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Literatur der Zisterzienserinnen

2011
978-3-7720-5375-7
A. Francke Verlag 
Tanja Mattern

Im Zentrum dieser Arbeit steht eine kaum erforschte Handschrift (um 1300) des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Wienhausen, die eine Meßallegorese und eine noch unbekannte Teilübersetzung der Legenda aurea umfasst. Dieses vergleichsweise umfangreiche Textcorpus aus dem niederdeutschen Sprachraum stellt ein wichtiges Zeugnis für die frühe volkssprachige Rezeption dieses Legendars dar.Die Arbeit bietet eine systematische Erschließung der Handschrift, von der Beschreibung und erstmaligen Edition der Texte, über deren literaturwissenschaftliche Analyse bis hin zur Untersuchung der literar- und kulturhistorischen Kontexte, speziell im Hinblick auf die Literatur der Zisterzienserinnen.

Tanja Mattern Literatur der Zisterzienserinnen Edition und Untersuchung einer Wienhäuser Legendenhandschrift Bibliotheca Germanica A. Francke Verlag Tübingen und Basel Bibliotheca Germanica HANDBÜCHER, TEXTE UND MONOGRAPHIEN AUS DEM GEBIETE DER GERMANISCHEN PHILOLOGIE HERAUSGEGEBEN VON HUBERT HERKOMMER , SUSANNE KÖBELE UND URSULA PETERS 56 A. FRANCKE VERLAG TÜBINGEN UND BASEL Tanja Mattern Literatur der Zisterzienserinnen Edition und Untersuchung einer Wienhäuser Legendenhandschrift Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter <http: / / dnb.d-nb.de> abrufbar. © 2011 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Satz: CompArt satz+edition, Mössingen Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISSN 0067-7477 ISBN 978-3-7720-8375-4 Vorwort Im Zentrum dieser Arbeit steht eine kleine, eher unscheinbare Gebrauchshandschrift, die sich jedoch in vieler Hinsicht als äußerst interessant erweist. Sie verdankt ihre ‹Entdeckung› einer Exkursion der Kölner Altgermanistik zum ehemaligen Zisterzienserinnenkloster Wienhausen in der Lüneburger Heide, bei der Professor Franz-Josef Holznagel (jetzt Universität Rostock) und Professor Hans-Joachim Ziegeler auf sie aufmerksam wurden. Mein erster Dank geht daher an Franz-Josef Holznagel, der mich mit der Handschrift bekannt gemacht und mein Interesse für das Kloster Wienhausen geweckt hat. Professor Hans-Joachim Ziegeler, der freundlicherweise das zweite Gutachten erstellte, hat mich sehr unterstützt durch seine zahlreichen Hinweise zum editorischen und sprachlichen Teil der Arbeit, die mir eine unschätzbare Hilfe waren. Sehr profitiert habe ich auch von den kritischen Kommentaren und Ergänzungen zur Dialektbestimmung von Professor Thomas Klein (Universität Bonn). Beiden danke ich sehr herzlich. Mein größter Dank gilt Professor Ursula Peters, die die Arbeit betreut und begutachtet hat. Sie hat mich durch intensive Gespräche, Anregungen und ihren Rat immer wieder und in allen Fragen gefördert und ermutigt. Ganz besonders verpflichtet bin ich dem Kloster Wienhausen, der Äbtissin Renate von Randow für ihre großzügige Genehmigung, dort mit den Handschriften arbeiten zu dürfen, und Herrn Archivar Wolfgang Brandis für seine stetige Hilfsbereitschaft und seine Geduld mit meinen Anfragen. Ebenso danke ich der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe und dem Niedersächsischen Hauptstaatsarchiv Hannover für die Möglichkeit der Einsicht in Handschriften und Archivmaterial. Für die Erlaubnis zum Abdruck von Abbildungen danke ich neben den genannten Institutionen auch dem Landesmedienzentrum Baden-Württemberg, dem Bildarchiv Foto Marburg, dem Kloster Lichtenthal, Babette Hartwieg (Berlin) sowie Christa Heitmann, die mir den Abdruck einer Fotografie ihres Bruders Dieter Zimmerling gestattet hat. Den Herausgebern der Bibliotheca Germanica danke ich für die Aufnahme in ihre Reihe und den Mitarbeitern des A. Francke Verlages für die gute Zusammenarbeit. Herzlich danken möchte ich Ingrid Schindler für die vielen Stunden, die sie mit dem Lektorat des Manuskripts verbracht hat. Und schließlich richtet sich mein Dank an alle jene, die durch ihren Beitrag auf vielfältige Weise das Entstehen der Arbeit möglich gemacht haben, besonders Heike Sahm, Antonia Lahmé und Gerhard Schillinger. Vorwort Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde 2007 von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung wurde der editorische Teil noch einmal überarbeitet, durch eine Analyse der dialektalen Merkmale ergänzt sowie mit einem Kommentar versehen. Köln, Juli 2010 Tanja Mattern VI Vorwort Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Beschreibung der Handschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.1 Materialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.2 Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.3 Form und Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3. Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3.1 Einrichtung des Textes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3.2 Text und Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 van der kermissen · 27 - van der missen · 34 - en narede der missen · 71 - van sunte katerinen · 71 - van vnser vrowen hymelvart · 80 - van der bort vnser vrowen · 90 - van S’ Marien Magdalenen · 98 - van S’ Cecilien · 108 - van S’ lvcien · 113 - van S’ agneten · 116 - van S’ agathen · 120 4. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4.1 Die Meßerklärung van der missen und en narede der missen . . . . . . 123 4.1.1 Quellenfrage und Ziele der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4.1.2 Textaufbau: Die Stationen der Liturgie und ihre Auslegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4.1.3 Die Messe als «schaubares Zeremoniell»: Chronologie und Visualisierung der liturgischen Abläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 4.1.4 hir horde glosen vile zo - Auslegungskompetenz und Absicherungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4.1.5 Sprecherfiguration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 4.1.6 Intendiertes Publikum: Der Leser als Zweifler . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 4.1.7 Rezeptionssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4.1.8 en narede der missen: Ein Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 4.2 Die Legenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 4.2.1 Ziele der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 4.2.2 Die Legenda aurea als Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 4.2.3 Textaufbau und Handlungsverknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4.2.4 Funktionen der Erzählinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Inhalt Inhalt 4.2.5 Konkretisierung und Authentisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4.2.6 Rezeptionssteuerung durch Charakterisierung und Emotionalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 4.3 van der kermissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 4.3.1 Die Legenda aurea als Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 4.3.2 Textaufbau im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4.3.3 Sprecherfiguration und Publikumsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 4.3.4 Affektsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4.4 Resümee: Das Textcorpus der Hs. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 5. Literarhistorische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 5.1 Die Wienhäuser Legenden im Gattungskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 5.2 Die Wienhäuser Meßallegorese und ihre lateinischen und deutschsprachigen Vergleichstexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 6. Kulturhistorische Kontext der Hs. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 6.1 Volkssprachig-geistliche Literatur in Frauenklöstern - Bewertung der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 6.2 Hinweise auf eine Lokalisierung der Hs. 3 im Kloster Wienhausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 6.3 Kloster Wienhausen als welfische Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 6.4 Beziehungen zum Zisterzienserorden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 6.5 Literatur des Klosters Wienhausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 6.5.1 Schreibtätigkeit und Buchbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 6.5.2 Sakralisierung der Ursprünge: Die Wienhäuser Klosterchronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 6.5.3 Aufführung oder Andacht? Funktionsmöglichkeiten des Wienhäuser Osterspielfragments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 6.5.4 Literatur in Zeiten der Reform: Das Wienhäuser Liederbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 6.5.5 «Textile Texte»: Die Bildteppiche als Zeugnisse der Literaturrezeption . . . . . 258 6.5.6 Legenden in Text und Bild: Das Wienhäuser Legendar und das Bildprogramm des Nonnenchors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 7. Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen - Ein Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 7.1 Das Lichtenthaler Legendar: Parallelen, Unterschiede, Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 7.2 Geschichte des Klosters Lichtenthal bis zur Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 7.3 Rekonstruktion und Charakteristika des Regula-Corpus . . . . . . . . . . . 283 VIII Inhalt 7.4 Die Hs. L 69 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 7.5 Legendensammlungen weiblicher Heiliger: Wienhäuser Legendar und Buch von den heiligen Mägden und Frauen . . . . . . . 310 7.6 Ordensreform, Frauenklöster und Literaturproduktion - Kommentar zur Forschungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 8. Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? Die Hs. 3 im Licht der Überlieferung aus anderen Zisterzienserinnenklöstern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 9. Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 10. Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 10.1 Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 10.2 Wörterbücher und Nachschlagewerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 10.3 Quellen und Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 10.4 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 11. Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 12. Bildteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 12.1 Abbildungsverzeichnis und Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 12.2 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1* Inhalt IX 1. Einleitung Der Anteil der Zisterzienserinnenklöster an der Entstehung und Überlieferung von Literatur im deutschsprachigen Raum wurde lange Zeit als eher gering eingeschätzt. Eine Ausnahme bildeten nur die Texte aus Helfta, dessen Ordenszugehörigkeit ebenso wie die seiner Seelsorger jedoch kontrovers diskutiert wurde. Die überlieferten Handschriftenbestände gelten, soweit sie erforscht sind, nicht nur im Vergleich mit den Männerklöstern, sondern auch im Vergleich mit den Frauenklöstern anderer Orden als bescheiden. Gezielte Untersuchungen zu volkssprachiger Literatur im Umkreis der Zisterzienser sowie zu Skriptorien in Frauenzisterzen legen jedoch nahe, daß ihr Interesse an Handschriftenproduktion und Textrezeption größer war, als es die Überlieferung zunächst vermuten läßt. Vor allem ab dem Ende des 13. Jahrhunderts mehren sich entsprechende Belege. Das ehemalige Zisterzienserinnenkloster Wienhausen hat dank seines hervorragenden Erhaltungszustands in der Forschung schon früh v.a. kunsthistorische Beachtung gefunden. Es zählt zur Gruppe der Lüneburger Frauenklöster und ist durch seine mittelalterlichen Bildteppiche ebenso bekannt wie durch Ausmalung und Ausstattung des gotischen Nonnenchors sowie zahlreiche andere kunsthistorische Schätze. Weniger gut dokumentiert und erforscht ist hingegen die handschriftliche Überlieferung. Zwar sind das Wienhäuser Osterspielfragment des 14. Jahrhunderts und das Wienhäuser Liederbuch aus dem 15. Jahrhundert der einschlägigen Forschung wohlbekannt, und auch die Wienhausen zugeschriebenen Orationalien sind dank der Arbeiten von Walther L ipphardt zur Kenntnis gebracht worden, doch wurden sie bislang als isolierte Einzelstücke wahrgenommen und der klösterliche Kontext nur ausschnitthaft einbezogen. Dies erklärt sich einerseits aus dem meist gattungsgeleiteten Interesse an diesen Texten, andererseits aus der fehlenden Katalogisierung der Wienhäuser Bestände. So konnte es geschehen, daß die um 1300 entstandene Handschrift 3 der Klosterbibliothek - die den Ausgangs- und Mittelpunkt dieser Arbeit bildet - lange Zeit unbeachtet blieb, obwohl sie deutlich älter als Osterspiel und Liederbuch ist und damit einer früheren Epoche des Klosters entstammt, über deren Schriftlichkeit bisher nur wenig bekannt ist. Diese äußerlich unscheinbare Handschrift enthält eine kleine Sammlung versifizierter geistlicher Texte in mittelniederdeutsch gefärbter Sprache, darunter eine Auswahl von Legenden, die offensichtlich in einem Rezeptionsverhältnis zur Legenda aurea des Jacobus von Voragine stehen. Der Codex stellt damit ein unerwartet frühes Zeugnis der Kenntnis dieses Textes im nieder- Einleitung Einleitung deutschen Sprachraum dar. Die Sammlung bietet noch eine weitere Besonderheit, da nämlich ausschließlich Legenden weiblicher Heiliger zusammengestellt wurden. Bislang sind nur wenige, später zu datierende Sammlungen dieser Art näher untersucht worden. Der Inhalt des kleinformatigen Bandes beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Legenden, vielmehr stehen diese im Überlieferungsverbund mit einem ‹liturgischen› ersten Teil, der sich zusammensetzt aus einem Text über die Kirchweihe, der ebenfalls auf der Legenda aurea basiert, und einem Meßerklärungstext, für den die Frage nach möglichen Vorlagen hier ebenfalls zu diskutieren sein wird. Die Ziele der Arbeit richten sich auf fünf Bereiche: Der erste Teil besteht aus der Beschreibung und Erschließung der bislang unedierten Handschrift. Dieser umfaßt auch erste Hinweise zu den dialektalen Merkmalen des (in dieser Hinsicht schwer bestimmbaren) Textes und einen die Edition ergänzenden knappen Kommentar, der dem besseren Textverständnis dienen und die Einrichtung des Textes nachvollziehbar machen soll. Die im zweiten Teil folgende Textanalyse zielt darauf, das vermutete Rezeptionsverhältnis zur Legenda aurea genauer aufzuzeigen sowie die Vermittlungs- und Translationsstrategien zu untersuchen. Da bei allen Texten die Inhalte im wesentlichen vorgegeben sind, sind die entscheidenden Eigenheiten auf diskursiver Ebene zu erwarten. Meßerklärungstext, Legenden und Kirchweihtext werden in der Analyse zunächst getrennt behandelt und schließlich in ihren Ergebnissen verglichen im Hinblick auf ein gemeinsames Konzept und auf Übereinstimmungen bzw. Unterschiede in ihrer Gestaltung. Kurz gefaßt geht es darum aufzuzeigen, inwieweit sich diese üblicherweise eher als ‹Gebrauchsliteratur› klassifizierten Texte literarischer Muster und Strategien bedienen. An dritter Stelle steht der Versuch, den literarhistorischen Standort sowohl der Legenden als auch der Meßerklärung näher zu bestimmen und damit Stellenwert und Spezifik dieser Texte abzuschätzen. Der vierte Teil beleuchtet den kulturhistorischen Kontext der Handschrift. Dabei geht es nicht nur um die engere Frage, inwieweit überhaupt ein Konnex zum Kloster herzustellen ist und welche Gebrauchsfunktionen denkbar sind, sondern um den weiteren Horizont einer ‹Literaturgeschichte› des Klosters, die auch deren historische Verortung nicht aus dem Blick läßt. Die auf Kontinuität ausgerichtete Institution Kloster im allgemeinen sowie die besondere Konstanz der Wienhäuser Überlieferung im besonderen lassen es aussichtsreich erscheinen, die synchrone Kontextualisierung der Handschrift um eine diachrone Perspektive zu erweitern, die die Ursprungsgeschichte des Klosters sowie die folgende Entwicklung seiner Schriftkultur mitberücksichtigt. In den Kapiteln 7 und 8 geht es schließlich darum, den Horizont der Arbeit auf Literatur aus anderen Zisterzienserinnenklöstern zu erweitern. An erster Stelle steht hier eine ausführlichere Besprechung des Buchs von den heiligen Mägden und Frauen, das sich als Legendar mit gleichem thematischen Zuschnitt und ebenfalls aus einem Zisterzienserinnenkloster stammend als Vergleichsbeispiel anbietet. Die Verfasserin dieser Sammlung ist die Lichtenthaler Nonne Regula, die ein umfangreiches Handschriften-Corpus 2 Einleitung für das Kloster erstellt hat, das ebenfalls berücksichtigt werden soll. Da Regulas Tätigkeit im Zusammenhang mit der Reform des Klosters steht, schließt sich eine Diskussion der Frage an, inwieweit die Reformen tatsächlich eine derartige Zäsur in der Literaturgeschichte der (Frauen)klöster darstellten, wie dies häufig angenommen wird. Am Schluß der Arbeit steht ein Ausblick auf die Literatur der Zisterzienserinnen unter der Fragestellung, ob sich im Hinblick auf die Entstehungsbedingungen und Intentionen sowie die Auswahl und Gestaltung dieser Literatur ein spezifisches Profil abzeichnet, das diese Konvente gemeinsam haben und das sich mit der Ordensspezifik der Zisterzienser in Verbindung bringen läßt. In diesem Zusammenhang spielen auch grundsätzliche Überlegungen zur Identität des Ordens und zu seinem Verhältnis zu den Frauenkonventen - beide Themen haben gerade in der jüngeren Zisterzienserforschung eine zentrale Bedeutung erlangt - eine wichtige Rolle. Unter dieser Perspektive ist zu diskutieren, ob die Wienhäuser Literatur insgesamt und besonders die frühe Handschrift 3 Zeugnisse für den Anteil der Zisterzienserinnen an der (volkssprachigen) geistlichen Literatur sind, die sich mit der Überlieferung aus anderen Konventen vergleichen lassen, oder ob Helfta wirklich einen ganz exzeptionellen Rang unter den Frauenklöstern des grauen Ordens einnahm. Einleitung 3 2. Beschreibung der Handschrift 2.1 Materialität 1 Die zu untersuchende Handschrift (Abb. 1 u. 2) befindet sich im Archiv des Klosters Wienhausen, dessen Bestand bislang noch nicht insgesamt erfaßt und beschrieben worden ist. Die Handschrift wird sowohl nach der neuen Archivierung der Handschriftenbestände, die z.T. zu Umbenennungen geführt hat, als auch nach älteren Verzeichnissen als Handschrift 3 der Klosterbibliothek Wienhausen (KlW) geführt. Hinweise auf den Entstehungsort oder einen anderen Aufenthaltsort der Handschrift lassen sich nicht feststellen. Die mittelniederdeutsch gefärbte Schreibsprache weist auf eine Entstehung in Norddeutschland hin. Karin S chneider datiert die Handschrift, deren Schrift in der Verwendung älterer und modernerer Formen etwa mit der Berliner Apokalypse aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts 2 oder dem Harffer Sachsenspiegel von 1295 vergleichbar sei, auf den Anfang des 14. Jahrhunderts: Die Schrift sei «nicht vor den achtziger, eher in den neunziger Jahren» anzusetzen und da gerade solche vereinfachte Textualis auch zu Anfang des 14. Jahrhunderts noch viel gebraucht worden sei, schlägt sie vor, die Datierung «etwas über 1300 hinaus» auszudehnen. 3 In der Handschrift selbst findet sich keine Überschrift, die sich auf den Gesamttext bezieht. Franz-Josef H olznagel hat sie im Verfasserlexikon mit dem Titel Wienhäuser Verslegendar versehen. 4 Sie ist anonym überliefert. Es fin- 1 Die folgende Beschreibung orientiert sich inhaltlich und terminologisch an den R ichtli nien H andschriftenkatalogisierung der DFG (5., erw. Aufl. Bonn-Bad Godesberg 1992) und an Karin S chneider : Gotische Schriften in deutscher Sprache. I. Vom späten 12. Jahrhundert bis 1300. Text- und Bildband. Wiesbaden 1987, sowie D ies .: Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten. Eine Einführung. Tübingen 1999 (Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte B. Ergänzungsreihe 8). Für die Beschreibung der Handschrift und die Einrichtung des Textes stand mir eine Kopie des Mikrofilms (Staatsarchiv Hannover) zur Verfügung. Außerdem konnte ich im Kloster Wienhausen dank der Zustimmung der Äbtissin und der Hilfe des Archivars Wolfgang Brandis Einblick in die Handschrift selbst nehmen. Seit kurzem ist die Handschrift auch in digitalisierter Form verfügbar. 2 Berliner Staatsbibliothek, mgo 345 (S chneider : Gotische Schriften in deutscher Sprache. I, Textband, S. 264f., Tafelband Abb. 162). 3 Karin S chneider in einer brieflichen Auskunft an Franz-Josef Holznagel. 4 H olznagel , Franz-Josef: Wienhäuser Verslegendar. In: 2 VL 11, 2004, Sp. 1657f. Dies ist ein prägnanter Titel, der geeignet ist, die Handschrift in zukünftiger Forschung eindeutig zu benennen. In dieser Grundlagenarbeit werde ich diese Bezeichnung jedoch nur Beschreibung der Handschrift Materialität den sich weder Hinweise auf den Autor bzw. Übersetzer, noch enthält sie einen Schreibervermerk. Da jedoch die Handschrift nicht vollständig überliefert ist, sondern mitten im Text abbricht (s.u.), kann nicht ausgeschlossen werden, daß ein entsprechender Eintrag noch folgte. Als Beschreibstoff wurde Pergament verwendet, das Löcher und Fehlstellen aufweist. Die Handschrift besteht aus 48 Blättern, die zu sechs Lagen mit je vier Doppelblättern (Quarternionen) geordnet sind. Die erhaltenen Lagen sind trotz des Textverlustes vollständig. Am Ende der Lagen II, IV, V und VI finden sich jeweils am rechten unteren Blattrand Wortreklamanten zur Kennzeichnung der folgenden Lage. Die Foliierung ist neuzeitlich. Die unregelmäßig beschnittenen Seiten sind ca. 14,2-14,5 cm × 6,5-7 cm groß, der Schriftspiegel beträgt 12,8-13,2 cm × 4,7-5 cm. Der einspaltig geschriebene Text ist in Verse abgesetzt, deren Zahl pro Seite zwischen 32 und 41 schwankt. Er ist von einer Hand in einer gut lesbaren und gleichmäßigen, aber relativ einfachen Textualis geschrieben. 5 Durch den engen Zeilenabstand, die geringe Buchstabenhöhe und die kaum herausragenden Oberschäfte ergibt sich ein für die Handschrift charakteristisches ‹flaches› Schriftbild, dessen einzelne Buchstaben eher unverbunden nebeneinander stehen. Die wesentlichen Schriftmerkmale: Das doppelstöckige a wird durchgehend verwendet, häufig werden i-Striche und Zierstriche an den Endbuchstaben eines Verses gesetzt und das y mit einem Punkt versehen. Die Oberschäfte sind oft gegabelt. Bogenverbindungen treten nur bei st auf, rundes r kommt lediglich in der or-Ligatur vor. Die unteren g-Bögen sind kurz, das z erscheint in der ‹ungeschwänzten› Form. Diakritische Zeichen sind selten ( v , p ). Abbreviaturen sind in erster Linie Nasalstriche, erbzw. re-Kürzel und Abkürzung der Endsilbe -us. Darüber hinaus werden einige der lateinischen Zitate und Nomina sacra (d ’ s=dominus, ihsv=Jesu, Joh s es=Johannes) 6 abgekürzt, was auf eine Vertrautheit des Schreibers mit dem lateinischen Abkürzungssystem schließen läßt. 6 Beschreibung der Handschrift dann verwenden, wenn ich mich auf den legendarischen Teil der Handschrift beziehe, um ihren Charakter als Sammelhandschrift präsent zu halten. Christa B ertelsmeier - K ierst hat die Handschrift in ihrem Aufsatz zur Literatur in Zisterzienserinnenklöstern ebenfalls aufgenommen (Beten und Betrachten - Schreiben und Malen. Zisterzienserinnen und ihr Beitrag zum Buch im 13. Jahrhundert. In: Zisterziensisches Schreiben im Mittelalter - Das Skriptorium der Reiner Mönche. Beiträge der Internationalen Tagung im Zisterzienserstift Rein, Mai 2003. Hrsg. v. Anton Schwob u. Karin Kranich-Hofbauer. Bern [u.a.] 2005 (Jahrbuch für internationale Germanistik Reihe A, Kongressberichte 71), S. 163-177, Abb. S. 367-384, hier S. 176f.). Olaf S iart berücksichtigt die Handschrift bei seiner Untersuchung des Bildprogramms von Kreuzgängen und Allerheiligenkapelle Wienhausens (Kreuzgänge mittelalterlicher Frauenklöster. Bildprogramme und Funktionen. Petersberg 2008, S. 56f. und S. 72). Weitere Arbeiten zu der Handschrift liegen m.W. nicht vor. 5 Vgl. S chneider : Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten, S. 41-44 und D ies .: Gotische Schriften in deutscher Sprache I., Textband, S. 260-270: Norddeutschland. 6 Vgl. S chneider : Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten, S. 87. Interpunktion wird nur sehr sparsam, aber überlegt eingesetzt. In der gesamten Handschrift finden sich, soweit erkennbar, fast 40 Punkte. Sie stehen etwa am Ende eines Abschnitts oder Textes, 7 markieren den Beginn eines (Neben)satzes mitten im Vers, 8 den Beginn der (direkten) Rede 9 oder eine Aufzählung. 10 In etwas geringerem Umfang wurden am Versende Zeichen zur Markierung einer Frage gesetzt (Abb. 2: Bl. 28r, Z. 27). 11 Aussehen und Funktion stimmen mit der Beschreibung Karin S chneiders überein: «Das Fragezeichen war in seiner aufwärts geschwungenen Form einer Neume nachgebildet und zeigte einen musikalischen Wert, das Heben der Stimme am Ende eines Fragesatzes an.» 12 Auffällig ist, daß sich Fragezeichen überhaupt nur in den Texten van der missen, van sunte katerinen und van vnser vrowen hymelvart finden und dort überwiegend in ‹Clustern› an besonders wichtigen Stellen. Punkte und Fragezeichen sind also eindeutig als Lesebzw. Vortragshilfen gedacht (es gibt keine Reimpunkte), sind aber durchaus nicht durchgehend und konsequent angewandt worden. 13 Die Texte wurden vollständig mit Überschriften in roter Tinte versehen, die offensichtlich nachträglich eingetragen wurden, da für sie anfangs kein, später nur wenig Platz gelassen ist (Abb. 2). Die Einteilung in Kapitel mittels rubrizierter Paragraphenzeichen war dagegen vorgesehen, wie die vom Schreiber an die entsprechenden Stellen gesetzten Punkte (gleiche Tinte wie die Schrift) demonstrieren. Vor einigen Zeilen befinden sich zwar die Punkte, doch sind die Rubrizierungen nicht ausgeführt worden. Die Handschrift weist insgesamt zwölf einfache Initialen auf, ebenfalls in roter Tinte, die sich jeweils am Beginn eines neuen Textes befinden und für die ein Spatium von ein bis zwei Zeilen freigelassen worden ist. Diese Rubrizierungen bilden den einzigen Schmuck der Handschrift und sind ebenfalls von der Schreibehand eingetragen worden. Das gleiche gilt auch für mehrere am Text angebrachte Korrekturen. Alle diese Arbeitsgänge scheinen also von derselben Person durchgeführt worden zu sein. Die Handschrift ist mit einem Pergament- oder Lederstreifen geheftet und eingebunden in ein Pergamentblatt, das an den Rändern mit einem Faden umnäht Materialität 7 7 Km 249, Ms 464, 1391, N 33, MM 62. 8 Km 178, Ms 75, 546, 960, K 16, 152, 274, MH 257, 280, MG 121, 179, MM 12, 60, 61, 64, 209, C 33. Zu den hier verwendeten Abkürzungen für die einzelnen Texte der Handschrift vgl. unten Anm. 15 und das Abkürzungsverzeichnis. 9 Ms 203, MH 316, C 47, 162. 10 M 974, MG 16, MM 38, 135, L 56, An 36, At 51. 11 Ms 20, 685, 833, 856, 867, 869, 991, 992, 993, 1109, 1110, 1111, 1199, K 146, 179, 185, 243, MH 65, 101, 109, 266, 279, 282. 12 S chneider : Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten, S. 89. 13 Vgl. ebd.: «Feste konsequent angewandte Interpunktionsregeln gab es jedoch nur für kleine Teilbereiche, etwa für die Zisterzienserhandschriften des 12. Jahrhunderts» und S. 90: «Nur in frühen deutschen Handschriften aus dem klerikalen Bereich, etwa deutschen Predigten, sind auch Punctus elevatus und Fragezeichen als Vortragshilfen verwendet worden.» wurde (Abb. 1). Die Größe des Einbands beträgt auf der Vorderseite 7 × 15 cm und auf der Hinterseite 8 × 14,5 cm. Es handelt sich dabei um ein beschnittenes Blatt aus einer älteren lateinischen, wahrscheinlich liturgischen Handschrift. Der Einband ist abgegriffen und schadhaft, Reste des Textes, der Rubrizierung und eines vierlinigen Notensystems sind aber noch erkennbar. 14 Was die Benutzungsspuren betrifft, so sind außer dem Einband auch die Rubrizierungen im Text teilweise abgegriffen oder abgerieben, dies gilt insbesondere für Bl. 1r. Neben zahlreichen Flecken sind etliche Stellen durch Flüssigkeitseinwirkung verwischt, aber in der Handschrift meist dennoch gut lesbar. Insgesamt ist die Handschrift in einem guten Zustand. 2.2 Inhalt Die Handschrift besitzt insgesamt 3566 Verse und bietet insgesamt elf jeweils mit Überschrift und Initiale versehene Texte: van der kermissen (Bl. 1r-4v, 249 V.), van der missen (Bl. 4v-22v, 1391 V.), en narede der missen (Bl. 23r, 33 V.), van sunte katerinen (Bl. 23r-27v, 327 V.), van vnser vrowen hymelvart (Bl. 27v-32v, 397 V.), van der bort vnser vrowen (Bl. 32v-36v, 277 V.), van S’ Marien Magdalenen (Bl. 36v-41r, 363 V.), van S’ Cecilien (Bl. 41v-44r, 205 V.), van S’ lvcien (Bl. 44r-45v, 81 V.) van S’ agneten (Bl. 45v-47v, 158 V.) van S’ agathen (Bl. 47v-48v, 85 erhaltene Verse). 15 Die Legende von Agatha bricht am Ende von Bl. 48v mitten im Satz ab. Der Reklamant dv am rechten unteren Blattrand bezeichnet die folgende Lage. Dieser Befund legt den Schluß nahe, daß der Text ursprünglich nicht hier abbrach, sondern noch eine Fortsetzung hatte. Über den Umfang des fehlenden Teils, ob es sich um eine oder mehrere Lagen handelte, läßt sich keine Aussage treffen. 8 Beschreibung der Handschrift 14 Karin S chneider urteilt in dem in Anm. 3 genannten Brief, daß die Schrift des Einbands sicher in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts gehöre. Zum Einband vgl. auch H ascher - B urger , Ulrike: Verborgene Klänge. Inventar der handschriftlich überlieferten Musik aus den Lüneburger Frauenklöstern bis ca. 1550. Mit einer Darstellung der Musik- Ikonographie von Ulrike Volkhardt. Hildesheim/ Zürich/ New York 2008, S. 106. 15 Im folgenden werde ich die einzelnen Texte abgekürzt zitieren: Km (van der kermissen); Ms (van der missen); N (en narede der missen); K (van sunte katerinen); MH (van vnser vrowen hymelvart); MG (van der bort vnser vrowen); MM (van S’ Marien Magdalenen); C (van S’ Cecilien); L (van S’ lvcien); An (van S’ agneten); At (van S’ agathen). Die Zahlenangaben geben jeweils die Verse an. 2.3 Form und Sprache Die Texte sind durchgehend in Reimpaare mit unregelmäßigem Metrum und unregelmäßiger Hebungszahl gesetzt. Sie enden alle jeweils mit einem Dreireim. 16 Auf die Reinheit der Reime wurde große Sorgfalt verwandt und zwar nicht nur in klanglicher, sondern auch in orthographischer Hinsicht. Dies wird besonders greifbar in van der kermissen V. 121f., zunächst lautete der Reim mere/ altare und wurde dann zu mare/ altare korrigiert. 17 Auch liturgische Fachbegriffe und seltene Eigennamen werden als Reimwörter eingesetzt, wie die folgenden Beispiele zeigen: completes/ swetes (Km 101f.), crucewis/ krekis (Km 157f.), aarone/ scone (Ms 233f.). 