s r in den spiegel der ewikeit vnd bekennent den willen vnd alle die werg Der heiligen Drivaltikeit vnd wie s r selber geformet sint an libe vnd an sele also s r iemer me s o llent bliben Die sele ist in dem lichamen gebildet menschen glich vnd hat den g o ttelichen schin in ir vnd schinet dvrch den lichamen als dz l r htende golt dvrch die clore cristalle So werdent s r also fro vnd also fry snelle gewaltig vnd minnenrich clor vnd gotte glich als dz mag m r gelich sin So varent s r war s r wellent also geswinde r ber tvsent milen als nv einen gedang gedencken mag pr x fent wz dz varendes si Denoch m o gent s r dz ende des riches niemer begriffen noch ber x ren dz wite rvm vnd die gvldinen strossen die sint r ber gros vnd sint doch wol ze mosze vnd doch n r t gvldin wand s r ewiklichen besser sint denne golt vnd edelgesteine Dis ist alles erde vnd (128 v ) sol z q nihte werden Hie kvnt dz ende der cronen Der heilige geist der smidet noch dise crone vncze an den jvngesten tag so wil jm der vatter vnd der svn siner erbeit lonen Er wil jme geben ze lone alle die selen vnd libe die in gottes rich gesamenet sint do sol der heili- (! ) geist ewiklichen inne r q wen vnd er sol s r on vnderlos gr x ssen vnd fr p wen alles dz dvrch gottes liebin ie g q tes wart oder iemer wirt geton alles dz dvrch got wirt gelossen vnd gelitten dz m q s alles an der cronen gebl x met ston Eya wel ein crone Eya wer gehilfet mir des dz ich noch an der cronen ein kleine bl x melin m o ge sin als die westebar die die minnesten bl q men an der cronen sint ist dise rede iht zelang dz ist des schvlt dz jch in der cronen maniger leige wunne vant Doch han ich manige lange rede mit kvrczen worten geseczet Dis sprich ich vf mich selben wie lange wiltv sn o de welffe bellen dv m q st doch swigen wand dz aller liebeste m q s ich verswigen Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 445 liber vii.lvij ein wenig von dem paradise Dis wart gewiset vnd ich sach wie dz paradis geschaffen wz Siner breitin vnd siner lengin vant ich kein ende Do ich erst do z q kam Dz wz zwischent dirre welte vnd des paradises beginne Do sach ich b o ime l p p vnd cle vnd gras vnd niht vnkrvtes etteliche (129 r , Cxxiij) b o ime tr q gent o pfele vnd die meiste menige n r t denne l p b mit edelem gesmacke Snelle wasser flvssent do dvrch vnd svnder wint z q norden Do begegente in den wasseren jrdensche s x ssikeit getempert mit himelscher winne Do wz der lvft s x sser denne ich gesprechen mag Do jnne wz tier noch vogele wand got hette es alleine dem menschen bevolhen Dz er do jnne mit gemach gemache wonen solte do sach jch zwene man jnne dz wz Enoch 113 vnd Elias Enoch 114 der sas vnd Elias 115 der lag an der erden in grosser jnnekeit Do sprach ich Enoch 116 z q jch frogete in wes s r lebeten noch menslicher natvre Do sprach er wir essent enwenig von den o pfelen vnd trinckent ein wenig des wassers dz der lichame sine lebelicheit behalte vnd dz gr o ste ist die gottes kraft Jch frogete in wie keme dv har Jch kam har dz ich n r t wiste wie ich har kam vnd wie mir wz E jch har sas Jch frogete vmb sin gebet gl p ben vnd hoffvnge dar vs betten wir Jch frogete in wie jme were ebe in r t verdr r sse do z q sinde Do sprach er mir ist also wol vnd niena we [so] v o rhtest d r dich r t vor dem stritte der do in der welte noch sol geschehen Got sol mich woffenen mit siner kraft dz ich den stich wol vermag bittest dv r t f r r die cristen(129 v )heit jch bitte dz s r got [l o se] von s r nden l o se vnd bringe in sin rich Elias 117 rihtet sich vf do wz sin antlit sch o ne f r rig himelvar also wisse wolle wz sin hor s r worent gekleidet also arme manne die mit dem stabe vmb ir brot gont Do frogete ich Elyam 118 wie er bettet f r r die cristenheit jch bitte barmeherczig dem q ttig vnd getrvwe vnd gehorsam bittest dv r t f r r die selen jo also ich gere so wirt ir pine geminret also ich bitte So get p ch die pine abe werdent s r r t gel o set Jo vil war vmb hat r ch got har broht Dz wir helfer sin der cristenheit vnd gottes vor dem jvngesten tage Jch sach zwivaltig paradis von dem irdenschen teile han ich gesprochen Dz himelsche 119 ist do oben dz hat dz irdensche teil bestecket vor allem vngewitter in dem hohesten teile do sint inne die selen die des vegef r res n r t wirdig worent vnd doch noch n r t in gottes riche werent kvmen S r swebent in der wunne also der lvft in der svnnen Herschaft vnd ere lon vnd cronen habent s r noch n r t E s r in gottes rich kvment wenne alles ertrich verget vnd dz irdensche paradis n r t gestet also got sin gerihte hat geton so sol dz himmelsche paradis p ch vergon js sol alles in dem gemeinen 446 Anhang 113 Mit Hervorhebung. 114 Mit Hervorhebung. 115 Mit Hervorhebung. 116 Mit Hervorhebung. 117 Mit Hervorhebung. 118 Mit Hervorhebung. 119 himelsche verbessert aus himelschen, -n gestrichen. hvse wonen dz z q gotte wil kvmen So en sol enkein sieche hvs me wesen Wer in gottes rich kvmet der ist vor aller (130 r , Cxxiiij) s r hte fry Gelobet m x sse jhesvs cristvs wesen der vns sin rich hat gegeben liber vii.xxvi 120 wie man z q gotte fliehen sol in der bekorvnge Herre jhesv criste ich armer mensche flehe dir vnd begere diner helfe wand mine vigende jagent mich Herre got ich clage dir wand s r wellent mich tilcken von dir Herre almehtiger gottes svn tilcke s r von mir Gib mich n r t in iren gewalt vnd halt mich lvter in dir wand dv hast mich mit diner marter erl o set Sist nv min helfe vnd min trost Vnd lon mich herre n r t verderben wand dv woltest dvrch mich sterben Herre jhesv criste ich s q che dine helfe erwecke mine sele von dem sloffe miner trocheit vnd erl r hte mine sinne von der dinsternisse mines fleisches Gib mir din geleite ze wandelende alle mine wege z q dir one s r nde also es m r gelich si von menschen wand mine gebresten sehent din p gen Maria gottes m q ter himelsche keiserin hie z q m x ssest dv min helferin sin Wand ich leider schvldig bin Dz ich gnode vinde z q dime lieben kinde m q ter aller k r scheit jch clage dir alles min herczeleit Salve Regina 121 liber vii.xxviiij ein lere Wiltv din hercze gancz z q gotte keren So solt dv dr r ding haben z q einer lere v o rhte dich vor allen s r nden G q t willig z q allen tvgenden Stette z q (130 v ) allen g q ten dingen So maht dv din leben vf ein g q t ende bringen Wilt dv dich selber do z q twingen So machtv es mit gottes helfe wol vollebringen Bitte got stetteklich hie vmbe So tragest dv sanfte allen dinen kvnber Bitte lvterliche vnd diene gotte mit flisse So wirstv fr o idenriche liber j.vii von gottes fl q che in aht dingen Jch fl q che dir Din lichame m x sse sterben Dine wort m x sse verderben Dine p gen m x ssen sich slissen Din hercze m x sse fliessen Din sele m x sse stigen Din lichame m x sse bliben Dine mensliche sinne m x ssen vergon Din geist m x sse vor der heiligen drivaltikeit ston <liber> j.viii der minneste lobet got an x dingen O dv brennender berg O dv vserwelte svnne O dv voller mone O dv grvndeloser bvrne O dv vnreichafte h o hi O dv klorheit one mosse O wisheit one grvnt O barmeherczikeit one hindervnge O sterckin one wider saczvnge O crone aller eren dich lobet der minneste den dv ie gesch x ffe Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 447 120 Hs. xxiij. 121 Mit Hervorhebung. <liber> j.ix mit drin dingen wonestv in der hohin Die do [wo] brennent in der geworen minne vnd vf einen stetten grvnt bvwent der worheit vnd frvht bringen mit vollen hvffen des seligen endes die wonent in der h o hin glosa dz ist r ber seraphin <liber> j.x der got minnet der an gesiget dr r ding Weler mensche die welt r ber siget vnd sine lichamen allen vnn r czen willen benimet vnd den t r fel r ber windet Dz ist die sele die got minnet t q t ir die welt einen stos do von (131 r , Cxxv) lidet s r cleine not t q t ir dz fleisch einen wang do von wirt der geist n r t kranck t q t ir der t r fel einen blick Dz ahtet die sele aber niht vnd s r minnet vnd s r kan anders n r t beginnen <liber> j.xi vier [ding] sint an dem stritte gottes O tvbe one galle O maget one sere O ritter one wunden O kneht vnverzaget dz sint die viere die got in sinem stritte wol behagen <liber> j.xij die sele lobet got an f r nf dingen O keyser aller eren O crone aller f r rsten O wisheit aller meister O geber aller goben O l o ser aller gevengnisse <liber> j.xiij wie got kvmet in die sele Ich kvm z q miner lieben als ein t p vf den bl q men <liber> j.xiiij wie die sele got enphohet vnd lobet Eya fr o liche ansch p wunge Eya liepliche gr x sse Eya minnenkliche vmb halsvnge herre din wunder hat mich verwundet din gnode hat mich vertrvcket O dv hoher stein dv bist so wol dvrch graben in dir mag nieman nisten denne tvben vnd nahtegal <liber> j.xv wie got die sele enphohet Sist wilkvmen liebe tvbe dv hast so sere geflogen in dem ertriche dz dine vederen sint gewahssen in dem himelriche 448 Anhang <liber> j.xvj got glichet die sele an vier dingen Dv smeckest als ein win tr r bel dv r r chest also ein balsam Dv l r htest also die svnne dv bist ein z q nemvnge miner hohen minne <liber> j.xvij die sele lobet got an f r nf dingen O dv giessender got an diner gobe O dv fliessender got an diner minne O dv brennender got an diner (131 v ) gervnge O dv smelkender 122 got an der einvnge mit dinem liebe O dv r q wender got an minen br r sten [ed? ] one die ich n r t wesen mag <liber> j.xviij Got glichet die sele an f r nf dingen O dv sch o ne rose in dem dorne O dv fliegende bine in dem honige O dv reine tvbe an dinem wesende O dv sch o ne svnne an dinem schine O dv voller mone an dinem stonde jch mag mich n r t von dir keren <liber> j.xviiij got liebekoset mit der sele an sehs dingen Dv bist min liger k r ssin min minnenklich bette min heimelicheste r q we min tieffeste gervnge min hoheste ere Dv bist ein lvst miner gotheit Ein trost miner menscheit ein bach miner hicze <liber> j.xx [wo] wie die sele lobet got an vj dingen Dv 123 bist min spiegelberg min p gen weide ein verlvst min selbes Ein stvrm mins herczen ein val vnd ein verzihvnge miner gewalt min hoheste sicherheit <liber> j.xxj von der bekantnisse vnd von der gebrvchvnge Minne one bekantnisse dvncket die wise sele ein dvnsternisse bekantnisse one gebrvchvnge dvncket s r ein helle pin gebrvchvnge one mort kan s r n r t verclagen liber vij.xii w<i>e 124 ein mensche itel ere vnd bekorvnge wider ston sol Wenne der mensche r t g q tes gedencket von jme selben so kvnt z q hant die itel ere gesprvngen vs dem winkele des heimelichen herczen mit einer s r ntlichen Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 449 122 l verbessert aus c. 123 In der eingerückten Zeile dv ausgeschrieben. d wurde anschließend wegen der nachträglich eingefügten Lombarde gestrichen. 124 i über der Zeile. wollvst vnd wil sich breitten in die f r nf sinne So sol der mensche sin gem x te z q twingen vnd sol sich z q (132 r , Cxxvj) hant f r r sin hercze mit dem x tiger vorhte slahen Vnd segen sich mit dem segene des heiligen cr r czes so wirt s r z q hant z q n r te als obe s r nie wirde Dz han jch arme dicke befvnden Dis selbe sol man t q n z q hant wenne die b o sen 125 fliegenden gedencke kvment die verswinden p ch von der craft des heiligen cr r czes wenne es dem menschen leit ist liber iiij.<v> vnser s r nde z q k r nftig val irdensch wesen dz himelrich gottes gobe s o llent ston offen vor vnseren p gen Herre mine schvlde do mitte jch dich verloren han die stet vor minen p gen glich dem grosten berge vnd het lange vinsternisse gemaht zwischent dir vnd mir vnd ewige verrvnge von dir vnd owe mir Eya lieb vor allem liebe z r ch mich wider in dich Aber herre der z q k r nftige val stet p ch vor minen p gen glich eime f r rigen trachen mvnde der mich z q allen zitten gerne verslvnde Eya min einiges g q t nv hilf mir dz ich vnbeflecket m o ge fliessen in dich Herre min irdensches wesen stet vor minen p gen glich eime d r rren acker do wenig g q tes vf ist gewahssen Eya lieber jhesvs cristvs nv sende mir den s x ssen regen diner menscheit vnd die heisse svnne diner lebendigen gotheit vnd den milten t p des heiligen geistes Dz ich verklage min herczeleit Herre din ewiges rich stande offen vor minen p gen glich der edelen brvnloft vnd der grosten hochgezit Vnd der langesten wirtschaft Eya (132 v ) min trvt Dar solt dv one vnderlos z q dir f x gen dine minne l r stige brvt Herre alle dine gobe die ich enphangen habe von dir die ist vor minen p gen glich einem ellendigen orschlage an mich wand mich niderte hie din hoste gift Alsvs antwirtet got der es alles gibet Din berg sol versmelczen in der minne Dine viende s o llent keinen teil an dir gewinnen Dinen acker hat heisse svnnen dvrch schinen vnd din frvht ist doch vnverdorben bliben Vnd in minem riche solt dv ein nvwe brvt wesen do wil ich dir einen s x sse mvnt kvs geben dz alle mine gotheit dvrch din sele sol sweben vnd mine drivaltigen p gen s o llent iemer me on vnderlos in dinem zwivalten herczen spilen Wo ist denne din trvren bliben betest dv denne tvsent jor jch wolte dir n r t einen s r fzen geben dar liber iv 126 .xii wie die brvt die vereinet ist mit gotte verwirffet alle creatvren trost svnder alleine got vnd wie s r sincket von der pine Dis sprach gottes brvt die ger q wet hatte in der beslossenen treskameren der heiligen ganczen drivaltikeit Eya stant by vnd gang von mir alle creatvren ir t q nt mir we vnd ir m o gent mich n r t getr o sten Die 127 creatvren sprochent war 450 Anhang 125 b aus f verbessert. 126 Hs. vii. 127 Mit Hervorhebung. vmb Die 128 brvt sprach Min lieber ist mir in minem sloffe engangen do ich in siner einvnge r q wete Mag r ch dise hohe welt vnd alles dz s r g q tes hat n r t getr o sten Nein jch siche den schlangen der valscheit der valschen list schlinget in alle wollvst dirre (133 r , Cxxvij) welte jch sihe p ch den angel der gittikeit in dem osse der vnedelen s x ssikeit do s r manigen mittevohet (! ) Mag r ch dz himelrich r t getr o sten Nein es were in jme selber tot nv entete der lebende got Nv me fr p brvt m o gent r ch die heiligen n r t getr o sten Nein soltent s r von der dvrch fliessvnge der lebendigen gotheit scheiden s r solten serer weinen denne ich wand s r r ber mich sint kvmen vnd tieffer in gotte wonent Mag r ch gottes svn iemer getr o sten jo ich froge in wol wenne wir wellen gon in die bl q men der heiligen bekantnisse vnd jch bitte in vil gerne dz er mir vf sliesse die spilende fl q t die in der heiligen drivaltikeit swebet Do die sele alleine von lebet Sol ich getr o stet werden noch miner edelkeit so sol mich gocz otten in sich ziehen svnder erbeit wand die spilende svnne der lebendigen gottes schinet dvrch dz clore wasser der fr o lichen menscheit vnd der s x sse lvst des heiligen geistes vs in beden ist kvmen Der hat mir alles dz benomen dz beniden der gotheit wonet mir smecket n r t wand alleine got jch bin wunderlichen tot 129 Dis smackes wil ich aller dickest gerne entperen vf dz er wunderlich gelobet werde Wand wenne jch vnwirdiger mensche mit miner maht got nit kan geloben So sende jch alle creatvren 130 ze hofe vnd heisse s r dz s r got f r r mich loben mit aller irre wisheit mit aller irre minne mit aller irre sch o nin vnd mit aller irre gervnge also s r vnverb o set von gotte geschaffen worent vnd p ch mit aller jrre stimme also s r nv singent (133 v ) Wenne ich dis grosse lop an sihe so ist mir niergen we 131 jch mag p ch des n r t erliden Dz mich ein einig trost ber x re denne alleine min lieber mine irdensche fr r nt minne jch in einer himelschen geselleschaft 132 Vnd mine viende minne jch in eime heiligen jomer noch irre selikeit Got het alles dinges gen q g svnder der alleine der ber x rvnge 133 der selen wirt im niemer gen q g Do dis wunder vnd dirre trost hette gewert aht jor do wolte mich got also sere tr o sten r ber miner selen edelkeit Eya nein lieber herre h o he mich n r t so sere Svs sprach die vnwirdige sele 134 Es ist mir also g q t in dem nidersten teile do wil ich iemer vil gerne sin dvrch din ere Do viel die arme sele har nider vnder die verhangenen vnd vnder die verwirckete selen vnd dvnhte ir al ze g q t Dar vol- Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 451 128 Mit Hervorhebung. 129 In der Höhe von smecket - tot am rechten Rand: s r entbiret | got dvrch | got. 130 In der Höhe von maht - creatvren am rechten Rand: lobe mit den | creatvren | got an vier | dingen. 131 In der Höhe von Wenne - we am linken Rand: dis lob | verre pine. 132 In der Höhe von mine irdensche - geselleschaft am linken Rand: minne fr r |nde vnd | viende. 133 In der Höhe von in eime heiligen jomer - ber x rvnge am linken Rand: got gebri|stet eins | dinges. 134 In der Höhe von miner selen edelkeit - vnwirdige sele am linken Rand: die brvt | verwirfet | gocz trost. gete ir vnser herre noch als s o licher getone als s r er liden m o hten 135 die in der nidersten fr o ide worent Wand got schinet in allen dar noch sch o ne als s r hie geheiliget sint in der minne vnd geedelt an tvgenden Sant johannes 136 sprach wir s o llent got sehen als er ist dz ist wor Aber die svnne schinet noch dem wetter Maniger hande wetter ist vnder der svnnen in ertriche also ist maniger leige wonvnge in dem himelriche Mer wie ich in mag erliden vnd sehen also ist er mir Do sprach vnser herre wie lange wiltv hie wesen Die brvt sprach Eya entwich mir lieber herre vnd lon mich f r rbas sincken 137 dvrch din ere Hie noch kam bede lib (134 r , Cxxviij) vnd sele in so grosser dinsternisse Dz ich die bekantnisse verlor vnd dz lieht vnd vmb gottes heimelicheit wiste ich n r t Vnd die vil selige minne f q r p ch ir strosse Do sprach die sele war sint ir vor trvwe jch wil r ch nv der minnen ambaht bevelhen vnd ir s o nt gottes ere an mir bewaren Do vnder want sich dise kamererinne ir fr p wen mit so heiliger lidvnge vnd so fr o licher bietvnge dz ich lebete svnder kvnber Do kam der vngl p be vnd bevieng mich al vmbe mit einer grosser tvnsternisse vnd rief mich an mit grossem grimme dz mich sere gr r sete 138 von siner stimme vnd sprach wer dise gnode von gotte gewesen er hette din so sere n r t verzigen Do sprch (! ) die sele wo sint ir fr p we stettikeit heissent den geworen gl p ben z q mir gon Do sprach der vatter von himelriche z q der selen Gedencke wz dv befvnden 139 vnd gesehen hast do niht zwischent mir vnd dir wz Do sprach der svn gedencke wz din lichame von minen pinen gelitten hat Dis sprach der heilige geist Gedencke wz dv geschriben hast Do antwirtet bede sele vnd lib mit des woren gl p ben der stettikeit also ich habe gel p bet geminnet vnd gebrvchet vnd bekant Also wil ich vnverwandelt 140 varen von hinnan Hie noch kam die stette fr o medvnge gocz vnd bevieng die sele so sere alvmbe dz die selige sele sprach Sist wilkvmen vil selige fr o mdvnge Wol mir dz ich ie geboren wart dz dv fr p we nv min kamererin 141 solt sin 142 (134 v ) wand dv bringest mir vngewone fr o ide vnd vnbegriffenlich wunder vnd dar z q vnvertregenliche s x ssikeit Aber herre die s x ssikeit solt dv von mir legen vnd lon mich dine fr o mdvnge haben Eya wol mir trvt got dz ich si m q s noch der minne wandelvnge tragen Wan wie bekeme s r ist dz getar ich n r t sagen me die galle ist honig worden in dem gomen miner selen Hie z q gerte ich dz alle creatvren lobeten vnseren 452 Anhang 135 In der Höhe von selen vnd dvnhte - liden m o hten am linken Rand: vnder dis | erhangen | volget | ir got. 136 Mit Hervorhebung. 137 In der Höhe von wich mir - sincken am linken Rand: s r verlor bekan|tnisse vnd wol | f r nf tvgende. 138 In der Höhe von rief mich - gr r sete am rechten Rand: vngl p be | vihtet vns | an. 139 f verbessert aus v. 140 In der Höhe von geminnet vnd - vnverwandelt am linken Rand: der tot sol | haben dise | viere. 141 kamererin verbessert aus kamerere. 142 In der Höhe von wilkvmen vil - sin am linken Rand: gocz fremde hat | dr r g q te ding | vnd ist bekemer | denne got. herren 143 mit Te devm lavdamvs 144 Des woltent s r n r t t q n vnd kerten mir den nacken z q Do wart die sele vnmossen fro vnd sprach dis selbe Dz ir mich nv versmohent vnd vweren nack z q mir kerent Sehent vnd wol mir dis lobet vnmesseklich vnseren herren Nv get es an mir an sin ere wand nv ist got wunderlich mit mir Nv mir sine fr o mdvnge bekemer ist denne er selber Dis wiste die sele wol Do s r got wolte tr o sten in der grosten fr o mdvnge Do sprach s r gedencke herre wie ich si vnd enthalt dich von mir Do sprach vnser herre z q mir G o nne mir des dz ich die hicze miner gotheit die gervnge miner menscheit vnd den lvst des heiligen geistes mit dir k x len m o ge Do z q antwirtet s r jo herre also bescheidenliche dz dir herre alleine do mitte wol sy vnd mir n r t Hie noch kam die brvt in so grosse tinsternisse dz der lichame s r fzete vnd kramp in der pine Do wart 145 s r von menschen gebetten dz s r wer ein botte f r r s r ze gotte Do sprach jch fr p we (135 r , Cxxiiij) pine dis bevilhe ich r ch dz ir mich l o sent nv Wand ir nv dz h o ste an mir sint Do h q b sich die pine von der selen vnd von dem libe glich eime tinsteren schine vnd f q r z q gotte mit wisen sinnen vnd rief mit grosser stimme Herre dv weist wol wz ich wil do begegente ir vnser herre vor des riches t r r vnd sprach wilkvmen fr p we pine ir sint dz nehste kleit dz ich in ertrich tr q g an minem libe Vnd aller der welte smocheit wz min hohest vmbe kleit 146 Wie sere jch r ch d o rt minnete ir k o ment doch n r t har in Mer die jvncfr p we die zwei ding wil t q n der wil ich zwei ding geben S r sol sin stetteklich gezogen vnd wise so hilfet s r dz dv ir botte sigest Vnd so wil ich ir geben min vmbe halsvnge vnd mins herczen einvnge Do sprach die pine alsvs herre ich mache manigen selig 147 vnd ich bin doch n r t selig vnd ich verzere manigen heiligen lichamen vnd bin doch selber b o se Vnd ich bringe manigen z q dem himelriche vnd ich kvme doch selber niemer dar Hie z q antwirtet vnser herre alsvs Pine dv bist vs dem himelriche n r t geborn dar vmb maht 148 dv n r t wider dar in kvmen Me dv bist vs lvczifieres hercze geborn do solt dv wider in kvmen vnd solt mit jme ewiklichen wonen Eya selige gottes fr o mdvnge wie winnenklich bin jch mit dir gebvnden Dv stettigest minen willen in der pine vnd liebest mir die swere lange beitvnge in disem armen libe wo mit 149 ie ich mich me z q dir geselle ie got gr o sser (135 v ) wunderlicher vf mich vallet O herre ich han dir in der tieffin der vngem r scheten dem x tikeit n r t entsinken Owe ich dir in dem hochm q te lihte entwencke Me ie ich tieffer sincke ie jch s x sser trincke 150 Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 453 143 In der Höhe von bekeme - herren am rechten Rand: wie bekeme | s r ist dz getar | ich n r t gesa|gen me die | galle ist ho|nig worden. 144 Te devm lavdamvs mit Hervorhebung. 145 In der Höhe von dir herre alleine - Do wart am linken Rand: die brvt ver|wirfet den | trost der | drivalti|keit. 146 In der Höhe von nehste kleit - kleit am rechten Rand: ein lob der | pine von | gotte. 147 In der Höhe von sprach - selig am rechten Rand: pine lobet | sich. 148 In der Höhe von Hie - maht am rechten Rand: wannan pine | kvmen si vnd | war s r varen | sol. 149 In der Höhe von die swere - wo mit am rechten Rand: fr o mdvnge | hat driie | n r cze. 150 In der Höhe von lihte - trincke am linken Rand: gros sincken | machet gros | s x ssikeit. liber ii.viij von dem vegef r r al ze mole do von l o sete ein mensche tvsent selen mit der minne trehenen Ein mensche solte betten mit grosser begere vil einveltiklichen f r r Die armen selen got von himelriche Do erzeigete jme got dz grvweliche vegef r r ze mole vnd Dar inne so manigerleige pine also s r nde an jn worent do wart also creft grimmvnge des menschen geist dz er dz vegef r r ze mole in sine arme begreif do geberte er kvnberlichen vnd gerte minnenklich Do sprach got von himelrich lose nv t q dir n r t we es ist dir alze swere Do sprach der geist jomerlich Eya vil lieber nv l o se doch etteliche Do sprach vnser herre wie vil wilt dv ir Der geist sprach herre also vil als ich mit diner g x tin mag vergelten Do sprach vnser herre Nv nim tvsent vnd bring s r war dv wilt die h q bent sich vsser pine swarcz f r rig ph q lig b r rnendig bl q tig stinkende Do sprach aber des menschen geist Eya lieber herre min wz sol disen armen nv geschehen wand also iemerlich kvment s r niemer in din rich Do neigete got sich vnmossen sere nider sine edelkeit vnd sprach ein wort dz vns s r ndigen sere z q troste stet Dv solt s r baden in den minne trehenen die do nv fliessent (136 r , Cxxx) vs den p gen dines lichamen do wart do gesehen ein sinwel gros 151 se do h q bent s r sich mit einen swunge ze mole in vnd badeten in der minne clor also die svnne do enphieng des menschen geist vnzelliche wunne Vnd sprach gelobet sistv vil lieber von allen creatvren ewiklich Nv gezimment s r dir wol in dinem riche Do neigete sich vnser herre z q in von der h o hin vnd saste in vf ein crone der minnen die s r gel o set hette von hinnan Vnd sprach dise crone s o nt ir tragen ewiklich z q erkennende allen den in minem riche dz ir mit den minne trehenen erl o set sint n r n jor E denne vwer rehten zit l iber ii.viiij Got lobet sine brvt an f r nf dingen Dv bist ein lieht der welte Dv bist ein crone der megede Dv bist ein salbe der versereten Dv bist ein trvwe der valschen Dv bist ein brvt der heiligen drivaltikeit liber ii.x die brvt wider lobet got an f r nf dingen Dv bist ein lieht in allen liehten Dv bit (! ) ein bl q me obe allen cronen Dv bist ein salbe f r r alles sere Dv bist ein vnwandelber trvwe one valscheit Dv bist ein wirt in allen herbergen liber ii.xi von siben hande liebin gottes Die rehte gottes minne hat siben anegenge Die fr o liche minne treit in den weg Die v o rhtende minne enphohet die erbeit Die starcke minne mag vil t q n Die 454 Anhang 151 gros verbessert aus grosse. minnende minne enphohet keinen r q m Die wise minne hat bekantheit Die friie minne lebet one (136 v ) herczeleit Die gewaltige minne ist iemer me gemeit liber ii.xii von siben hande volkvmenheitten Gerne vngeeret Gerne vngev o rhtet Gerne alleine Gerne stille Gerne nider Gerne hoch Gerne gemeine liber ii.xiii zwischent gotte vnd der selen sol die minne sin vnd ander dr r ding Zwischent gotte vnd dir sol iemer me die minne sin zwischent irdenschen dingen vnd dir sol angest vnd vorhte sin zwischent s r nde vnd dir sol has vnd strit sin zwischent himelrich vnd dir sol stette hoffenvnge sin liber ii.xiiij wo von kvnt lvterkeit swerheit crancheit eisvnge swindikeit n o te ellende selten getr o stet Bitterkeit des herczen kvnt von der menschen swerheit des lichamen kvnt von dem fleische alleine Swinde gem x te kvnt von der edelkeit der selen nagenheit vor der pine kvnt von der schvlde krancheit des libes kvnt von natvren n o te ellendig kvnt von m q twillen Selten getr o st kvnt von vnr q we liber ii.xv wie der von minnen ist wunt wie der wirt gesvnt Weler mensche wirt z q einer stvnt von worer minne rehte wunt Der wirt niemer me wol gesvnt er enk x sse noch den selben mvnt von dem sin sele ist worden wunt liber ii.xvi von siben goben eins br q ders Die sele ist grvndelos an der gervnge brennende an der liebin Minnesam an der gegenwirtikeit ein spiegel der welte wenig an der gr o ssin getrvwe an der helfe gesamnet in gotte liber ii.xvii wie got friget die selen vnd machet s r wise in siner liebin (137 r , Cxxxj) Alsvs friget got die einvaltige sele vnd machet s r wise in siner liebin Eya liebe tvbe Dine f x sse sint rot Dine vederen sint eben Din mvnt ist reht Din p gen sint sch o ne Din h p bet ist sleht Din wandelvnge ist l r stlich Din flvck ist snel Dv bist also drate z q der erden Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 455 liber ii.xviii wie die sele ber x ret gottes friheit in aht dingen Herre mine f x sse sint geverwet mit dem bl q te diner geworen l o svnge mine vederen sint verebent mit diner edelen erwelvnge min mvnt ist gerihtet mit dinem heiligen geiste Min p gen sint gecloret in dinem f r rigen liehte Min h p bet ist geslehtet mit diner getrvwen beschirmvnge Min wandelvnge ist l r stlich von diner milten gobe Min flvg ist schnel mit diner vnr q wigen lvst Min irdensch sincken kvnt von diner einvnge mines lichamen je gr o sser l o svnge dv mir gist je langer ich in dir m q s sweben liber ii.xviiij Wie die bekantnisse vnd die sele sprichet ze sameme vnd sprichet dz s r drivaltig si von driiem himelen die bekantnisse sprichet aller erst O minnende sele jch sach dich an dv bist harte minnenkliche wunderlich geton ein lieht wart dar z q gelvhen dz ich dich m o hte besehen es were mir anders nie beschehen die sele ist driveltig dv bist driveltig an dir dv maht wol gocz bilde sin dv bist ein menlich man an dinem stritte dv bist ein wol gezierte jvncfr p we in dem palaste vor dinem herren dv bist ein l r stliche brvt jn dime minne bette gottes (137 v ) minnende sele dz erste dz si in dem stritte menlich wider driier hande viende Jn dime strite bistv geweffent mit vnmessiklicher kraft vnd mit so grosser sammenvnge dines gem x tes dz dich alle die menic der welte noch alle helfe dines fleisches noch alle [helfe] scharen der t r felen noch die kraft der hellen n r t mag von gotte gevellen des mag sich p ch nieman me ber x men wie die sele wert sich mit bl q men der strit zieret die sele vnd ist gottes ere vnd git solt dv werest dich als mit bl q men din swert dz ist die edele rose jhesvs cristvs do mitte werest dv dich din schilt dz ist die wisse gilge maria es enhilfet s r n r t dz s r dich beston me dz s r dich zieren vnd an dir meren vnmesseklichen gottes ere alle die lvterlichen an disem stritte bestont die s o llent richen solt von dem keyser enphohen n o tlich dz ander glicheit si einer gezierten jvncfr p wen Eya n o tliche sele an dime palaste der heiligen drivaltikeit do dv so minnenklichen stest gezieret vor dinem herren welich ist din ere fr p we bekantnisse ir sint wiser denne jch s r war vmb frogent ir mich fr p we sele got hat r ch erwelt obe allen dingen ir sint [nv] min fr p we vnd min k r niginne fr p we bekanntnisse ich bin edel vnd fri geborn jch m q s n r t vngeeret sin des ich alleine minne so m q s jch gewinnen dz mich minne tr r cz vnd eret die heiligen drivaltikeit der leben ist vndertenig got vnd alles dz ist vnd alles dz himel vnd erde treit m q s mir ewiklichen vndertenig sin (138 r , Cxxxij) lon ich nv die minne gewaltig r ber mich also dz ich ir die statte gebe dz s r mich m x sse binden in die heilige getvlt dz ich n r t en mere mine schvlt So leitet s r mich denne in die edele senfm x tikeit die liebin machet senfm x tikeit vnd ist gereit vnd gehorsam dz ich z q allen g q ten dinge m q s wesen gereit vnd spanne mich in die starcke gehorsami dz ich gotte vnd allen creatvren lieplich m q s wesen vnderton die bekantnisse Eya fr p we brvt went ir mir noch ein worzeichin sagen der vnspre- 456 Anhang chelichen heimelicheit die zwischent gotte vnd r ch lit die sele fr p we bekantnisse des t q n ich n r t die br r te m x ssent alle n r t sagen wz in beschiht die heilige besch p wunge vnd die werde gebrvchvnge s o nt ir haben von mir die vsserwelete bevindvnge von gotte sol r ch vnd alle creatvren iemer me verborgen sin svnder alle mir fr p we selen die rinder merckent n r t des keysers lieht wer wunder sch p wen vnd vwer hohen wort dz ir in gotte hant gesehen vnd geh o rt wenne ir mich do z q twingent dz ich des ein kleine f r r bringe so secze ich des keisers lieht ein einen tvnsteren fvlen stal die rinder essent doch ir str p wol wo etteliche die schinent gocz kinder blinde l r te dvncket dz lieht ein t r sche vnd stossent sich doch also vngebvndene rindere jn dem tvnsteren stalle vnd sprichet wz inen sogetone t r sche s o lle es sy von m q twillen gedoht vnd in valscher heilikeit f r r broht die sele fr p we bekantnisse man vindet also geschriben (138 v ) Dz sant pavlvs 152 wart gef x ret in den dritten himel es were jme nie beschehen were er savlvs bliben Hette er die worheit fvnden in dem ersten vnd in dem anderen himel er wer nie in den dritten gestigen Ein himel ist den hat der t r fel gemaht mit siner sch o ner valscher list Do wandelent die gedencke inne mit trorigen sinnen vnd die sele liget al stille wand s r bevindet ir natvren n r t minne Do blibet die sele vngetr o stet vnd betr r get die einvaltigen sinne Jn disem himele wiset sich der t r fel einem l r htenden engel glich jo p ch an sinen f r nf wunden gotte glich einvaltige sele h x tte dich der ander himel ist gemachet von heiliger gervnge die sinne vnd von dem ersten teile der minne jn disem himel ist kein lieht die sele sihet do gocz niht me s r smeckent vnbegriffenliche s x ssikeit die ir alle ire glider dvrch get S r h o rt p ch ein stimme von ettelichen dingen die s r doch gerne wil wand es ist noch gemenget mit irdenschen [dingen] sinnen jst denne die tieffin aller dem x tikeit do n r t so b r get der t r fel der sin lieht Dz denne do geschiht Dz ist von gotte n r t ist aber die volle dem x tikeit Do so m q s die sele f r rbas varen der dritte hat dem q t wache lieht minne wore bekantnisse gocz Jn dem Dritten himele do wirt ir dz gewore lieht gegeben so sprechent die sinne vnser 153 fr p we die sele hat gesloffen von kinde Nv ist s r erwachen in dem liehte der offener minne jn Disem liehte sihet s r sich al vmbe wie der si (139 r , Cxxxiij) der sich ir wiset vnd wz dz sy dz man ir z q sprichet so sihet s r werlich vnd bekennet wie got ist alle ding in allen dingen Nv lege jch allen kvnber nider vnd vare mit sant pavlo 154 in den dritten himel wenne got minem s r ndigen lichamen minnenklichen slaget Do nider Dirre dritte himel ist gewelbet vnd geordent vnd verl r htet schone mit den drin personen die beginnen alsvs Der gewore gottes gr q s der do kvnt von der himelschen fl q t Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 457 152 Mit Hervorhebung. 153 vnser verbessert aus svnser durch Tilgung. 154 Mit Hervorhebung. liber ii.xx wie swester mehthilt ist gezieret in dem himelriche mit drin mentelen mit siben cronen wie s r lobent die n r n k o re Jn einer heiligen jvncfr p wen tage Sant barberen 155 enphieng swester mehtegvnt ir ere dz wisete got eime lamen hvnde der noch mit jomer lecket sine wunden mercke dz wiste p ch sant pavlvs n r t Jn minem gebette es also geschach dz ich n r t weis weder dz himelrich were geneiget z q mir oder ich wz gezogen in dz winnenkliche riche hvs gottes do st q nt hiltegvnt vor dem trone des himelschen vatters gezieret also ein nvwe brvt die der k r nig geholet hat z q hvse S r hette vmb sich driie mentele vnd treit vf irem h p bete siben cronen vnd s r nderlichen lobent s r n r n k o re do ich s r sach do bekante ich s r an aller gobe die s r enphangen hat von gotte doch lvstete mich mit ir z q redende vnd frogete s r doch in der brvchvnge vf dz ich deste langer bi ir were Eya wo von hast dv disen rose varwen mantel do sprach (139 v ) hiltegvnt jch wz eine marterein (! ) in der f r rinen minne also dz dicke min hercze bl q t r ber min h p bet gos Do frogete ich s r f r rbas wo von hastv disen gvldinen mantel der so sch o ne l r htet Do sprach s r von dem bilde g q ter wercke Do sprach ich wo von hastv disen wissen mantel bl q men denne Do antwirtet s r von der n o tlichen minne Die ich heimelichen tr q g in miner sele vnd in minen sinnen wo von die siben cronen Crone der stettikeit Crone des heiligen gl p ben Crone der trvwe Crone der milten barmeherczikeit Crone der heiligen vern r nftikeit 156 Crone der minne Crone des magett q mes Do frogete ich me liebe wo ist dine crone der dem x tikeit die geistlichen l r te so wol an stat Do antwirtet s r der han ich n r t svnderlichen noch nie gewan Me also vil dz mich got hochm q tes mitte benan k r schikeit zieret siben cronen Dise siben cronen sint alle gezieret svnderlichen mit dem schappel der edelkeit der lvteren heren k r schekeit alsvs lobent s r die [crone] k o re an n r n tvgenden Wir lobent dich an diner rvwe an dinem g q ten willen an diner worheit an diner wisheit an dinem s x ssen jomere an dinem gewilligen arenm x te an diner starkeit an diner gerehtikeit alsvs lobent die von seraphin wand s r ir gesellen sint wir lobent dich an der minne gottes k r niginne Die crone lobent s r alsvs wir lobent den (140 r , Cxxxiiij) br r teg p m an der sch o nin der brvt jch frogete s r maniger dinge der ich nv swigen wil wand alleine dz himelrich si minne var so ist doch leider dz ertrich vil wandelbar an mir vnd an menigen man Der noch z q himel nie kan do man die worheit sch p wen sol liber ii.xxj wiltv den berg an sehen so solt dv haben siben ding Einen berg han ich gesehen dz wz vil schiere geschehen wand ein kein lichame m o hte dz getragen dz die sele eine stvnde do were Der berg wz nidenan wis wolken var vnd obenan an siner h o hin f r rig svnnen clor dz ist cristvs got vnd mensche Sin beginne vnd sin ende konde ich nierge vinden vnd bi jnen spilete er in 458 Anhang 155 Mit Hervorhebung. 156 Erstes i hochgestellt. sich selben fliessende golt var in vnzellicher minne Do sprach ich herre selig sint die p gen die dis minne sweben ewiklichen s o nt sch p wen vnd dis wnder bekenne ich mag es niemer genemmen Do 157 mercke siben ding Do sprach der berg die p ge die mich s o nt alsvs sehen Die m x ssent gezieret sin mit siben dingen es mag in anders niemer geschehen Die sprechent alsvs n o te borgen gerne gelten vnd n r t enhaltent an im selber vnd getrvwe wider dem hasse vnd minnenklich wider die freisliheit lvter an der schvlt vnd breit gegen der emphennisse liber ii.xxij wie die sch p wunge froget die minnende sele von seraphin vj wise nidersten menschen Fr p we sele wolten ir lieber sin ein engel von seraphin oder ein mensche mit lib vnd sele jn dem nidersten kore der engel die sele z q der besch p wunge fr p we besch p wunge ir hant dz wol (140 v ) gesehen dz die engel von seraphin hohe f r rsten sint vnd dz s r ein minne vnd ein f r r vnd ein oten vnd ein lieht mit gotte sint die besch p wunge z q der sele fr p we sele ir hant dz wol gesehen dz die engel einvaltige personen sint vnd dz s r got nvt me lobent noch minnent noch bekennent denne jnen ist an geboren mercke vier ding des mag sich der niderste mensche erholen mit cristenem gl p ben mit rvwe mit gervnge vnd mit g q tem willen Mer sin sele mag in der gotheit <so sere> 158 n r t brennen die sele z q der besch p wunge fr p we besch p wunge jr hant dz wol gesehen dz die engel von seraphin gocz kindere vnd doch sine knehte sint die minneste sele ist ein tohter Des vatters vnd ein swester des svnes vnd frvndin des heiligen geistes vnd werlich ein brvt der heiligen drivaltikeit Gerner solt dv sin ein mensche in dem nidersten core denne ein engel in dem h o hesten also wil sant bernhart wenne dz spil vber ein get so sehe man denne weles aller meist wege den werdesten engel jhesvm cristvm der do swebet obe seraphin der mit sinem vatter ein vngeteilet got m q s sin den nim ich minneste sele in den aren min vnd isse in vnd trincke in vnd t q n mit jme wz ich wil dz mag den engelen niemer beschehen wie hoch er wone obe mir vnd sine gotheit wirt mir niemer so t r re jch m q s ir one vnderlos alle mine glide vol bevinden so mag ich niemer me erk x len wz wirret mir denne wz die engel bevinden liber ii.xxiii wie die minne froget vnd leret die stvmphen selen vnd brehte s r gerne z q irme liebe vnd sprichet aller erst vnd die stvmphen sele antwirtet (141 r , Cxxxv) Eya torehtige sele wo bist dv oder weles ist din wonvnge vnd wes lebest dv wo maht dv r q wen Nv dv n r t enminnest dinen l r stlichen got r ber dinen eigenen willen vnd r ber alle dine maht <die stvmphe sele> 159 los mich vngewecket jch weis n r t wz dv mir sagest Man m q s die k r nigin wol we- Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 459 157 Nachträglich mit roter Tinte überschrieben. 