18 Quantitativ und qualitativ unreine Reime finden sich nur sehr selten: lude/ secula (Ms 1165f.), vor/ wort (C 103f.). 19 Die beiden folgenden können als Assonanzen bezeichnet werden: dener/ prester (Ms 437f.), omnia/ corda (Ms 579f.). Auf Vokalebene können unreine Reime durch dialektale Merkmale des Mittelniederdeutschen bedingt sein, wie beispielsweise im Reim vrowen/ truwen. 20 Für ou(w) bzw. iu(w) sind im Mnd. jeweils Doppelformen möglich: vrouwe/ vrûwe und trouwe/ trü , we. «Im Mnd. war also (von dialektalen Besonderheiten abgesehen) hier sowohl ein reiner -ouw-: -ouw-Reim als auch ein leicht unreiner -ûw-: -ü , w-Reim möglich.» 21 Ähnliches gilt für den Reim vil/ kel (An 27f.), der allerdings zu vel/ kel korrigiert wurde. Hier ist zu beachten, daß die ‹normalen› mnd. Formen v \ le und k ” l (= offenes tongedehntes e) lauten 22 und tatsächlich ist die (v.a. ostfäl. bezeugte) Form vel ebenfalls in der Handschrift belegt, 23 vil ist jedoch häufiger. Form und Sprache 9 16 In der Agnes-Legende findet sich noch ein weiterer Dreireim in V. 135-137, der jedoch versehentlich durch den Seitenumbruch nach V. 135 bedingt sein dürfte. 17 Nach brieflicher Auskunft von Thomas K lein konnte mnd. mêre (mhd. mære) im Frühmnd. teils noch ohne Umlautbezeichnung, also mare geschrieben werden. 18 Weitere Beispiele: none/ sone (Km 81f.), aldus/ introitus (Ms 107f.), hir na/ alleluia (Ms 261f.), done/ babuone (Ms 298f.), nature/ creature (Ms 617f.), collecten/ gerecten (Ms 1331f.). 19 Dieser Reim erklärt sich wahrscheinlich durch eine Verschreibung: vor statt vort (siehe Kommentar). In At 57f. ist der Reim ganz ausgefallen: do qvincianvs daz horde,/ he sprak se an mit list [...]. Eine offensichtliche Textverderbnis liegt jedoch nicht vor. 20 Vgl. Km 53f., Ms 1171f., MG 95f.; außerdem K 241f.; MH 231f., MH 267f., C 163f. Konsonantisch unreine Reime sind ebenfalls selten: dinge/ oversprinke (Ms 565f.). Dieser Reim könnte sich dadurch erklären, daß die Nasalverbindung ng im Mnd. u.a. auch als nk realisiert werden konnte (L asch , Agathe: Mittelniederdeutsche Grammatik. Halle a. d. Saale 1914 (Sammlung kurzer Grammatiken Germanischer Dialekte A. Hauptreihe 9). [2., unveränd. Aufl. 1974], § 344). 21 Thomas K lein (vgl. oben Anm. 17). Vgl. dazu S arauw , Chr.: Niederdeutsche Forschungen I. Vergleichende Lautlehre der niederdeutschen Mundarten im Stammlande. København 1921, S. 231f. und S. 249-256; die gängige mnd. Form lautet vruwe (P eters : Katalog sprachlicher Merkmale II, 4.2.2.2. und 4.2.2.3., siehe dazu unten Anm. 40). 22 K lein (vgl. oben Anm. 17). 23 Z.B. Ms 757, 944, N 11, MM 318. Form und Sprache Die Texte sind in einem Idiom mit starken mnd. Anteilen verfaßt, wie v.a. die unverschobenen Formen ik, sik und maken zeigen sowie die Häufung von mnd. Merkmalen wie das Personalpronomen he («er»), der Anlaut wr- (z.B. in wrake, «Rache»), die im einzelnen auch in md. Dialekten erscheinen können. 24 Mittelniederdeutsch bezeichnet - wie Mittelhochdeutsch auch - mehrere verwandte Schreibsprachen 25 und wird in drei Perioden unterteilt: das Frühmittelniederdeutsche (bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts), dem die Wienhäuser Handschrift angehört, das klassische Mnd. (bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts) und schließlich Spätmnd. (bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts). Insbesondere das Frühmnd. zeichnet sich «durch eine große Anzahl sprachlicher Varianten» aus und wird durch eine hochdeutsch-ostfälische und eine westfälisch-westliche Strömung beeinflußt. 26 Das Mittelniederdeutsche wird untergliedert in Westfälisch (mit dem Ijsselländischen am Westrand), Ostfälisch (mit dem Elbostfälischen am Ostrand) und Nordniederdeutsch, das sich wiederum aus Groningisch-Ostfriesisch, Nordniedersächsisch, Obstelbisch und Baltisch zusammensetzt. Das Südmärkische hat «eine sprachliche Sonderstellung inne». 27 Schließlich gehört noch das Ostanhaltische (Zerbstisch) zu den mnd. Dialekten. 28 10 Beschreibung der Handschrift 24 Der Anlaut wrkommt beispielsweise auch im Mittelfränkischen vor (P aul , Hermann: Mittelhochdeutsche Grammatik. 25. Aufl. neu bearb. v. Thomas Klein, Hans-Joachim Solms u. Klaus-Peter Wegera. Mit einer Syntax v. Ingeborg Schöbler, neubearb. u. erw. v. Heinz-Peter Prell. Tübingen 2007 (Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte A. Hauptreihe 2), § E 39, zum Niederdeutschen vgl. L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, § 299); das Personalpronomen he findet sich auch im nördlichen Md. (P aul : Mittelhochdeutsche Grammatik, § E 34). 25 Zur Diskussion der Sprachgeschichtsforschung über die Differenzierung bzw. Standardisierung des Niederdeutschen vgl. P eters , Robert: Zu einigen Grundfragen der niederdeutschen Sprachgeschichte. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 127 (2005), S. 21-32. 26 S tellmacher , Dieter: Niederdeutsche Sprache. 2., überarb. Aufl. Berlin 2000 (Germanistische Lehrbuchsammlung 26), S. 39. 27 P eters , Robert: Soziokulturelle Voraussetzungen und Sprachraum des Mittelniederdeutschen. In: Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. Hrsg. v. Werner Besch [u.a.]. Teilband 2. 2., vollständig neu bearb. u. erw. Aufl. Berlin [u.a.] 2000 (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 2.2), S. 1409-1422, hier S. 1414. Vgl. auch D ers .: Zur Sprachgeschichte des niederdeutschen Raumes. In: Regionale Sprachgeschichte. Hrsg. v. Werner Besch u. Hans Joachim Solms. Berlin [u.a.] (Sonderheft ZfdPh 117), S. 108-127. 28 P eters : Soziokulturelle Voraussetzungen und Sprachraum des Mittelniederdeutschen, S. 1413f. Bei der Periodisierung und Gliederung des mnd. Sprachraums orientiere ich mich an Robert P eters , da ich auch seinen Merkmalkatalog zu den mnd. Dialekten zur Bestimmung des Wienhäuser Textes heranziehe. Vgl. dazu die Einteilung von Agathe L asch (Mittelniederdeutsche Grammatik, §§ 11-17), der die meisten Sprachwissenschaftler gefolgt sind. Allerdings bezeichnet sie das Nordniederdeutsche als Nordniedersächsisch und unterteilt es in Ostfriesisch-oldenburgisch, Nordalbingisch und Ostelbisch, das Südmärkische entspricht dem Brandenburgischen. Dazu auch C ordes , Die Verwendung der mittelniederdeutschen Sprache legt zunächst nahe, daß die Handschrift nicht nur im niederdeutschen Raum überliefert, sondern wohl auch dort entstanden ist. Allerdings fällt auf, daß sich häufig hochdeutsche Formen neben den niederdeutschen finden, z.B. dat/ daz, tornich/ zornich, up/ uf, ok/ och, lude/ lute. Dies läßt verschiedene Deutungen zu: Eine Möglichkeit ist, daß dem Übersetzer oder der Übersetzerin eine hochdeutsche Übersetzung vorlag, die er oder sie nicht immer konsequent ins Niederdeutsche übertrug. Dagegen spricht jedoch, daß beispielsweise die unverschobene Form dat fast ausschließlich im Reim erscheint, z.B. auf stat. 29 Dies deutet eher auf einen niederdeutschen Übersetzer hin, der allerdings von manchen niederdeutschen Formen hauptsächlich dann Gebrauch machte, wenn ihm ein Reimwort fehlte. Es läßt sich außerdem beobachten, daß der Übersetzer v.a. bei häufig vorkommenden Wörtern wie daz und waz die verschobene Form wählte, also Wörter, mit denen man dem Text sehr leicht einen «hochdeutschen Anstrich» geben konnte. Daß sich niederdeutsche Autoren an der hochdeutschen Schreibsprache orientierten, ist ein bekanntes Phänomen. Thomas K lein hat - im Rückgriff auf M. M. G uchmann - die These vertreten, daß es sich dabei um «eine bewußte Mischung hochdeutscher und niederdeutscher Elemente» handelt, «die bei allen Unterschieden im Einzelnen eine durchaus eigene Schreib- und Reimsprache darstellt.» 30 Die «drei verschiedenen Verhaltensweisen» der hochdeutsch schreibenden niederdeutschen Autoren lassen sich auch in dieser Handschrift nachweisen: «systematische/ sporadische Übernahme des fremden Merkmals» (z.B. daz, waz), «systematische/ sporadische Beibehaltung/ Einführung des eigenen Merkmals» (z.B. vp) und auch «systematische/ sporadische Verwendung eines hybriden Elements» und zwar in Form von «Addition oder Kreuzung des fremden und des eigenen Merkmals» (z.B. zeken, ziden). Auch «die Grundregel, dass die niederdeutschen Plosive verhochdeutscht, die nie- Form und Sprache 11 Gerhard: Mittelniederdeutsche Grammatik. In: Handbuch zur niederdeutschen Sprach- und Literaturwissenschaft. Unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter hrsg. v. dems. u. Dieter Möhn. Berlin 1983, S. 209-237, hier S. 223f. 29 zo betlehem an sine stat/ vor Josep do dvrch dat […] (MG 153f.); daz rocvaz bedudet dat,/ daz de, de dar vmme stat […] (Ms 93f.); missedat/ dat (MH 333f., MH 351f.). Vgl. auch: […] mit heres craft besat/ Carnocencium de stat (MH 197f.); zo aqvensen in der stat./ lange zit he daz besat (MM 183f.); wat («Kleidung»)/ dat (Ms 43f.); hat («hat»)/ dat (Ms 1187f.). Einmal erscheint dat im Reim auf vat («Faß») (Ms 63f.); und dreimal außerhalb des Reimes (K 286, MG 204, 255). 30 K lein , Thomas: Niederdeutsch und Hochdeutsch in mittelhochdeutscher Zeit. In: Die deutsche Schriftsprache und die Regionen. Entstehungsgeschichtliche Fragen in neuer Sicht. Hrsg. v. Raphael Berthele [u.a.]. Berlin/ New York 2003 (Studia Linguistica Germanica 65), S. 203-229, hier S. 205; G uchmann , M. M.: Der Weg zur deutschen Nationalsprache. Teil 1. Ins Deutsche übertragen und wissenschaftlich bearb. v. G. Feudel. Berlin 1964 (Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen I), hier S. 112-116. Vgl. dazu auch schon L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, § 8. derdeutschen Frikative dagegen auch dort niederdeutsch belassen werden, wo ihnen hochdeutsche Plosive entsprechen», wird vom Verfasser dieses Textes weitgehend befolgt. 31 Am konsequentesten erfolgt die Verschiebung von mnd. t zu z/ zz in allen Positionen, hochdeutsches ch und niederdeutsches k halten sich etwa die Waage, niederdeutsches p kommt hingegen häufiger vor als hochdeutsches f/ ff/ pf. Bei den Medien fällt auf, daß einfaches d selten und in der Gemination nie verschoben ist, mit einer Ausnahme, nämlich der hochdeutschen Formen von ritter. 32 Nur einmal begegnet die niederdeutsche Form ridderscap (MM 17). Gleiches gilt übrigens für waffen statt wappen (At 67). Es scheint also besonders Vokabular der höfischen Literatur hochdeutsch wiedergegeben zu sein. 33 Ich gebe im folgenden einen tabellarischen Überblick über die Verschiebung der Tenues und der Medien. 34 12 Beschreibung der Handschrift 31 K lein : Niederdeutsch und Hochdeutsch in mittelhochdeutscher Zeit, S. 208. 32 Das ist für das Mnd. nicht ungewöhnlich, vgl. dazu L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, § 313. 33 Zum Vergleich sei bereits an dieser Stelle auf den etwa zeitgleich entstandenen Wienhäuser Tristan-Teppich I verwiesen, dessen Schriftbänder einen rein niederdeutschen Text aufweisen (Abgedruckt bei W ilhelm , Pia: Die Bildteppiche. 2. Aufl. [Wienhausen] 1980 (Kloster Wienhausen 3), S. 15). «Bei der Sprache des sog. Tristanteppichs I weisen einige Merkmale auf den ostfälischen Raum. Es gibt Korrespondenzen mit der Hildesheimer Urkundensprache der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts (weder ‹wider/ gegen›, koninc ‹König›, ene ‹ihn›) und auch dem Celler Stadtrecht von 1301, sodass die Sprache in diesem Falle [...] die These unterstreicht, dass die Quellen für das Bildprogramm in der ostfälischen, also der unmittelbaren Umgebung von Wienhausen zu suchen sind. Im Allgemeinen ist jedoch eine weitergehende dialektale Einfärbung bei den knappen Texten der Klostersticharbeiten kaum ablesbar [...].» (K ohwagner -N ikolai , Tanja.: «per manus sororum…». Niedersächsische Bildstickereien im Klosterstich (1300-1583). München 2006, S. 59). 34 Ich stütze mich hier auf die Ergebnisse von Thomas K lein zur Distribution von Tenues und Medien im Mhd., Mnd. und in der nd.-hd. Schreibsprache. Die Angaben in den Spalten 3-5 sind seiner Tabelle zum «Profil der niederdeutsch-hochdeutschen Schreibsprache» entnommen (K lein : Niederdeutsch und Hochdeutsch in mittelhochdeutscher Zeit, bes. S. 219). Verschiebung der Tenues 35 germ. Position Mhd. Mnd. Nd.-Hd. Wienh. Hs. Beispiele p Anlaut ph ~ p p ph (~ p) p plegen, pant, plicht, pert nach Vokal f/ ff p f/ ff ~ ph p, f ‹ph› doupe, biscop (einmal biscopf), vp - vf - hophenung 36 Gemination pf ~ pp pp ph ( ~ pp, ff) ff ~ pp sceffer - cloppet, vppe nach Liquid f p f ~ ph p, f werpen, dorpen, scarpen - warf, helfe nach Nasal pf ~ p p ph ~ p f scimfe, an scunfes wis t Anlaut z t z z ~ t ‹c› zo, zit - tornich, teken - ciret 37 nach Vokal z / zz t z ~ zz z ~ t vorbaz, waz - wazer - vorebat (im Reim auf hat) Gemination zz ~ tz tt zz ~ z tz ~ z sitzen, luzel (zz kommt nicht vor) nach Konsonant z t z z ~ t herze, salz - barmherticheit, salt k Anlaut k ~ ch k ~ c k ~ c k ~ c koning - clage nach Vokal ch k ch ch ~ k ‹ck› machet - spreken - spricket ausl. nach Vok. k, ch, c ‹g› orsak, ok - ich, och - rocvaz, sic - dig (dic, dicke) Gemination kk ~ ch ck kk ck bucken nach Konsonant k ~ ch ~ c k ~ c k ~ c k kerke Form und Sprache 13 35 Erläuterung: An erster Stelle steht die häufigste Schreibung, ~ weniger häufig, ( ) selten, ‹ › sehr selten/ vereinzelt. 36 Die Konsonantenverbindung ph kommt in der Handschrift sonst nur in Eigennamen vor. Zur Bedeutung des ph als «hybride[r] Graphie» vgl. K lein : Niederdeutsch und Hochdeutsch in mittelhochdeutscher Zeit, S. 209f. 37 Diese Schreibung erklärt sich vielleicht dadurch, daß zîren ein, wenn auch im mnd. verbreitetes, hd. Lehnwort ist (L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, § 9, Anm. 2). Verschiebung der Medien germ. Position Mhd. Mnd. Nd.-Hd. Wienh. Hs. Beispiele b Anlaut b ~ p b b b berch zwischenvokalisch b / p v / f v / f ~b v seven, geven Gemination pp bb pp bb kribben nach Liquid b / p v / f v / f ~ b v selve nach Nasal b / p b / p b b kumber, umbe ausl. nach Vokal f ‹b› staf, uf - leb, geb ausl. nach Liquid f ‹b› irwerf, sterf - selb d Anlaut t ~ d d t ~ d d ~ t dot (subst.) - tot (adj.) zwischenvokalisch t ~ d d t ~ d d ~ t beden, stede - stete (‹stæte›), beten Gemination tt dd tt dd ~ tt midden - ritter nach l t ~ d d d ~ t d ~ t walden - vzgewelte nach n d ~ t d d ~ t d vnder nach r t d t d , t hymelvardes, ward - worten, porten Auslaut t t t d , t god - got («Gott») g Auslaut nach n c ~ g c ~ g c ~ g g ~ k ‹c› mang, ding - mank - kranc Auslaut sonst c ~ g ch ch ch dach, berch Gemination kk gg kk - kein Beleg Die Wienhäuers Handschrift teilt mit den von Thomas K lein untersuchten Beispielen die teils systematische, teils sporadische Übernahme des fremden bzw. die Beibehaltung des eigenen Merkmals und damit die charakteristische Kombination niederdeutscher und hochdeutscher Elemente. Allerdings fällt die Entscheidung insgesamt etwas häufiger für die Beibehaltung des eigenen Merkmals. Charakteristisch sind auch die Reime, in denen ein Wort mit verschobenem hochdeutschem Plosiv auf ein Wort mit niederdeutschem Frikativ reimt, z.B. dach («Tag»)/ sprach (K 147f.), sprach/ drach («trag») (MH 163f.), scref («schrieb»)/ bref («Brief») (MM 319f.). 38 Die Mischung hochdeutscher und niederdeutscher Einflüsse wird auch daran sichtbar, daß (wie schon erwähnt) im Text nebeneinander unverschobene 14 Beschreibung der Handschrift 38 K lein : Niederdeutsch und Hochdeutsch in mittelhochdeutscher Zeit, S. 218. Solche Reime kommen allerdings auch im Mittelfränkischen vor (ebd.). Formen wie tornich, het («hieß»), tiude, dat, vorebat und dope und die verschobenen Formen zornich, hez, zwiden, daz, vorebaz und dofe erscheinen; hybride Formen wie zeken, ted («tat») und pafheit («Geistlichkeit») stehen neben mnd. teken, dede und papheit. Auffällig sind auch ‹falsche› Verschiebungen wie biscopf («Bischof», im Reim auf of), selzen («selten»), zorney («Turnier») und oblaz («Oblate»), letzteres im Reim auf daz - hier hätte sich der Verfasser auch für den Reim dat/ oblat entscheiden können. 39 Neben diesen durch die 2. Lautverschiebung bestimmten Merkmalen gibt es weitere Hinweise, die auf eine hochdeutsche Beeinflussung hindeuten können. Der Text verwendet die mnd. übliche Form here, einmal erscheint allerdings die selten belegte und durch Kürzung des Vokals vor Doppelkonsonanz (die hier sonst nicht vorkommt) oder hd. Einfluß zu erklärende Form herre. 40 Niederdeutsch vruwe kommt nur einmal vor, zweimal die Verbindung vor anna, sonst immer die (hochdeutsch beeinflußte? ) Form vrowe bzw. iuncvrowe. 41 Außerdem fällt auf, daß das mnd. Suffix -inge nur bei einem Wort begegnet, nämlich (be)duding(e), 42 sonst immer -ung(e), 43 was laut Robert P eters typisch ist für Südwestfalen und für hochdeutsch beeinflußte Texte. 44 Das Suffix -nisse (statt -nüsse), das im Text mehrmals belegt ist, 45 ist vor allem in geistlichen Texten aus dem ostnl. und westfälischen Raum häufig zu finden, während für das Nordnd. -inge typisch ist. 46 Bei -schap handelt es sich wahrscheinlich um ein «in hd. Zusammenhänge gehörende[s] Suffix». 47 Insgesamt gewinnt man den Eindruck, daß es sich nicht um eine Dialektmischung handelt, die dem Verfasser eher unbeabsichtigt unterlaufen ist (auch wenn das auf einzelne Formen zutreffen mag), sondern daß die Kombination niederdeutscher und hochdeutscher Merkmale bewußt geschieht. Form und Sprache 15 39 Auffällig ist auch die Schreibung im Reim vze/ cruze (Km 153f.), in dem mhd. Spirans auf Affrikata reimt. 40 P eters , Robert: Katalog sprachlicher Merkmale zur variablenlinguistischen Erforschung des Mittelniederdeutschen. Teil I. In: Niederdeutsches Wort 27 (1987), S. 61-93; Teil II. In: Niederdeutsches Wort 28 (1988), S. 75-106; Teil III. In: Niederdeutsches Wort 30 (1990), S. 1-17, hier II, 4.2.2.4. 41 Ebd. II, 4.2.2.2. und 4.2.2.3. 42 Ms 156, 499, 691, 910, 1174, 1182. 43 merung (Km 90, Ms 822), wonung (Km 175, 242), gerung(e) (Ms 111, 1245, 1251), hophenung (Ms 768), wostenung (MH 110, MM 187). 44 P eters : Katalog sprachlicher Merkmale I, 2.5.2.1. 45 stilnisse (Ms 504, 839, N 2), hochnisse (Ms 840), luchtnisse (K 134), vangnisse (Ms 300, MM 335). 46 P eters : Katalog sprachlicher Merkmale I, 2.5.2.2. 47 C ordes , Gerhard/ N iebaum , Hermann: Wortbildung des Mittelniederdeutschen. In: Sprachgeschichte, S. 1463-1469, hier S. 1465 (es ist v.a. für die ältere Zeit belegt, P eters : Katalog sprachlicher Merkmale I, 2.5.2.3.). «Das in literarischen Texten nicht seltene -lin wird allgemein aus literarischer Übernahme erklärt.» (S. 1466). Auch in den Wienhäuser Texten kommt dieses Suffix vor, mnd. Diminutivbildung auf -kin/ -ken fehlt hingegen. Um die dialektale Zugehörigkeit der Wienhäuser Texte innerhalb des Mittelniederdeutschen weiter einzugrenzen, stütze ich mich vornehmlich auf den dreiteiligen «Katalog sprachlicher Merkmale zur variablenlinguistischen Erforschung des Mittelniederdeutschen» von Robert P eters , der die mnd. Grammatiken und Abhandlungen zur mnd. Sprachwissenschaften auf räumliche und zeitliche variable Sprachmerkmale hin ausgewertet hat. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Auswertung der Dialektmerkmale der Wienhäuser Handschrift durch die oben beschriebenen hochdeutschen Einflüsse erschwert wird sowie dadurch, daß die Dialektuntersuchungen sich stärker auf das klassische Mnd. beziehen und weniger auf die frühmnd. Periode, die eine «große Variantenvielfalt sowohl interals auch intrasprachlich» aufweist. 48 Auch konzentriert sich der Merkmalkatalog auf die «Textsorte ‹Amtssprache›» und nicht auf literarische Texte, bei denen mit Unterschieden zu rechnen ist. 49 Das hängt auch mit der Entwicklung des Mnd. als Schriftsprache zusammen: «Erst in der 2. Hälfte des 14. Jhs. hat sich im Bereich des Geschriebenen das Mnd. voll durchgesetzt. Es ist und bleibt, anders als das Mhd., vorwiegend Sprache des Rechts, der Verwaltung, des Handels, der Geschichtsschreibung, der Erbauung.» 50 Ein erster Blick auf die Wienhäuser Texte zeigt bereits, daß sich die Merkmale nicht klar einem der mnd. Dialekte zuordnen lassen. Die Formen sal («soll») und selve («der selbe») sind beispielsweise westfäl. belegt. 51 Die im Text vorkommenden Formen minsche, vrünt, nên («kein») und dridde sind - in Abgrenzung zum Westfäl. - sowohl für das Ostfäl. wie für das Nordnd. 16 Beschreibung der Handschrift 48 P eters , Robert: Die Diagliederung des Mittelniederdeutschen. In: Sprachgeschichte, S. 1478-1490, hier S. 1482. Die für das Frühmnd. konstatierte stärker an der Aussprache orientierte Schreibung (z.B. in Form von Assimilationen und Verschleifungen) kann ich hier nicht feststellen (L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, § 18; N iebaum , Hermann: Phonetik und Phonologie, Graphetik und Graphemik des Mittelniederdeutschen. In: Sprachgeschichte, S. 1423-1430, hier S. 1423). 49 P eters : Katalog sprachlicher Merkmale I, S. 61f.; vgl. auch D ers .: Die Diagliederung des Mittelniederdeutschen, S. 1478-1490. Hilfreich ist auch das Zusatzmaterial zur Internetbibliographie «Historische Schreibsprachen», das Listen der wesentlichen Merkmale zur Diagliederung der mnd. Schreibsprachen bietet (http: / / www.manuscriptamediaevalia.de/ gaeste/ Schreibsprachen/ Niederdeutsch/ DiagliederungPeters.htm), die auf dem Aufsatz «Die Diagliederung des Mittelniederdeutschen» basieren. 50 B ischoff , Karl: Mittelniederdeutsch. In: Handbuch zur niederdeutschen Sprach- und Literaturwissenschaft. Unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter hrsg. v. Gerhard Cordes u. Dieter Möhn. Berlin 1983, S. 98-119, hier S. 99; vgl. auch S tellmacher : Niederdeutsche Sprache, S. 43. Eine nach Textsorten geordnete Übersicht bietet C ordes , Gerhard: Mittelniederdeutsche Dichtung und Gebrauchsliteratur. In: Handbuch zur niederdeutschen Sprach- und Literaturwissenschaft, S. 351-390. 51 P eters : Die Diagliederung des Mittelniederdeutschen, S. 1579f.; D ers .: Katalog sprachlicher Merkmale I, 2.1.9.3. und II, 4.5.4.4.; allerdings weisen frühe ostfäl. Texte auch noch selve auf; Formen von ‹sollen› mit s «finden sich in der ältesten Zeit im ganzen Sprachraum», sal ist außerdem auch im Md. belegt (I, 2.1.9.). kennzeichnend. 52 Disse («dieser») ist zunächst die frühmnd. Form, die dann abgelöst wird von düsse. Im Nordnd. kommt disse dann nicht mehr vor (nur im Südosten Westfalens und im Elbostfäl.), könnte aber über das Mhd. vermittelt sein. Nicht eindeutig zuzuordnen ist jawelk («jeder», Ms 114, 985, 989), das als Kennwort gilt, da das Westfäl., das Ostfäl. und das Nordnd. jeweils eigene Varianten aufweisen (jüwelik, jöwelik/ jowelk, jewelik). 53 Allerdings gibt es im Ostfäl. des 13. Jahrhunderts Belege für jâwê («jeder»), eine Form, die auch in der Handschrift zu finden ist (K 21). 54 Eine definitive Zuweisung der Handschrift und eine umfassende Dialektanalyse wird hier daher nicht möglich sein; die wichtigsten dialektalen Merkmale der Wienhäuser Hs. sollen aber vorgestellt werden, so daß sich das Entstehungsgebiet zumindest eingrenzen läßt. Seit Beginn des 14. Jahrhunderts setzt sich von Norden nach Süden die Senkung von er zu ar zumindest vor Konsonant durch und betrifft neben dem Nordniederdeutschen auch das Ostfälische. Ein Beispiel dafür in der Wienhäuser Hs. ist die Schreibung carn für cern (N 8). 55 Weitere Beispiele finden sich für die frühmnd. Senkung der Vokale i, ü, u zu e, ö, o. «Im Nordnd. wird das aus ir entstandene er weiter zu ar gesenkt, in der Schrift herrscht er vor.» 56 Die Hs. 3 weist entsprechend die Formen kermis und kerke, worde («wurde»), orsak, orkunde sowie borgen auf, daneben jedoch auch kurz und gurdel. 57 Aber auch ein - nach dem Urteil von Thomas K lein überraschend früher - Beleg für die weitere Senkung zu ar findet sich in der Wienhäuser Hs. und zwar varmen (Km 25) für «Firmen» bzw. «Firmung». Nicht mit dem Nordnd. übereinstimmend ist die Variante lecht (statt licht), die vor allem im Westfäl., aber auch im Ostfäl. begegnet. 58 Das Verb bringen hingegen erscheint nicht in der Form Form und Sprache 17 52 Nur einmal erscheint mensche (Ms 780). Vgl. dazu P eters : Katalog sprachlicher Merkmale II, 4.2.2.1.: «Im Mnd. gilt mensche als westfäl. und südmärk. Kennzeichen; diese Form tritt auch in frühen ostfäl. Texten auf, wird aber dort von der im übrigen Gebiet herrschenden Variante minsche verdrängt.» Nên ist nur im Südosten des Westfäl. belegt (P eters : Die Diagliederung des Mittelniederdeutschen, S. 1479f.). 53 Ebd., S. 1479. Ausführlich dazu: J aatinen , Martta: Das Pronomen ‹jeder› im Mittelniederdeutschen. Wortgeographische und entwicklungsgeschichtliche Studien. In: Zeitschrift für Mundartforschung 28 (1962), S. 310-375. In ihrer materialreichen Studie findet sich kein Beleg für die Form jawelk. 54 Vgl. ebd., S. 334. 55 Vgl. auch swar, gart, cart etc. (dazu P eters : Katalog sprachlicher Merkmale I, 1.1.5.2.); karde (Prät. von kêren) und larde (Prät. von lêren) erklären sich als Analogiebildungen zu den Verben mit sog. Rückumlaut (L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, § 437; P aul : Mittelhochdeutsche Grammatik, § E 37,4). 56 P eters : Katalog sprachlicher Merkmale I, 1.1.5.1; L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, § 61. 57 Auch worde («wurde»). In anderen Positionen stehen ebenfalls Formen mit o neben solchen mit u (z.B. konde/ kunde, vol/ vul, sunne («Sonne»), aber son («Sohn»). Vor allem vor gedecktem Nasal überwiegt u (z.B. grunde, besunder, mund). Vgl. dazu P eters : Katalog sprachlicher Merkmale I, 1.1.3-4. 58 Km 161, 235, Ms 155, 332, 381, 388, 778, MH 124, 135, At 69. brengen, die kennzeichnend für ein nl.-westfäl.-md. Gebiet ist, sondern nur in der für das Ostfäl. und Nordnd. geläufigen und mit dem Obd. übereinstimmenden Variante bringen. 59 Das Präfix ir- (statt er-) im Verbalkompositum (irwerven, irslagen, irheven etc.) zieht sich durch den gesamten Text und begegnet «gelegentlich im ganzen gebiet, mit ausnahme wohl des wfäl. erwerft Ottonianum». 60 Die Vokallänge wird - wie auch in anderen frühen Handschriften üblich - im Text im Prinzip nicht bezeichnet. 61 Auffällig ist in dieser Hinsicht folgender Reim: aldus so kumt zo heile/ geistliken vnser seile (Ms 485f.). 62 Ein nachgeschriebenes i, y kann grundsätzlich sowohl eine Länge als auch einen Diphthong anzeigen. 63 Die Schreibung lautet in allen anderen Fällen in der Hs. immer sele, auch im Reim auf dele und vor allem auf mychaele und kele («Kehle»), wo keine Diphthongierung vorliegen kann. 64 Dies könnte dafür sprechen, daß das i hier als Längenzeichen eingesetzt worden ist (wie dies in westfälischen Texten geschieht), 65 um auf diese Weise im Schriftbild einen Reim zu erzeugen. Da sich aber sonst keine Dehnungsbezeichnung dieser Art findet, könnte es sich nach Ansicht von Thomas K lein auch einfach um hd. Graphien handeln. Ähnlich verhält es sich mit dem mnd. Superlativ zu «nah», nest, das in den Schreibungen nest, neist und neyst vorkommt und sowohl auf langes e reimt als auch auf den Diphthong ei, aber auch außerhalb des Reimes mit i geschrieben wird. 66 Das Wort «heilig» kommt nur in den Schreibweisen heilig und heylig vor. Nach Agathe L asch handelt es sich um eine Entlehnung, für den westfälischen Raum ist nach Robert P eters aber auch eine Längenbezeichnung mög- 18 Beschreibung der Handschrift 59 P eters : Katalog sprachlicher Merkmale I, 2.1.5. Das Präteritum lautet brachte, einmal auch brochte (MG 270); dazu auch L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, § 431. 60 Ebd., § 221, IV. Auch das Omd. (besonders thüringisch) kennt das Präfix ir-, allerdings erfolgt hier «konsequente ‹i›-Schreibung für schwa in Präfix, Mittelsilbe und gedeckter Endsilbe» (P aul : Mittelhochdeutsche Grammatik, § E 42). 61 N iebaum : Phonetik und Phonologie, Graphetik und Graphemik des Mittelniederdeutschen, S. 1423. 62 Ebenso: kvm in, here, zo heile,/ swen ir lif vnd ir seile/ hir sich solen sceiden (Ms 291-293). 63 P eters : Katalog sprachlicher Merkmale I, 1.3; C ordes : Mittelniederdeutsche Grammatik, S. 225. Nach Agathe L asch handelt es sich bei dem ei in steit (‹steht›), geit (‹geht›) und deit (‹tut›), die im Text vorkommen, um Diphthonge (Mittelniederdeutsche Grammatik, § 120). 64 heile kommt nur an diesen beiden genannten Stellen vor. 65 P eters : Katalog sprachlicher Merkmale I, 1.3. Die Längenbezeichnung wurde (später) im westfälischen Sprachraum am konsequentesten durchgeführt und zwar hauptsächlich in geschlossenen Silben, da in offenen Silben die Vokale ursprünglich lang oder gedehnt waren (N iebaum : Phonetik und Phonologie, Graphetik und Graphemik des Mittelniederdeutschen, S. 1423). 66 P eters : Katalog sprachlicher Merkmale I, 1.3.2. «Hier liegt höchstwahrscheinlich Diphthong (<as. - hi-) vor» (K lein , vgl. oben Anm. 17); vgl. S arauw : Niederdeutsche Forschungen I, S. 154. Auffällige ei-Schreibung auch in steit («steht»), nein (sonst nen), geit («geht», im Reim auf minscheit), achtein und v.a. weinich («wenig») und veide («Fehde»). lich. 67 Die Kürzung tonlanger Vokale, gekennzeichnet durch Konsonantengemination, fehlt weitgehend in der Wienhäuser Hs., nur «in dem nahezu durchgängigen goddes, godde liegt eine solche sekundäre Geminate vor». 68 Im Ostfäl. ist sie am vollständigsten durchgeführt, im Nordnd. teilweise (v.a. vor -el und -er) und im Westfäl. selten. 69 Es gibt in der Handschrift auch einige übergeschriebene Buchstaben ( v , p ), deren Lautwert nicht leicht zu bestimmen ist: 70 Am häufigsten betroffen sind die Wörter «gut», die «Gute», «Güte», deren Schreibung in der Hs. zwischen gvte, gote, seltener gode variiert. In einigen Fällen könnte der übergeschriebene Buchstabe daher eine einfache Verbesserung sein (z.B. g v te im Reim auf vote, Ms 611), in anderen könnte der (mhd.) Diphthong bezeichnet werden (g v te/ beh v te, Ms 1117f.) oder zumindest die Schreibung beeinflußt haben (g p t/ mot, mhd. guot/ muot). Es bleiben aber Beispiele, für die sich keine befriedigende Erklärung finden läßt, etwa de g p de wille (Ms 533), außerhalb des Reimes; für «tut» schreibt die Hs. in der Regel dot, nur einmal dut, in Ms 906 aber d p t (nicht im Reim); «Rauch» wird in der Hs. immer rok geschrieben, einmal aber r p k (C 68). 71 Auf lexikalischer Ebene lassen sich ebenfalls einige Beobachtungen machen. 72 Besonders auffällig ist das Wort blak (Ms 730), eine angelsächsische Lehnübersetzung von atramentum (Tinte, abgeleitet von lat. ater, dunkel, schwarz), Form und Sprache 19 67 L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, § 123 Anm. 2; P eters : Katalog sprachlicher Merkmale II, 4.3.4. Daneben wird auch die aus dem Lateinischen abgeleitete Form sunte gebraucht. «Die gerundete Form sünte wird zur Form der überregionalen mnd. Schriftsprache» (ebd. II, 4.3.5., L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, §§ 52, 139, 171, 338). 