158 so sere über der Zeile. 159 die stvmphe sele am rechten Rand mit Einweisungszeichen. cken wenne ir k r nig kvmen wil die minne Jch bin in einem heiligen orden jch vaste wache jch bin one h p bet s r nde jch bin gen q g gebvnden gros ist die minne denne zergenglich erbeit wz hilfet dz man ein ytal vas vil bindet vnd dz der win doch vs rinnet so m q s man es f r llen mit steinen der vssewendigen erbeit vnd mit eschen der vergenglicheit jch wone in der wollvst miner moge vnd miner lieben geistlichen fr r nde vnd wie m o hte ich den l r stliche minnen Den ich n r t erkenne die minne Owe kanstv den herren n r t erkennen den man dir so dicke [lu] lieplich nemet Dv bist me bek r nbert mit dinem hvntlichen lichamen Denne mit jhesv dinen s x ssen herren Des gewinnest dv vor [sins] sinen p gen niemer ere die stvmphe sele jch lebe mins eigenen willen dz ich den gerne vollebringe die minne Wiltv gotte rehte trvwe leisten so solt dv in siner liebe volgen sinem geiste Jch r q we jn der welde mines lichamen Des mahtv dich h r tte vor gotte schammen dz dv doch treist geistlichen namen vnd gest doch r be alles mit dinem lichamen die stvmphe sele Wes solte ich mich generen ebe ich mich mit dir wolte besweren die minne Eya vntrvwe der die sele so edel het gemachet dz s r n r t denne got essen mag der (141 v ) lot p ch iren lichamen n r t vnversehen die stvmphe sele Dv schiltest mich sere wiste ich wo er were so m o hte ich mich bekeren die minne Wiltv mit jme wonen in edeler friheit so m q stv E rvmen Dise wonvnge der b o sen gewonheit Owe dz t q t manig man n r t der wise ist von lere vnd von natt r rlichen sinnen dz er sich iht get o re legen in die gewalt der nacketten minne die einvaltigen neigent sich me z q gotte denne die wisen Me die einvaltigen reine die got in allen irem t q nde lvterlichen meinent z q den m q s sich got natt r rlich neigen jch wonde wenne ich mich dvrch got begebe dz ich denne vil hohe were gestigen Wz hilfet dz man einen sloffenden man sch o ne kleidet vnd edele spise f r r seczet die wile er sloffet so mag er doch n r t essen mercke aht ding Eya liebe nv lo dich wecken Eya nv sage mir wo sin wonvnge si Es ist dehein herre me der ze mole in allen sinen h r seren wone Denne alleine er Er wonet in dem fride der heiligen minnesamikeit vnd r q wet mit siner liebin in dz enge einote der selen er halset s r p ch in der edelen behagvnge siner liebin Er gr x sset s r mit sinen liplichen p gen wenne sich die liebin werlich schowen Er dvrch k r sset s r mit sinem g o ttelichen mvnde Eya wol dir bas denne wol der r ber heren stvnden er tr r tet s r mit voller maht in dem bette der minne So kvnt s r in dz hoheste wol vnd in dz minnenklicheste we wirt sy sin rehte jnne der hoheste vnd niderste hat si geneiget in alle creatvren Eya liebe nv lo dich minnen vnd were dich n r t mit grimme Wie sint die die sich mit grimme (142 r , Cxxxvj) werent die minne Dz sint die die ander l r te vnd sich selber mit irre bosheit beswerent Nv sage ich dir wer er sy er ist der aller h o hesten hoher vnd der selbe hoheste hohe hat sich geneiget in dis aller niderste tal Vnd dis aller niderste tal het sich geseczet in den aller h o sten hohen Stvmphe sele sich dich vmb vnd vmbe vnd t q n vf din blinden p gen Jst er von der h o sten h o hin dvrch mine liebin nider getretten vnd hat sich genczlich mir mit allen creatvren gegeben jo en wolte es nv sine g x te mir n r t benemen so m o hte ich mich iemer me vor sinen p gen schemen wir s o llent kvpfer vmb golt geben Dz ich min vngeneme kvpfer nie genczlich jme vmb sin t r res golt wolte 460 Anhang geben die sele bekennet hie ire blintheit Owe wo bin jch gewesen jch vnselige blinde dz ich so lange gelebet han one kreftige minne Do mitte ich werlich alle mine not svnder alle mine vigende dang r ber wunden 160 Nv alleine jch arme vil g q tes versvmet habe so wil ich doch vs allen dingen in got gon Eya minne wiltv mich noch enphon die minne Jo got hat sich nieman enteilet Dz ist ein glich mosse wiltv lieb haben so m q stv lieb lossen liber ii.xxiiij wie sich die minnende sele gesellet gotte vnd sinen vserwelten lieben vnd sol glich sin allen heiligen wie der t r fel vnd die sele sprichet ze sammen Eya herre jhesv criste din vnschvldige pin tr o stet mich wand ich an allen minen pinen schvldig bin vnd din heilsamer tot 161 haltet min geh r gnisse lebendig in dir vnd din vnbewollen bl q t hat mine selle (! ) dvrch flossen (142 v ) leit solt dv haben vmb den gebresten dines eben cristen Maria trvt m q ter ich ston hie bi dir by dem cr r cze mit allem minem cristenem gl p ben vnd dz swert des heiligen jomers snidet dvrch min sele dar vmb dz der so vil ist wandelbar die geistlich schinent valscheit t o det gottes wort Iohannes baptista ich bin mit dir gevangen wand die vngetrvwe dirne der valscheit hat gocz wort get o tet in minem mvnde dv macht offenen die gnode in dem q t als pavlvs vnd job Iohannes ewangelista jch bin mit dir entsloffen in herczklicher liebin vf den br r sten jhesv cristi vnd danne han ich gesehen so erhaftige wunder gesehen vnd vernvmen dz min lichame ist dicke von mir selber kvmen zweigerhande pin solt dv haben Peter jch bin gecr r cziget mit dir wand mir wirt niemer menschlich wol vnd mir ist dicke geistlichen we noch dem lobe jhesv cristi mercke gocz hvs vnd des hvses schencken Pavle jch bin wunderlich vf gezvcket mit dir vnd han ein s o lich hvs gesehen dz mich nie keins dinges so sere gewunderte So dz ich sit dem mol ein lebendig mensche m o chte sin wenne ich gedencke dz sich der himelsche vatter do ist der seligen schencke vnd jhesvs der koph der heilige geist der lvterwin (! ) vnd wie die gancze drivaltikeit ist der volle kophf vnd minne der gewaltige keller weis got so nem jch gerne dz mich 162 die minne do z q hvse bette bit f r r die dich pinigent hie Nv ich wil noch hie gerne gallen trincken Eya lieber jhesv nv lone es inen allen liplichen die mir hie schenckent bitterliche piner machent gnodenrich Wand s r machent mich (143 r , Cxxxvij) gnodenrich Mir kan ein kophf mit gallen der wz also creftig dz er minen lip vnd sele al dvrch gieng do bat ich s r nderlichen got f r r minen schencken dz er jme wolte schencken den himelschen win werlich dz tet er vnd sprach Dv jvncfr p we gehabe dich wol die gr o ssin mines wunders sol r ber dich gen Die l p wen s o llent sich v o rhten Die beren s o llent <dir> 163 sicheren Die wolfe Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 461 160 In der Höhe von wunden am rechten Rand: Merck (von anderer Hand? ). 161 In der Höhe von allen - tot am rechten Rand mit roter Tinte: an unsern | pinen sint | wir schvldig. 162 In der Höhe von heilige geist - dz mich am linken Rand mit roter Tinte: minne | ist keller | ze himel | riche. 163 dir über der Zeile. s o llent dich fliehen 164 Dz lamp sol din geselle sin Jch bin des gewis vnd also mir vncze har ist beschehen dz ich noch manigen kophf mit gallen vs sol trincken der t r fel hat sinen schencken also got Wand leider der t r fel hat noch vnder geistlichen l r ten vil manigen schencken die der geist so vol sint dz s r es n r t alleine m o gent getrincken s r m x ssent s r gottes kinden 165 bitterlichen schencken b o se l r te steinent die g q ten mit worten vnd mit wercken Steffane jch knvwe bi dir vor den jvdeschen herczen vnder den scharpfen steinen wand s r vallent vf mich gros vnd kleine Die g q te l r te schinent die steinent mich ze r r cke vnd fliehent vnd wellent n r t dz [isch] jch do r t wisse dz es mir von jnen sy beschehen ander pine git got trost vnd r r we Lavrencie ich wz bi dir gebvnden me denne zwenzig jor vf einem grvwelichen rost doch behielt mich got vnverbrant vnd hat mich nv me denne siben jor gelost minne marter me denne alle erbeit Martine ich wone mit dir in der vnahtberkeit vnd die wore gottes minne hat mich gemartert obe aller erbeit Dominice lieber vatter min jch habe ein wenig teiles mit dir wand ich habe des gegert manigen tag dz noch m x ste min s r ndige<s> 166 hercze bl q t fliessen vnder der vngl o ibigen (143 v ) keczeren f x ssen von der gewalt der wisheit vnd bosheit des t r fels Katharina jch gon mit dir z q stritte wand die meistere von der helle wolten mich gerne vellen do einer kan z q mir schone also ein schin von der svnnen Dz ich solte wissen dz er ein engel were vnd brohte ein l r htendes b q ch vnd sprach Nim doch dz pecze so dv z q der messe n r t kvmen maht do sprach die sele mit gezogener wisheit der selber keinen fride hat der mag mir keinen fride geben Do f q r er hin vnd verwandelte sich vnd kam wider glich eime vil armen siechen manne dem sin gederme viel Vnd sprach eya dv bist also heilig mache mich gesvnt Do sprach aber die sele der selber 167 siech ist der mag nieman geheilen Es ist geschriben wer bas mag der sol dem anderen helfen der t r fel 168 Es ist p ch geschriben man sol nieman wider got helfen die sele 169 Dz man wol t q t dz ist n r t wider got Do n r t g q tes an ist do mag nieman n r t g q tes an t q n hie eret die sele geistlichen gewalt Dv hast ein ewige svht wiltv genesen so vare hin vnd wise dich eime priester oder eime bischofe oder eime erczebischofe oder dem bobeste jch han einkeinen gewalt denne alleine dz ich s r ndigen mag der t r fel Do sprach der mit grimme dz wil ich niemer get q n Do wart er glich eime swarczen r p che vnd wisete sich vngezogen vnd f q r hin jch vorhte mich doch n r t vor jme dz werte siben jor Mariamagalene (! ) jch wone mit dir in der w u stenvnge wand mir sint alle ding ellende (144 r , Cxxxviij) svnder alleine die sele im lobet nidert sich vnd lobet got von dem liehte Got herre himelscher vatter zwischent dir vnd mir get on vnderlos ein vnbegriffenlicher oten do ich vil wunders vnd vnspre- 462 Anhang 164 In der Höhe von fliehen am rechten Rand mit roter Tinte: die sele. 165 kinden verbessert aus kinder. 166 s über der Zeile. 167 In der Höhe von selber am linken Rand mit roter Tinte: die sele. 168 Die Randnotiz der Vorlage hier an der falschen Stelle. 169 Die Randnotiz der Vorlage hier an der falschen Stelle. chelicher dinge jnne bekenne vnd sihe vnd leider wenig nvcz enphohe wand ich bin so sn o de ein vas dz ich dinen minnesten fvncken n r t erliden mag die vngebvndene minne von zweiger hande minne die joch g q te l r te hant die vngebvnden ist vnd gebvnden wonet jn den sinnen wand s r ist noch gemenget mit jrdenschen dingen also dz der mensche r x ffen mag in der gnode ist die minne in den sinnen vntlegen vnd hat noch leider die sele n r t erstigen wo von die l r te vallent der l r te ist vil gevallen wand ir sele bleib vngewnt Salmon vnd david enphiengen den heiligen geist inir (! ) menslichen sinne do sich aber die sinne wandelten do vielent s r in die valsche minne weis got ir sele wz n r t gesencket in die niderste tieffin vnder aller creatvren noch gewundet mit dem creftigen teile der minne war vmb die l r te one val bliben vnd varent r ber die sinne wand der des besten wines nie enbeis der grogieret dicke aller meist die gebvnden minne wonet in der sele vnd stiget r ber mensliche sinne vnd stattet dem lichamen enkeines sines willen sehs ding hat die rehte minne s r ist gezogen vnd vil stille s r losset ire fl r gele nider vnd h o ret noder (! ) vnsprechelicher stimme vnd sihet in dz vnbegriffenliche lieht (144 v ) vnd wirbet mit grosser gere noch ires herren willen bistv geistlich tot so mahtv hohe ding ervarn Mag denne der lichame vederslagen so en mag die sele dz hoheste dz menschen [dz m] geschehen mag niemer ervaren in diser gebvndenen minne wirt riche die gewndete sele dise minne machet die sele rich vnd aren vnd ie richer s r got machet ie me s r sich dem x tiget vnd vil arme ir verswendige sinne wand ieme got richet q mes in ir vindet ieme s r sich von rehter edelkeit der minne tieffer dem x tet welles mensche also gebvnden wirt mit der grvntr x rvnge der creftigen minne dem enkan ich enkeinen val z q den h p bet s r nden vinden wand die sele ist gebvnden s r m q s ie minnen Got m x sse vns alle alsvs binden liber ij.xxv von der clage der minnenden sele wie ir got schonet vnd encz r het sine [gnode] gobe von wisheit wie die sele froget got wo er si vnd wie er si von dem b p ngarten von den bl q men vnd von dem gesange der megede die sele lobet got an drin dingen O dv vnzalhaftiger schacz an diner richeit O dv vnbegriffenliches wunder an diner manigvaltikeit O dv endelose ere in diner herschaft der tot were sanfter der selen denne dz ir got schonet Diner edelkeit wie we mir denne noch dir sy also dv wilt schone nvn dz m o hte dir alle creatvren volle sagen ebe s r m x sten f r r mich clagen wand ich lide vn menschliche (! ) not mir were nv senfter ein (145 r , Cxxxviiij) menslich tot jch s q che dich mit gedencken als ein jvncfr p we verholen ir lieb des m q s ich sere crancken wand ich mit dir gebvnden bin dz bant ist stercker denne jch si des mag ich n r t werden von minnen fry Jch r x ffe dir mit grosser gere jn ellendiger stimme jch beite din mit herczen swere Jch mag n r t r q wen jch brenne vnverl o schen in der <diner> 170 heissen minne Jch jage dich mit aller maht hette ich eins risen kraft die were schiere von mir ver- Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 463 170 diner am rechten Rand mit Einweisungszeichen. lorn keme ich rehte noch dir vf dz sporn Eya liebe [vr] nv l p f mit ir n r t zelange vor vnd r q we ein wenig minnenklich vf dz ich dich begriffe getrvwen gotte ist h o her denne himelrich Eya herre also dv mir hest alles enzogen dz ich von dir habe so lon mir doch von gnoden die selbe gobe die dv von natvren einem hvnde hast gegeben Dz ist dz ich dir getrvwe si in miner not one aller leige vrdrvcz dz ger ich sicherlicher serer denne dines himelriches got lobet die sele an sehs dingen liebe tvbe nv h o re mich Mine g o tteliche wisheit ist so sere r ber dich dz ich alle mine goben an dir ordene als dv s r an dinem arme liebe macht getragen got ordent sine goben noch des menschen maht der selen s q chen vindet got jo mit twingen Din heimeliches s q chen m q s mich vinden dines herczen jomer mag mich twingen din s x sses jagen machet mich so m x de dz ich gere dz ich mich k x le jn der reinen selen din Do jch in gebvnden bin din sere (145 v ) hercze s r ffczende bibenn hat mine rehtikeit von dir vertriben jagen machet m x de denne wil sich got k x len Des ist vil rehte dir als mir jch mag n r t eine von dir sin wie witte wir geteilet sin wir m o gent doch n r t gescheiden sin Jch kan dich n r t so kleine beriben jch t q dir vnmossen we an dinem armen libe der minnenden selen geren verzerte wol tvsent lichamen Solte ich mich dir z q allen ziten geben noch diner gere so m x ste ich miner s x ssen herberge in dem ertriche an dir enberen wand s r tvsent lichamen m o chten n r t einer minnenden selen ir gere vollen weren minne machet marterer dar vmb ie hoher minne ie heiliger marterer die sele ze got hie schinet dem x tikeit wir trincken oder essen wir s o llent doch gewundet sin mit der minne O herre dv schonest als ze sere mines ph q ligen kerkers do ich inne trincke der welte wasser vnd isse mit grosser jomerkeit den eschek x chen miner bl o dikeit vnd ich bin gewundet vf den tot mit diner f r rigen minne strolen nv lostv mich herre ligen vngesalbet in grosser qvale liebe hercze mine k r niginne wie lange wiltv vngetvltig sin got wundet vnd salbet einer stvnt Wenne ich dich aller serest wunde so salbe jch dich aller minnenklichest in der selben stvnden megede sint gewaltig gottes vnd sines richet q mes Die gr o sse mines richet q mes ist alleine din vnd r ber mich selben m q stv gewaltig sin jch bin dir minnenklichen holt mit gl o te wil got wider wegen alle ding Jch bin dir minnenklich (146 r , Cxl) holt hastv dz gel o te jch habe dz golt alles dz dv hast dvrch mich geton <ge>lossen 171 vnd gelitten Dz wil jch dir alles wider wegen wil dir mich selben ewiklich vergeben noch allen dinem willen geben die sele froget got wie er si vnd wo got sy Herre jch wil dich zweier dinge frogen der berihte mich noch diner gnode wenne min p gen trvren ellendelichen vnd min mvnt swiget einvaltiklichen vnd min zvnge ist mit jomer gebvnden vnd mine sinne mich frogent von stvnden z q stvnden wz mir sy so ist es mir herre alles noch dir vnd min fleisch mir entvallet min bl q t vertrvckent min gebeine kellet Min aderen kremphen vnd min hercze smilczet noch diner minne vnd min sele brennet mit eins hvngerigen l p wen stimme wie mir denne si wo dv denne bist Vil lieber dz sage mir Dir ist also einer nvwen brvt der schloffende ist entgangen ir einig trvt z q dem s r sich 464 Anhang 171 ge über der Zeile. Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 465 mit allen trvwen hat geneiget vnd mag des n r t erliden dz er eine stvnde von ir scheide also s r denne erwachet so mag s r sin n r t me haben denne also vil also s r in iren sinnen mag getragen Do von hebet sich alle ir clage die wile dz dem j r ngelinge sine brvt n r t ist hin gegeben so m q s s r dicke von jme eine wesen hastv dr r ding so meret an dir der minne kraft jch kvme z q dir noch miner lvst wenne jch wil sist gezogen vnd stille vnd verbirg dinen kvmber wo dv maht so meret an dir der minen kraft Nv sage ich dir wo ich denne si jch bin an mir selben an allen stetten vnd in allen dingen also ich ie wz svnder (146 v ) beginne vnd ich warte din in dem b p ngarten der minne vnd briche Dir die bl q men der s x ssen einvnge vnd mache dir do ein bette von dem lvstlichen grase der heiligen bekantheit vnd die liehte svnne minre ewigen gotheit beschinet dich mit den verborgenen wundere miner [s] lvstlicheit des dv ein wenig heimeliche hast ergeczet vnd do neige ich dir dem hohesten b p m miner heiligen drivaltikeit So brichest dv denne die gr x nen wissen roten o phele miner senftigen menscheit vnd so beschirmet dich der schatte mines heiligen geistes vor aller jrdenscher trvrikeit so kanstv n r t gedencken an din herczeleit So dv den b p n vmb vohest denne lere ich dich megede sang Die wise die wort den s x ssen klanck den dieiene an jnen selben n r t m o gent verston die mit der vnk r schekeit sint dvr gangen S r wellent doch s x ssen wandel han liebe nv sing an vnd lo h o ren wie dv es kanst Owe min vil lieber jch bin heiser in der kelen miner k r scheit mercke dz zvcker diner s x ssen miltikeit hant mine kelen erschellet Dz ich nv singen mag alsvs herre din bl q t vnd min ist ein vnbewollen din minne vnd mine ist ein vngeteilt din kleit vnd min ist ein vnbenlekeit din mvnt vnd min ist ein vnk r st etc. Dis sint die wort des gesanges der minne stimme vnd Der s x sse hercze clang m x ssen bliben wand dz mag kein irdensch hant geschriben liber vij.xxx Ein gebet wenne man die jvncfr p wen kr o net (147 r , Cxli) Enphoch herre dine br r te vnd begegen in mit den gilgen der lvteren k r schekeit alle jre tage Entphoch herre dine br r te vnd begegen in mit den rosen der flissigen erbeit vf ein g q t ende Entphoch herre dine br r te vnd begegen in mit der violen der grvndelosen dem x tikeit vnd leite s r in din brvt bette vnd vmb halse s r mit aller liebin iemer vngescheiden amen liber vij.xxxj von einer clage der minnenden sele Dis ist der minnenden selen clage Die s r alleine n r t mag getragen S r m q s es gottes fr r nden sagen vf dz inen minne deste bas behagen Minnen siech vnd libes kranck pinen not vnd harten twang Dz machet mir den weg zelang z q minem lieben herren wie sol jch dich lieb also lange enperen jo bin ich dir leider al z q verre Wiltv herre mine clage n r t enphon so m q s ich wider in min trvren gon vnd beiten vnd liden beide stille vnd offenbar Dv weist dz lieber herre wol wie gerne jch mit dir were cristvs entwirtet wenne jch kvme so kvme ich gros Es enwart nie vngemach so gros Jch m o ge es wol geheilen Dv m q st 172 noch me beiten jch wil dis bas bereiten E ich dich bringe f r r mines vatter vf dz vns deste bas behagest 173 jch h o re noch gerne dine minne clage wenne vinster werdent vnser mensliche sinne so erwecken wir mit 174 der clage jn vnserem herczen die g o tteliche minne 466 Anhang 172 Dv m q st Dittographie. 173 behagest verbessert aus behagett. 174 Dittographie. Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 467 V.2.4 Heidelberg, UB, Cpg 418 (H) Papier • I + 63 + I Bll. • 14,2 × 19,2 cm • kurz nach Mitte des 14. Jahrhunderts • südrheinfränkisch Inhalt: ›Goldene Kette‹, ›Meister Eckharts Wirtschaft‹, Pseudo-Engelhart von Ebrach ›Das Buch der Vollkommenheit‹ (Fassung A). Schreiber: Ältere gotische Kursive von einer Hand. Am Rand einige Notabenevermerke und Notizen eines Benutzers des 14. Jahrhunderts. Provenienz: Aus dem Besitz des Pfalzgrafen Ottheinrich: Ottheinrich-Einband mit Porträt-Supralibros und Datierung 1558 in Goldprägung auf dem Vorderdeckel, Wappen auf dem hinteren Deckel. Ein Dominikanerinnen- oder Zisterzienserinnenkonvent aus der Umgebung von Heidelberg ist als erstbesitzende Institution nicht unwahrscheinlich. Literatur: K. S chneider (2006), S. XV-XVII - Z immermann / M iller (2007), S. 362f. - http: / / www.mr1314.de/ 2352 (K arin Z immermann , Dezember 2008). Textabdruck: Mechthild-Exzerpte auf fol. 15 r/ v (Mosaik bestehend aus FL V.16: 350,12f. [V.16,5f.], V.29: 392,16f. [V.29,18f.] und V.33: 402,14-18 [V.33,11-14], nicht ediert) und fol. 55 v -56 r (FL I.22: 38,21-40,19 [I.22,7-34], nicht ediert). Beide Textsücke wurden bei der Edition der Pseudo-Engelhart von Ebrachschen Spruchsammlung berücksichtigt, s. K. S chneider (2006), S. 17, Nr. 32 und S. 60f., Nr. 133 (Sigle H). Die Textwiedergabe erfolgt handschriftengetreu. Normalisierungen werden nicht vorgenommen. Die wenigen Abbreviaturen werden aufgelöst. Ergänzungen in der Handschrift (von der Haupthand mit Einweisungszeichen über der Zeile) stehen in spitzen Klammern, Tilgungen in eckigen Klammern. Die handschrifteneigene Interpunktion ist beibehalten. (15 r ) Es ist kein s v nde so klein noch so groz ez sie der tufel <ir> genoz | wan swand der mensche kein sunde beger alz v hant seczet der tufel sinen stul neben gotes won v ngen in die sele die er . e . allein in ir besaz | vnd also dick der mensche an keiner st v nde missed v t als oft enpfehet die sele ein tufelischen flecken vnd der tufel sith sinen gelichen an biz der flek die sele vber zuhet vnd dorch frizzet (15 v ) | als rost daz ysen t v t vnd als der str v z sinen an siht biz ez z v einem vogel wirt als er ist Anmerkung: Zu den beiden im ›Fließenden Licht‹ fehlenden Vergleichen mit dem Eisen und dem Strauß s. Anmerkung zu M 2 . (55 v ) Die selig sele vnsers herren pr v t die wirt trvnken von der ane [gesch] gesicht des edeln antl v czes irs lieben in der grosten sterke kvnt sie von ir selbe in dem grosten lihte wirt sie blint an ir selbe vnd in der grosten blintheit siht sie alle cla<r>rheit . in der grosten klarheit ist sie beid v tot vnd lebendic ie beger sie tot ist ie frolicher sie lebt ie mer sie wirbet . ie minner sie wirt . ie witer sie zufluzet . ie vaster sie sich vorhtet . ie richer sie wirt ie ermer sie sich dvnket . ie t i fer ir w v nden sin ie serer sie sturmet . ie serer sie sturmet (56 r ) [ir] ie mer got minnenclich gen ir ist ie hoher sie swebet . ie schoner sie luhtet von den gegenplicken der gotheit . ie neher sie im kvmet ie mer sie erbeit . ie senfter sie r v get . Je mer sie begriffet . ie stiller sie swiget ie luter sie r v fet ie mer sie wunder mit gotes craft wirket ie großer ir gelust wirdet ie großer ir gelust ist ie mer er ir git ie mer sie vordert vnd gert Je hochm v tiger sie vrlap nimet ie e sie wider kvmet Je heizer sie belibet ie schir sie enzvndet wirt Je serer sie brinnet . ie serer sie luhtet Je mer gotes lop gepreitet wirt Anmerkung: Am linken Rand von fol. 55 v steht No(ta) von einer anderen Hand des 14. Jahrhunderts. Ähnliche Notabene-Vermerke findet man an den Rändern von fol. 26 v (Elsbeth von Oye, K. S chneider 2006, S. 28, Nr. 48), 27 v (K. S chneider 2006, S. 29, Nr. 50) und 56 r (Meister Eckhart, K. S chneider 2006, S. 61, Nr. 134). 468 Anhang Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 469 V.2.5 Karlsruhe, BLB, Cod. St. Georgen 78 (Ka) Papier • I + 283 Bll. • 21 × 14,5 cm • IV: 1442 (fol. 283 v ), I-III: 2. Viertel des 15. Jahrhunderts • bairisch Inhalt: Anonymer mystischer Predigtzyklus, Pseudo-Engelhart von Ebrach ›Das Buch der Vollkommenheit‹ (Bearbeitung C), Tauler-Predigten und Vaterunsererklärung ‹Adonay›. Schreiber: Die Handschrift besteht aus vier Teilen, geschrieben von je einer Hand. Der Schreiber von Teil IV nennt sich im Kolophon auf fol. 283 v : Explicit doctrina bona et vtilis per manus Christofori hertenberger Anno domini clij (wohl 1442). Die Datierung der übrigen Teile anhand der Wasserzeichen gestaltet sich wegen ihrer Nähe zu den Fälzen als schwierig. Nichtsdestoweniger werden sie von P oor (2004), S. 277, Anm. 116 auf die Jahre 1442-1444 festgesetzt. Poor beruft sich dabei auf unveröffentlichte Notizen von P iccard , die sie in der Handschriftenabteilung der BLB eingesehen hat (die Existenz solcher Notizen wurde mir von der Handschriftenabteilung nicht bestätigt). K. S chneider (2006), S. XXXV datiert die Teile I, II und III anhand der Schrift auf die 20er-30er Jahre des 15. Jahrhunderts. Provenienz: Benediktinerkloster Villingen war Zweitprovenienz der aus mehreren Teilen bestehenden Handschrift. Karlsruher Bibliotheksstempel auf Bl. I und 283 v , sonst keine Besitzereintragungen. Literatur: M ayer (1999), S. 238 - K. S chneider (2006), S. XXXV-XXXVI - http: / / www.handschriftencensus.de/ 9542 (K laus K lein , März 2010). Textabdruck: Mechthild-Exzerpte auf fol. 104 v -105 r (Mosaik bestehend aus FL V.16: 350,12f. [V.16,5f.], V.29: 392,16f. [V.29,18f.] und V.33: 402,14-18 [V.33, 11-14], nicht ediert) und fol. 133 r/ v (FL I.22: 38,21-40,19 [I.22,7-34], mit Varianten von M 2 abgedruckt von N eumann 1963, S. 317). Die beiden Textsücke wurden bei der Edition der Pseudo-Engelhart von Ebrachschen Spruchsammlung berücksichtigt, s. K. S chneider (2006), S. 17, Nr. 32 und S. 60f., Nr. 133 (Sigle K). Die Textwiedergabe erfolgt handschriftengetreu. Supraskripta und Interpunktion fehlen gänzlich. Auf Normalisierungen wurde verzichtet. (104 v ) ›Wie der teufel menschenn mailiget vmb die sunde‹ Es ist kain sunde so klain noch so groß es sey der teufel ir genos | wann wenn der mensch kainer sunden begert ze hant seczt der teufel sein stuel neben gottes wonung in die sele die er do allain besaß | Vnd als dick der mensch an kainer sunde myßetut als oft enpfehet die sel ein tewffellischen flecken vnd der teufel der sunde sicht seinen geleichen (105 r ) An pis der fleck die sele uber zewhet vnd durch frißet | als der Rost das eyssenn tut vnd als der straus sein aye an sihet pis es zw ainem vogel wirt Der mensch der Jnn Jamerkait vnd in quale versaumnuße liget der ist nicht volkumen sunder er ist in großem geprechenn Anmerkung: Zu den beiden im ›Fließenden Licht‹ fehlenden Vergleichen und zum Schlusssatz s. Anmerkung zu M 2 . 470 Anhang V.2.6 München, BSB, Cgm 116 (Mü 1 ) Pergament • II + 114 Bll. • 13 × 9 cm • Anfang des 15. Jahrhunderts Benediktinerkloster Tegernsee • nordbairisch Inhalt: Pseudo-Engelhart von Ebrach ›Das Buch der Vollkommenheit‹ (Bearbeitung C) und Gebete. Schreiber: unbekannt, zwei Hände (Handwechsel mitten im Satz). Provenienz: Die Handschrift befand sich im späten 15. Jahrhundert in Tegernsee, wo sie eingebunden und mit Besitzereinträgen versehen wurde: 1484. Dycz p u chel geh o rt czu dem erwirdigen gotshaus ze Tegernsee sant Kürein des kunigs und martrers etc. Auf dem Vorderdeckel jüngere Tegernseer Signatur Q 83.3°. Literatur: K. S chneider (2006), S. XXXII-XXXIIII und http: / / www.handschriftencensus.de/ 9541 (K laus K lein , Juni 2009). Textabdruck: Mechthild-Exzerpte auf fol. 18 r/ v (Mosaik bestehend aus FL V.16: 350,12f. [V.16,5f.], V.29: 392,16f. [V.29,18f.] und V.33: 402,14-18 [V.33,11-14], nicht ediert) und fol. 67 v -68 v (FL I.22: 38,21-40,19 [I.22,7-34], nicht ediert). Die beiden Textsücke wurden bei der Edition der Pseudo-Engelhart von Ebrachschen Spruchsammlung berücksichtigt, s. K. S chneider (2006), S. 17, Nr. 32 und S. 60f., Nr. 133 (Sigle M3). Die Textwiedergabe erfolgt handschriftengetreu. Auf Normalisierungen wurde verzichtet und die handschrifteneigene Interpunktion übernommen. Die wenigen Abbreviaturen wurden stillschweigend aufgelöst. Ergänzungen in der Handschrift stehen in spitzen Klammern. (18 r ) Es ist kein sunde so klein noch so groz ez sei der (18 v ) tewfel ir genos | wan wenne der mensch an keiner sunden begert/ zehant seczet der tewfel seinen stul neben gotes wonunge in die sele die er ee allein besaz | Vnd als dike der mensch an keiner sunde misse tut/ Als ofte emphehet die sele einen tewfelichen fleken vnd der tewfel der sunde sihet seinen gelichen an biz der flek die sele vberzewhet/ vnd durch frißet/ | als der rost/ das eysen tut/ vnd alz strauße sein eye an sihet/ biz das es zu einem vogel wirt/ Der mensche der in iamerkeit/ vnd in quale versaummnuzze liget/ der ist nicht volkomen sunder er ist in grozzem gebrechen Anmerkung: Zu den beiden im ›Fließenden Licht‹ fehlenden Vergleichen und zum Schlusssatz s. Anmerkung zu M 2 . (67 v ) Die selige sele vnsers herren brawt wirt truncken von dem angesicht des edeln antluczes ires lieben herren In der grosten sterk kumet sie von ir selber In dem grosten liecht wirt sie blint vnd in der grosten blinheit (! ) sihet sie alle klarheit In der grosten klarheit ist sie tot vnd lebendich Ye lenger sie tot ist ye frolicher vnd lenger sie lebet/ ye mer sie wirbet ye mynner sie wirt ye my<n>ner sie wirt ie mer sie weiter ze flewzzet Ie serrer (68 r ) sie sich furchtet ie reicher sie wirt ie ermer sie sich dunket ie tieffer ir wunden sein Ie serer sie sturmet ie mer mynneklicher got gegen ir ist Ie hoher sie swebet ie schoner sie lewchtet von dem gegenplikken der gotheit Ie neher sie im kumet ie mer sie arbeit Ie senfter sie rwet ie mer sie begreiffet ie stiller sie sweiget ie lawter sie ruffet Ie mer sie wunder mit gotes kraft wurket ie grozzer ir gelust wirt Ie mer er ir gibt ie mer sie vordert vnd begert Ie hochgemutiger sie vrlaub nymt ie ee sie wider kumpt Ie heißer sie belei(68 v )bet ie schirer sie sie enczundet wirt ie serer sie brinnet ie mer sie lewchtet Je mer sie gotes lob gebreitet ie groszer ir begird wirt Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 471 V.2.7 München, BSB, Cgm 172 (Mü 2 ) Pergament • I + 71 Bll. • 21 × 15 cm • Benediktinerkloster St. Emmeram in Regensburg • 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts • ostfränkisch Inhalt: Pseudo-Engelhart von Ebrach ›Das Buch der Vollkommenheit‹ (Bearbeitung C). Schreiber: Bruder Engelhart von Ebrach (Zisterzienserkloster Ebrach, östlich von Würzburg), vgl. Schreibervers auf fol. 71 r : Wer ditz B u chel lesen wil | den sol des nicht d v nken vil. | Daz er f v r den schriber got. | bit. daz er im owz aller not. | Helfe. an sele vnd an libe. | vnd den p o sen geist vertribe. | von im an sinem ende. | daz er on missewende. | Besitze barmhertziklich. | mit got daz ewig himelrich. | Bruder Engelhart genant. | in Ebrach ist er bekannt. Provenienz: Alte St. Emmeramer Signatur B auf fol. 1 v und eine jüngere G CVII ebd. Literatur: K. S chneider (2006), S. XXIX-XXXII und http: / / www.mr1314.de/ 9540 (D aniel K önitz / J oachim H einzle , Dezember 2009). Textabdruck: Mechthild-Exzerpte auf fol. 12 v (Mosaik bestehend aus FL V.16: 350,12f. [V.16,5f.], V.29: 392,16f. [V.29,18f.] und V.33: 402,14-18 [V.33,11-14], identifiziert und bis auf den letzten Satz abgedruckt von V izkelety / K ornrumpf 1968, S. 305, Anm. 1) und fol. 40 v -41 r (FL I.22: 38,21-40,19 [I.22,7-34], nicht ediert). Die beiden Textsücke wurden bei der Edition der Pseudo- Engelhart von Ebrachschen Spruchsammlung berücksichtigt, s. K. S chneider (2006), S. 17, Nr. 32 und S. 60f., Nr. 133 (Sigle M2). Die Textwiedergabe erfolgt handschriftengetreu. Auf Normalisierungen wurde verzichtet und die handschrifteneigene Interpunktion übernommen. Ergänzungen in der Handschrift (von derselben Hand über der Zeile mit Einweisungszeichen) stehen in spitzen Klammern, Tilgungen in eckigen Klammern. (12 v ) … Der mensche der in iamerkeit vnd in quale versawmn u sse liget . der ist niht volkomen . s v nder er ist in grozzem gebrechen Anmerkungen: K ornrumpf meint, auch der Anfang des folgenden Spruches könnte vom ›Fließenden Licht‹ beeinflusst worden sein, abgedruckt bei V izkelety / K orn rumpf (1968), S. 305, Anm. 1, vgl. FL VI.20: 476,22f. (VI.20,18f.) - Zu dem hier abgedruckten Schlusssatz s. Anmerkung zu M 2 . (40 v ) ›Waz got der minnenden sele siner lieben br v te gnade x ber gnade t v . mit im selber‹ Die selige sele vnsers herren browt . wirt tr v nken von dem angesiht des edeln antl v tzes ires lieben herren . In der gr o zsten sterke k v met si von ir selber . In dem gr o zsten lieht wirt si blint . vnd in der gr o zzsten blintheit sihet <si> alle klarheit . In der gr o zsten klarheit ist si beide tot vnd lebendik . Ie lenger si tot ist . ie fr o licher vnd lenger si lebet . Ie mer si wirbet ie minner si wirt . Ie minner si wirt ie mer vnd witer si ze fl u zzet . Ie serer si sich f u rhtet . ie richer si wirt . ie ermer si sich d v nket . Ie tiefer ir w v nden sin . ie serer si st u rmet . Ie 472 Anhang mer got minnenklicher [got] gegen ir ist . ie h o her si swebet . Ie sch o ner si l u htet von (41 r ) dem gegenplikken der gotheit . Ie neher si im k u met . Ie mer si arbeit . ie senfter si ruet . Ie mer si begrifet ie stiller si swiget . ie leuter si r u ffet . Ie mer si w v nder mit gots kraft w u rket . ie gr o zzer ir gel v st wirt . Ie mer er ir gibet . ie mer si vordert vnd begert . Ie hoh gemutiger si vrlowp nimt . ie e si wider k u mt . Ie heizzer si belibet . ie schierer si enz u ndet wirt . Ie serer si brinnet . ie mer si l u htet . Ie mer si gots lop gebreitet . ie gr o zzer ir begirde wirt . Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 473 V.2.8 München, BSB, Cgm 181 (Mü 3 ) Pergament • 114 Bll. • 15 × 9 cm • um oder bald nach Mitte des 14. Jahrhunderts • Nordwürttemberg/ Unterfranken Inhalt: Pseudo-Engelhart von Ebrach ›Das Buch der Vollkommenheit‹ (Fassung A) und Passionsbetrachtung. Schreiber: unbekannt, durchgehend eine Hand. Von der gleichen Hand stammt eine geistliche Sammelhandschrift in der Dombibl. Freising Hs 20. Provenienz: Die Hofbibliothek München erwarb die Handschrift am 19. April 1861 von dem Antiquar Rosenthal in Fellheim. Sonst keine Hinweise auf Herkunft und Vorbesitzer. Literatur: K. S chneider (2006), S. XII-XV und http: / / www.mr1314.de/ 9535 (D aniel K önitz / J oachim H einzle , März 2010). Textabdruck: Mechthild-Exzerpte auf fol. 3 r -4 r (Mosaik bestehend aus FL V.16: 350,12f. [V.16,5f.], V.29: 392,16f. [V.29,18f.] und V.33: 402,14-18 [V.33,11-14], die Varianten dieser Handschrift sind in dem von V izkelety / K ornrumpf 1968, S. 305, Anm. 1 gelieferten Abdruck von Mü 2 verzeichnet, nicht ediert) und fol. 50 v -51 v (FL I.22: 38,21-40,19 [I.22,7-34], nicht ediert). Die beiden Textstücke wurden bei der Edition der Pseudo-Engelhart von Ebrachschen Spruchsammlung berücksichtigt, s. K. S chneider (2006), S. 17, Nr. 32 und S. 60f., Nr. 133 (Sigle M1). Die Textwiedergabe erfolgt handschriftengetreu. Auf Normalisierungen wurde verzichtet, die handschrifteneigene Interpunktion übernommen. Ergänzungen in der Handschrift (von derselben Hand über der Zeile mit Einweisungszeichen) stehen in spitzen Klammern. (50 v ) Dú seilige sele vnsers herren br v t dú wirt truncken von der angesihte des edeln antlútzes irs liebes in der grosten sterke k v mt sie von ir selbe . in dem grosten liehte wirt si blint an ir selbe . vnd der grosten blintheit siht sie alle clarheit . in der grosten clarheit ist si beidú tot vnd lebendig ie lenger si tot ist . ie frolicher si lebet . ie me si wirwet . ie minner (51 r ) si wirt . ie witer sie z v flusset . ie serer si sich vorhtet . ie richer sie wirt . ie ermer sie sich dunket . ie tieffer ir wunden sie . ie serer sie sturmet . ie serer si sturmet (! ). ie mer got minnenclichen gen ir ist . ie hoher sie swebet . ie schoner si luhtet von den gegen blicken der gotheit . ie neher si im k v met ie mer si erbeit . ie sanfter si r v wet . ie mer si begriffet . ie stiller si swiget . ie l Y ter si r u ffet . ie mer si wunder mit gotes craft wirket . ie grosser ir gelust wirdet/ . ie grosser ir gelust ist/ . ie mer er ir git/ . ie mer si vordert vnd gert/ . ie hochm u tiger vrlaup <si> nimet . ie e si wider k v mt . ie heisser si (51 v ) belibet . ie schierer si enzundet wirt . ie serer sie brinnet . ie serer si luhtet . ie mer gotes lop gebreitet wirt ie grosser ir begirde wirt. 474 Anhang Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 475 V.2.9 München, BSB, Cgm 411 (Mü 4 ) Papier • I + 199 Bll. • 21 × 14 cm • 1436 • ostschwäbisch (Raum Augsburg) Inhalt: Pseudo-Engelhart von Ebrach ›Das Buch der Vollkommenheit‹ (Bearbeitung C), erbauliche und mystische Kurztexte, Exempla und Exzerpte. Schreiber: überwiegend vom dreizehnjährigen Hieronymus Müller, s. fol. 48 vb Quis hoc scribebat Joranimus Muller nomen habebat und fol. 193 ra … der dicz p v ch geschriben hat ist genant Jeronimus M u ller. Daz p v ch ist geschriben worden an sant Crist gepurt M° vnd CCCC vnd XXXVI iar. Das p v ch ward usgeschriben an sant Valentinus abent (13. Februar) da was ich trizechen iar alt … Hieronymus Müller hat auch München, BSB, Cgm 206 geschrieben. Provenienz: Vorderdeckel mit Exlibris von 1618 der Hofbibliothek München. Sonst kein Herkunftsvermerk. Literatur: K. S chneider (2006), S. XXXVIII-XXXIX und http: / / www.handschriftencensus.de/ 6130 (K laus K lein , Januar 2009). Textabdruck: Mechthild-Exzerpte auf fol. 95 va -96 ra (Mosaik bestehend aus FL V.16: 350,12f. [V.16,5f.], V.29: 392,16f. [V.29,18f.] und V.33: 402,14-18 [V.33,11-14], nicht ediert) und fol. 127 vb -128 ra (FL I.22: 38,21-40,19 [I.22,7- 34], nicht ediert). Die beiden Textstücke wurden bei der Edition der Pseudo- Engelhart von Ebrachschen Spruchsammlung berücksichtigt, s. K. S chneider (2006), S. 17, Nr. 32 und S. 60f., Nr. 133 (Sigle M4). Die Textwiedergabe erfolgt handschriftengetreu. Auf Normalisierung wurde verzichtet. Abbreviaturen sind aufgelöst. (95 va ) Es ist kain s v n- (! ) so klain noch so groß es sey der (95 vb ) t ] fel ir genoß | wann wanne der mensch kainer s v nde begert z v hand seczt der t ] fell seinen st v ll neben gottes wonnung in die selle die er allain beschlos | vnd als dik der menschen an kainer sünde misse t v t als oft enpfachet die sel ain t ] flichen flecken vnd der t ] fell die sünde sicht in seinem gleichen an biß der fleck die sel n ber z ] cht vnd durch frist | als der rost das eissen t v t vnd als der strauß sein aie an sicht biß es z v ainem fogel wirt (96 ra ) ¶ der mensch der in jamerkait vnd in wersomnuß liget der ist nicht wolkumen sünder (! ) er ist in grossem gebresten amen Anmerkung: Zu den beiden im ›Fließenden Licht‹ fehlenden Vergleichen und zum Schlusssatz s. Anmerkung zu M 2 . (127 vb ) Die selige sel vnsers herren braut wirt trunken von dem angesicht des ellenden antlucz irs lieben heren in der grösten sterken kumpt sie von ir selber In dem grösten lob wirt sie plint vnd in der grösten plindhait sicht sie alle clarhaitt Inn der grösten klarhait ist sie baïde tod vnd lebendig Ie lenger sie tot ist Ie frölicher vnd Ie lenger sie liebt Ie mer (128 ra ) sie werket ie miner sie wirt ie mer vnd ie weiter sie ze fleisset ie serer sie siecht (! ) furchtet Ie raicher sie wirt Ie ermer sie sich dunket Ie tieffer ie (! ) wnden sein ie serer sturmet imer got mineklicher gegen ir ist ie höher sie swebt ie schöner sie leüchtet von dem gegenplicken der gothait je necher sie im kumt je mer sie arbait ie senfter sie rüet ie mer sie begrift ie stiller sie sweiget ie leüchter sie rüfet je mer sie wnndret (128 rb ) mit gottes kraft wurket ie griesser ir gelust wirt ie mer er ir gibt ie mer sie wordret vnd begert je hoch gemütiger sie vrlaupt nempt ie ee sie wider kumpt Ie haisser sie beleibt ie schierer sie vnnüczet (? ) wirt ir serer sie brinet ie mer sie leüchtet Ie mer sie gottes lob gebraittet Ie grosser ir begird wirt deo gratias Anmerkung: Z. 4 lenger verbessert aus lengy. 