68 K lein (vgl. oben Anm. 17). 69 Doppelkonsonanz findet sich sonst nur, wenn diese ursprünglich ist, z.B.: bidde, bedde, midden; vmme, stumme, dumme; minne, sinne. Einzige Auffälligkeit in dieser Hinsicht ist die Form tetten, allerdings im Reim auf hetten, MG 107f. (vgl. P eters : Katalog sprachlicher Merkmale I, 1.2.3.). 70 Vgl. dazu L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, § 21: «Übergeschriebene zeichen kennt die mnd. orthographie in ziemlichem umfange. Es wirt nicht immer möglich sein, sie befriedigend zu erklären, da sie zuweilen reine schnörkel zu sein scheinen, abhängig vom geschmack des schreibers.» Prinzipiell kann ein übergeschriebener Buchstabe über einem u auch zur Unterscheidung von n dienen; über u und o kann er Diphthong bezeichnen (L asch spricht namentlich von «jungen ofäl. texten»), auch Umlaut ist möglich, bei u aber eher unwahrscheinlich. 71 Weitere Beispiele: l p uen (‹Glaube›, Km 34), sonst sowohl loven als auch louen geschrieben; bl p t/ g p t (‹Blut›/ ‹goß›, Ms 467f.) g p t/ brot (‹gut›, Ms 481f.), g p de (‹Güte›, MG 18); g p de/ n p de (‹Gutes›/ ‹Not›, MH 337f.), sonst node oder note; g p de/ hode (‹die Gute›/ ‹(Ob)hut›, C 11f.). 72 Vgl. dazu M öhn , Dieter/ S chröder , Ingrid: Lexikologie und Lexikographie des Mittelniederdeutschen. In: Sprachgeschichte, S. 1435-1456, hier S. 1450: «Die Einteilung des mnd. Sprachraums in einzelne Regionen beruht vorwiegend auf phonologischen und morphologischen Kriterien. Inwieweit die so festgestellten Dialekte auch über ein spezifisches Wortschatzprofil verfügten, kann bei der derzeitigen Forschungslage kaum beantwortet werden.» die ins Ostfäl. und Nordnd. übernommen wurde. 73 Anstelle der verbreiteten Bezeichnungen dröfnisse, bedröfnisse, dröfheit für «Schmerz(en)», setzt die Wienhäuser Hs. meist pine, das nach den Untersuchungen von Gerhard I sing auf den Nordwesten beschränkt ist. 74 Paschen (Ms 279) ist im Mnd. die verbreitetste Bezeichnung für Ostern, die auch im Nl. und im Rip. (Kirchenprovinz Köln) verwendet wurde. 75 Ebenfalls in Übereinstimmung mit der Kirchenprovinz Köln gilt im westlichen und nördlichen Mnd. sowie hier in der Hs. 3 offer bzw. offeren («Opfer», «opfern» von lat. offere), während das Ostfälische mit opper, opperen (von lat. operari) dem Sprachgebrauch der Kirchenprovinz Mainz folgt. 76 Für «Schöpfer» wird weder die mnd. Form schepper noch die ostfäl. Variante schipper gebraucht, sondern die ans Hochdeutsche angelehnte Bezeichnung sceffer. 77 Die im Mnd. geläufigste Form für «Freund» ist vrünt. In der Hs. 3 wird durchgehend vrunt geschrieben, allerdings wird der Umlaut grundsätzlich nicht bezeichnet. Der Text weist hier also nicht die das Westfäl. kennzeichnenden Formen vrent, vrönt oder auch vrint auf. 78 «Krankheit» wird als suke bzw. sukedage bezeichnet. Bisher konnte von den überlieferten Varianten nur sükede dem Westfälischen zugeordnet werden. 79 Der Lautwandel von ft zu cht, der im Westfäl. am häufigsten auftritt, kommt in der Wienhäuser Hs. nur bei dem Wort stichte («Stift») vor. 80 Gegen das Westfäl. spricht die Schreibung von vele («viele») mit einfachem Konsonant. 81 Die Seitenbezeichnung «links» wird nicht mit der geläufigen mnd. Form lucht bezeichnet, vielmehr erscheinen die Formulierungen zo der linken, zor linken 20 Beschreibung der Handschrift 73 P eters : Katalog sprachlicher Merkmale II, 4.2.7.13. 74 I sing , Gerhard: Zur Wortgeographie spätmittelalterlicher deutscher Schriftdialekte. Eine Darstellung auf der Grundlage der Wortwahl von Bibelübersetzungen und Glossaren. 2 Bde. Berlin 1968 (Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur 38,2 und 38,2. Reihe A. Beiträge zur Sprachwissenschaft), hier Bd. 1 (Untersuchungen), S. 62-66, v.a. S. 66; Bd. 2 (Karten), Karte 2; P eters : Katalog sprachlicher Merkmale II, 4.2.3.3. 75 Ebd. II, 4.2.1.2; F rings , Theodor: Grundlegung einer Geschichte der deutschen Sprache. 3., erw. Aufl. Halle a. d. Saale 1957, S. 22 und Karte 17 (S. 107). 76 P eters : Katalog sprachlicher Merkmale II, 4.2.6.3; F rings : Grundlegung einer Geschichte der deutschen Sprache, S. 21 und Karte 15 (S. 105). Wienhausen gehörte zum Bistum Hildesheim, das Teil der Kirchenprovinz Mainz war (P lümer , E.: Hildesheim. In: LMA 5, Sp. 16-18). 77 Ms 608, 1027, 1111, K 36. Vgl. auch gescof («erschuf») in Ms 623. Dazu P eters : Katalog sprachlicher Merkmale II, 4.2.6.1.; L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, § 140. 78 P eters : Katalog sprachlicher Merkmale II, 4.2.2.8. 79 Ebd. II, 4.2.3.2.; D ahlberg , Torsten: Mittelniederdeutsche Suffixabstrakta. Lexikalische und wortgeographische Randbemerkungen. Göteborg 1962 (Göteborger Germanistische Forschungen 6), S. 83. 80 Z.B. MM 308, 310; als Verb: MM 252. Dazu P eters : Die Diagliederung des Mittelniederdeutschen, S. 1480. 81 P eters : Katalog sprachlicher Merkmale II, 4.3.6. Auch fehlt die für den Westrand des Mnd. belegte gerundete Form völe. etc.; 82 für «rechts» steht zesewen. Bei den Zahlen fallen zunächst die verschobenen Formen auf (zwei, zwelf, zwinzich, dritzich). Mehrmals belegt ist, wie gesagt, das ostfäl. und nordnd. dridde. In sestigesten («sechzigsten», MH 20) findet sich allerdings nicht die nordnd. belegte Rundung (sös). 83 Besonders interessant sind die Personalpronomina, die daher ausführlicher vorgestellt werden sollen. 84 Sie sind gekennzeichnet durch das Nebeneinander mnd. und mhd. Formen. Die 1. Person Singular lautet durchgehend ich, 85 nur ein einziges Mal ik (K 275), also die übliche mnd. Form, nicht das ostfäl. ek; ebenso steht das mhd. Reflexium sich neben sic, aber nicht ostfäl. sek. 86 Das gilt ähnlich auch für Dativ und Akkusativ der 1. und 2. Person Singular: Es überwiegen die hd. Formen mir/ mich und dir/ dich; die im Nordnd. und Westfäl. geläufigen Formen mi und di erscheinen insgesamt nur fünfmal, davon viermal im Reim; etwas häufiger ist me. Der Dativ mê gehört zusammen mit mik und mek zum Ostfäl., 87 hier kann me allerdings Dativ und Akkusativ bezeichnen. Die 1. Person Plural wird am häufigsten durch das hd. wir bezeichnet, etwas weniger häufig durch we, eine Nebenform des mnd. wi, und einige Male auch durch die kombinierte Form wer. 88 Die durchgehende uns-Schreibung (gesprochen wurde im Mnd. us) kann auf hd. Einfluß zurückzuführen sein, kommt in der westfäl. Schreibsprache aber auch schon seit dem 13. Jahrhundert vor. 89 Die Formen der 2. Person Plural lauten im Nominativ je/ ie (mnd. gi/ i) und im Dativ und Akkusativ iu/ iuch (mnd. meist jû/ jûw). Die 3. Person Singular Maskulinum weist im Nominativ die mnd. Form he, daneben aber auch her auf; letzteres ist eine ursprünglich md. Form, die Eingang in die mnd. Schriftlichkeit gefunden hat. 90 Dativ im und Akkusativ in entsprechen dem Mhd., denn die mnd. Hauptformen lauten eme und ene, in frühmnd. Texten kommt aber auch noch häufig ime vor. 91 Neben der mnd. Normalform it für «es» findet ebenso iz (selten is) Verwendung, vielleicht ebenfalls eine Kombination mnd. und mhd. Merkmale, da Robert P eters diese Formen nicht belegt. Für «sie» kommt mit einer Ausnahme (si, C 6) nur die mnd. Normalform se vor. Für Form und Sprache 21 82 Ebd. III, 4.6.2.6. 83 Weitere Zahlen sind z.B. dre/ drie/ dru, vive, seuen, negen, viftein, achtein, viftich, seuendich, ver dusent (vgl. dazu ebd. II, 4.4.). 84 Einen Überblick bietet H ärd , John Evert: Morphologie des Mittelniederdeutschen. In: Sprachgeschichte, S. 1431-1435. 85 Vgl. P eters: Katalog sprachlicher Merkmale II, 4.5.1.1.: «In älteren Texten ist ch-Graphie belegt.» 86 H ärd : Morphologie des Mittelniederdeutschen, S. 1433. 87 P eters : Katalog sprachlicher Merkmale II, 4.5.1.2. und 4.5.1.5. 88 Bei L asch und P eters ist diese Form nicht belegt (L asch : Mittelniederdeutsch Grammatik, § 403; P eters : Katalog sprachlicher Merkmale II, 4.5.1.3.). 89 Ebd. II, 4.5.1.4. 90 P aul : Mittelhochdeutsche Grammatik, § E 34, S. 46. Vgl. L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik § 404, Anm. 1: «her (er) ist nicht heimisch, wo es begegnet.» 91 P eters : Katalog sprachlicher Merkmale II, 4.5.1.8-10. «ihr-» finden sich ir/ irn und iren/ irme; diese Varianten treten im Frühmnd. noch häufig auf, dann werden die Normalformen von ere gebildet. 92 Das Personalpronomen «ihnen» wird ausschließlich durch das (hd.) in bezeichnet. 93 Bei den Interrogativadverbien steht wâr («wo») in Übereinstimmung mit dem Westfäl., das sich hier an den Westen anschließt, und im Gegensatz zu nordnd. wôr und ostfäl. wûr. 94 Für «wie» erscheint die mnd. Hauptform und speziell Nordnd. wô, in Westfalen, Ostfalen und Elbostfalen begegnet wû. 95 Ungewöhnlich ist, daß häufig dort geschrieben wird, was im Mnd., abgesehen von der Formel hîr unde dort, selten zu sein scheint. 96 Charakteristisch für den Text sind zudem die Formen nimber/ nymber («niemals») und imber/ ymber. Nach den Untersuchungen von Stephan M ähl sind sie zeitlich auf das Frühmnd. bis 1330 bzw. 1350 beschränkt und v.a. in nnsächs. und ostfäl. Quellen vertreten. 97 Betrachtet man nun noch einmal die regionalen Sonderformen des Nordniederdeutschen, so kann man feststellen, daß sich mit dem Groningisch- Ostfriesischen kaum gemeinsame Formen feststellen lassen. Zwar weisen die Wienhäuser Texte die Formen sal und solen, nên («kein»), wol («wohl») und wente («bis») auf, die aber ebenfalls nicht ausschließlich dort belegt sind und außerdem Nebenformen haben (schal und scholen, gên, wal, tot und bis). 98 Für das Ostelbische gibt es nur wenig Anhaltspunkte. Sunder (bzw. sünder) und âne sind im Text belegt, das ostelbische tüsschen/ twischen jedoch nicht. Das Baltische weist im 14. Jahrhundert starke westfälische Einflüsse auf; die kennzeichnenden Formen vrent/ vrünt, derde (später daneben auch drüdde) und von sind in der Wienhäuser Handschrift nicht feststellbar, nur sal und solen (im Baltischen neben schal und scholen) und selve (wird im Baltischen zu sülve). Bleibt das Nordniedersächsische, das allerdings kaum eigenständige Kennformen aufweist, da es meist mit dem Ostfäl., aber auch mit Westfäl. zusammengeht. 99 Im 14. Jahrhundert lautet die Indikativ Plural Präsens-Endung überwiegend -et. 100 Die Wienhäuser Handschrift zeigt hier ein differenzierteres, eher dem hd. entsprechendes Bild: In der 1. Person Plural kommen die Endun- 22 Beschreibung der Handschrift 92 Ebd. II, 4.5.1.13. 93 Ebd. II, 4.5.1.14. 94 Ebd. III, 4.6.1.1. 95 Ebd. III, 4.6.1.3. 96 Ebd. III, 4.6.2.1. 97 M ähl , Stefan: Studien zum mittelniederdeutschen Adverb. Köln/ Weimar/ Wien 2004 (Niederdeutsche Studien 49), S. 129-131 und 145-151; die Angabe des Mnd. Handwörterbuchs, daß die Formen mit eingeschobenen b elbostfälisch seien, konnte er nicht bestätigen. Vgl. auch P eters : Katalog sprachlicher Merkmale III, 4.6.3.8. und 4.6.3.8. 98 Das hängt damit zusammen, daß das Groningische eher mit dem Niederländischen zusammengeht, das Ostfriesische mit dem Nordniedersächsischen (P eters : Die Diagliederung des Mittelniederdeutschen, S. 1482). Die übereinstimmenden Formen gehören allerdings mal dem Groningischen, mal dem Ostfriesischen an. 99 Ebd., S. 1481. 100 Ebd., S. 1478. gen -en, seltener -e vor, die (seltene) 2. Person Plural endet auf -e oder auf -et, die 3. Person Plural hat durchgehend -et. Für den Hamburger Raum ist - wie auch hier - dridde belegt; Übereinstimmung besteht auch bei nên und up(pe). Us wird im Nordniedersächsischen zu uns, das in den Wienhäuser Texten auch auf hd. Einfluß zurückgehen könnte. Die nnsächs. Form sünder kommt (ohne Umlaut) vor, twisschen hingegen nicht, 101 ebensowenig jüm, üm neben en («ihnen»), de gönne neben de genne («derjenige»). 102 Innerhalb des Ostfälischen kann das am Ostrand angesiedelte Elbostfälische, das unter starkem md. Einfluß steht, weitgehend ausgeschlossen werden, da charakteristische Merkmale wie ie- oder i-Schreibung für ê (brief), u für ô (buk), immer/ ümmer, kegen/ tiegen/ tegen («gegen»), von statt van sowie sulen («sollen») und mensche nicht vorkommen. Übereinstimmungen gibt es bei den Formen silver, dridde, disse, selve, oder, uns und je («ihr»), die jedoch auch in anderen mnd. Dialekten belegt sind. 103 Ebenso fehlen auch die Kennwörter des zum Westfäl. gehörenden Ijsselländischen vrent, hillig, wal und mer (nur sünte, bzw. sunte kommt vor) sowie dessen charakteristisches «Schwanken zwischen der nl. und der nd.-westf. Variante: brief/ breef, dese/ desse, niet/ nicht, op/ up, ende/ unde.» 104 Südmärkische Varianten wie liue (i statt mnd. e), muder (u statt mnd. o), het («hat»), det (neben dat, «das»), teigen («zeigen»), (en)geyn («kein») finden sich ebenfalls nicht; übereinstimmend sind die Formen deit neben dut («tut»); 105 zumindest deit kommt aber auch im Nordniederdeutschen vor. 106 Die Schreibung liue muder ist auch typisch für das Ostanhaltische (Zerbstische), ebenso die (ostfäl.) Pronominalformen öme («ihm») und öre («ihre»); beides läßt sich in der Hs. 3 nicht belegen. 107 Insgesamt weist die Wienhäuser Handschrift die größte Schnittmenge mit den Dialektmerkmalen des Nordniederdeutschen auf, es lassen sich aber auch Übereinstimmungen mit dem Ostfälischen sowie Einflüsse des Westfälischen feststellen. Das kann man einerseits durch das Verhältnis dieser mnd. Dialekte untereinander erklären. Der Gegensatz zwischen Ostfälisch und Westfälisch ist innerhalb des «nd. Altlandes» am ausgeprägtesten. «Die Grenzen zwischen dem Westf. und dem Nordnd. bzw. zwischen dem Ofäl. und dem Nordnd. sind dagegen nicht so ausgeprägt. Das Nordnd. verhält sich gegenüber dem west-/ ostfälischen Gegensatz jeweils unterschiedlich. [...] Häufiger ist der Fall, daß das Ofäl. und das Nordnd. dem Westf. gegenüber eine Einheit bil- Form und Sprache 23 101 Belegt ist im Text die hd. Form zwischen (Ms 153) 102 P eters : Die Diagliederung des Mittelniederdeutschen, S. 1481. 103 Ebd., S. 1481. 104 Ebd., S. 1480. 105 deit (u.a. Ms 845, 883, 962, 1224; MH 171, 217; An 134); einmal dut im Reim auf gvt (Ms 1213). 106 Typisch für das Westfäl. ist hingegen döt (P eters : Die Diagliederung des Mittelniederdeutschen, S. 1480f.) 107 Ebd., S. 1482. den.» 108 Diachron betrachtet hat auf die frühmnd. Schreibsprachen zunächst das Ostfälische, das besonders im Süden wiederum hd. beeinflußt war, gewirkt; «seit dem Ende des 13. Jhs. macht sich im nordnd. Sprachraum zwischen Stade - Hamburg und dem Baltikum ein westlicher, d.h. westf., rheinischer und nl. Einfluß bemerkbar. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts sind westlichen Spuren im Nordnd. nicht selten.» 109 Weiter eingrenzen läßt sich dieser Befund, wenn man berücksichtigt, daß keine aussagekräftigen Übereinstimmungen mit dem Groningisch-Ostfriesischen im Norden, dem Ijsselländischen im Westen und dem Ostelbischen, Südmärkischen, Ostanhaltischen und Elbostfälischen im Osten vorliegen. Die dialektalen Eigenarten des Textes lassen sich also gut mit der geographischen Lage Wienhausens in Einklang bringen, das südöstlich von Celle liegt, also noch im ostfälischen Gebiet, unweit des Übergangs zum Nordniederdeutschen bzw. des zwischen dem Oldenburgischen und der Elbe gelegenen Nordniedersächsischen, 110 in deutlichem Abstand zur Weser, die die Grenzlinie zwischen Ostfälisch und Westfälisch bildete. Das spricht dafür, daß der Text in diesem Gebiet entstanden sein könnte. 111 24 Beschreibung der Handschrift 108 Ebd., S. 1479. 109 Ebd., S. 1482. 110 Die wichtigsten Schreiborte des Nnsächs. sind Oldenburg, Bremen, Stade, Hamburg und - Wienhausen am nächsten gelegen - Lüneburg (P eters : Das Mittelniederdeutsche, S. 1414). 111 Eine umfassendere Analyse der dialektalen Merkmale, die dieses vergleichsweise frühe und umfangreiche mittelniederdeutsche Textcorpus ohne Zweifel verdient, sollten darüber weiteren Aufschluß geben. Wie bereits in der Einleitung gesagt, handelt es sich hier um erste Hinweise im Rahmen einer insgesamt eher literaturhistorisch ausgerichteten Arbeit, die eine dezidiert sprachwissenschaftliche Untersuchung, die etwa deutlicher zwischen Laut und Graphie differenziert und tiefer in die Forschung zur mittelniederdeutschen Sprache eindringt, nicht ersetzen können und sollen. Ob sich die hier vorgenommene vorsichtige Einschätzung bestätigen wird, hängt auch davon ab, wie zuverlässig grundsätzlich die Methode ist, über die Bündelung bestimmter Merkmale die mnd. Dialekte voneinander abzugrenzen und auf diese Weise dann wiederum Texte zu lokalisieren; v.a. die fließenden Übergänge, die gegenseitigen Einflüsse, die sich durchaus nicht nur auf direkt benachbarte Dialekte beschränken, und die wechselnden Übereinstimmungen bereiten hier Schwierigkeiten. Nicht zuletzt müßten wohl auch die Berührungen mit den angrenzenden md. Mundarten stärker berücksichtigt werden, als das in den auf das Mnd. ausgerichteten Untersuchungen in der Regel der Fall ist. Die Möglichkeit einer genaueren Lokalisierung verspricht der demnächst erscheinende fünfbändige ‹Atlas spätmittelalterlicher Schreibsprachen des niederdeutschen Altlandes und angrenzender Gebiete›, der von Robert P eters in Zusammenarbeit mit anderen Fachkollegen erstellt wird (vgl. dazu F ischer , Christian/ P eters , Robert: Vom ‹Atlas frühmittelniederdeutscher Schreibsprachen› zum ‹Atlas spätmittelalterlicher Schreibsprachen des niederdeutschen Altlandes und angrenzender Gebiete› (ASnA). Entstehungsgeschichte, Bearbeitungsstand, erste Ergebnisse und Perspektiven. In: Morphologie und Syntax deutscher Dialekte und Historische Dialektologie des Deutschen. Beiträge zum 1. Kongress der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen, Marburg/ Lahn, 5.- 8. März 2003. Hrsg. v. Franz Patocka u. Peter Wiesinger. Wien 2004, S. 406-428. 3. Edition 3.1 Einrichtung des Textes Die Textgestaltung erfolgt mit dem Ziel, Lesbarkeit und Verständnis des Textes zu gewährleisten, ohne zu weit von der Handschrift abzuweichen. Die Wiedergabe des Textes folgt daher der Handschrift, ohne dabei Normalisierungen vorzunehmen. 1 Nur an wenigen Stellen erfolgt die Korrektur einzelner verschriebener oder schlecht lesbarer Buchstaben, einmal auch eines Wortes. Diese sind durch Kursivdruck markiert sowie in einem kleinen Apparat verzeichnet. Auf die Einführung einer modernen Interpunktion wird nicht verzichtet. Um davon die in der Handschrift gesetzten Fragezeichen und Punkte zu unterscheiden, werden diese durch Fettdruck kenntlich gemacht. Fragezeichen werden zudem etwas vom Text abgerückt (sie stehen auch in der Handschrift immer nur am Ende der Zeile) und kursiv gesetzt; die Punkte stehen auf der Mitte der Zeile (? , • ). Schwierigkeiten bereiteten bei der Interpunktion die mitunter komplizierte Syntax, insbesondere in van der missen, und die häufigen Zeilensprünge. Abkürzungen werden aufgelöst, 2 ungewöhnliche oder zweifelhafte Fälle werden im Apparat vermerkt. Das gleiche gilt für unsichere Lesarten und in der Handschrift angebrachte Korrekturen sowie Reklamanten am Lagenende. Initialen und Paragraphenzeichen sind als solche wiedergegeben. Der Wechsel von Groß- und Kleinschreibung, insbesondere bei den Versanfängen, wird nicht berücksichtigt, da Minuskeln, Majuskeln und ‹großgeschriebene› Minuskeln nicht immer klar zu differenzieren sind und da auch keine Regelmäßigkeit festzustellen ist. 3 Bei Namen, Kapitelanfängen oder sonstigen exponierten Wörtern wird eine erkennbare Großschreibung übernommen. Schwierig- 1 Es wird differenziert zwischen den beiden Schreibweisen v und u für u; vernachlässigt sind dagegen die verschiedenen s-Schreibungen. Längenzeichen werden nur wenige Male eingesetzt, um die Präpositionen an und âne zu unterscheiden. 2 Die Handschrift benutzt hauptsächlich die gängigen Abkürzungen: häufig v ’ für vnd und den Nasalstrich (für n, m sowie einige Male auch für die Endsilbe -en), das er-Kürzel (prest s ) und das us-Kürzel (pylat 9 ), gelegentlich wird auch ra durch übergeschriebes Zeichen abgekürzt; w kann für wu, vu, vi und für we (we(r)lt) stehen. Gelegentlich wird für pre verwendet. Lateinische Wörter, Eigennamen und Nomina sacra werden ebenfalls gelegentlich abbreviiert, z.B. d ’ s für dominus, für per, für pro, für et, Joh s es für Johannes und ih s m c s st _ für ihesum cristum. 3 Als problematisch erweist sich dadurch die Unterscheidung von großgeschriebenem i und j am Versanfang. In der Regel wird daher zu i aufgelöst. Edition Einrichtung des Textes keiten bereitete die Behandlung von getrennten Schreibungen. Insbesondere Präfixe werden nicht selten deutlich vom Wortstamm abgetrennt (ge cleidet). Solche Trennungen werden nur dann bewahrt, wenn die Teile auch als eigenständige Wörter aufgefaßt werden können (hir na). Lateinische Zitate und Begriffe werden kursiv gesetzt. Die Verse werden nicht durchgehend gezählt, sondern setzen bei jedem Text neu ein. Unter dem kritischen Apparat befindet sich ein kleiner Kommentar. Er soll durch die Angabe von Wortbedeutungen und Übersetzungen Hilfestellung zum Verständnis bieten. In der Regel werden (soweit vorhanden) sowohl die mnd. als auch die mhd. Form der erläuterten Wörter angegeben, um so - als Beitrag zur Dialektbestimmung - die Wienhäuser Schreibungen vergleichen zu können. Außerdem werden die lateinischen Vorlagen zitiert (siehe Kap. 4.1.1, 4.2.1 und 4.3.1), wenn sie besonders zum Verständnis beitragen oder auch eine bestimmte Interpunktionsentscheidung begründen, sowie - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - auf in den Texten, besonders der Meßerklärung, zitierte oder paraphrasierte Bibelstellen hingewiesen. 4 26 Edition 4 Es handelt sich um die Meßerklärungen von Innozenz III. (I nnocentius III: De sacro altaris mysterio. PL 217. Paris 1890, Sp. 773-916, abgekürzt SAM) und Durandus (G uil lelmi D uranti Rationale divinorum officiorum I-IV. Ed. A. Davril et T. M. Thibodeau. Turnhout 1995 (Corpus Christianorum 140), abgekürzt RDO) sowie die Legenda aurea (J acopo da V arazze : Legenda Aurea. Edizione critica a cura di Giovanni Paolo Maggioni. Seconda edizione rivista dall’autore. 2 Bde. Tavarnuzze/ Firenze 1998, abgekürzt LA; die Nummern geben hier jeweils den Satz der betreffenden Legende an). 3.2 Text und Kommentar Bl. 1r van der kermissen 1 2 A n der kermissen lit ein de grozeste hochzit, 3 de dar kumt an dem iare. 4 ir orsak ist offenbare: 5 also man wiet de kerken. 6 doch sol ie vorbaz merken, 7 dur waz se man wie. 8 de orsak ich drie. 9 man wiet den altare, 10 daz man offerre dare 11 vppe daz ware lam 12 (ich meine goddes licham), 13 daz man got dar anbede, 14 so abraham och dede. 15 noch wiet man dar vnder 16 daz templen besunder 17 zo vordriuende meist 18 van dan den ouelen geist, 19 ok daz dar zovlucht si 20 den nothaftigen dar bi, 21 daz got ok vnse bede 22 tiude an der stede. 23 och plicht man dar zo geuene 24 de sacramenta seuene: 25 doupe, varmen, goddes brot, 26 olei an der lesten not, 27 prester ammecht vnd bicht, 28 daz echt. daz wirt dar bericht, 29 daz man singe ofte sage 30 dar seuen ziden van deme tage, 31 de got selb irwelet hat 32 mit sinen wnderen, vorebat Text und Kommentar: van der kermissen 27 1-5 16 22 28 32 Übersetzung: «Am Kirmestag liegt eines der größten Feste des Kirchenjahres. Der Grund dafür ist offensichtlich: Man weiht nämlich die Kirche.» Das Substantiv templen wird im Text, wahrscheinlich in Anlehnung an das lateinische templum, als Neutrum aufgefaßt (vgl. Ms 182). Für das Mhd. ist Neutrum und Maskulinum belegt. tiude] mnd. twiden, gewähren, erhören (mhd. zwiden, das auch gebraucht wird, vgl. Ms 205). echt] mnd. echt(e) n, Ehe. vorebat] (mhd. vürbaz) weiter, ferner, mehr, in höherem Grad (vgl. Ms 222), auch in der verschobenen Form vor(e)baz (z.B. Km 6). Text und Kommentar: van der kermissen Bl. 1v 33 der anderen zit vnbouen 34 wir solen ine l p uen: 35 36 A n metten zit zo voren, daz he do wart geborn, 37 daz he do gevangen wart, 38 daz sin scimfe do was hart, 39 daz he do brak de helle. 40 man ied ok, he welle 41 sin rechte sitzen denne. 42 ¶ De laudes ich iu nenne, 43 de mit der mittene sin en. 44 an den morgen ist gescen, 45 daz god de werlt machede, 46 daz pharao do swachede 47 an des roden meres grunde. 48 ich wen, got vpstunde, 49 so de scrift mir vorgit: 50 ¶ he stunt an primes zit 51 vor pylatus gerichte. 52 he quam ok zo gesichte, 53 do he vpstunt, den vrowen, 54 de in sochten mit truwen. 55 ¶ an dem midden morgen 56 stunt cristus an den sorgen, 57 went in der ioden zungen 58 do an daz cruze drungen. 59 «crucifige» was ir creie, 60 des was he itzo veie. 61 he wart gegeyslet an der stvnde, 62 des gift de sule noch orkunde 63 mit besprvwet mit dem blode. 64 des heiligen geistes gode 65 quam also den iungen 28 Edition 63 erstes mit durch Unterpungierung getilgt? 33 35- 120 43 55ff. 57 59 60 vnboven] mnd. boven (mhd. boben) bedeutet oben, oberhalb; vnboven ist in den mnd. Wörterbüchern nicht belegt, scheint aber soviel wie ‹demütig› zu bedeuten, (vgl. Ms 701, 1382). rememorative Auslegung der Tagzeiten Matutin bzw. Laudes, Prim, Terz, Sext, None, Vesper und Complet. mittene] mnd. mette(ne), lat. matutina, Morgengebet, später auch als Laudes bezeichnet. Erläuterung der Terz went] mnd./ mhd. wante/ wente Konj. (und Präp.), bis. creie] mnd. kreien swv, krähen (krejeren swv, schreien, rufen). veie] mnd. vei (mhd. veige), verzagt, erschrocken, totgeweiht. Bl. 2r 66 an den vurigen zungen. 67 ¶ an deme middentage 68 vntstunt godde de plage, 69 daz he do genagelt wart 70 an sin cruze hart. 71 do vorbarch de sunne 72 ires scines wnne, 73 sam se spreken solde, 74 daz se denne wolde 75 wedere denen noch scinen, 76 de irn got konden pinen. 77 an disser zit ok gescach 78 an hymelvardes dach, 79 daz got selve saz 80 mit sinen iungen vnd az. 81 ¶ an der zit der none 82 irwarf vns got de sone, 83 do he den geyst vpsande 84 an sines vader hande. 85 ok wart sin side vntslozen, 86 wazer, blot gegozen. 87 disse zit geziret wart 88 mit vnses heren hymelvart. 89 ¶ an vespere got saz 90 an siner merung vnd az 91 vnd gaf sin vleisc vnd blot 92 den sinen he do bot. 93 van dem cruze man nam aue 94 vnd bracht in ok zo graue. 95 sine iungeren in irkanden, 96 do he was irstanden, 97 do sen dwngen komen nar 98 vnd worden sin gewar 99 an dem brode, daz he brak. Text und Kommentar: van der kermissen 29 71 do] in der Handschrift de. 67ff. 75 90 91f. 97 Erläuterung der Sext mnd denen swv, dienen. merung stf, Abendessen. Apokoinu-Konstruktion? Vielleicht fehlt auch in V. 92 ein ez: den sinen he[z] do bot. sen] aufzulösen als se in oder se im? dwngen] mnd. dwingen (mhd. twingen) stv, zwingen, drängen, nötigen. nar] Komparativ von na, näher. Bl. 2v 100 pelegrimes wis he sprak. 101 ¶ an der zit des completes 102 de vuchticheit des swetes, 103 das van goddes liue vlot, 104 wart an dem bede sam ein blot. 105 also pylatus ok ret, 106 wart van der iodeschen det 107 vnse herre got 108 an deme graue behot. 109 an disser zit god quam, 110 dar sine iungeren al sam 111 waren, mit der rede: 112 «ich gef vch minen vrede». 113 alein ja alle stundelik 114 goddes loues si rik, 115 man sal doch vorbaz mere 116 godde lof vnde ere 117 nu spreken vnd singen 118 van dusgetanen dingen 119 an dissen seuen ziden. 120 das sal neman vormiden. 121 ¶ Nu horet vorbaz mare, 122 wo man wiet den altare. 123 swen daz wazer ist gewiet 124 vnd de biscop steit vorniet 125 mit gerewande scone 126 vnd staf vnde crone 127 ciret houet vnde hant 128 (so iuch allen ist bekant) 129 vnd he zom alter trit, 130 ver cruze he dar writ 131 an den hornen vere 132 mit wazere. vorbaz mere 133 geit he mit der krumme 30 Edition 121 129 mare] durch übergeschriebenes a über unterpungiertem e gebessert aus mere. trit] trit oder tret? 102ff. 113- 119 124 125 130 Vgl. Lc 22, 39-46. Übersetzung: «Obgleich ja zu allen Stunden das Lob Gottes reich sei, soll man doch aufgrund dieser Dinge Gottes Lob und Ehre zu diesen sieben Zeiten in besonderem Maße nun sagen und singen.» Vgl. dazu LA (De dedicatione ecclesie): 69 Et licet in qualibet hora diei esset laudandus, tamen, quia ad hoc infirmitas nostra non sufficit, ordinatum est ut in hiis horis specialiter deum laudemus eo quod hee hore ab aliis pruilegiate [sic] sunt in aliquibus. vorniet] Part. Prät. von mnd. vornien (mhd. verniuwen) swv, erneuern (vgl. Ms 159). gerewande] mnd. gerewant n, Meßgewand des Priesters. writ] mnd. writen stv, schreiben, zeichnen. Bl. 3r 134 seuen warue dar vmme 135 mit worden vnd mit sange. 136 nach dem vmmegange 137 beguzet he in seuen stunt. 138 dar na so wirt vntzunt 139 vur vf dem altare, 140 so stricht man cresem dare, 141 so wirt he gecleidet 142 vnd gar scon bereidet. 143 ¶ van dem temple ofte kerken 144 sol ie vorbas merken, 145 wo de biscop daz wie: 146 he geit dar vmbe drie 147 vnd sleit drie an de dore, 148 dar sprikt «ein» dar vore, 149 so cumt he dar in, 150 so is das sin begin. 151 daz ist offenbar zo sende, 152 he beguzes dar de wende 153 beide in vnd vze. 154 so gift he dar na cruze 155 in aschen vf der erde. 156 so crift he mit der verde 157 daz alfabetum crucewis 158 latinis vnde krekis. 159 zwelf cruze man ok scrift, 160 cresem dar an man wrift 161 vnd brant dar vore zwelf lecht. 162 alle disser dinge mecht 163 zolest dar zo gediet, 164 daz de kerke wirt gewiet. 165 was se aver vns beduden 166 geistlichen an den luden, 167 daz hat glosen gare vil. Text und Kommentar: van der kermissen 31 144 165 vorbas] in der Handschrift borbas (sonst immer vorbaz). beduden] b aus d gebessert. 134 146- 150 156 160 162- 164 warue] mnd. werve (mhd. warp, warf) stm, Drehung, Wendung, hier adverbial: Mal. Übersetzung: «Er geht dreimal herum und schlägt dreimal an die Tür, davor spricht er: ‹(laßt mich) ein›, dann kommt er herein, das ist sein Anfang.» Vgl. den Text der LA: 154 episcopum enim ipsam ecclesiam ter circuit et qualibet uice ueniens ad ianuam percutit cum baculo pastorali dicens: ‹Attolite portas principes uestras etc.› crift] gemeint ist scrift, diese Schreibung kommt auch vor (crift ebenfalls in MH 99). mit der verde] (mhd. mit der vart), bei der Gelegenheit, sogleich. wrift] mnd. wriven (mhd. rîben) stv, reiben; altes w im Anlaut vor r kommt im Niederdeutschen und im Mittelfränkischen vor (L asch : Mnd. Grammatik, § 299; P aul : Mhd. Grammatik, § E 39,4). gediet] mnd. gedien stv, gedeihen, wachsen, gut ausfallen, zu gutem Ende führen. Übersetzung: «Die Macht aller dieser Dinge führt letztendlich dazu, daß die Kirche geweiht wird.» Bl. 3v 168 ¶ ein ding ich auer spreken wil: 169 wir sin alle genant 170 godes temples, als ich vant 171 gescreuen an paulo. 