476 Anhang V.2.10 Privatbesitz von Joseph Maria von Radowitz, Karlsruhe (verschollen) (R) Perg. • Duodecim • mindestens 40 Bll. • 14. Jahrhundert • bairisch (fol. 1- 4), mitteldeutsch (fol. 5-12), oberrheinisch (fol. 18ff. und 31-40) Provenienz: Aus dem Privatbesitz des 1853 verstorbenen Generalleutnant Joseph Maria von Radowitz, der seit 1842 einige Zeit als preußischer Gesandter in Karlsruhe lebte. Literatur: M one (1846), Bd. 1, S. 129-131 und S. 326-336 bzw. Bd. 2, S. 111- 114 und S. 351-359 - R ichter (1969), S. 170-175 - M orvay / G rube (1974), S. 38 (T 48) - http: / / www.mr1314.de/ 1375 (Februar 2009) und S. 165-172 oben. fol. 1-4 Beichtspiegel Ich gibe mich schuldik unserm herren und meiner frauwen sent Marien und allen gotes heiligen und eu priester an gotis stat, daz ich gesundet han mit willen, mit gedanken, mit worten und mit werken, mit neid und mit hasz, mit uber essen … - … und selten oder nimmer bin in ainem mit leiden aller menschen etc. dic sicut scis. Abdruck: M one (1846), Bd. 2, S. 111-114. Literatur: B ruchhold (2010). fol. 5-12 Berthold von Regensburg ›Von den Zeichen der Messe‹ (Fassung A) Das erste daz sint di gloken daz bezeichent in der alten e di bus v n di man blies. so daz volc zesamen solte kumen. so blies man ein bus v n oder zwu … - … so si wol dar kumen mohten. und siche [sic! ] kleine sache lazent irrent [sic! ] Daz mahte bruder Berhtolt. Abdruck: M one (1846), Bd. 2, S. 351-359. Edition: P feiffer / S trobl (1880/ 1965), S. 683-687 (Nr. XVIII), Anhang A. Parallelüberlieferung: verzeichnet bei P feiffer / S trobl (1880/ 1965), S. 707f. und R ichter (1969), S. 170-172. Ergänzend dazu: Mainz, StB, Hs I 335, fol. 80 v -82 v und Wien, Schottenkloster, Cod. 134 (Hübl 215), fol. 54 r -61 v . Literatur: R ichter (1969), S. 172-175 und B entzinger (2000), S. 12- 21 (mit Textabdruck nach Mainz, StB, Hs I 221). fol. 18f. Mechthild von Magdeburg, ›Das fließende Licht der Gottheit‹ (III.10) Dis ist ein passio einer minnender sele, die si hat in der waren gottis liebi. Allererst so wirt verraten in eime súfzen nah gotte, so wirt si denne verk Œ fet in eime heiligen iamer nach siner liebi … - … Diz ist dú passio einer iegelicher minnende sele, diu dur gegangen ist mit der gewaren gottis minne. Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 477 Edition: N eumann (1990), S. 89-91 und V ollmann -P rofe (2003), S. 182-186 (jeweils nach E). Abdruck: M one (1846), Bd. 1, S. 129-131. Parallelüberlieferung: E und W. fol. 31-40 Die sieben Todsünden ›Diz ist von den siben h Œ bet sunden‹ Hofart ist. so ich mich erhebe in deme hercen. daz ich minne ze unrehte min selbes hohe. daz ist in vier wiz. An deme ersten. daz ich mich des g v tes erhebe. daz ich han. an der sele. oder an deme libe … - … oder mit den cleideren. mit alleme deme daz unordenlich heizet unt ist. Abdruck: M one (1846), Bd. 1, S. 326-336. Textabdruck: M one (1846), Bd. 1, S. 129-131. Die Textwiedergabe erfolgt nach dem Abdruck von M one , der handschriftengetreu zu sein scheint. Um das Textstück in die Mechthild-Überlieferung einordnen zu können, wurde es mit einem Apparat versehen. In den Anmerkungen stehen Hinweise zur Textkritik. (129) Dis ist ein passio einer minnender sele, die si hat in der waren gottis liebi. Allererst so wirt verraten in eime súfzen nah gotte, so wirt si denne verk Œ fet in eime heiligen iamer nah siner liebi, so wirt si den ges v chet mit den schahern der manigvalteclichen trehenen. Got ir herren hette si alse gerne, so wirt si denne ane gegriffen mit mangen heiligen gedanken, wie si ir vleisch also getwinge, daz ez nit enweke; so wirt sie denne gebunden mit dez heiligen geistes gewalt. ir wnne dú ist manigvalt, ir ougen werdent verbunden, so si sih h v tet vor unnutzen sehende ze allen stunden. So wirt si denne gehalsleget mit grosser unmaht, swenne si dez 478 Anhang 1 5 Apparat: 1 Dis - liebi] Von dem (der W) passio der minnenden sele die si von gotte hat wie (und wie W) si ufstet (erstatt W) und in den himmel vart fere xxx a partes habet Überschrift E (W); vgl. Anm. 2 Allererst so wirt] In warer (waren W) liebi (minne W) wirt dú minnende (minnende fehlt W) sele E (W) in eime súfzen] in der sufzunge E, in dem sufzende W nah gotte] na gotte E, noch t e (W) so - denne] Sie wirt E (W) 2f. in eime] im E, in deme, nach d ein gestrichenes \ W 3 so - den] Sie wirt E (W) mit den schahern] mit der schar E (W) 4 Got - gerne] na irem lieben herren den (der W) hette si also gerne E (W) gerne] anschließend fehlt FL III.10: 182,9f. (III.10,5f.) so - denne] Si wirt E (W) 5 mangen] manigem E, manigen W gedanken] gedanke E, gedanchin W also getwinge] get o de E, getote do wortin da wortin W daz] das E, saz W ez] si E (W) 5f. nit enweke] nit wenke E, nicht weche W; vgl. Anm. 6 so - denne] Si wirt E (W) ir] und ir E (W) dú] fehlt E (W) 6f. ist manigvalt] wirt vil manigvalt E, wirt vilmanich valt W 7 ir - verbunden] von einer anderen Stelle (FL III.10: 184,3f. [III.10,24f.]) hierher versetzt, s. App. zu R 19 verbunden] E, ir verbunden W 7f. so - stunden] fehlt E (W) 8 So - denne] Si wirt E (W) gehalsleget] gehalschlaget E, ge halzewigen liechtes ane underlas nit gebruchen mac. so (130) wirt si denne fur gerichte gezogen mit menigen bibenden schamen, swenne si daz gedenket, daz ir got dur ir sunde also dike ist worden fr Œ mde. si wirt oh gehalsleget vor gerichte, swenne si der túfel also geistliche anvichtet, si antwrtet oh ze allen dingen heilekliche. sie en mac sih mit nieman arcliche begriben. Herodes wirt si gesant, swenne si sich selben aller untúrest nut [unt? ] aller snodest hat irkant. Also wirt si denne versmahet von dem grozen hern ir manigvaltklichen gedenken. Pilato wirt si wider gegeben, swenne si irdenscher dingen sol pflegen. so wirt si z v der súle geslagen mit grozen sere, swenne si sich ze liplichen dingen sol keren. so wirt sie denne mit manigvaltigen tugenden wnnekliche gekronet, swenne si begert, daz ir got alles irs kumbers niemer gelone. si wil ez ime allez lazen uf daz h o chste ze zime lobe. Si treit ir cruce in eime s v zen wegen, swenne si sih gotte willekliche in allen pinen wil geben. So wirt si an das cruce geslagen mit einem hamer der minneklichen minne, daz alle creature von niht muge gewinnen. So hanget si ame cruce unt trunke gerne lutern win, daz ist luters lebennes begert si von allen gottiskinden: swenne si daz an in niht envindet, so koment si al mit allen unt schenkent ir die gallen. (131) so wirt ir lichame denne getotet in der minne, swenne ir geist wirt Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 479 10 15 20 25 schalgit W swenne] das E (W) 9 ane] sunder E (W) nit gebruchen mac] gebruchen nit mag (enmacht W) E (W) so - denne] Si wirt E (W) fur gerichte] vor gerichte E, fur gerich W 10 mit - schamen] in bibender schemmede E (W) swenne - gedenket] fehlt E (W) 10f. daz 2 - fr Œ mde] das got ir (ir fehlt W) von ir súnden vleken (vleken fehlt W, stattdessen wegen von ir) ist so dike vr o mede E (W) 11f. si 1 - begriben] Zeilentausch im Vergleich zu E und W, vgl. FL III.10: 182,19-22 (III.10,12-14) 11 oh gehalsleget vor gerichte] georschlaget vor gerihte E, georslagit odir geflichtit W 12 der túfel] die túfel E (W) also] fehlt E (W) anvichtet] anvehtent E (W) 12f. sie - begriben] und mag das (des W) nit erliden das si sich mit ieman arglich begrife E (W); vgl. Anm. zu R 13 13 Herodes - gesant] Si wirt ze Herode gesant E (W) 14 aller - irkant] untúre und unwirdig bekennet (bechant W) E (W); vgl. Anm. zu R 13f. 14 Also - denne] und E (W) (wirt) versmahet] versmehet sich selber E (W) 14f. von - gedenken] mit dem grossen herre al irer danken E, fehlt W; vgl. Anm. zu R 15 15f. si - pflegen] si m v s irdenscher dingen phlegen (phelgen W) E (W) 16 so wirt si] Si wirt E (W) z v der súle geslagen] geschreiget gesclagen E, stustreicht geslagin W, am Rande von E: i(d est) an der sul; vgl. Anm. 17 si - keren] si sich m v s z v irem lichamen keren E (W) keren] anschließend fehlt FL III.10: 182,30f. (III.10,18f.) so - denne] Si wirt E (W) 17f. mit - gekronet] mit manigvaltiger trúwe s u sseklich gekr o net E (W) 18 begert] des geret E (W) 19 niemer] niemer me E (W) si - lazen] io E, wan W ze] ze E, noch W lobe] anschließend fehlt FL III.10: 182,35-184,4 (III.10,21-26), zeilenversetzt erscheint FL III.10: 184,3f. (III.10,24f.): Ir p gen werdent (ir W) verbunden, s. App. zu R 7 20 willekliche] werlich E (W) 21 wil geben] gibet E (W) geben] anschließend fehlt FL III.10: 184,7f. (III.10,27f.), gesclagen blieb allerdings in der nächsten Zeile als Ersatz zu genegelt erhalten So wirt si] Si wirt E (W) an das cruce geslagen] an dem (das W) crútze so vaste genegelt E (W) 21f. mit - minne] mit dem hammer der starken (starke W) minnel p ffe E (W) 22 daz - gewinnen] das si alle creaturen nit m o gent wider ger u ffen (ruffin W) E (W) So - cruce] Si túrstet p ch vil sere an dem crúze der minne E (W); So hanget si von einer anderen Stelle (FL III.10: 184,23 [III.10,37]) hierher versetzt, s. App. zu R 27 22f. unt - gottiskinden] wan si trunke (trucht W) vil (vil fehlt W) gerne den lutern win von allen (den W) gottes kinden E (W) 24 swenne - envindet] fehlt E (W) 25 so - getotet] Ir licham (lib W) wirt get o tet E (W) minne] lebendigen minne E (W) gef v ret uber alle mensliche sinne. So wirt si denne verwndet in ir siten mit einem sper von einem blinden der ungesichteklichen minne, dar us flúzet manig heilig lere. So wirt si denne mit eime heiligen ende vom cruce genomen, so sprichet si: vater, nu ist ez vollekomen. So wirt si denne geleit in ein grab der tiefen diem v tikeit, swenne si sih under allen creaturen die snodeste weis. So steht si den uf in einem wnnenklichen ostertage swenne si mit irme liebe hat ge [! ] eine s v ze minne klage. So erschinet si denne Marien mit dien englen dez morgens vr v , swenne ir got in der minne truwe het vertilget alle ir sunde. So get sie denne us Jerusalem mit einer wnneklichen schar der tugenden mit von Galilea uf einen hohen berg eines hohen lebennes. so vert si denne uf in den himel gegen den lebenden sunnen der ewigen gotheit. Da hanget si denne inne, biz daz si volle irdorret von allen irdenschen dingen. Diz ist dú passio einer iegelicher minnende sele, diu dur gegangen ist mit der gewaren gottis minne. Textkritische Anmerkungen: 1 ein passio] N eumann (1993), S. 57, Anm. zu III.10,1 emendiert in der E-Überschrift dem passio in der passion in Anlehnung an W und mit Hinweis auf das Mittelniederdeutsche, wo passie und passion als Feminina belegt sind, während Mhd. passion als st. Mask. gegenüber passie als sw. Fem. erscheine. R ist inkonsequent im Artikelgebrauch, vgl. R 1 ein passio, R 37 dú passio. 5f. nit enweke] E 480 Anhang 30 35 26 gef v ret] geh o het E (W) mensliche] menschlich E, menscliche W sinne] anschließend fehlt FL III.10: 184,17-19 (III.10,33-35) So - denne] Si wirt E (W) verwndet] gestochen E (W) in ir siten] durch ire siten E (W) 26f. mit einem sper] mit eime s u ssen sper E (W) 27 der ungesichteklichen minne] der unschuldiger minne E (W); vgl. Anm. dar us] da E, do W flúzet] vliessent us irem herzen E (W) lere] der in E folgende Satz FL III.10: 184,23-26 (III.10,37-40) wird zersetzt und an unterschiedlichen Stellen des Exzerpter inseriert, vgl. Si hanget (s. R 22 und 36); gegen der ewigen sunnen der lebendigen gotheit (s. R 35f.); das (das si W) vollen dúrre wirt von allen irdenschen dingen (s. R 35f.) 28 mit] in E (W) vom cruce] von irem crútze E (W) sprichet] sprichet E, sprich W vater] Vatter enpfahe minen geist E (W) 29 vollekomen] alles vollekomen E (W) So - denne] Si wirt E (W) grab] besclossen grab E (W) 30 swenne - weis] so si sich steteklich die unwirdigosten weis under allen creaturen E (W) So - uf] Si stat p ch uf E (W) 30f. in - ostertage] vr o lich an eim ostertage E, an einem frolichin ostertage W 31 hat - klage] hat gehabet in dem notlichen brútbette ein s u sse minne clagen E (W) 32 So - vr v ] So tr o stet si (si fehlt W) ir iuncherre (jungirn W) des morgens fr v mit Marien E (W) 32f. swenne - sunde] wenne si enpfat von gotte die ware sicherheit das got alle ir súnde in der minnerúwe hat verdilget (furdilkit W) E (W) 33 sunde] anschließend fehlt FL III.10: 186,1f. (III.10,47-49) sie denne] si E (W) Jerusalem] von Jerusalem des heligen cristant v mes E (W) 33f. mit - mit] mit maniger tugenlicher (tugenttlichir W) schar 34 mit] anschließend fehlt FL III.10: 186,4-16 (III.10,50-58), erhalten geblieben sind: von Galilea FL III.10: 186,14 (III.10,57, s. R 34) bzw. Si vert p ch uf in den himmel FL III.10: 186,9 (III.10,53, s. R 35) 34f. uf - lebennes] fehlt E (W) 35 so - himel] s. App. zu R 34 35 lebenden] ewigen E (W) ewigen] lebenden E, fehlt W 35f. gegen - gotheit] s. App. zu R 27, fehlt W; vgl. Anm. zu R 35f. 36 Da - inne] s. App. zu R 27 36f. biz - dingen] s. App. zu R 27 37 Diz - sele] Dise marter lidet (lit W) ein ieglich sele E (W) 37 diu - minne] die in heliger (heilige W) temperunge alles irs t u ndes (tundes W) ist werlich durchvlossen (furflozsin W) mit warer gottes liebi (liben W) E (W) liest nit wenke. (‹nicht schwach werde›). Das mittelniederdeutsche Wort - das mittelniederdeutsche Verb mit der Bedeutung ‹schwanken›, ‹weichen› ist mittelniederdeutsch nicht belegt, nur wank, wankel, wankelbar als ‹Wanken›, ‹schwankend›, ‹veränderlich›, s. N eumann (1993), S. 57, Anm. zu III.10,8 - scheint in der oberdeutschen Überlieferung Verständnisprobleme bereitet zu haben, wie auch nicht weche W entnommen werden kann. Die unbekannte Verbform wird gegen das graphisch (und inhaltlich) naheliegende mhd. wecken ausgetauscht. Nichtsdestoweniger hält W das Personalpronomen si (bezogen auf die Seele) bei. Ganz anders R: Hier bezieht sich das negierte Verb bereits auf vorangehendes vleisch, wie es aus dem Subjektwechsel (ez) deutlich wird. Dasselbe gilt allerdings auch für die lateinische Übersetzung: ut carnem mortificet ne rebellet (LD I.22,5f./ Rev. Bd. II.2, S. 467,7f.). rebellet scheint dem in W und R verlesenen Wort näher zu stehen als der in E angeblich noch durchscheinenden mittelniederdeutschen Variante. Setzt man voraus, dass die von N eumann postulierte Variante die textgeschichtlich primäre ist, dann fragt sich, ob die ‹Verlesung› schon in der Vorlage der ›Lux divinitatis‹ aufgetreten war, oder ob es nicht doch im Mittelniederdeutschen eine Verbform gibt, die mhd. wecken entspricht. In diesem Fall würde die E-Variante eine ‹Verlesung›, die wie im Falle des lateinischen Textes eine durchaus sinnvolle ist, darstellen. Z. 23; vgl. Anm. 13 arcliche begriben] Ohne die Kenntnis von R vermutete N eumann (1993), S. 57, Anm. zu III.10,13 mnd. archlike begripe ‹in schändlicher Weise befasse› hinter argliche begrife E. Diese mittelniederdeutsche Form scheint in R noch durchzuschimmern. 13f. gesant … hat irkant] N eumann (1993), S. 57, Anm. zu III.10,15 erwägt bekennet (E) in hat bekant zu emendieren. Den Anlass dazu bietet der in E fehlende Kolonreim, der in W gesant: bechant noch durchzuschimmern scheint. R stützt N eumann s Emendation, vorausgesetzt, wir haben es nicht mit Reimwillen seitens des R-Redaktors zu tun, vgl. R 7f. verbunden: stunden (Pluszeile in R ohne Entsprechung in E und W! ). 15 hern] die R-Lesart steht wie übrigens auch herre in E für verlesenes here (‹Heer›), s. Emendation von N eumann (1990), App. zu III.10,16. W ließ den unverständlich gewordenen Passus ganz ausfallen, R deutet ihn zurecht. 16 z v der súle geslagen] N eumann bessert die fehlerhafte Überlieferung in gestreichet, ein Verb, das in der Bedeutung ‹Streiche geben›, ‹züchtigen› oder ‹schlagen› mittelniederdeutsch allerdings nicht belegt ist, s. N eumann (1993), S. 57, Anm. zu III.10,17. V ollmann -P rofe konjiziert in Anlehnung an die E-Glosse an der sul in an der schreigat gesclagen und vermutet hinter schreigat «ein nicht eben häufiges und daher leicht mißverständliches Wort für sul», s. V ollmann -P rofe (2003), S. 757, Anm. zu 182,28. Nach derselben Logik wie V ollmann -P rofe verbessert auch R: Die offenbar nicht erst in E am Rande eingetragene Glosse wird in den Text genommen und unverständlich gewordenes schreigat ersetzt. 23 daz ist luters lebennes begert si] Es handelt sich um eine in den Text gezogene Glosse (vgl. auch Anm. zu Z. 16! ). Zur Diskussion dieser Stelle s. oben S. 169-171. 27 ungesichteklichen] S tierling (1907), S. 97 wollte statt unschuldiger (E,W) eine Form des Verbs schulen (Nebenform schulden) ‹verborgen sein› setzen und beruft sich auf ceci der lateinischen Übersetzung (LD I.22, 23/ Rev. Bd. II.2, S. 468,1). N eumann (1993), S. 58, Anm. zu III.10,36 wendet gegen S tierling ein, ceci beziehe sich auf den der Legende nach blinden Longinus und vermerkt: «unschuldige minne läßt sich als Gegensatz zu amor carnalis verstehen.» Auf unschuldig treffen wir in E und W auch an einer anderen Stelle (FL I.44: 64,2 [I.44,79]), wo B und Rb allerdings vnsichtigen bzw. inuisibilis bieten. Hier hat N eumann (1993), S. 26 unschuldig jedoch in unsúnlich konjiziert. Anders als N eumann hält V ollmann -P rofe (2003), Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 481 S. 722, Anm. zu 64,2 an der E-Lesart fest und verweist auf V izkelety / K ornrumpf (1968), S. 302, Anm. 7, wonach mnd. schulden mit entschulden gleichbedeutend sei, wobei entauch als unterscheinen kann. Die Basler Übersetzer könnten demnach un(t)schul(d)igen vorgefunden haben. Da sie ‹unschuldig› (bezogen auf gotheit) offenbar für möglich gehalten haben, sei es berechtigt, so V ollmann -P rofe , die handschriftliche Lesart beizubehalten. Es stellt sich allerdings die Frage, wie der B-Redaktor ein Adjektiv, das bei der Übertragung des ›Fließenden Lichts‹ ins Alemannische semantisch neu besetzt wurde, seiner ursprünglichen (mittelniederdeutschen) Bedeutung wieder anzunähern vermochte. Die Frage lässt sich möglicherweise durch den Hinweis, vnsichtigen verdanke sich einem Rückvergleich mit dem lateinischen Text (s. dazu V izkele ty / K ornrumpf 1968, S. 302), beantworten. Ansonsten ist zu vermerken, dass der ungesichteklichen minne in R genauso wie in E und W sich auf blinden bezieht (vgl. auch LD I.22,23/ Rev. Bd. II.2, S. 468,1). N eumann (1990), S. 90 stellt dagegen die Wortfolge um und spricht von eime s u sse spere der unschuldiger minne (FL III.10,36f.), ähnlich V ollmann -P rofe (2003), S. 184,21 29 diem v tikeit … weis] In E erscheint der Reim gestört. N eumann stellt den Reim wieder her, indem er weis (mnd. weit) ans Ende des Satzes rückt, vgl. FL III.10,42f. und N eumann (1993), S. 59. 35f. gegen den lebenden sunnen der ewigen gotheit] N eumann (1993), S. 58, Anm. zu III.10,38f. erwägt, der Passus könnte wegen des Fehlens in W und Rb einen Zusatz von E darstellen. Auffällig ist der Austausch der Adjektiven vor sunnen und gotheit gegenüber E/ W bzw. E. 482 Anhang V.2.11 Salzburg, St. Peter, Stiftsbibl., b III 30 (Sa) Papier • 188 Bll. • 14,5 × 10,6 cm • Benediktinerkloster St. Peter in Salzburg (? ) • 1. Drittel des 16. Jahrhunderts • bairisch-österreichisch Inhalt: Thomas Peuntner, Gebete, Pseudo-Engelhart von Ebrach ›Das Buch der Vollkommenheit‹ (Bearbeitung C). Schreiber: mehrere Hände. Provenienz: Besitzervermerk auf fol. 10 r Conventy S. Petri Salisburgi. Literatur: H ayer (1982), S. 204-208 und http: / / www.handschriftencensus.de/ 9621 (K laus K lein , Februar 2009). Textabdruck: Mechthild-Exzerpt auf fol. 50 r (FL I.22: 38,21-40,19 [I.22,7-34] mit vielen Auslassungen, nicht ediert), genannt bei K. S chneider (2006), S. 60f., Nr. 133. Bis auf die Vereinheitlichung von y mit und ohne Doppelpunkt zu y erfolgt die Textwiedergabe handschriftengetreu. Die Abbreviaturen wurden aufgelöst. (50 r ) Dye sälig sel/ vnseren herren/ wirt truncken von dem antlitz vnd von dem edelen angesicht irs lieben/ vnd in irer grösten sterck chümt sy von ir selben/ vnd in dem grosten liecht wirt s ‰ plind an ir selben/ vnd in der grösten plindichait siecht s ‰ allw chlarhait/ vnd von der chlarhait ist s paide lemptig vnd todt/ vnd ‰ e lenger s ‰ tod ist je frölich sy lebt/ vnd je frolicher sy lebt je mer sy wuricht ye grösßer sy wird je weiter sy zufleust je reicher sy wird ye mer sy sich tunckt diemütig Ungedruckte Texte des ›Fließenden Lichts‹ 483 VI Abkürzungen und Siglen VI.1 Abkürzungen von Zeitschriften und Serien ADB Allgemeine Deutsche Biographie ATB Altdeutsche Textbibliothek ABäG Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik Anal Cart Analecta Cartusiana Anal Hym Analecta Hymnica Medii Aevi AASF Annales Academiae Scientiarum Fennicae AfD Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde AKG Archiv für Kulturgeschichte Arch. Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen AFP Archivum Fratrum Praedicatorum BZGA Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde BBKL Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon CCCM Corpus Christianorum Continuatio Mediaevalia DBE Deutsche Biographische Enzyklopädie DTM Deutsche Texte des Mittelalters DVjs Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte DS Dictionnaire de spiritualité ascétique et mystique FuF Forschungen und Fortschritte FZfPhTh Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie FMASt Frühmittelalterliche Studien GR The Germanic Review GRM Germanisch-Romanische Monatsschrift GAG Göppinger Arbeiten zur Germanistik IASL Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur JOWG Jahrbuch der Oswald-von Wolkenstein-Gesellschaft MBK Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz MIÖG Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung MJb Mittellateinisches Jahrbuch MMS Münstersche Mittelalter-Schriften MTU Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters MyGG Mystik in Geschichte und Gegenwart NDB Neue Deutsche Biographie NW Niederdeutsches Wort OGE Ons Geestelijk Erf OGS Oxford German Studies PBB (Paul’s und Braune’s) Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur QF Quellen und Forschungen zur Geschichte des Predigerordens in Deutschland Abkürzungen und Siglen Abkürzungen und Siglen RE Real-Encyklopädie für protestantische Theologie und Kirche RUB Reclams Universal-Bibliothek SC Sources Chrétiennes SMGB Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige ThPh Theologie und Philosophie ThPQ Theologische-praktische Quartalschrift TTG Texte und Textgeschichte WdF Wege der Forschung WW Wirkendes Wort 1 VL, 2 VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 1. und 2. Auflage ZfdA Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur ZfBW Zentralblatt für Bibliothekswesen ZKG Zeitschrift für Kirchengeschichte ZfdPh Zeitschrift für deutsche Philologie ZhTh Zeitschrift für die historische Theologie ZkTh Zeitschrift für katholische Theologie VI.2 Sonstige Abkürzungen BB Burgerbibliothek Bibl. Bibliothek BLB Badische Landesbibliothek BM Bibliothèque Municipale BN Bibliothèque Nationale BNU Bibliothèque Nationale et Universitaire BSB Bayerische Staatsbibliothek CanAug Augustinerchorherren CanR Regularkanoniker CPC Consistoire Protestant du Colmar FL ›Das fließende Licht der Gottheit‹, s. N eumann (1990) und V ollmann -P rofe (2003) GNM Germanisches Nationalmuseum HAAB Herzogin Anna Amalia Bibliothek HAB Herzog-August-Bibliothek KB Koninklijke Bibliotheek van België LB Landesbibliothek LD ›Lux divinitatis‹, s. H ellgardt / N emes / S enne (2011) Leg. ›Legatus divinae pietatis‹, s. H ourlier (1967), D oyère (1968), C lement (1978) und (1986) LG ›Liecht der Gotheit‹, s. S enne (2002) LHA Landeshauptarchiv Lib. ›Liber specialis gratiae‹, s. R evelationes Bd. II.1 LMB Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek NB Nationalbibliothek OCarm Karmeliter 486 Abkürzungen und Siglen OCarth Kartäuser OCist Zisterzienser OESA Augustinereremiten OFM Franziskaner OP Dominikaner OPraem Prämonstratenser OSB Benediktiner OT Deutscher Orden ÖNB Österreichische Nationalbibliothek Rev. ›Lux divinitatis‹, s. R evelationes Bd. II.2 SBB-PK Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz SJ Jesuiten StB Stadtbibliothek SUB Staats- und Universitätsbibliothek UB Universitätsbibliothek WLB Württembergische Landesbibliothek WZ Wasserzeichen ZB Zentralbibliothek VI.3 Siglen Die deutschen Handschriften 1 Ha Augsburg, UB, Cod. III. 1. 4° 8, fol. 236 v -238 r und 239 r -242 r (Abdruck: Kap. V.2.1) M 1 Augsburg, UB, Cod. III. 1. 4° 34, fol. 305 v -306 r (Abdruck: Q uint 1940, S. 108f.) M 2 Augsburg, UB, Cod. III. 1. 4° 32, fol. 13 r/ v und 44 v -45 r (Abdruck: Kap. V.2.2) B Budapest, Országos Széchényi Könyvtár, Cod. Germ. 38, fol. 226 r -245 r (Abdruck: N eumann 1993, S. 278-290) *Bo Bonn, Privatbesitz von Oliver Kessler, Bibliotheca Ceylanica-Kessler, Ms. 7 C Colmar, Bibliothèque de la Ville, Ms. 2137 (olim: Bibliothèque du Consistoire de l’Église de la Confession d’Augsbourg), fol. 1 r -3 v und 83 v -147 r (Abdruck: Kap. V.2.3) E Einsiedeln, Benediktinerabtei, Stiftsbibl., Cod. 277, fol. 2 r -166 ra (Abdruck: M orel 1869, N eumann 1990 und V ollmann -P rofe 2003) H Heidelberg, UB, Cpg 418, fol. 15 r/ v und 55 v -56 r (Abdruck: Kap. V.2.4) Abkürzungen und Siglen 487 1 Mit Sternchen (*) werden neue, der Mechthild-Forschung (vgl. N eumann 1963, S. 318, Anm. 5 und 1990, S. XIV-XIX sowie V izkelety / K ornrumpf 1968, S. 304f., Anm. 7) bislang unbekannt gebliebene Handschriften markiert. Die neu aufgefundenen Moskauer Bruchstücke (Mo) findet man bei G anina / S quires (2010) abgedruckt. Das im Privatbesitz von Oliver Kessler befindliche Bonner Fragment (Bo) ist bedauerlicherweise nach wir vor nicht zugänglich. Die folgende Liste findet man auch im Begleitheft jener Ausstellung, die anlässlich des Mechthild-Jahres 2007/ 2008 in Magdeburg veranstaltet wurde, s. V enhorst (2008), S. 8-9. Ka Karlsruhe, BLB, Cod. St. Georgen 78, fol. 104 v -105 r und 132 v -133 v (Abdruck: Kap. V.2.5) K Koblenz, LHA, Best. 701 Nr. 149 (olim: Kaiserin Augusta-Gymnasium Koblenz, Hs. Nr. 43), fol. 81 r -83 r (Abdruck: Z inter 1931, S. 47-51) L London, British Library, Add. 11430, fol. 65 v , 66 v und 71 r/ v (Abdruck: S trauch 1882, S. 251f., 256f., 257f. und N eumann 1954c, S. 164-167) *Mo Moskau, Bibl. der Lomonossow-Universität, Dokumentensammlung Gustav Schmidt, Fonds 40/ 1, Nr. 47 [früher Halberstadt, Bibl. des Domgymnasiums, ohne Sign. (3)] (Abdruck: G anina / S quires 2010, S. 70-81) Mü 1 München, BSB, Cgm 116, fol. 18 r/ v und 67 v -68 v (Abdruck: Kap. V.2.6) Mü 2 München, BSB, Cgm 172, fol. 12 v und 40 v -41 r (Abdruck: Kap. V.2.7) Mü 3 München, BSB, Cgm 181, fol. 3 r -4 r und 50 v -51 v (Abdruck: Kap. V.2.8) Mü 4 München, BSB, Cgm 411, fol. 95 va -96 ra und 127 vb -128 rb (Abdruck: Kap. V.2.9) MSp Nürnberg, StB, Cent. VI.43d, fol. 80 v -100 v (Abdruck: B artsch 1858, S. 242-277) *R Privatbesitz von Joseph Maria von Radowitz, fol. 18f. (verschollen) (Abdruck: Kap. V.2.10) *Sa Salzburg, St. Peter, Stiftsbibl., Cod. b III 30, fol. 50 r (Abdruck: Kap. V.2.11) S Stuttgart, WLB, Cod. theol. et phil. oct. 27, fol. 17 v -18 v (Abdruck: N eumann 1954c, S. 172f.) W Würzburg, Franziskanerkloster, Hs. I 110, fol. 40 r -62 v (Abdruck: S chleussner 1929) Die lateinischen Handschriften 2 *Au Augsburg, Staats- und StB, 8° Cod. 17, fol. 242 r -243 v Rb Basel, UB, Cod. B IX 11, fol. 51 r -91 va Ra Basel, UB, Cod. A VIII 6, fol. 101 v -154 v und 159 r -195 v *Ba Basel, UB, Cod. A VII 68 (olim: B XI 4), fol. 272 r -274 r *Be Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. qu. 324.4, fol. 111 v -113 v *Br Bern, BB A82, fol. 71 r -76 v und 78 v Rw Luzern, ZB, Cod. N. 175, Depositum der Bibliothek des Romero-Hauses Luzern (olim: Immensee/ Kt. Schwyz, Bibliothek des Missionshauses, Cod. Nc/ 430), fol. *2-*6 und 1 r -220 r *Vä Växjö, StB (olim: Stiftsoch läroverksbiblioteket), Ms. 4° 401, fol. 219 r *We1 Weimar, HAAB, Oct 54, fol. 107 v -109 v *We2 Weimar, HAAB, Oct 58, fol. 6 v -8 r *We3 Weimar, HAAB, Q 51, fol. 104 v , 109 r , 113 r , 115 v 488 Abkürzungen und Siglen 2 Die Teil- und Exzerptüberlieferung der lateinischen Übersetzung des ›Fließenden Lichts‹ wird im Anhang der Neuedition der ›Lux divinitatis‹ (Erstedition: R evelationes Bd. II.2) und ihrer alemannischen Rückübersetzung (Erstedition: S enne 2002) dokumentiert, vgl. H ellgardt / N emes / S enne (2011). VII Literaturverzeichnis A chnitz , W olfgang (Hg.): Der Ritter mit dem Bock. Konrads von Stoffeln «Gauriel von Muntabel», Tübingen 1997 (TTG 46). A chten , G erard (1983): Die Meditationes et orationes des Arnoldi von Alfeld wiederentdeckt, in: Historia et spiritualitas Cartusiensis. Colloquii Quarti Internationalis. Acta Gandavi - Antverpiae - Brugis 16.- 19. Sept. 1982, hg. von J an de G rauwe , Destelbergen 1983, S. 15-20. D ers . (1984): Die theologischen lateinischen Handschriften in Quarto der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin, Berlin 1984 (Kataloge der Handschriftenabteilung, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Reihe 1: Handschriften 1). D ers . (1989): Die Kartäuser, Meister des Gebets im 15. Jahrhundert, in: Kartäuserliturgie und Kartäuserschrifttum. Internationaler Kongreß vom 2. bis 5. September 1987, Bd. 4, Salzburg 1989 (Anal Cart 116), S. 85-94. D ers . (1991): Die Kartäuser und die mittelalterlichen Frömmigkeitsbewegungen, in: Die Kölner Kartause um 1500. Aufsatzband, hg. von W erner S chäfke , Köln 1991, S. 138-145. Auch in: Die Ausbreitung kartäusischen Lebens und Geistes im Mittelalter, Bd. 2, New York 1991 (Anal Cart 63), S. 118-131. D ers . (1992): Kartäuser und Devotia Moderna. Kleiner Beitrag zur Geschichte der spätmittelalterlichen Mystik, in: Die Geschichte des Kartäuserordens, Bd. 2, New York 1992 (Anal Cart 125), S. 154-181. A ltaner , B erthold (1922): Der hl. Dominikus. Untersuchungen und Texte, Breslau 1922 (Breslauer Studien zur historischen Theologie 2). D ers . (1924): Die Dominikanermissionen des 13. Jahrhunderts. Forschungen zur Geschichte der kirchlichen Unionen und der Mohammedaner- und Heidenmission des Mittelalters, Habelschwerdt 1924 (Breslauer Studien zur historischen Theologie 3). A ltrock , S tephanie / Z iegeler , H ans -J oachim (2001): Vom diener der ewigen wisheit zum Autor Heinrich Seuse. Autorschaft und Medienwandel in den illustrierten Handschriften und Drucken von Heinrich Seues ›Exemplar‹, in: Text und Kultur. Mittelalterliche Literatur 1150-1450, hg. von U rsula P eters , Stuttgart 2001 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 23), S. 150-181. D ies ./ D ers . (2002): Die Geburt des Autors im späten Mittelalter. Vom «diener der ewigen wisheit» zum Autor Heinrich Seuse, in: Akten des X. Internationalen Germanistenkongresses Wien 2000 »Zeitenwende - Die Germanistik auf dem Weg vom 20. ins 21. Jahrhundert« Bd. 5, hg. von P eter W iesinger , Bern [usw.] 2002 (Jahrbuch für Internationale Germanistik A/ 57), S. 323-332. A mtstätter , M ark E manuel (2003): Die Partitur der weiblichen Sprache. Sprachästhetik aus der Differenz der Kulturen bei Mechthild von Magdeburg, Berlin 2003 (ZeitStimmen 3). D ers . (2004): Die kühnste erotische Dichtung des Mittelalters in einer neuen Edition. Die neue Mechthild-Ära, in: Rezension über V ollmann -P rofe (2003), in: IASLon- Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis line [02.01.2004] URL: http: / / iasl.uni-muenchen.de Datum des letzten Zugriffs: 22.04.2010. A ncelet -H ustache , J eanne : Mechtilde de Magdebourg (1207-1282). Étude de psychologie religieuse, Paris 1926. A ndersen , E lizabeth (1995): Mechthild von Magdeburg: Her Creativity and her Audience, in: Women, the Book and the Godly. Selected Proceedings of the St. Hilda’s Conference 1993, Bd. 1, hg. von L esley S mith und J ane H. M. T aylor , Cambridge 1995, S. 77-88. D ies . (1996): Mechthild von Magdeburg, der Dominikanerorden und der Weltklerus, in: Spannungen und Konflikte menschlichen Zusammenlebens in der deutschen Literatur des Mittelalters. Bristoler Colloquium 1993, hg. von K urt G ärtner [u.a.], Tübingen 1996, S. 264-272. D ies . (2000): The voices of Mechthild of Magdeburg, Oxford [usw.] 2000. D ies . (2007): Rezension über V ollmann -P rofe (2003), in: Arbitrium 25 (2007), S. 31-34. A nkermann , M aren : Gertrud die Große von Helfta. Eine Studie zum Spannungsverhältnis von religiöser Erfahrung und literarischer Gestaltung in mystischen Werken, Göppingen 1997 (GAG 640). A nkermann , M aren / S roka , A nja : Probleme der Authentizität im Schrifttum des Spätmittelalters am Beispiel des Legatus’ Gertruds der Großen, in: JOWG 9 (1996/ 1997), S. 275-291. A ris , M arc -A eilko (1999): Hildegard bei den Kartäusern. Beobachtungen zur handschriftlichen Überlieferung der Werke Hildegards von Bingen im Spätmittelalter, Trier 1999 (Mitteilungen und Verzeichnisse aus der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars zu Trier 13). D ers . (2004): Grübelnde Mönche. Wissenschaft in spätmittelalterlichen Kartausen, in: «Herbst des Mittelalters»? Fragen zur Bewertung des 14. und 15. Jahrhunderts, hg. von J an A. A ertsen und M artin P ickavé , Berlin/ New York 2004 (Miscellanea Mediaevalia 31), S. 173-183. A rnold , U do : Heidenreich (Heinrich), in: 2 VL 3 (1981), Sp. 610-612. A uer , J ohann : Die Theologia mystica des Kartäusers Jakob von Jüterborg, in: Die Kartäuser in Österreich, Bd. 2, hg. von J ames H ogg , Salzburg 1981 (Anal Cart 83/ 2), S. 19-52. B ackes , M artina : Zur literarischen Genese frauenmystischer Viten und Visionstexte am Beispiel des Freiburger ›Magdalenenbuches‹, in: Literarische Kommunikation und soziale Interaktion. Studien zur Institutionalität mittelalterlicher Literatur, hg. von B eate K ellner [u.a.], Frankfurt/ M. [usw.] 2001 (Mikrokosmos 64), S. 249-260. B aier , W alter : Untersuchungen zu den Passionsbetrachtungen in der Vita Christi des Ludolf von Sachsen. Ein quellenkritischer Beitrag zu Leben und Werk Ludolfs und zur Geschichte der Passionstheologie, Bd. 2, Salzburg 1977 (Anal Cart 44). B aisch , M artin (2004): Autorschaft und Intertextualität. Beobachtungen zum Verhältnis von ‹Autor› und ‹Fassung› im höfischen Roman, in: Autor - Autorisation - Authentizität. Beiträge der Internationalen Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft für germanistische Edition in Verbindung mit der Arbeitsgemeinschaft philosophischer Editionen und der Fachgruppe Freie Forschungsinstitute in der Gesellschaft für Musikforschung, Aachen, 20. bis 23. Februar 2002, hg. von T homas B ein [u.a.], Tübingen 2004 (Beihefte zu editio 21), S. 93-102. D ers . (2006): Textkritik als Problem der Kulturwissenschaft. Tristan-Lektüren, Berlin [usw.] 2006 (Trends in Medieval Philology 9). 490 Literaturverzeichnis B angert , M ichael : Die sozio-kulturelle Situation des Klosters St. Maria in Helfta, in: »Vor dir steht die leere Schale meiner Sehnsucht« Die Mystik der Frauen von Helfta, hg. von M ichael B angert und H ildegund K eul , Leipzig 1999, S. 29-47. B anz , R omuald (Hg.): Christus und die Minnende Seele. Zwei spätmittelhochdeutsche mystische Gedichte. Untersuchungen und Texte, Breslau 1908 (Germanische Abhandlungen 29). B artsch , K arl : Die Erlösung mit einer Auswahl geistlicher Dichtungen, Quedlinburg 1858. B auer , C hristian : Geistliche Prosa im Kloster Tegernsee. Untersuchungen zu Gebrauch und Überlieferung deutschsprachiger Literatur im 15. Jahrhundert, Tübingen 1996 (MTU 107). B auer , G erhard : ‹Herzklosterallegorien›, in: 2 VL 3 (1981), Sp. 1153-1167. B eck , W olfgang : Eine ‹Erfurter Hauspostille›. Zu Herkunft und Überlieferung der Predigtsammlung ›Paradisus anime intelligentis‹, in: Mittelalterliche Sprache und Literatur in Eisenach und Erfurt. Tagung anlässlich des 70. Geburtstags von Rudolf Bentzinger am 22.08.2006, hg. von M artin J. S chubert [u.a.], Frankfurt/ M. [usw.] 2008 (Kultur, Wissenschaft, Literatur - Beiträge zur Mittelalterforschung 18), S. 104-121. B ecker , E rnst : Beiträge zur lateinischen und deutschen Überlieferung des Fließenden Lichts der Gottheit, Diss. Göttingen 1951. B ein , T homas (1999): Fassungen, iudicium, editorische Praxis, in: Walther von der Vogelweide. Textkritik und Edition, hg. von T. B., Berlin [usw.] 1999, S. 72-90. D ers . (2000): Die mediävistische Edition und ihre Methoden, in: Text und Edition. Positionen und Perspektiven, hg. von R üdiger N utt -K ofoth [u.a.], Berlin 2000, S. 81-98. D ers . (2001): Zum Umgang mit handschriftlichen Autorzuweisungen: Bilanz und Vorschläge für eine literaturhistoriographische Handhabe, in: Entstehung und Typen mittelalterlicher Lyrikhandschriften, hg. von A nton S chwob und A ndrás V izkelety , Bern [usw.] 2001 (Jahrbuch für Internationale Germanistik A/ 52), S. 15-36. D ers . (2002a): Einführung in das Rahmenthema ‹Überlieferungsgeschichte - Textgeschichte - Literaturgeschichte›, in: Jahrbuch für Internationale Germanistik 34 (2002), S. 89-104. D ers . (2002b): ‹Neue Philologie› und neue Literarhistoriographie, in: Akten des X. Internationalen Germanistenkongresses Wien 2000 »Zeitenwende - Die Germanistik auf dem Weg vom 20. ins 21. Jahrhundert«, hg. von P eter W iesinger , Bd. 5: Mediävistik und Neue Philologie, Bern [usw.] 2002 (Jahrbuch für Internationale Germanistik A/ 57), S. 309-315. B eling , M arcus : Der Körper als Pergament der Seele. Gedächtnis, Schrift und Körperlichkeit bei Mechthild von Magdeburg und Heinrich Seuse, in: Körper mit Geschichte. Der menschliche Körper als Ort der Selbst- und Weltdeutung, hg. von C lemens W ischermann und S tefan H aas , Stuttgart 2000 (Studien zur Geschichte des Alltags 17), S. 109-132. B entzinger , R udolf [u.a.]: Dit ist dye bezeichnunge der heiligen messe. Bertholds von Regensburg Traktat aus der Mainzer Handschrift Hs I 221, in: Septuaginta quinque. Festschrift Heinz Mettke, hg. von J ens H ausstein [u.a.], Heidelberg 2000, S. 1-24. B erg , D ieter : Armut und Wissenschaft. Beiträge zur Geschichte des Studienwesens der Bettelorden im 13. Jahrhundert, Düsseldorf 1977 (Geschichte und Gesellschaft. Bochumer Historische Studien 15). Literaturverzeichnis 491 B ernards , M atthäus : Speculum virginum. Geistigkeit und Seelenleben der Frau im Hochmittelalter, Köln/ Graz 1955 (Forschungen zur Volkskunde 36/ 38). B esch , W erner [u.a.] (Hg): Der Schreiber als Dolmetsch. Sprachliche Umsetzungstechniken beim binnensprachlichen Texttransfer in Mittelalter und Früher Neuzeit, Berlin 2009 (ZfdPh 127, Sonderheft). B eyer , C arl : Urkundenbuch der Stadt Erfurt, Bde 2, Halle 1889/ 1897 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete 23/ 24). B ihlmeyer , K arl (1907): Heinrich Seuse, Deutsche Schriften, Stuttgart 1907. D ers . (1933): Die Selbstbiographie in der deutschen Mystik, in: ThPQ 114 (1933), S. 504-544. B ildhauer , B ettina : Mechthild von Magdeburg, in: Landmarks in German Women’s Writing, hg. von H ilary B rown , Oxford [u.a.] 2007 (Britische und Irische Studien zur deutschen Sprache und Literatur 30), S. 11-24. B indschedler , M aria : Seuses Auffassung von der deutschen Sprache (1965), in: M. B., Mittelalter und Moderne. Gesammelte Schriften zur Literatur, hg. von A ndré S chnyder , Bern [usw.] 1985, S. 165-169. B inz , G ustav : Die deutschen Handschriften der Öffentlichen Bibliothek der Universität Basel. Die Handschriften der Abteilung A, Basel 1907. B inz , G ustav / R oth , C arl : Die Handschriften der Universitätsbibliothek Basel, handschriftlicher Katalog, o.J. (vorhanden in der Handschriftenabteilung der UB Basel). B lank , W alter : Heinrich Seuses ›Vita‹, in: ZfdA 122 (1993), S. 285-311. B lume , C lemens / D reves , G uido M. (Hgg.) (1898): Pia Dictamina. Reimgebete und Leselieder des Mittelalters, Dritte Folge, Leipzig 1898 (Anal Hym 30). D ers ./ D ers . (Hgg.) (1899): Pia Dictamina. Reimgebete und Leselieder des Mittelalters, Fünfte Folge, Leipzig 1899 (Anal Hym 35). B lumrich , R üdiger : Die Überlieferung der deutschen Schriften Seuses. Ein Forschungsbericht, in: Heinrich Seuses Philosophia Spiritualis. Quellen, Konzept, Formen und Rezeption. Tagung, Eichstätt, 2.-4. Oktober 1991, hg. von R. B. und P hilipp K aiser , Wiesbaden 1994 (Wissensliteratur im Mittelalter 17), S. 189-201. B oor , H elmut de : Die deutsche Literatur. Mittelalter. Texte und Zeugnisse, Bd. 1, München 1965. B oehmer , E duard (1871): Matelda, in: Jahrbuch der deutschen Dante-Gesellschaft 3 (1871), S. 101-178. D ers . (1874): Aus Heinrichs von Halle lateinischer Übersetzung von Mechthildens Fließendem Licht der Gottheit, Straßburg 1874. B rakmann , T homas : ›Ein geistlicher Rosengarten‹ - eine Vita zwischen Ordensreform und Laienfrömmigkeit im 15. Jahrhundert: Studien zur Überlieferung und Edition der volkssprachigen Vita der Katharina von Siena, ungedr. Diss. Münster 2005. B raun , P aul : Der Biograph der hl. Elisabeth und des hl. Dominikus Dietrich von Apolda O.F.P., in: Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte in der Provinz Sachsen 9 (1912), S. 121-133. B rowe , P eter : Die häufige Kommunion im Mittelalter, Münster 1938. B ruchhold , U llrich : Medizin der Seele. Untersuchungen zur Überlieferungs-, Text- und Gebrauchsgeschichte deutschsprachiger Beichttexte im 13. und 14. Jahrhundert (erscheint in der Reihe MTU, voraussichtlich 2010). B ruckner , A lbert : Scriptoria Medii Aevi Helvetica. Denkmäler schweizerischer Schreibkunst des Mittelalters, Bd. 8: Schreibschulen der Diözese Konstanz: Stift Engelberg, Genf 1950. 492 Literaturverzeichnis B umke , J oachim (1991): Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der höfischen Epik im 13. Jahrhundert. Die Herbort-Fragmente aus Skokloster. Mit einem Exkurs zur Textkritik der höfischen Romane, in: ZfdA 120 (1991), S. 257-304. D ers . (1996a): Die vier Fassungen der ›Nibelungenklage‹. Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte und Textkritik der höfischen Epik im 13. Jahrhundert, Berlin [usw.] 1996 (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 8/ 242). D ers . (1996b): Der unfeste Text. Überlegungen zur Überlieferungsgeschichte und Textkritik der höfischen Epik im 13. Jahrhundert, in: ‹Aufführung› und ‹Schrift› in Mittelalter und früher Neuzeit. DFG-Symposium 1994, hg. von J an -D irk Müller, Stuttgart [usw.] 1996 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 17), S. 118-129. D ers . (1997): Autor und Werk. Beobachtungen und Überlegungen zur höfischen Epik (ausgehend von der Donaueschinger Parzivalhandschrift G ä ), in: Philologie als Textwissenschaft. Alte und neue Horizonte, hg. von H elmut T ervooren und H orst W enzel , Berlin 1997 (ZfdPh 116, Sonderheft), S. 87-114. D ers . (1999): Die ›Nibelungenklage‹. Synoptische Ausgabe aller vier Fassungen, Berlin [usw.] 1999. D ers . (2005): Retextualisierungen in der mittelalterlichen Literatur besonders in der höfischen Epik. Ein Überblick, in: B umke / P eters (2005), S. 6-46. B umke , J oachim / P eters , U rsula (Hgg.): Retextualisierung in der mittelalterlichen Literatur, Berlin 2005 (ZfdPh 124, Sonderheft). B urger , C hristoph : Mystische Vereinigung - erst im Himmel oder schon auf Erden? Das Doppelgesicht der geistlichen Literatur im 15. Jahrhundert, in: Gottes Nähe unmittelbar erfahren. Mystik im Mittelalter und bei Martin Luther, hg. von B erndt H amm und V olker L eppin unter Mitarbeit von H eidrun M unzert , Tübingen 2007 (Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe 36), S. 97-110. B ushey , B etty C.: Die lateinischen Handschriften bis 1600, Bd. 1, Wiesbaden 2004 (Bibliographien und Kataloge der Herzogin Anna Amalia Bibliothek zu Weimar 1). B ünger , F ritz : Zur Mystik und Geschichte der märkischen Dominikaner, Berlin 1926 (Veröffentlichungen des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg 22). B ürkle , S usanne (1994): Weibliche Spiritualität und imaginierte Weiblichkeit. Deutungsmuster und -perspektiven frauenmystischer Literatur im Blick auf die Thesen Caroline Walker Bynums, in: Mystik, hg. von C hristoph C ormeau , Berlin 1994 (ZfdPh 113, Sonderheft), S. 116-143. D ies . (1999): Literatur im Kloster. Historische Funktion und rhetorische Legitimation frauenmystischer Texte des 14. Jahrhunderts, Tübingen [usw.] 1999 (Bibliotheca Germanica 38). D ies . (2000): Die ›Gnadenvita‹ Christine Ebners: Episodenstruktur - Text-Ich und Autorschaft, in: Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte, hg. von W alter H aug und W olfram S chneider- L astin , Tübingen 2000, S. 483-513. D ies . (2003): Die Offenbarungen der Margareta Ebner. Rhetorik der Weiblichkeit und der autobiographsiche Pakt, in: Weibliche Rede - Rhetorik der Weiblichkeit. Studien zum Verhältnis von Rhetorik und Geschlechterdifferenz, hg. von D oerte B ischoff und M artina W agner -E gelhoof , Freiburg/ Br. 2003 (Rombach Wissenschaften, Reihe: Litterae 93), S. 79-102. D ies . (2007): Rezension über T hali (2003), in: ZfdPh 126 (2007), S. 447-453. B ynum , C aroline W alker : Jesus as Mother. Studies in the Spirituality of the High Middle Ages, Berkeley 1982. Literaturverzeichnis 493 C arlevaris , A ngela / F ührkötter , A delgundis (Hgg.): Hildegardis Scivias, Brepols 1978 (CCCM 43). C ermann , R egina : Gebetbücher, München 2002 (Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters 5, Lieferung 1/ 2, Nr. 43). C erquiglini , B ernard : Éloge de la variante. Histoire critique de la philologie, Paris 1989. C lark , A nne L.: Holy Woman or Unworthy Vessel? The Representation of Elisabeth of Schönau, in: Gendered Voices. Medieval Saints and their Interpreters, hg. von C atherine M. M ooney , Pennsylvania 1999, S. 35-51. C lement , J ean -M arie : Gertrude d’Helfta, Œuvres spirituelles Tomes 4-5: Le Héraut (Livres IV/ V). Texte critique, traduction et notes par J.-M. C., Paris 1978 und 1986 (SC 255 und 331). C rouzel , H enri (Hg.): Homélies sur S. Luc. Texte latin et fragments grecs, Paris 1962 (SC 87). D amrosch , D avid : The Afterlife of Mechthild von Magdeburg, in: D ers ., What is World Literature? , Princeton 2003 (Translation - Transnation), S. 170-186. D enifle , H einrich S uso OP: Die deutschen Mystiker des 14. Jahrhunderts. Beitrag zur Deutung ihrer Lehre. Aus dem literarischen Nachlaß hg. von P. O twin S piess OP, Freiburg/ Schweiz 1951 (Studia Friburgensia N.F. 4). D epreux , P hilippe : Büchersuche und Büchertausch im Zeitalter der karolingischen Renaissance am Beispiel des Briefwechsels des Lupus von Ferrières, in: AKG 76 (1994), S. 267-284. D erolez , A lbert (Hg.): Guiberti Gemblacensis Epistolae, Pars I, Turnholt 1988 (CCCM 66). D icke , G erd : Aus der Seele gesprochen. Zur Semantik und Pragmatik der Gottesdialoge im ›Fließenden Licht der Gottheit‹ Mechthilds von Magdeburg, in: Dialoge. Sprachliche Kommunikation in und zwischen Texten im deutschen Mittelalter. Hamburger Colloquium 1999, hg. von N ikolaus H enkel [u.a.], Tübingen 2003, S. 267-278. D inzelbacher , P eter : Mechthild von Magdeburg in ihrer Zeit, in: Studies in Spirituality 14 (2004), S. 153-170. D inzelbacher , P eter / V ogeler , R enate (Hgg.): Leben und Offenbarungen der Wiener Begine Agnes Blannbekin († 1315). Edition und Übersetzung, Göppingen 1994 (GAG 419). D oerr , M adlen : Transfer einer «Heiligen» vom 15. ins 17. Jahrhundert? Überlegungen zu zwei im 17. Jahrhundert tradierten Typen des Lebens der Magdalena Beutlerin, in: Transferphänomene in der europäischen Vormoderne. Interdisziplinäre Annäherungen, hg. von B alázs J. N emes und A chim R abus (in Vorbereitung). D ondaine , A.: Saint Pierre Martyr. Études, in: AFP 23 (1953), S. 66-162. D oyère , P ierre : Gertrude d’Helfta, Œuvres spirituelles Tomes 2-3: Le Héraut (Livres I/ II/ III). Introduction, texte critique, traduction et notes par P. D., Paris 1968 (SC 139/ 143). D reves , G uido M. (Hg.): Hymnarius Moissiacensis. Das Hymnar der Abtei Moissac im 10. Jahrhundert, Leipzig 1888 (Anal Hym 2). D riller , J osephine : «O du gießender Gott in deiner Gabe! » Gaben und Gegengaben im Werk der Mechthild von Magdeburg, Diss. Paderborn 2005. E ichler , W olfgang (1968): Jan van Ruusbroecs ›Van den blinckenden Steen‹ in oberdeutscher Überlieferung, in: Würzburger Prosastudien I. Wort-, begriffs- und textkundliche Untersuchungen, hg. von der Forschungsstelle für deutsche Prosa des Mittelalters am Seminar für deutsche Philologie der Universität Würzburg, München 1968 (Medium Aevum. Philologische Studien 13), S. 199-214. 494 Literaturverzeichnis D ers . (1969): Jan van Ruusbroecs ›Brulocht‹ in oberdeutscher Überlieferung. Untersuchungen und kritische Textausgabe, München 1969 (MTU 22). D ers . (1992): Zur Rezeption von Ruusbroecs ›Geistlicher Hochzeit‹ in Oberdeutschland. Über das Entstehen und «Verlieren» einer Übersetzung im späten Mittelalter, in: Mediävistische Literaturgeschichtsschreibung. Gustav Ehrismann zum Gedächtnis, hg. von R olf B räuer und O tfrid E hrismann , Göppingen 1992 (GAG 572), S. 275-287. E ifler , M atthias : Ut non solum mihi, sed aliis prodesset mea lectio. Autographe und Unika des Erfurter Kartäusers Johannes Hagen in einer Weimarer Handschrift, in: Das Mittelalter 14 (2009), S. 70-87. E llegast , B urkhard OSB: Die Anfänge der Textkritik zur Regel des heiligen Benedikt in den Kreisen der Melker Reform (15. Jh.), in: Stift Melk. Geschichte und Gegenwart 3 (1983), S. 8-91. E mmelius , C aroline (2004): Verborgene Wahrheiten offenbaren. Verschriftlichungsprozesse in frauenmystischen Texten zwischen Subversion und Autorisierung, in: Offen und Verborgen. Vorstellungen und Praktiken des Öffentlichen und Privaten in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. von C. E. [u.a.], Göttingen 2004, S. 47-65. D ies . (2008): Begnadung und Zweifel. Zur Interaktion von Innen- und Außenraum in den ›Offenbarungen‹ der Adelheid Langmann, in: Innenräume in der Literatur des deutschen Mittelalters. XIX. Anglo-German Colloquium Oxford 2005, hg. von B urkhard H asebrink [u.a.], Tübingen 2008, S. 309-325. E piney -B urgard , G eorgette : Hadewijch d’Anvers, Mechtilde de Magdebourg. Thèmes communes, in: OGE 66 (1992), S. 71-87. E rat -S tierli , R uth : Do sprach dú ellende sele. Die Verwendung von «ellende» im Fließenden Lichts der Gottheit der Mechthild von Magdeburg, Zürich 1985. E rnst , U lrich : Die Auseinandersetzung mit häretischen Strömungen in der deutschen Literatur des 13. Jahrhunderts, in: Geistesleben im 13. Jahrhundert, hg. von J an A. A ertsen und A ndreas S peer , Berlin 2000 (Miscellanea Mediaevalia 27), S. 362-392. E scherich , M ela : Das fließende Licht der Gottheit von Mechthild von Magdeburg. Ins Neudeutsche übertragen und erläutert von M. E., Berlin 1909. F aider , P aul : Catalogue des manuscrits conservés a Namur, Gembloux (Belg.) 1934 (Catalogue général des manuscrits des bibliothèques de Belgique 1). F asbender , C hristoph : Die deutsche Philologie und das Erbe der Kartäuser, in: Das Erbe der Kartäuser. Internationaler Kongress für Kartäuserforschung 1.- 5. Dezember 1999 Kartause Ittingen, hg. von J ürg G anz und M argrit F rüh , Salzburg 2000 (Anal Cart 160), S. 134-146. F asching , R ichard F.: Ein Text Heinrich Seuses? Untersuchungen zum Prolog des ›Solothurner Legendars‹, in: Kulturtopographie des deutschsprachigen Südwestens im späteren Mittelalter. Studien und Texte, hg. von B arbara F leith und R ené W etzel , Berlin/ New York 2009 (Kulturtopographie des alemannischen Raums 1), S. 327-371. F echter , W erner : Meyer, Johannes OP, in: 2 VL 6 (1987), Sp. 474-489. F ederer , U rban : Mystische Erfahrung im literarischen Dialog. Die Briefe Heinrichs von Nördlingen an Margaretha Ebner, Berlin: de Gruyter (Scrinium Friburgense 25) (voraussichtlich Juni 2010). F innegan , M ary J eremy : The Women of Helfta. Scholars and Mystics, Athens/ Georgia 1991. F leischmann , S uzanne : Philology, Linguistics, and the Discourse of the Medieval Text, in: Speculum. A Journal of Medieval Studies 65 (1990), Nr. 1, S. 19-37. Literaturverzeichnis 495 F leith , B arbara : Studien zur Überlieferungsgeschichte der lateinischen Legenda aurea, Brüssel 1991 (Subsidia Hagiographica 72). F reienhagen -B aumgardt , K ristina : Hendrik Herps Spieghel der volcomenheit in oberdeutscher Überlieferung, Leuven 1998 (Miscellanea Neerlandica 17). F rank , B arbara : Das Erfurter Peterskloster im 15. Jahrhundert. Studien zur Geschichte der Klosterreform und der Bursfelder Union, Göttingen 1973 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 34; Studien zur Germanica Sacra 11). F rank , C hristina B eatrice M elanie : Untersuchungen zum Catalogus testium veritatis des Matthias Flacius Illyricus, Diss. Tübingen 1990. F romm , H ans (1976): Die mittelalterliche Handschrift und die Wissenschaften vom Mittelalter, in: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz. Mitteilungen 8 (1976), Heft 2, S. 35-62. D ers . (1995): Zur Geschichte der Textkritik und Edition mittelhochdeutscher Texte, in: Beiträge zur Methodengeschichte der neueren Philologien. Zum 125jährigen Bestehen des Max Niemeyer Verlages, hg. von R obert H arsch -N iemeyer , Tübingen 1995, S. 63-90. F rüh , M argrit : Die Kartausen in der Schweiz am Ende des 15. Jahrhunderts, in: Thurgauer Beiträge zur Geschicht 131 (1994), S. 159-182. F unk , P hilipp : Zur Geschichte der Frömmigkeit und Mystik im Ordenland Preussen, in: Kultur- und Universalgeschichte. Walter Goetz zu seinem 60. Geburtstage, Leipzig 1927, S. 67-90. G anina , N atalija / S quires , C atherine (2009): Ein Neufund des ›Fließenden Lichts der Gottheit‹ aus der Universitätsbibliothek Moskau und Probleme der Mechthild- Überlieferung, in: Indoevropejskoe jazykoznanie i klassi c eskaja filologija - XIII. Materialy c tenij, posvjaš c ennych pamjati professora Iosifa Moiseevi c a Tronskogo. 22-24 ijunja 2009 g. [Indoeuropäische Sprachwissenschaft und Klassische Philologie - XIII. Arbeitsmaterialien gewidmet dem Gedenken an I. M. Tronskij. 22.- 24. Juni 2009], hg. von N ikolai A. B ondarko und N ikolai N. K azansky , St. Petersburg 2009, S. 643-654. D ies ./ D ies . (2010): Ein Textzeuge des ›Fließenden Lichts der Gottheit‹ von Mechthild von Magdeburg aus dem 13. Jahrhundert. Moskau, Bibl. der Lomonossov-Universität, Dokumentensammlung Gustav Schmidt, Fonds 40/ 1, Nr. 47, in: ZfdA 139 (2010), S. 64-86. G ärtner , K urt (2001): Der Arme Heinrich, Hartmann von Aue, Tübingen 2001 (ATB 3). D ers . (2003): Stemma, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, Bd. 3, hg. von J an -D irk M üller , Berlin-New York 2003, S. 506f. D ers . (2007): Neue Philologie und Sprachgeschichte, in: Edition und Sprachgeschichte. Baseler Tagung 2.- 4. März 2005, hg. von M ichael S tolz [u.a.], Tübingen 2007 (Beihefte zu editio 26), S. 1-16. G erhardt , C hristoph : Einige Fragen der Textkritik am Beispiel des Liedes ›Willehalm von Orlens‹ (1522), in: editio 5 (1991), S. 96-121. G erlinghoff , P eter [u.a.] (Hg.): Quellen zum Leben und zur frühen Verehrung der heiligen Jutta von Sangerhausen, Sangerhausen 2006. G erz von B üren , V eronika : La Tradition de l’Œuvre de Jean Gerson chez les Charteux. La Chartreuse de Bâle, Paris 1973. G nädinger , L ouise (Hg.) (1984): Angelus Silesius (Johannes Scheffler), Cherubinischer Wandermann. Kritische Ausgabe, Stuttgart 1984 (RUB 8006). D ies . (1993): Johannes Tauler. Lebenswelt und mystische Lehre, München 1993. G nädinger , L ouise / M ayer , J ohannes G.: Tauler, Johannes OP, in: 2 VL 9 (1995), Sp. 631-657. 496 Literaturverzeichnis G ooday , F rances : Mechthild of Magdeburg and Hadewijch of Antwerp. A comparison, in: OGE 48 (1974), 305-362. G orelli , S andra : La vita di Magdalena von Freiburg (1407-1458). Transcrizione diplomatica, traduzione e commenta del manuscritto F, Diss. Pisa 1997. G ottschalk , J oseph : Kloster Helfta und Schlesien, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 13 (1955), S. 62-81. G ottschall , D agmar (2005): Rezension über V ollmann -P rofe (2003), in: PBB 127 (2005), S. 298-304. D ies . (2007): Basel als Umschlagplatz für geistliche Literatur. Der Fall des Fließenden Lichts der Gottheit von Mechthild von Magdeburg, in: University, council, city. Intellectual Culture on the Rhine (1300-1550). Acts of the XII th International Colloquium of the Société Internationale pour l’Étude de la Philosophie Médiévale Freiburg im Breisgau, 27-29 October 2004, hg. von L aurent C esalli [u.a.], Turnhout 2007 (Rencontres de philosophie médiévale 13), S. 137-169. D ies . (2009): Meister Eckhart-Rezeption in Nürnberg, in: ZfdA 138 (2009), S. 199-213. G össmann , E lisabeth (1957): Die Verkündigung an Maria im dogmatischen Verständnis des Mittelalters, München 1957. D ies . (1985): Eva - Gottes Meisterwerk, München 1985 (Archiv für philosophie- und theologiegeschichtliche Fragestellungen 2). G raf , K laus (1995): Ordensreform und Literatur in Augsburg während des 15. Jahrhunderts, in: Literarisches Leben in Augsburg während des 15. Jahrhunderts, hg. von J ohannes J anota und W erner W illiams -K rapp , Tübingen 1995 (Studia Augustana 7), S. 100-159. D ers . (1996): Retrospektive Tendenzen in der bildenden Kunst vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Kritische Überlegungen aus der Sicht des Historikers, in: Mundus in imagine. Bildersprache und Lebenswelten im Mittelalter. Festgabe für Klaus Schreiner, hg. von A ndrea L öther [u.a.], München 1996, S. 389-420. D ers . (2003): Stil als Erinnerung. Retrospektive Tendenzen in der deutschen Kunst um 1500, in: Wege zur Renaissance. Beobachtungen zu den Anfängen neuzeitlicher Kunstauffassung im Rheinland und den Nachbargebieten um 1500, hg. von N orbert N ussbaum [u.a.], Köln 2003, S. 19-29. G reith , C arl : Die deutsche Mystik im Predigerorden (von 1250-1350) nach ihren Grundlehren, Liedern und Lebensbildern aus handschriftlichen Quellen, Freiburg/ Br. 1861. G rössler , H ermann : Die Blütezeit des Klosters Helfta bei Eisleben, Eisleben 1887 (Jahres-Bericht über das Königliche Gymnasium zu Eisleben, Progr. No. 215), S. 1-38. G rubmüller , K laus (1969): Die Viten der Schwestern von Töss und Elsbeth Stagel (Überlieferung und literarische Einheit), in: ZfdA 98 (1969), S. 171-204. D ers . (1981): Gertrud von Helfta, in: 2 VL 3 (1981), Sp. 7-10. D ers . (1992): Sprechen und Schreiben. Das Beispiel Mechthild von Magdeburg, in: Festschrift Walter Haug und Burghart Wachinger, Bd. 1, hg. von J ohannes J anota [u.a.], Tübingen 1992, S. 335-348. D ers . (1998): Gegebenheiten deutschsprachiger Textüberlieferung bis zum Ausgang des Mittelalters, in: Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, Bd. 2/ 1, hg. von W erner B esch , Berlin/ New York 2 1998, S. 310-320. D ers . (1999): Natûre ist der ander got. Zur Bedeutung von natûre im Mittelalter, in: Natur und Kultur in der deutschen Literatur des Mittelalters. Colloquium Exeter 1997, hg. von A lan R obertshaw und G erhard W olf , Tübingen 1999, S. 3-17. Literaturverzeichnis 497 D ers . (2001): Verändern und Bewahren. Zum Bewusstsein vom Text im deutschen Mittelalter, in: Text und Kultur. Mittelalterliche Literatur 1150-1450, hg. von U rsula P eters , Stuttgart 2001 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 23), S. 8-33. D ers . (2002): Überlieferung - Text - Autor. Zum Literaturverständnis des Mittelalters, in: Die Präsenz des Mittelalters in seinen Handschriften Ergebnisse der Berliner Tagung in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, 6.- 8. April 2000, hg. von H ans -J ochen S chiewer und K arl S tackmann , Tübingen 2002, S. 5-17. G rubmüller , K laus / J ohannek , P eter / K unze , K onrad / M atzel , K laus / R uh , K urt / S teer , G eorg : Spätmittelalterliche Prosaforschung, in: Jahrbuch für Internationale Germanistik 5 (1973), S. 156-176. G rundmann , H erbert : Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Untersuchungen über die geschichtlichen Zusammenhänge zwischen der Ketzerei, den Bettelorden und der religiösen Frauenbewegung im 12. und 13. Jahrhundert und über die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Mystik. Anhang: Neue Beiträge zur Geschichte der religiösen Bewegungen im Mittelalter, Darmstadt 1977 (ND der Ausgabe Berlin 1935). G sell , M onika : Das fließende Blut der ›Offenbarungen‹ Elsbeths von Oye, in: Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte, hg. von W alter H aug und W olfram S chneider- L astin , Tübingen 2000, S. 455-482. G sell , M onika / S tockmar , R ené : Lektüre einer Einleitung. Mechthild von Magdeburg, Das fließende Licht der Gottheit I, 1, in: ABäG 35 (1992), S. 127-148. G ürsching , H einrich : Neue urkundliche Nachrichten über den Mystiker Heinrich von Nördlingen? in: Festgabe aus Anlaß des 75. Geburtstages von D. Dr. Karl Schornbaum, hg. von H. G., Neustadt a.d. Aisch 1950, S. 42-57. H aas , A lois M. (1982/ 1984): Mechthild von Hackeborn. Eine Form zisterziensischer Frauenfrömmigkeit (1982), in: A. M. H., Geistliches Mittelalter, Freiburg/ Schweiz 1984 (Dokimion 8), S. 221-239. D ers . (1986): Was ist Mystik? , in: Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposium Kloster Engelberg 1984, hg. von K urt R uh , Stuttgart 1986 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 7), S. 319-341. D ers . (1987): Deutsche Mystik, in: Die deutsche Literatur im späten Mittelalter 1250- 1370. Reimpaargedichte, Drama, Prosa, hg. von I ngeborg G lier , München 1987 (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart III.2), S. 234-305. D ers . (1989): Mechthilds von Magdeburg dichterische heimlichkeit, in: Gotes und der werlde hulde. Literatur in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift Heinz Rupp, hg. von R üdiger S chnell , Bern [usw.] 1989, S. 206-223. H aas , A lois M./ R uh , K urt : Seuse, Heinrich OP, in: 2 VL 8 (1992), Sp. 1109-1129. H aenel , K laus : Textgeschichtliche Untersuchungen zum sogenannten ›Puchlein des Lebens und der Offenbarungen Swester Elsbethen von Oye‹, Diss. Göttingen 1958. H aferland , H arald : Oraler Schreibstil oder memorierende Text(re)produktion? Zur Textkritik der Fassungen des ›Nibelungenliedes‹, in: ZfdA 135 (2006), S. 173-212. H agen , H ermann : Catalogus codicum bernensium. Biblioteca Bongarsiana, Bern 1875 (ND Hildesheim 1974). H amburger , J effrey F. (2004): In the Image and Likeness of God. Pictorial Reflections on Images and the Imago Dei, in: Femmes, art et religion au Moyen Age, hg. von J ean -C laude S chmitt , Strasbourg 2004, S. 1-18. 498 Literaturverzeichnis D ers . (2005): Bücher der Menschheit. Johannes Tauler über den Scivias Hildegards von Bingen, Trier 2005 (Mitteilungen und Verzeichnisse aus der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars zu Trier 10). D ers . (2008): Heinrich Seuse, ›Das Exemplar‹, in: Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters, begonnen von H ella F rühmorgen -V oss , fortgeführt von N orbert H. O tt zusammen mit U lrike B odemann , Bd. 4/ 1, Lieferung 1/ 2, München 2008, S. 156-192. H artmann , M artina (2001): Humanismus und Kirchenkritik: Matthias Flacius Illyricus als Erforscher des Mittelalters, Stuttgart 2001 (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 19). D ies . (2003): «Mit ungeheurer Mühe habe ich den Mönchen in Fulda einige Codices abgerungen» Matthias Flacius Illyricus sucht Quellen für die erste protestantische Kirchengeschichte, in: Fuldaer Geschichtsblätter 79 (2003), S. 4-45. H asebrink , B urkhard (1992): Grenzverschiebung. Zu Kongruenz und Differenz von Latein und Deutsch bei Meister Eckhart, in: ZfdA 121 (1992), S. 369-398. D ers . (1996): Tischlesung und Bildungskultur im Nürnberger Katharinenkloster. Ein Beitrag zu ihrer Rekonstruktion, in: Schule und Schüler im Mittelalter. Beiträge zur europäischen Bildungsgeschichte des 9. bis 15. Jahrhunderts, hg. von M artin K intzinger [u.a.], Köln [usw.] 1996 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 42), S. 187-216. D ers . (1998): ›Das fließende Licht der Gottheit‹ Mechthilds von Magdeburg. Eine Skizze, in: Bete und Arbeite! Zisterzienser in der Grafschaft Mansfeld, hg. von E sther P ia W ipfler in Zusammenarbeit mit R ose -M arie K nape , Halle/ Saale 1998, S. 149-159. D ers . (2000): Spiegel und Spiegelung im ›Fließenden Licht der Gottheit‹, in: Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte, hg. von W alter H aug und W olfram S chneider-lastin , Tübingen 2000, S. 157-174. D ers . (2006): Sprechen vom Anderen her. ‹Heterologie› mystischer Rede als epistemischer Fluchtpunkt mittelalterlicher Literarizität, in: Germanistik in und für Europa. Faszination - Wissen. Texte des Münchener Germanistentages 2004, hg. von K onrad E hlich , Bielefeld 2006, S. 391-399. D ers . (2007a): Sermo profundissimus. Die Armutspredigt Meister Eckharts im Spiegel einer Handschrift aus der Kartause Erfurt, in: figurationen 8 (2007), Nr. 1, S. 47-59. D ers . (2007b): «Ich kann nicht ruhen, ich brenne». Überlegungen zur Ästhetik der Klage im Fließenden Licht der Gottheit, in: Das fremde Schöne. Dimensionen des Ästhetischen in der Literatur des Mittelalters, hg. von M anuel B raun und C hristo pher Y oung , Berlin/ New York 2007 (Trends in Medieval Philology 12), S. 91-107. D ers . (2008a): Die ›Armutspredigt‹ in der Kartause Erfurt. Ein Fundbericht, in: Meister- Eckhart-Jahrbuch 2 (2008), S. 269-275. D ers . (2008b): Elsbeth von Oye: Offenbarungen (um 1340), in: Literarische Performativität. Lektüren vormoderner Texte, hg. von C ornelia H erberichs und C hristian K iening , Zürich 2008 (Medienwandel - Medienwechsel - Medienwissen 3), S. 259-279. D ers . (2009): Dialog der Varianten. Untersuchungen zur Textdifferenz der Eckhartpredigten aus dem ›Paradisus anime intelligentis‹, in: ›Paradisus anime intelligentis‹. Studien zu einer dominikanischen Predigtsammlung aus dem Umkreis Meister Eckharts, hg. von B urkhard H asebrink , N igel F. P almer und H ans -J ochen S chiewer , Tübingen 2009, S. 133-182. Literaturverzeichnis 499 H aubrichs , W olfgang : Die Epiphanie der Person. Zum Spiel mit Biographiefragmenten in mittelhochdeutscher Lyrik des 12. und 13. Jahrhunderts, in: Autor und Autorschaft im Mittelalter, hg. von E lizabeth A ndersen [u.a.], Tübingen 1998, S. 129-147. H auck , A lbert : Kleinigkeiten I. Zu Mechthild von Magdeburg, in: ZKG 32 (1911), S. 186-198. H aug , W alter : Das Gespräch mit dem unvergleichlichen Partner. Der mystische Dialog bei Mechthild von Magdeburg als Paradigma für eine personale Gesprächsstruktur (1984), in: W. H., Brechungen auf dem Weg zur Individualität. Kleine Schriften zur Literatur des Mittelalters, Tübingen 1995, S. 550-578. H ausmann , A lbrecht (1999): Reinmar der Alte als Autor. Untersuchungen zur Überlieferung und zur programmatischen Identität, Tübingen 1999 (Bibliotheca Germanica 40). D ers . (2000): Autor und Text in der Weingartner Liederhandschrift (B). Zu Möglichkeiten und Grenzen der Interpretation von Überlieferungsvarianz, in: Text und Autor, hg. von C hristiane H enkes [u.a.], Tübingen 2000 (Beihefte zu editio 15), S. 33-52. D ers . (2001): Mittelalterliche Überlieferung als Interpretationsaufgabe. ‹Laudines Kniefall› und das Problem des ‹ganzen Textes›, in: Text und Kultur. Mittelalterliche Literatur 1150-1450. DFG-Symposion 2000, hg. von U rsula P eters , Stuttgart [usw.] 2001, S. 72-95. D ers . (2005): Überlieferungsvarianz und Medienwechsel. Die deutschen Artes dictandi des 15. Jahrhunderts zwischen Manuskript und Buchdruck, in: Revue belge de philologie et d’histoire 83 (2005), S. 747-768. H ausstein , J ens : Rezension über B umke (1996a), in: ZfdPh 118 (1999), S. 442-445. H aye , T homas : Der Catalogus testium veritatis des Matthias Flacius Illyricus - eine Einführung in die Literatur des Mittelalters? , in: Archiv für Reformationsgeschichte 83 (1992), S. 31-47. H ayer , G erold : Die deutschen Handschriften des Mittelalters der Erzabtei St. Peter zu Salzburg, Wien 1982 (Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters III/ 1; Österreichische Akademie der Wissenschaften Philosophisch-Historische Klasse, Druckschriften 154). H edlund , M onica : Katalog der datierten Handschriften in lateinischer Schrift vor 1600 in Schweden, Bd. 2: Die Handschriften Schwedens ausgenommen UB Uppsala, Teil 2: Tafeln, Stockholm 1980. H eimbach , M arianne : »Der ungelehrte Mund als Autorität« Mystische Erfahrung als Quelle kirchlich-prophetischer Rede im Werk Mechthilds von Magdeburg, Stuttgart 1989 (MyGG I/ 6). H eimerl , T heresia : Frauenmystik - Männermystik? Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellung von Gottes- und Menschenbild bei Meister Eckhart, Heinrich Seuse, Marguerite Porete und Mechthild von Magdeburg, Münster 2002 (Mystik und Mediävistik 1). H eimpel , H ermann : Die Vener von Gmünd und Straßburg 1162-1447. Studien und Texte zur Geschichte einer Familie sowie des gelehrten Beamtentums in der Zeit der abendländischen Kirchenspaltung und der Konzilien von Pisa, Konstanz und Basel, 3 Bde, Göttingen 1982 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 52). H einzle , F ranziska : Der Württemberger. Untersuchung, Texte, Kommentar, Göppingen 1974 (GAG 137). 500 Literaturverzeichnis H einzle , J oachim (1978): Mittelhochdeutsche Dietrichepik. Untersuchungen zur Tradierungsweise, Überlieferungskritik und Gattungsgeschichte später Heldendichtung, Zürich/ München 1978 (MTU 62). D ers . (1984): Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit, Bd. II/ 2, Königstein/ Ts. 1984. D ers . (1993): Klassiker-Edition heute, in: Methoden und Probleme der Edition mittelalterlicher deutscher Texte. Bamberger Fachtagung 26.- 29. Juni 1991. Plenumsreferate, hg. von R olf B ergmann und K urt G ärtner , Tübingen 1993 (Beihefte zu editio 4), S. 50-62. D ers . (2003): Zur Logik mediävistischer Editionen. Einige Grundbegriffe, in: editio 17 (2003), S. 1-15. D ers . (2004): Handschriftenkultur und Literaturwissenschaft, in: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch 45 (2004), S. 9-28. H eitzmann , C hristian : Die mittelalterlichen Handschriften der Leopold-Sophien- Bibliothek in Überlingen, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 120 (2002), S. 41-103. H ellgardt , E rnst (1996a): Rezension über N eumann (1990, 1993), in: PBB 118 (1996), S. 133-140. D ers . (1996b): Darbietungsformen geistlicher Gehalte im Werk Mechthilds von Magdeburg, in: Die Vermittlung geistlicher Inhalte im deutschen Mittelalter. Internationales Symposium Roscrea 1994, hg. von T imothy R. J ackson [u.a.], Tübingen 1996, S. 319-337. H ellgardt , E rnst / N emes , B alázs J./ S enne , E lke (Hgg.): Mechthild von Magdeburg: ›Lux divinitatis‹ - ›Das Liecht der Gotheit‹. Synoptische Edition der lateinischen Übersetzung des ›Fließenden Lichts der Gottheit‹ und deren alemannischen Rückübersetzung, Berlin: de Gruyter (voraussichtlich 2011). H enkel , N ikolaus (1992): Kurzfassungen höfischer Erzähltexte als editorische Herausforderung, in: editio 6 (1992), S. 1-11. D ers . (1993): Kurzfassungen höfischer Erzähldichtung im 13./ 14. Jahrhundert. Überlegungen zum Verhältnis von Textgeschichte und literarischer Interessenbildung, in: Literarische Interessenbildung im Mittelalter. DFG-Symposium 1991, hg. von J oachim H einzle , Stuttgart [usw.] 1993 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 14), S. 39-59. D ers . (1998): Wer verfaßte Hartmanns von Aue Lied XII? Überlegungen zu Autorschaft und Werkbegriff in der höfischen Liebeslyrik, in: Autor und Autorschaft im Mittelalter, hg. von E lizabeth A ndersen [u.a.], Tübingen 1998, S. 101-113. H erberichs , C ornelia : Ereignis und Wahrheit. Authentisierungsstrategien inspirierter Rede im ›Fliessenden Licht der Gottheit‹ Mechthilds von Magdeburg, in: Das Authentische. Referenzen und Repräsentationen, hg. von U rsula A mrein , Zürich 2009, S. 275-290. H ilgers , H eribert A.: Die Überlieferung des Valerius-Maximus-Auslegung Heinrichs von Mügeln. Vorstudien zu einer kritischen Ausgabe, Köln-Wien 1973 (Kölner Germanistische Studien 8). H indsley , L eonard P.: Hildegard and the Fourtheenth-Century Dominicans, in: Hildegard of Bingen. A Book of Essays, hg. von M aud B urnett M c I nerney , New York-London 1998, S. 177-190. H irsch , T heodor : Die Geschichtsquellen der Preussischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft, Bd. 2, Leipzig 1863 (Scriptores rerum Prussicarum 2). H ofmann , G erald (Hg.): Hadewijch, Das Buch der Visionen 1, Stuttgart-Bad Cannstatt 1998 (MyGG I/ 12). Literaturverzeichnis 501 H offmann , F riedrich W ilhelm (1845): Geschichte der Stadt Magdeburg. Nach den Quellen bearbeitet, Bd. 1, Magdeburg 1845. D ers . (1885): Geschichte der Stadt Magdeburg. Neu bearbeitet von G. H ertel und Fr. H ül,e , Bd. 1, Magdeburg 1885. H ogg , J ames (1982): Dom Ludwig Moser, in: Kartäusermystik und -mystiker, Bd. 3, Salzburg 1982 (Anal Cart 55), S. 193-198. D ers . (2004): Buxheim Manuscripts in English Libraries, in: Die Reichskartause Buxheim 1402-2002 und der Kartäuserorden. Internationaler Kongress vom 9. bis zum 12. Mai 2002, Bd. 2, Salzburg 2004 (Anal Cart 182), S. 31-79. H ollywood, A my (1995): The Soul as Virgin Wife. Mechthild of Magdeburg, Marguerite Porète and Meister Eckhart, Notre Dame/ London 1995. D ies . (1999): Inside Out. Beatrice of Nazareth and Her Hagiographer, in: Gendered Voices. Medieval Saints and their Interpreters, hg. von C atherine M. M ooney , Pennsylvania 1999, S. 78-98. H olznagel , F ranz -J osef : Autorschaft und Überlieferung am Beispiel der kleineren Reimpaartexte des Strickers, in: Autor und Autorschaft im Mittelalter, hg. von E li zabeth A ndersen [u.a.], Tübingen 1998, S. 163-184. H onemann , V olker (1982): Deutsche Literatur in der Laienbibliothek der Basler Kartause 1480-1520, Masch. Habilitationsschrift FU Berlin 1982 (Druck in Vorbereitung für Hermaea. Germanistische Forschungen, N.F.). D ers . (2000): Autographische Überlieferung mittelalterlicher deutscher Literatur, in: Scrinium Berolinense. Tilo Brandis zum 65. Geburtstag, Bd. 2, hg. von P eter J örg B ecker , Berlin 2000, S. 821-828. D ers . (2008a): Erfurter Kartäuser als Literarhistoriker. Die ‹Literaturkundliche Übersicht› des ›Registrum librarie‹ der Kartause Salvatorberg, in: Mittelalterliche Sprache und Literatur in Eisenach und Erfurt. Tagung anlässlich des 70. Geburtstags von Rudolf Bentzinger am 22.08.2006, hg. von M artin J. S chubert [u.a.], Frankfurt/ M. [usw.] 2008 (Kultur, Wissenschaft, Literatur - Beiträge zur Mittelalterforschung 18), S. 40-67. D ers . (2008b): Mitteldeutschland. Eine Bildungs-, Literatur- und Bibliothekslandschaft im späten Mittelalter, in: V. H., Literaturlandschaften. Schriften zur deutschsprachigen Literatur im Osten des Reiches, hg. von R udolf S untrup [u.a.], Frankfurt a. M. [usw.] 2008 (Medieval to Early Modern Culture. Kultureller Wandel vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit), S. 1-20. H onemann , V olker / R oth , G unhild : Mittelalterliche Autographen und Textgenese. Am Beispiel von Peter Eschenloers Geschichte der Stadt Breslau, in: Deutsche Texte des Mittelalters zwischen Handschriftennähe und Rekonstruktion. Berliner Fachtagung 1.