172 vnde wirt recht also 173 ein salich minsche gewiet 174 vnde gode so gevriet, 175 daz sin wonung wirt dare. 176 daz herz hist de altare, 177 dar man got vf leget 178 offer, als ich han geseget: 179 der minnen vur und inicheit 180 vnd ein offer der rechticheit. 181 ¶ de overste biscop cristus 182 de wiet sin templum dus: 183 swenne hez beslozen vint, 184 swen de minsche irst begint, 185 sine sunde merken 186 an danken, worden, werken 187 vnd spricht zo sich: «ich dumme», 188 so geit cristus dar vmme 189 drie vnde sleit de dore. 190 swen des minschen wilkore 191 kumt zo rechten sinne 192 van der gaue siner minne 193 oder swen he sine dat 194 setzet al an goddes rat 195 oder swen he wol vntfeit, 196 swen in goddes besme sleit, 197 it si mit suke dage 198 oder ein ander plage 199 oder anders widermote, 200 so cloppet goddes gote. 201 wirt de dore den vntslozen, 32 Edition 192 van] in der Handschrift var. 169ff. 174 176 176- 180 196 Vgl. 1 Cor 3, 16f. gode ist als präpositionsloser Dativ aufzufassen, der öfter im Text verwendet wird. Übersetzung: «und für Gott so frei gemacht». hist] h kann im Mnd. gelegentlich vor vokalischen Anlauten treten; da sich in dieser Handschrift keine weiteren Belege finden, vielleicht auch eine Verschreibung. Übersetzung: «Das Herz ist der Altar, auf den man für Gott Opfer legt, wie ich gesagt habe: das Feuer der Liebe und Andacht und das Opfer der Gerechtigkeit.» Vgl. LA: 240 In hoc quidem templo altare est cor nostrum, super quod altare tria debent deo offeri. 241 Primum ignis dilectionis perpetue [...] 243 Secundum incensum orationis odorifere; [...] 245 Tertium sacrificium iustitie, quod sacrificium constitit in oblationes penitentie et in holocausta dilectionis perfecte et in uitulos carnis mortificate. besme] Zuchtrute (entspricht lateinisch flagellum, vgl. LA 252). Bl. 4r 202 so wirt daz temple begozen 203 mit tranen vz vnde inne. 204 went he bedencht mit sinne, 205 war he is: an den sunden, 206 war he noch moz werden wnden: 207 vor gericht vnd an der helle 208 der duuele geselle, 209 daz he de vroude hat vorlorn, 210 so dwinget ine goddes zorn, 211 daz dar weinet van der smerze 212 ovgen vze, in daz herze. 213 an daz wazer wirt gemischet 214 (so wir seth vns vrischet) 215 dar man dus wiet mede 216 durch geystliche rede: 217 win, salz vnd asche. 218 den sin ich aldus nasche: 219 daz bi der ruwe moz sin 220 geistlich vrovde - daz ist win, 221 salt - besceiden wisheit, 222 asche der otmodicheit. 223 so scrift man ein «abecete», 224 daz sal ymber sin stete 225 an daz herze godes e. 226 was man do, was man vle, 227 wes man dancke ofte clage, 228 diz cumt an des herzen vrage. 229 des sin des wazers guze. 230 so malet man de cruze, 231 daz menet de strenge bote, 232 de dragen sal de gote 233 mit dult, mit willen, mit gere. 234 so wirt des cresem vruchtbere 235 vnd de lecht vnbrant. 236 bi dissen cruzen wirt bekant, Text und Kommentar: van der kermissen 33 204 206 210- 212 214 213- 217 218 went] mnd. wente (mhd. wan, wande) Konj., denn, weil. wnden] hier aufzulösen als vunden; vgl. LA: 261 ‹Vbi fuit, inquit, in peccato; 262 ubi erit: in iudicio; 263 ubi est; in miseria; 264 ubi non est: in gloria›. Übersetzung: «[...] dann zwingt ihn der Zorn Gottes, daß durch diesen Schmerz äußerlich das Auge weint, innerlich das Herz.» seth] 1. Pers. Pl. (vgl. auch MH 102); die Pluralendungen des Mnd. können in allen drei Personen auf -t oder -n ausgehen; vrischet] frisch, neu machen. Übersetzung: «Unter das Wasser wird gemischt (so sehen wir, daß es uns zu neuen Menschen macht), womit man nämlich in geistlichem Sinne weiht: Wein, Salz und Asche.» naschen swv, im Sinne von ‹genießen› oder auch ‹betteln› ist hier schwer zu übersetzen. Bl. 4v 237 daz diz hus goddes si. 238 de dvuele mozen alle bi 239 segelos van dennen vlen, 240 swen se de banneren sen. 241 so machet goddes minne 242 ir wonunge dar inne. 243 gare wol ich kunde 244 mit der scrift orkunde 245 besunder diz bewisen, 246 mer dan ich mit prisen 247 an kurze rede dachte. 248 van voren swar ich machte, 249 daz ich wenne vullenbrachte. van der missen 1 2 N v hebbe je gehort overworpich kurze wort 3 van dem temple vnd altare. 4 nu nemet vorbaz ware 5 van der missen, waz de meine. 6 dar nis nicht so cleine, 7 daz sunder sake si, 8 des leg ich aver vele bi. 9 nu sit doch erst gemant 10 vmme daz gere want, 11 daz de prester sich an deit. 12 de amitten, de he leit 13 an sin hovet, de ment 14 dene doch, dar goddes sent 15 mede wart vorbunden, 16 do se vor kayfas stunden 17 vnd cristum halslageden 18 vnd honliken vrageden 19 mit manger vnvoch: 20 «wer ist de, de dir sloch? » ? 21 dar na daz wize lange cleit 22 irmanet vns der honheit, 34 Edition 246 249 dan] letzter Buchstabe undeutlich; mit] in der Handschrift mir. wenne] in der Handschrift w \ ne. 246f. 248 243- 249 12 16ff. 17 prisen an, trachten nach. van voren, von vorn. Diese Verse sind sehr problematisch. Übersetzungsvorschlag: «Ich könnte das sehr gut durch das Zeugnis der Schrift im einzelnen darlegen, mehr als ich mit dem Streben nach kurzer Rede glaubte. Was ich, am Anfang beginnend, schaffen konnte, halte ich für erreicht.» amitten] mnd. amitten, von lat. amictus (auch humerale), Schultertuch des Priesters. Vgl. Mt 26, 57-67. halslageden] mnd./ mhd. halsslagen swv, Halsschläge, Ohrfeigen geben. Bl. 5r 23 der herodes dar mede 24 an scunfes wis im dede. 25 daz was ze der stunt, 26 do he wart pilatus vrunt. 27 daz gurdel, daz man vmme leget, 28 goddes geyslen it seget, 29 do man in zor sulen bant. 30 daz de mappel ist genant 31 oder de hantvane, 32 ich wen, vns de irmane 33 des seles, dar got mede 34 wart gebunden an der stede, 35 do in de joden vingen. 36 so kumt nach dissen dingen 37 cruzewis de stole. 38 de irmanet vns des wole, 39 wo he echt wart gebunden, 40 do sen geyslen begunden. 41 zolest so deit de prester an 42 ein siden cleit, daz sal bevan 43 al de ersten wat. 44 de missakel • dudet dat 45 purpurvare cleit, 46 daz godde wart angeleit, 47 do se repen im zor hone: 48 «seth, diz ist goddes sone! » 49 noch han de biscope hir zo 50 kurse, hosen, scone sco, 51 subtil vnde dalmaticam, 52 hanscen, cronen allen sam, 53 vingerin, staf, pallium. 54 der glosen ga ich vm, 55 waz diz alliz meine. 56 daz ist nicht so cleine, 57 daz nicht groz bedude 58 den wisen - ich daz hude. Text und Kommentar: van der missen 35 24 27 30 42 44 50 51 52 58 54-58 scunfes] mnd. schimp m, Hohn, Spott. daz gurdel] mnd. gordel (Gürtel), Neutrum, selten Maskulinum. mappel] mnd. mapele f, von lat. manipulus, seidener Tuchstreifen am Arm. bevan] mhd. bevâhen/ bevân stv, umfassen, erfassen, in sich begreifen. missakel] mhd. messakel/ missakel (mnd. ist als Fremdwort kasel(e)/ cascele belegt), von lat. casula, die Kasel, weißes oder farbiges Überkleid des Priesters. kurse(n) stf., Pelzrock (tunica) subtile, liturgisches Gewand mit weiten Ärmeln (Tunika), meist aus Seide, eine andere Bezeichnung dafür ist mhd. dalmâticâ. hanscen] mnd. han(t)sche m, Handschuh. hude] mnd. hoden/ huden, verstecken, verbergen, hüten, auf etwas Acht geben (vgl. Ms 507, 813). Die Konstruktion bereitet Schwierigkeiten, Übersetzungsvorschlag 54-58: «Die Glosse lasse ich aus, was dieses alles besagt. Nichts davon ist so klein, daß es für die Gelehrten nicht Großes bedeutet - ich lasse das verborgen.» Bl. 5v 59 das de prester och sich dweget, 60 das bedudet, so man seget, 61 he sal sich dwan van sunden. 62 des gelich hadde vunden 63 moyses ein eren hant vat 64 vnde saze vmme dat 65 spegele der vrowen 66 durch der prester scowen, 67 swen se sich solden dwan 68 vnd vor got an den temple gan. 69 ¶ Swen de prester dus bereit 70 vnde gegert voregeit, 71 nach der bicht cust he dar 72 erst vf den altar 73 vnd roket in dar mede. 74 nu seth, waz disse sede 75 meine: • in sal de bicht 76 van sunden machen slicht. 77 durch der sunden lust 78 sleit de hant de brust. 79 de munt de sunde claget, 80 swas godde missehaget: 81 danken, wort vnde werk 82 - an publicano, daz merk. 83 de vor sin herze ruwich sloch 84 mit korzen worden genoch: 85 «got wes mich sunder gnedich» - 86 vnd wart van sunden ledich. 87 de kus dudet de enheit 88 goddes mit der cristenheit, 89 went de altar vnde kerke 90 ist der cristenheit merke 91 dar manger hande rede, 92 der ich me hir doch vrede. 93 daz rocvaz bedudet dat, 94 daz de, de dar vmme stat, 36 Edition 63 vat] durch Unterpungierung gebessert aus vant. 59 63-68 64 62-68 90 dweget] mnd. dwân stv, mit Grammatischem Wechsel, waschen (zum Anlaut dwvgl. L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, § 312). Vgl. Ex 30, 17-21; 40, 28-30. mnd. ummesetten swv, umsetzen, vertauschen. Der Sinn dieser Stelle bereitet Schwierigkeiten, allerdings ist auch die zugrunde liegende Bibelstelle nicht ohne Probleme. Nicht alle Versionen erwähnen, daß das Waschbecken für die Priester aus den Spiegeln der Frauen gefertigt wurde. Davon, daß die Priester sich nicht nur waschen, sondern auch sehen sollten, ist in der Bibel überhaupt nicht die Rede. Übersetzungsvorschlag: «Ebenso hatte Moses ein ehernes Handwaschbecken eingeführt und (dafür) die Spiegel der Frauen umgearbeitet, damit sich die Priester sehen (? ), wenn sie sich waschen sollten und im Tempel vor Gott treten.» merke f, Beachtung, Wahrnehmung, Zeichen. 92 87-92 sich eines dinges vriden, sich bewahren vor etwas. Übersetzung: «Der Kuß bedeutet die Einheit Gottes mit der Christenheit, denn Altar und Kirche sind für die Christenheit dort Zeichen für viele Berichte/ Auslegungen, auf die ich hier jedoch verzichte.» Bl. 6r 95 solen ok sin bereit 96 mit bede vnd inicheit. 97 ¶ De prester dar beduden mach 98 den engel, den johannes sach 99 stan an dem himele dare 100 bi deme guldin altare, 101 de an sin rokvaz vntfing 102 vil wolrekende ding. 103 also sal de prester hir 104 werven aller lude gir. 105 daz rokvaz och voriaget 106 den duuel, so man saget. 107 ¶ Disse wile sincht aldus 108 de kor den introitus 109 vnde zwies ouer en. 110 diz dudet, so de meister ien, 111 der altvedere gerunge, 112 daz in des gelunge, 113 daz got minsche worde. 114 ir iawelk in bekorde 115 mit sinem bede besunder. 116 van ir gere lest man wnder, 117 wo se got alle beten 118 (vile koning vnde propheten), 119 daz got minsclich queme 120 vnd in kumbers beneme. 121 went aver goddes minscheit 122 irvult was, barmherticheit 123 so he wol scowen dede, 124 so sincht man hir mede: 125 «kyrieleyson cristeleyson». 126 negen mal wir daz don. 127 wer spreken: «her irbarme dich». 128 disse sang ist glosen rich. 129 wer singen drie dem vader, 130 dem son ok allen gader, Text und Kommentar: van der missen 37 98 107 127 johannes] abgekürzt joh s es. Paragraph durch Punkt markiert, Rubrizierung aber nicht ausgeführt. irbarme] zweites r übergeschrieben. 98- 102 109 110 114 121- 124 Vgl. Apc 8, 3-4. zwies] mhd. zwis, zwies adv., zweimal. Die Bedeutung dieses Verses («und zweimal über einen») ist nicht ganz klar. Vielleicht bezieht er sich darauf, daß der Introituspsalm antiphonisch angelegt war, oder darauf, daß die Antiphon zwischen den Versen des Introituspsalms zweimal gesungen wurde. so de meister ien] diese Deutung stammt von Albertus Magnus (vgl. F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 469). ir iawelk, jeder von ihnen. went, bis, denn, weil. Übersetzung: «Weil aber Gottes Menschwerdung sich erfüllte, er so seine Barmherzigkeit deutlich zeigte, deshalb singt man währenddessen: [...]» Bl. 6v 131 dem heylige geyste drie, 132 daz de got vns vrie 133 van drier hande sunden, 134 der we sin gebunden: 135 danken, lust vnde wlbort. 136 «vnde bring vns armen dort 137 an der engel negen kore.» 138 ich wene de sang diz rore. 139 ¶ hir na sincht de prester also: 140 «gloria in excelsis deo». 141 daz ist der vrovden sang, 142 de den herden erst irclang, 143 do got was geborn. 144 do began ein zovoren, 145 do sang mede de kor, 146 de dar in den luften vor. 147 an der hoge, spricht diz mere, 148 si godde lof vnd ere. 149 an der si och vrede 150 den gotwilligen, spricht de rede. 151 van goddes minscheit wart vorsont 152 de veide, de dar was begont 153 zwischen vns vnde gode. 154 des ist de sang ein bode. 155 zwei lecht man dar dreget. 156 ir beduding vns daz seget, 157 daz goddes kumft irluchte, 158 son verne so ses ruchte, 159 de alden vnde de nien e. 160 hir na grot de prester de, 161 de in stat dar vm 162 vnde spricket: «dominus vobiscum». 163 daz spricht, daz got mit in si. 164 se spreket weder: «vnd mit di». 165 dus grot de prester de lude 166 an geystlicher bedude 38 Edition 166 geystlicher] Schrift verwischt, daher nicht sicher lesbar. 137 147 144- 150 Übersetzung: «zu den neun Chören der Engel». mnd. hoge f, Höhe. Vgl. Lc 2, 13f.: et subito facta est cum angelo multitudo militiae caelestis laudantium Deum et dicentium gloria in altissimis Deo et in terra pax in hominibus bonae voluntatis. In Vers 149 scheint also gemäß dem Bibeltext hinter der das Wort ‹Erde› zu fehlen. Übersetzung 147-150: «In der Höhe, so die Kunde, sei Gott Lob und Ehre. Auf der [Erde] sei auch Frieden für die Gutwilligen, sagt der Bericht.» Bl. 7r 167 an der missen seuen stunden. 168 he ment, daz van hovet sunden 169 se goddes gote vrie 170 vnd in dar wider lie 171 sines geystes seuen gaue. 172 dere rede laz ich aue. 173 ¶ De collecten spricht man danne 174 min, mer ichteswanne: 175 eine, dre ofte vive, 176 an seuenen iz doch bliue. 177 an dem latine diz het 178 ‹ein gesamnet bet›, 179 went de prester eine 180 vnser andacht gemeine 181 werft vnd spricht vnse wort. 182 des gift vns «amen» vulbort. 183 zo disseme bede sich cart 184 de prester ostene wart, 185 allein an allen steden si 186 godes walt vns naher bi. 187 an das osten wir vns keren 188 zo loue deme heren, 189 de dar is de ware sunne, 190 des lechtbare wnne 191 al de werlt irluchtet hat. 192 des ok an dem osten sat 193 an siner bort ein sterne, 194 de dre koninge van verne 195 zo goddes kribben brachte 196 mit riches offers pachte. 197 an dem ende disses betes 198 spricht man ia (des sedis) 199 per dominum, daz dudet sich: 200 «here vader, wer bidden dich, 201 daz tu diz willest don 202 durch ihesum cristum dinen son.» 203 dus larde crist: • «amen amen, Text und Kommentar: van der missen 39 192 dem] ursprünglich den, n getilgt und durch Nasalstrich ersetzt. 181 182 183- 186 192- 196 196 198f. jemandes wort sprechen, für jemanden das Wort führen, sein Fürsprech sein. vulbort] mnd. vulbort (mhd. vulbart), Zustimmung, Vollmacht, Einwilligung. Übersetzung: «Bei diesem Gebet wendet sich der Priester nach Osten, obwohl uns Gottes Macht in allen Richtungen nah ist.» Möglich wäre auch, nach allein einen Punkt zu setzen, es also auf den Priester zu beziehen. Das Verständnis des Satzes orientiert sich hier aber am Text von SAM: Debet ergo sacerdos versus orientem orare [...]. Non quod divina majestas localiter in oriente consistat, quae tamen essentialiter est ubique [...] (II, XXII). Vgl. Mt 2, 1-11. pachte] mnd. pachte (mhd. phacht) stf, Pacht, Abgabe eines Zinses, Rang, Stand. Die Collecte (das Tagesgebet) hat einen festen Aufbau und endet mit der Gebetsmittlerschaft Christi, die je nach Inhalt des Gebets unterschiedlich formuliert sein kann (per dominum nostrum Iesum Christum, per dominum nostrum Iesum Filium tuum etc., vgl. RDO IV, VX). Unsicher bleibt jedoch hier die Bedeutung von des sedis. Da diese Worte nicht zu den geläufigen lateinischen Schlußformeln gehören, läßt sich sedis am ehesten als Enklise (= sede is(t)) und des sedis damit als Einschub: «dies ist Gewohnheit» verstehen (zu sede vgl. Ms 74, 1159, MM 40). Bl. 7v 204 swes ir an minem namen 205 biddet, des wil zwiden 206 min vader sunder biden». 207 zo dusgetanen bede 208 wandelt man de stede. 209 erst vnde lest he steit 210 vnde spricht mit vrolicheit 211 durch goddes bort vnd vpstant. 212 zo der linken he sic want 213 vnd leset dar stille. 214 ich wen, daz duden wille 215 de suftenbaren not, 216 goddes martir vnde dot. 217 swen ok de prester is 218 an dissem bede, cruzewis 219 sin arme he strecket. 220 diz bild vns irwecket, 221 daz got an dem cruze bat 222 vor sine piner. vorebat 223 bedudet it de bede, 224 de uf dem berge dede 225 her moyses zo gode, 226 do sin volk van gotes bode 227 mit den heidenen vacht. 228 swen he van vmmacht 229 de arme sinken dede, 230 so wart dar vf der stede 231 sin volc segelos. 232 zwene helpen he irkos, 233 vr vnde her aarone, 234 de helden ime scone 235 de arme, swen he negede, 236 went sin volk gesegede. 237 ¶ Na den collecten nest 238 de epistolen man lest, 239 de wirt her af gespalden 240 van der nien e vnd alden. 40 Edition 204 namen] erstes n aus m gebessert. 222 223- 237 vorebat] vgl. Km 32. Vgl. Ex 17, 10-13. Bl. 8r 241 de epistole bedudet dat, 242 daz baptisten predegat 243 er den cristuses queme. 244 vnd was doch nicht so neme, 245 also cristus wart dar na. 246 des geit al eine da 247 de subdyaken lesen. 248 swenne daz ist gewesen, 249 ¶ so sincht de kor al, 250 daz heit en gradual 251 vnd ment ein strenge leuen, 252 daz sic began irheuen 253 van der lere baptisten. 254 do daz de lude wisten, 255 he sprak: «werdet sunden vri, 256 daz himelrich ist hir bi! 257 macht al mit truwe 258 de werden vrucht der ruwe.» 259 diz ist ein drouich done. 260 so sincht man vil scone 261 vnd vrolichen hir na 262 daz soz alleluia. 263 daz meinet also vil: 264 swer zon vrovden komen wil, 265 de moz volgen der lere 266 vnd dulden buze swere; 267 nach den ruwen vrovde kumft. 268 ein jodes wort ân vornumft 269 is daz alleluia hire. 270 also ist der vrovden zire, 271 de vns dort wird kundich, 272 der werlt hir vnbevundich. 273 zwie sincht man ok da 274 daz selue alleluia, 275 dus sal dort an den rowen 276 lif vnde sele vrowen 277 nach vnser vpstande, 278 der warheit zeinem pande. Text und Kommentar: van der missen 41 275 rowen] die ersten beiden Buchstaben nicht sicher lesbar. 278 pande] nochmals am rechten unteren Blattrand notiert. 243 244 251- 258 257f. 267/ 268 er den, eher als. neme] mnd. (an)neme bzw. (ge)neme (mhd. an-/ genæme) adj., angenehm, lieb, wohlgefällig. Vgl. Mt 3, 1-12; Lc 3, 1-8. Übersetzung: «Erlangt alle durch ‹Treue die wertvolle Frucht der Reue.» kumft/ vornumft] dieser Reim bereitet Schwierigkeiten; im Mnd. gibt es die Substantive kumst f, Ankunft und vornumst f, Vernunft, doch wird st in der Handschrift stets als Ligatur geschrieben, was hier in beiden Worten nicht der Fall ist. Außerdem würde man anstelle des Substantivs ‹Ankunft› eher das Verb ‹kommen› erwarten, da der Satz sonst unvollständig ist. Dieser bezieht sich auf das Alleluja: Nach dem Gradual (bezeichnet Johannes den Täufer und den Aufruf zur Buße) folgt das Alleluja (bezeichnet Christus und die Freude über die Erlösung). 275- 278 Übersetzung: «So sollen dort Leib und Seele ohne Sorgen sich freuen nach unserer Auferstehung, als ein Pfand der Wahrheit.» Bl. 8v 279 so ga wir zo dem paschen 280 daz alleluia waschen 281 dvrch vrovde manichvalt, 282 de dort wirt vngezalt. 283 ¶ De sequencie daz ok dudet 284 (de vil vrolichen ludet), 285 daz der vrovden wirt zo male 286 sunder maz vnde zale. 287 dar wirt vnz baz denne wol 288 vnd al de sinne vrovden vol. 289 swen man alleluia leget, 290 so man vor dem paschen pleget, 291 wol seuentich dage, 292 daz ment der joden plage, 293 do se gevangen waren 294 bi den seuentich iaren. 295 den an alleluia stat 296 sincht man tractus, de hat 297 lang vnde rowich done. 298 an disser werlde babilone 299 sin wir ok al gewisse 300 an swarer vangnisse 301 vnd an dem ellende. 302 swer dat recht irkende, 303 wo se vns van godde ted, 304 he sunge ymber clageled 305 vnd leze vrovden sang, 306 orgeln vnde seiden clang. 307 ¶ De dyaken hir na nemet, 308 so iz wol gezemet, 309 van dem prester den segen. 310 dus ne sal nen goddes degen 311 predegen sunder meysterscaf, 312 got des vrkunde gaf: 313 do he vp was irstan, 314 sine iunger hez he gan 315 vnd al de wlt dorlopen, 316 predegen vnde dopen. 317 so nimt man daz bok 42 Edition 288 299 302 314 ganzer Vers am Rand nachgetragen. sin] in der Handschrift si (si sonst nur Konjunktiv «sei», die 1. P. Pl. Ind. Präs. lautet sin, vgl. z.B. Ms 1223, K 79, MH 359); al] am Rand nachgetragen. irkende] durch übergeschriebenes a über unterpungiertem e gebessert aus irkande. iunger] Schrift verwischt, daher nicht sicher lesbar. 280 284 303 302- 306 waschen] häufig metaphorisch verwendet, hier soviel wie ‹erneuern›. Der Satz bezieht sich wohl darauf, daß das Alleluja zu Ostern zum ersten Mal wieder gesungen wird. Davor singt man stattdessen den Tractus (vgl. K unzler : Die Liturgie der Kirche, S. 320). Übersetzung: «die sehr fröhlich klingt/ lautet». wo] bedeutet in der Handschrift meist ‹wie›. Übersetzung: «Wer das richtig verstünde, wie sie (die Welt) uns von Gott entfernt, der sänge immer Klagelieder und verzichtete auf Freudengesänge und den Klang von Orgeln und Saiteninstrumenten.» Bl. 9r 318 van dem alter. daz meinet ok, 319 daz de lere ist van cristo 320 vnde sinem ewangelio. 321 man dreget vore, daz ist recht, 322 daz rocvaz vnde zwei lecht. 323 de dyaken steit ho, 324 got dede selve also: 325 vf den berch karde, 326 do he de iungern larde 327 de achte salicheit. 328 vorebaz he se heit: 329 «swaz ir van me horen 330 runen an ivv oren, 331 daz sol ie lut machen 332 vnd predegen vp den daken». 333 dus bot ysaias don, 334 de dar predeget: «syon, 335 stich vf offenbare, 336 rop lude sunder vare.» 337 dus sal des predegers leuen 338 zo voren ein gvt bilde geuen, 339 so ist sin lere soze. 340 des dyakens groze 341 ist: «dominus vobiscum». 342 se spreken alle dar vm 343 godde lof vnd ere 344 der vil guden mere, 345 swe daz hore vnd se, 346 daz quit: gloria tibi, domine. 347 ¶ So seth man den dyaken 348 ver cruze dar maken 349 an daz bok, daz reine, 350 ich wene wol, daz meine, 351 daz van cristo de rede si. 352 daz ander cruze dar bi 353 scrift her an daz vorn houet, 354 so her selve gelouet, Text und Kommentar: van der missen 43 323 334 346 349 steit] Schrift verwischt, daher nicht sicher lesbar. predeget] in der Handschrift predeges. gloria tibi, domine] abgekürzt gloria t’ d ’ e. reine] erster Buchstabe undeutlich. 325 323- 327 332 334ff. 346 karde] von mnd./ mhd. keren swv‹ kehren, (ab)wenden (vgl. Ms 373, MG 157); zum nicht umgelauteten Präteritum vgl. Lasch: Mittelniederdeutschen Grammatik, § 437. Übersetzung: «Der Diakon steht erhöht, so tat es Gott selbst: (Er) wendete sich auf den Berg, als er die Jünger die achte Seligkeit lehrte.» Vgl. Mt 5-7. vp den daken] mnd. dack, dak n/ m, Dach, aufgrund des Reims auf machen wäre aber auch dach m, Tag möglich. vgl. Isaias 40, 9: super montem excelsum ascende tu quae evangelizas Sion/ exalta in fortitudine vocem tuam evangelizas Hierusalem/ exalta noli timere dic civitatibus Iudae ecce Deus vester (Steig auf einen Berg,/ Zion, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme mit Macht, Jerusalem, du Botin der Freude! / Erheb deine Stimme, fürchte dich nicht! Sag den Städten in Juda: / Seht, da ist euer Gott, Einheitsübersetzung). quit] Präsens von mhd./ mnd. queden stv, sprechen, bedeuten. Bl. 9v 355 daz her sich cristus namen 356 nymber wille scamen. 357 vor sinen munt daz dridde, 358 rechte sam he got bidde, 359 daz he daz vore bringe 360 an bequemliquem dinge. 361 vor sin herze daz verde, 362 daz dar inwendich werde 363 cristes lere gepriset, 364 de he dar vze wiset. 365 so kart sich mit den worden 366 de dyaken an daz norden, 367 dar al archeit ist vz komen. 368 dar bi ist vns vpgenomen 369 de quaden joden vnd ir e. 370 got de wolde selve se 371 erst leren vnde laden. 372 do se aver daz vorsmaden, 373 do wart sin lere gekart 374 zo den heidenen wart. 375 ok ment daz norden wole, 376 als af got spreken sole: 377 «ich bin komen durch enladen 378 de sunder zon gnaden», 379 de den norden ist gelik: 380 kalt, dinster, gruwelik. 381 ich wen, man ein lecht drage 382 an dem werkeldage, 383 daz ment, daz got quam 384 an minscheit als ein lam 385 mit einen vorloper, 386 daz was johan sin doper. 387 an der hochzit man pleget, 388 daz man zwei lecht dreget. 389 ich wene, waz daz meine, 390 daz der vorlofer zwene 391 vor goddes richte solen wesen, 44 Edition 389 waz] nicht sicher lesbar, entweder wc (als Abkürzung für waz) oder wo. 360 373 376 380 390ff. bequemliquem] mnd. bequemelik adj., passend. gekart] vgl. Ms 325. als af] = als of, als ob, wie wenn. mhd. dinster adj., finster, düster, dunkel (die mnd. Wörterbücher belegen nur das Substantiv dinsternisse, Finsternis im 13. Jh. für das Elbostfälische). Zu Henoch vgl. Gn 5, 21-24; zu Elija vgl. III Rg 17-19, 21; IV Rg 1-2. Bl. 10r 392 Enoch, elyas, so wir lesen. 393 so seth man echt den dyaken 394 nach dem lese ein cruze maken 395 vnd an daz bok einen kus, 396 rechte so he spreke dus: 397 «van goddes martir vnde lere 398 ist vorsont als vnse swere.» 399 so bringt man de wirok 400 deme prestere vnde bok 401 durch den roch vnde kus. 402 alle gude sal man dus 403 an godde erst beginnen 404 vnd an sinen minnen 405 vnde bringen weder zo gode, 406 des ist de kus ein bode. 407 zo dem lesen sal man stan 408 vnde solen ia de man 409 ire hovet vntdecken, 410 daz irn oren moge smecken 411 des waren cristus predegat. 412 ich wene, daz sich vmme dat 413 manlik ok segene, 414 das de goddes degene 415 durch de rechten lere 416 vnde cristuses ere 417 an dem dot sich berede. 418 so spricht man den crede, 419 sam man spreke, daz de love 420 van predegat sich irhove 421 cristus vnd siner iungen, 422 de daz credo erst sungen, 423 do se noch zosamne waren 424 vnde predegen solden varen. 425 des sin zwelf stucke. 426 den offersang ich vorerucke, 427 daz ist ein teken des loven. Text und Kommentar: van der missen 45 427 des] letzter Buchstabe oder letztes Zeichen in der Handschrift über dem Wort nachgetragen und nicht sicher lesbar. 392 389- 392 393 412- 417 Henoch, dem Vater des Methusalem, und Elija, dem Propheten des Alten Testaments, ist gemeinsam, daß sie beide in den Himmel entrückt wurden. Übersetzung: «Ich glaube (zu wissen), was das bedeutet, nämlich daß zwei der Vorläufer vor Gottes Gericht gewesen sein sollen, wie wir lesen (waren das) Henoch und Elija.» echt] mnd. echt, wiederum, abermals. Übersetzung: «Ich glaube, daß sich deshalb manche auch segnen (das Kreuzzeichen machen), damit die Gottesstreiter um der rechten Lehre und der Ehre Christi willen sich auf den Tod vorbereiten.» Bl. 10v 428 gude werc sal man oven 429 vnde wisen mit den vromen. 430 ofte love war is komen, 431 das sal louen dar inne 432 got herz vnde sinne. 433 de munt sal vze singen, 434 de hant sal gave bringen. 435 kum vor goddes angesicht, 436 minsche, sunder gave nicht! 437 ¶ So bringet ok de dener 438 daz offer deme prester: 439 wazer, win vnde brot. 440 daz moz dar sin benot 441 kelic vnde patenen. 442 waz se aver menen, 443 daz ist mir vil swar. 444 de prester mischet dar 445 wazer zo dem wine. 446 vz der siden sine 447 cristus selue got 448 samen wazer vnde blot. 449 daz bedudet de enheit 450 goddes mit der cristenheit, 451 de man nymber mach 452 gesceiden, so got sprach. 453 ¶ De wize reine corporal 454 vf dem alter, he duden sal 455 den wizen syndones dok, 456 den her iosep vmmeslok 457 vnses herren licham, 458 do hen van pilato nam. 459 ¶ de dok auer, den man leget 460 vf den kelic, de seget 461 vnses heren houet dok, 462 de mit valden genok 463 zosamene gewnden 46 Edition 428 458 werc] abgekürzt w s c. nam] gebessert aus mam. 428 429 428- 434 453 455 455- 458 459 oven] mnd. oven(en) swv, üben, machen, tun. wisen swv, kundtun, zeigen, offenbaren (vgl. P eters : Merkmalkatalog II, 4.1.3.). Übersetzung: «Gute Werke soll man tun und zusammen mit den frommen (Werken) zeigen. Wenn der Glaube sich bewahrheitet hat, sollen Herz und Verstand Gott innerlich loben. Der Mund soll äußerlich singen, die Hand soll Gaben bringen.» corporal] mnd. corporâl(e) von lat. corporale, Tuch, das man auf dem Altar unter Kelch und Hostie legt. syndones dok] mnd. sindel/ mhd. zindâl (Schreibungen sehr verschieden), von lat. zindalum/ sindalum bzw. (griechisch) sindo, Leinentuch. Vgl. Io 20, 38-40. Gemeint ist das Kelchvelum. Es erinnert an das Schweißtuch des Kopfes, das separat und zusammengebunden im leeren Grab lag (vgl. Io 20, 6-7). Bl. 11r 464 wart • an dem graue vunden. • 465 ¶ zo der vordern man sat 466 den kelic bi de oblat, 467 daz he vnffa daz bl p t, 468 daz vzer siden g p t 469 an der martyr vnses heren. 470 merk, • wo sich dar keren 471 daz brot an goddes licham, 472 sic wandalt recht alsam 473 an goddes blot de win. 474 grundelos ist de sin, 475 waz got dar an meine, 476 daz he hir an aleine 477 vns armen wolde spisen 478 vnd aldus bewisen 479 sine vaderlichen gode 480 an win vnde brode. 481 dem liue ist nicht so g p t 482 zor craft alse brot. 483 nein drank mach ok sin, 484 de baz vrowe den win 485 (aldus so kumt zo heile 486 geistliken vnser seile), 487 baz nechein spise 488 noch vrowet so lise. 489 wo man daz corn seie, 490 wo iz wasse, wo mans meie, 491 wo iz zobreke de mole, 492 wo manz backen sole, 493 daz it brod werde, 494 wo de winstok vz der erde 495 wasse vnde druuel bringe, 496 wo man denne dringe, 497 daz it werde win, 498 daz ist al ein geystlich sin. Text und Kommentar: van der missen 47 464 an] in der Handschrift am. 467 490 495 496 465- 498 vnffa] Konjunktiv von mnd. entvân stv, empfangen (vgl. auch Ms 812). meie] mnd. meien/ meigen swv, mähen. druuel] mnd. druf, drufele (mhd. triubel), (kleine) Traube. mnd./ mhd. dringen stv, (zusammen)drücken, drängen, hier wohl: pressen, keltern. Übersetzung: «Zuerst setzt man den Kelch zu der Oblate, damit er das Blut empfange, das bei der Marter unseres Herrn aus seiner Seite floß. Merke: wie sich dort das Brot in Gottes Leib verwandelt, ganz genauso verwandelt sich der Wein in Gottes Blut. Ohne Ende ist der Sinn (dessen), was Gott damit meint, daß er uns Arme hierdurch allein speisen und uns so seine väterliche Güte durch Wein und Brot beweisen wollte. Für den Leib ist nichts so gut zu seiner Stärkung wie Brot. Es kann auch kein Getränk geben, das mehr erfreut als Wein (so kommt unsere Seele zu geistlichem Heil), noch erfreut irgendeine Speise besser auf so sanfte Weise. Wie man das Korn sät, wie es wächst, wie man es mäht, wie es die Mühle mahlt, wie man es backen soll, so daß es zu Brot werde, wie der Weinstock aus der Erde wächst und kleine Trauben bringt, wie man dann preßt, damit es Wein wird, das hat alles eine geistliche Bedeutung.» Bl. 11v 499 des bedudinge geit 500 al so zo goddes minscheit 501 vnd der martyr binamen, 502 daz laz ich bliuen allen samen. 