- 3. April 2004, hg. von M artin J. S chubert , Tübingen 2005 (Beihefte zu editio 23), S. 217-236. H opf , C ornelia : Die abendländischen Handschriften der Forschungs- und Landesbibliothek Gotha. Bestandsverzeichnis. 1. Großformatige Pergamenthandschriften Memb. I, Gotha 1994. H ourlier , J acques : Gertrude d’Helfta, Œuvres spirituelles Tome 1: Les Exercices. Texte latin, introduction, traduction et notes par J. H., Paris 1967 (SC 127). H örner , P etra : Dorothea von Montau. Überlieferung - Interpretation. Dorothea und die osteuropäische Mystik, Frankfurt/ M. 1993 (Information und Interpretation 7). H över , W erner : Zum Stand der Methodenreflexion im Bereich der altgermanistischen Editionen, in: Probleme der Edition mittel- und neulateinischer Texte. Kolloquium der Deutschen Forschungsgemeinschaft Bonn 26.- 28. Februar 1973, hg. von L udwig H ödl und D ieter W uttke , Bonn 1978, S. 131-142. 502 Literaturverzeichnis H ubrath , M argarete (1996): Schreiben und Erinnern. Zur ‹memoria› im Liber Specialis Gratiae Mechthilds von Hackeborn, Paderborn 1996. D ies . (1998): Der Liber specialis gratiae Mechthilds von Hackeborn, in: Bete und Arbeite! Zisterzienser in der Grafschaft Mansfeld, hg. von E sther P ia W ipfler in Zusammenarbeit mit R ose -M arie K nape , Halle/ Saale 1998, S. 169-182. D ies . (1999): The Liber specialis gratiae as a Collective Work of Several Nuns, in: JOWG 11 (1999), S. 233-244. D ies . (2002): Erweitertes Sinnpotential oder kontaminiertes Original? Zum Werkbegriff einer mystischen Offenbarungsschrift im Kontext ihrer lateinischen und deutschen Überlieferung, in: Akten des X. Internationalen Germanistenkongresses Wien 2000 »Zeitenwende - Die Germanistik auf dem Weg vom 20. ins 21. Jahrhundert« Bd. 5, hg. von P eter W iesinger , Bern [usw.] 2002 (Jahrbuch für Internationale Germanistik A/ 57), S. 281-286. H übner -T rams , W ilhelm : Verzeichnis der von dem verstorbenen Preußischen General- Lieutenant J. v. Radowitz hinterlassenen Autographen-Sammlung, Teil 1-3, Berlin 1864. H ünicken , R olf (1934/ 35): Studien über Heinrich von Halle, in: Thüringisch-Sächsische Zeitschrift für Geschichte und Kunst 23 (1934/ 35), S. 102-117. D ers . (1941): Geschichte der Stadt Halle, T. 1: Halle in deutscher Kaiserzeit. Ursprung und Entfaltung einer mitteldeutschen Stadt, Halle 1941 (Die fünf Türme A/ 1). J annidis , F otis / L auer , G erhard / M artinez , M atias / W inko , S imone : Texte zur Theorie der Autorschaft, Stuttgart 2000 (RUB 18058). J anota , J ohannes (1998): Mittelalterliche Texte als Entstehungsvarianten, in: »In Spuren gehen …« Festschrift Helmut Koopmann, hg. von A ndrea B artl [u.a.], Tübingen 1998, S. 65-80. D ers . (2004): Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/ 90-1380/ 90), Königstein 2004 (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit III/ 1). D ers . (2007): Freundschaft auf Erden und im Himmel. Die Mystikerin Margareta Ebner und der Gottesfreund Heinrich von Nördlingen, in: Impulse und Resonanzen. Tübinger mediävistische Beiträge zum 80. Geburtstag von Walter Haug, hg. von G isela V ollmann -P rofe [u.a.], Tübingen 2007, S. 275-300. J aricot , I rénée : Glose de Dom Jacques Sauler: Manuscrit de Buxheim (1501), in: Kartäuserliturgie und Kartäuserschrifttum. Internationaler Kongreß vom 2. bis 5. September 1987, Bd. 2, Salzburg 1988 (Anal Cart 116), S. 121-159. J eep , J ohn M.: Rezension über W illiams / W illiams -K rapp (1998), in: ABäG 53 (2000), S. 240-241. J ostes , F ranz : Meister Eckhart und seine Jünger. Ungedruckte Texte zur Geschichte der Deutschen Mystik (1895). Mit einem Wörterverzeichnis von P eter S chmitt und einem Nachwort von K urt R uh , Berlin/ New York 1972 (Deutsche Neudrucke. Reihe: Texte des Mittelalters). J ust , I rmtraud : Die Vita Luitgarts von Wittichen. Text des Donaueschinger Codex 118. Mit Einleitung, Kommentar und frömmigkeitsgeschichtlicher Einordnung, Bern [usw.] 2000 (Deutsche Literatur von den Anfängen bis 1700, 31). K asten , I ngrid (1995): Formen des narrativen in Mechthilds Fließendem Licht der Gottheit, in: Contemplata aliis tradere. Studien zum Verhältnis von Literatur und Spiritualität. Festschrift Alois M. Haas, hg. von C laudia B rinker [u.a.], Bern [usw.] 1995, S. 1-18. D ies . (1999): Die doppelte Autorschaft. Zum Verhältnis Sprache des Menschen und Sprache Gottes in mystischen Texten des Mittelalters, in: «Wortlos der Sprache Literaturverzeichnis 503 mächtig» Schweigen und Sprechen in der Literatur und sprachlicher Kommunikation, hg. von H artmut E ggert und J anusz G olec , Stuttgart 1999, S. 9-30. K ayser , R udolf : Minne und Mystik im Werke Mechthilds von Magdeburg, in: GR 19 (1944), S. 3-15. K aeppeli , T homas (1960): Heidenricus, Bischof von Kulm († 1263), Verfasser eines Traktates De amore S. Trinitatis, in: AFP 30 (1960), S. 196-205. D ers . (1975): Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi, 4 Bde, Rom 1970-1993. K eller , H ildegard E lisabeth (1995): »wan got geschuof inen nie schemeliche lide« Zur Geschichte der Sexualität und Scham im Spiegel des Fliessenden Lichts der Gottheit der Mechthild von Magdeburg, in: Contemplata aliis tradere. Studien zum Verhältnis von Literatur und Spiritualität. Festschrift Alois M. Haas, hg. von C lau dia B rinker [u.a.], Bern [usw.] 1995, S. 19-45. D ies . (2000): Absonderungen. Mystische Texte als literarische Inszenierungen von Geheimnis, in: Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte, hg. von W alter H aug und W olfram S chneider- L astin , Tübingen 2000, S. 195-221. K ellner , B eate : Wort Gottes - Stimme des Menschen. Textstatus und Profile von Autorschaft in Otfrids von Weißenburg ›Evangelienbuch‹, in: Geltung der Literatur. Formen ihrer Autorisierung und Legitimierung im Mittelalter, hg. von B. K. [u.a.], Berlin 2005 (Philologische Studien und Quellen 190), S. 139-162. K emper , H ans -G eorg : Allegorische Allegorese. Zur Bildlichkeit und Struktur mystischer Literatur (Mechthild von Magdeburg und Angelus Silesius), in: Formen und Funktionen der Allegorie. Symposion Wolfenbüttel 1978, hg. von W alter H aug , Stuttgart 1979, S. 90-125. K ennedy , E lspeth : The scribe as editor, in: Mélange de langue et de littérature du Moyen Âge et de la Renaissance, Bd. 1, Genève 1970 (Societé de Publications romains et français 112), S. 523-531. K ern , P eter : Trinität, Maria, Inkarnation. Studien zur Thematik der deutschen Dichtung des späteren Mittelalters, Berlin 1971 (Philologische Studien und Quellen 55). K ershaw , J ohanna : daz er si ein miteler zwischen mir unt diner sele: John, Mary and the transfer of mystic union in the Autograph of Elsbeth von Oye, in: Transferphänomene in der europäischen Vormoderne. Interdisziplinäre Annäherungen, hg. von B alázs J. N emes und A chim R abus (in Vorbereitung). K eul , H ildegund : Verschwiegene Gottesrede. Die Mystik der Begine Mechthild von Magdeburg, Innsbruck/ Wien 2004 (Innsbrucker theologische Studien 69). K iening , C hristian : Mystische Bücher, in: Codex im Diskurs, hg. von T homas H aye und J ohannes H elmrath , Wiesbaden 2010 (Wolfenbütteler Forschungen) [im Druck]. K irchert , K laus : Text und Textgeschichte. Zu überlieferungsgeschichtlichen Editionen spätmittelalterlicher Gebrauchsprosa, in: Germanistik - Forschungsstand und Perspektiven, 2. Teil, hg. von G eorg S tötzel , Berlin [usw.] 1985, S. 51-71. K lapper , J oseph : Der Erfurter Kartäuser Johannes Hagen. Ein Reformtheologe des 15. Jahrhunderts, T. 1-2, Leipzig 1960/ 1961 (Erfurter theologische Studien 9-10). K leiber , W olfgang / K unze , K onrad / L öffler , H einrich : Historischer Südwestdeutscher Sprachatlas. Aufgrund von Urbaren des 13. bis. 15. Jahrhunderts, Bd. 1: Text. Einleitung, Kommentare und Dokumentationen, Bern/ München 1979 - Bd. 2: Karten. Einführung, Haupttonvokalismus, Nebentonvokalismus, Konsonantismus, Bern/ München 1979. K lein , D orothea (2006): Inspiration und Autorschaft. Ein Beitrag zur mediävistischen Autordebatte, in: DVjs 80 (2006), S. 55-96. 504 Literaturverzeichnis D ies . (2008): Zwischen Abhängigkeit und Autonomie: Inszenierungen inspirierter Autorschaft in der Literatur der Vormoderne, in: Inspiration und Adaptation. Tarnkappen mittelalterlicher Autorschaft, hg. von R enate S chlesier und B eatrice T rinca , Hildesheim 2008 (Spolia Berolinensia 29), S. 15-39. K lein , T homas : Umschrift - Übersetzung - Wiedererzählung. Texttransfer im westgermanischen Bereich, in: Der Schreiber als Dolmetsch. Sprachliche Umsetzungstechniken beim binnensprachlichen Texttransfer in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. von W erner B esch [u.a.], Berlin 2009 (ZfdPh 127, Sonderheft). K leineidam , E rich : Die theologische Richtung der Erfurter Kartäuser am Ende des 15. Jahrhunderts. Versuch einer Einheit der Theologie, in: Miscellanea Erfordiana, hg. von E. K. und H einz S chürmann , Leipzig 1962 (Erfurter theologische Studien 12), S. 247-271, in gekürzter Form wieder abgedruckt unter dem Titel: Die Spiritualität der Kartäuser im Spiegel der Erfurter Kartäuser-Bibliothek, in: Kartäuser. Der Orden der schweigenden Mönche, hg. von M arijan Z adnikar , Köln 1983, S. 185-202. K oda , Y oshiki : Mystische Lebenslehre zwischen Kloster und Stadt. Meister Eckharts ›Reden der Unterweisung‹ und die spätmittelalterliche Lebenswirklichkeit, in: Mittelalterliche Literatur im Lebenszusammenhang, hg. von E ckart C onrad L utz , Freiburg (Schweiz) 1997 (Scrinium Friburgense 8), S. 225-264. K ornrumpf , G isela : Heidelberger Liederhandschrift A, in: 2 VL 3 (1981), Sp. 577-584. K öbele , S usanne (1989): Die Verabschiedung der Tugenden. Bemerkungen im Anschluß an Kapitel I 44 aus dem ›Fließenden Licht der Gottheit‹ der Mechthild von Magdeburg, in: Germanica Wratislaviensia 85 (1989), S. 23-40. D ies . (1993): Bilder der unbegriffenen Wahrheit. Zur Struktur mystischer Rede im Spannungsfeld von Latein und Volkssprache, Tübingen [usw.] 1993 (Bibliotheca Germanica 30). D ies . (2004): Aporien christlicher Ästhetik (Meister Eckhart und das Granum sinopis - Michael Beheim - Sebastian Franck), in: Poetica 36 (2004), S. 119-147. D ies . (2007a): ‹Ausdruck› im Mittelalter? Zur Geschichte eines übersehenen Begriffs. Mit Überlegungen zu einer ‹emphatischen Ästhetik› der Mystik, in: Das fremde Schöne. Dimensionen des Ästhetischen in der Literatur des Mittelalters, hg. von M anuel B raun und C hristopher Y oung , Berlin-New York 2007 (Trends in Medieval Philology 12), S. 61-90. D ies . (2007b): heilicheit durchbrechen. Grenzfälle von Heiligkeit in der mittelalterlichen Mystik, in: Sakralität zwischen Antike und Neuzeit, hg. von B erndt H amm [u.a.], Stuttgart 2007 (Beiträge zur Hagiographie 6), S. 147-169. D ies . (2007c): Grenzüberschreitungen. Spielräume literarischer Engel-Darstellungen im Mittelalter, in: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 54/ 2 (2007), S. 130-164. D ies . (2008): Vom Lob der Hölle. Grenzen des felix culpa-Modells in der Mystik, in: DVjs 82 (2008), S. 168-192. D ies . (2009): Emphasis, überswanc, underscheit. Zur literarischen Produktivität spätmittelalterlicher Irrtumslisten (Eckhart und Seuse), in: Literarische und religiöse Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit. DFG-Symposion 2006, hg. von P eter S trohschneider , Berlin/ New York 2009, S. 969-1002. K oeniger , A lbert M ichael : Ein deutscher Beichtspiegel von der Wende des 13. Jahrhunderts, in: Der Katholik 37 (1908), S. 286-300. K raume , H erbert : Moser, Ludwig OCarth, in: 2 VL 6 (1987), Sp. 705-710. K rämer , S igrid : Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, T. 1, München 1989 (MBK, Erg.-Bd. 1). Literaturverzeichnis 505 K rebs , E ngelbert : Mechthild von Magdeburg, in: 1 VL 3 (1943), Sp. 323-326. K rollmann , C hristian : Geistige Beziehungen zwischen Preußen und Thüringen im 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts, in: Thüringisch-Sächsische Zeitschrift für Geschichte und Kunst 22 (1933), S. 78-91. K rusenbaum -V erheugen , C hristiane : Figuren der Referenz. Untersuchungen zu Textualität und Komposition der ‹Gottesfreundliteratur› in der Straßburger Johanniterkomturei zum ‹Grünen Wörth›, Diss. masch. Köln 2008. K rühn , M ax : Urkundenbuch Kloster Helfta. Urkundenbuch der Klöster der Grafschaft Mansfeld, Halle 1888. K uhn , H ugo : Versuch über das 15. Jahrhundert in der deutschen Literatur, in: D ers ., Entwürfe zu einer Literatursystematik des Spätmittelalters, Tübingen 1980, S. 77-101. K urt , J oachim : Die Geschichte der Kartause Erfurt Montis Sancti Salvatoris 1372- 1803, Salzburg 1989 (Anal Cart 32). K ühne , U do : Die Konstruktion prophetischen Sprechens. Hildegards Sicht der eigenen Rolle als Autorin, in: FZfPhTh 46 (1999), S. 67-78. K ühnel , J ürgen : Der ‹offene Text›. Beitrag zur Überlieferungsgeschichte volkssprachiger Texte des Mittelalters (Kurzfassung), in: Akten des V. Internationalen Germanisten-Kongresses Cambridge 1975, Heft 2, hg. von L eonard F orster und H ans -G ert R oloff , Frankfurt/ M 1976 (Jahrbuch für Internationale Germanistik A/ 2), S. 311-321. K üsters , U rban / L anger , O tto : Rezension über P eters (1988a), in: Arbitrium 9 (1991), S. 37-41. L anczkowski , J ohanna (1987): Einige Überlegungen zu Mechthilde von Magdeburg, Mechthilde von Hackeborn und Gertrud der Großen von Helfta, in: Erbe und Auftrag 63 (1987), S. 424-440. D ies . (1990): Einfluß der Hohe-Lied-Predigten Bernhards auf die drei Helftaer Mystikerinnen, in: Erbe und Auftrag 66 (1990), S. 17-28. L anger , O tto (1987): Mystische Erfahrung und spirituelle Theologie. Zu Meister Eckharts Auseinandersetzung mit der Frauenfrömmigkeit seiner Zeit, München 1987 (MTU 91). D ers . (2004): Christliche Mystik im Mittelalter. Mystik und Rationalisierung - Stationen eines Konflikts, Darmstadt 2004. L au , D ieter : Zu Augustins Hermeneutik der Gottessprache, in: exemplar. Festschrift für Kurt Otto Seidel, hg. von R üdiger B randt und D ieter L au , Frankfurt/ M. [usw.] 2008 (Latens 5), S. 323-345. L aubner , H orst : Studien zum geistlichen Sinngehalt des Adjektivs im Werk Mechthilds von Magdeburg, Göppingen 1975 (GAG 163). L echeler , E ugenie : Wichmann von Arnstein (1180-1270), in: Wichmann-Jahrbuch des Diözesangeschichtsvereins Berlin 36/ 36 (1996/ 1997), N.F. 4, S. 15-46. L ehmann , P aul (1926/ 1960): Bücherliebe und Bücherpflege bei den Kartäusern (1926), in: D ers ., Erforschung des Mittelalters, Bd. 3, Stuttgart 1960, S. 121-142. D ers . (1925, 1926): Handschriften des Erfurter Benediktinerklosters St. Petri, in: SMGB 43 (1925), S. 14-31 und 44 (1926), S. 89-91. D ers . (1928): Bistum Mainz, Erfurt, München 1928 (MBK 2). L entes , T homas : ‹Tauler im Fegefeuer› oder der Mystiker als Exempel. Modelle der Mystik-Rezeption im 15. Jahrhundert. Mit einem Anhang zum Sterbeort Taulers und Textabdruck, in: Contemplata aliis tradere. Studien zum Verhältnis von Literatur und Spiritualität. Festschrift für Alois M. Haas, hg. von C laudia B rinker [usw.], Bern [u.a.] 1995, S. 111-155. 506 Literaturverzeichnis L eppin , V olker : Begine und Beichtvater. Zu den Dominikanerpartien im ›Fließenden Licht der Gottheit‹ Mechthilds von Magdeburg, in: Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Festschrift Matthias Werner zum 65. Geburtstag, hg. von E nno B ünz [u.a.], Köln [usw.] 2007 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe 24; Schriftenreihe der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung 19), S. 543-554. L ewis , G ertrud J aron / L ewis , T ilman (Hgg.): The Vita of Margaret the Lame, a Thirteenth-Century German Recluse and Mystic, by Friar Johannes O.P. of Magdeburg, Toronto 2001. L erner , R obert E.: The Heresy of the Free Spirit in the Later Middle Ages, Berkeley 1972. L ienert , E lisabeth (1998): Rezension über B umke (1996a), in: GRM N.F. 48 (1998), S. 244-249. D ies . (2000): Rezension über B umke (1999), in: Arch. 237/ 152 (2000), S. 367-373. L ist , G erhard / P owitz , G erhard : Die Handschriften der Stadtbibliothek Mainz, 3 Bde, Wiesbaden 1990-2006. L oë , P aulus von (1910): Statistisches über die Ordensprovinz Saxonia, Leipzig 1910 (QF 4). D ers . (1918): Johannes Meyer, Liber de Viris Illustribus Ordinis Praedicatorum, Leipzig 1918 (QF 12). L omnitzer , H elmut : Dietrich von Apolda, in: 2 VL 2 (1980), Sp. 103-110. L öhr , G abriel : Die Gewohnheiten eines mitteldeutschen Dominikanerklosters aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in: AFP 1 (1931), S. 87-105. L öser , F reimut (1995): Thomas von Apolda OP, in: 2 VL 9 (1995), Sp. 809-811. D ers . (1999): Eckhart in Melk. Studien zum Redaktor Lienhart Peuger. Mit einer Edition des Traktats ›Von der sel wirdichait vnd aigenschafft‹, Tübingen 1999 (TTG 48). D ers . (2002): Im Dialog mit Handschriften. ‹Handschriftenphilologie› am Beispiel der Laienbrüderbibliothek in Melk. Mit einer Einführung von P. Gottfried Glassner, OSB, in: Die Präsenz des Mittelalters in seinen Handschriften. Ergebnisse der Berliner Tagung in der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, 6.-8. April 2000, hg. von H ans -J ochen S chiewer und K arl S tackmann , Tübingen 2002, S. 177-208. D ers . (2004): Postmodernes Mittelalter? ‹New Philology› und ‹Überlieferungsgeschichte›, in: Kulturen des Manuskriptzeitalters. Ergebnisse der Amerikanisch- Deutschen Arbeitstagung an der Georg-August-Universität Göttingen vom 17. bis 20. Oktober 2002, hg. von A rthur G roos [u.a.], Göttingen 2004 (Transatlantische Studien zu Mittelalter und Früher Neuzeit 1), S. 215-236. D ers . (2005a): Postmoderne Theorie und Mittelalter-Germanistik. Autor, Autortext und edierter Text aus überlieferungsgeschichtlicher Sicht, in: Theorien der Literatur. Grundlagen und Perspektiven Bd. 2, hg. von H ans V ilmar G eppert und H ubert Z apf , Tübingen 2005, S. 277-294. D ers . (2005b): Meister Eckhart in Bewegung. Das mittelalterliche Erfurt als Wirkungszentrum der Dominikaner im Licht neuer Funde, in: Meister Eckhart in Erfurt, hg. von A ndreas S peer und L ydia W egener , Berlin/ New York 2005 (Miscellanea Mediaevalia 32), S. 56-74. D ers . (2008): Was sind Meister Eckharts deutsche Straßburger Predigten? , in: Meister- Eckhart-Jahrbuch 2 (2008), S. 37-63. D ers . (2010): Überlieferungsgeschichte und New Philology. Methodische Varianten in der Altgermanistik. Habilitationsschrift (masch.), Würzburg 2000 (erscheint in der Reihe IMAGINES MEDII AEVI. Interdisziplinäre Beiträge zur Mittelalterforschung, Wiesbaden 2010). Literaturverzeichnis 507 L ückel , W olfgang : Rezension über V ollmann -P rofe (2003), in: Focus on German Studies 12 (2005), S. 179-182. L üers , G rete : Die Sprache der deutschen Mystik des Mittelalters im Werke der Mechthild von Magdeburg, München 1926. M aggioni , G. P. (Hg.): Iacopo da Varazze, Legenda aurea, Bd. 1, Florenz 1998 (Millenio Medievale 6/ Testi 3). M angei , J ohannes : Kartäuserorden und Visionsliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: Bücher, Bibliotheken und Schriftkultur der Kartäuser. Festgabe zum 65. Geburtstag von Edward Patkowski, hg. von S önke L orenz , Wiesbaden 2002 (Contubernium 59), S. 289-316. M anuwald , H enrike : Der Autor als Erzähler? Das Bild der Ich-Figur in der ›Großen Bilderhandschrift‹ des Willehalm Wolframs von Eschenbach, in: Autorbilder. Zur Medialität literarischer Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. von G erald K apfhammer [u.a.], Münster 2007 (Tholos 2), S. 63-92. M argetts , J ohn : Latein und Volkssprache bei Mechthild von Magdeburg, in: ABäG 12 (1977), S. 119-136. M artens , G unter : Autor - Autorisation - Authentizität. Terminologische Überlegungen zu drei Grundbegriffen der Editionsphilologie, in: Autor - Autorisation - Authentizität. Beiträge der Internationalen Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft für germanistische Edition in Verbindung mit der Arbeitsgemeinschaft philosophischer Editionen und der Fachgruppe Freie Forschungsinstitute in der Gesellschaft für Musikforschung, Aachen, 20. bis 23. Februar 2002, hg. von T homas B ein [u.a.], Tübingen 2004 (Beihefte zu editio 21), S. 39-50. M asser , A chim : Tilo von Kulm, in: 2 VL 9 (1995), Sp. 932-935. M ayer , J ohannes G.: Die ‹Vulgata›-Fassung der Predigten Johannes Tauler. Von der handschriftlichen Überlieferung des 14. Jahrhunderts bis zu den ersten Drucken, Würzburg 1999 (Texte und Wissen 1). M ärker , A lmuth : Das Prohemium longum des Erfurter Kartäuserkatalogs aus der Zeit um 1475. Edition und Untersuchung, 2 Bde, Bern [u.a.] 2008 (Lateinische Sprache und Literatur des Mittelalters 35). M c G inn , B ernard (Hg.) (1994): Meister Eckhart and the Beguine Mystics. Hadewijch of Brabant, Mechthild of Magdeburg and Marguerite Porète, New York 1994. D ers . (1999): Die Mystik im Abendland, Bd. 3: Blüte. Männer und Frauen der neuen Mystik (1200-1350). Aus dem Englischen übersetzt von B ernardin S chellenberger , Freiburg/ Br. 1999. D ers . (2000): The Four Female Evangelists of the Thirteenth Century. The Invention of Authority, in: Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte, hg. von W alter H aug und W olfram S chneider- L astin , Tübingen 2000, S. 175- 194. D ers . (2008): Die Mystik im Abendland, Bd. 4: Fülle. Mystik im mittelalterlichen Deutschland (1300-1500). Aus dem Englischen übersetzt von B ernardin S chellen berger , Freiburg/ Br. [usw.] 2008. M eier , C hristel : Autorschaft im 12. Jahrhundert. Persönliche Identität und Rollenkonstrukt, in: Unverwechselbarkeit. Persönliche Identität und Identifikation in der vormodernen Gesellschaft, hg. von P eter von M oos , Köln [usw.] 2004 (Norm und Struktur 23), S. 209-266. M encken , J[ ohann ] B[ urkhard ]: Scriptores Rerum Germanicarum praecipue Saxonicarum, Bd. 2, Leipzig 1728. 508 Literaturverzeichnis M engis , S imone : Schreibende Frauen um 1500. Scriptorium und Bibliothek des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen, Berlin/ New York: de Gruyter (Scrinium Friburgense) (voraussichtlich Juni 2010). M enne , K arl : Deutsche und niederländische Handschriften. Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln: Die Handschriften des Archivs, Heft 10, Abt. 1, Teil 2. Köln 1937. M entzel -R euters , A rno (2007): «Gote, Marîen und dem meistir». Der Deutsche Orden und die Anfänge der preußischen Literaturgeschichte, in: Ostpreußen - Westpreußen - Danzig. Eine historische Literaturlandschaft, hg. von J ens S tüben , München 2007 (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 30), S. 137-154. D ers . (2008): ‹Deutschordensliteratur› im Kontext lateinischer Literatur, in: Mittelalterliche Literatur und Kultur im Deutschordensstaat in Preußen. Leben und Nachleben, hg. von J aros³aw W enta [u.a.], Torun 2008 (Sacra bella septentrionalia 1), S. 355-368. M ertens , D ieter : Jakob von Paradies (1381-1465) Über die mystische Theologie, in: Kartäusermystik und -mystiker, Bd. 5, Salzburg 1982 (Anal Cart 55). M eyer , G ustav / B urckhardt , M ax : Die mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek Basel. Abteilung B: Theologische Pergamenthandschriften, 2 Bde, Basel 1960/ 1966. M eyer , L othar : Studien zur geistlichen Bildersprache im Werke Mechthilds von Magdeburg, Diss. Göttingen 1951. M eyer , R uth : Das ›St. Katharinentaler Schwesternbuch‹ Untersuchung, Edition, Kommentar, Tübingen 1995 (MTU 104). M icha , A lexandre : Überlieferungsgeschichte der französischen Literatur des Mittelalters, in: Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur, Bd. 2, hg. von H erbert H unger , Zürich 1964, S. 189-259. M ichael , E mil (1901): Zur Chronologie Mechthilds von Brandenburg (! ), in: ZkTh 25 (1901), S. 177-180. D ers . (1903): Geschichte des deutschen Volkes vom XIII. Jahrhundert bis zum Ausgang der Mittelalters, Bd. 3, Freiburg/ Br. 1903. M ichel , P aul (1986): Durch die bilde úber die bilde. Zur Bildgestaltung bei Mechthild von Magdeburg, in: Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposium Kloster Engelberg 1984, hg. von K urt R uh , Stuttgart 1986 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 7), S. 509-526. D ers . (1992): Stilwandel bei Heinrich Seuse, in: Verborum amor. Studien zur Geschichte und Kunst der deutschen Sprache. Festschrift Stefan Sonderegger zum 65. Geburtstag, hg. von H arald B urger [u.a.], Berlin-New York 1992, S. 297-341. D ers . (1995a): Rezension über N eumann (1990, 1993), in: Arbitrium 13 (1995), S. 29-33. D ers . (1995b): Anläßlich der neuen Edition des ›Fließenden Lichts der Gottheit‹ der Mechthild von Magdeburg, in: FZfPhTh 42 (1995), S. 172-185. D ers . (1995c): Quomodo amor excitet animam pigram. Ein Dialog im Fließenden Licht Mechthilds von Magdeburg, in: Contemplata aliis tradere. Studien zum Verhältnis von Literatur und Spiritualität. Festschrift Alois M. Haas, hg. von C laudia B rinker [u.a.], Bern [usw.] 1995, S. 47-70. M ohr , W olfgang : Darbietungsformen der Mystik bei Mechthild von Magdeburg, in: Märchen, Mythos, Dichtung. Festschrift Friedrich von den Leyens, hg. von H ugo K uhn , München 1963, S. 375-399. Literaturverzeichnis 509 M one , F ranz J oseph (1846): Schauspiele des Mittelalters, 2 Bde, Karlsruhe 1846 (ND Aalen 1970). D ers . (1867): Lateinische Chroniken, Lebensbeschreibungen, Karlsruhe 1867 (Quellensammlung der badischen Landesgeschichte 4). M orel , G all (1840): Die Kloster-Bibliothek in Einsiedeln in der Schweiz, in: Serapeum 1 (1840), S. 348-352 und 359-365. D ers . (1843): Handschriften der Klosterbibliothek zu Einsiedeln, in: Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 8 (1843), S. 736-752. D ers . (1844): Abecedarisches Gedicht auf Nikolaus von Flüe, in: Der Pilger. Ein Sonntagsblatt zur Belehrung religiösen Sinnes 3 (1844), S. 280. D ers . (1869): Offenbarungen der Schwester Mechthild von Magdeburg oder Das fliessende Licht der Gottheit. Aus der einzigen Handschrift des Stiftes Einsiedeln, Regensburg 1869. M orvay , K arin / G rube , D agmar : Bibliographie der deutschen Predigt des Mittelalters. Veröffentlichte Predigten, München 1974 (MTU 47). M ossman , S tephen : Rezension über P oor (2004), in: Focus on German Studies 12 (2005), S. 187-191. M öllenberg , W alter : Aus der Geschichte des Klosters Unser Lieben Frauen zu Magdeburg, in: Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte der Provinz Sachsen 24 (1928), S. 21-31. M ulder -B akker , A nneke B.: Lives of the anchoresses. The rise of the urban recluse in medieval Europe, Philadelphia 2005 (The Middle Ages Series). M urti , K amakshi P.: Rezension über P oor (2004), in: German Studies Review 29 (2006), S. 156-157. M üller , J an -D irk (1995): Neue Altgermanistik, in: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 39 (1995), S. 445-453. D ers . (1999): Aufführung - Autor - Werk. Zu einigen blinden Stellen gegenwärtiger Diskussion, in: Mittelalterliche Literatur und Kunst im Spannungsfeld von Hof und Kloster. Ergebnisse der Berliner Tagung 9.- 11. Oktober 1997, hg. von N igel F. P almer und H ans -J ochen S chiewer , Tübingen 1999, S. 149-166. M üller , J[ oseph ]: Leben und Offenbarungen der heiligen Mechtildis und der Schwester Mechtildis (von Magdeburg), Jungfrau aus dem Orden des heiligen Benediktus. Hg. nach den neuesten lateinischen Ausgaben von J. M., Bde 2, Regensburg 1880/ 1881. M üller , U lrich : Der Autor - Produkt und Problem der Überlieferung. Wunsch- und Angstträume eines Mediävisten anläßlich des mittelalterlichen Liedermachers Neidhart, in: Der Autor im Dialog. Beiträge zu Autorität und Autorschaft, hg. von F elix P hilipp I ngold und W erner W underlich , St. Gallen 1995, S. 33-53. M uschg , W alter : Die Mystik in der Schweiz (1200-1500), Frauenfeld [usw.] 1935. N agy , M árta : «Jch mues fliegen mit Tawbenfederen ..» Mechthilds von Magdeburg ›Fließendes Licht der Gottheit‹ als Modell gottgefälliger Lebensführung in der Budapester Teilüberlieferung, in: «swer sînen vriunt behaltet, daz ist lobelîch». Festschrift András Vizkelety zum 70. Geburtstag, hg. von M. N. [u.a.], Piliscsaba [usw.] 2001 (Abrogans 1; Budapester Beiträge zur Germanistik 37), S. 133-141. N aser , C hristian : ›Der geistliche Streit‹. Synoptischer Abdruck der Fassungen A, C, B und D. Kommentar und Motivgeschichte, Würzburg 1995 (Texte und Wissen 2). N ellmann , E berhard (1989): Dis buoch … bezeichent alleine mich. Zum Prolog von Mechthilds ›Fließendem Licht der Gottheit‹, in: Gotes und der werlde hulde. Lite- 510 Literaturverzeichnis ratur in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift Heinz Rupp zum 70. Geburtstag, hg. von R üdiger S chnell , Bern [usw.] 1989, S. 200-205. D ers . (2001): Kontamination in der Epiküberlieferung. Mit Beispielen aus der Vorauer ›Kaiserchronik‹-Handschrift, in: ZfdA 130 (2001), S. 377-391. D ers . (2010): ›Parzival‹ (Buch I-VI) und ›Wigalois‹. Zur Frage der Teilveröffentlichung von Wolframs Roman, in: ZfdA 139 (2010), S. 135-152. N emes , B alázs J. (2004a): Unio mystica - eine Erfahrung der Differenz. Rezension über S tadler (2001), in: IASLonline [27.05.2004] URL: http: / / iasl.uni-muenchen.de/ rezensio/ liste/ Nemes3906767256_984.html Datum des letzten Zugriffs: 22. April 2010. D ers . (2004b): Mechthilds von Magdeburg ‹Frühwerk›. Buch I des Fließenden Lichts der Gottheit. Rezension über A mtstätter (2003), in: IASLonline [30.10.2004] URL: http: / / iasl.uni-muenchen.de/ rezensio/ liste/ Nemes389626253X_1084.html Datum des letzten Zugriffs: 22. April 2010. D ers . (2004c): Die Geistlichen Übungen Gertruds von Helfta. Ein vergessenes Zeugnis mittelalterlicher Mystik. Rezension über S iegfried R ingler , Getrud von Helfta. Exercitia spiritualia. Lateinisch und deutsch. Hg., übersetzt und kommentiert. Elberfeld: Buchverlag Oliver Humberg 2001, in: IASLonline [06.11.2004] URL: http: / / iasl.uni-muenchen.de/ rezensio/ liste/ Nemes3980278867_1109.html Datum des letzten Zugriffs: 22. April 2010. D ers . (2005): Die Budapester Handschrift des Fließenden Lichts der Gottheit Mechthilds von Magdeburg und ihre Verbindungen zum Benediktinerkloster Millstatt, in: Jahrbuch der ungarischen Germanistik 14 (2005), S. 119-142 (gekürzte und bearbeitete Fassung von: Mechthild von Magdeburg in Millstatt? Die Budapester Handschrift des ›Fliessenden Lichts der Gottheit‹ der Mechthild von Magdeburg und ihre Verbindungen zu Millstatt, in: Symposium zur Geschichte von Millstatt und Kärnten, hg. von F ranz N ikolasch , Millstatt 2004, S. 17-47). D ers . (2006): Neues zu den Fragen der Autorschaft und Kanonizität des Fließenden Lichts der Gottheit Mechthilds von Magdeburg. Rezension über P oor (2004), in: Meister-Eckhart-Gesellschaft [August 2006] URL: http: / / www.meister-eckhartgesellschaft.de/ texte.htm Datum des letzten Zugriffs: 22. April 2010. D ers . (2007): Möglichkeiten und Grenzen weiblichen Literatentums in der Frauenmystik des Mittelalters. Das Fließende Licht der Gottheit Mechthilds von Magdeburg, in: Germanistik ohne Grenzen. I. Internationale Germanistentagung in Großwardein/ Oradea/ Nagyvárad 15.- 17. Februar 2007, hg. von S zabolcs J ános -S zatmári , Cluj-Napoca/ Oradea 2007 (Schriftenreihe des Lehrstuhls für germanistische Sprach- und Literaturwissenschaft der Christlichen Universität Partium/ Großwardein 2), S. 381-392. D ers . (2008a): Eya herre got, wer hat dis buoch gemachet? Zum Umgang von Editoren und Redaktoren mit der ‹Autorin› Mechthild von Magdeburg, in: Autoren und Redaktoren als Editoren. Internationale Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft für germanistische Edition und des Sonderforschungsbereiches 482 ›Ereignis Weimar- Jena: Kultur um 1800‹ der Friedrich-Schiller-Universität Jena, veranstaltet von der Klassik Stiftung Weimar, hg. von J ochen G olz und M anfred K oltes , Tübingen 2008 (Beihefte zu editio 29), S. 18-34. D ers . (2008b): Ein wieder aufgefundenes Exzerpt aus Mechthilds von Magdeburg ›Lux divinitatis‹, in: ZfdA 137 (2008), S. 354-369. D ers . (2008c): Altgermanistik meets New Philology. Oder: Zur Verträglichkeit von mittelalterlicher Überlieferungswirklichkeit und zeitgenössischer Theoriebildung, Literaturverzeichnis 511 dargelegt am Beispiel des Original, in: Wissenschaften im Dialog. Studien aus dem Bereich der Germanistik. II. Internationale Germanistentagung in Großwardein/ Oradea/ Nagyvárad 20.- 22. Februar 2008, Bd. 1, hg. von S zabolcs J ános -S zatmári in Zusammenarbeit mit J udit S zu-cs , Cluj-Napoca/ Oradea 2008 (Schriftenreihe des Lehrstuhls für germanistische Sprach- und Literaturwissenschaft der Christlichen Universität Partium/ Großwardein 4), S. 13-24. D ers . (2009a): Jutta von Sangerhausen (13. Jahrhundert). Eine ‹neue Heilige› im Gefolge der heiligen Elisabeth von Thüringen? , in: Zeitschrift für Thüringische Geschichte 63 (2009), S. 39-73. D ers . (2009b): Dis buch ist iohannes schedelin. Die Handschriften eines Colmarer Bürgers aus der Mitte des 15. Jahrhunderts und ihre Verflechtungen mit dem Literaturangebot der Dominikanerobservanz, in: Kulturtopographie des deutschsprachigen Südwestens im späteren Mittelalter. Studien und Texte, hg. von B arbara F leith und R ené W etzel , Berlin/ New York 2009 (Kulturtopographie des alemannischen Raums 1), S. 157-214. D ers . (2011): Mechthild bei den ‹Gottesfreunden› - Die Gottesfreunde bei Mechthild. Oder: Wie gottesfreundlich ist das ›Fließende Licht der Gottheit‹ Mechthilds von Magdeburg? , in: S cheepsma / S chiewer / W arnar (2011). D ers . (2012): Textual Genesis. Discussion of authorship in books from Helfta, in: Companion to medieval Northern German mysticism, hg. von E lizabeth A. A ndersen und H enrike L ähnemann , Leiden: Brill (voraussichtlich 1012). N eumann , H ans (1948/ 50): Problemata Mechthildiana, in: ZfdA 82 (1948/ 1950), S. 143-172. D ers . (1954a): ›Der Minne Spiegel‹ und Mechthild von Magdeburg, in: ZfdPh 73 (1954), S. 217-226. D ers . (1954b): Beiträge zur Textgeschichte des ›Fließenden Lichts der Gottheit‹ und zur Lebensgeschichte Mechthilds von Magdeburg, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen I. Phil.-Hist. Kl. 3 (1954), S. 27-80. Gekürzt in: Altdeutsche und altniederländische Mystik, hg. von K urt R uh , Darmstadt 1964 (WdF 23), S. 175-239. D ers . (1954c): Fragmenta Mechthildiana inedita, in: AASF B 84 (1954), S. 161-178. D ers . (1955): Der Minne Spiegel, in: 1 VL 5 (1955), Sp. 687-689. D ers . (1963): Ein ungedrucktes Mechthild-Fragment aus der Karlsruher Handschrift St. Georgen Nr. 78, mit einem Exkurs über die Stellung der Komparative in mhd. Korrelativsätzen, in: Festgabe Ulrich Pretzel zum 65. Geburtstag, hg. von W erner S imon , Berlin 1963, S. 316-326. D ers . (1965): Mechthild von Magdeburg und die niederländische Frauenmystik, in: Mediaeval German Studies. Presented to Frederick Norman on the occasion of his retirement, London 1965, S. 231-246. D ers . (1967): Texte und Handschriften zur älteren deutschen Frauenmystik, in: FuF 41 (1967), S. 44-48. D ers . (1980): Elsbeth von Oye, in: 2 VL 2 (1980), Sp. 511-514. D ers . (1987a): Mechthild von Magdeburg, in: 2 VL 6 (1987), Sp. 260-270. D ers . (1987b): Der Minne Spiegel, in: 2 VL 6 (1987), Sp. 559-562. D ers . (1990, 1993): Mechthild von Magdeburg, ›Das fließende Licht der Gottheit‹. Nach der Einsiedler Handschrift in kritischem Vergleich mit der gesamten Überlieferung, Bd. 1: Text, besorgt von G isela V ollmann -P rofe , München [usw.] 1990 (MTU 100) - Bd. 2: Untersuchungen, ergänzt und zum Druck eingerichtet von G isela V ollmann -P rofe , München [usw.] 1993 (MTU 101). 