503 ¶ hir na cumt nu gewisse 504 daz erste stilnisse. 505 daz bedudet de stunde, 506 do sich got begunde 507 vor den joden huden 508 vnde den quaden luden. 509 do lazarus was vpirstan, 510 vil des volkes do began 511 durch daz wnder im volgen. 512 des worden se irbolgen 513 vnde plichten an sin leven. 514 so let de prester sich geven 515 wazers ein cleine. 516 daz dudet, daz he reine 517 vnde wiz sal sich machen 518 ia van cleinen sachen. 519 iz ment och wol de voch, 520 daz sich pylatus dwoch 521 vnd wold vnsculdich wesen 522 goddes dodes, so wir lesen. 523 so beroket he dare 524 beide kelic vnd altare, 525 daz ment de duren saluen 526 dar med allenthalven 527 magdalene, daz gude wif, 528 begoz vnses heren lif, 529 so wir lesen, drie: 530 vor der martyr zwie, 531 zo dem graue daz lest. 532 do vant se ydel daz nest. 533 de g p de wille dar trat 534 bi godde vor de dat. 48 Edition 509- 513 512 519- 522 532 Vgl. Io 12, 9-11. irbolgen] mhd. erbolgen, part. adj. von erbelgen, aufgebracht werden, zürnen. Vgl. Mt 27, 24. ydel] mnd. idel (mhd. îtel) adj., leer. nest, auch: Bett, Lager. Bl. 12r 535 ich wene, daz ok mene 536 de kelic vnde patene 537 goddes graf vnde den sten. 538 nu moge je vorbaz sen, 539 daz sich de prester drucken 540 beginnet vnde bucken 541 neder vor den altar. 542 dar bi, so nemet war, 543 daz cristus durch horsam 544 othmodich an daz cruze quam. 545 ¶ So spricht de prester zo den luden: 546 «orate». • daz wil duden 547 vnses here bede, 548 de he selve dede 549 mit blodes swize, do he bat, 550 of sin martir were rat. 551 he bat ok vor de sine. 552 an vnses heren scine 553 spricht de prester disse wort. 554 swenne man orate hort, 555 daz dudes ist dar vnder: 556 «biddet vor mich sunder, 557 mine swester vnde broder, 558 vnsen heren got, den goder, 559 daz ivv offer vnde min 560 im aneme moze sin.» 561 so sal man bidden vor in. 562 daz secretum lest man hin. 563 swar paves ofte biscopf 564 sincht, dar is grozer of 565 van manger hande dinge. 566 daz ich oversprinke. 567 ¶ Nach dem stille sincht man da: 568 «per omnia secula». 569 diz vrolik gedone 570 bedudet, daz vil scone 571 an dem palmen dage Text und Kommentar: van der missen 49 544 564 quam] ua (? ) übergeschrieben. grozer] erstes r übergeschrieben. 546- 550 555 560 564 570ff. Übersetzung: «Das soll die Bitte unseres Herrn bedeuten, die er selbst in blutigem Schweiß tat, als er fragte, ob es Abhilfe für sein Martyrium gebe.» Vgl. Mt 26, 39; Lc 22, 44. dudes] mnd. dudesch, (nieder)deutsch oder mhd. diute stf/ stn, Auslegung, Erklärung. aneme, mnd. angenehm, lieb, genehm. of] entweder Kurzform von offer oder das Substantiv hoffe (lat. spes), das besonders md. bezeugt ist. Vgl. Io 12, 12-15; Mc 11, 7-10; Mt 21, 8-9. Bl. 12v 572 mit sang vnde sage 573 got zor martyr reit, 574 do den palmen vnde cleit 575 de scare vor in stroweden. 576 de kinder sic vroweden 577 vnde sungen im aldus 578 zo love «benedictus». 579 ¶ Na dem per omnia 580 volget sursum corda. 581 dus spricht goddes bode: 582 «vp de herzen zo gode! » 583 so spricht de kor dar zo: 584 «wer hebben recht also.» 585 nu se manlich an sich dar, 586 of he godde sege war. 587 nu merket rechte mine wort: 588 swer sich selven nicht ne hort, 589 den horet got noch min. 590 zo dem munde hort de sin! 591 ¶ So spricht de prester echt also: 592 «gracias agamus domino» 593 vnde niget allen mank: 594 «seget godde havedank 595 alle siner gote». 596 mit ganzer odmote 597 sol wir knin ofte nigen 598 vnd havedank nicht swigen 599 beide erst vnde lest. 600 daz ment dignum et iustum est, 601 daz spricht de cor bedecht: 602 «daz ist billich vnde recht». 603 ¶ Eya minsche, nu merk 604 an dich selven goddes werk. 605 so mostu vil des vinden, 606 daz dich im moz binden 607 zo havedanke sere. 608 her was erst din sceffere 50 Edition 581 585 595 bode] durch Unterpungierung gebessert aus bodde. Punkt hinter sich ? alle] durch Unterpungierung gebessert aus aller. 593 601 allen mank] mnd. almank, währenddessen. bedecht] mnd. bedechtlik adv., wohl bedacht, mit Bedacht. Bl. 13r 609 vnd worchte dich van nichte 610 durch necheine plichte 611 wen durch sine g v te. 612 nu merk, wo he dich vote 613 mit cleider vnde spise 614 an mangerhande wise 615 mit notdorft vnde lust 616 (des du selue mich ien must). 617 noch hat din nature 618 alle creature 619 an der werlt hir vorstegen 620 vnde hat ircregen, 621 daz du bist engels genoz. 622 so vern ich das reden moz: 623 swaz got scefte hir gescof, 624 des begin dor dich irhof, 625 daz it dir sta zo bode - 626 also saltu gode. 627 wer gift dich eren vnde g p t? ? 628 wer gift dir sunt vnde mot? ? 629 wer scermt dir vor scande? ? 630 - nicht wen goddes hande. 631 wo mochte sich gevogen daz, 632 de ein vorlorn ledemaz 633 dich eines weder geve, 634 du ne trogest zo im leve 635 vnd sprekest ime havedank? 636 noch is disse gave crank 637 dar weder vnd vnwis, 638 went se vorgenclik is. 639 des merk der gave mere: 640 do du vorloren were 641 vnde sunder allen trost, 642 do wordestu van im irlost 643 van ale dinem harme, 644 nicht wen durch sine barme. 645 vnd hat mit sinen gnaden Text und Kommentar: van der missen 51 625 638 it] durch Unterpungierung gebessert aus ist. vorgenclik] in der Handschrift vorgenlik (mnd. vorgenclik/ vorganclik, vergänglich, zeitlich, irdisch). 612 620 623 612- 626 632 631- 638 vote] mnd. vôden (mhd. vuoten) swv, speisen, nähren, versorgen. ircregen] mnd./ mhd. erkrîgen stv, erreichen, erlangen. scefte] mhd. geschefte stf/ stn, auch: Geschöpf. Übersetzung: «Nun merke, wie er dich auf viele Weise mit Kleidern und Speise versorgt, aus Notwendigkeit und aus Lust (das mußt du selbst mir gegenüber zugeben). Außerdem hat deine Natur alle Geschöpfe auf der Welt überstiegen und hat erreicht, daß du den Engeln ebenbürtig bist. So weit muß ich das fortführen: Was auch immer Gott hier an Kreaturen erschuf, dessen Beginn geschah um deinetwillen, damit es dir zu Gebote stehe - so sollst du Gott (zu Gebote stehen).» ledemaz] mnd. ledemate (mhd. lidemâz) n, Gliedmaß. Übersetzung: «Wie kann das sein, daß du dem gegenüber, der allein dir ein verlorenes Gliedmaß wiedergäbe, keine Liebe empfindest und ihm kein ‹Habdank› sagst? Und auch diese Gabe ist als Gegenleistung gering und töricht, weil sie vergänglich ist.» Bl. 13v 646 dich valles mer vntladen 647 vnd hat dir dort bereit 648 der vrovden ewicheit 649 van grozer overvlote 650 siner vaderlichen gote. 651 noch merk daz dar mede, 652 daz du an zit vnde stede 653 der gnaden bist geborn 654 vnd och nicht vorlorn 655 over lang ne werest 656 vnd helle pin vorberest, 657 den du lichte vorarnet 658 haddest. de dich noch warnet 659 vnd beidet din vaderlike, 660 danke, minsche, truwelike 661 vnde sprik dik also: 662 «gracias agamus domino». 663 ¶ Mine rede ich nu wende 664 zo des sanges ende, 665 den middel druc ich laze, 666 daz ich de lenge maze. 667 cum quibus et nostras voces - 668 here, we begeren des, 669 daz we hir vmboven 670 dich imber mozen loven 671 vnd de englen din 672 mede segere sin, 673 so daz vnse stimne 674 deine vroliken ymne 675 sunder ende sing aldus: 676 «sanctus, sanctus, sanctus». 677 so sincht de kor vil scone 678 daz engles gedone 679 daz sanctus, so we vinden. 680 benedictus hort den kinden. 681 ich wene, diz misc vns dude, 682 daz sam engel lude 683 solen got vntfan, 52 Edition 658 674 Punkt hinter haddest? deine] könnte auch deme lauten. 657 658 651- 661 665 669 672 667- 676 680 681 vorarnet] mhd. (ver)arnen swv, ernten, verdienen, büßen für. warnet] mnd./ mhd. warnen/ wernen, zum Schutz mit etw. versehen, behüten, schützen. Übersetzung: «Merke außerdem daran, daß du in Zeit und Raum der Gnade geboren und auch auf Dauer nicht verloren bist und die Höllenqualen vermeiden kannst, die du sehr leicht verdient hättest. Danke dem, der dich dennoch beschützt und väterlich auf dich wartet, voll Vertrauen und sprich oft so.» mnd. middel n/ m, Mitte; druc] Die mnd. und mhd. Wörterbücher belegen druc im Sinne von Druck, Bedrängnis, was hier keinen Sinn ergibt. Das deutsche Wörterbuch von G rimm bietet aber auch Beispiele für übertragene Bedeutung (z.B. in einem truck, in einem Zug, den letzten druck geben, zu Ende bringen). Übersetzungsvorschlag: «Den Mittelteil der Deutung lasse ich aus, damit ich die Länge begrenze.» vmboven] demütig (vgl. dazu Km 33), es entspricht Lateinisch devoti pectoris (SAM II, LXI). segere] entweder mnd. segger m, Sager, Entscheider oder eine Verschreibung aus sengere? Übersetzung: «‹Mit diesen auch unsere Stimmen› - Herr, wir wünschen, daß wir hier demütig dich immer loben und ‹Mitsager› deiner Engel sein werden, so daß unsere Stimme dein fröhliches Lied ohne Ende so singe: ‹Heilig, Heilig, Heilig›». Vgl. Ms 576ff. misc] mhd. misch stm, Mischung (hier: der Gesänge). Bl. 14r 684 de dar komet sunder wan. 685 wer zwivelde der ding: ? 686 swar kumt der engel koning, 687 daz sin engele dar sin - 688 allen zwiuel dot ie hin! 689 waz disse wort spreken, 690 daz moz ich over breken. 691 ir beduding ist groz, 692 der ich swigen moz. 693 an der missen man hort 694 an dren zungen wort: 695 krekesc, jodesc vnd latin. 696 daz sal der scrift andacht sin, 697 de dar scref pylatus - 698 «Jesus nazarenus» - 699 ans cruze boven crist 700 an disser drier zungen list. 701 diz dudet dar vnbouen, 702 daz alle zungen solen loven 703 got an einer selle: 704 hymel, erde, helle. 705 ¶ Nu merket noch en cleine, 706 waz de segen meine 707 vnd wo daz cruze si vunden 708 dar her van alden stunden: 709 moyses des erst began, 710 do he vp dede han 711 einen slangen van ere, 712 daz he ein helfe were, 713 den de slangen beizen. 714 de rede ie wol weizen. 715 diz was des cruzes vorteken, 716 daz sunden kan de seken. 717 diz cruze kan ok duden 718 tau, daz got sinen luden 719 in egipto malen het, 720 do he den engel morden let 721 al daz erst geborn. 722 daz waz al vorlorn, Text und Kommentar: van der missen 53 690 699 713f. am Versanfang ein durch Rasur getilgter, nicht mehr lesbarer Buchstabe. ans] s übergeschrieben. boven] in der Handschrift loven (vgl. Lc 23, 38: Erat autem et superscriptio inscripta super illum litteris graecis et latinis et hebraicis hic est rex Iudaeorum). das i in den Reimwörtern beizen und weizen ist nicht deutlich. 685- 688 690 693- 700 703 705 709- 713 717- 723 Übersetzung: «Wer zweifelte daran: Wohin auch immer der König der Engel kommt, daß dort (auch) seine Engel sind. Allen Zweifel (daran) sollt ihr aufgeben.» over breken] over vor Verb kann auch dem Präfix vor entsprechen, mnd. vorbreken stv, abbrechen, bildlich: zerbrechen, vernichten, verwirken. Übersetzung: «In der Messe hört man Worte in drei Sprachen: Griechisch, Hebräisch und Latein. Das soll an die Schrift erinnern, die Pilatus damals schrieb - ‹Jesus der Nazarener› - ans Kreuz über Christus nach den Regeln dieser drei Sprachen.» Vgl. Io 19, 19-22 und Lc 23, 28. selle] mnd./ mhd. ist selle nur für geselle belegt; hier ist aber wohl Gesellschaft gemeint. Zum folgenden Abschnitt vgl. SAM: De crucis mysterio (II, XLIV). Übersetzung: «Moses begann zuerst damit, als er eine eherne Schlange aufhing, damit sie für diejenigen, die von den Schlangen gebissen wurden, eine Hilfe wäre.» Vgl. Nm 21, 1-9: Zur Strafe für ihre Auflehnung schickt Gott den Israeliten Giftschlangen. Sie bitten daraufhin Moses, zu Gott zu beten. Gott antwortet, daß er eine Schlange machen und an einer Fahnenstange aufhängen soll. Jeder der gebissen werde, werde am Leben bleiben, wenn er sie ansehe. Vgl. Ex 12, 1-29. Bl. 14v 723 dar man daz tau nicht ne vant. 724 hir ist daz cruze bi genant, 725 daz vns mach vnde sol 726 scermen an den noden wol. 727 ezechiel ok horde 728 van vnses heren worde, 729 daz he zo einem scriuer sprach, 730 de bi sich vorde blak: 731 «scrif daz tau vor ir houet, 732 de an mir noch lovet, 733 de sich moyen vnde suften». 734 do quamen an den luften 735 seven man gevaren, 736 de konden mort nicht sparen. 737 neman dar genas, 738 wen de getekent was. 739 daz cruze merk hir an: 740 de ewangeliste Johan 741 sach den leuendigen got, 742 de rep lvde diz gebot 743 ver engeln (de wolden 744 scaden vnde solden), 745 daz se de plage vristen 746 so lange, went se wisten 747 vnd tekenden vil rechte 748 mit tau de goddes knechte. 749 diz ment al daz cruze. 750 waz dar mer vnder luze, 751 des si hir genoch. 752 do der ioden vnvoch 753 aldus sprak van gode: 754 «mit den snodesten dode 755 wille we in deruen: 756 an dem cruze sal he sterven», 757 vel luzel he daz wiste, 758 daz den cristenen vnde criste 759 so vil der eren an lach. 760 van dem cruze ich spreken mach: 54 Edition 750 vnder] in der Handschrift vnde (zur Verbindung von luzen (verborgen liegen) und under vgl. Ms 847 und 910). 730 727- 738 740- 748 757 752- 759 mnd. blak, Tinte (vgl. S. 19). Diese Verse beziehen sich auf eine Vision des Propheten Ezechiel (Ez 9, 1-11), die von Gottes Strafgericht über die Stadt Jerusalem handelt. Gott beauftragt sieben Männer mit der Zerstörung der Stadt. Nur einer von ihnen führt statt des Werkzeugs das Tintenfaß eines Schreibers bei sich. Er wird beauftragt, diejenigen, die über den Zustand der Stadt seufzen und stöhnen, mit einem Tau zu kennzeichnen, alle anderen sollen erschlagen werden. Nur Ezechiel bleibt übrig. Übersetzung: «Der Evangelist Johannes sah den lebendigen Gott, der rief laut dieses Gebot vier Engeln zu (die wollten und sollten Schaden bringen), daß sie die Plage so lange aufschieben sollten, bis sie die Knechte Gottes erkannt und richtig mit dem Tau bezeichnet hätten.» Vgl. Apc 7, 1-3. Das Personalpronomen he muß sich hier auf unvoch beziehen. Übersetzung: «Als der Unverstand der Juden folgendes über Gott sprach: ‹Mit der erbärmlichsten Todesart wollen wir ihn zugrunde richten: Am Kreuz soll er sterben›, da wußte er (der Unverstand) nichts davon, daß den Christen und Christus so viel Ehre gebührte.» Vgl. SAM II, XLIV: Morte turpissima condemnus eum (Sap. II), nescierunt sacramenta Dei, neque comprehenderunt quae sit latitudo et longitudo, quae sit sublimitas et profundum (Ephes. II). Bl. 15r 761 iz gift segen vnde suntheit, 762 van den bosen vndersceit, 763 iz brincht vns zon gnaden, 764 iz kan den vianden scaden 765 vnde maket truwelike 766 sine vrunt segeriche. 767 iz ist des loven grunt, 768 der hophenung ein vullemunt, 769 ein slozel der wisheit, 770 ein forme der rechticheit, 771 iz dot de koning achtbere, 772 iz ist der prester ere, 773 de nothaften it lost. 774 iz ist der armen trost, 775 de mistrostich sin, 776 allen zwivel werp iz hin. 777 iz ist ein staf der lamen, 778 lecht der blinden allen samen, 779 iz ist der doden vpstant. 780 nu merk, mensche, swen din hant 781 van dem hovede sich senket 782 vnde dwers dar over screnkent 783 van der vorderen zor linken: 784 vns lart daz neder sinken, 785 daz got her neder minsche quam 786 vnde vor zor helle sam. 787 daz tu aver ruckest seder 788 dine hant her weder, 789 dar an bist tu gemant 790 vnses heren vpstant. 791 van der linken dwers de zoge, 792 ich wene, daz duden moge 793 van hin vf goddes himelvart 794 zo sines vader zesewen wart. 795 mit dren vingern du mache 796 daz cruze durch de sache, 797 daz de driualdicheit 798 samt an einer gotheit Text und Kommentar: van der missen 55 776 iz] zweiter Buchstabe nicht eindeutig, es könnte auch ie heißen (vgl. Ms 688). 761- 779 782 794 Übersetzung: «Es gibt Segen und Gesundheit, es scheidet (die Guten) von den Bösen, es bringt uns zur Gnade, es kann den Feinden schaden und macht zuverlässig seine Anhänger siegreich. Es ist der Ursprung des Glaubens, das Fundament der Hoffnung, ein Schlüssel der Weisheit, ein Vorbild der Gerechtigkeit. Es gibt den Königen Ansehen, es ist die Ehre der Priester, die in Not sind, befreit es. Es ist ein Trost für die Armen, die ohne Trost sind, alle Zweifel beseitigt es. Es ist ein Stab für die Lahmen, für alle Blinden ein Licht, es ist die Auferstehung der Toten.» Vgl. SAM II, XLIV: Crux ergo sanitatem restituit, benedictionem impendit, discernit a perfidis, liberat a periculis, hostes expellit, victores constituit. Crux mysterium fidei, firmamentum spei, clavis scientiae, forma justitiae, magnificentia regum, gloria sacerdotum, inopum sustentatio, pauperum consolatio, caecorum dux, claudorum baculus, spes desperatorum, ressurectio mortuorum. mnd. dwers, quer. schrenken swv, quer und überkreuz setzen, verschränken. zesewen] mhd. zese (flektiert zesewer) adj., recht(s) (lat. dexter). Bl. 15v 799 gelovet werd an di 800 vnde se din scermer si. 801 ¶ vor dem stillen an den boken 802 malet ok de cloken 803 zo des presters gesichte 804 goddes martir vil lichte, 805 vf das se goddes smerze 806 van gesvne sin herze 807 rore deste vorebaz. 808 iz mach vromen ichtezwaz. 809 ¶ Nach dem sanctus cumt daz stille. 810 merket, waz daz duden wille: 811 iz dudet recht, als ich las, 812 do got vil wol vnfangen was, 813 do began her sich huden 814 vor den quaden luden 815 went an den doners dach. 816 das durch angest nicht geschach 817 noch durch zwiuel mot, 818 noch zo vlende den dot, 819 wene daz he quam, 820 zo dudende daz lam, 821 daz de alde e beging 822 an dem namen disser ding. 823 ne was des noch nen zit, 824 swar man der warheit git, 825 so he do dade scinen, 826 do he sprak zon sinen, 827 do de zit komen was: 828 «stat vp», sprak he gas, 829 «he cumt, de me wil vorraden». 830 do se vorbaz traden, 831 do wart de rede war. 832 do sprak he zo der ioden scar: 833 «wer ist, den ie soken? » ? 834 «daz ist iesus, des we roken.» 835 Jesus sprak: «her, daz bin ich». 836 an dissen dingen du sich, 837 daz got mit willen starf. 838 neman daz zwiveln darf. 56 Edition 808 809 815 828 ichtezwaz] w aus v gebessert? Paragraph durch Punkt markiert, Rubrizierung aber nicht ausgeführt. doners dach] in der Handschrift doners dars. sprak] folgendes ge durch Unterpungierung getilgt. 806 812ff. 825 816- 827 828ff. 828 gesune] mhd. gesûne stn, Ansehen, Aussehen, Anblick. Vgl. Io 11, 53-54. scinen, auch: erscheinen, sich zeigen, offenbaren. Übersetzung: «Das geschah weder aus Angst noch aus Wankelmut oder um dem Tod zu entgehen, sondern weil er kam, um das Lamm zu verkörpern, das den alten Bund im Namen dieser Dinge erfüllte. Es war aber noch nicht die Zeit gekommen, in der man die Wahrheit kundtat, so wie er sie offenbarte, als er zu seinen Jüngern sprach, als dann die Zeit gekommen war.» Vgl. Mt 26, 46; Mc 14, 42; Io 12, 4-5. gas] mnd. gâs/ gâes (mhd. gâhes), schnell, rasch, plötzlich, sogleich; könnte man auch auf stat vp beziehen. Bl. 16r 839 an dissem stilnisse 840 begat man hochnisse 841 alle dere nuzen ding, 842 de dar got beging 843 an der martyr wochen 844 vnd swaz dar warth gesprochen. 845 swaz man hir nu deit, 846 daz ist vul heilicheit. 847 dar luzet ok vnder 848 daz grvndelose wnder 849 vnd al des louen macht. 850 ich bin selve nu erst bracht 851 dar oven vor den berch. 852 de wege sin me kerch, 853 de ich vf solde stigen. 854 ich arme moz nu swigen 855 vnd moz vorstummen. 856 wer rede daz mich dummen, ? 857 daz ich wod an den vlot, 858 de ich ne mach noch ne mot 859 mit sinnen gegrunden. 860 ir ist noch weinich vunden, 861 de sich des vnderwinden, 862 daz se de grunt vinden. 863 iz ist ein dupe sunder grunt. 864 wo dorst ich arm ok minen munt 865 an den hymel sezen? 866 minsclik sin mach sich lezen, 867 wo mocht ich vf der erde ? 868 des hymelrikes werde 869 nach rechte wllenbringen? ? 870 van vzwendigen dingen 871 wil ich ein luzel scriven, 872 de man den prester driuen 873 seth dar offenbare. 874 daz don ich doch mit vare. 875 ¶ De prester na den sanctus 876 gift dem bok einen kus 877 vnd neget sich side. 878 sine wort ich vormide, Text und Kommentar: van der missen 57 840 852 854f. 863 866 869 856- 874 hochnisse f, Freude, Feier, Erinnerung. kerch] mnd./ mhd. karch, karg, eng. vgl. SAM IV, I: [...] deficit lingua, sermo disparet, superatur ingenium, opprimitur intellectus. dupe, Tiefe, Wassertiefe, tiefe Stelle im Wasser. lezen swv, hemmen, hindern, refl. sich enthalten von, aufhören, sich erholen. wllenbringen] aufzulösen als vullenbringen, vollbringen, beweisen. Übersetzung: «Wer hat mir das eingegeben, daß ich in den Fluß gewatet bin, den ich weder mit Verstand ergründen kann noch soll. Es sind erst wenige gefunden worden, die das auf sich nehmen, daß sie den Grund finden. Es ist (nämlich) eine Tiefe ohne Grund. Wie kann ich arme(r) mich da trauen, auch mit meinem Mund über den Himmel zu sprechen? Menschlicher Verstand möge sich enthalten, wie könnte ich hier auf der Erde die Würde des Himmelreichs richtig beweisen? Von den äußeren Dingen will ich ein wenig schreiben, die man den Priester dort offensichtlich verrichten sieht. Das tue ich jedoch mit Furcht.» Bl. 16v 879 wo he irst manet got, 880 daz sin offer, daz brot, 881 de iegenwardige win, 882 im anneme moze sin. 883 besunder bed he ok deit 884 vor al de cristenheit, 885 vor den paues binamen, 886 vor den keiser allensamen, 887 vor den biscop ok dan, 888 so vor de, de dar vmme stan. 889 ok biddet he dar zo stunt 890 bi namen vor de sunder vrunt, 891 so vor man, so vor wif. 892 sin vnd ir aller lif 893 bevelet dar de gode 894 got an sine hode. 895 he manet ok marien, 896 alles valsches de vrien, 897 apostolen vnde marterer, 898 daz se bidden, daz sin ger 899 werde wllenbracht. 900 der heiligen andacht 901 wert noch zwie hir na. 902 noch denct de prester anderswa 903 der doden, de noch dulden 904 daz vegevur van sculden, 905 der vrunt noch besunder. 906 de prester d p t hir vnder 907 alein an dissem stillen 908 (daz merken, de dar willen) 909 zwei vnde zwenzich cruze. 910 waz dar duding vnder luze, 911 des is mir gar zo vil. 912 nu ware swigens zil. 913 mir zittert al de lede 914 vor disser defen rede, 915 doch so nend ich an got. 916 de prester nimt daz brot 917 an sine werden hant, 918 de ougen he zo hymele want. 58 Edition 915 913- 915 nenden swv, Mut fassen, sich erkühnen, wagen. Übersetzung: «Mir zittern alle Glieder in Anbetracht dieser tiefgründigen Rede, doch wage ich es im Vertrauen auf Gott.» Bl. 17r 919 so niget he durch hauedank 920 vnde segenet allen mank 921 mit den worden, de got sprak 922 an der merung, do he brak 923 sinen iungern daz brot 924 vnde in dar an bot 925 sines selves licham. 926 dem keleke dot he sam 927 vnde boret se beide ho. 928 hir horde glosen vile zo, 929 de daz nach rechte kunde. 930 mit den worden an der stunde 931 wirt dar win vnde brot 932 goddes vleisc vnde blot 933 vnde sin licham so war, 934 so in maria gebar, 935 vnd ane zwivel sin blot, 936 so hez an dem cruze got. 937 an disser goddes kumft 938 vorwint de love de vornumft, 939 doch mach vornumftich sin 940 allen zwivel werpin hin 941 vnde denken dar an: 942 swer mach vnde kan 943 don rechte, swaz he wel, 944 dem ist daz nicht ze vel, 945 ofte he sich gevet lise 946 vns dar an zor spise 947 (daz ich er dem sacramente 948 win vnde brot nente) 949 van siner worde macht, 950 de mit worden hat gewracht 951 alle ding von nichte. 952 wnders min ist, van ichte 953 vorwandeln ichtes waz, 954 den van nichte machen daz, 955 daz vore nicht ne was. 956 van goddes worden ich las, 957 de de naturen scop, 958 de mach iren lop Text und Kommentar: van der missen 59 919 928 953 so niget] auch als Reklamant am rechten unteren Blattrand von 16v. ganzer Vers neben den Zeilen 927 und 929 nachgetragen. waz] durch Unterpungierung von s und Nachtrag von z am Rand gebessert aus was. 922 927 938 945 950 942- 951 952- 955 merung] mhd. merunge (mnd. meringe) stv, Abendessen, Abendmahl. boret] mnd. boren, in die Höhe halten, erheben. vorwint] mnd./ mhd. vorwinnen/ vorwinden stv, überwinden, besiegen. mnd. lîse adv., sanft, ruhig, lautlos, heimlich. gewracht] Prät. von werken, wirken, hervorbringen. Schwierigkeiten bereitet hier v.a. V. 947f., denn nennen/ nemmen swv, einen Namen geben, nennen, rechnen, zählen zu steht in der Regel mit doppeltem Akkusativ oder mit der Präp. bî, hier jedoch mit Dativ. Übersetzungsvorschlag: «Wer in der Lage ist, genau das zu tun, was immer er will, für den ist das nicht zu viel, wenn er sich auf geheime Weise uns darin zur Speise gibt (das ich zuvor als Sakrament Wein und Brot benannt habe) durch die Macht seiner Worte, der ja mit Worten alle Dinge aus dem Nichts erschaffen hat.» Übersetzung: «Es ist ein geringeres Wunder, etwas in eine andere Sache zu verwandeln, als aus nichts etwas zu machen, das vorher nicht existierte.» Vgl. SAM IV, VII: Nam si verbum Eliae potuit ignem de caelo deponere (IV Reg. I), verbum Christi non potuit panem in carnem mutare. Quis hoc audeat opinari de illo, cui nullum verbum est impossibile (Luc I), per quem omnia facta sunt, et sine qua factum est nihil (Joan I). Certe maius est creare quod non est, quam mutare quod est. Ac longe majus, quod non est, de nihilo procreare, quam quod est in aliud transmutare. Vgl. auch RDO IV, XLI, 15. Bl. 17v 959 zo aller stunde wenden, 960 swo he wil. • svnder penden 961 nature nach ire wonheit 962 nicht wedersazes deit 963 goddes gnaden noch wnder. 964 merk, zwiveler, besunder: 965 wo wart zo steine lotes wif? 966 wo wart ein slange sunder kif 967 her moyses gart? 968 merk, wo wazer zo wine wart. 969 merk, wo de himel got 970 vur durch helyas bot. 971 swer de scrift wil beswinden, 972 de mach des vele vinden, 973 daz jv de nature gode 974 wek vnde sinem bode. 975 nu nim des aver ware: 976 got ist vf dem altare 977 vnde dort ok allen gader 978 zor zesewen sines vader - 979 sunder brok hir vnde dort. 980 merk: eines minschen wort 981 mach man ganz horen 982 an dusent minschen oren. 983 merk: diz himelesche brot, 984 daz brict man luzel ofte grot - 985 an iawelkeme dele 986 vint cristum ganz de sele. 987 an dem spegele, daz merk, 988 zobricht sin ganze werk. 989 jawelk stucke sin, 990 gift doch antlizes scin. 991 ist diz ein wnder gode, ? 992 zo des wank vnde bode ? 993 alle sine scefte stan? ? 994 nu wizet ok sunder wan, 995 daz disse werde spise 996 an anders vleisches wise 997 nicht ne wert gebezen, 998 mit zenen noch zorezen, 60 Edition 961 nach] in der Handschrift noch. 960 960- 963 965 966f. 966 968 965- 970 969f. 971 973 974 971- 974 975- 990 979 mnd. penden (mhd. phenden), pfänden, berauben, einen Verlust beibringen, nötigen, zwingen (vgl. auch Ms 1388). Übersetzung: «Ohne Verlust/ Zwang leistet die Natur nicht nach ihrer Gewohnheit Widerstand, weder gegen die Gnade Gottes noch gegen seine Wunder.» Vgl. Gn 19, 26. Vgl. Ex 4, 1-5. kif] mnd. kîf (mhd. kibel/ kivel) m, Streit, Zank. Vgl. Io 2, 1-11. Vgl. SAM IV, VII (RDO IV, XLI, 15): Qua feminam mutavit in statuam (Gen. XIX), et virgam convertit in colubrum (Exod. IV) [...] et aquam convertit in vinum (Joan. II). Nam si verbum Eliae potuit ignem de coelo deponere (IV Reg. I), verbum Christi non potuit panem in carnem mutare? Übersetzung: «Merke, wie der Himmel auf Elias Gebot hin Feuer ausgoß.» Vgl. IV Rg 1. beswinden] Kompositum von swenden (ausreuten, bes. das Unterholz eines Waldes)? Vielleicht im metaphorischen Sinne (‹durchforsten›) oder eine Verschreibung von bewinden, in die Hand nehmen. jv] = mnd. jo/ je, hier: jemals (vgl. P eters : Merkmalkatalog III, 4.6.3.7.). wek] (be)weken (mhd. (be)wegen), sich bewegen, mit Dativ der Person: helfen, beistehen. Übersetzung: «Wer auch immer die Schrift studiert, der kann viele Beispiele dafür finden, daß die Natur immer Gott und seinem Gebot gefolgt ist.» Zu diesem Abschnitt vgl. SAM IV, XVII und XXVII (Quod corpus Christi totum est in pluribus locis simul); vgl. auch RDO IV, XLI, 20 und 25. mnd. brok (mhd. bruch) m, Bruch, Spalt, Gebrechen, Mangel. 992 991- 993 wank] zu vermuten ist hier eine Entsprechung zu nhd. ‹Wink›, das die Wörterbücher jedoch nicht belegen. Mhd. wanc stm, bedeutet ‹schwankende Bewegung›, bildlich ähnlich wie zwîvel (s. auch Ms 1115). Übersetzung: «Ist das ein Wunder (für) Gott, in dessen Geheiß und Gebot alle seine Geschöpfe stehen? » Bl. 18r 999 noch gegezen vorderft, 1000 noch van dem aze sterft, 1001 went se ist vndotlich 1002 vnd aller pin vnlidich. 1003 sen wert noch grozer noch minner, 1004 des bring ich dich wol inner. 1005 so man ein lik gescreuen vint, 1006 wo ein wif vnd ire kint 1007 vil lange zit also az, 1008 daz ire mele vnd olevaz 1009 nicht minnere ne wart - 1010 wider der naturen art. 1011 zo des loven gewinne 1012 ver des minschen sinne 1013 werdet hir an betrogen, 1014 so daz se nicht ne mogen 1015 irer numft gebruken: 1016 sen, smecken, tasten, ruken - 1017 de vornemet nicht wen brot. 1018 vor den oren nent man got 1019 vnde daz ist war 1020 sunder zwivel gar! 1021 nu westu des ok wise, 1022 daz de werde disser spise 1023 des presters gode nicht ne meret, 1024 noch sin bosheit dar an weret, 1025 wen de macht nicht ne steit 1026 an des deners werdicheit 1027 wen an des scefferes wort. 1028 nu merket an der sunnen dort, 1029 daz se blift vnbevlecket, 1030 of ir scin hir waz decket, 1031 it si bose ofte got. 1032 du merke recht an dinem mot: 1033 swer arzedic bruke, 1034 of des arzades suke 1035 den cruden des beneme 1036 ire macht vnd ir bequeme. 1037 wo diz ding allit gesce, 1038 daz weiz al eine de, Text und Kommentar: van der missen 61 1033 1035 1036 arzedic] folgendes k getilgt. des] folgendes n getilgt. bequeme] End-n getilgt. 1005 1006- 1010 1028- 1036 lik] = mnd. lîkenisse (mhd. (ge)lîche), hier: Gleichnis. Vgl. III Rg 17, 8-16. Übersetzung: «Nun erkenne an der Sonne dort, daß sie makellos bleibt, wenn ihr Schein hier verdeckt war, es sei (durch) Böse oder Gut. Überlege genau mit deinem Verstand: Wer auch immer Arznei braucht, ob die Krankheit des Arztes den Heilkräutern ihre Wirkung und ihre Tauglichkeit dadurch nimmt.» Bl. 18v 1039 de iz alliz hat gemaket. 1040 sin wisheit it saket. 1041 swem des got gegunne, 1042 de merk is. swer ne kunne, 1043 de loves svnder zwiuel doch. 1044 minslich sin ist ein droch. 1045 swer de gotheit wil durch vragen, 1046 de moz durch not vorzagen. 1047 so hir vore was gerort, 1048 de prester dar vp bort 1049 de oblaten ho 1050 vnde den kelik also, 1051 zo scowende den luden. 1052 merk, was se beduden: 1053 cristus selve aldus sprac, 1054 do he diz brot den sinen brak: 1055 «nimet, ezet allen sam, 1056 diz ist min licham. 1057 dissen kelik drinket. 1058 swen iez don, so dinket 1059 miner andacht hir an.» 1060 eya vrowe, eya man, 1061 merket, waz diz ment, 1062 daz man diz werde sacrament 1063 vp irhevet also ho, 1064 sam de prester spreke so: 1065 «sich du man vnde vrowe, 1066 dinen got du hir scowe, 1067 de dich armen troste 1068 vnd aldus dich irloste, 1069 daz he wart geboret 1070 an daz cruze. dus bekoret 1071 saltu sin van truwen, 1072 sin kvmber sal dich ruwen. 1073 scowe, minsche, wo din got 1074 durch dinen willen sin blot 1075 so rwelichen goz 1076 vnde des nicht vordroz, 1077 daz durch dinen willen starf, 1078 des dot dich lif irwaf.» 62 Edition 1047 1056 gerort] durch Unterpungierung gebessert aus geroret. dist am Versanfang getilgt. 1040 1047ff. 1053ff. 1058 1070 1065- 1072 saket] mnd. saken swv, trans. verursachen, erzeugen, hervorbringen. vgl. Ms 926f. Vgl. Lc 22, 19-20; I Cor 11, 23-25. dinket] ausgehend vom biblischen bzw. liturgischen Text (Lc 22, 19: hoc facite in meam commemorationem) könnte dieser Form entweder das Verb denken zugrunde liegen oder (mhd.) dingen, denken, hoffen (mit Gen.). Im ersten Fall bereitet jedoch der Vokal i Schwierigkeiten, im zweiten Fall der Konsonant k (Reim? ). bekoret] mnd. bekoren (versuchen, untersuchen, prüfen; ansuchen, bitten) kommt in der Handschrift in unterschiedlichen Bedeutungen vor (vgl. z.B. Ms 1206, 1218, MH 22, 169, Ag 18). Übersetzung: «Sieh her, Mann und Frau, schaue du hier deinen Gott, der dich arme(n) tröstete und dich dadurch erlöste, daß er ans Kreuz gehoben wurde. So sollst du auf deine Treue hin geprüft werden, sein Leid soll dich bekümmern.» Bl. 19r 1079 de prester nach dem sede 1080 al zo hant hir mede 1081 strecket sich an cruzewis, 1082 daz der martir teken is. 1083 sin arme he ok neiget, 1084 goddes vart diz irzeiget, 1085 dan sin sele vor zor helle. 1086 ich wen, vns duden welle 1087 sine werden hymelvart, 1088 das he vf de arme spart. 1089 merk, wo got hat getan 1090 sam ein wechverdich man, 1091 de an siner hinevart 1092 sinen vliz dar an kart, 1093 wo her sinem vrunde 1094 laze ein orkunde 1095 vnde cleinad ichteswaz, 1096 dar bi he deste baz 1097 siner vrunptscap gedenke, 1098 daz sin vzvart nicht krenke 1099 ir leve vnd ir truwe. 1100 dus wirt dagelikes nuwe 1101 goddes leve vnde mant: 1102 diz ist siner truen pant. 1103 ich wene, jv vrunt vrunde 1104 so groz ein orkunde 1105 vnde warteken geve 1106 so endeloser leve. 1107 eya minsche, kum ze sinne, 1108 danke godde solker minne! 1109 wo mochte sich gevegen daz, ? 1110 daz tu sunder ovgen naz ? 1111 dinen sceffer mogest scowen, ? 1112 durch dich also vorhowen 1113 mit sinen wnden vnd blot? 1114 la dich irbarmen sine not 1115 vnd sag im sunder wank 1116 mit vlize grozen hauedank! 1117 bid ok sine g v te, 1118 daz her dich beh v te Text und Kommentar: van der missen 63 1081 1088 1092 1106 strecket] in der Handschrift screcket. Das Verb schrecken bedeutet aufspringen, hüpfen, tanzen, was hier keinen Sinn ergibt. Es handelt sich wohl eher um eine Verschreibung, dafür sprechen auch der reflexive Gebrauch und die vergleichbare Stelle Ms 219. das] entweder gebessert aus dat oder der letzte Buchstabe ist ein f. dar] durch Unterpungierung von z und Nachtrag von r am Rand gebessert aus daz. endeloser] zweites e in der Handschrift ein o. 1088 1090 1100f. 1103 1115 spart] mnd./ mhd. sperren swv, sperren, auseinanderbreiten (Part. Prät. gespart). mnd. wechverdich, reisefertig, zur Reise gerüstet. Übersetzung: «So wird täglich Gottes Liebe und Ermahnung erneuert.» jv] = mnd. jo/ je, hier: niemals (im untergeordneten Satz) (vgl. P eters : Merkmalkatalog III, 4.6.3.7.). sunder wank, ununterbrochen, fest, unzweifelhaft. Bl. 19v 1119 vor sunden, scanden, scaden, 1120 des her eine dich vntladen 1121 mach mit sinem angesichte. 1122 daz ist den vprichte 1123 moyses den slangen, 1124 de nu hir ist irhangen. 1125 vnse here hat getan 1126 so ein truwer man 1127 vnd ein arzat wise, 1128 de vns disse spise 1129 hir an der werlde hat gegeven, 1130 zo sterken vnse brode leven. 1131 de dar ist so creften rik, 1132 dar wir vns dagelik 1133 mede leppen vnde laven 1134 van sinen vaderlichen gaven 1135 vnd sin ok nicht vorgezen, 1136 swenne we se ezen. 1137 mang disses stille rune 1138 so spricht als ein basune 1139 de prester lud aldus: 1140 «nobis quoque peccatoribus». 1141 dar biddet he vor sich 1142 vnde alle sunder, wen ich, 1143 daz de stemne lude 1144 besunder daz bedude: 1145 des goden scekers bede, 1146 de he bi dem cruze dede, 1147 do he des paradises bat, 1148 den he des dages ok besat. 1149 de prester sleit dar zo 1150 de brust, daz dudet so: 1151 do centurio dar sach 1152 so manich wnder, daz gescach, 1153 vor sin herze he sloch 1154 van grozem vorchten genoch 1155 vnd sprak dar vil scone: 1156 «vor war, diz was goddes sone! » 1157 de dar zo scowen stunden, 1158 des seluen ok begunden. 64 Edition 1122 1140 vprichte] durch übergeschriebenes i über unterpungiertem e gebessert aus vprechte. der Vers lautet in der Handschrift: nobis n [n getilgt] q 0 q 8 pc - c - oribus. 1122ff. 1133 1137 1137- 1150 1151- 1158 Dieser Stelle bezieht sich ebenso wie Ms 709-713 auf Num 21, 1-9. Der Satz scheint jedoch unvollständig zu sein. leppen] mnd. leppen, naßmachen, anfeuchten (oder mnd. lapen (mhd. laffen, leffen), schlürfen, lecken). rune] mnd. run(e) f, Geheimnis, heimliches Geflüster, geheime Beratung. Vgl. dazu SAM V, XV: Non solum autem crucis impressio, verum etiam vocis expressio, quae gesta sunt juxta crucem, insinuat; cum enim ad id ventum est: Nobis quoque peccatoribus famulis tuis, sacerdos paululum expressa voce percusso pectore silentium interrumpit, repraesentans contritionem et confessionem latronis, in illo passionis Dominicae articulo increpantis alterum et dicens: [...]. Vgl. Lc 23, 40-43. Vgl. Mt 27, 54. Bl. 20r 1159 nach deme selven sede 1160 helpe we dem prester mede. 1161 waz man dar do vorebaz 1162 oder spreke, eine maz 1163 ich des machen wille. 1164 an dem ende der stille 1165 so sinct de prester lude: 1166 «per omnia secula». 1167 daz dudet, daz got lude rep, 1168 do he dot an dem cruze blep. 1169 de kor dar weder «amen» 1170 spreket allen samen. 1171 daz meinet, daz de vrowen 1172 beweinden got mit trvwen. 1173 ¶ daz pater noster sinct man denne. 1174 als ich de duding bekenne, 1175 daz ment, daz cristus sande 1176 sinen geist an de hande 1177 des hymeleschen vader. 1178 des spreke wir allen gader 1179 nach der selven list: 1180 «vader vnse, de dar bist». 1181 daz man it lvde sinct, 1182 de bedudinge daz brinct, 1183 daz goddes gode dare 1184 an vnser e wart offenbare. 1185 daz pater noster ist geleit 1186 her durch sine werdicheit, 1187 de it zo voren hat 1188 anderen beden. ein is dat: 1189 durch sines meisteres wnt - 1190 iz sprak erst goddes munt. 1191 ok so sin sine wort 1192 wis, nutz vnde kort 1193 vnde biddet alle daz, 1194 des not is, wert vnd was, 1195 beide hir vnde dort. Text und Kommentar: van der missen 65 1173 1185 pater] abgekürzt p-r -. pater noster] hier und im folgenden abgekürzt p-r n-r -. 1189 1185- 1195 sines meisteres] fasse ich als genitivus subiectivus auf; es entspricht dem lateinischen auctoritate doctoris (SAM V, XVI, s.u.). wnt] aufzulösen als vunt. Übersetzung: «Das Vaterunser leitet sich her durch seine hohe Auszeichnung, die es allen anderen Gebeten voraus hat. Eine davon erklärt sich durch den Lehrer, der es verfaßte: Gottes Mund sprach es zuerst. Auch sind seine Worte weise, nützlich und kurz und bitten um alles, das notwendig ist, sein wird und war, sowohl hier als auch dort.» Vgl. dazu SAM V, XVI: Haec oratio multis ex causis caeteris orationibus antecellit, auctoritate doctoris, brevitate sermonis, sufficientia petitionum et fecunditate mysteriorum. Auctoritate doctoris, quae fuit ipsius ore prolata. Os enim Domini locutum est (Isa. I). [...] Sufficientia petitionum, quoniam utriusque vitae continet necessaria; pietas enim promissionem habet vitae quae nunc est et futurae (I Tim. IV); vgl. auch RDO IV, XLII, 4. Bl. 20v 1196 dis bed iz alliz rort. 1197 nu merket, ich wil sagen, 1198 ein de mochte lichte vragen: 1199 «waz meint, daz ich beden sol? ? 1200 got weiz alle herze wol! » 1201 daz ist recht vmme daz, 1202 daz vnse herze deste baz 1203 zo godde sich vntsleze 1204 vnde goddes bildes geneze, 1205 swer se ofte hore, 1206 daz sin herze sich bekore 1207 vnd ok de zunge bote 1208 mit clage ir vngote. 1209 daz pater noster ist gedelt 1210 (zo goddes lere des gewelt) 1211 an ganzen stucken sevene. 1212 swer daz gloset evene, 1213 daz bed vns biddet: dut 1214 werlik, geystlik, ewich g p t: 1215 werlik zo des liues not, 1216 geystlik ist der sele got, 1217 ewich zo den vrovden dort. 1218 got wert des ok bekort, 1219 daz her vns behote 1220 vor drierhand vngote: 1221 de wir hebbet began, 1222 de vns noch moget vnstan 1223 vnd dar we itzo an sin. 1224 diz deit al de glose scin, 1225 de hat wnders ane zale, 1226 de leg ich al hir dale. 1227 zo iungest sprich de prester so: 1228 «sed libera nos a malo». 1229 «amen» ist des kores wort, 1230 daz eschet eine vulbort. 1231 so swicht man echt en cleine, 1232 daz wen ich wol, daz meine 1233 de zit, do got begraven lach 1234 went an den dridden dach, 1235 do sin sele vor zor helle 66 Edition 1228 sed] abgekürzt s . 1197- 1208 1201- 1208 1210 1212 1209- 1211 1213- 1223 1218 1226 1230 Vgl. dazu SAM V, XVI und RDO IV, XL VII, 5. Übersetzung: «Das geschieht zu Recht deshalb, weil unser Herz sich um so besser für Gott öffnet und Gottes Bild erfährt, wenn man sieht oder hört, daß sich das Herz bekehrt und auch die Zunge ihre Schlechtigkeit durch Klage zum Ausdruck bringt.» gewelt] mnd. gewelden/ gewalden stv/ swv, mit Gen. walten, Gewalt haben über (vgl. MG 267). evene, eben, genau. Übersetzung: «Das Vaterunser wird geteilt (für die Lehre Gottes ist das bewirkt worden) in sieben vollständige Teile.» Vgl. SAM V, XVI: Oratur autem et pro nobis adipiscendis, et pro malis vitandis. Pro bonis temporalibus, spiritualibus et aeternis; pro malis praeteritis, praesentibus, et futuris; vgl. auch RDO IV, XLVII, 6. bekort, hier: gebeten (vgl. Ms 1070). dale] mnd. dâl, dale adv., nieder, herunter. eschet] mnd. eschen (mhd. (h)eischen), heischen, verlangen, fordern. vulbort stf, Zustimmung Einwilligung. Bl. 21r 1236 den sinen zo gevelle, 1237 de he dar ledich dede 1238 na des pater nosters bede 1239 oveles vnde sunden vri 1240 vnde gaf in ok dar bi 1241 sinen ewigen vrede. 1242 zo hant nach disser rede 1243 de zwene, de dar denen, 1244 dot dem prester de patenen. 1245 daz ment der vrowen gerunge, 1246 de mit der salven brunge 1247 zo goddes grave quemen. 1248 so seth man den prester nemen 1249 de patenen. daz ding 1250 dudet vns, daz got vntfing 1251 de gerung der vrowen 1252 vnde let se sich scowen. 1253 daz cruze mit der patenen 1254 vnd ein kus daz menen. 1255 vorbaz merke daz: 1256 man bricht an dru de oblaz 1257 zo eren der drivaldicheit 1258 vnd ok durch daz vnderscheit, 1259 daz de glose rort: 1260 daz got zo hymele dort 1261 mit den sinen werde 1262 gelovet vnd an der erde 1263 de noch levet getrost 1264 vnde de armen irlost 1265 van swaren aventure 1266 an dem vegevure. 1267 ¶ So sinct de prester dar bi 1268 vil scone «pax domini». 1269 daz bedudet vns de rede, 1270 daz got gaf sinen vrede 1271 sinen iungern, als ich las, 1272 do he vp irstanden was. 1273 ok gaf hen dar zo stunde, 1274 daz se vorgeven svnde. 1275 des sinct man dar gewis: Text und Kommentar: van der missen 67 1258 vnderscheit] s am Rand nachgetragen. 1245 1246 1256 1260- 1266 1270ff. gerunge, Begehren (Übersetzung für lat. desiderium). brunge] verkürzte Form von mhd. bringunge stf (Substantivbildung zu bringen)? oblaz] vielleicht eine fälschlich verschobene Form von oblat (vgl. Ms 466 und 1049). Übersetzung: «Daß Gott im Himmel dort mit seinem Gefolge gelobt wird und die noch auf der Erde Lebenden getröstet werden und die Armen von ihrem schweren Schicksal im Fegefeuer erlöst.» Vgl. Io 20, 19-21. Bl. 21v 1276 «agnus dei qui tollis». 1277 so bidde wir daz goddes lam, 1278 daz der werlde sunde nam, 1279 daz iz sich irbarmen 1280 wil over vns vil armen 1281 vnde dwan mit sinem blode, 1282 vnd daz iz vns behode 1283 vor drierleye sunde 1284 (des singe wirz dre stunde) 1285 der danken vnde werk. 1286 an dem dridden, daz merk, 1287 so bidde wir den vrede. 1288 daz bedudet vns de rede, 1289 daz got den vrede neist 1290 gaf mit blase sinen geist. 1291 des irmanet nu aldus 1292 des presteres kus, 1293 den de dener vort geven. 1294 aldus hat sich irheven 1295 des heiligen geistes gave, 1296 des ist van gode hir ave 1297 komen an sine iungen 1298 vnde vorbaz so gedrungen 1299 an al de cristenheit. 1300 disses cusses gemenheit, 1301 ich wen ok, daz bedude, 1302 daz de cristenen lude 1303 van ersten allen sam 1304 vntfingen goddes licham 1305 alle dagelik. 1306 daz wandelde sik 1307 an daz peze seder. 1308 so gript de prester weder 1309 vnde nuzet goddes licham 1310 vnde gift in allen sam, 1311 de dar zo sin bereide. 1312 daz ment also got deide, 1313 daz he mit den iungen saz 1314 na der vpstand vnd az. 68 Edition 1306 wandelde] in der Handschrift waldelde. 1282- 1285 1285 1289f. 1300- 1307 1312ff. Vgl. SAM VI, IV: [...] propter tria genera peccatorum, quae petimus nobis remitti, cogitationis, locutionis et actionis; vgl. auch RDO IV, LII, 3. der danken vnde werk] ist als Genitiv zu drierleye sunde aufzufassen. Vgl. Act 2, 1-4. Vgl. RDO IV, LIII, 3: Ceterum, in primitiua Ecclesia omnes qui celebrationi missarum intereant, singulis diebus communicare solebant [...] hoc inuento remedio, ut uidelicet pro eo quod singulis diebus communicabantur, singulis diebus osculum pacis daretur pro ministerio unitatis (mit wenigen Abweichungen übernommen aus SAM VI, V). Vgl. Lc 24, 28-31. Bl. 22r 1315 daz de prester denne sich dwet 1316 over den kelik, daz seget, 1317 daz den iungeren gebot 1318 nach der vpstande got, 1319 daz se solden durlopen 1320 al de werlt vnde dopen 1321 vnde predegen allen samen 1322 an der driualde namen. 1323 ¶ hir na sinct man echt 1324 de communien, daz ist recht. 1325 daz ment de vrovde, der plagen 1326 de iungeren, do se sagen 1327 irstanden iren heren. 1328 hir na begint sich keren 1329 de prester zo der rechten hant 1330 vnde leset, de ich han genant, 1331 vrolich de collecten 1332 mit armen vf gerecten. 1333 diz wil den segen duden, 1334 den got gaf sine luden 1335 an siner werden hymelvart. 1336 de dyaken, de gekart 1337 iegen den kor, spricht zo lest: 1338 «ite missa est - 1339 gat, swar vch si bedacht, 1340 de misse ist vullenbrat. 1341 ivwe bed ist hin zo gode, 1342 crist selven ist de bode.» 1343 ich wene, diz ok mene 1344 de wizen engele zwene, 1345 de dar spraken zo 1346 den apostolen also: 1347 wes se segen vpwart, 1348 daz gescach an der vart, 1349 do got zo hymele vor. 1350 So antwardet im de kor: 1351 «godde dange we das». 1352 diz spricht: deo gracias. 1353 benedicamus domino, 1354 daz meinet ok also. Text und Kommentar: van der missen 69 1339 1341 1351 bedacht] in der Handschrift dedacht (vgl. bedachte in K 46). ist] folgendes de bode durch Unterpungierung getilgt. das] durch unterpungiertes z und am Rand nachgetragenes s gebessert aus daz. 1326 1323- 1327 1339 1344- 1349 sagen] das Prätertium von mnd. sên lautet segen (zum Grammatischen Wechsel vgl. L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, § 226). Vgl. SAM VI, X: Antiphona quas post communionem concinitur, apostolorum gaudium de Christi resurrectione significat. mnd. bedacht, eingedenk, entschlossen, it is mî bedacht, ich habe es erwogen. Vgl. Act 1, 9-11. Bl. 22v 1355 disse selve havedank 1356 bedudet ok allen mank, 1357 daz de iungeren vro waren, 1358 do got was vp gevaren 1359 vnde dankeden vil stede 1360 mit vasten vnde bede. 1361 ¶ hir na gift sinen segen 1362 de prester, goddes degen, 1363 aflazes ein orkvnde 1364 vnser dagelikes sunde. 1365 diz ment ok, daz her ave 1366 quam des heyligen geystes gave, 1367 de ein ist mit dem vader 1368 vnde dem sone allen gader. 1369 daz irzwget de dre namen 1370 vnd dre cruze allen samen. 1371 swen de segen ist getan, 1372 so seth man noch den prester stan 1373 vor dem alter vnde nigen 1374 vnde godde nicht vorswigen 1375 sinen havedank 1376 vnde spreken allen mank 1377 dene salmen benedicite 1378 vnde anders loves me. 1379 nach dissem bild aldus 1380 sol wir gande zo hus, 1381 godde danken vnde loven 1382 vnd bidden in dar vnboven, 1383 daz vns geb den lesten segen, 1384 de he wil den vrunden plegen 1385 zo siner zesewen hant. 1386 vnde bring vns an daz vaderlant, 1387 dar we sunder ende 1388 vnd ane kumbers pende 1389 imber loven sinen namen. 1390 nu spreket allen samen 1391 vil inichlichen: «amen». • 70 Edition 1361 Paragraph durch Punkt markiert, Rubrizierung aber nicht ausgeführt. 1369 1388 1386- 1389 irzwget] aufzulösen als irziuget? vgl. mhd. erziugen, hervorbringen, beweisen. pende] mnd. panden/ penden (mhd. phenden), pfänden, einer Sache berauben (zur umgelauteten Form s. L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, § 60); hier mit genitivus subiectivus (kumbers). Übersetzung: «Und bring uns zum Land unseres Vaters, wo wir ohne Ende und ohne Kummer (ohne durch Kummer beraubt zu werden) immerdar seinen Namen über alles preisen.» Bl. 23r en narede der missen 1 2 h ir ist de heylige misse mit irme stilnisse, 3 so ich kunde, vullenbracht. 4 ir grundeloser macht 5 vnde der heyligen wort 6 is wenich noch gerort, 7 went ich ne kan noch ne darn 8 dene geystlichen carn 9 zo sozem smacke roren. 10 in mochtes nicht vulvoren, 11 is ware me zo vel. 12 ach, kondiz wol de scel 13 beglosen daz vze, 14 waz dar inwendich luze! 15 des moz ich mir anen. 16 waz solde de jaspis dem hanen, 17 de margarite deme swin? 18 daz ich selve mach wol sin 19 vnde vngelarde lute, 20 den ich scrive zo dvte. 21 ich weiz, iz ist nich got, 22 daz man der kinder brot 23 werpe vor de hunde. 24 daz vns got des gunde, 25 daz wir vns mosten spisen 26 mit den brosmen, de risen 27 van dem disc vnses heren! 28 de mochten vns vil wol generen 29 an dissem ellende. 30 ey here got, nu sende 31 vnde bring vns scere dar, 32 dar we dich vrolich offenbar 33 an ganzer warheit scowen dar. • van sunte katerinen 1 2 K aterina, so man vint, was koning costes eine kint. 3 se droch der scone ganzen pris, 4 se was an papheit over wis. 5 nach irer elderen dode 6 vorstunt selve de gode Text und Kommentar: en narede der missen 71 1 16 1 heylige] y übergeschrieben. waz] gebessert aus war oder wan. man] folgender Buchstabe getilgt. 8 12 15 17 26 1-29 4 carn] für cern, Kern, Same, übetragen: Inneres, bildlich innerer Gehalt, das Wesentliche. scel] entweder für mhd. schal(e), Schale (ahd./ nd. skel, mnd. allerdings schelle), was gut zu carn paßt, oder mnd. schele, Verschiedenheit, Differenz, Streit. kondiz] das Verständnis des Satzes hängt nicht nur von der (nicht eindeutigen) Bedeutung von scel ab, sondern auch von der Deutung dieser Form: entweder kontrahiert für konde ich ez oder für konde iz, dann müßte allerdings de scel das Subjekt sein. anen] mnd./ mhd. ânen (refl., mit Gen.), verzichten auf. margarite] Perle, besonders im geistlichen Sinn als Zeichen der Kostbarkeit. risen] mnd. risen (mhd. rîsen) stv/ swv, (herunter)fallen. Übersetzungsvorschlag: «Nun ist die heilige Messe mit ihren Geheimnissen, so gut ich konnte, vollbracht. Von ihrer unendlichen Macht und ihren heiligen Worten ist nur wenig behandelt worden, denn weder bin ich dazu in der Lage, noch getraue ich mich, den süßen Geschmack des geistlichen Kerns hervorzubringen. Ich könnte es nicht vollenden, es wäre zu schwer für mich. Ach, könnte ich aus der Schale das herausdeuten, was da im Innern verborgen liegt! Darauf muß ich verzichten. Was sollte der Hahn mit dem Jaspis, das Schwein mit der Perle? Das wäre ich wohl selbst und die ungelehrten Menschen, für die ich diese Auslegung schreibe. Ich weiß, daß es nicht gut ist, daß man das Brot der Kinder den Hunden vorwirft. Daß uns Gott das vergönnt hat, daß wir uns von den Brosamen genährt haben, die vom Tisch unseres Herrn fallen! Die konnten uns in diesem Jammertal gut am Leben erhalten.» papheit] mhd. pfafheit, Geistlichkeit, (theologische) Gelehrsamkeit, Wissenschaft (vgl. MM 235 pafheit). Bl. 23v 7 irn hof vnd ir gesinde 8 wol na pris einem kinde. 9 keyser maxencius quam 10 dar in alexandriam 11 vnde ladede dar zo hove 12 zo der afgode love 13 al daz volk gemeine. 14 vorbaz het de vnreine, 15 swe dar weder were, 16 de solde steruen. • disse mere 17 de brachten an des keisers sal 18 volkes vil vnd ane zal. 19 dar offerde do zo vorn an 20 de keyser, dar na sine man 21 jawe nach sinem rechte. 22 dar wart ein groz gebrechte 23 van aller hande seiden spele. 24 dar wart ves over vele 25 zo dem offere gestrowet. 26 de maget vnbedrowet 27 vor den keyser dar quam, 28 do se daz brechte vornam. 29 «eya keyser», sprak de soze, 30 «ich moz de hovegroze 31 lazen mit dir vnder wegen, 32 der ich durch recht solde plegen, 33 der du wol werdich werest, 34 of tu diz vorberest 35 vnd bodest nu de ere 36 dineme sceffere 37 vnd im de loves gudest, 38 daz du den duuelen budest.» 39 se spraken vil dar vnder, 40 nam den keyser groz wnder 41 ir scon vnd ir wiser rede. 42 behalden he se dede, 43 wen ein gotlicher craft 44 des wir al vnwerhaft> 72 Edition 43/ 44 Diese beiden Verse sind durch Markierung hinter Vers 78 verschoben. 21 24 26 37 38 29-38 jawe] mnd. jâwê, jeder (vgl. oben, S. 17). ves] mnd./ mhd. vese fm, Spreu, Spelt. vnbedrowet] unbetrübt. gudest] mnd. gûden swv, bekennen, aussagen. budest] mnd. bêden swv, bieten, anbieten, gebieten (2. P. Präs.: budest, bütst, bust). Übersetzung: «‹Eya Kaiser›, sprach die heilige Frau, ‹ich muß dir den Hofgruß hier vorenthalten, den ich doch von rechtswegen schuldig bin und dessen du würdig wärst, wenn du dies unterließest und deinem Schöpfer Ehre erwiesest und ihm das Lob aussprächest, das du den Teufeln darbietest.›» Bl. 24r 45 went he sin offer vullenbrechte 46 vnde ok sich baz bedachte. 47 ¶ Do daz offer was getan, 48 do vragede de tyran 49 ein kint van achtein iaren. 50 sine rede de waren 51 vm iren namen vnd ir bort. 52 wiser vnde warer wort 53 so vele se dar sprak, 54 daz se dem keysere brak, 55 swas he gespreken kunde. 56 de keyser do begunde, 57 daz he meistere lez laden 58 vf der iuncvrowen scaden. 59 der quamen dar zo lesten 60 wol viftich van den besten, 61 de man an der werlde vant. 62 do in de sake wart bekant, 63 iz vorsmad in vil sere, 64 doch grepen se zor were. 65 an den ring quam de maget, 66 se wart van in gevraget. 67 se vrageden se berichte - 68 ire kunst wart zo nichte. 69 se vntswegen sam de stummen. 70 de keyser sprak: «je dummen! 71 sit ir alle dus voriaget 72 vor disser kindeschen maget? » 73 do sprak der besten en: 74 «nu wart meister gesen, 75 de sich vns dorste genozen. 76 vns hat doch hir weder stozen 77 an disser cleinen megetin 78a doch nicht ein minslich sin b wen ein gotlicher craft, c des wir al vnwerhaft 79 sin weder dere liste 80 vnd keret hir zo criste». 81 de keyser van den sachen 82 gare tornich lez machen 83 ein groz vur an der stat. 84 de meistere he bat Text und Kommentar: van sunte katerinen 73 71 79 sit] in der Handschrift si (sit sonst als Imperativ Pl. in At 128 und Ms 9). liste] i undeutlich. 63 62-64 74 78 b-c 79 74-80 vorsmad] mnd. vorsmân/ vorsmaden (mhd. versmân) swv, intr.: verächtlich erscheinen, nicht gefallen (mir versmâht ein dinc/ eines dinges). Übersetzung: «Als sie von dieser Angelegenheit erfuhren, mißfiel sie ihnen sehr, doch verteidigten sie sich.» nu] mnd. nu, nue, nie. Vgl. V. 43f. liste] mnd./ mhd. list, Geschicklichkeit, Klugheit. Übersetzung: «Niemals wurde ein Meister gesehen, der es wagte, sich uns gleichzustellen. Uns hat jedoch hier durch dieses kleine Mädchen nicht ein menschlicher Verstand zurückgeschlagen, sondern eine göttliche Kraft, weshalb wir alle wehrlos sind gegen diese Klugheit und (uns) zu Christus bekehren.» Bl. 24v 85 al vorbernen an dem vure. 86 dar gescach aventure: 87 dar blef sunder vures ram 88 cleider, har, ir licham. 89 ire geyst zo godde kerden. 90 ok bestadeden zor erden 91 de cristenen de doden, 92 al wart iz in vorboden. 93 ¶ Maxencius na den pinen 94 sprak aldus zo katerinen: 95 «begnadet noch iuwe ioget, 96 edele maget, went ir moget 97 grozer pine genesen 98 vnde waldich bi mir wesen 99 neist der koninginne. 100 ich wil ok iu zo minne 101 machen lan ein bilde. 102 zo einem vredescilde 103 sal daz stan an der stat 104 vnde alle, de dar vore gat 105 van dorpen, borgen, steden, 106 de solen daz anbeden 107 vor eine goddinne.» 108 se sprak: «do daz hinne, 109 des moste neman denken. 110 dvn macht nicht ircrenken 111 mine leue zo godde! 112 me nekan van sinem bode, 113 Jesus mines heren, 114 lef noch leid gekeren! » 115 do lez se de tyran 116 vil sere mit geyslen slan. 117 an einen kerker man se stez. 118 de keyser se dar bliven hez 119 zwelf dage sunder spise, 120 doch nerede se vil lise 121 van hymele ein duue wiz, 122 de nam der reinen gvden vliz. 123 maxencius do ret, 74 Edition 87 95 102 ram stm, Ruß. ioget] mnd. jöget/ yoghed (mhd. jugent), Zeit und Zustand des Jungseins (auch Kindheit); vgl. LA: 77 «O uirgo generosa, iuuentuti tue consule et post reginam in palatio meo secunda uocaberis et ymagine tui in medio ciuitatis fabricata a cunctis uelut dea adoraberis.» vredescilde] mnd. vredeschilt (mhd. vrideschilt), schützendes Schild, Schutz, Schirm, Beschützer(in). Bl. 25r 124 war daz wer, ichn wet. 125 do rang de koninginne 126 mit herzen vnde mit sinne, 127 wo ir daz gescege, 128 daz se de maget sege. 129 des wart porphirius irware, 130 de vorwan de hotare 131 mit siner gift vnde bede, 132 daz de kerker sich vf dede. 133 dar vunden se gewisse 134 groze luchtnisse. 135 de engele dar ok bunden 136 vnde salueden ire wnden. 137 waz sal de rede leng? 138 katerina se wol vntfeng 139 vnde lez se noch baz 140 vnde wissagede in daz, 141 daz got in wolde lonen 142 mit der martere cronen. 143 se gingen vrolich dan. 144 do vrageden des vorsten man, 145 war he vnde de koningin 146 des nachtes hedden gesin. ? 147 do iz quam vf den dach, 148 porphirius zon sinen sprach, 149 der waren wol zwei hvndert: 150 «lazet, des vch wndert 151 vnde volget mineme rade: 152 bekennet got! » • vil drade 153 wart de menie bekart 154 zo dem rechten loven wart. 155 Crist sprach selve zo der maget 156 an dem kerker, so man saget: 157 «bekenne, dochter, dinen got, 158 durch den dv lidest disse not. 159 wes manlich vnde stete, 160 nimber ich dir vorlete! » 161 do de keyser aver sande 162 na der maget vnde wande, 163 se were vil na hvnger dot, Text und Kommentar: van sunte katerinen 75 127f. 153 geschege/ sege] mnd. sege (Prät. von sên) erklärt sich durch Grammatischen Wechsel (L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, § 226). geschege (von geschên) kann ebenfalls als Grammatischer Wechsel erklärt werden (P aul : Mittelhochdeutsche Grammatik, § M 75), möglich ist aber auch eine dialektale Form zur Bezeichnung des Konjunktivs (S chiller -L übben : Mittelniederdeutsches Wörterbuch III, S. 76). menie] mnd./ mhd. menige, menje, menie stf, Vielheit, große Zahl, Menge, Schar. Bl. 25v 164 do was se scon vnde rot. 165 do hez he al de doden, 166 de iren solden hoden. 167 «ich bin, trvwen», sprach de wise, 168 «svnder minscliker spise! » 169 dus losde se van vare 170 de vnsculdigen dare. 171 echt sprak de keyser: «katerine, 172 vornim den willen mine 173 recht an dinem sinne! 174 gelich der koninginne 175 vnde vorbaz mere 176 wes an walt vnd ere, 177 nicht ein derne noch amye». 178 do sprak de maget vf en nye: 179 «waz heizestu mir kesen? ? 180 sold ich dankes overlesen 181 den weldigen, den riken, 182 den sconen, ewichliken 183 vnde han den armen, den cranken, 184 de deme dode moz anken, 185 duchte de daz recht? ? 186 ich wil den heren vor den knecht! » 187 de keyser zornich sprach: 188 «nein zoch des wesen mach: 189 miner godde huld irwerf 190 mit offer, ofte sterf 191 mit vzgesochter pine! » 192 do sprach aver katerine: 193 «swaz tu kvnnest, daz besok. 194 ia ist sterven al min rok 195 durch crist, de dur me starf, 196 des dot me daz lif irwarf». 197 ver rade do man machede. 198 minsclik herz irkrachede 199 vor irem angesichte: 200 de waren mit gepichte 201 an ein ander sich gehaz, 202 ire scarpe widercraz 203 vul scermezede was. 204 nicht irscrak de maget das, 76 Edition 187 zornich] durch Markierung vom Ende des Verses hinter keyser verschoben. 169 180 179- 186 188 200 202 203 197- 203 vare stfm, Nachstellung, Gefahr, Strafe. dankes (Gen. von danc), absichtlich, vorsätzlich, freiwillig, mit Willen. Übersetzung: «Was für eine Wahl befiehlst du mir da? Sollte ich willentlich den mächtigen, den reichen, den schönen, unsterblichen Mann übergehen und den armen, den schwachen, sterblichen nehmen, hältst du das für richtig? Ich ziehe den Herrn dem Knecht vor! » zoch] mnd. toch/ toge, mhd. zug stm, auch: Aufschub, Verzug, Frist. gepichte] mhd. gephehte (Maßverhältnis) oder (wahrscheinlicher) von mnd. pichte/ piche, Streit, Auseinandersetzung. widercraz] mnd. krat, Widerrede, Widerspruch, vgl. auch mhd. widertraz, Widertrotz, das hier ebenso wie gehaz in übertragenem Sinne zu verstehen ist. scermezede] mnd. schermeszede n, Schermesser. Übersetzung: «Vier Räder machte man dann. Ein Menschenherz erbebte bei ihrem Anblick: Diese waren im Streit gegeneinander gewendet, ihr scharfer Gegenlauf war voller Messer.» Bl. 26r 205 wen daz se dus ir bede 206 zo godde wart dede: 207 «zostoze, here, dissen vreisen 208 nicht aleine durch me weisen, 209 wene meist dvrch din ere, 210 daz diz volk sich bekere». 211 zo hant quam ein donerslach, 212 de daz werk al zobrach, 213 daz der heidenen lagen dot 214 wol ver dusent van der not. 215 do trat de koninginne dar 216 vnde wart des offenbar, 217 daz se vorholne vore troch. 218 trazlichen genoch 219 iren man se bescalt. 220 so sere se des vntgalt, 221 daz man ir zo widerkive 222 ire brust van irme live 223 mit scarpen isernen rez 224 (so der keyser selve hez! ) 225 vnde sloch ir do daz hovet af. 226 de warp des nachtes an en graf 227 porphirius allen gas, 228 swo dvr iz doch vorboden was. 229 des morgens bi dage 230 wart ein strenge vrage 231 vmme der koninginne graft. 232 de dar waren vnsculthaft, 233 der zoch man vile zo dem dode. 234 daz sach de gvde vorste node 235 vnde sprak des den koning an: 236 «ich bin sculdich dar an, 237 oft dar icht scult an were. 238 ich begrof cristus marterere, 239 went ich selve cristen bin! » 240 des quam de keyser an vnsin 241 vnde bremmed als ein lowe 242 vnde rep aldus van rvwe: 243 «was sold ich arme geborn? ? 