512 Literaturverzeichnis N ichols , S tephen G. (1990): Introduction. Philology in a Manuscript Culture, in: Speculum. A Journal of Medieval Studies 65 (1990), Nr. 1, S. 1-10. D ers . (1997): Why material philology? in: Philologie als Textwissenschaft. Alte und neue Horizonte, hg. von H elmut T ervooren und H orst W enzel , Berlin 1997 (ZfdPh 116, Sonderheft), S. 10-30. N isters , C hristiane : Der «gepineget licham». Zur Bedeutung des ‹Autorinnenkörpers› für die Wahrheitslegitimation des Fliessenden Lichts der Gottheit, in: Literalität und Körperlichkeit. Littéralité et Corporalité, hg. von G ünter K rause , Tübingen 1997 (Kultur-Kreise/ Aires Culturelles 1), S. 21-46. O chsenbein , P eter (1980): Gebet- und Andachtsbücher für die Laienbrüder der Baseler Kartause, in: 2 VL 2 (1980), Sp. 1126-1128. D ers . (1986): Die Offenbarungen Elsbeths von Oye als Dokument leidensfixierter Mystik, in: Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposium Kloster Engelberg 1984, hg. von K urt R uh , Stuttgart 1986 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 7), S. 423-442. D ers . (1988): Leidensmystik in dominikanischen Frauenklöstern des 14. Jahrhunderts am Beispiel der Elsbeth von Oye, in: Religiöse Frauenbewegung und mystische Frömmigkeit im Mittelalter, hg. von P eter D inzelbacher und D ieter R. B auer , Köln [usw.] 1988, S. 353-372. O ltrogge , D oris / S chubert , M artin J.: Von der Reflektographie zur Literaturwissenschaft. Varianzen im ‹Rappoltsteiner Parzifal›, in: Wolfram-Studien XVII (2002), S. 347-376. O ppel , H ans D.: Engelhard von Langheim, in: 2 VL 2 (1979), Sp. 550-554. O ppitz , U lrich -D ieter : Georg Kloss und seine Handschriftensammlung, in: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte 22 (1997) S. 1-47. O rtero V illena , A lmudena : O du vliessender got. Die Sprache der Bewegung bei Mechthild von Magdeburg, in: Euphorion 101 (2007), S. 301-336. O rtmann , C hrista : Das Buch der Minne. Methodologischer Versuch zur deutschlateinischen Gegebenheit des ›Fliessenden Lichts der Gottheit‹ Mechthilds von Magdeburg, in: Grundlagen des Verstehens mittelalterlicher Literatur. Literarische Texte und ihr historischer Erkenntniswert, hg. von G erhard H ahn und H edda R agotzky , Stuttgart 1992 (Kröners Studienbibliothek 663), S. 158-186. O tto , H enrik : Vor- und frühreformatorische Tauler-Rezeption. Annotationen in Drucken des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts, Gütersloh 2003 (Quellen und Forschungen zur Reformationsgschichte 75). O efelein , C ornelia : Das Nonnenkloster St. Jacobi und seine Tochterklöster im Bistum Halberstadt, Berlin 2004 (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser 20). O ehl , W ilhelm (1911): Mechthild von Magdeburg, Das fließende Licht der Gottheit. In Auswahl übersetzt und eingeleitet von W. O., Kempten [u.a.] 1911 (Deutsche Mystiker 2; Sammlung Kösel 48). D ers . (1927): Neu entdeckte Mystikertexte. Elisabeth von Schönau und Mechthild von Magdeburg, in: ZfdA 64 (1927), S. 277-281. D ers . (1931): Deutsche Mystikerbriefe, München 1931. O ergel , G eorg : Die Karthause zu Erfurt, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 27 (1906), S. 1-49. P almer , N igel F. (1982): ›Visio Tnugdali‹ The German and Dutch Translations and their Circulation in the Later Middle Ages, München/ Zürich 1982 (MTU 76). D ers . (1983): Latein, Volkssprache, Mischsprache. Zum Sprachproblem bei Marquard von Lindau, mit einem Handschriftenverzeichnis der ›Dekalogerklärung‹ und des ›Aus- Literaturverzeichnis 513 zugs der Kinder Israel‹, in: Spätmittelalterliche geistliche Literatur in der Nationalsprache, Bd. 1, hg. von J ames H ogg , Salzburg 1983 (Anal Cart 106/ 1), S. 70-110. D ers . (1989): Kapitel und Buch. Zu den Gliederungsprinzipien mittelalterlicher Bücher, in: FMASt 23 (1989), S. 43-88. D ers . (1992): Das Buch als Bedeutungsträger bei Mechthild von Magdeburg, in: Bildhafte Rede in Mittelalter und früher Neuzeit. Probleme ihrer Legitimation und ihrer Funktion, hg. von W olfgang H arms [u.a.], Tübingen 1992, S. 217-235. D ers . (2003): Rezension über V ollmann -P rofe (2003), in: Medium Aevum 72 (2003), S. 170-171. D ers . (2005): Deutschsprachige Literatur im Zisterzienserorden. Versuch einer Darstellung am Beispiel der ostschwäbischen Zisterzienser- und Zisterzienerinnenliteratur im Umkreis von Kloster Kaisheim im 13. und 14. Jahrhundert, in: Zisterziensisches Schreiben im Mittelalter. Das Skriptorium der Reiner Mönche. Beiträge der Internationalen Tagung im Zisterzienserstift Rein Mai 2003, hg. von A nton S chwob und K aren K ranich -H ofbauer , Bern [usw.] 2005 (Jahrbuch für Internationale Germanistik A/ 71), S. 231-266. D ers . (2007): Daughters of Salem. The Literary and Visual Culture of Cistercian Nuns in South-West Germany, in: Frauen - Kloster - Kunst. Neue Forschungen zur Kulturgeschichte des Mittelalters. Beiträge zum Internationalen Kolloquium vom 13. bis 16. Mai 2005 anlässlich der Ausstellung «Krone und Schleier», hg. von J effrey F. H amburger , Turnhout 2007, S. 89-103. D ers . (2009): In kaffin in got. Zur Rezeption des ›Paradisus anime intelligentis‹ in der Oxforder Handchrift MS. Laud. Misc. 479, in: ›Paradisus anime intelligentis‹. Studien zu einer dominikanischen Predigtsammlung aus dem Umkreis Meister Eckharts, hg. von B urkhard H asebrink , N igel F. P almer und H ans -J ochen S chiewer , Tübingen 2009, S. 69-131. P äsler , R alf G.: Deutschsprachige geistliche Texte des Mittelalters im Preußenland. Ein Bestandsverzeichnis, in: Berichte und Forschungen. Jahrbuch des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 13 (2005), S. 7-64. P ätzold , S tefan (2001): Von der Domschule zu den Studia der Bettelorden. Bildung und Wissenschaft im mittelalterlichen Magdeburg, in: Bibel, Bildung, Bettelorden. Sechs Kapitel aus Magdeburgs Kirchengeschichte im Mittelalter. Eingeleitet und bearbeitet von S. P., Halle 2001 (Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen- Anhalts 20), S. 121-137. D ers . (2005): Mendikanten und Beginen im mittelalterlichen Magdeburg, in: Magdeburg 1200. Mittelalterliche Metropole, preußische Festung, Landeshauptstadt. Die Geschichte der Stadt von 805 bis 2005, hg. von M atthias P uhle , Darmstadt 2005. P elster , F ranz : Kritische Studien zum Leben und zu den Schriften Alberts des Großen, Freiburg/ Br. 1920 (Ergänzungshefte zu den Stimmen der Zeit. Zweite Reihe: Forschungen, Heft 4). P eters , U rsula (1984): Frauenmystik im 14. Jahrhundert. Die ›Offenbarungen‹ der Christine Ebner, in: Weiblichkeit oder Feminismus? hg. von C laudia O ppitz , Weingarten 1984, S. 213-227. D ies . (1985): Literaturgeschichte als Mentalitätsgeschichte? Überlegungen zur Problematik einer neuen Forschungsrichtung, in: Germanistik - Forschungsstand und Perspektiven, Bd. 2, hg. von G eorg S tötzel , Berlin 1985, S. 179-198. D ies . (1986): Das ›Leben‹ der Christine Ebner. Textanalyse und kulturhistorischer Kommentar, in: Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposium Kloster Engel- 514 Literaturverzeichnis berg 1984, hg. von K urt R uh , Stuttgart 1986 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 7), S. 402-422. D ies . (1988a): Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum. Zur Vorgeschichte und Genese frauenmystischer Texte des 13. und 14. Jahrhunderts, Tübingen 1988 (Hermaea. Germanistische Forschungen N.F. 56). D ies . (1988b): Vita religiosa und spirituelles Erleben. Frauenmystik und frauenmystische Literatur im 13. und 14. Jahrhundert, in: Deutsche Literatur von Frauen, Bd. 1: Vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, hg. von G isela B rinker - G abler , München 1988, S. 88-109. D ies . (1991): Hofkleriker - Stadtschreiber - Mystikerin. Zum literarischen Status dreier Autorentypen, in: Autorentypen, hg. von W alter H aug [u.a.], Tübingen 1991 (Fortuna Vitrea 6), S. 29-49. D ies . (1999): Mittelalterliche Literatur am Hof und im Kloster. Ergebnisse und Perspektiven eines historisch-anthropologischen Verständnisses, in: Mittelalterliche Literatur und Kunst im Spannungsfeld von Hof und Kloster, hg. von N igel F. P almer und H ans -J ochen S chiewer , Tübingen 1999, S. 167-192. D ies . (2000): Autorbilder in volkssprachigen Handschriften des Mittelalters. Eine Problemskizze, in: ZfdPh 119 (2000), S. 321-368. D ies . (Hg.) (2001a): Text und Kultur. Mittelalterliche Literatur 1150-1450, Stuttgart 2001 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 23). D ies . (2001b) Ordnungsfunktion - Textillustration - Autorkonstruktion. Zu den Bildern der romanischen und deutschen Liederhandschriften, in: ZfdA 130 (2001), S. 392-430. D ies . (2007): Texte vor der Literatur? Zur Problematik neuerer Alteritätsparadigmen der Mittelalter-Philologie, in: Poetica 39 (2007), S. 59-88. D ies . (2008): Das Ich im Bild. die Figur des Autors in volkssprachigen Bilderhandschriften des 13. bis 16. Jahrhunderts, Köln [usw.] 2008 (Pictura et Poesis 22). P feiffer , F ranz (1851): Predigten und Sprüche deutscher Mystiker, in: ZfdA 8 (1851), S. 209-258. D ers . (1857): Deutsche Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts, Bd. 2/ 1, Leipzig 1857. P feiffer , F ranz / S trobl , J oseph (Hgg.): Berthold von Regensburg. Vollständige Ausgabe seiner Predigten mit Einleitungen und Anmerkungen von F. P. und J. S. Mit einer Bibliographie und einem überlieferungsgeschichtlichen Beitrag von K urt R uh , Bd. 2, Berlin 1965 (ND von Wien 1880). P iccard , G erhard (1961): Die Kronen-Wasserzeichen, Stuttgart 1961 (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, Sonderreihe, Findbuch 1). D ers . (1977): Wasserzeichen Buchstabe P, Teil 2, Stuttgart 1977 (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg IV/ 2). D ers . (1997): Wasserzeichen. Hand und Handschuh, Stuttgart 1997 (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, Sonderreihe, Findbuch 17). P lachta , B odo : Fassung, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte, Bd. 1, hg. von K laus W eimar [u.a.], Berlin 1997, S. 567-568. P oor , S ara S. (1999): Gender und Autorität in der Konstruktion einer schriftlichen Tradition, in: Autorität der/ in Sprache, Literatur, Neuen Medien. Vorträge des Bonner Germanistentages 1997, Bd. 2, hg. von J ürgen F ohrmann [u.a.], Bielefeld 1999, S. 532-552. D ies . (2004): Mechthild of Magdeburg and Her Book. Gender and the Making of Textual Authority. Philadelphia 2004 (The Middle Ages Series). Literaturverzeichnis 515 D ies . (2006): Early Mystical Writings, in: German literature of the High Middle Ages, hg. von W ill H asty , New York 2006 (The Camden House History of German Literature 3), S. 185-200. P reger , W ilhelm (1859/ 1861): Matthias Flacius Illyricus und seine Zeit, 2 Bde, Erlangen 1859/ 1861. D ers . (1869a): Vorarbeiten zu einer Geschichte der deutschen Mystik im 13. und 14. Jahrhundert, in: ZhTh 39 (1869), S. 3-145. D ers . (1869b): Über das unter dem Namen der Mechthild von Magdeburg jüngst herausgegebene Werk «das fliessende Licht der Gottheit» und dessen Verfasserin, in: Sitzungsberichte der königlichen bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München 2 (1869), S. 151-162. D ers . (1873): Dante’s Matelda, in: Sitzungsberichte der philosophisch-philologischen und historischen Classe der königlichen bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München 3 (1873), S. 185-240. D ers . (1874): Geschichte der deutschen Mystik im Mittelalter, Bd. 2, Leipzig 1874. D ers . (1881): Mechthild von Magdeburg, in: RE 9 (1881), S. 453-454. Q uast , B runo : Der feste Text. Beobachtungen zur Beweglichkeit des Textes aus Sicht der Produzenten, in: Text und Kultur. Mittelalterliche Literatur 1150-1450, hg. von U rsula P eters , Stuttgart 2001 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 23), S. 34-46. Q uetif , J acques / E chard , J acques : Scriptores ordinis praedicatorum, Bd. 1, Paris 1719. Q uint , J osef (1940): Neue Handschriftenfunde zur Überlieferung der deutschen Werke Meister Eckharts und seiner Schule, Stuttgart/ Berlin 1940. D ers . (Hg.) (1963): Meister Eckharts Traktate, Stuttgart 1963 (Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, ediert im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft: Die deutschen Werke 5). R abenau , K onrad von : Die Geschichte der Kirchenbibliothek von St. Andreas in Eisleben als Spiegel der Kirchengeschichte des Mansfelder Landes, in: Herberge der Christenheit. Jahrbuch für deutsche Kirchengeschichte 15 (1985/ 86), S. 91- 103. R aczek , F. W. von : Lobspruch der Stadt Gloß-Glogau zum ersten Male nach einer Handschrift aus dem 16. Jahrhundert, in: Jahres-Bericht des Kgl. Katholischen Gymnasiums zu Groß-Glogau für das Schuljahr 1864/ 1865, S. 1-18. R edzich , C arola : Aspekte produktiver Rezeption von Bibelübersetzung: Überlieferungs- und Gebrauchszusammenhänge der Johannesapokalypse im bairisch-fränkischen Raum, in: Metamorphosen der Bibel. Beiträge zur Tagung ‹Wirkungsgeschichte der Bibel im deutschsprachigen Mittelalter› vom 4. bis 6. September 2000 in der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars Trier, hg. von R alf P late und A ndrea R app , Bern [usw.] 2004 (Vestigia bibliae 24/ 25), S. 155-173. R eichstein , F rank -M ichael : Das Beginenwesen in Deutschland. Studien und Katalog, Berlin 2001 (Wissenschaftliche Schriftenreihe Geschichte 9). R einhardt , E lisabeth : La antropología de Mectildis de Magdeburgo (s. XIII), in: Anuario de Historia de la Iglesia 16 (2007), S. 231-244. R einhardt , K laus : Erfahrung und Theologie der Liebe Gottes. Die Auslegung des Hohenliedes bei Teresa von Avila und Jerónimo Grácián, in: Von der Suche nach Gott. Helmut Riedlinger zum 75. Geburtstag, hg. von M argot S chmidt und F er nando D óminguez R eboiras , Stuttgart-Bad Cannstatt 1998, S. 109-129. R emmler , K arl : Eine große Dichterin des 13. Jahrhunderts. Mechthild von Magdeburg, in: Unser Harz. Heimatzeitschrift für den gesamten Harz und seine Vorlande 23 (1975), S. 69-71. 516 Literaturverzeichnis R ener , M onika (1994): Lateinische Hagiographie im deutschsprachigen Raum von 1200-1450, in: Hagiographies, hg. von G uy P hilippart , Bd. 1, Turnhaut 1994, S. 199-265. D ies . (1995): Compilatio - ex diversis collecta compositio. Eine spätmittelalterliche Werkform, dargestellt am Beispiel der Vita S. Elyzabeth und der Vita S. Dominici des Dietrich von Apolda, in: AfD 41 (1995), S. 194-209. R euvekamp -F elber , T imo : Autorschaft als Textfunktion. Zur Interdependenz von Erzählerstilisierung, Stoff und Gattung in der Epik des 12. und 13. Jhs., in: ZfdPh 120 (2001), S. 1-23. R evelationes Gertrudianae ac Mechthildianae, Bd. I: Sanctae Gertrudis Magnae Virginis Ordinis Sancti Benedicti Legatus divinis pietatis accedunt ejusdem Exercitia spiritualia. Opus ad Codicum fidem nunc primum integre editum Solesmensium O.S.B. monachorum cura et opera [L ouis P aquelin ], Paris 1875 - Bd. II.1 und 2: Sanctae Mechtildis Virginis Ordinis Sancti Benedicti Liber specialis gratiae accedit Sororis Mechtildis Ejusdem Ordinis Lux divinitatis. Opus ad Codicum fidem nunc primum integre editum Solesmensium O.S.B. monachorum cura et opera [L ouis P aquelin ], Paris 1877. R ice , E ugene R. Jr.: Jacques Lefèvre d’Etaples and the medieval Christian mystics, in: Florilegium Historiale. Essays presented to Wallace K. Ferguson, hg. von J. G. R owe und W. H. S tockdale , Toronto 1971, S. 89-124. R ichter , D ieter : Die deutsche Überlieferung der Predigten Bertholds von Regensburg. Untersuchungen zur geistlichen Literatur des Spätmittelalters, München 1969 (MTU 21). R inaldi , M avi : «… und la mich fúrbas sinken dur din ere». Das Bild des Sinkens im ›Fließenden Licht der Gottheit‹ der Mechthild von Magdeburg, Zürich 1986. R ingler , S iegfried : Viten- und Offenbarungsliteratur in Frauenklöstern des Mittelalters. Quellen und Studien, München 1980 (MTU 72). R oth , D etlef : ›Historia septem sapientum‹ Überlieferung und textgeschichtliche Edition, Bd. 1: Untersuchung und Edition der Redaktionen I und II, Tübingen 2004 (MTU 126). R oth , F riedrich W ilhelm E mil (Hg.): Die Visionen der hl. Elisabeth und die Schriften der Äbte Ekbert und Emecho von Schönau. Mit einem historischen Abrisse des Lebens der hl. Elisabeth, der Äbte Ekbert und Emecho von Schönau. Ein Beitrag zur Mystik und Kirchengeschichte, Brünn 1884. R ottmanner , O dilo : Die neuere Literatur der Geschichte der deutschen Mystik [1884], in: D ers ., Geistesfrüchte aus der Klosterzelle. Gesammelte Aufsätze, hg. von R upert J ud , München 1908, S. 239-249. R ouse , M ary A./ R ouse , R ichard H.: Correction and emendation of texts in the fifteenth century and the autograph of the Opus pacis by «Oswaldus Anglicus», in: Scire litteras. Forschungen zum mittelalterlichen Geistesleben, hg. von S igrid K rämer [u.a.], München 1988 (Abhandlungen. Bayerische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse N.F. 99), S. 333-346. R öckelein , H edwig : Jutta von Sangerhausen (13. Jahrhundert) - der gescheiterte Versuch einer Kanonisation? , in: Global-Player der Kirche? Heilige und Heiligsprechung im universalen Verkündigungsauftrag, hg. von L udwig M ödl [u.a.], Würzburg 2006, S. 126-156. Wieder in: Homines et historia VIII: Die Vorträge der Gäste des Instituts für Geschichte und Archivkunde der Nikolaus-Kopernikus Universität im Studienjahr 2004/ 2005, hg. von W ieslaw S ieradzan , Torún 2006, S. 99-138. Literaturverzeichnis 517 R öll , W alter : Der vierzigjährige Dichter. Anläßlich des Liedes ›Es fuegt sich‹ Oswalds von Wolkenstein, in: ZfdPh 94 (1975), S. 377-394. R uberg , U we : Beredtes Schweigen in lehrhafter und erzählender deutscher Literatur des Mittelalters. Mit kommentierter Erstedition spätmittelalterlicher Lehrtexte über das Schweigen, München 1978 (MMS 32). R uh , K urt (1950): Altdeutsche Mystik, Bern 1950 (Altdeutsche Übungstexte 11). D ers . (1956/ 57): Altdeutsche Mystik. Ein Forschungsbericht, in: WW 7 (1956/ 57), S. 135-146. D ers . (1964/ 1984): Altniederländische Mystik in deutschsprachiger Überlieferung (1964), in: K. R., Kleine Schriften, Bd. 2, hg. von V olker M ertens , Berlin/ New York 1984, S. 94-117. D ers . (1977/ 1984): Beginenmystik. Hadewijch, Mechthild von Magdeburg, Marguerite Porete (1977), in: K. R., Kleine Schriften, Bd. 2, hg. von V olker M ertens , Berlin/ New York 1984, S. 237-249. D ers . (1978): Votum für eine überlieferungskritische Editionspraxis, in: Probleme der Edition mittel- und neulateinischer Texte. Kolloquium der Deutschen Forschungsgemeinschaft Bonn 26.- 28. Februar 1973, hg. von L udwig H ödl und D ieter W uttke , Bonn 1978, S. 35-40. D ers . (1984): Mhd. natûren. Beobachtungen zur Bedeutungsentfaltung, in: Studia Linguistica et Philologica. Festschrift Klaus Matzel zum sechzigsten Geburtstag, hg. von H ans -W erner E roms [u.a.], Heidelberg 1984 (Germanische Bibliothek, Reihe 3: Untersuchungen), S. 255-262. D ers . (1985a): Gottesliebe bei Hadewijch, Mechthild von Magdeburg und Marguerite Porete, in: Romanische Literaturbeziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift F. Rauhut, hg. von A ngel S an M iguel [u.a.], Tübingen 1985, S. 243-254. D ers . (1985b): Überlieferungsgeschichte mittelalterlicher Texte als methodischer Ansatz zu einer erweiterten Konzeption von Literaturgeschichte, in: Überlieferungsgeschichtliche Prosaforschung. Beiträge der Würzburger Forschergruppe zur Methode und Auswertung, hg. von K urt R uh , Tübingen 1985 (TTG 19), S. 262-272. D ers . (1986): Überlegungen und Beobachtungen zur Sprache der Mystik, in: Brüder- Grimm-Symposion zur Historischen Wortforschung. Beiträge zu der Marburger Tagung vom Juni 1985, hg. von R einer H ildebrandt und U lrich K noop , Berlin [usw.] 1986 (Historische Wortforschung 1), S. 23-39. D ers . (1988): Das mystische Schweigen und die mystische Rede, in: Festschrift Ingo Reiffenstein zum 60. Geburtstag, hg. von P eter K. S tein [u.a.], Göppingen 1988 (GAG 478), S. 463-472. D ers . (1989a): Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 2 1989. D ers . (1989b): ›Paradisus anime intelligentis‹ (›Paradis der fornuftigen sele‹), in: 2 VL 7 (1989), Sp. 288-303. D ers . (1990): Geschichte der abendländischen Mystik, Bd. 1, München 1990. D ers . (1991): Mechthild von Magdeburg und Wichmann von Arnstein, in: ZfdA 120 (1991), S. 322-325. D ers . (1992): Gertrud von Helfta. Ein neues Gertrud-Bild, in: ZfdA 121 (1992), S. 1-20. D ers . (1993): Geschichte der abendländischen Mystik, Bd. 2, München 1993. D ers . (1995a): Rezension über N eumann (1990, 1993), in: ZfdA 124 (1995), S. 98- 103. D ers . (1995b): Rezension über D inzelbacher / V ogeler (1994), in: ZfdA 124 (1995), S. 355-360. 518 Literaturverzeichnis D ers . (1996): Geschichte der abendländischen Mystik, Bd. 3, München 1996. D ers . (1999a): Geschichte der abendländischen Mystik, Bd. 4, München 1999. D ers . (1999b): Das zwölfjährige Mönchlein, in: 2 VL 10 (1999), Sp. 1650-1652. D ers . (1999c): Wichmann von Arnstein OPraem/ OP, in: 2 VL 10 (1999), Sp. 982-985. D ers . (2004): Johannes von Magdeburg, in: 2 VL 11 (2004), Sp. 788-791. R uhrberg , C hristine (1995): Der literarische Körper des Heiligen. Leben und Viten der Christina von Stommeln (1242-1312), Tübingen [u.a.] 1995 (Bibliotheca Germanica 35). D ies . (2000): Rezension über H ubrath (1996), in: PBB 122 (2000), S. 165-169. R üthing , H einrich : Die Kartäuser und die spätmittelalterlichen Ordensreformen, in: Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, hg. von K aspar E lm , Berlin 1989 (Berliner Historische Studien 14), S. 35-58. R üttgardt , A ntje : Zwischen Reform und Reformation: Das Jungfrauenkloster Neu- Helfta bis 1525, in: Bete und Arbeite! Zisterzienser in der Grafschaft Mansfeld, hg. von E sther P ia W ipfler in Zusammenarbeit mit R ose -M arie K nape , Halle/ Saale 1998, S. 199-215. S carpatetti , B eat M atthias von : Katalog der datierten Handschriften in der Schweiz in lateinischen Schrift vom Anfang des Mittelalters bis 1550, Bd. 2/ 1-2: Text und Abbildungen, Zürich 1983. S cheeben , H eribert C hristian : Albert der Große. Zur Chronologie seines Lebens, Leipzig 1931 (QF 27). S cheepsma , W ybren (2007): Überregionale Beziehungen zwischen dem Rheinland und Brabant in der mystischen Literatur des 14. Jahrhunderts, in: University, council, city. Intellectual Culture on the Rhine (1300-1550). Acts of the XII th International Colloquium of the Société Internationale pour l’Étude de la Philosophie Médiévale Freiburg im Breisgau, 27-29 October 2004, hg. von L aurent C esalli [u.a.], Turnhout 2007 (Rencontres des philosophie médiévale 13), S. 247-275. D ers . (2008a): Meister Eckhart in den Niederlanden. Rezeption und Überlieferung im 14. Jahrhundert, in: exemplar. Festschrift Kurt Otto Seidel, hg. von R üdiger B randt und D ieter L au , Frankfurt/ M. 2008 (Latens 5), S. 9-54. D ers . (2008b): The Limburg Sermons. Preaching in the Medieval Low Countries at the Turn of the Fourteenth Century, Leiden 2008 (Brill’s Series in Church History). S cheepsma , W ybren / S chiewer , H ans -J ochen / W arnar , G eert (Hgg.) (2011): The Gottesfreunde and the Textual Culture of Vernacular Mysticism in the Rhineland and the Low Countries, Leiden: Brill (voraussichtlich 2011). S chiewer , H ans -J ochen (1993): Die beiden Sankt Johannsen, ein dominikanischer Johannes-Libellus und das literarische Leben im Bodenseeraum um 1300, in: OGS 22 (1993), S. 21-54. D ers . (1996): ›Die Schwarzwälder Predigten‹. Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte der Sonntags- und Heiligenpredigten, Tübingen 1996 (MTU 105). D ers . (2000): Uslesen. Das Weiterwirken mystischen Gedankenguts im Kontext dominikanischer Frauengemeinschaften, in: Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, hg. von W alter H aug und W olfram S chneider- L astin , Tübingen 2000, S. 581-603. D ers . (2002a): Acht oder Zwölf. Die Rolle der Meierstochter im ›Armen Heinrich‹ Hartmanns von Aue, in: Literarische Leben. Rollenentwürfe in der Literatur des Hoch- und Spätmittelalters. Festschrift Volker Mertens, hg. von M atthias M eyer , Tübingen 2002, S. 649-667. Literaturverzeichnis 519 D ers . (2002b): Möglichkeiten und Grenzen schreibender Ordensfrauen im Spätmittelalter, in: Bettelorden, Bruderschaften und Beginen in Zürich. Stadtkultur und Seelenheil im Mittelalter, hg. von B arbara H elbling [u.a.], Zürich 2002, S. 179- 187. D ers . (2002c): Die Sammlung Leuchte. Eine Berliner Privatbibliothek mittelalterlicher deutschsprachiger Handschriften, in: Die Präsenz des Mittelalters in seinen Handschriften Ergebnisse der Berliner Tagung in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, 6.- 8. April 2000, hg. von H ans -J ochen S chiewer und K arl S tackmann , Tübingen 2002, S. 337-349. D ers . (2004): Literarisches Leben in dominikanischen Frauenklöstern des 14. Jahrhunderts. Das Modell St. Katharinental bei Dießenhofen, in: Studien und Texte zur literarischen und materiellen Kultur der Frauenklöster im späten Mittelalter. Ergebnisse eines Arbeitsgesprächs in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 24.- 26. Febr. 1999, hg. von F alk E isermann [u.a.], Leiden [usw.] 2004 (Studies in Medieval and Reformation Thought), S. 285-309. D ers . (2005): Fassung, Bearbeitung, Version und Edition, in: Deutsche Texte des Mittelalters zwischen Handschriftennähe und Rekonstruktion. Berliner Fachtagung 1.- 3. April 2004, hg. von M artin J. S chubert , Tübingen 2005 (Beihefte zu editio 23), S. 35-50. S chiewer , R egina D. (2002): Eine deutschsprachige Überlieferung des ›Miraculum I‹ Wichmanns von Arnstein, in: ZfdA 131 (2002), S. 436-453. D ies . (2007): «Vos amici Die estis» Die ‹Gottesfreunde› des 14. Jahrhunderts bei Seuse, Tauler und in den ›Engelberger Predigten‹: Religiöse Elite, Verein oder Literaturzirkel? , in: Amicitia. Friendship in medieval culture. Papers in honour of Nigel F. Palmer, hg. von A lmut S uerbaum und A nnette V olfing , Leeds 2007 (OGS 36/ 2), S. 227-246. S chiller , G ertrud : Ikonographie der christlichen Kunst, Bd. 5, Gütersloh 1991. S chleussner , W ilhelm (1907): Magdalena von Freiburg. Eine pseudomystische Erscheinung d. späteren Mittelalters 1407-1458, in: Der Katholik 87 (1907), S. 15-32, 109-127 und 199-216. D ers . (1929): Mechthild von Magdeburg. Das fliessende Licht der Gottheit nach einer neugefundenen Handschrift hg. und übersetzt von W. S., Mainz 1929. S chmidt , M argot (1955): Mechthild von Magdeburg, Das fliessende Licht der Gottheit. Eingeführt von M. S. mit einer Studie von H ans U rs von B althasar , Einsiedeln [usw.] 1955 (Menschen der Kirche in Zeugnis und Urkunde 3). D ies . (1969): Rudolf von Biberach. Die siben strassen zu got. Die hochalemannische Übertragung nach der Handschrift Einsiedeln 278, Florenz 1969 (Spicilegium Bonaventurianum 6). D ies . (1980): Mechtilde de Magdebourg, in: DS 10 (1980), Sp. 877-885. D ies . (1986a): Das Ries als eines der Mystik-Zentren im Mittelalter, in: Rieser Kulturtage VI (1986), Nr. 1, S. 473-493. D ies . (1986b): «die spilende minnevluot» Der Eros als Sein und Wirkkraft in der Trinität bei Mechthild von Magdeburg, in: «Eine Höhe, über die nichts geht» Spezielle Glaubenserfahrung in der Frauenmystik? , hg. von M. S. und D ieter R. B auer , Stuttgart-Bad Cannstatt 1986 (MyGG I/ 4), S. 71-133. D ies . (1987): Mechthild von Hackeborn, in: 2 VL 6 (1987), Sp. 251-260. D ies . (1989): «Maria, Spiegel der Schönheit» Zum Marienbild bei Hildegard von Bingen und Mechthild von Magdeburg, in: Maria - für alle Frauen oder über allen Frauen? , hg. von E lisabeth G össmann und D ieter R. B auer , Freiburg/ Br. 1989, S. 86-115. 520 Literaturverzeichnis D ies . (1993): Der Einfluß Mechthilds von Magdeburg im Süddeutschen Raum, in: Theologie zwischen Zeiten und Kontinenten. Festschrift Elisabeth Gössmann, hg. von T heodor S chneider und H elen S chüngel -S traumann , Freiburg/ Br. 1993, S. 115-135. D ies . (1995): Mechthild von Magdeburg, Das fließende Licht der Gottheit. Zweite, neu bearbeitete Übersetzung mit Einführung und Kommentar, Stuttgart-Bad Cannstatt 1995 (MyGG I/ 11). S chmidt , P aul G erhard (1992): Johannes von Magdeburg O.P., Die Vita der Margareta Contracta, einer Magdeburger Rekluse des 13. Jahrhunderts, Leipzig 1992 (Studien zur katholischen Bistums- und Klostergeschichte 36). D ers . (2007): Eine Kurzfassung der ›Vita Margaretae Contractae‹, in: Hagiographica 14 (2007), S. 211-230. S chmidt , P hilipp : Die Bibliothek des ehemaligen Dominikanerklosters Basel, in: BZGA 18 (1919), S. 160-254. S chmidt , W ieland : Die vierundzwanzig alten Ottos von Passau, Berlin 1936. S chmidt -B iggemann , W ilhelm : Flacius Illyricus’ ›Catalogus testium veritatis‹ als kontroverstheologische Polemik, in: Reformer als Ketzer. Heterodoxe Bewegungen von Vorreformatoren, hg. von G ünter F rank und F riedrich N iewöhner unter Mitarbeit von S ebastian L alla , Stuttgart-Bad Cannstatt 2004 (Melanchton-Schriften der Stadt Bretten 8), S. 263-291. S chneider , A lmut : Auffassungen von der Herkunft der Sprachen in deutschen Texten des Mittelalters, in: Internationalität nationaler Literaturen. Beiträge zum ersten Symposion des Göttinger Sonderforschungsbereichs 529, hg. von U do S chöning , Göttingen 2000 (Veröffentlichungen aus dem Göttinger Sonderforschungsbereich 529 «Internationalität nationaler Literaturen», Sonderband), S. 148-162. S chneider , G erhard (Hg.): Evangelia infantiae apocrypha. Apokryphe Kindheitsevangelien, Freiburg/ Br. 1995 (Fontes Christiani 18). S chneider , K arin (1988): Deutsche mittelalterliche Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg. Die Signaturengruppe Cod. I. 3 und Cod. III. 1, Wiesbaden 1988 (Die Handschriften der Universitätsbibliothek II/ 1). D ies . (1999): Rezension über W illiams / W illiams -K rapp (1998), in: ZfdA 128 (1999), S. 115-118. D ies . (2006): Pseudo-Engelhart von Ebrach, Das Buch der Vollkommenheit, Berlin 2006 (DTM 86). D ies . (2009): Gotische Schriften. Die oberdeutschen Handschriften von 1300 bis 1350, 2 Bde, Wiesbaden 2009. S chneider -L astin , W olfram (1994): Das Handexemplar einer mittelalterlichen Autorin. Zur Edition der Offenbarungen Elsbeths von Oye, in: editio 8 (1994), S. 53-70. D ers . (1995): Die Fortsetzung des Ötenbacher Schwesternbuchs und andere vermißte Texte in Breslau, in: ZfdA 124 (1995), S. 201-210. D ers . (2000): Von der Begine zur Chorschwester: Die Vita der Adelheit von Freiburg aus dem ›Ötenbacher Schwesternbuch‹. Textkritische Edition mit Kommentar, in: Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte, hg. von W alter H aug und W olfram S chneider- L astin , Tübingen 2000, S. 515-561. D ers . (2004): ›Ötenbacher Schwesternbuch‹, Fortsetzung, in: 2 VL 11 (2004), Sp. 1113-1115. D ers . (2009): Leben und Offenbarungen der Elsbeth von Oye. Textkritische Edition der Vita aus dem ›Ötenbacher Schwesternbuch‹, in: Kulturtopographie des deutschsprachigen Südwestens im späteren Mittelalter. Studien und Texte, hg. von B arbara Literaturverzeichnis 521 F leith und R ené W etzel , Berlin/ New York 2009 (Kulturtopographie des alemannischen Raums 1), S. 395-467. S chnell , B ernhard (1981): Ein neues Exzerpt aus dem ›Fließenden Licht der Gottheit‹ der Mechthild von Magdeburg, in: ZfdA 110 (1981), S. 272-275. D ers . (1984): Thomas Peuntner ›Büchlein von der Liebhabung Gottes‹. Edition und Untersuchungen, München 1984 (MTU 81). D ers . (1985): Zur Bedeutung der Bibliotheksgeschichte für eine Überlieferungs- und Wirkungsgeschichte, in: Überlieferungsgeschichtliche Prosaforschung. Beiträge der Würzburger Forschergruppe zur Methode und Auswertung, hg. von K urt R uh , Tübingen 1985 (TTG 19), S. 221-230. S chnell , R üdiger (1997): Was ist neu an der ‹New Philology›? Zum Diskussionsstand in der germanistischen Mediävistik, in: Alte und neue Philologie, hg. von M artin - D ietrich G lessgen und F ranz L ebsanft , Tübingen 1997 (Beihefte zu editio 8), S. 61-95. D ers . (1998): ‹Autor› und ‹Werk› im deutschen Mittelalter. Forschungskritik und Forschungsperspektiven, in: Wolfram-Studien XV (1998), S. 12-73. D ers . (2001a): Von der Rede zur Schrift: Konstituierung von Autorität in Predigt und Predigtüberlieferung, in: The Construction of Textual Authority in German Literature of the Medieval and Early Modern Periods, hg. von J ames G. P oag und C laire B aldwin , Chapel Hill 2001, S. 91-134. D ers . (2001b): Vom Sänger zum Autor. Konsequenzen der Schriftlichkeit des deutschen Minnesangs, in: Text und Kultur. Mittelalterliche Literatur 1150-1450, hg. von U rsula P eters , Stuttgart 2001 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 23), S. 96-149. S chnyder , M ireille : Der Text als Fragment, in: Akten des X. Internationalen Germanistenkongresses Wien 2000 »Zeitenwende - Die Germanistik auf dem Weg vom 20. ins 21. Jahrhundert« Bd. 5, hg. von P eter W iesinger , Bern [usw.] 2002 (Jahrbuch für Internationale Germanistik A/ 57), S. 301-307. S cholz , M anfred G ünter : Hören und Lesen. Studien zur primären Rezeption der Literatur im 12. und 13. Jahrhundert, Wiesbaden 1980. S chreiner , K laus (1992): Verschriftlichung als Faktor monastischer Reform. Funktionen von Schriftlichkeit im Ordenswesen des hohen und späten Mittelalters, in: Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter. Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen, hg. von H agen K eller [u.a.], München 1992 (MMS 65), S. 37-75. D ers . (2002): Heilige Buchstaben, Texte und Bücher, die schützen, heilen und helfen. Formen und Funktionen mittelalterlicher Schriftmagie, in: Materialität und Medialität von Schrift, hg. von E rika G reber [u.a.], Bielefeld 2002 (Schrift und Bild in Bewegung 1), S. 73-89. S chröder , W erner (1996): Die ‹Neue Philologie› und das ‹Moderne Mittelalter›, in: Germanistik in Jena. Reden aus Anlaß des 70. Geburtstages von Heinz Mettke, 10. Januar 1995, Jena 1996, S. 33-50. D ers . (1996/ 1999): Rezension über N eumann (1990, 1993), in: ZfdPh 115 (1996), S. 129-134. Wieder in: W.S. Critica Selecta. Zu neuen Ausgaben mittelhochdeutscher und frühneuhochdeutscher Texte, hg. von W olfgang M aaz und F ritz W agner , Hildesheim 1999 (Spolia Berolinensia 14), S. 149-154. D ers . (1998): Bumke contra Lachmann oder: wie die ‹Neue Philologie› die mittelhochdeutschen Dichter enteignet, in: MJb 33 (1998), S. 171-183. D ers . (2005): Rezension über V ollmann -P rofe (2003), in: MJb 40 (2005), S. 300-303. 522 Literaturverzeichnis S chubert , M artin J. (2000): Ain schreiber, der was tëglich truncken. Zu Stand und Fortgang der Varianzforschung, in: JOWG 12 (2000), S. 35-47. D ers . (2003): Versuch einer Typologie von Schreibereingriffen, in: Der Schreiber im Mittelalter, hg. von M artin J. S chubert , Berlin 2003 (Das Mittelalter 7, 2002, Heft 2), S. 125-144. S chuchert , C arolin : Walther in A. Studien zum Corpusprofil und zum Autorbild Walthers von der Vogelweide in der Kleinen Heidelberger Liederhandschrift, Frankfurt a. M. 2010 (Walther-Studien 6). S chultz , R ichard : Heinrich von Nördlingen. Seine Zeit, sein Leben und seine Stellung innerhalb der Deutschen Mystik, in: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte 10 (1976), S. 114-164. S chulze , U rsula (2001): Varianz und Identität in rechtssprachlichen und dichterischen Texten, in: Text und Kultur. Mittelalterliche Literatur 1150-1450, hg. von U rsula P eters , Stuttgart 2001 (Germanistische Symposien, Berichtsbände 23), S. 47-71. D ies . (2007): Mündlichkeit und Schriftlichkeit im ‹Editionsprozess› des Nibelungenliedes, in: editio 21 (2007), S. 1-18. S chürer , M arkus : Die Erfindung des Heiligen. Dominikus von Guzmán und Petrus Martyr als Figuren zwischen Topik und Singularität, in: Das Eigene und das Ganze. Zum Individuellen im mittelalterlichen Religiosentum, hg. von G ert M elville und M. S., Münster [usw.] 2002 (Vita regularis 16), S. 339-377. S chwarz -M ehrens , E lisabeth : Zum Funktionieren und zur Funktion der Compassio im ›Fließenden Licht der Gottheit‹ Mechthilds von Magdeburg, Göppingen 1985 (GAG 410). S chweikle , G ünther (1985): Zur Edition mittelhochdeutscher Lyrik. Grundlagen und Perspektiven, in: ZfdPh 104 (1985), Sonderheft, S. 2-18. D ers . (1993): Prämissen der Textkritik und Editionsmethode der Lachmann-Schule, überprüft an der Lyrik Oswalds von Wolkenstein, in: Methoden und Probleme der Edition mittelalterlicher deutscher Texte. Bamberger Fachtagung 26.- 29. Juni 1991 Plenumsreferate, hg. von R olf B ergmann und K urt G ärtner , Tübingen 1993 (Beihefte zu editio 4), S. 120-136. S chweitzer , F ranz -J osef (1992): ‹Weiße Flecken› in der Literaturgeschichte? Zur mystischen und lehrhaft-geistlichen Literatur um 1300, in: Mediävistische Literaturgeschichtsschreibung. Gustav Ehrismann zum Gedächtnis, hg. von R olf B räuer und O tfrid E hrismann , Göppingen 1992 (GAG 572), S. 235-247. D ers . (1998): Angelus Silesius, in: Wörterbuch der Mystik, hg. von P eter D inzelbacher , Stuttgart 1998 (Kröners Taschenbuchausgabe 456), S. 19-20. S chwineköper , B erent : Aus der Geschichte des Magdeburger Domkapitels, in: Beiträge zur Geschichte des Erzbistums Magdeburg, hg. von F ranz S chrader , Leipzig 1968 (Studien zur katholischen Bistums- und Klostergeschichte 11), S. 87-122. S chwietering , J ulius : Zur Autorschaft von Seuses Vita, in: Altdeutsche und altniederländische Mystik, hg. von K urt R uh , Darmstadt 1964 (WdF 23), S. 309-323. S eelhorst , J örg : Autoreferenzialität und Transformation. Zur Funktion mystischen Sprechens bei Mechthild von Magdeburg, Meister Eckhart und Heinrich Seuse, Tübingen [usw.] 2003 (Bibliotheca Germanica 46). S eidel , K urt O tto (2003a): Tres digiti scribunt totum corpusque laborat. Kolophone als Quelle für das Selbstverständnis mittelalterlicher Schreiber, in: Der Schreiber im Mittelalter, hg. von M artin J. S chubert , Berlin 2003 (Das Mittelalter 7, 2002, Heft 2), S. 145-156. Literaturverzeichnis 523 D ers . (2003b): ›Die St. Georgener Predigten‹. Untersuchung zur Überlieferungs- und Textgeschichte, Tübingen 2003 (MTU 121). S enne , E lke (2002): Das Fließende Licht der Gottheit Mechthilds von Magdeburg. Die Fassung der sogenannten Wolhusener Handschrift. Text und Untersuchung, Diss. München 2000, Mikr.-Ausg. Berlin 2002. D ies . (2003): Überlieferung als Rezeption. Elisabeth von Schönau in der Wolhusener Handschrift, in: Schrift - Text - Edition. Hans Walther Gabler zum 65. Geburtstag, hg. von C hristiane H enkes [u.a.], Tübingen 2003 (Beihefte zu editio 19), S. 149-160. D ies . (2004): Probleme der Autorschaft und Authentizität in der Überlieferung des Fließenden Lichts Mechthilds von Magdeburg, in: Autor - Autorisation - Authentizität. Beiträge der Internationalen Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft für germanistische Edition in Verbindung mit der Arbeitsgemeinschaft philosophischer Editionen und der Fachgruppe Freie Forschungsinstitute in der Gesellschaft für Musikforschung, Aachen, 20. bis 23. Februar 2002, hg. von T homas B ein [u.a.], Tübingen 2004 (Beihefte zu editio 21), S. 139-151. S enner , W alter OP: Die ›Rede der underscheidunge‹ als Dokument dominikanischer Spiritualität, in: Meister Eckhart in Erfurt, hg. von A ndreas S peer und L ydia W egener , Berlin-New York 2005 (Miscellanea Mediaevalia 32), S. 109-121. S eppänen , L auri : Hermann von (der) Loveia, in: 2 VL 3 (1981), Sp. 1072-1074. S exauer , W olfram D.: Frühneuhochdeutsche Schriften in Kartäuserbibliotheken. Untersuchungen zur Pflege der volkssprachlichen Literatur in Kartäuserklöstern des oberdeutschen Raumes bis zum Einsetzen der Reformation, Frankfurt/ M. [usw.] 1978 (Europäische Hochschulschriften I/ 247). S öller , B ertram : Der Traktat ›Paradisus animae‹ des Pseudo-Albertus Magnus im deutschen Spätmittelalter. Überlieferungsgeschichte - Wirkungsgeschichte - Textedition der vntugent-Version aus dem 15. Jahrhundert, Diss. masch. Würzburg 1987. S paapen , B.: Middeleeuwse Passiemystiek, in: OGE 42 (1968), S. 11-32, 225-261 und 374-421. S panily , C laudia : Autorschaft und Geschlechterrolle. Möglichkeiten weiblichen Literatentums im Mittelalter, Frankfurt/ M [usw.] 2002 (Tradition - Reform - Innovation 5). S pechtler , F ranz V iktor : Überlieferung mittelalterlicher deutscher Literatur und kritischer Text. Ein Votum für das Leithandschriftenprinzip, in: FS für Adalbert Schmidt zum 70. Geburtstag, hg. von G erlinde W eiss unter Mitwirkung von G erd -D ieter S tein , Stuttgart 1976 (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik 4), S. 221-233 S pitzlei , S abine B.: Erfahrungsraum Herz. Zur Mystik des Zisterzienserinnenklosters Helfta im 13. Jahrhundert, Stuttgart-Bad Cannstatt 1991 (MyGG I/ 9). S piess , E mil : Ein Zeuge mittelalterlicher Mystik in der Schweiz, Rorschach o.J. [Imprimatur: 1935]. S pringer , M atthias : Magdeburg im Mittelalter, in: Magdeburg. Porträt einer Stadt, hg. von J ános S tekovics , Halle/ Saale 2 2004 (Deutsche Städteporträts 1), S. 73-103. S tachnik , R ichard [u.a.] (Hg.): Die Akten des Kanonisationsprozesses Dorotheas von Montau 1394-1521, Köln-Wien 1978 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 15). S tackmann , K arl (1964/ 1997): Mittelalterliche Texte als Aufgabe (1964), in: Mittelalterliche Texte als Aufgabe. Kleine Schriften, Bd. 1, hg. von J ens H austein , Göttingen 1997, S. 1-25. D ers . (1983/ 1997): Über die wechselseitige Abhängigkeit von Editor und Literarhistoriker. Anmerkungen nach Erscheinen der Göttinger Frauenlob-Ausgabe (1983), 524 Literaturverzeichnis in: K. S., Mittelalterliche Texte als Aufgabe. Kleine Schriften, Bd. 1, hg. von J ens H austein , Göttingen 1997, S. 221-238. D ers . (1988): Die Bedeutung des Beiwerks für die Bestimmung der Gebrauchssituation vorlutherischer deutscher Bibeln, in: De captu lectoris. Wirkungen des Buches im 15. und 16. Jahrhundert dargestellt an ausgewählten Handschriften und Drucken, hg. von W olfgang M ilde und W erner S chuder , Berlin/ New York 1988 S. 273-288. D ers . (1992): Hans Neumann. 