244 ia han ich leider nu vorlorn 245 daz leueste, daz ich iu gewan, Text und Kommentar: van sunte katerinen 77 207 218 227 234 245 vreise, grausam, schrecklich. trazlichen] mnd. trasliken, mhd. trazlich, trotzig, widersetzlich; vgl. LA: 105 Regina autem que desuper hoc aspiciebat et usque tunc se celauerat statim descendens imperatorem de tanta seuitia durius increpauit. allen gas, sogleich, plötzlich. node] mnd. node (mhd. nôte) adv. dat., ungern, wider Willen. iu] mnd. io/ ie, jemals (vgl. jv Ms 973 und 1103). Bl. 26v 246 went al eine disse man 247 was miner sele ein sunder trost, 248 an rechter helpe mir de host. 249 der ist nu leider ok betrogen. 250 scaffet noch, oft ir mogen», 251 zo sinen rittern he sprak, 252 «daz he vle groz vngemak 253 vnde sich vorsinne baz». 254 se spraken: «here, wize daz, 255 wer sin cristen also he! » 256 daz dade sinem herzen we 257 vnde hez in allen af slan 258 ire hovede. daz wart getan. 259 ¶ Nach alle dissem morde 260 de keyser echt bekorde 261 vnde sprach dus: «katerine, 262 al ein nu al de mine 263 legen dot van dinen sculden! 264 ich wil iz doch vordulden, 265 bustu ere minen goden, 266 ofte du most noch hoden 267 din hovet vorlesen. 268 nu machtu delen vnde kesen! » 269 «dv macht», sprak se, «is gelosen: 270 al din drowen vnde din kosen 271 mineme herzen sint 272 als ein vlegende wint! 273 scaffe, daz iz vullenbracht 274 werde, • destv hast gedacht. 275 dar zo bin ik berede.» 276 de keyser se do dede 277 trecken vz der stat. 278 nu horet, wo se got bat: 279 vf zo hymele se wande 280 ovgen, herz vnd ir hande. 281 se sprak: «here ihesv crist, 282 de ein trost der gvden bist 283 vnde der megede krone, 284 gif mir nv zo lone 285 der vroden paradys 78 Edition 259 265 269 281 dissem] ursprünglich folgendes dinge getilgt. ere] End-n entweder getilgt oder verwischt. sprak se, «is gelosen] in der Handschrift: sprak ses gelosen (mnd. gelosen bedeutet sich einer Sache entledigen, entsagen und steht mit dem Genitiv; «es» erscheint in den Formen it, iz und einmal auch is (Ms 1042)). ihesv] abgekürzt ih s v. 248 259f. 265 277 host] kontrahierte Form des Superlativs hoehst. Übersetzung: «Nach diesem ganzen Morden versuchte (sie) der Kaiser wiederum [...].» bustu] kontrahierte Form von budest du (mnd. bêden swv, bieten, anbieten, gebieten, 2. P. Sg. Präs.: budest, bütst, bust). trecken, ziehen. Bl. 27r 286 vor dat swert, des beiden is 287 min kele dvrch din ere. 288 gif mir vorbaz mere: 289 iz sin vrowen ofte man, 290 de min andacht began, 291 kvm in, here, zo heile, 292 swen ir lif vnd ir seile 293 hir sich solen sceiden, 294 oft an anderen leiden, 295 dar se bevangen mede sin. 296 do in dine helpe scin, 297 swe se sin allen samen, 298 de dich bidden an minem namen! » 299 do sprach ein stimme over lut: 300 «cvm her vp, dv goddes brut, 301 svnder allen weren 302 an daz bedde dines heren! 303 dv bist ok hvte geweret 304 alles, des din herze geret». 305 do wart der iuncvrowen 306 ire hovet afgehowen. 307 vz irer wnden dar vlot 308 wiz melik vor daz blot 309 zo einem orkvnde das, 310 daz se noch reine maget was. 311 ir licham dar na wart 312 over zwinzich dach vart 313 van den englen gebracht 314 (daz ir wol was an slacht: 315 se was engles genoz) 316 vf eines berges scoz, 317 de syna was genant. 318 rowe se dar vant 319 an einem sconen grave. 320 dar vlozet noch ave 321 olei, so man seget, 322 de zor helpe dvre weget. 323 swar noch kumt der beine, 324 is si groz ofte cleine, 325 oley dar van vluzet, Text und Kommentar: van sunte katerinen 79 286 292 281- 298 311- 317 beiden] mnd. beiden swv mit Gen., warten (auf einen/ auf etwas) oder mhd. beiten swv, Gewalt antun? Die Konstruktion ist unklar, hier würde man Part. Präs. erwarten, belegt ist nur mnd. bê(i)den(t) n, das Warten. seile] Seele (das i kann Länge oder Diphthong bezeichnen, vgl. P eters : Merkmalkatalog I, 1.3). Übersetzung: «Sie sprach: ‹Herr Jesus Christus, der du ein Trost der guten Menschen bist und die Krone der Jungfrauen, gib mir nun das freudenreiche Paradies zum Lohn für das Schwert, auf das meine Kehle um deiner Ehre willen wartet. Gib mir außerdem noch mehr: Es seien Frauen oder Männer, die mein Andenken begehen - Herr, komm zu ihrem Heil, wenn ihr Leib und ihre Seele sich hier scheiden sollen, oder bei anderen Leiden, die sie erdulden. Zeige denen deine Hilfe, wo auch immer sie versammelt sind, die dich in meinem Namen bitten! ›» Übersetzung: «Ihr Leichnam wurde danach über zwanzig Tagesreisen von den Engeln fortgebracht (was ihr angemessen war: sie war engelsgleich) auf den Schoß eines Berges, der Sinai genannt wurde.» Bl. 27v 326 des manich seke genuzet, 327 de sich dar mede beguzet. van vnser vrowen hymelvart 1 2 V ver lesen ein bokelin, des ein meister solde sin 3 Johannes ewangeliste, 4 de de warheit wol wiste 5 van vnser vrowen hymelvart, 6 de aldus begadet wart: 7 ¶ do de apostelen waren 8 an alle lant gevaren 9 durch lere vnd ire predegat, 10 svnte maria besat 11 bi dem berge zo syone 12 vnde plach also zo done, 13 daz se, swen se mochte, 14 vil inichliken sochte 15 ires leven kindes stede, 16 dar he sine wnder dede 17 vnde sine martere led. 18 vil selden se daz vormed. 19 ¶ Ich wene, daz se ware 20 an dem sestigesten iare, 21 do se zo hymele wart gevort. 22 eines dages wart bekort 23 der keyserrinne herze 24 mit einer svnder smerze 25 vm ires kindes vmberen. 26 se began van den sweren 27 inichlichen veinen. 28 do troste de vil reinen 29 ein engel, den se komen sach 30 mit clarheit, de dus sprach: 31 «nim, maria, dissen struk! 32 an diner graft dv des bruk. 33 laz in dragen vor der bare, 34 van dem paradyse dare 35 is he dir bereidet. 36 diner zokvmfte beidet 37 din kint an dem dridden dage. 38 vor war ich daz sage». 80 Edition 1 3 Die rubrizierte Initiale ist nicht sicher lesbar. Am linke Rand steht jedoch ein kleines v. Gemeint ist wahrscheinlich wer, wir. Johannes] hier und im folgenden meist abgekürzt Joh s es. 22 25 29f. bekort] hier soviel wie ‹geprüft› (vgl. Ms 1070). vmberen] mnd. en(t)beren/ vmberen, entbehren, vermissen (substantivierter Infinitiv), vgl. den Text der LA: 6 Die igitur quadam dum in filii desiderium cor uirginis uehementer accenditur [...]. Die Interpunktion orientiert sich hier am Text der LA: 7 [...] angelus cum multo lumine eidem astitit et reuerenter utpote sui matrem domini salutauit: [...]. Bl. 28r 39 ¶ Maria sprak zo den stunden: 40 «of ich hebbe gnade vunden, 41 so scaffe dv vil goder, 42 daz alle mine broder, 43 de apostelen, her komen. 44 vnde swenne si genomen 45 min sele van dem live, 46 daz se vri denne blive 47 der dvvel angesichte, 48 daz se me mit nichte 49 betroven an der hinevart». 50 de engel sprach: «diz wirt bewart! 51 ok sal din wille gescen: 52 de apostolen saltu sen 53 vnde sterven middes in. 54 se soln dine grever sin». 55 de engel rumd iz dar. 56 de palmer struk scen so clar 57 sam de morgen sterne. 58 van na vnd ok van verne 59 de apostolen dar quamen. 60 de wolkene se vp namen 61 vnde satten se dar vore 62 vor svnte marien dore. 63 der dinge nam se wnder 64 vnde vrageden besvnder, 65 waz de sake were. ? 66 Johannes sprak vil scere, 67 went herz vore was bericht: 68 «maria sal des lives plicht 69 lesten. se sal varen hin, 70 dar bi so sol wir alle sin». 71 ¶ vrolich saz maria dare 72 mit der wnnichliken scare 73 vnde spraken goddes lof. 74 do quam al himels hof 75 geordineret wol na cristo. 76 de sprak dar siner moder zo: 77 «min vzgewelte, nv kvm! Text und Kommentar: van vnser vrowen hymelvart 81 55 rumd] mnd./ mhd. rûmen swv, den Platz verlassen, weggehen. Bl. 28v 78 ich setze minen tronum 79 an dich. nu kvm here, 80 went ich diner scone gere». 81 ¶ Maria sprach mit vrolicheit: 82 «min herze, daz ist al bereit, 83 mir segen wol nach rechte 84 salich alle slechte. 85 an mir ist wnder goddes grot». 86 do sprak vnse here got 87 vrolik vnde over lut: 88 «kvm van lybano min brut, 89 daz dv de cronen vnfast». 90 do nam cristus ân der hast 91 de sele an sinen arm 92 svnder aller pine harm. 93 got do selve dragen bat 94 an daz dal zo josaphat 95 siner moder licham. 96 he vorde selve, so iz zam, 97 zo hymele den geist. 98 dar svngen vf der verde neyst 99 engele, so de scrift saget: 100 «dv aller wiseste maget, 101 war wil tu hinen stigen? ? 102 wir seth dich here crigen 103 als ein morgenrodes wnne, 104 clar so mane vnde svnne, 105 sam ein stritlvstich here, 106 berichtet wol zor were». 107 de engele des vntfingen, 108 begunden aldus singen: 109 «ach, nu seth, wer ist dere ? 110 de van der wostenung here 111 vpveret, vmme begozen 112 mit wollust vnde beslozen 113 an vrvndes arm, vf in geneiget? » 114 diz wnder vns irzeiget 115 manger hande wnne, 116 den ich gescriven kvnne. 82 Edition 78 96 99 setze] t übergeschrieben. selve] folgendes zo getilgt. scrift] in der Handschrift crift (vgl. Km 156). 81-85 98- 101 102- 106 109- 113 Vgl. LA: 49 Et illa: Paratum, domine, cor meum, paratum cor meum! » und Lc 1, 48f. (Heimsuchung): ecce enim ex hoc beatam me dicent omnes generationes, quia fecit mihi magna qui potens est [...]. Vgl. LA: 62 Post eam apostoli clamitant dicentes: «Virgo prudentissima, quo progrederis? » Übersetzung: «Wir sehen dich heraufsteigen wie die Schönheit der Morgenröte, strahlend wie Mond und Sonne, wie ein kampfbereites Heer, gut für den Angriff gerüstet.» Dieser Abschnitt fehlt in der LA, vgl. aber Cant. canticorum 6, 9: Quae est ista quae progreditur quasi aurora consurgens/ pulchra et luna electa ut sol terribilis ut acies ordinata; vgl. auch Cant. canticorum 6, 3: pulchra es amica mea suavis et decora sicut Hierusalem/ terribilis ut castrorum acies ordinata. Vgl. LA 66 «Que est ista que ascendit de deserto deliciis affluens innixa super dilectum suum? » Bl. 29r 117 de koningin dus vpvor 118 boven aller engele kor 119 zo dem oversten trone 120 vnde sitz bi irme sone. 121 do man den lif solde baren, 122 dre megede, de dar waren, 123 wolden dwan den licham. 124 ein lecht van hymele quam, 125 daz neman mochte scowen 126 den lif der iuncvrowen. 127 man macht in doch wol dwan. 128 do daz nach rechte was getan, 129 de apostolen vp namen 130 den lif vnde quamen 131 an den wech zo josaphat. 132 Johannes vor de bare trat 133 vnde droch den palmen an der hant. 134 dar wart van hymele gesant 135 ein lecht, daz se bedeckede, 136 swar man hinen treckede, 137 daz man se nicht ne sach. 138 doch began ir volgen nach 139 vile ludes dvrch den sang, 140 de so rechte soz irclang, 141 der engel vnde der lude. 142 Nv horet, was gescvde: 143 ¶ de yoden dar zo lepen. 144 an ein ander se sich repen: 145 «komet alle, nemet war: 146 de den zoverer gebar, 147 des we komen sin an not, 148 de dreget man hir dot. 149 we vorbernen iren lif, 150 so wirt gesceiden de kif. 151 we doden al diz gesinde! » 152 der yoden vorste swinde Text und Kommentar: van vnser vrowen hymelvart 83 136 137 ganzer Vers am Rand nachgetragen. In der Hs. steht swar, das wahrscheinlich aus dem ausgelassenen Vers 136 stammt und nicht korrigiert wurde. 142 150 152 gescvde] mnd. Präteritum Indikativ von geschên kann geschah oder geschude lauten. kif] mnd. kîf (mhd. kibel/ kivel), Streit, Zank. mnd./ mhd. swinde, geschwind, heftig, ungestüm. Bl. 29v 153 began zvcken de bare. 154 mit handen hing he dare 155 vnde screy vil sere. 156 nach svnte peters lere 157 do he sprach: «ich bin des wis, 158 das se reine maget is 159 vnde goddes moder doch» 160 vnde custe svnder zoch 161 de bare - he genas. 162 das ander volk allet was 163 vorblint. Svnte peter sprach: 164 «dissen palmen dv drach 165 dar mang de blinden lvde. 166 swer des gelovet hvde, 167 daz diz goddes moder si, 168 de wirt disser note vri, 169 of her zwivels vmbekort 170 dissen palmen rort. 171 de des aver nicht ne deit, 172 deme bliuet sin blintheit». 173 ¶ do man zo iosaphat qvam, 174 den licham man nam 175 vnde leged in an ein graf, 176 de scrift sprikt dar af, 177 daz mant vunde rede. 178 nv horet, was got dede: 179 des dridden dages sprak he dar 180 mit sinen iungeren offenbar 181 vnde bot ok mychaele, 182 siner leven moder sele 183 zo dem live bringen weder. 184 vf stunt maria seder 185 mit sele vnd ok mit live, 186 daz an der erde nicht ne blive 187 de vmbevleckede licham. 84 Edition 177 Das Verständnis dieses Verses bereitet Schwierigkeiten; er ist ohne Entsprechung in der LA. Vielleicht liegt eine Verschreibung vor: daz man vunde rede («das man bereitet fand»). Gemeint wäre dann das Grab, von dem auch in der LA berichtet wird (in monumento, 113). Bl. 30r 188 vil wol godde daz gezam. 189 dus vor se aver vroliche 190 dar vp zo hymelrike 191 vnde blef hir ave 192 nicht mer an dem grave 193 wen ire wat al eine 194 zo trost vns al gemeine. 195 ¶ do der normanne here 196 (in weiz dvrch welke were) 197 mit heres craft besat 198 Carnocencium de stat, 199 de besezene biscop 200 van zoversich daz scop, 201 daz man droch vf ein dien 202 den rok svnte marien 203 recht als eine baneren 204 zo den, de viande weren. 205 de worden alle sende blint 206 vnd ane were sam de kint. 207 do de besezenen daz sagen, 208 se begvnden se iagen, 209 bleide slan vnde van. 210 of daz were missetan, 211 daz bewisde wol de ende: 212 se worden wider sende 213 vnd quamen ok zo sinnen - 214 de rok vntvor van hinnen. 215 ¶ ein ritter gvdes rike 216 vordede dvmlike 217 alle sine grozen have 218 vnd wart zolest dar ave 219 mismodich vnde ging 220 an eine wostening, 221 zo vormidene den scamen, 222 an einer hochzit binamen. 223 ein dvvel in dar vragede, Text und Kommentar: van vnser vrowen hymelvart 85 196 211 were] durch übergeschriebenes w über unterpungiertem m gebessert aus mere. bewisde] in der Handschrift de wisde (die Form bewisde auch in MG 169 und MH 341, von mnd. bewisen swv, zeigen). 201 195- 204 209 dien] mnd. dîen n, (von gedien, gedeihen) kann auch ‹glücklicher Ausgang› bedeuten. (Der Text der LA lautet: 132 [...] episcopus illius urbis tunicam beate marie que ibidem seruabatur more uexilli haste imposuit et subsequente populo securus ad hostes exiuit.). Übersetzung: «Als das Heer der Normannen (ich weiß nicht aus welchem Verteidigungsgrund) mit Heeresmacht die Stadt Carnocencium besetzt hielt, veranlaßte der besetzte Bischof mit Zuversicht, daß man für einen glücklichen Ausgang das Gewand Sankt Mariens genau wie ein Banner zu denen trug, die die Feinde waren.» bleide] könnte von mnd./ mhd. blîde, Steinschleuder abgeleitet sein; wahrscheinlicher ist aber, daß in der Vorlage beide stand. Bl. 30v 224 sine not he im clagede. 225 de dvvel sprak: «do minen willen, 226 ich wil den kvmber stillen. 227 bring din wif here, 228 anders nichtes ich gere». 229 daz lovede wart getan. 230 de dvvel sprak: «ich han 231 an din hus gegozen scat, 232 den vinstu an der stat: 233 golt, silver vnde steine. 234 vulbring din wort al eine.» 235 daz gvt wart gevunden, 236 des sich hadde vorbvnden 237 de ritter sere dachte, 238 wo he daz vulbrachte 239 vf den bescedenen dach. 240 «sitzet vf», her sprach, 241 «vf diz pert», zo sinem wive. 242 se lez van weder kive 243 vnde dade, daz he het: 244 sorchvaldich se doch ret. 245 ein ding sol ie doch merken: 246 se trat an eine kerken, 247 de dar stunt bi wege 248 vnd dade nach ir plege. 249 irme vredescilde, 250 Svnte marien bilde, 251 iren kvmber se nande. 252 alles denstes se mande, 253 des se zo donde vile plach. 254 an dem bede se vntlach. 255 maria zo dem rosse trat, 256 gelich an dene vnd an wat 257 der vrvwen, • se ret mede. 258 do se quamen an de stede, 259 dar daz ding besceiden was, 260 do quam de dvvel allen gas, 261 zo dodende dar de vrvwen. 262 he began doch biscvwen, 263 do he de warheit vornam, 86 Edition 235- 239 242 242- 244 256 254- 257 262 Apokoinu-Konstruktion. weder kive] mnd. wedderkîf, mhd. widerkîp, Widerspruch, Widerstreit, Gegenrede. Übersetzung: Sie unterließ eine Gegenrede und tat, was er geheißen hatte: besorgt ritt sie doch (mit ihm). dene] mnd. dâne f, Beschaffenheit, Aussehen, Benehmen (mhd. getæne, Gestalt). Übersetzung: «Während des Gebets schlief sie ein. Maria trat zu dem Pferd - der Dame in Gestalt und Kleidung gleich. Sie ritt (an ihrer Stelle) mit.» Vgl. den Text der LA: 227 Dum uero beate Marie se deuote commendaret, illa subito obdormuit et uirgo gloriosa predicte matrone habitu et qualitate per omnia similis de altari processit et foras exiens equum conscendit, matrona illa in ecclesia remanente. biscvwen] mnd. schuwen (mhd. schiuwen) swv, (sich) scheuen, fürchten, bi kann in Komposita auch ‹bei Seite›, ‹weg› bedeuten, biscuwen könnte also ‹zurückscheuen› bedeuten. Bl. 31r 264 he screy lvde vnde gram: 265 «eya dv vntrvver man, 266 wo hastv dus bi mir getan ? 267 weder miner grozen gvte? 268 ia stvnt also min mote: 269 din wif, daz wold ich doden 270 van manger hande noden, 271 de se mir deit alle dage. 272 nv ist leider daz min clage: 273 dv hast mich al vnvordacht 274 marien, goddes moder, bracht, 275 daz se mir kvmber mere! » 276 des irscrak de ritter sere. 277 he ne wiste nicht, was don. 278 dem dvvel sprak de maget vron: 279 «wir gaf dich, bose zage ? 280 de cristenheit, • daz sage, 281 daz tu scaden an irme live 282 woldest minem denestwive? ? 283 daz laz nv wesen din lon: 284 dv salt nymber me don 285 minem denest vngemach. 286 zo der helle laz dich gach, 287 cum dar vz nymber mere! » 288 do screy de dvvel sere. 289 do de ritter daz sach 290 vnde horde, waz gescach, 291 marien vote he sochte, 292 iren gnaden he rochte. 293 se sprak: «laz diz wesen leit 294 dine grozen dvmheit. 295 des dvveles gave wirp neder! » 296 zo sinem wive quam he seder. 297 vz dem slafe he se wechte, 298 al de scicht he ir rechte. 299 se worden beid ymber mere 300 zo vnser vrvwen ere Text und Kommentar: van vnser vrowen hymelvart 87 279 296 300 zage] durch unterpungiertes (? ) s und am Rand nachgetragenes z gebessert aus sage. sinem] folgendes iu (? ) getilgt. vrvwen] v durch Unterpungierung aus w gebessert. 279- 282 298 Übersetzung: «Wer hat dich veranlaßt, böser Geselle der Christenheit, das sage mir, daß du meiner Gefolgsfrau Schaden an Leib und Leben zufügen wolltest? » Vgl. den Text der LA: 239 «Qua timeritate, nequam spiritus, deuote mee nocere presumpsisti? [...]» rechte] mnd. reken/ rechen (mhd. regen), auch: berichten, mitteilen, aufdecken. Bl. 31v 301 an allen dingen reide. 302 vnse vrowe daz ok deide, 303 daz se ok redeliche 304 gvdes worden riche. 305 ¶ einem svndigen manne 306 gescach daz ichteswanne, 307 daz vor got wart gevort 308 sin geyst. dar wart gehort 309 van den dvvelen vil der clage 310 vnd manger ordel vrage. 311 ein dvvel sprak: «de sel ist min. 312 das sal aldvs werden scin: 313 ich han is here, dinen bref, 314 den din prophete scref. 315 also sprak din mvnt 316 zo adam: • an welker stvnt 317 he zobreke din gebot, 318 he solde sterven dot. 319 dir ist van sinem slechte, 320 des ist he min mit rechte. 321 ich sprek ok vorbaz mere: 322 min ist de hebbende were. 323 ich han in wol drizich iar 324 besezen, daz ist war, 325 daz he des nv nicht ne lez, 326 daz min wille hez. 327 noch so sprek ich vorbaz: 328 vnd of wol were daz, 329 daz disse selve boser man 330 hedde gvdes waz getan, 331 daz were doch zo nichte 332 zo einem wider wichte 333 siner grozen missedat». 334 zo iungest bot de richter dat, 335 daz man an zwei scale hing 336 sine gvde vnd bose ding. 88 Edition 314 323 prophete] abgekürzt phete. han] folgendes ich getilgt. 301 313 311- 318 319 322 reide] vgl. mhd. reite für bereite. Der Vers ist unklar. In der Hs. bedeutet is in der Regel ist, kann aber auch für das Personalpronomen es stehen (vgl. Ms 1042). Ungewöhnlich ist auch das Genus (man würde Maskulinum erwarten), vielleicht aus lat. breve, is n; here kann ‹hier› bedeuten, aber auch als Anrede ‹Herr› eingesetzt werden. Übersetzungsvorschlag: «Ein Teufel sprach: ‹Die Seele gehört mir. Das soll hiermit bewiesen werden: Ich habe sie hier, deine Urkunde, die dein Prophet schrieb. So sprach dein Mund zu Adam: Zu der Stunde, an der er dein Gebot übertrete, solle er sterben.» Vgl. den Text der LA: 251 Et ille: «Instrumentum habeo quod ore proprio ipse dictasti et perpetuo duratum sanxisti. 252 Dixisti enim: ‹Quacumque hora comederitis morte moriemini›. dir] = dirre, dieser. hebbende were] mnd./ mhd. (ge)were, lat. investitura, Besitzrecht, Besitz, Gewalt, auch: Ersitzung. Vgl. den Text der LA: 259 «Mea est iterum prescriptione quia eam XXX annis possedi et mihi tamquam seruus proprius obediuit.» B enz übersetzt hier ‹Verjährung› (Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine, S. 643). Bl. 32r 337 do was zo licht sin g p de. 338 do trat he an der n p de 339 zo marien vnde bat, 340 daz was der bistanden rat. 341 do bewisde vnse vrowe 342 ire wonliche trowe: 343 se legede dar ire hant 344 vf de scalen. do vorswant 345 al siner svnden sware. 346 do wart he los der vare. 347 do he dar af vntwakede, 348 al sin lif noch krakede. 349 sint bezerde he sin leven 350 vnd ist nv mit godde bleven. 351 ¶ It stvnden monke vor dem dage 352 an idelcheit bi dem wage 353 vnd an bosen worden. 354 zo ruschende se dar horden 355 an einem scepe veren 356 vnd rechte zo sich keren. 357 ein monik zo dem veren sprak: 358 «waz veret dar durch den lak? » 359 «wer sin dvvele», sprak der en, 360 «vns is vil leve nv gescen. 361 wir voren hir an dem kele 362 ebronivses sele. 363 van closter he vntran 364 vnd was nv ammecht man 365 des konges van vranken. 366 des sol wir ime danken.» 367 de monke vil sere 368 irscraken disser mere. 369 van dem stade se lepen, 370 vnse vrowen se anrepen: 371 «bidde vor vns, maria! » Text und Kommentar: van vnser vrowen hymelvart 89 352 358 362 364 wage] mnd. wage, Woge(n), entspricht dem lateinischen Wort flumen (LA 300). lak] mnd. lake f, Lache, seichte Stelle, stehendes Wasser eines verbreiterten Flusses. ebronivses] in der LA lautet der Genitiv Ebroini; die Schreibung in der Hs. ist durch i-Strich allerdings eindeutig. ammecht man] mnd. ambacht-/ ammecht-/ amptman (mhd. ambet man), auch: Amtmann, oberster Gewalthaber an Stelle des Kaisers oder eines Landesherrn; im Text der LA wird er als prepositus domus regis Francorum (304) bezeichnet. Bl. 32v 372 ein dvvel rep in aldvs na: 373 ir weren nv alle gescant, 374 of maria nicht genant 375 hir ne were, dvrch de wrake 376 der vntidegen sprake. 377 den monken wart zo closter ga, 378 de dvvele kerden anderswa. 379 ¶ einer vrowen daz gescach, 380 daz se dicke sach 381 den dvvel offenbare. 382 wider disser grozen sware 383 konde de vil gote 384 vinden nene bote 385 mit wiwazere noch bede 386 vnde swaz se gvdes dede. 387 ein heilich man, de reit also: 388 «swen dich de dvvel kome zo, 389 so rop zwivels vrie: 390 ‹help mir svnte marie! ›» 391 zor ersten kome daz gescah. 392 recht als enin kvlenslach 393 de selven wort de dvvel vlo 394 vnde sprak aldvs dar zo: 395 «de dvvel var an sinen mvnt, 396 de dich larde solken vunt, 397 des ich so sere bin gewnt». van der bort vnser vrowen 1 2 M arien der vil werden maget bort, so de scrift saget, 3 was van jvda slechte 4 vnde davites mit rechte. 5 Joachim ok was 6 ire vader, als ich las, 7 geborn van nazaret. 8 annen he sich geven let 9 van betlehem zo echte. 10 se leveden beide rechte 90 Edition 381- 383 388 10 daneben quer am Rand ein Wort, vielleicht dome. dvvel] folgendes also getilgt. am rechten unteren Blattrand ein unleserliches Wort oder eine Zahl. 375 372- 376 mnd. wrake, Rache, Strafe. Übersetzung: «Ein Teufel rief ihnen so nach: Alle von ihnen wären zu Schanden geworden - wenn hier nicht Maria angerufen worden wäre - als Strafe für das unzeitige Reden.» Bl. 33r 11 an den boden vnses heren. 12 se delden ire neren 13 alle iarlik al so: 14 ein deil wart dem templo, 15 ein del wart dvrch irbarmen 16 pelegrim • vnd armen, 17 daz dridde ir notdorft blef. 18 ire g p de daz dref. 19 wol bi zwinzich iaren 20 svnder kint se waren. 21 des wart ein lovede gehort, 22 of got lez einer bort 23 svnt annen genesen, 24 de sold imber wesen 25 ein denest vnses heren. 26 Joachim began keren 27 mit den van irem slechte 28 zo jerusalem, daz man brechte 29 offer, so man do plach. 30 do de prester ine sach, 31 he sprak: «dv hinnen ga! 32 dv bist offerens zo sma. 33 dv bist vorvloket van der e». 34 diz laster dede gare we 35 Joachime, soz mochte. 36 sine herde he sochte, 37 zo vlende den scamen 38 van den sinen allen samen, 39 de des presters wort 40 mit ime hadden gehort. 41 ¶ eines dages do gescach, 42 daz ein engel zo im sprach, 43 de ok mit clarheit zo im quam: 44 «vrunt, ne wes nicht sorchsam! 45 ich bin zo dir van gode 46 ein engel vnd ein bode. 47 din bed, daz ist getvidet. 48 des dv bist gemidet, 49 des lasters werstv vri. 50 Joachim, nv loves mi: Text und Kommentar: van der bort vnser vrowen 91 14-17 Vgl. den Text der LA: 38 [...] omnemque suam substantiam tripharie diuidebant, unam partem templo et templi seruitoribus impendebant, aliam peregrinus et pauperibus erogabant, tertiam sibi et familie sue usibus reseruabant. Bl. 33v 51 eine dochter winnet anna, 52 de nenne dv maria. 53 an deme temple se blive, 54 an irer moder live 55 sal se heilich wesen 56 vnd sal genesen 57 kindes, daz sal dvs 58 genennet sin Jesvs, 59 got goddes sone 60 van dem oversten trone. 61 an ine wirt geleit 62 al der werlde salicheit. 63 ¶ daz tv trvwest minen worten: 64 vor der gvldinen porten 65 sal dich vor anna mozen 66 vnde leplichen grozen, 67 de dar nv drovet sere». 68 disse selven leven mere 69 vorn annen he ok segede. 70 der rede se bewegede, 71 daz se dar vor de porten ging 72 vnde vant ok alle de ding 73 also an ganzer warheit. 74 mit vrovden vnd salicheit 75 begvnden se wanderen 76 ein mit dem anderen. 77 ¶ de rede wart alliz war. 78 ein kint vor anna gebar, 79 maria se des nande, 80 so de engel se irmande. 81 na dren jaren allen gas, 82 do daz kint afwenich was, 83 zo dem temple sez brachte 84 mit offer vnde dachte 85 don des engeles bot 86 vnd ir lovede gegen got. 87 nv horet wnder, was gescach: 92 Edition 59 65 Der Sinn des Verses ist unklar. Ist got Adjektiv (‹Jesus, Sohn des guten Gottes›) oder Substantiv (‹Jesus, Gott [und] Gottes Sohn›)? Beide Bedeutungen von got kommen im Text vor. In der LA heißt es: altissimi filius (54). mozen] In der LA entspricht dem Verb obuiam habere, (feindlich) begegnen: 56 cum perueneris ad auream Iherosolimis portam, Annam uxorem tuam obuiam habebis, que de tua tardatione modo sollicita tunc in conspectu tuo gaudebit. Im Mnd. ist moten, begegnen, entgegengehen belegt, ein entsprechendes verschobenes mhd. Verb belegen die mhd. Wörterbücher allerdings nicht. Bl. 34r 88 de tempel vf dem berge lach. 89 daz kint svnder helpe trat 90 vfwart wol viftein grat 91 wente vor den altare, 92 als iz vulwassen ware. 93 alein daz kint were lef, 94 bi dem tempel it doch blef 95 mit anderen iuncvroven 96 zo des biscopes trvwen. 97 an allen dogeden nam se zo 98 beide spade vnde vro 99 vnd an gvten dingen. 100 mit ir vmmegingen 101 de engel vnses heren 102 dvrch scermen vnde leren. 103 ¶ an ir vertegedem iare 104 bot de biscop offenbare, 105 daz man al de iuncvrvwen 106 mannen solde vortrvwen, 107 de dar de jar hetten. 108 de meged alle tetten 109 daz bot, wen aleine 110 maria de reine 111 an dem temple noch blef, 112 went se de biscop dref, 113 daz se man solde nemen. 114 se sprak dar wider mit scemen: 115 «here biscop, ine mach. 116 ein lovede, daz gescach 117 ichteswanne van den minen, 118 dar an moz ich mir pinen. 119 an goddes denste sal ich bliven. 120 mir sal ok nymber wiven 121 man. • ich wil dvs alden 122 vnd magedom behalden, 123 daz han ich gelovet godde». 124 de biscop disse rede hodde, 125 went here de wisen vragede. Text und Kommentar: van der bort vnser vrowen 93 107 125 jar] in der Handschrift har. Der Vergleich mit der LA zeigt, daß jar gemeint sein muß: 68 Quartodecimo autem etatis sue anno pontifex denuntiauit ut uirgines que in templo instituebantur et eatis [sic! ] tempus implessent domum reuerentur ut uiris legitime iungerentur. Da in MG 81 jaren steht, handelt es sich wohl um eine Verschreibung. Zur Aussprache und Schreibung von j im Mnd. vgl. L asch : Mittelniederdeutsche Grammatik, §§ 348 u. 349. Übersetzung: «die dort das heiratsfähige Alter erreicht hatten». here] abgekürzt he s . de] durch Unterpungierung gebessert aus des. 112 118 124 124f. went] hier Konjunktion ‹bis›. sik pinen, sich Mühe geben. hodde] Prät. von mnd. hoden/ huden swv, behüten, bewahren. Übersetzung: «Der Bischof respektierte dieses Gelübde, bis er die Gelehrten befragte.» Bl. 34v 126 in allen des behagede 127 an den vngehorden dingen, 128 daz man solde bringen 129 disse rede vor got. 130 se baden alle svnder spot - 131 ein stemne dvs gehort wart: 132 «manlich bringe sine gart 133 an den temple dare 134 bi den vron altare, 135 de davites slechtes si 136 vnd wives ok noch vri. 137 swes gart blomen treget, 138 als vns ysayas seget, 139 deme sal man vortrvwen 140 marien de iuncvrvwen». 141 de gerde man dar brachte, 142 wen Josep, de dachte, 143 daz he were vmbehaget 144 der so sconen seren maget. 145 ein stemne do aver sprak, 146 daz des gart noch vmbrak, 147 de recht sculdich were. 148 bevunden wart vil scere 149 Josep an siner achte. 150 sine gart he do brachte, 151 do scach daz teken vorgesaget. 152 des gaf man im de maget. 153 zo betlehem an sine stat 154 vor Josep do dvrch dat, 155 daz he bereden mochte 156 de brutlecht, soz dochte. 157 ¶ Maria ok do kerde, 158 so ire wisheit se lerde, 159 zo nazaret zo iren vrvnden. 160 dar began ir kvnden 161 gabriel de mere, 162 daz se vul gnaden were 163 vnd daz se solde werden 164 goddes moder an der erden. 94 Edition 124- 131 144 146 141- 147 149 Die Interpunktion richtet sich hier nach dem Text der LA: 70 [...] omnium hec una fuit sententia ut in re tam dubia domini consilium queretur. 71 Cum autem orationi insisterent et pontifex ad consulendum dominum accessisset, mox de loco oratorii cunctis audientibus vox insonuit dicens [...]. Schwierigkeiten bereitet in diesem Vers seren. Handelt es sich um die Steigerung ‹sehr› oder um ein weiteres (anderweitig nicht belegtes) Adjektiv? In der LA heißt es tam teneram uirginem (72). vmbrak] mnd. unt-/ entbreken, auch umbreken stv, (mit Gen.) gebrechen, ermangeln. Übersetzung: «Man brachte die Zweige dorthin, außer Josef, der dachte, daß er für die so sehr schöne junge Frau unpassend wäre. Eine Stimme sprach dann jedoch, daß dessen Zweig noch fehle, der wahrhaftig dazu verpflichtet sei.» achte stm, Acht, Aufmerksamkeit, Sorgfalt, Stand, Stellung. Bl. 35r 165 dissen vnser vrowen dach 166 de cristenheit nicht ne plach 167 zo begande ichteswanne, 168 went einem gvden manne 169 gotlich gvde daz bewisde, 170 daz ok de hymel sich prisde, 171 an dem hymeleschen hove 172 mit sange vnde mit love 173 dissen dach zo begande. 