10. April 1903 - 9. Februar 1990, in: Jahrbuch der Akademie der Wissenschaften in Göttingen für das Jahr 1991, Göttingen 1992, S. 176-199. D ers . (1993): Die Edition - Königsweg der Philologie? , in: Methoden und Probleme der Edition mittelalterlicher deutscher Texte, hg. von R olf B ergmann , Tübingen 1993 (Beihefte zu editio 4), S. 1-18. D ers . (1994): Neue Philologie? , in: Modernes Mittelalter. Neue Bilder einer populären Epoche, hg. von J oachim H einzle , Frankfurt/ M [usw.] 1994, S. 398-427. D ers . (1997): Varianz der Worte, der Form und des Sinnes, in: Philologie als Textwissenschaft. Alte und neue Horizonte, hg. von H elmut T ervooren , Berlin 1997 (ZfdPh 116, Sonderheft), S. 131-149. D ers . (1998): Autor - Überlieferung - Editor, in: Das Mittelalter und die Germanisten. Zur neueren Methodengeschichte der Germanischen Philologie. Freiburger Colloquium 1997, hg. von E ckart C onrad L utz , Freiburg/ Schweiz 1998 (Scrinium Friburgense 11), S. 11-32. D ers . (2001): Joachim Bumkes Ausgabe der ›Klage‹. Notizen zu einer bemerkenswerten Neuedition, in: ZfdPh 120 (2001), S. 381-393. S tadler , H elena (1999): Die Sünderin Eva aus frauenmystischer Sicht: Zur Genesis- Auslegung Mechthilds von Magdeburg, in: Schwierige Frauen - schwierige Männer in der Literatur des Mittelalters, hg. von A lois M. H aas und I ngrid K asten , Bern [usw.] 1999, S. 201-220. D ies . (2001): Konfrontation und Nachfolge. Die metaphorische und narrative Ausgestaltung der unio mystica im Fliessenden Licht der Gottheit von Mechthild von Magdeburg, Bern [usw.] 2001 (Deutsche Literatur von den Anfängen bis 1700, 35). S tammler , W olfgang (1948): Gottsuchende Seelen. Prosa und Verse aus der deutschen Mystik des Mittelalters, München 1948. D ers . (1956): Albert der Große und die deutsche Volksfrömmigkeit des Mittelalters, in: FZfPhTh 3 (1956), S. 287-319. S taubach , N ikolaus (1994): Von der persönlichen Erfahrung zur Gemeinschaftsliteratur. Entstehungs- und Rezeptionsbedingungen geistlicher Reformtexte im Spätmittelalter, in: OGE 68 (1994), S. 200-227. D ers . (2002): Text als Prozeß. Zur Pragmatik des Schreibens und Lesens in der Devotio moderna, in: Pragmatische Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur, hg. von C hristel M eier [u.a.], München 2002 (MMS 79), S. 251-276. S tauffacher , M athias : Untersuchungen zur handschriftlichen Überlieferung des ‹Engelberger Predigers›, Diss. Basel 1982 (online: http: / / www.muebisch.ch/ biblio00.htm). S teer , G eorg (1978): Stand der Methodenreflexion im Bereich der altgermanistischen Editionen, in: Probleme der Edition mittel- und neulateinischer Texte. Kolloquium der Deutschen Forschungsgemeinschaft Bonn 26.- 28. Februar 1973, hg. von L udwig H ödl und D ieter W uttke , Bonn 1978, S. 117-129. D ers . (1979): Das Fassungsproblem der Heldenepik, in: Deutsche Heldenepik in Tirol. König Laurin und Dietrich von Bern in der Dichtung des Mittelalters. Beiträge der Literaturverzeichnis 525 Neustifter Tagung 1977 des Südtiroler Kulturinstitutes, hg. von E gon K ühebacher , Bozen 1979, S. 105-115. D ers . (1985a): Textgeschichtliche Edition, in: Überlieferungsgeschichtliche Prosaforschung. Beiträge der Würzburger Forschergruppe zur Methode und Auswertung, hg. von K urt R uh , Tübingen 1985, S. 37-52. D ers . (1985b): Gebrauchsfunktionale Text- und Überlieferungsanalyse, in: Überlieferungsgeschichtliche Prosaforschung. Beiträge der Würzburger Forschergruppe zur Methode und Auswertung, hg. von K urt R uh , Tübingen 1985 (TTG 19), S. 5-36. D ers . (1987a): Die ›Rechtssumme‹ Bruder Bertholds. Eine deutsche abecedarische Bearbeitung der ›Summa confessorum‹ des Johannes von Freiburg. Synoptische Edition der Fassungen B, A und C, 4 Bde, Tübingen 1987 (TTG 11-14). D ers . (1987b): Geistliche Prosa, in: Die deutsche Literatur im späten Mittelalter 1250-1370, T. 2, hg. von I ngeborg G lier , München 1987 (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart III/ 2), S. 306-370. D ers . (1988): Predigten und Predigtsammlungen Meister Eckharts in Handschriften des 14. Jahrhunderts, in: Deutsche Handschriften 110-1400. Oxforder Kolloquium 1985, hg. von V olker H onemann und N igel F. P almer , Tübingen 1988, S. 399-407. D ers . (1993): Textkritik und Textgeschichte. Editorische Präsentation von Textprozessen: Das ›Nibelungenlied‹. Der ›Schwabenspiegel‹. Die ›Predigten‹ Taulers, in: Methoden und Probleme der Edition mittelalterlicher deutscher Texte. Bamberger Fachtagung 26.- 29. Juni 1991 Plenumsreferate, hg. von R olf B ergmann und K urt G ärtner , Tübingen 1993 (Beihefte zu editio 4), S. 107-119. D ers . (2002): Die Schriften Meister Eckharts in den Handschriften des Mittelalters, in: Die Präsenz des Mittelalters in seinen Handschriften. Ergebnisse der Berliner Tagung in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, 06.-08. April 2000, hg. von H ans -J ochen S chiewer und K arl S tackmann , Tübingen 2002, S. 209-302. D ers . (2005a): Überlieferungsgerechte Edition, in: Deutsche Texte des Mittelalters zwischen Handschriftennähe und Rekonstruktion. Berliner Fachtagung 1.-3. April 2004, hg. von M artin J. S chubert , Tübingen 2005 (Beihefte zu editio 23), S. 51-65. D ers . (2005b): Meister Eckharts reden und predigten in seiner Erfurter Zeit, in: Meister Eckhart in Erfurt, hg. von A ndreas S peer und L ydia W egener , Berlin/ New York 2005 (Miscellanea Mediaevalia 32), S. 34-55. S tein , P eter K.: Überlieferungsgeschichte als Literaturgeschichte - Textanalyse - Verständnisperspektiven. Bemerkungen zu neueren Versuchen zur mittelhochdeutschen Dietrichsepik, in: Sprachkunst 12 (1981), S. 29-84. S teinmann , M artin : Die Handschriften der Universitätsbibliothek Basel. Register zu den Abteilungen A I - A XI und O, Basel 1982 (Publikationen der Universitätsbibliothek Basel 4). S teinmetz , R alf -H enning (2000): Exempel und Auslegung. Studien zu den ‹Sieben weisen Meistern›, Freiburg/ Schweiz 2000 (Scrinium Friburgense 14). D ers . (2005): Bearbeitungstypen in der Literatur des Mittelalters. Vorschläge für eine Klärung der Begriffe, in: Texttyp und Textproduktion in der deutschen Literatur des Mittelalters, hg. von E lizabeth A ndersen [u.a.], Berlin [usw.] 2005 (Trends in Medieval Philology 7), S. 41-61. S tierling , H ubert : Studien zu Mechthild von Magdeburg (Diss. Göttingen), Nürnberg 1907. S tock , M arkus : Effekte des Authentischen? Selbstentwurf und Referenz in der Autobiographie Johanns von Soest (1504/ 05), in: Texttyp und Textproduktion in der 526 Literaturverzeichnis deutschen Literatur des Mittelalters, hg. von E lizabeth A ndersen [u.a.], Berlin [usw.] 2005 (Trends in Medieval Philology 7), S. 267-283. S tocker , B arbara C hristine : Friedrich Colner, Schreiber und Übersetzer in St. Gallen: 1430-1436 (Mit Beigabe der deutschen Wiborada-Vita in dymanischer Edition), Göppingen 1996 (GAG 619). S tolz , M ichael (2002): Wolframs ›Parzival‹ als unfester Text. Möglichkeiten einer überlieferungsgeschichtlichen Ausgabe im Spannungsfeld traditioneller Textkritik und elektronischer Darstellung, in: Wolfram-Studien XVII (2002), S. 294-321. D ers . (2005): Autor - Schreiber - Editor. Versuch einer Feldvermessung, in: editio 19 (2005), S. 23-42. S torch , W alburga OSB (Hg.): Hildegard von Bingen, Im Feuer der Taube. Die Briefe, Augsburg 1997. S trauch , P hilipp (1882): Margaretha Ebner und Heinrich von Nördlingen. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Mystik, Freiburg/ Br. [usw.] 1882. D ers . (1883): Kleine Beiträge zur Geschichte der deutschen Mystik, in: ZfdA 27 (1883), S. 368-381. D ers . (1885): Mechthild (von Magdeburg), in: ADB 21 (1885), S. 154-156. D ers . (1910): Rezension über B anz (1908), in: AfdA 34 (1910), S. 255-261. S tridde , C hristiane (2005): Rezension über P oor (2004), in: Arbitrium 23 (2005), S. 269-273. D ies . (2009): Verbalpräsenz und götlicher Sprechakt. Zur Pragmatik spiritueller Kommunikation ‹zwischen› St. Trudperter Hohelied und Mechthilds von Magdeburg Das Fließende Licht der Gottheit, Stuttgart 2009. S trohschneider , P eter (1991): Höfische Romane in Kurzfassungen. Stichworte zu einem unbeachteten Aufgabenfeld, in: ZfdA 120 (1991), S. 419-439. D ers . (1997): Situationen des Textes. Okkasionelle Bemerkungen zur ‹New Philology›, in: Philologie als Textwissenschaft. Alte und neue Horizonte, hg. von H elmut T ervooren und H orst W enzel , Berlin 1997 (ZfdPh 116, Sonderheft), S. 62-86. D ers . (1998): Rezension über B umke (1996a), in: ZfdA 127 (1998), S. 102-117. D ers . (1999): Textualität der mittelalterlichen Literatur. Eine Problemskizze am Beispiel des ›Wartburgkrieges‹, in: Mittelalter. Neue Wege durch einen alten Kontinent, hg. von J an -D irk M üller und H orst W enzel , Stuttgart [usw.] 1999, S. 19-41. D ers . (2002): Innovative Philologie? , in: www.germanistik2001.de. Vorträge des Erlanger Germanistentags, Bd. 2, hg. von H artmut K ugler , Bielefeld 2002, S. 901-924. S tuder , M onika : Im Schatten der Gottesbraut. Engel in Mechthilds Fliessendem Licht der Gottheit, in: Euphorion 103 (2009), S. 225-251. S turlese , L oris (1989): Die Kölner Eckhartisten. Das Studium generale der deutschen Dominikaner und die Verurteilung der Thesen Meister Eckharts, in: Die Kölner Universität im Mittelalter. Geistige Wurzeln und soziale Wirklichkeit, hg. von A lbert Z immermann und G udrun V uillemin -D iem , Berlin/ New York 1989 (Miscelanea Mediaevalia 20), S. 192-211. D ers . (1992): Zur Stemmatik der offenen Tradition. Überlegungen zur Edition der drei Fassungen von Meister Eckharts «Opus tripartitum», in: editio 6 (1992), S. 26-42. D ers . (1995): Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana. Neues zur Datierung des ›Opus tripartitum‹, in: Die Bibliotheca Amploniana. Ihre Bedeutung im Spannungsfeld von Aristotelismus, Nominalismus und Humanismus, hg. von A ndreas S peer , Berlin/ New York 1995 (Miscellanea Mediaevalia 23), S. 434-446. Literaturverzeichnis 527 S uerbaum , A lmut (1998): Accessus ad auctores: Autorkonzeptionen in mittelalterlichen Kommentartexten, in: Autor und Autorschaft im Mittelalter, hg. von E lizabeth A ndersen [u.a.], Tübingen 1998, S. 29-37. D ies . (2003): Dialogische Identitätskonzeption bei Mechthild von Magdeburg, in: Dialoge. Sprachliche Kommunikation in und zwischen Texten im deutschen Mittelalter, hg. von N ikolaus H enkel [u.a.], Tübingen 2003, S. 239-255. D ies . (2009): Die Paradoxie mystischer Lehre im ›St. Trudperter Hohenlied‹ und im ›Fließenden Licht der Gottheit‹, in: Dichtung und Didaxe. Lehrhaftes Sprechen in der deutschen Literatur des Mittelalters, hg. von H enrike L ähnemann und S andra L inden , Berlin/ New York 2009, S. 27-40. D ies . (2011): Sprachliche Interferenz bei Begriffen des Lassens: Lux divinitatis und das Fließende Licht der Gottheit, in: Semantik der Gelassenheit. Ergebnisse des Freiburger Kolloquiums 2008, hg. von B urkhard H asebrink , S usanne B ernhardt und I mke F rüh (voraussichtlich 2011). T aigel , H ermann : «Minne» bei Mechthild von Magdeburg und bei Hadewijch, Diss. Tübingen 1955. T ervooren , H elmut : Die Frage nach dem Autor. Authentizitätsprobleme in mittelhochdeutscher Lyrik, in: «Dâ hoeret ouch geloube zuo». Überlieferungs- und Echtheitsfragen zum Minnesang. Beiträge zum Festcolloquium für Günther Schweikle anlässlich seines 65. Geburtstages, hg. von R üdiger K rohn , Stuttgart/ Leipzig 1995, S. 195-204. T hali , J ohanna (2003): Beten - Schreiben - Lesen. Literarisches Leben und Marienspiritualität im Kloster Engelthal, Tübingen [usw.] 2003 (Bibliotheca Germanica 42). D ies . (2006): Rezension über B ürkle (1999), in: Arch. 243 (2006), S. 127-132. D ies . (2009): Regionalität als Paradigma literarhistorischer Forschung zur Vormoderne. Das Beispiel des Benediktinerinnenklosters St. Andreas in Engelberg, in: Kulturtopographie des deutschsprachigen Südwestens im späteren Mittelalter. Studien und Texte, hg. von B arbara F leith und R ené W etzel , Berlin/ New York 2009 (Kulturtopographie des alemannischen Raums 1), S. 229-262. T heben , J udith : Die mystische Lyrik des 14. und 15. Jahrhunderts. Untersuchungen - Texte - Repertorium, Tübingen: Niemeyer (Kulturtopographie des alemannischen Raums 2) (voraussichtlich 2010). T heele , J oseph : Die Handschriften des Benediktinerklosters S. Petri zu Erfurt. Ein bibliotheksgeschichtlicher Rekonstruktionsversuch, Leipzig 1920 (ZfBW Beihefte 48). T illmann , H einz : Studien zum Dialog bei Mechthild von Magdeburg, Marburg 1933. T impanaro , S ebastiano : Die Entstehung der Lachmannschen Methode. 2., erweiterte und überarbeitete Auflage, Hamburg 1971. T obin , F rank (1994): Mechthild of Magdeburg and Meister Eckhart. Points of coincidence, in: Meister Eckhart and the Beguine Mystics. Hadewijch of Brabant, Mechthild of Magdeburg, and Marguerite Porete, hg. von B ernard M c G inn , New York 1994, S. 44-61. D ers . (1995): Mechthild von Magdeburg: A Medieval Mystic in Modern Eyes, Columbia 1995 (Studies in German literature, linguistics, and culture. Literary criticism in perspective). T raver , A ndrew : The Opuscula of William of Saint-Amour. The Minor Works of 1255-1256, Münster 2003 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters N.F. 63). V auchez , A ndre : Jacques de Voragine et les saints du XIIIe siècle dans la Légende dorée, in: Legenda aurea. Sept siècles de diffusion. Actes du colloque international 528 Literaturverzeichnis sur la Legenda aurea: texte latin et branches vernaculaires à l’Université du Québec à Montréal 11-12 mai 1983, hg. von B renda D unn -L ardeau , Montréal/ Paris 1986, S. 27-56. V enhorst , E rik E rnst : Von alten Büchern und neuen Bildern. Die Hl. Mechthild von Magdeburg in Handschriften und Kunst, in: Minne, Mut, Mystik. 800 Jahre Mechthild von Magdeburg. Eine Ausstellung des Kulturhistorischen Museums Magdeburg und des Bistums Magdeburg zum Mechthild-Jahr 2007/ 2008, Magdeburg 2008, S. 8-9. V erlaguet , W altraud (2005): L’«éloignance» La théologie de Mechthild de Magdebourg (XIII e siècle), Bern [usw.] 2005. D ies . (2006): Comment suivre Dieu quand Dieu n'est pas là? L’«éloignance» de Mechthild de Magdebourg (XIII e siècle), Paris 2006. V izkelety , A ndrás / K ornrumpf , G isela : Budapester Fragmente des ›Fließenden Lichts der Gottheit‹, in: ZfdA 97 (1968), S. 278-306. V oaden , R osalyn : All Girls Together: Community, Gender and Vision at Helfta, in: Medieval women in their communities, hg. von D iane W att , Cardiff 1997, S. 72-91. V oigt , J örg (2007a): Rezension über K eul (2004), in: Sachsen und Anhalt. Jahrbuch der historischen Kommission für Sachsen-Anhalt 25 (2007), S. 380-385. D ers . (2007b): Mechthild von Magdeburg, Das fließende Licht der Gottheit, in: Elisabeth von Thüringen - Eine europäische Heilige, Bd. 2: Katalog, hg. von D ieter B lume und M atthias W erner , Petersberg 2007, S. 377-379. D ers . (2008): Für Gott und die Welt. Franziskaner in Thüringen. Text- und Katalogband zur Ausstellung in den Mühlhäuser Museen vom 29. März bis 31. Oktober. Im Auftrag der Mühlhäuser Museen und der Fachstelle Franziskanische Forschung hg. von T homas T. M üller [u.a.], Paderborn [usw.] 2008, S. 92-109. V olfing , A nnette (2001): John the Evangelist and Medieval German Writing. Imitating the Inimitable, Oxford 2001. D ies . (2003): Dialog und Brautmystik bei Mechthild von Magdeburg, in: Dialoge. Sprachliche Kommunikation in und zwischen Texten im deutschen Mittelalter. Hamburger Colloquium 1999, hg. von N ikolaus H enkel [u.a.], Tübingen 2003, S. 257-266. V ollmann -P rofe , G isela (1990): Mechthild von Magdeburg, in: Literaturlexikon, hg. von W alther K illy , Bd. 8, Gütersloh 1990, S. 40-43. D ies . (1994): Mechthild - auch «in Werktagskleidern» Zu berühmten und weniger berühmten Abschnitten des ›Fließenden Lichts der Gottheit‹, in: Mystik, hg. von C hristoph C ormeau , Berlin 1994 (ZfdPh 113, Sonderheft), S. 144-158. D ies . (2000): Mechthild von Magdeburg - deutsch und lateinisch, in: Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte, hg. von W alter H aug und W olfram S chnei der -L astin , Tübingen 2000, S. 133-155. D ies . (2003): Mechthild von Magdeburg, Das fließende Licht der Gottheit, Frankfurt/ M 2003 (Bibliothek deutscher Klassiker 181; Bibliothek des Mittelalters 19). D ies . (2007a): Mechthild in der Provinz. ›Das fließende Licht der Gottheit‹ und ›Das Leben der heiligen Dorothea‹, in: Impulse und Resonanzen. Tübinger mediävistische Beiträge zum 80. Geburtstag von Walter Haug, hg. von G. V.-P. [u.a.], Tübingen 2007, S. 265-274. D ies . (2007b): Mystische Hohelied-Erfahrungen. Zur Brautmystik Mechthilds von Magdeburg, in: Das Hohelied. Liebeslyrik als Kultur(en) erschließendes Medium? Literaturverzeichnis 529 4. Interdisziplinäres Symposion der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main 2006, hg. von U te J ung -K aiser , Bern 2007, S. 57-68. D ies . (2008a): Mechthild von Magdeburg, ›Das fließende Licht der Gottheit‹. Eine Auswahl. Mittelhochdeutsch - Neuhochdeutsch, Stuttgart 2008 (RUB 18557). D ies . (2008b): Aber gegen den megden stat er uf - Zu Mechthilds Frauenbild, in: Studien zu Literatur, Sprache und Geschichte in Europa. Wolfgang Haubrichs zum 65. Geburtstag gewidmet, hg. von A lbrecht G reule [usw.], St. Ingbert 2008, S. 203-211. D ies . (2010): Mechthild von Magdeburg ›Das fließende Licht der Gottheit‹. Zweisprachige Ausgabe. Aus dem Mittelhochdeutschen übersetzt und hg. von G. V.-P., Berlin 2010. V ozáry , K atalin : Mechthild von Magdeburg és a középkori német misztika [Mechthild von Magdeburg und die deutsche Mystik des Mittelalters], Diss. Szeged/ Ungarn 1937. V ölker , P aul -G erhard : Neues zur Überlieferung des ›Fließenden Lichts der Gottheit‹, in: ZfdA 96 (1967), S. 28-69. W achinger , B urghart : Autorschaft und Überlieferung, in: Autorentypen, hg. von W alter H aug [u.a.], Tübingen 1991 (Fortuna Vitrea 6), S. 1-23. W and -W ittkowski , C hristine : Briefe im Mittelalter. Der deutschsprachige Brief als weltliche und religiöse Literatur, Herne 2000. W arnar , G eert : Tauler in Groenendaal. Mystik und Gelehrtheit in der niederländischen Literatur des 14. Jahrhunderts, in: Schnittpunkte Deutsch-Niederländische Literaturbeziehungen im späten Mittelalter, hg. von A ngelika L ehmann -B enz [u.a.], New York [usw.] 2003, S. 55-66. W arning , J essika : Neidharts Sommerlieder. Überlieferungsvarianz und Autoridentität, Tübingen 2007 (MTU 132). W assermann , D irk : Wissenschaft und Bildung in der Erfurter Kartause im 15. Jahrhundert. Ein anonymer Kommentar aus dem Bibliothekskatalog von St. Salvatorberg, in: Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift Erich Meuthen, Bd. 1, hg. von J ohannes H elmrath [u.a.], München 1994, S. 483-503. W atson , N icholas : Conceptions of the Word: The Mother Tongue and the Incarnation of God, in: New Medieval Literatures 1 (1997), S. 85-124. W attenbach , W ilhelm : Das Schriftwesen im Mittelalter, Graz 4 1958. W äss , H elga : Form und Wahrnehmung mitteldeutscher Gedächtnisskulptur im 14. Jahrhundert. Ein Beitrag zu mittelalterlichen Grabmonumenten, Epitaphen und Kuriosa in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Nord-Hessen, Ost-Westfalen und Südniedersachsen, Bde 2, Bristol/ Berlin 2006. W ebster , H elen : German Mysticism in Fourteenth-Century Basel: Gender and Genre in Einsiedeln Stiftsbibliothek MS 277, Diss. Oxford 2005. W ehrli , M ax : Geschichte der deutschen Literatur vom frühen Mittelalter bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, Stuttgart 1980 (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart 1). W ehrli -J ohns , M artina (1990): Rezension über P eters (1988a), in: PBB 112 (1990), S. 326-332. D ies . (2000): Mystik und Inquisition. Die Dominikaner und die so genannte Häresie des Freien Geistes, in: Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte, hg. von W alter H aug und W olfram S chneider- L astin , Tübingen 2000, S. 223- 252. D ies . (2011): Konrad von Preußen und Johannes Tauler: Eine Spurensuche, in: S cheepsma / S chiewer / W arnar (2011). 530 Literaturverzeichnis W eicker , T ina S abine : Dô wart das bûch ze Cleve verstolen. Neue Überlegungen zur Entstehung von Veldekes ›Eneas‹, in: ZfdA 130 (2001), S. 1-18. W eidenhiller , E gino : Untersuchungen zur deutschsprachigen katechetischen Literatur des späten Mittelalters, München 1965 (MTU 10). W eiler , I gnaz : Tauler und das Problem der Lebenswende, in: Johannes Tauler. Ein deutscher Mystiker, hg. von E phrem F ilthaut , Essen 1961, S. 321-339. W eiss , B ardo (1995a): Margareta von Magdeburg. Eine gelähmte Mystikerin des 13. Jahrhunderts, Paderborn 1995. D ers . (1995b): Mechthild von Magdeburg und der frühe Meister Eckhart, in: ThPh 70 (1995), S. 1-40. D ers . (2008): Mystik und Zuwendung zur Welt bei Mechthild von Magdeburg, in: Gottesfreundschaft. Christliche Mystik im Zeitgespräch, hg. von D ietlind L angner [u.a.], Freiburg/ Schweiz 2008 (Studien zur christlichen Religions- und Kulturgeschichte 9), S. 137-152. W eissbrodt , J ohannes : Der hl. Gertrud der Großen Gesandter der göttlichen Liebe. Nach der Ausgabe der Benediktiner von Solesmes übersetzt von J. W., Freiburg/ Br. 1932. W entz , G ottfried / S chwineköper , B erent : Das Erzbistum Magdeburg, Bd. I/ 1, Berlin/ New York 1972 (Germania Sacra I/ 4.1). W enzel , E dith (2003): Der Text als Realie? Auf der Suche nach dem Text und seinem Autor, in: Text als Realie. Internationaler Kongress Krems an der Donau 3.- 6. Oktober 2000, hg. von K arl B runner und G erhard J aritz , Wien 2003 (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Phil.-hist. Klasse 704; Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 18), S. 81-95. D ies . (2005): ‹Original› oder Fassungen? Zum aktuellen Forschungsstand in der germanistischen Mediävistik, in: Vom Nutzen des Edierens, hg. von B rigitte M erta [u.a.], München 2005 (MIÖG, Erg.-Bd. 47), S. 65-72. W enzel , E dith / W enzel , H orst : Die Handschriften und der Autor - Neidharte oder Neidhart? in: Edition und Interpretation. Neue Forschungsparadigmen zur mittelhochdeutschen Lyrik. Festschrift Helmut Tervooren, hg. von J ohannes S picker [u.a.], Stuttgart 2000, S. 87-102. W enzel , F ranziska : Textidentität und Überlieferungsvarianz. Überlegungen am Beispiel von ›Wartburgkrieg‹-Gedichten, in: Texttyp und Textproduktion in der deutschen Literatur des Mittelalters, hg. von E lizabeth A ndersen [u.a.], Berlin [usw.] 2005 (Trends in Medieval Philology 7), S. 347-370. W enzel , S iegfried : Macaronic Sermons. Bilingualism and Preaching in Late-Medieval England, Ann Arbor/ Michigan 1994. W estpfahl , H ans : Untersuchungen über Jutta von Sangerhausen, in: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands 26 (1938), S. 515-596. W etzel , R ené (1994): Deutsche Handschriften des Mittelalters in der Bodmeriana. Mit einem Beitrag von K arin S chneider zum ehemaligen Kalocsa-Kodex, Genf 1994 (Bibliotheca Bodmeriana, Kataloge 7), S. 81-129. D ers . (2009): Spricht maister Eberhart. Die Unfestigkeit von Autor, Text und Textbausteinen im Cod. Bodmer 59 und in der Überlieferung weiterer mystischer Sammelhandschriften des 15. Jahrhunderts. Mit einem Exkurs zur Buch- und Bibliotheksgeschichte der Kartause Buxheim, in: Kulturtopographie des deutschsprachigen Südwestens im späteren Mittelalter. Studien und Texte, hg. von B arbara F leith und R ené W etzel , Berlin/ New York 2009 (Kulturtopographie des alemannischen Raums 1), S. 301-325. Literaturverzeichnis 531 W etzel , R ené / F lückiger , F abrice / N emes , B alázs J./ S tauffacher , M athias (Hg.): Die ›Engelberger Predigten‹. Edition und Textgeschichte (erscheint in der Reihe «Kulturtopographie des alemannischen Raums», Berlin, voraussichtlich 2011). W iegand , A rthu r: Die Handschrift Nr. 166 des Freiherrl. von Fichardschen Familienarchivs als Grundlage für die Beurteilung von Sprache, Stil und Metrik des Johann von Soest, Diss. Marburg 1922. W ieland , O tmar : Gertrud von Helfta: Ein botte der götlichen miltekeit, Augsburg 1973 (SMGB, Erg.-Bd. 22). W illaert , F rank (Hg.): Hadewijch, Visioenen, Amsterdam 1996. W illiams , U lla : Die ›Alemannischen Vitaspatrum‹. Untersuchung und Edition, Tübingen 1996 (TTG 45). W illiams , U lla / W illiams -K rapp , W erner : Die ›Offenbarungen‹ der Katharina Tucher, Tübingen 1998 (Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte 98). W illiams -K rapp , W erner (1986): Literaturlandschaften im späten Mittelalter, in: NW 26 (1986), 1-7. D ers . (1998): Kultpflege und literarische Überlieferung. Zur deutschen Hagiographie der Dominikaner im 14. und 15. Jahrhundert, in: Ist mir getroumet mîn leben? Vom Träumen und vom Anderssein. Festschrift Karl-Ernst Geith zum 65. Geburtstag, hg. von A ndré S chnyder [u.a.], Göppingen 1998 (GAG 632), S. 147-173. D ers . (2000): Die überlieferungsgeschichtliche Methode. Rückblick und Ausblick, in: IASL 25 (2000), Heft 2, S. 1-21. D ers . (2001): Rezension über B ürkle (1999), in: ZfdA 130 (2001), S. 464-469. D ers . (2002): Literary genre and degrees of saintliness. The perception of holiness in writings by and about female mystics, in: The Invention of Saintliness, hg. von A nneke B. M ulder -B akker , London [usw.] 2002 (Routledge Studies in Medieval Religion and Culture), S. 206-218. D ers . (2003): Ein puch verschriben ze deutsch in brabantzer zunge. Zur Rezeption von mystischem Schrifttum aus dem niderlant im oberlant, in: Schnittpunkte. Deutsch- Niederländische Literaturbeziehungen im späten Mittelalter, hg. von A ngelika L ehmann -B enz [u.a.], New York [usw.] 2003 (Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas 5), S. 41-53. D ers . (2004): Die Bedeutung der reformierten Klöster des Predigerordens für das literarische Leben in Nürnberg im 15. Jahrhundert, in: Studien und Texte zur literarischen und materiellen Kultur der Frauenklöster im späten Mittelalter. Ergebnisse eines Arbeitsgesprächs in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 24.- 26. Febr. 1999, hg. von F alk E isermann [u.a.], Leiden [usw.] 2004 (Studies in Medieval and Reformation Thought), S. 311-329. D ers . (2006): Die süddeutschen Übersetzungen der ›Imitatio Christi‹. Zur Rezeption der Devotio moderna im oberlant, in: Aus dem Winkel in die Welt. Die Bücher des Thomas von Kempen und ihre Schicksale, hg. von U lrike B odemann und N ikolaus S taubach , Frankfurt/ M. [usw.] 2006 (Tradition - Reform - Innovation 11), S. 65-79. D ers . (2008): Wir lesent daz vil in sölichen sachen swerlich betrogen werdent. Zur monastischen Rezeption von mystischer Literatur im 14. und 15. Jahrhundert, in: Nonnen, Kanonissen und Mystikerinnen. Religiöse Frauengemeinschaften in Süddeutschland. Beiträge zur interdisziplinären Tagung vom 21. bis 23. September 2005 in Frauenchiemsee, hg. von E va S chlotheuber [u.a.], Göttingen 2008 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 235; Studien zur Germania Sacra 31), S. 263-278. 532 Literaturverzeichnis W ilms , H ieronymus : Das älteste Verzeichnis der deutschen Dominikanerinnenklöster, Leipzig 1928 (QF 24). W ilpert , P aul : Die Entstehung einer Miscellanhandschrift des 15. Jahrhunderts, in: MJb 1 (1964), S. 34-47. W indeatt , B arry (Hg.): The Book of Margery Kempe, Harlow 2000 (Longman annotated texts). W inter , F ranz (1870): Rezension über M orel (1869), in: Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg 5 (1870), S. 429-433. D ers . (1871): Die Zisterzienser des nordöstlichen Deutschlands. Ein Beitrag zur Kirchen- und Kulturgeschichte des deutschen Mittelalters, Bde 2, Gotha 1871. W itter , J ohann J acob : Catalogus codicum manuscriptorum in bibliotheca sacri ordinis Hierosolymitani Argentorati asservatorum, Strassburg 1746 (s. http: / / webserver. erwin-rauner.de/ crophius/ witter_images_plus.asp). W ojtecki , D ieter : Studien zur Personengeschichte des Deutschen Ordens im 13. Jahrhundert, Wiesbaden 1971 (Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europas 3). W olf , H erbert : Die deutsche Literatur im Mittelalter, in: Geschichte Thüringens, Bd. II/ 2, Köln 1973 (Mitteldeutsche Forschungen 48/ II, Teil 2), S. 188-249. W olf , J ürgen : New Philology/ Textkritik, in: Germanistik als Kulturwissenschaft. Eine Einführung in neue Theoriekonzepte, hg. von C laudia B enthien und H ans R udolf V elten , Hamburg 2002, S. 175-195. W olff , L udwig / S chröder , W erner : Heinrich von Veldeke, in: 2 VL 3 (1981), Sp. 899-917. W underle , E lisabeth : Katalog der mittelalterlichen Handschriften der Studienbibliothek Dillingen, Wiesbaden 2006. W ürth , I ngrid : Die Aussagen der vier «Dienerinnen» im Kanonisationsprozess und ihre Überlieferung im sogenannten ›Libellus‹, in: Elisabeth von Thüringen - Eine europäische Heilige, Bd. 1: Aufsätze, hg. von D ieter B lume und M atthias W erner , Petersberg 2007, S. 187-192. Z ieger , M anfred : Textgeschichtliche Untersuchungen zu den deutschen und niederländischen Handschriften des ›Liber spiritualis gratiae‹ Mechthilds von Hackeborn, masch. Diss. Göttingen 1974. Z iesche , E va : Verzeichnis der Nachlässe und Sammlungen der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Wiesbaden 2002 (Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Kataloge der Handschriftenabteilung, Zweite Reihe, 8). Z immermann , K arin / M iller , M atthias : Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. germ. 304-495), Wiesbaden 2007 (Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg 8). Z immermann B eckman , P atricia : The Power of Books and the Practice of Mysticism in the Fourteenth Century: Heinrich of Nördlingen and Margaret Ebner on Mechthild’s Flowing Light of the Godhead, in: Church History. Studies in Christianity & Culture 76 (2007), S. 61-83. Z inter , E dith : Zur mystischen Stilkunst Mechthilds von Magdeburg (Diss. Jena), Borna-Leipzig 1931. Z umkeller , A dolar : Ein Zeitgenosse Eckeharts zu Fehlentwicklungen in der damaligen mystischen Bewegung. Kritische Bemerkungen in neuentdeckten mystischen Traktaten Heinrichs von Friemar des Älteren O. S. A., in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 37/ 38 (1975), S. 229-238. Literaturverzeichnis 533 VIII Handschriftenregister Referiert wird das Vorkommen des indizierten Gegenstands im Fließtext und/ oder in den Anmerkungen. Sofern das Indizierte sowohl im Fließtext als auch in den Anmerkungen auftaucht, wird die Seitenzahl mit dem Hinweis (mit Anm.) referiert. Ansonsten wird entweder die Seitenzahl oder die entsprechende Fußnotenhochzahl in Verbindung mit der zugehörigen Seitenzahl angegeben. Aachen, Bischöfliches Diözesanarchiv, Hs. Nr. 559 377 Augsburg, Staats- und StB, 8° Cod. 17 (Sigle: Au) 107f. (mit Anm.), 111 65 , 338, 341, 488 Augsburg, Staats- und StB, 8° Cod. 114 107 46 Augsburg, Staats- und StB, 8° Cod. 116 107f. 46 Augsburg, Staats- und StB, 2° Cod. 184 107f. 46 Augsburg, Staats- und StB, 2° Cod. 186 107f. 46 Augsburg, UB, Cod. III 1 8° 18 166 290 Augsburg, UB, Cod. III. 1. 4° 8 (Sigle: Ha) 43, 49, 50, 397f., 487 Augsburg, UB, Cod. III 1 4° 31 399 Augsburg, UB, Cod. III. 1. 4° 32 (Sigle: M 2 ) 38, 276 741 , 399f., 467, 469, 470, 472, 475, 487 Augsburg, UB, Cod. III. 1. 4° 34 (Sigle: M 1 ) 49, 50, 487 Augsburg, UB, Cod. III 1 2° 36 146f. 210 Augsburg, UB, Cod. III 1 2° 37 399 Basel, UB, Hs. AR I 2 110 57 Basel, UB, Hs. AR I 4 a 109 51 Basel, UB, Cod. A II 36 110 58 Basel, UB, Cod. A V 33 241 Basel, UB, Cod. A V 41 241 Basel, UB, Cod. A VI 30 110 58 Basel, UB, Cod. A VII 68 (olim: B XI 4) (Sigle: Ba) 106-108 (mit Anm.), 111 65 , 337, 341, 488 Basel, UB, Cod. A VIII 6 (Sigle: Ra) 5 16 , 41, 103 17 , 105-108 (mit Anm.), 109 (mit Anm.), 111 65 , 114, 145 202 , 159 257 , 176 321 , 196, 199 416 , 241f. 618 , 242 619 , 318 32-36 , 319 37,39 , 337, 339 119 , 340f. (mit Anm.), 347 153-154 , 348f. 156 , 350, 351 163 , 362-365 (mit Anm.), 369, 488 Basel, UB, Cod. A IX 2 241 Basel, UB, Cod. A X 130 241 Basel, UB, Cod. B IX 11 (Sigle: Rb) 5 16 , 36 175 , 41, 49 (mit Anm.), 56 277 , 65 315 , 103 (mit Anm.), 104f., 106, 109, 110, 111 (mit Anm.), 112, 114-122 (mit Anm.), 124, 145 202 , 147 211 , 159 (mit Anm.), 161 (mit Anm.), 164 277 , 169 300 , 173 309 , 175f., 176 323 , Handschriftenregister Handschriftenregister 178 329 , 179, 184 351 , 186 362 , 187 365,367 , 190 380 , 196, 199 416 , 203 431 , 204, 206 447 , 209, 210 464 , 219 (mit Anm.), 220f. (mit Anm.), 224, 241f. (mit Anm.), 244, 248 646 , 257-262 (mit Anm.), 264, 269 716 , 270, 272, 317, 318 32,34 , 326, 340 (mit Anm.), 341 123-124 , 346 144 , 347 153 , 350 (mit Anm.), 351 163 , 353, 362-365 (mit Anm.), 366, 369 (mit Anm.), 370, 481, 482, 488 Basel, UB, Cod. B IX 15 241 Basel, UB, Cod. B IX 25 241 Basel, UB, Cod. B XI 10 240, 241 611 Basel, UB, Cod. B XI 19 109 Basel, UB, Cod. E III 12 (olim: D IV 9) 110 62 , 112 69 Berlin, Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Inventar.-Nr. 78 B 1a 225 538 Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. oct. 140 166 286 Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. oct. 214 233 576 Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. qu. 277 166 286 Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. qu. 324.4 (Sigle: Be) 110 60 , 325 63 , 337, 341, 369, 488 Berlin, SBB-PK, Ms. germ. oct. 68 146 210 Berlin, SBB-PK, Ms. germ. oct. 388 166 286 Berlin, SBB-PK, Ms. germ. qu. 179 374 259 Berlin, SBB-PK, Ms. germ. fol. 1157 166 286 Berlin, SBB-PK, Ms. germ. fol. 1158 166 286 Berlin, SBB-PK, Ms. germ. fol. 1159 166 286 Berlin, SBB-PK, Ms. germ. fol. 1257 233 576 Bern, BB, Cod. 801 337f. Bern, BB A82 (Sigle: Br) 106-108 (mit Anm.), 111 65 , 337, 341, 488 Bonn, Privatbesitz von Oliver Kessler, Bibliotheca Ceylanica-Kessler, Ms. 7 (Sigle: Bo) 9 33 , 375 266 , 487 (mit Anm.) Budapest, Országos Széchényi Könyvtár, Cod. Germ. 38 (Sigle: B) 45f. (mit Anm.), 48, 50 (mit Anm.), 53 259 , 59, 119 (mit Anm.), 120, 171, 191 383 , 203 431 , 213, 218 506 , 242 619 , 259, 296f., 329f. 82 , 366, 481, 482, 487 Cambrai/ Kamerijk, BM, Cod. 749 391 15 Colmar, Archives Municipales, Fonds de l’Hôpital Civil B 1 402 Colmar, Bibliothèque de la Ville (olim: Bibliothèque du Consistoire de l’Église de la Confession d’Augsbourg), Ms. 279 402 Colmar, Bibliothèque de la Ville (olim: Bibliothèque du Consistoire de l’Église de la Confession d’Augsbourg), Ms. 280 402 Colmar, Bibliothèque de la Ville (olim: Bibliothèque du Consistoire de l’Église de la Confession d’Augsbourg), Ms. 321 402 Colmar, Bibliothèque de la Ville (olim: Bibliothèque du Consistoire de l’Église de la Confession d’Augsbourg), Ms. 1945 402 Colmar, Bibliothèque de la Ville (olim: Bibliothèque du Consistoire de l’Église de la Confession d’Augsbourg), Ms. 1947 402 Colmar, Bibliothèque de la Ville, (olim: Bibliothèque du Consistoire de l’Église de la Confession d’Augsbourg) Ms. 2137 (Sigle: C) 39f., 42 204 , 43 (mit Anm.), 46f. 231 , 536 Handschriftenregister 49, 52 254 , 53 259 , 59, 120, 175 319 , 187 365 , 234 579 , 242 (mit Anm.), 244, 248 645 , 258 690-691 , 259, 260 694 , 263f. 702 , 265f. 708 , 317 (mit Anm.), 325, 326f. (mit Anm.), 330-334 (mit Anm.), 342, 375 (mit Anm.), 387, 401-466, 487 Darmstadt, Hessische Landes- und Hochschulbibliothek, Cod. 971 391 15 Dillingen, Kreis- und Studienbibl., Cod. XV 129 168 Einsiedeln, Benediktinerabtei, Stiftsbibl., Cod. 277 (Sigle: E) 1-13 (mit Anm.), 19, 27, 28, 33 154 , 34-47 (mit Anm.), 52-63 (mit Anm.), 64, 65 (mit Anm.), 66, 90, 91, 92, 93, 94, 99, 101, 114, 115-125 (mit Anm.), 126, 129, 139, 143 196 , 144, 145 202 ,146, 157, 159, 160, 162, 163, 164, 165 (mit Anm.), 168-171 (mit Anm.), 173f. 311 , 174, 175 (mit Anm.), 176 (mit Anm.), 178, 179, 183, 184, 186f. (mit Anm.), 188 373 , 189, 191, 192, 194, 206 447 , 213, 234 579 , 239-241 (mit Anm.), 242 619 , 243f., 246, 248 645-646 , 253 671 , 257, 258 (mit Anm.), 259, 260 694 , 262, 263f. 702 , 264, 265 706 , 265f. 708 , 268, 269-271 (mit Anm.), 272, 276 742 , 295, 297 840 , 310 (mit Anm.), 311, 317 (mit Anm.), 318, 326, 327f. (mit Anm.), 329 82 , 330f. (mit Anm.), 332, 333 (mit Anm.), 349 157 , 350, 351, 353 170 , 362 214 , 364f. 220 , 365, 368, 369 (mit Anm.), 375, 382, 385f., 387, 478-482, 487 Einsiedeln, Benediktinerabtei, Stiftsbibl., Cod. 278 9 33 , 213, 239-241 (mit Anm.) Eisleben, Stiftung Luthergedenkstätten/ Luthers Geburtshaus, Hs. H 546 (olim: Eisleben, Gymnasialbibliothek, Nr. 46) 225, 226-234 (mit Anm.), 335f., 372 (mit Anm.) Engelberg, Stiftsbibl., Cod. 141 372f. (mit Anm.) Engelberg, Stiftsbibl., Cod. 153 372f. (mit Anm.) Erfurt, Collegium Amplonianum, Cod. Amplon. F 181 222 Frankfurt, Stadt- und UB, Fragm. lat. III.41 167 (mit Anm.) Frankfurt, Fichard’sches Familienarchiv, Hs. Nr. 166 (verbrannt) 303 864 Freiburg, UB, Cod. 63 168 Freiburg, UB, Cod. 185 393 28 Freiburg, UB, Cod. 460 306f. Freiburg, UB, Hs. 1500,3 (olim: Berlin, Sammlung Leuchte, Ms. III) 303 864 Freising, Dombibl., Hs 20 474 Genf, Bibliotheca Bodmeriana, Cod. Bodmer 72 375 264 Gotha, Universitäts- und Forschungsbibl., Memb. I 80 220 515 Hamburg, SUB, Theol. cod. 1082 168 Heidelberg, UB, Cpg 341 375 264 Heidelberg, UB, Cpg 418 (Sigle: H) 9 33 , 119 94 , 276 741 , 400, 467f., 487 Karlsruhe, BLB, Cod. Donauesch. 97 207f. 453 , 287 788 , 371 247 Karlsruhe, BLB, Cod. St. Georgen 78 (Sigle: Ka) 38, 119 94 , 276 741 , 399, 469, 488 Handschriftenregister 537 Kassel, UB/ LMB, 2° Ms. poet. et roman. 18 305f. Koblenz, LHA, Best. 701 Nr. 149 (olim: Kaiserin Augusta-Gymnasium Koblenz, Hs. Nr. 43) (Sigle: K) 248 645 , 488 Köln, Hist. Archiv der Stadt, G. B. 8° 55 390 12 London, British Library, Add. 11430 (Sigle: L) 37f. 180 , 171 305 , 276 741 , 317 28 , 374 (mit Anm.), 488 Luzern, ZB, Cod. N. 175, Depositum der Bibliothek des Romero-Hauses Luzern (olim: Immensee/ Kt. Schwyz, Bibliothek des Missionshauses, Cod. Nc/ 430) (Sigle: Rw) 41 (mit Anm.), 49 241 , 104f. (mit Anm.), 110 (mit Anm.), 111 (mit Anm.), 112, 115, 145 202 , 159 (mit Anm.), 161 (mit Anm.), 164 277 , 174 313 , 176 321 , 190 380 , 196, 199 416 , 204, 220, 248 646 , 258 690 , 259-262 (mit Anm.), 317, 318 32-36 , 319 39 , 336f., 337f., 338, 340 (mit Anm.), 341 123-124 , 347 154 , 348f. 156 , 368 (mit Anm.), 488 Mainz, StB, Hs I 13 393 29 Mainz, StB, Hs I 51 168 Mainz, StB, Hs I 221 166 290 , 167f. (mit Anm.), 477 Mainz, StB, Hs I 330 393 (mit Anm.) Mainz, StB, Hs I 335 477 Mainz, StB, Hs II 16 393 28 Maria Medingen, Bibl. des Franziskanerinnenklosters, o. Sign. 359f., 373, 374 (mit Anm.) Moskau, Bibl. der Lomonossow-Universität, Dokumentensammlung Gustav Schmidt, Fonds 40/ 1, Nr. 47 [früher Halberstadt, Bibl. des Domgymnasiums, ohne Sign. (3)] (Sigle: Mo) 9 33 , 27, 28, 31, 33, 41 198 , 47 232 , 53 259 , 58 289 , 60 295 , 62 309 , 234 579 , 248 (mit Anm.), 252 669 , 294, 331 86 , 488 (mit Anm.) München, BSB, Cgm 116 (Sigle: Mü 1 ) 9 33 , 38, 276 741 , 399, 470f., 488 München, BSB, Cgm 172 (Sigle: Mü 2 ) 9 33 , 276 741 , 399, 472f., 474, 488 München, BSB, Cgm 181 (Sigle: Mü 3 ) 9 33 , 276 741 , 400, 474, 488 München, BSB, Cgm 206 475 München, BSB, Cgm 371 32 150 München, BSB, Cgm 411 (Sigle: Mü 4 ) 9 33 , 38, 276 741 , 400, 475f., 488 München, BSB, Cgm 531 237 München, BSB, Cgm 763 166 290 München, BSB, Cgm 771 166 290 München, BSB, Cgm 798 32 150 München, BSB, Cgm 827 166 290 München, BSB, Clm 213 167 (mit Anm.) München, BSB, Clm 9003 373 255 München, BSB, Clm 28242 373 255 Namur, Musée Provincial des Arts anciens Namurois, Fonds de la Ville, Cod. 103 334 98 Namur, Musée Provincial des Arts anciens Namurois, Fonds de la Ville, Cod. 160 334 98 538 Handschriftenregister Nürnberg, GNM, Cod. 1338 374 Nürnberg, GNM, Hs 6805a 166 290 Nürnberg, StB, Cent. IV.40 240f. (mit Anm.) Nürnberg, StB, Cent V App. 99 327, 374 Nürnberg, StB, Cent. VI.43d (Sigle: MSp) 53 259 , 201 422 , 488 Nürnberg, Privatbibl. der Freiherren Ebner von Eschenbach, Cod. 90 374 Oxford, Bodleian Library, MS. Hamilton 54 (S. C. 24476) 395 Parkminster, St. Hugh’s Charterhouse, Cod. dd 21 (C 104) 334 98 , 391 15 Pommersfelden, Gräflich Schönbornsche Bibl., Cod. 280/ 2881 32 Pommersfelden, Gräflich Schönbornsche Bibl., Cod. 2741/ 320 233 576 Privatbesitz von Joseph Maria von Radowitz, fol. 18f. (verschollen) (Sigle: R) 9 33 , 49, 53 258 , 53 259 , 165-172 (mit Anm.), 179, 248, 258 690-691 , 297, 477-482, 488 Salzburg, St. Peter, Stiftsbibl., Cod. b III 30 (Sigle: Sa) 9 33 , 49, 276 741 , 483, 488 Salzburg, UB, M I 476 222 Sankt Gallen, Stiftsbibl., Cod. Nr. 583 213f. 485 Sarnen, Bibl. des Benediktinerkollegiums, Ms. pap. 171 373 S-Gravenhage, KB, Cod. 135 F 5 391 15 S-Gravenhage, KB, Cod. 73 G 29 391 15 Solothurn, ZB, Cod. S 451 373 255 Straßburg, BNU, Cod. germ. 2715 (olim: L germ. 618) 240 (mit Anm.) Straßburg, BNU, Cod. germ. 2929 375 Stuttgart, WLB, Cod. theol. et phil. oct. 27 (Sigle: S) 49, 50, 53 259 , 56, 59, 488 Stuttgart, WLB, Cod. theol. et phil. fol. 155 146f. 210 Utrecht, UB, Cat. 246 391 15 Utrecht, UB, Cat. 247 391 15 Überlingen, Leopold-Sophien-Bibliothek, Ms. 26 239 600 Växjö, StB (olim: Stiftsoch läroverksbiblioteket), Ms. 4° 401 (Sigle: Vä) 111 65 , 204, 219, 226, 231f. 572 , 232, 234 579 , 297, 325 63 , 336, 337, 341, 367, 370, 372 250 , 488 Weimar, HAAB, Q 51 (Sigle: We3) 111 65 , 219, 226, 232 (mit Anm.), 335f., 337, 341, 367, 370 (mit Anm.), 372 250 , 488 Weimar, HAAB, Oct 54 (Sigle: We1) 107f., 111 65 , 219, 226, 335 101 , 337f., 341, 488 Weimar, HAAB, Oct 58 (Sigle: We2) 107f., 111 65 , 219, 226, 232, 337, 341, 488 Weimar, HAAB, Oct 61 108 48 Weimar, HAAB, Oct 64 108 48 , 219, 232, 233, 336, 337, 341 Handschriftenregister 539 Weimar, HAAB, Q 49 225 Wien, ÖNB, Cod. 4224 391 15 Wien, ÖNB, Cod. 5580 229 Wien, ÖNB, Series Nova 12865 391 15 Wien, Schottenkloster, Cod. 134 (Hübl 215) 477 Wolfenbüttel, HAB, Cod. Guelf. 1003 Helmst. 225-232 (mit Anm.), 335 101 , 339 117 , 371f. Wolfenbüttel, HAB, Cod. 3254 374 Wolfenbüttel, HAB, Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2° 229 557 Würzburg, Bibl. des Franziskanerklosters, Hs I 110 (Sigle: W) 42, 43, 45, 46f. 231 , 49, 53 259 , 56 277 , 119 95 , 120, 145 202 , 168-171, 176 322 , 179, 242 619 , 478-482, 488 Zürich, ZB, C 76 241 Zürich, ZB, C 143 373 255 Zürich, ZB, C 172 372f. (mit Anm.) Zürich, ZB, Cod. Rh 159 204f., 207 453 , 265 707 , 276f., 303 (mit Anm.) 540 Handschriftenregister IX Namen-, Werk- und Ortsregister Abel 434 Abraham 444 ›Ad nostrum‹ (Bulle) 197 Adam 198f. (mit Anm.), 416, 418, 425, 427 Adelheid v. Oettingen (geb. Adelheid von Hirschberg, Zisterzienserin in Zimmern) 237, 239 Adelheit v. Freiburg (Dominikanerin) 207 453 , 276 745 , 294f. Adolf v. Nassau (König) 126, 128, 130, 131 (mit Anm.) Agnes v. Werdenberg (Gräfin) 397 Albert der Große, s. Albertus Magnus OP Albertus (Vikar der Pfarrkirche St. Paul in Erfurt) 225f. (mit Anm.), 371f. Albertus Magnus OP 112, 113 (mit Anm.), 135, 198, 200 Ps.-Albertus Magnus ›Paradisus animae‹ 234 578 Albrecht I. (Bischof von Magdeburg) 390 9 Albrecht II. der Entartete (Landgraf) 128 Albrecht v. Braunschweig (Herzog) 224 Albrecht v. Minden OP (vgl. FL V.28) 105 (mit Anm.), 110 61 , 405, 431 Alexius (Heiliger) 334 (mit Anm.), 402, 403 ›Alsfelder Passionsspiel‹ 305, 358 191 , 380 Amplonius Rating de Berka 234 Angelus Silesius ›Cherubinischer Wandermann‹ 393 Anna Clara v. Hohenberg (Dominikanerin) 143 Antichrist 135, 146, 243, 256 685 , 279 754 , 301, 332, 369, 405, 413, 415-419, 444 Aristoteles 344 Arnoldi v. Alfeld, Heinrich OCarth ›Meditationes et orationes‹ 110 60 , 369 238 Arnstein, Herren v. 237f., 239 Augsburg 107, 475 Benediktiner (St. Ulrich und Afra) 107 (mit Anm.), 108 49 , 219 509 Augustinus 234, 236 ›Aureum Alma B. M. V.‹ (Hymne) 194 392 ›Ave Maria‹ 106 37 , 293 Ägypten 428 B., br v der OP (vgl. FL VI 42) 209 462 , 317, 319, 356 Bake, Alijt (Augustinerchorfrau) ›De lauteringsnacht van de actie‹ 390f. (mit Anm.) ›De weg van de ezel‹ 389f. Baldewinus, s. Balduin Balduin OP (vgl. FL IV.26) 105 (mit Anm.), 110 61 , 209 (mit Anm.), 210f. (mit Anm.), 221 (mit Anm.), 319, 327 68 , 405, 413 Barbara (Heilige) 458 Barby, Herren v. 237 Barfüßer, anonymer (Autor des ›Paradisus anime intelligentis‹) 222 522 Bartholomaeus de Rinonico Pisanus OFM ›Quadragesimale de casibus conscientiae‹ 219, 370 Basel 4 (mit Anm.), 5, 8-11 (mit Anm.), 32, 33, 35, 36, 50 (mit Anm.), 53, 62, 93, 95, 105f. 34 , 108, 110, 111, 112 69 , 115, 116, 120, 146, 168, 171, 183, 186 362 , 190 380 , 208, 209, 210 464 , 240 (mit Anm.), 243, 245 (mit Anm.), 248 645 , 258, 259, 262, 327, 338f., 350, 355, 366, 482 Dominikaner 110, 190 380 , 219, 220, 240- 242 (mit Anm.), 243, 244, 245 (mit Anm.), 365 (mit Anm.), 369 Dominikanerinnen (Klingental) 240 608 Kartäuser (St. Margarethental) 105- 108, 109f. (mit Anm.), 219 (mit Anm.), 240, 241 (mit Anm.), 336, 337f., 341, 348f. 156 , 368, 369 Beatrijs v. Nazareth (Zisterzienserin) 154 241 , 294 ›Seven manieren van minne‹ 154 241 Namen-, Werk- und Ortsregister Namen-, Werk- und Ortsregister Beda Venerabilis 154 241 Begerin, Ursula (Reuerin) 337f. Bernhard v. Clairvaux OCist 107, 109, 395, 459 Berthold v. Bombach ›Leben der seligen Luitgart von Wittichen‹ 134 Berthold v. Nürnberg OP 220 Berthold v. Regensburg OFM ›Von den Zeichen der Messe‹ 167f. (mit Anm.), 477 Bethlehem 194 (mit Anm.), 425, 426 Beutlerin, Magdalena, s. Magdalena v. Freiburg Birgitta v. Schweden 231, 340, 389, 394, 395, 396 Boccaccio ›Decameron‹ 252 669 , 265 707 Böddeken (CanAug) 32 Brabant 214, 301 859 , 390 12 Bruder Berthold OP ›Rechtssumme‹ 70 329 , 80, 81, 82, 274 Bursfeld (OSB) 224f. 536 Buxheim (OCarth) 108 49 , 110 60 , 219 509 , 369 Carpentarius, Georg OCarth 109 Caedmon 154 241 Christina v. Stommeln (Begine) 377 Christophorus (Heiliger) 334 (mit Anm.), 403 Christus, s. Jesus Christus Clemens IV. (Papst) 132 Colin, Philipp 380 Colmar 242, 326, 331, 401f. Dominikaner 243 (mit Anm.) Eleudenherberge 402 Franziskaner 402 Protestantische Konsistorialbibliothek 402 Cornelius a Lapide SJ 391f. (mit Anm.) ›Das nüwe Parzifal‹, s. ›Rappoltsteiner Parzifal‹ David 181, 463 ›De beata Marie V.‹ (Hymne) 194 392 Deborah 345 ›De incarnatione D. N.‹ (Hymne) 194 392 ›Der Minne Spiegel‹ 50 245 , 201f. (mit Anm.), 236 Dietrich, Sohn von Albrecht II. (s.o.) 128 Dietrich v. Apolda OP 49, 164 277 , 184 351 , 211, 223, 224, 265 (mit Anm.) ›Vita S. Dominici‹ 220 (mit Anm.), 221, 224 (mit Anm.), 234, 342 (mit Anm.), 366 ›Vita S. Elizabeth‹ 221 Dietrich v. Dobin (Domdekan in Magdeburg) 139f. (mit Anm.), 186, 221 516 ›Die geistliche Jagd‹ 240 ›Die geistliche Spur‹ 240 Dominikus (Ordensgründer) 121 (mit Anm.), 136, 138 172 , 163, 180 336 , 184, 190, 220, 221, 243, 256 685 , 265, 301, 333, 342, 404, 405, 410-412, 430, 434, 462 Dorothea v. Montau (Rekluse) 136 160 , 231, 392, 394, 395 Ebner, Christine (Dominikanerin) 27, 135, 327, 379 283 , 386 ›Gnadenvita‹ 135, 142 188 , 354 ›Offenbarungen‹ 201 423 , 327, 329, 374, 379 Ebner, Margareta (Dominikanerin) 10 39 , 31, 37 180 , 62, 146, 201 423 , 238 596-597 , 317 28 , 328, 329, 360, 367, 376, 379 ›Offenbarungen‹ 142 188 , 155 244 , 296 833 , 359f. (mit Anm.), 373f. (mit Anm.), 387 5 ›Pater Noster‹ 374 260 Ebner v. Eschenbach, Freiherren 374 Ebrach (OCist) 472 Echard, Jacques OP ›Scriptores ordinis praedicatorum‹ 113, 337 107 Meister Eckhart OP 3, 36, 153 240 , 206 416 , 221f. (mit Anm.), 223 224 , 233 (mit Anm.), 236 (mit Anm.), 240, 241 611 , 357 188 , 387 8 , 399, 468 ›Die rede der underscheidunge‹ 221 (mit Anm.) ›Laetare sterilis, quae non paris‹ (DW Pr. 99) 222 ›Omne datum optimum‹ (DW Pr. 4) 222 ›Opus tripartitum‹ 222, 234, 303 865 ›Quasi stella matutina‹ (DW Pr. 9) 222 ›Sedebat Jesus docens in templo‹ (DW Pr. 90) 222 542 Namen-, Werk- und Ortsregister ›Von der êwigen geburt‹, Predigtzyklus (DW Pr. 101-104) 222 ›Meister Eckharts Wirtschaft‹ 467 Ps.-Meister Eckhart 3 Einsiedeln (Waldschwestern) 328 Eisleben 128, 131, 224, 225 (mit Anm.), 227, 228, 371 Ekbert v. Schönau OSB 285 778 , 345 140 Elisabeth v. Schönau (Benediktinerin) 231, 339 117 , 340, 345 140 , 389, 394, 395 ›Liber visionum‹ 285 778 Elisabeth v. Thüringen (Landgräfin von Thüringen) 136, 323 (mit Anm.), 433f. Ellin v. Crewelsheim (Zisterzienserin) 238 596 Elsass 111, 233 576 Elsbeth v. Oye (Dominikanerin) 304 866 , 468 ›Leben und Offenbarungen‹ 206, 207 453 , 276-278 (mit Anm.) ›Offenbarungen‹ 204-207 (mit Anm.), 236, 265 707 , 276-278 (mit Anm.), 303 (mit Anm.), 352 Engelberg (OSB) 167, 372f. (mit Anm.) ›Engelberger Predigten‹ 295 832 Engelhard v. Langheim OCist ›Vita Mechtildis Diessensis‹ 391f. Engelhart v. Ebrach OCist 472 Ps.-Engelhart v. Ebrach OCist ›Buch der Vollkommenheit‹ 9 33 , 38, 119 94 , 172, 276 741 , 399, 467, 469, 470, 472, 474, 475, 483 Engelthal (Dominikanerinnenkloster) 50 245 , 142, 201 (mit Anm.), 245, 281f. 765 , 285 778 , 329 82 ›Engelthaler Schwesternbuch‹ 374, 379 Enoch 121, 123, 369, 405, 413, 415-419, 444, 446 Epp, Georg OP ›De illustribus viris ac sanctimonialibus‹ 112 67 Erfurt 108 (mit Anm.), 130, 131, 146, 225, 234, 236 588 , 265 (mit Anm.) Benediktiner (St. Peter und Paul) 108, 128 (mit Anm.), 130, 219 506 , 224f. (mit Anm.), 227-229 (mit Anm.), 335 101 Bibliotheca Amploniana 233 Dominikaner 215, 220, 221-224 (mit Anm.), 233 577 , 236 588 , 237, 300, 342 127 , 383 Kartäuser (St. Salvatorberg) 108 (mit Anm.), 219 (mit Anm.), 221, 226- 234 (mit Anm.), 330 84 , 333 94 , 335f. (mit Anm.), 367, 369f. (mit Anm.), 372 250 , 394 Pfarrkirche St. Paul 226 (mit Anm.) Eva 198f. (mit Anm.), 416 Faber, Jacobus Stapulensis ›Liber trium virorum et trium spiritualium virginum‹ 339 117 , 389, 393 Flacius, Matthias Illyricus 229, 338-340 (mit Anm.) ›Catalogus testium veritatis‹ 338f. Florentius v. Utrecht OP 223 Foligno, Angela (Franziskanerterziarin) ›Liber de vere fidelium experientia‹ 283 773 , 284 775 , 353 Franke, Johannes (von Köln) OP 240 Franken 238 594 Frankfurt am Main 338 ›Frankfurter Passionsspiel‹ 305 Franziskus (Ordensgründer) 136, 430, 434 Frawenlob, Johann (Pseudonym) ›Die lobwürdige Gesellschafft der gelehrten Weiber‹ 339f. (mit Anm.) Freiburg Augustinereremiten (St. Anna zum Grünen Wald) 168 Friedrich, Sohn des Albrecht II. (s.o.) 128 Friedrich, Konrad (Engelthaler Kaplan) 285 778 Gabriel (Engel) 405, 424, 425 Galilea 480 Gent 390 Gerdrut v. Engelthal (Dominikanerin) 285 778 Gertrud v. Hackeborn (Zisterzienserin) 230, 335, 394 (mit Anm.) Gertrud (die Große) v. Helfta (Zisterzienserin) 211, 215, 224, 231 570 , 281f. 765 , 287, 289, 335, 393, 394f. (mit Anm.) ›Exercitia spiritualia‹ 295 826 Namen-, Werk- und Ortsregister 543 ›Legatus divinae pietatis‹ 129f., 130f., 206 447 , 211, 218, 223f. (mit Anm.), 225 (mit Anm.), 230, 239 600 , 281f. 765 , 283f. (mit Anm.), 285 778 , 287 787 , 290 798 , 291, 358f. (mit Anm.) Giselher v. Slatheim OP 223, 240 Glogau 303 864 ›Goldene Kette‹ 467 ›Gottesfreunde‹ 4, 9, 33, 34, 50 245 , 51, 217, 218 506 , 243, 245 (mit Anm.), 258, 260, 262, 328f., 361, 391 15 Gottfried v. Straßburg ›Tristan‹ 316 Goethe, Johann Wolfgang ›Werther‹ 144 199 Grácián, Jerónimo 389, 393, 395 Grande Chartreuse (OCarth) 371 248 Gregor I., der Große (Papst) 345 Ezechiel-Kommentar 345, 346 147 Gregor X. (Papst) 132 Groote, Geert 152-154 (mit Anm.), H. a Veriungerede (Vernigerode), pater 129, 130 131 , 211, 212 Hadewijch ›Liste der Vollkommenen‹ 390 Hadrian V. (Papst) 132 Hagen, Johannes OCarth 231f. (mit Anm.), 336 103 , 394f. (mit Anm.) ›De gradibus humilitatis‹ 231f. 572 ›Circa visionem Tundali‹ 394f. Halberstadt Dominikaner 215 Franziskaner 224 534 Zisterzienserinnen (St. Jacobi) 224f. 536 , 225 539 Halle 4 11 , 40, 100 4 , 102 13 , 112, 129, 172, 190 380 , 208-211 (mit Anm.), 212, 215f. (mit Anm.), 217, 220, 224 534 Deutscher Orden 215 Dominikaner 129, 216 499 , 251, 290 800 Franziskaner 129 Hane der Karmelit OCarm 222 522 Hartmann v. Aue 314 ›Der arme Heinrich‹ 88, 249 647 ›Iwein‹ 84, 271, 316 23 Hartmann v. Kronenberg OP 240 Haß, Heinrich OP 40 ›Heidelberger Passionsspiel‹ 305 Heidenreich OP (Bischof von Kulm) 138 171 Heinrich OP (vgl. FL IV.22) 163, 184, 405, 411f. Heinrich, Bruder (Engelthaler Kaplan) 285 778 Heinrich, meister (vgl. FL V.12) 100, 319 Heinrich Julius (Herzog) 229 557 Heinrich v. Ekkewint OP 240 Heinrich v. Halle OP (vgl. LD II.40/ Rev. Bd. II.2, S. 517) 5-8 (mit Anm.), 11f., 14, 18, 19f., 23, 26 (mit Anm.), 27, 34, 64, 66 (mit Anm.), 99-114 (mit Anm.), 124 109 , 129f. (mit Anm.), 141, 156, 160, 179, 180, 181, 191, 209, 210f. (mit Anm.), 212, 215f. (mit Anm.), 249-251 (mit Anm.), 255-257 (mit Anm.), 267 710 , 268, 269, 271, 281, 285 (mit Anm.), 288 (mit Anm.), 290 800 , 293, 298f. (mit Anm.), 300 (mit Anm.), 319, 322 48 , 337, 340 121 Heinrich v. Hesler ›Apokalypse‹ 294 818 Heinrich v. Morungen 48 Heinrich v. Nördlingen (Weltpriester) 4, 7-10 (mit Anm.), 31 (mit Anm.), 32, 33, 36, 37-42 (mit Anm.), 49, 50 (mit Anm.), 51 (mit Anm.), 146 (mit Anm.), 201 423 , 213f. 485 , 237, 238 (mit Anm.), 240 607 , 243 (mit Anm.), 245, 257f., 260, 276 741 , 311, 317 28 , 327, 328f., 330 83 , 342, 359, 361, 364 219 , 367f., 376, 378 Heinrich v. Rumersheim (Basler Chorherr) 327 Heinrich v. Veldeke ›Eneit‹ 66 320 , 144 199 Helfta (Zisterzienserinnenkloster) 19, 20, 22, 24 (mit Anm.), 26, 102, 104, 105, 113, 125, 126 115 , 128, 130, 131 (mit Anm.), 133 (mit Anm.), 135, 144, 147, 186 359 , 209, 210f. (mit Anm.), 215-219 (mit Anm.), 223-226 (mit Anm.), 227, 228 (mit Anm.), 230, 235 (mit Anm.), 236, 238, 239, 251, 281, 283, 287, 289- 291 (mit Anm.), 293 (mit Anm.), 302, 312f., 315 19 , 321 45 , 323, 325 66 , 334, 336, 337 (mit Anm.), 340 121 , 346 (mit Anm.), 358, 359, 371f., 382, 386, 393, 394 (mit Anm.) 544 Namen-, Werk- und Ortsregister Helias 121, 123, 369, 405, 413, 415-419, 444, 446 Helmstedt 229 557 Helwic v. Germar OP 223 Henselin (Schreiber) 207f. 453 Hermann v. Kronenberg 240 Hermann v. Loveia OP 223f. Herodes 173, 427, 479 Herp, Hendrik OFM ›Spieghel der volcomenheit‹ 40 Hertenberger, Christoforus (Schreiber) 469 Hildegard v. Bingen (Benediktinerin) 231, 287 784 , 340, 345 142-143 , 376, 389, 393, 394, 395 ›Liber scivias‹ 213f. 485 , 339 117 , 389 Hildegund (vgl. FL II.20) 326f., 458 Hildesheim 224 534 ›Himmelfahrt Jesajas‹ 160 262 Hirschberg, Grafen v. 238 594 ›Hochalemannische Predigten‹ 237 (mit Anm.), 239 Hulda 345 Humbert v. Romans OP 138 172 Hültscher, Heinrich (Schreiber) 305 Ignatius v. Antiochien 160 262 Indaginis, Johannes, s. Hagen, Johannes OCarth India 418 Innocenz III. (Papst) 138 172 Innozenz V. (Papst) 132 Irmi, Stephan OP 241 Jacobus a Voragine OP ›Legenda aurea‹ 138 172 Jakob v. Paradies OCarth ›De actionibus humanis et de mystica theologia‹ 232 573 Jakob v. Vitry CanR 143 193 , 149 219 Jan van Leeuwen CanR 32, 41 Jan van Ruusbroec CanR ›Van den blinckenden Steen‹ 35 ›Geestelijcke brulocht‹ 33, 40 (mit Anm.), 152, 213f. 485 Jerusalem 296, 352, 415, 420, 480 Jesus Christus 49, 104, 107, 108 48 , 134, 135, 159f. (mit Anm.), 163, 164, 165, 169 300 , 180, 184, 187 (mit Anm.), 189, 198, 200, 205, 228 553 , 234, 238, 277, 318 32-33 , 344, 352, 362, 363, 364, 369 238 , 395, 396, 404, 405, 406, 414, 415, 417, 418, 419, 421, 422, 424, 427, 428, 429, 431, 435, 436, 438, 440, 441, 443-445, 447, 450, 456, 458, 459, 460, 461, 475 Joachim v. Fiore 135, 140 Johann v. Soest 303 864 Johannes XXI. (Papst) 132 Johannes Baptista (der Täufer) 121, 143, 354, 367, 435, 443, 461 Johannes Evangelista 143, 185f., 265f. 708 , 405, 412, 452, 461 Johannes K. v. Bopfingen (Schreiber) 397 Johannes IV. v. Hohenstein OSB (Abt) 107 Johannes v. Magdeburg OP ›Vita der Margareta contracta‹ 214 Johannes v. Marienwerder CanR ›Vita der Dorothea v. Montau‹ 392f. Johannes v. Sterngassen OP 294 Joseph 426, 428 Jutta v. Sangerhausen (Rekluse) 136-138 (mit Anm.), 149 219 , 221 516 , 393 27 , 434 Jutta v. Sangerhausen (Zisterzienserin) 137 162 Kaisheim (OCist) 238 (mit Anm.), 239, 367 ›Kalocsaer Kleinepik-Handschrift‹ 375 264 Katharina von Alexandrien (Heilige) 462 Katharina v. Siena (Dominikanerterziarin) 142, 231 (mit Anm.), 340, 353f., 389, 391 15 , 394, 395 ›Katharinentaler Schwesternbuch‹ 143 Kempe, Margery 205 Kirchheim (Zisterzienserinnenkloster) 397, 399 Kirschgarten (CanAug) 32 ›Klage‹ s. ›Nibelungenklage‹ Klosterneuburg (CanAug) 240 Konrad v. Megenberg ›Buch von den natürlichen Dingen‹ 32 Konstantin v. Orvieto OP 138 172 Köln 32 151 , 112, 129, 211, 222 525 , 245 Kölner, Friedrich OSB 32 151 Krakau 137 Kulm 137, 138 171 Kügelin, Konrad (CanAug) 397 Namen-, Werk- und Ortsregister 545 Lamprecht v. Regensburg OFM ›Tochter Sion‹ 294 Langmann, Adelheid (Dominikanerin) ›Offenbarungen‹ 23, 24 110 , 294 821 , 354 Laurentius (Heiliger) 462 Laurin 87 417 Lautenbach, Conrad (Übersetzer) 338 115 Lazarus 423 Lefèvre, Jacques d’Etaples s. Faber, Jacobus Stapulensis ›Legende vom zwölfjährigen Mönchlein‹ 134 152 Leipzig (OP) 113, 138 171 , 223, 224 534 ›Libellus de dictis quatuor ancillarum‹ 354 174 Lindner, Johannes OP 114, 211 472 Lindow, Herren v. 237 Lochner, Stefan 225 538 Longinus 481 Louber, Jakob OCarth 110 60 , 241 618 Lucifer 160, 197, 203 431 , 212, 213, 405, 426f., 428, 438, 453 Luitgart v. Wittichen (Klarissin) 134 Lukardis v. Oberweimar (Zisterzienserin) 215 494 Luther 338 Lüttich 390 12 Machtelt (Klausnerin) 390f. M./ Mechtildis, soror (Zisterzienserin in Helfta) 131 136 , 289 Magdalena v. Freiburg (Klarissin) 134, 393 Magdalene v. Oettingen (Zisterzienserin) 397 Magdeburg 3, 4 (mit Anm.), 10, 19, 61, 125, 132 140 , 134, 138 (mit Anm.), 139, 140, 141, 144, 144f. 200 , 147 (mit Anm.), 210, 212, 214, 221 516 , 238, 252, 309, 341 (mit Anm.), 361, 381, 382, 390 (mit Anm.), 391 (mit Anm.), 395f. Beginen 323-326 (mit Anm.) Dominikaner (St. Paulus) 138 172 , 212 479 , 215 Kapelle St. Gertrud 390 9 Prämonstratenser (Unser Lieben Frauen) 214f. 491 Reuerinnen (Maria Magdalena/ die Nonnenburg) 324 Zisterzienserinnen (St. Agnes) 137 162 , 390 9 ›Magdeburger Centurien‹ 229 Mainz (OCarth) 167f., 393 Manesse 48 Mansfeld 227 Margareta Contracta (Rekluse) 134, 214 (mit Anm.), 324, 390f. (mit Anm.) Margareta v. Metola (Dominikanerterziarin) 391 13 Margareta v. Ungarn (Dominikanerin) 231 Margareta zum Goldenen Ring (deo devota) 240 (mit Anm.), 242, 243, 244, 328, 362 214 Margareta von Lichen (Zisterzienserin) 399 Maria (Gottesmutter) 146, 167, 180, 193- 196 (mit Anm.), 199, 247 641 , 268, 301 855 , 395, 405, 417, 420, 422, 424-428, 443, 447, 456, 461, 477, 480 Maria Magdalena 414, 439, 462 Marie v. Oignies (Begine? ) 143 193 , 149 219 , 395 Marienberg bei Boppard (Benediktinerinnenkloster) 224 536 ›Marquard Biberli Legendar‹, s. ›Solothurner Legendar‹ Martinus (Heiliger) 462 Marquard v. Lindau OFM 367 228 , 373 255 Mechthild v. Dießen (Augustinerchorfrau) 391f. (mit Anm.) Mechthild v. Hackeborn (Zisterzienserin) 104 (mit Anm.), 135, 205, 211, 287, 334-340 (mit Anm.), 346 148 , 360, 377, 379, 384, 389, 390 12 , 391 15 , 393, 394, 395 ›Liber specialis gratiae‹ 24 114 , 104 24 , 106 37 , 107 42 , 108 48 , 109 (mit Anm.), 112, 130f., 135, 143, 201 421 , 211, 213 (mit Anm.), 217 504 , 218f., 225- 234f. (mit Anm.), 239 600 , 281- 283 (mit Anm.), 284 (mit Anm.), 285 778 , 287, 290 798 , 291 (mit Anm.), 321 45 , 334-340 (mit Anm.), 341 125 , 358, 371f. (mit Anm.), 377 273 , 380, 386, 389, 391 15 , 394 Medingen (Dominikanerinnenkloster) 31, 146, 245, 329, 359, 360, 367, 368, 373, 374 (mit Anm.), 378 mehtegvnt 327, 458 Melk (OSB) 107 (mit Anm.) Merseburg 4 11 546 Namen-, Werk- und Ortsregister Merswin, Rulman 40 195 , 376 Meyer, Johannes OP 143, 211 472 , 336f. ›Liber de Viris Illustribus Ordinis Praedicatorum‹ 105f. (mit Anm.), 110-112 (mit Anm.), 219, 319 39 ›Miracula Wichmani‹ 212f., 237, 239 Moser, Urbanus OCarth 395 ›Repertorium universale veteris ac nove Librarie Carthusiensium minoris Basilee‹ 109f. (mit Anm.), 336f. Mönch v. Heilsbronn OCist ›Von den sechs Namen der Eucharistie‹ 403 Müller, Hieronymus (Schreiber) 475 N., frater Ordinis Praedicatorum 104 24 , 211 Naumburg 4 11 Neuhelfta (Benediktinerinnenkloster) 215 496 , 224f. (mit Anm.), 294 Neuruppin, s. Ruppin (OP) ›Nibelungenklage‹, 67, 70f. 329 , 80, 81, 82, 85, 86, 89 423 , 274, 383 ›Nibelungenlied‹ 88, 89 (mit Anm.), 213 483 , 272 723 , 275 Niederlanden 324, 390, 391 13,15 Nider, Johannes OP 397 Nikolaus III. (Papst) 132 (mit Anm.) Nikolaus v. Flüe 3 5 Nikolaus v. Straßburg OP 240 Noe 61, 427 Nürnberg 40, 167 (mit Anm.), 201 422 , 233 576 , 265 707 Dominikaner 233 576 , 243 (mit Anm.) Dominikanerinnen (St. Katharina) 240, 243 ›Nüwes Parzifal‹, s. ›Rappoltsteiner Parzifal‹ Oberweimar (Zisterzienserinnen) 215 494 Origenes 160 262 Oswald de Corda OCarth ›Opus pacis‹ 371 247 , 372 250 Oswald v. Wolkenstein 287 788 Ottheinrich (Kurfürst von Pfalz) 467 Otto v. Passau OFM ›Vierundzwanzig Alten‹ 233 576 Ötenbach (Dominikanerinnenkloster) 265 707 , 372 Oettingen, Grafen v. 238 (mit Anm.), 239 ›Paradisus anime intelligentis‹ 177 325 , 222 (mit Anm.), 223f. Paris 133, 135, 197, 222, 301, 339 Paulus (Apostel) 142, 457, 458, 461 Pellengriesser, Fridericus (Schreiber) 329f. 82 Petrus (Apostel) 443, 461 Peter van Zutphen CanAug 32 (mit Anm.) Petrus Martyr OP 136, 137, 138 172 , 434 Petrus de Prussia OP ›Vita B. Alberti Doctoris Magni‹ 112f. (mit Anm.), 337 Peuntner, Thomas 397, 483 Pforta 216 Pilatus 173, 479 Pirna (OP) 114, 211 472 Porète, Marguerite (Begine? ) ›Miroir des simples âmes‹ 197, 236 (mit Anm.) Preußen 137, 149 219 , 392 Püterich, Jakob v. Reichertshausen ›Ehrenbrief‹ 371 247 Quetif, Jacques OP ›Scriptores ordinis praedicatorum‹ 113, 337 107 Radowitz, Clemens v. (Handschriftenbesitzer) 166 Radowitz, Joseph Maria v. (Handschriftenbesitzer) 165f. (mit Anm.), 477 Raimund v. Capua OP ›Der geistliche Rosengarten‹ 142, 353 ›Legenda maior‹ 353 ›Rappoltsteiner Parzifal‹ 207f. 453 , 287 788 , 358 191 , 371 247 , 380 Rebdorf (CanAug) 32 (mit Anm.) Regensburg 229 Benediktiner (St. Emmeram) 472 Reinmar der Alte 68 327 , 315 18 Ries (Schwaben) 198 (mit Anm.), 200, 238 (mit Anm.) Rom 415, 420 Laterankirche 138 172 Rudolf v. Biberach OFM ›De septem itineribus aeternitatis‹ 241, 245 633 Ruppin (OP) 100, 103, 104, 112, 114, 210 465 , 210f. 467 , 212, 215f. (mit Anm.), 249, 298, 319, 340 121 Namen-, Werk- und Ortsregister 547 Sachsen 3, 113, 114, 126, 128, 130, 131 Salomon 181, 463 Salzburg Benediktiner (St. Peter) 483 St. Gallen Benediktiner 32 151 Dominikanerinnen (St. Katharina) 241 ›St. Georgener Predigten‹ 146f. 210 St. Katharinental bei Dießenhofen (Dominikanerinnenkloster) 143, 237 Satan 159f., 161, 259 693 , 344, 426f., 428 Saulus 457 Schedelin, Hans/ Johannes (Schreiber, Handschriftenbesitzer) 242, 326f. (mit Anm.), 331-334, 401-404 Schedelin, Hennyn 402 Schembek, Frideric SJ ›Leben der Heiligen Jutta‹ 136f. Schepach, Elsbeth (Dominikanerin) 359 (mit Anm.) Schlesien 303 864 Schmidt, J. (Buchdrucker) 338 Schönensteinbach (Dominikanerinnenkloster) 111 ›Schwarzwälder Predigten‹ 75 363 , 245 633 , 306, 358 191 Seraphin 49, 169f. 300 , 187, 367, 407, 458, 459 Seuse, Heinrich OP 360, 373 254-255 , 379 ›Büchlein der Ewigen Weisheit‹ 151- 154 (mit Anm.), 372f. (mit Anm.), 373 255 ›Exemplar‹ 360, 372, 373, 375 ›Horologium sapientiae‹ 154 243 , 155 244 , 213f. 485 , 373 255 ›Vita‹ 149 219 , 207 453 , 309 2 , 357 (mit Anm.), 360 Sinsheim 168 Sittard, Konrad OP ›Kurtze Chronica … der General Maister Prediger Ordens‹ 112 67 ›Solothurner Legendar‹ 373 255 Sophia v. Stolberg (Benediktinerin) 225 539 Spruchsammlung des Engelhart v. Ebrach, s. (Pseudo-)Engelhart v. Ebrach Stagel, Elsbeth (Dominikanerin) 357 (mit Anm.), 360, 373 254 , 379, 386 3 Stephanus (Protomartyr) 443, 462 Steill, Friedrich OP ›Geistlicher Lustgarten des Prediger- Ordens‹ 112 67 Straßburg 33, 111, 197, 337, 338f., 341 125 Johanniterkommende auf dem Grünenwörth 111, 376 (mit Anm.) Sunder, Friedrich OP 142, 294 Syfer, Johannes (Schreiber) 168 Tauler, Johannes OP 146f. 210 , 212f. (mit Anm.), 219, 233 576 , 237, 245 (mit Anm.), 309 2 , 399, 469 Tauler, Ps.-Johannes ›Predigt von dreierlei Abenden‹ 403 Tegernsee (OSB) 470 Teresa v. Avila (Karmelitin) 389 Th/ Tho von Apolde der prediger (Autor des ›Paradisus anime intelligentis‹) 223 Thomas v. Aquin OP 113, 135 Thomas v. Kempen ›Soliloquium anime‹ 154f. 243 Thüringen 3, 126, 128, 130, 221 (mit Anm.), 222, 224, 293, 324 58 Tilo v. Kulm ›Von siben ingesigeln‹ 392 ›Tochter Syon‹ 294 Töss (Dominikanerinnenkloster) 373 255 ›Tösser Schwesternbuch‹ 310 4 , 379 (mit Anm.), 386 3 Tucher, Katharina (Laienschwester) 201 422 ›Offenbarungen‹ 265 707 , 280 756 Ulrich III. Niblung OCist (Abt) 238 Urban IV. (Papst) 132 ›Vaterunsererklärung Adonay‹ 469 Vienne 197 Villingen, St. Georgen (OSB) 469 Virginal 87 417 ›Vitas patrum‹ (alemannisch) 241 ›Viten der Schwestern von Töss und der Elisabeth v. Ungarn, Nonne v. Töss‹ 373 Volmar v. Disibodenberg OSB 287 784 Volradi, Jakob OCarth 146, 219, 230f. (mit Anm.), 232f., 335f., 367, 394 ›Registrum librarie fratrum Carthusiensium apud Erffordiam‹ 335, 338 Wagner, Marcus 229 Walther v. der Vogelweide 48 Werenrode 212 548 Namen-, Werk- und Ortsregister Wichmann v. Arnstein OPraem/ OP 210 (mit Anm.), 211-214 (mit Anm.), 215, 216 499 , 237, 238, 239 Wilhelm v. St. Amour 133 ›Tractatus brevis de periculis novissimorum temporum‹ 135f., 301 Wilhelm v. St. Thierry OSB/ OCist 198 Wisse, Claus 380 Witter, Johann Jacob ›Catalogus codicum manuscriptorum in bibliotheca sacri ordinis Hierosolymitani Argentorati asservatorum‹ 111 (mit Anm.), 341 125 Wolfram von Eschenbach ›Parzival‹ 371 247 ›Titurel‹ 371 247 ›Willehalm‹ 328 78 Wunne, Heinrich OSB 108 Zerbolt van Zutphen, Gerard ›De reformatione virium anime‹ 110 (mit Anm.) Zimmern (Zisterzienserinnenkloster) 237, 238 (mit Anm.), 239 Zittardus, Conradus, s. Sittard, Konrad OP Namen-, Werk- und Ortsregister 549 X Stellenregister Lateinisch-deutscher Vorbericht/ Prolog 3f., 5, 7, 19, 103, 124, 126, 127 (mit Anm.), 134, 141-147 (mit Anm.), 151, 153, 154, 178, 181 339 , 186 360 , 233, 243 627 , 244, 253 (mit Anm.), 255, 256 684 , 281, 285 (mit Anm.), 289, 299 848 , 301 859 , 321-323 (mit Anm.), 325, 326, 333f. (mit Anm.), 344, 346, 347, 361 Prooemium I 16 72 , 30 142 , 49f., 57 281 , 102, 120, 123, 145f., 191, 253 (mit Anm.), 288 794 , 297, 344, 377f. Prooemium II 16 72 , 180, 230 561 , 356 184 I.1 49, 53 259 , 55 272 , 59 (mit Anm.), 120, 178 327 , 253 671 , 263 702 , 270, 279, 397 I.2 55 271 , 55 272 , 60f., 121, 171 304 , 175, 195, 263 702 , 348, 365 I.3 46 231 , 191, 270, 296 I.4 121, 169f. 300 , 203, 298 843 I.5 55 271 , 203 431 I.6 53 257 , 58 291 , 120, 173f. 311 , 296 I.7 120 98 , 356 185 , 447 I.8 176, 447 I.9 49 (mit Anm.), 50, 56, 169f. 300 , 187, 448 I.10 49, 448 I.11 116 83 , 169f. 300 , 298 843 , 448 I.12 448 I.13 259 693 , 448 I.14 448 I.15 448 I.16 449 I.17 449 I.18 43, 449 I.19 55 271 , 449 I.20 449 I.21 449 I.22 9 33 , 28, 37-42 (mit Anm.), 44, 53 257 , 55 271 , 58f. 291 , 172, 176 322 , 180 336 , 195, 213, 263 699 , 263f. 702 , 275f. (mit Anm.), 328, 399, 467f., 469, 470f., 472f., 474, 475f., 483 I.23 44, 263 700 I.24 43f. I.25 199 416 I.27 247 641 I.28 58f. 291 , 169f. 300 I.29 41 198 , 46 231 , 62 309 , 164, 188-190, 252 669 , 259 693 , 319 I.30 59 292 , 189f. (mit Anm.), 349f., 366 226 I.32 62 309 , 252 669 I.34 44 I.35 121, 169f. 300 , 298 843 I.36 62 309 , 116 83 , 252 669 , 261 695 I.39 291 806 I.40 42, 291 806 , 295f. I.41 291 806 I.42 291 806 I.43 53 259 , 291 806 I.44 28 130 , 36 170 , 45, 46 227 , 53 259 , 54 264 , 55 272 , 59 292 , 116 84 , 118 (mit Anm.), 120 99 , 123, 169 300 , 173 311 , 175, 176 322 , 178 327 , 192, 199 416-417 , 200-202 (mit Anm.), 206 446 , 217, 253, 259 693 , 261 695 , 279 753 , 296, 298 843 , 354, 481 I.45 171 304 , 183 347 I.46 44, 252 664 , 297 (mit Anm.) II.1 118 II.2 44 217 , 116 85 , 118 (mit Anm.), 122 104 , 264, 296 833 , 363 II.3 118 (mit Anm.), 122 104 , 123, 154 242 , 161, 176 322 , 194f., 264, 351, 363 II.4 121, 188f., 253, 263 702 , 296 833 , 298 843 , 354f., 365 (mit Anm.) II.5 116 85 II.6 53 257 Stellenregister Stellenregister II.7 52f. 255 , 352 169 II.8 120, 122, 350f., 454 II.9 454 II.10 454 II.11 62 309 , 116 85 , 252 669 , 454f. II.12 116 85 , 455 II.13 62 309 , 176 322 , 244 629 , 252 669 , 455 II.14 62 309 , 252 669 , 455 II.15 455 II.16 244 (mit Anm.), 455 II.17 43 212 , 455 II.18 456 II.19 53 259 , 119 95 , 178 327 , 180 336 , 187 365 , 242 619 , 247 641-642 , 258 690-691 , 260 694 , 261 695 , 292 809 , 331, 456f. II.20 120, 173f. 311 , 203 430 , 324 61 , 326, 332, 352 169 , 458 II.21 56 276 , 62 309 , 118 92 , 169 300 , 191f., 248 645 , 252 669 , 352 169 , 458f. II.22 118 92 , 199 417 , 259 693 , 292 809 , 296, 363, 459 II.23 55 271 , 59, 60 (mit Anm.), 62 309 , 169 300 , 176 323 , 246, 247 641 , 248 643-645 , 252 669 , 259 693 , 269 716 , 312 (mit Anm.), 459-461 II.24 53 257 , 53 259 , 119 95 , 121 100 , 162, 175 319 , 180, 182, 183, 187, 203 430 , 242 619 , 247 642 , 278 749 , 297 (mit Anm.), 318, 327 68 , 349, 350, 461-463 II.25 44, 46 227 , 50 245 , 53 259 , 54 264 , 54 265 , 57 280 , 57 284 , 58f. 291 , 59, 63 312 , 177 325 , 178 327 , 224, 242 619 , 261 695 , 264, 294, 296 (mit Anm.), 357, 366, 463- 465 II.26 5f., 16 70 , 101 8 , 116 84 , 120, 123, 248 646 , 252, 253 671 , 254, 266-268 (mit Anm.), 281, 285-287, 298 843 , 299 848 , 302, 322 (mit Anm.), 344, 352 169 , 355, 356 184 , 360f. (mit Anm.), 378 III.1 28 130 , 57 285 , 120, 145, 176 322 , 196 400 , 220, 247 641 , 259 693 , 259 693 , 261 695 , 263 702 , 264, 265, 304f. 867 , 363, 366 226 , 367 III.2 120f., 172f. (mit Anm.) III.3 208 455 , 247 641 , 261 695 , 292 809 III.4 195f., 247 641 III.5 174 314 , 175 319 , 183 347 , 189, 203 430 , 324 61 III.6 62 309 , 186, 252 669 III.7 187 365 III.8 261 695 III.9 56, 63 312 , 122 104 , 163, 164 278 , 169f. 300 , 171 304 , 178 327 , 195, 196f., 198f., 258 692 , 263 701 , 348, 352 169 , 362 III.10 9 33 , 53 259 , 56 277 , 63 312 , 164, 165 (mit Anm.), 168-172 (mit Anm.), 173, 178 327 , 179, 258 690-691 , 272, 292 809 , 477-482 III.12 117 III.13 63 312 , 174 313 , 178 327 III.15 119 95 , 120, 121 101 , 122 (mit Anm.), 180 336 , 261 695 , 280, 296, 324f., 332, 333, 334, 351, 356, 397, 407f. III.17 120, 122 103 , 176 322 , 187 365 , 188, 220, 244 630 , 324 61 , 332, 352 169 , 409 III.18 332, 409 III.19 55 271 , 352 169 III.20 56 276 , 103 16 , 120, 121 101 , 180, 181f., 292 809 , 344 III.21 120, 182 346 , 187 365 , 261 695 , 279 (mit Anm.), 352 169 , 367 III.22 54 265 , 332, 351, 410 III.23 118 (mit Anm.), 123 (mit Anm.), 124, 182 346 , 270 III.24 118 92 , 175, 176, 202, 242 619 , 253f. 673 , 259 693 , 278 748 , 324, 397 IV.1 203 430 , 261 695 IV.2 20, 23, 26 124 , 56 276 , 59 292 , 118 92 , 119 95 , 120 (mit Anm.), 124 110 , 133-135 (mit Anm.), 141, 147, 180 (mit Anm.), 181 (mit Anm.), 182 (mit Anm.), 187 365 , 188, 247 641-642 , 255, 263 702 , 278 749 , 302, 304 867 , 322 48 , 323 53 , 344, 347f. (mit Anm.), 350, 356 184 IV.3 59 292 , 176, 184f., 186, 279f., 340 120 , 352 169 IV.4 59 292 , 176, 365 IV.5 124 110 , 174 314 , 176 322 , 247 641 , 263f. 702 , 450 IV.6 54 262 , 120, 124 110 , 175, 244 IV.7 173 IV.8 121 IV.9 121, 175 IV.10 121 IV.12 54 265 , 118 92 , 122 104 , 292 809 , 294 824 , 328f., 331, 365, 369 238 , 450- 453 IV.13 120, 344 552 Stellenregister IV.14 58f. 291 , 122 104 , 199 415 , 259 693 , 352 169 , 362 IV.15 246 IV.16 117, 124, 363 IV.17 324 61 , 325, 352 169 , 366 226 IV.18 119 95 , 124, 185, 186, 259 693 , 261 695 , 365 IV.19 116 85 , 259 693 , 261 695 , 298 843 IV.20 121 (mit Anm.), 243, 261 695 , 332, 334, 366 227 , 410f. IV.21 174 314 , 175, 190f., 220, 298 843 , 332, 411 IV.22 163f., 174 314 , 184, 208 455 , 220, 243, 332, 351, 411f. IV.23 175 319 , 185, 263 702 , 265f. 708 , 332, 352 169 , 412 IV.24 118 92 IV.25 279, 332, 412f. IV.26 209 (mit Anm.), 220, 319, 327 68 , 332, 352 169 , 356, 413 IV.27 120, 121 (mit Anm.), 123, 133f. (mit Anm.), 135f., 148, 185 357 , 187 365 , 243, 256 685 , 258 692 , 259 693 , 263f. 702 , 279 754 , 301, 332, 352 169 , 364, 369, 413-417 IV.28 62, 63, 148, 159, 183, 252, 253f. 673 V.1 43, 46 227 , 54 264 , 120 99 , 169 300 , 203 431 , 258 690 , 258 692 V.2 350, 420f. V.3 183 347 , 421 V.4 46 227 , 54 261 , 54 262 , 54 265 , 59 292 , 119, 164, 175, 199 416 , 203 431 , 213, 261 695 , 294 824 V.5 120, 204, 219, 234 579 , 263 701 , 297 (mit Anm.), 324, 325, 352 169 , 370, 390, 421f. V.6 41 197 , 49, 118 92 , 171 305 , 328, 348f. 156 , 422 V.7 120f., 164, 328, 422 V.8 44, 46f. 231 , 247 641 , 332, 422f. V.9 54 261 , 58 291 , 175 V.11 41 202 , 45, 54 263 , 59 (mit Anm.), 175 319 , 178 329 , 218, 247 641-642 , 248 644 , 258f. 692 , 324 61 V.12 100, 254, 255, 285, 302, 319, 356 185 V.13 54 264 , 57 285 , 124, 187 365 , 203 430 , 247 641 V.14 39, 120, 178 328 , 332, 352 169 , 423f. V.15 120, 178 328 , 332, 352 169 , 424 V.16 124, 399, 467, 469, 470, 472, 474, 475 V.18 174 313 V.19 54 262 , 261 695 , 261 695 V.20 191, 295 V.21 57 282 , 424 V.22 54 261 , 56, 57 280 , 57 285 , 178 327 , 178 329 , 178 330 , 180, 187 (mit Anm.) V.23 42 204 , 54 263 , 61, 121 101 , 159f. (mit Anm.), 162f., 164 278 , 169 300 , 173, 175, 193f. (mit Anm.), 195, 196 399 , 242 619 , 258 692 , 261 695 , 263 702 , 278f. (mit Anm.), 292 809 , 296, 301 855 , 352 169 , 362 214 , 364, 366 226-227 , 396, 424-429 V.24 54 261 , 57 280 , 58 291 , 121 (mit Anm.), 124, 161, 178 328 , 180 336 , 182, 182 346 , 188, 190 (mit Anm.), 220, 263f. 702 , 268, 275, 429f. V.25 54 263 , 55 272 , 119, 120, 124, 173, 258 690 , 261 695 , 424 V.26 54 263 , 118, 122 104 , 124, 224, 264, 366 V.27 43, 124, 174 314 , 175 319 , 397, 431 V.28 124, 352 169 , 431 V.29 119 (mit Anm.), 120, 124, 296, 399, 429f., 432, 467, 469, 470, 472, 474, 475 V.30 124, 174 314 , 175 V.31 124, 176 V.32 119 95 , 263 702 , 317, 326, 327, 332, 432f. V.33 43, 119 (mit Anm.), 176, 203 430 , 399, 433, 467, 469, 470, 472, 474, 475 V.34 58 291 , 120 (mit Anm.), 123, 136- 138 (mit Anm.), 148, 149 219 , 173f. 311 , 186 (mit Anm.), 323, 351 (mit Anm.), 433-435 V.35 59 292 , 253, 261 695 , 263 699 , 298 843 , 317 (mit Anm.), 326, 327, 332, 435f. VI.1 58 291 , 65 316 , 161f. (mit Anm.), 174 314 , 175 319 , 176, 176 322 , 182, 199f., 203 431 , 218, 247 641 , 278 748 , 290 799 , 366 227 VI.2 123, 124, 138-141 (mit Anm.), 148, 182 (mit Anm.), 221 516 , 242 619 , 270, 290 799 , 362 214 , 364 VI.3 138-141 (mit Anm.), 148, 186 (mit Anm.), 221 516 , 290 799 , 356, 364 VI.4 52f. 255 , 61f., 140f., 147f., 248 646 , 318 Stellenregister 553 VI.5 344, 347 152 , 366 227 VI.6 54 261 , 55 272 , 117, 149, 201, 261f. 695 , 332, 436f. VI.7 61f., 63 312 , 120, 140 179 , 178 327 , 258 690 , 263 702 , 290 799 , 298 843 , 324 61 , 325, 352 169 , 366 226 , 437f. VI.8 39f., 160f., 175 319 , 180 336 , 185f., 263f. 702 , 278 748 , 438f. VI.9 44, 352 169 , 439 VI.10 122 103 , 178 327 , 242 619 , 351, 356 184 , 362 214 , 364, 439f. VI.11 177 325 , 188, 189 375-376 , 292 809 , 440 VI.12 45 VI.13 45, 57 285 , 117 90 , 178 328 , 290 799 VI.14 244 VI.15 120, 121 (mit Anm.), 123, 171 304 , 174 313 , 178 327 , 178 329 , 203 430 , 244, 261 695 , 279 754 , 332, 352 169 , 364, 365, 417-419 VI.16 43 212 , 52 254 , 65 316 , 351, 362f., 440f. VI.18 124 110 VI.19 43 212 , 60, 176, 178 330 , 180 336 , 278 748 VI.20 120, 121 101 , 159, 175 319 , 344, 472 VI.21 121, 131-133 (mit Anm.), 187 367 , 244, 247 641 , 279 (mit Anm.), 290 799 , 332, 420 VI.22 34-37 (mit Anm.), 57 280 , 116, 117, 118, 122, 123 105 , 124, 270 VI.23 52f. 255 , 119, 203 431 , 213 VI.24 117, 124 110 , 351 VI.25 116f. VI.26 117, 318 VI.27 63 312 , 117, 178 327 , 178 329 VI.28 49 241 , 52f. 255 , 117 VI.29 46, 185, 292 809 VI.30 116 85 , 117 VI.31 54 262 , 63 312 , 65 316 , 117 (mit Anm.), 178 327 , 200, 202f. 429 , 253, 263f. 702 , 279 (mit Anm.), 290 799 VI.32 45f., 116 87 , 117, 263 700 VI.33 117, 292 809 , 296, 298 843 , 343 129 , 351, 352f. VI.34 117, 259 693 , 353 VI.35 117, 292 809 VI.36 117, 121, 253, 290 799 , 355 182 VI.37 54 262 , 63 312 , 117 (mit Anm.), 178 327 , 178 329 , 178 330 , 261f. 695 , 298 843 , 324 61 VI.38 52f. 255 , 54 261 , 117, 343 130 VI.39 54 263 , 117, 247 641 VI.40 117, 178 329 VI.41 117, 129, 178 328 , 178 329 , 261 695 , 363 VI.42 44 216 , 117, 178 328 , 209 (mit Anm.), 211, 317, 319-321, 327, 356 VI.43 123, 124 (mit Anm.), 144, 178, 270, 287-289 (mit Anm.), 317, 321 (mit Anm.), 327, 359, 361 VII.1 46 226 , 191, 296, 443-445 VII.2 293 VII.3 40 193 VII.4 289 795 , 290 799 , 298 843 VII.5 182 VII.6 296 VII.7 57 283 , 292 809 VII.8 42, 289 795 , 290 799 , 295f. VII.10 131, 297 841 VII.11 189 376 , 293 811 , 297 841 VII.12 449f. VII.13 189 376 , 289 795 , 290 799 , 293 811 , 296 VII.14 289 795 , 290 799 VII.15 298 843 VII.17 185, 296, 297f. 841 VII.18 191, 293, 295, 298 843 VII.19 293 VII.20 293 VII.21 178 330 , 293, 298 843 , 302 VII.22 291 806 VII.23 291 806 VII.24 291 806 VII.25 291 806 , 292 809 , 298 843 VII.26 298 843 , 447 VII.28 126-131 VII.29 447 VII.30 293, 298 843 , 465 VII.31 465f. VII.32 298 843 VII.35 171, 298 843 VII.36 126f., 132, 293, 297f. 841 , 325 64 VII.37 296 VII.39 296 VII.41 140 (mit Anm.), 244, 290 800 , 442f. VII.45 34-37 (mit Anm.), 57 280 , 116, 118, 185 VII.46 292 809 VII.47 238 554 Stellenregister VII.48 186, 279 VII.49 442 VII.51 293 VII.53 44f., 289 795 , 290 799 VII.55 174, 292f. 809 , 297, 298 843 VII.56 182 VII.57 446f. VII.60 293 VII.62 56 VII.63 57 283 , 292f. 809 VII.64 91, 280, 289-291, 298 843 , 312 VII.65 62 309 , 178 330 , 252 669 , 253f. 673 Stellenregister 555