174 de gvde man do irmande 175 den paves, daz he bot, 176 daz it de cristenheit nv dot. 177 ¶ de achteden ok nv begeit 178 vil ersam de cristenheit 179 desse, • wen ok nicht ne plach. 180 zo rome daz gescach, 181 daz man de cardinale 182 besloz alzo male 183 dvrch des paveses kore. 184 doch qvamen se hervore 185 mit voreinedem mote. 186 daz gaf marien gote, 187 de se hadden des gebeden. 188 dar wider se diz deden 189 vnd boden daz vil dvre 190 irer werdicheit zo stvre. 191 ¶ ein ritter, vrot vnd wis, 192 vppe ritterlichen pris 193 zo torneye solde riden. 194 he ne wolde nicht vormiden 195 missen van vnser vrvwen, 196 he ne horde se mit trvwen, 197 de man dar bi wege sang. 198 sin svmen wart so lang, 199 daz de zorney vorging. 200 ein gare selzene ding Text und Kommentar: van der bort vnser vrowen 95 177 177- 179 191 achteden] mnd. de achtede (dach), Oktav eines Kirchen- oder Heiligenfestes. Übersetzung: «Die Oktav begeht die Christenheit nun auch sehr feierlich aus diesem Grund, auch wenn (sie) es nicht (zu tun) pflegte.» Vgl. den Text der LA: 23 Octaua autem natiuitatis beate Marie olim non celebratur, sed dominus Innocentius IV natione Ianuensis ipsam instituit celebrandam. 84 Cuius causae hec fuit. vrot] mnd. vrôt, erfahren, klug, weise. Bl. 35v 201 deme ritter dar gesca: 202 do he dem velde qvam so na, 203 do wart im prises vil gegeven. 204 ok was dat so nicht bleven: 205 sine vangenen ne qvemen, 206 de sine hvlde nemen. 207 de ritter do sich vorsan 208 vnde wart ein denest man 209 der himelescen vrvwen 210 vnde dend ir mer mit trvwen. 211 ¶ Ein biscop plach vil gerne 212 vnser vrvwen lof zo merne 213 nach aller siner macht. 214 de ging eines zo middernacht 215 zo vnser vrowen stichte 216 zo bedene vil lichte. 217 mit einer magetlichem scare 218 de hymel koninginne dare 219 vrovdenbar dar vnder ging, 220 mit groze sen vntfing 221 vnde wart sin geleide. 222 do svngen zwa der meide 223 vnd traden dar vore 224 als an einem kore 225 oder an eime danze. 226 mit dvs getanem planze 227 ging de biscop zor kerken. 228 diz wnder sol ie merken. 229 ¶ ein wedewe mannes los 230 mit ganzen leb irkos 231 iren einigen sone, 232 so man dig ist gewone. 233 de wart van vianden gevangen. 234 der moder began langen, 235 mariam se dik anrep. 236 zolest se an de kerken lep, 237 zo dem beld vnser vrvwen. 96 Edition 211 226 Kapitel durch Punkt markiert, Rubrizierung aber nicht ausgeführt. getanem] in der Handschrift getamem (Übersetzung für cum tali processione (107)). Bl. 36r 238 vordrvnken an rvwen 239 ire kint se zo sich grep, 240 se sprak: «vrowe, si vch lep 241 ivwe kint, daz ich hir drage, 242 so irwendet mine clage, 243 loset mines kindes bant! 244 ich han diz ivwe vor ein pant». 245 an ire kasten se daz droch, 246 se was des hvdich genoch. 247 nv horet, waz gesca: 248 des neisten nachtes dar na 249 vnse vrvwe selb vntslez 250 den kerker vnde hez 251 den vangenen gan zo hvs. 252 ok sprak se aldvs: 253 «leve sone goder, 254 nv sage diner moder, 255 dat se min kint mich wider geve, 256 so ich daz ire heve». 257 daz wart der moder geseget, 258 des wart daz kint geleget 259 weder an mariam scot 260 mit havedanke grot. 261 ¶ Ein man, misdadich sere, 262 zo vnser vrvwen ere 263 an alle dingen doch bereit, 264 wart dvrch sine bosheit 265 gehan an einen galgen. 266 do he wand irwalgen, 267 vnse vrvwe des gewelt, 268 daz de kel also geselt 269 irworgen nicht ne mochte. 270 maria daz zo brochte, 271 daz sine henger qvamen 272 vnd in af namen 273 vnde lezen sine sculde 274 durch vnser vruwen hvlde. Text und Kommentar: van der bort vnser vrowen 97 244 251 261 vor] in der Handschrift por. den] in der Handschrift dan. Kapitel durch Punkt markiert, Rubrizierung aber nicht ausgeführt. 266 267 268 269 266- 269 irwalgen] entspricht wahrscheinlich mhd. erwalken stv, durchwalken, walken, schlagen, prügeln, vertilgen. gewelt] mnd. gewelten/ gewelden swv mit Gen., walten, Gewalt haben über (vgl. Ms 1210). geselt] mnd. selen swv, ins Seil bringen. irworgen] mnd. erworgen swv, erwürgen. Übersetzung: «Als er glaubte zu sterben (? ), bewirkte es unsere Frau, daß die Kehle so ins Seil gebracht war, daß sie nicht erwürgt werden konnte.» Bl. 36v 275 an ein closter he kerde, 276 marien lof he merde, 277 des he van herzen gerde. van S’ Marien Magdalenen 1 2 S vnte maria magdalene, so ich rechtes me vorwene, 3 hez dvs van dem kastele 4 an irem ervedele. 5 ir vader de hez tyrvs, 6 vnd ir broder lazarvs. 7 ire moder heiz evcharia 8 vnd ir swester martha. 9 disse maddalene 10 de ward ein wif gemene. 11 se was schon vnd edele 12 vn rike. • van dem vrevele 13 ward se also vorlazen, 14 daz se sich gemazen 15 der lvst nicht ne kvnde. 16 lazarus begvnde 17 driven sine ridderscap. 18 ir drier vormvntscap 19 martha wol vorstvnt. 20 so maria hadde begvnt, 21 se dref so vil der minne, 22 daz se hez de svnderinne. 23 gotes gote doch sint rorde 24 ir herze, so se horde 25 van siner gvte, vnd qvam 26 zo symons hvs, dar se vornam, 27 daz Jesvs sold ezen. 28 an den werscap vngehezen 29 trat se zo goddes vozen. 30 sen dorste sich nicht nozen 31 den gvten durch ir svnde. 32 godes gvte doch ir gvnde, 33 daz se mit tranen genoch 34 sine werden voze dwoch 98 Edition 5 6ff. 26-28 tyrus] in der LA lautet der Name Syrus (17). Vgl. Io 11, 1. Vgl. Lc 7, 36-50. Bl. 37r 35 vnd trvcte se mit irem hare 36 vnd goz dvre salve dare 37 an sinen werden lif, 38 so dicke dar man • vnd wif 39 dvrch groze hitzen deden 40 nach des landes seden. 41 do phariseus daz sach, 42 an sinem herzen he sprach: 43 «ware diz ein war prophete, 44 nenewis he lete 45 de svnderin sich roren». 46 den dunkelgoden doren 47 wart sin hovart bescvlden, 48 ok quam de svnderin zon hvlden. 49 ¶ got wan se so rechte lef: 50 seven dvvel he vordref 51 van der svnderinne 52 vnd an siner minne 53 ward se nach der stvnt 54 so vullichlik vnzvnt, 55 daz se sin scefferinne wart. 56 swar ir gote wart vorkart 57 (so de symon hir dede 58 vnd ir swester sint dar mede 59 vnd Jvdas; symon sprach, 60 se were qvat; • ok het se trach 61 martha; Jvdas het se spilde), 62 de scvlt besconde goddes milde. • 63 ¶ do got sach den broder, wenen 64 he wende • vnd an den denen 65 van dode he in irwecke. 66 marthen he irquecke 67 van seveniariger not, 68 do se dwang daz blot. 69 se hat den besten del irkorn. 70 se sach got zo alles vorn 71 nach dode, so ses rochte, Text und Kommentar: van S’ Marien Magdalenen 99 43 prophete] abgekürzt phete. 46-48 50 61 56-62 63f. 64 69 dunkelgoden] mnd. dunkelgût adj., dünkelhaft, selbstgerecht, heuchlerisch. Vgl. LA: 25 [...] dominus illum de superba iustitia redarguit et mulieri omnia peccata dimisit. Vgl. Mc 16, 9; Lc 8, 2. spilde] mnd. spilde (mhd. spildec) adj., ist die Übersetzung von lat. prodigus, verschwenderisch. Hier ergibt sich nur dann ein sinnvoller Text, wenn man V. 57-61 als Einschub begreift, in dem Beispiele für die Aussage von V. 56 gegeben werden. Übersetzung: «Wo auch immer ihr Gott entzogen werden sollte (wie es Simon hier tat und später auch ihre Schwester und Judas; Simon sagte, sie sei unrein, auch bezeichnete sie Martha als träge; Judas nannte sie verschwenderisch), da beschönigte Gottes Barmherzigkeit ihre Schuld.» Diese Auffassung läßt sich durch die LA stützen: 27 [...] eam semper dulciter excusauit, - 28 nam excusauit eam apud phariseum qui dicebat ipsam immundam, et apud sororem suam que dicebat eam otiosam, et apud ludam qui dicebat eam prodigam. Vgl. Io 11, 33-44. denen] vgl. MH 256, dort für mhd. getæne (gedêne), Gestalt, äußere Erscheinung. Da die Zusammensetzung in vleischlîchem getêne belegt ist (L exer : Mittelhochdeutsches Handwörterbuch I, Sp. 942), könnte vielleicht auch hier gemeint sein: «und er erweckte ihn in seiner äußeren (also irdischen) Gestalt vom Tod». se] gemeint ist, dem biblischen Text entsprechend, Maria Magdalena. Bl. 37v 72 vnd in mit vlize sochte. 73 ¶ do maddalena was bekart 74 vnd na goddes hymelvart 75 bi den verzein iaren, 76 do de apostolen waren 77 van ivdea vordreven, 78 do was maximinus bleven, 79 der zwen vnde seuentich en. 80 deme was disse maddalen 81 bevoln an sine hote 82 van svnte peters gvte. 83 dissen selven maximinum, 84 marien, marthen, laxarum 85 vnde andere heiligen genoch 86 warp der yoden vnvoch 87 an ein scep, dem was dvre 88 beide roder vnde stvre, 89 daz se so irstorven. 90 vorwar, se nicht vordorven. 91 zo marsilie daz scep qvam. 92 neman dar doch ne nam 93 de ellenden an sin hvs. 94 an eines afgoddes lichvs 95 ire herberge se namen. 96 do de lantlvde qvamen 97 dvrch des afgoddes ere, 98 daz bescvlden se sere. 99 maria was over scone, 100 redesalich an gode, kone 101 vor de warheit zo stande. 102 de here ok van dem lande 103 qvam dar mit siner vruwen, 104 zo biddende mit trvwen 105 vm einen erven. daz bescalt 106 maddalene, manichfalt 107 waren beiden zit de wort. 108 zolest ward daz gevulbort, 109 of maria behelde 100 Edition 94 99- 105 lichvs] mnd. lîkhûs n, Vorkirche, Vestibül (des Tempels), für lat. porticus. Übersetzung (frei): «Maria war wunderschön, gewandt sprach sie von Gott, mutig stand sie für die Wahrheit ein. Sogar der Landesherr kam zusammen mit seiner Frau dorthin (zu dem Tempel), um eindringlich um einen Erben zu bitten.» Vgl. LA: 37 [...] assurgens uultu placido, facie serena, lingua diserta eos ab ydolorum cultura reuocabat et Christum constantissime predicabat. Et admirati sunt universi pre specie, pre facundia, pre dulcedine eloquentie illius. Bl. 38r 110 dem heren solke selde, 111 daz im word ein kindelin, 112 he wolde denne lovich sin - 113 de vrowe ward dragene. 114 Svnte peter zo vragene 115 vm al der dinge warheide, 116 de maddalen ime seide, 117 vor der vorste over mere. 118 ok vulging der vrowen gere: 119 se vor med. al so swar 120 vf dem wazer se gebar 121 ire kint vnd starp. 122 vf einen werder man warp 123 de moder mit dem kinde. 124 des mannes kvmber was swinde, 125 doch lest he sine vart 126 vnd vor zo ihervsalem wart. 127 Svnte peter wart gesaget 128 al sin werf und ok geclaget 129 vorlust wives vnd kindes. 130 he sprak: «waz, of tv vindes 131 daz kint svnt mit der vrowen? 132 was scadet, daz se rowen? » 133 bi svnte peter blef he dar 134 an siner bedevart zwei iar 135 vnd sach wnder • vnt de stede, 136 de got selve dar dede. 137 Svnte peter in ok larde. 138 zo lande he do wider karde. 139 sin scep wart ok gedreven, 140 dar sin wif was bleven. 141 dar sach he vf dem lande 142 ein kint spelen an dem sande, 143 daz vlo vor siner zokvmft. 144 de man mit gvder vornvmft 145 volgede dem kinde na 146 vil vaste uf siner sla Text und Kommentar: van S’ Marien Magdalenen 101 142 d am Versanfang getilgt. 122 124 mnd./ mhd. werder mn, Insel. mnd./ mhd. swinde adj., heftig, stark, groß. Bl. 38v 147 vnd vant it zo der moder brust. 148 he veng it an sich mit lust 149 vnd sprak: «maddalena vrvwe, 150 ich danke dich disser trvwe, 151 daz tv min kint hast generet. 152 ach, were mir ok daz besceret, 153 daz nv levede de moder! 154 dv bist doch wol so goder, 155 daz dv daz macht ok geven». 156 do began de vrowe leven, 157 sam se dromes vntwachede. 158 groz vrovd in beiden nachede, 159 se sprak: «eya maddalene, 160 din walt, den is nicht clene. 161 ich danke dinen gvten, 162 daz dv warest an den noten, 163 do ich min kint gebar, 164 min bademoder dar, 165 daz tv warest min leide 166 vord vnd weder beide, 167 daz ich petrum han gesen 168 vnd swaz dar wnder ist gescen, 169 daz ich dar al han gewesen, 170 daz ich nv bin genesen». 171 do hof se vf besvnder 172 vnd segede al daz wnder, 173 daz ir man ok irkande. 174 do voren se zo lande, 175 al ir troren daz was kranc. 176 van in ward manich havedanc 177 maddalenen dar geseget. 178 de godde worden hin geleget. 179 man bvwede dar goddes hvs, 180 dar wart ok biscop lazarus. 181 ¶ So gotlich wisheit scop, 182 maximinus ward ok biscop 102 Edition 159 maddalene] gebessert aus maddalena. 165 166 mnd. leider/ leder m, Führer, Geleiter. vort vnd wedder, hin und zurück. Bl. 39r 183 zo aqvensen in der stat. 184 lange zit he daz besat. 185 ¶ Maddalene van rvwen 186 began daz ellende bvwen, 187 eine wostenung, dar ne was 188 noch bom, noch crut, noch gras, 189 wen ein vil engiz hol, 190 des nogete der gvten wol. 191 daz ging an einen wosten berc, 192 daz was ein engels werc. 193 de vil reine blef so dar 194 aleine drizich iar 195 vnd ân erdesche spise. 196 doch nerede se vil lise 197 got mit wnders vunde. 198 alle dage seven stunde 199 de engel se vpvorde 200 an de luft, dar se horde 201 ir seven dage zide, 202 vnd echt nider side. 203 des wart ein prester gewar 204 vnd ging dvrch scowen dar. 205 al sin lif vil ser irscrak, 206 al ropende he dus sprak: 207 «ich beswere dich vil dvre, 208 of dv sist gehvre, 209 daz sage, • vnd we dv sist! » 210 do sprak se svnder vrist: 211 «ich bin de svnderin geweset, 212 van der ruwe man so leset, 213 daz se goddes voze 214 mit irn tranen begoze 215 vnd tructe mit den haren. 216 bi den drizich iaren 217 han ich aldvs hir bleven, 218 nv sal sich enden hir min leven. 219 dur goddes leve dv daz do: Text und Kommentar: van S’ Marien Magdalenen 103 203 214 prester] abgekürzt p ( st s . tranen] folgendes h getilgt. 190 185- 190 198- 202 nogete] mnd. nogen swv, genügen. Übersetzung: «Magdalena begann um der Buße willen in der Fremde zu wohnen, in einer Einöde, wo es weder Baum, noch Strauch, noch Gras gab, nur eine enge Höhle; die genügte der Guten völlig.» «Der Engel führte sie hinauf in die Luft, wo sie ihre sieben Tagzeiten hörte, und danach (führte er sie) wieder herab.» Bl. 39v 220 dem biscope maximino 221 disse bodescap dv sage: 222 des mandags nach osterdage 223 so sal he mir dar scowen. 224 an siner kerken sal ich rowen, 225 dar vindet he mich vro». 226 de prester warf also. 227 nach den reden ging daz ding: 228 do de biscop an de kerken ging, 229 maddalenam sach he sweven 230 vnd an de lvft irheven 231 zwa elne boven erde. 232 noch was bevan de werde 233 mit der engele scare, 234 ir antliz scen svnnen vare. 235 der pafheit vil dar qvam. 236 do vntfeng se goddes licham 237 mit inichlichen tranen, 238 do vor de sele van danen. 239 mit der sele hinenvart 240 ein overdvre roke wart 241 an irer niderlage. 242 de blef so seven dage, 243 daz he den roke wol vornam, 244 swer bi den ziten dar qvam. 245 ¶ ok vinde we gescreven dvs: 246 ein herzoge gyrandvs, 247 geboren van burgvnden 248 bi den grozen karles stvnden, 249 do de sich sach ân erve, 250 he gaf sin gvt vil derve. 251 goddes hus he stichte 252 vnd mang deme gescichte 253 einen monik he sande 254 dar hen zo deme lande, 255 dar maddalena was begraven. 104 Edition 227 ursprüngliches stvnden durch Unterpungierung getilgt und reden am Rand nachgetragen. 246 250 252 In der LA heißt der Herzog Girardus (167), vielleicht ein Lesefehler. derve] mnd. derve adj., derbe, gerade; hier eher im Sinne von mnd. bederve (mhd. biderbe), tüchtig, brav, rechtschaffen. mang deme gescichte, unter diesen Umständen (vgl. MM 308). Bl. 40r 256 he wold ir beines gerne haven. 257 van aventvre he daz vant, 258 alein de stat were vorbrant. 259 maria in zo troste, 260 se sprak: «vulbring voste, 261 destv an mir hast begvnt». 262 he dad iz an der stvnt. 263 do he nalede sinem stichte, 264 he ne konde mit nichte 265 bringen vord an de stat 266 daz gebeine, went he bat, 267 daz dar zontfande wart gesent 268 beide, abbet vnde kovent, 269 de iz vntfengen vil scone, 270 so it sich vochde zo done. 271 ¶ ein ritter wart irslagen, 272 de had an sinen dagen 273 geeret maddalenam, 274 swar iz irme love zam. 275 daz ward ir nv vorwezen, 276 daz se nv dus wolde lezen 277 iren denstman vorderven 278 vnd svnder bicht vorsterven. 279 vf stvnt de man hir vnder, 280 des nam se michel wnder, 281 vnd dede wol sine bicht 282 vnd kerstenliche plicht. 283 van dem prester he ok nam 284 vnses heren licham 285 vnd starf nach disser rede 286 vnd vor an goddes vrede. 287 ¶ ein scep vul lvdes irdrank. 288 do grep ein vrowe dene dank 289 (se was ein kint dragene), 290 daz se begvnde zo clagene 291 maddalenen ire not. Text und Kommentar: van S’ Marien Magdalenen 105 278 svnder] folgendes bist getilgt. 263 275 276 nalede] mnd. nalen/ nelen swv, sich nähern. vorwezen] mhd. verwâzen/ verwæzen (trans., verfluchen) kann hier nicht gemeint sein; besser paßt mnd. vorwiten (mhd. vorwîzen), vorwerfen. lezen] für mhd. lâzen, lassen oder mhd./ mnd. le(t)zen swv, schädigen? Im letzteren Fall läge eine Apokoinu-Konstruktion vor. Bl. 40v 292 se sprak: «vorwin ich den dot 293 vnd of ich kindes genesen, 294 daz sal din denst wesen». 295 do qvam de nothelperinne 296 vnd grep se bi dem kinne 297 vnd halp, daz se eine genas. 298 ire kint ok sider was 299 marien denest stede 300 nach siner moder rede. 301 ¶ Iz sold ein blinder man 302 ichteswenne gan, 303 lesten sine bedevart 304 zo vizelyacense wart 305 zo maddalenen kerken. 306 do sin leidesman gemerken 307 erst machte daz stichte, 308 do sprak he van gescichte: 309 «ich se daz [ ] stichte der vrowen! » 310 do rep de blinde mit trowen: 311 «ach, mocht ich daz ok gescowen, 312 so wold ich mir ok vrowen. 313 maddalene, leve trosterin, 314 gif mir armen den sin, 315 dar mede ichz moge sen! » 316 daz was zo hant gescen, 317 went he vil clare sach. 318 vel des loves he ir sprach. 319 ¶ Ein vil svndich minsche scref 320 al sine svnd an einen bref 321 vnd legede in dare 322 vorholn vf den altare 323 Svnte maddalenen 324 vnd bat mit richen trenen, 325 daz ir gote des gewelde, 326 des sem aflas behelde 106 Edition 309 324 in der Handschrift folgt ein weiteres daz. vnd] der übergeschriebene Abkürzungsstrich fehlt. 308 325 326 van gescichte, bei der Gelegenheit. gewelde] mnd. gewelden swv, walten, Gewalt haben über. behelde] mnd. behalden swv, auch: erwirken. Bl. 41r 327 siner sunde mit gebede. 328 maddalena daz dede. 329 zo der warheit orkvnde 330 de gescrevenen svnde 331 vordeleget he vant, 332 des wart de warheit bekant. 333 ¶ en armer man dvrch sculde 334 sware vagnisse dvlde. 335 maddalenen he anrep. 336 so lange he daz drep, 337 daz en scone vrowe qvam 338 des nachtes vnd nam 339 des gevangenen helden 340 vnd brak se mit gewelden. 341 de dore se vntslez. 342 den se balden hez, 343 daz he ginge van dan. 344 daz ward vil scere getan. 345 ¶ vns seget ok daz mere, 346 das maddalena were 347 de brvt, de Johannes lez, 348 do got in sich volgen hez 349 van siner brutlechte, 350 vnd daz de zorn se brechte 351 an so groze missedat 352 vnd daz se got vmme dat 353 zo gnaden brechte seder 354 vnd gaf ir grozer leve weder, 355 de se zo godde irkos, 356 den se zo voren vorlos. 357 ¶ ok gaf got vor ir brvste 358 Johannese, daz he troste 359 an siner brust resten 360 vnd was im mang den besten 361 vrvnden ein svnder vrunt. 362 daz bekant Johannes mvnt, 363 daz wart an goddes moder kvnt. Text und Kommentar: van S’ Marien Magdalenen 107 327 siner] auch als Reklamant am rechten unteren Blattrand von 40v. 331 342 vordeleget] mnd. vordelgen swv, vertilgen (Vgl. LA: 192 Qui postmodum cedulum accipiens peccata sua de ipsa cedula omnino deleta inuenit.). balden swv, eilen, froh sein über. Bl. 41v van S’ Cecilien 1 2 C ecilia de werde maget was van rome, so man saget, 3 van den besten geborn 4 vnde hadde sich van vorn 5 chegen got des irwegen, 6 daz se im wolde plegen 7 denstes, swar se kvnde, 8 vnd vlen alle svnde, 9 vncuscheit doch binamen. 10 iren megetlichen scamen 11 beval ymber de g p de 12 an gotliche hode. 13 se was dach vnde nacht 14 an ir bed vordacht 15 vnd daz ewangelium. 16 vm iren leven magedvm 17 began se godde dicke manen 18 mit vil inichlichen tranen. 19 ir hemde daz was haren, 20 se moste doch gebaren 21 an dvren cleiden vze. 22 swaz dar inne lvze, 23 daz wiste got aleine. 24 vortrvwet war de reine. 25 do se zo bedde qvam 26 bi iren brudegam, 27 de heiz valerian, 28 dene sprak se dvs an: 29 «eya min lever iungeling, 30 ich han ein hemlich ding, 31 daz ich dir eine sage wille, 32 of dvs wlt swigen stille». 33 he sprak: «ia». • se hof dvs an: 34 «eya dv valerian, 35 goddes engel ist min vrvnt, 36 de hodet min zo aller stvnt. 108 Edition 25 zo] folgendes de getilgt. 5 irwegen] mnd. sik erwegen swv/ stv (mit Gen.), etwas auf sich nehmen, übernehmen, sich etwas vornehmen. Bl. 42r 37 word he des an inne, 38 daz tv dvrch bose minne 39 mir mit ichte bekorest 40 vnd min lif berorest, 41 svnder zwivel mostv sterven. 42 wil tv aver daz irwerven, 43 daz he dir ok si 44 mit trvwen also mi, 45 so scone miner kvscheit! 46 so wirt sin vrvntscap dir bereit». 47 he sprak: • «sal ich des trowen, 48 la mir den engel scowen. 49 is iz den ein ander man, 50 iz moz vch an daz lif gan». 51 «dv salt in scowen drade. 52 do, daz ich dir rade: 53 zo paves vrbane ga 54 vnd vntfa de dope da! » 55 se gaf im ein orkvnde, 56 war he den paves vunde. 57 he ging hin vnde vant 58 vnd wart gedoft zo hant 59 vnd sach hymelesche ding. 60 zo hus he weder ging 61 vnd vant an einer sprake 62 an irme svnder make 63 mit dem engele de maget. 64 do sprak de engel vngevraget: 65 »disse zwa cronen nemet, 66 de anders nemen zemet, 67 wen de kvsche willen sin. 68 ir gvde r p k vnd ir scin, 69 de sal nimber zogan. 70 bidde mich valerian, Text und Kommentar: van S’ Cecilien 109 37 an] vorhergehendes v getilgt. 39 62 60-63 Übersetzung: «mich durch etwas verführst». make] mnd. (ge)mak (mhd. (ge)mach) n, bequemer Raum, Räumlichkeit. Übersetzung: «Er ging wieder nach Hause und fand die Jungfrau in ihrem eigenen Zimmer in einer Unterredung mit dem Engel.» Vgl. LA: 43 [...] et rediens Ceciliam cum angelo loquentem in cubiculo inuenit. Bl. 42v 71 swes dv willest einer bede, 72 de sal dich werden stede! » 73 «in bidde nichtes here, 74 wen daz sich bekere 75 Tyburcius, min broder.» 76 do sprak de engel goder: 77 «got sal vch beiden lonen 78 mit der marterere kronen». 79 dvs vor de engel dan. 80 do qvam tyburcius gegan. 81 de vornam na der groze 82 den roke dvr vnde soze, 83 den sin nase dar vntfing, 84 de van den cronen ging. 85 he vragede, waz daz were, 86 vnd wart bericht der mere 87 so verne, daz he willich ging 88 vnd ok de dofe vntfing. 89 dar von im ok gescach, 90 daz he den engel sach. 91 de broder nach den stvnden 92 vullichliken begvnden 93 ein vil heiligez leven 94 vnd mildechliken geven 95 den armen ire have 96 vnd brachten zo grave 97 vil der goddes marterere, 98 der almachius de richtere 99 gare vil lez doden, 100 de dar sinen afgodden 101 offeren nicht ne wolden. 102 disse zwene goddes holden 103 worden ok vor ine vort. 104 dar worden wort weder wort 110 Edition 103 vort] in der Handschrift vor. Bl. 43r 105 an beiden zit vil getan. 106 almachius, de qvader man, 107 lez de broder behalden. 108 ir hode solde walden 109 ein maximus, de wart 110 mit al den sinen bekart 111 vnd der piner ok genoch. 112 de broder zwene man zoch 113 vz der stat vor einen got. 114 do se des richteres bot 115 mit offere nicht daden, 116 do gaven in de qvaden 117 den dot mit dem swerde. 118 de bestadede zor erde 119 cecilia, de werde maget. 120 maximus, so de scrift saget, 121 voriach des offenbare, 122 daz he de engele dare 123 sege, de dar mit sich vorden 124 ire sele. de daz horden, 125 de segeden daz almachio. 126 maximum, den lez he do 127 mit blikvlen slan, 128 so lange daz de seluen man 129 vpwarp sin sele vor 130 an der engele kor. 131 den lif begrof cecilia 132 bi de broder zwene da. 133 almachius na den dingen 134 lez ceciliam vor sich bringen 135 vnd sprak zo ir: «nv kes: 136 dines lives overles 137 oder offeren den goden! » 138 des richters boden 139 vnd de dar vmme stvnden 140 Ceciliam begvnden Text und Kommentar: van S’ Cecilien 111 129 126- 130 136 vpwarp] Verschreibung von mnd. vpwart (mhd. ûfwart), aufwärts? Übersetzung: «Er ließ Maximus so lange mit Bleikeulen schlagen, bis die Seele dieses Mannes auffuhr zum Chor der Engel.» overles] mnd. overlesen stv, verlieren, einbüßen; vgl. auch LA: 139 Tunc Almachius [...] iussitque ut ydolis immolaret aut sententiam mortis acciperet. Bl. 43v 141 mit inichlichen tranen 142 sere bidden vnde manen, 143 daz se nicht mit hone 144 vorlore ioget vnde scone. 145 Cecilia dar wider sprak: 146 «ich weiz wol, daz ich ne mak 147 an der wesle vorlesen: 148 ich wil hir vorkesen 149 ein snode kurzer leven, 150 dar wirt mir vor gegeven 151 ein vrolik svnder ende». 152 ire rede sich so lende, 153 daz dar van irer lere 154 verhvndert ofte mere 155 van vrbanus vntfingen 156 de dope. nach den dingen 157 almachius, de tyran, 158 sprak aldus de maget an: 159 «westvs nicht, dvmbes wif, 160 daz ich dir dinen lif 161 mach geven vnde nemen? » 162 se sprak: • «dv macht dir scemen, 163 daz dv so sere lvgest! 164 ich love wol, daz tv mogest 165 doden, de noch leven - 166 nen lif ne machtv geven. 167 dv bist wol des dodes knecht». 168 almachius, de sprak echt: 169 «nv laz vmme rede wesen! 170 wiltv vorbaz genesen, 171 so laz dissen vnsin 172 vnd offere den godden min! » 173 aver sprak daz werde kint: 174 «wo bistv sende also blint, 175 daz dv daz godde nennest, 112 Edition 146 159 169 175 ich] in der Handschrift iz. dvmbes] in der Handschrift abgekürzt dvmb s . rede] folgendes sin getilgt. dv] folgendes selve getilgt. 147 148 146- 151 152 wesle] mnd. wessele f, Wechsel, Tausch. vorlesen] mnd. vorlêsen (mhd. verlesen), vernichten, zu Grunde richten, verlieren (vgl. K 267). mnd. vorkesen (mhd. verkiesen), nicht wählen, verschmähen, verzichten. Übersetzung: «Ich weiß genau, daß ich bei diesem Tausch nicht verlieren kann: Ich will hier auf ein erbärmliches kurzes Leben verzichten, dafür wird mir ein fröhliches ewiges Leben gegeben.» Vgl. LA: 141 «Hoc, boni iuuenes, non est iuuentutem perdere, sed mutare [...].» lenden swv, landen, ans Ziel kommen, zustande bringen; refl. sich wenden. Bl. 44r 176 daz tv selve wol irkennest 177 vnd al de lvde gemeine, 178 daz daz sin dode steine. 179 taste dar mit diner hant, 180 nv din ovgen sin vorblant! » 181 van zorne bot almachius 182 se weder zen an ire hvs. 183 sin bot wart scere vulbracht. 184 dar saz se dach vnd nacht 185 an einem sedenden bade. 186 daz was ir doch nen scade, 187 went se nicht vorleiz 188 vz irme live iach sweiz. 189 do hez man der iuncvrowen 190 ir hovet dar afhowen. 191 na dem dridden swerdes slage 192 gewnt blef se dre dage 193 levende van goddes macht. 194 daz wart ir dar zo irdacht, 195 daz se al ir have 196 nach goddes love gave. 197 Svnt vrbane se beval 198 ok de gedoften al, 199 de se hadde bekart. 200 mit eren se begraven wart 201 bi der heiligen scare. 202 ire hvs wart gewiet dare 203 zo einer kerken nach ir bede. 204 Svnt vrbanvs daz dede 205 vnd ist noch bleven stede. van S’ lvcien 1 2 S vnte lvcia hir bevoren rik vnd edele geboren 3 van der stat syracusana, 4 ir moder heiz evticia. Text und Kommentar: van S’ lvcien 113 191 dem] am Rand nachgetragen. 187 188 186- 188 vorleiz] wahrscheinlich von mnd.vorlaten, von sich geben, verlassen (i bezeichnet Länge). iach] mnd. iach (mhd. gach), schnell. Dieser Satz ist nicht ganz klar. In der LA heißt es: 175 Que quasi in loco frigido mansit nec modicum saltem sudoris persensit. («Sie verharrte (darin) wie an ein einem kalten Ort und fühlte nicht einmal ein wenig Schweiß.») Sinngemäß bedeutet der mnd. Satz demnach: «Das schadete ihr jedoch nicht, denn ihr Körper gab nicht schnell Schweiß von sich.» Bl. 44v 5 merket, wo ir gescach, 6 do se mit irer moder lach 7 vor svnte agathen grave 8 vnd bat solker gave 9 vm irer moder genesen. 10 de hadde sek gewesen 11 an dem blode verzein iar, 12 daz de arzet nicht ein har 13 ir gevromen kvnden. 14 se vntslep an den stvnden. 15 Svnt agathen se sach 16 mang den engelen, de sprach: 17 «Lvcia, leve swester min, 18 ia machtv de moder din 19 selve wol geweren, 20 des dv van mir kanst geren. 21 dv dorft nicht bidden, nv gebvt! 22 dv bist god ein lever brvt. 23 sich, din wil ist vullengan! » 24 Lucia sprak ir moder an: 25 «vnkvscheit bin ich gram. 26 dv salt mir minen brvdegam 27 nymber mer genennen. 28 ichn wil man bekennen, 29 de wil ich mach geleven». 30 al ir gvt began se geven 31 den armen al zo hant. 32 da daz ir amis bevant, 33 he wrochde se mit listen. 34 he sprak, se were cristen, 35 des lochnede se doch neit. 36 paschasius de richter heit, 37 dar ward bericht vnd vraget, 38 dar ward rede vil gesaget. 114 Edition 35 doch] am Rand nachgetragen. 21 21-23 33 gebvt] Imperativ von mnd. bêden stv (2./ 3. P. Präs. auf u/ ü), bieten, anbieten, gebieten, befehlen. Übersetzung: «Du brauchst nicht bitten, nun gebiete selbst! Du bist für Gott eine geliebte Braut. Siehe, dein Wille ist erfüllt.» (vgl. auch K 38, 265). Der Text der LA lautet: 11 Soror mea Lucia, uirgo deo deuota quid a me petis quod ipsa poteris prestare continuo matri tue? wrochde] mnd. wrogen/ wrugen swv, rügen, anklagen, anschuldigen. Bl. 45r 39 dvs ende sich der worde kif: 40 he heiz se de varenden wif 41 an ir bose hvs zen, 42 daz al de lvde gemen 43 mit ir mochten svnden. 44 se ward zo den stvnden 45 van goddes macht so swar, 46 daz se van der stede dar 47 neman regen mochte, 48 swo vel man daz besochte. 49 do spennen sich an 50 zo tende manich stark man 51 vnd ossen manich ioc. 52 in allen wart des broc. 53 de richter machen dede 54 ein groz vur an der stede. 55 vf ir lif gegoten wart 56 heiz pec, oley vnd hart. 57 dar inne stvnt de maget 58 gesvnt vnd vnvorzaget. 59 de richter do ne wiste 60 nicht mer arger liste, 61 vorzagen her began. 62 do steiz ein boser man 63 dvrch ir kelen ein swert. 64 noch so stvnt se vnvorvert 65 vnd wissagede daz ding, 66 daz vil scere vullenging: 67 went de romer qvamen, 68 paschasium de namen 69 vnd slogen af sin hovet. 70 he hadde vil gerovet. 71 Lucia blef noch stande, 72 went al daz volc gande Text und Kommentar: van S’ lvcien 115 51 52 64 ioc] gemeint ist Joch. In der LA heißt es: 63 multa paria boum. B enz übersetzt: «etliche Joch Ochsen» (Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine, S. 41). broc] mnd. broke, brôk m, Gebrechen, Mangel, Abgang (einem wirt brok eines dinges, jemandem gebricht es an etwas). mnd. vnvorvert, uneingeschüchtert, unerschrocken. Bl. 45v 73 vnd de prester qvamen 74 vnd goddes lichamen 75 ir gaven vnde goddes segen. 76 se blef dar al vmbewegen 77 vnd wart al dar begraven 78 vnd ein sticht irhaven 79 an goddes vnd ir ere, 80 dar eret man se sere. 81 hir endet sich diz mere. van S’ agneten 1 2 S vnte agnes, de vil edele maget, so de scrift vns saget, 3 de led der martyr sware 4 an dem dritt[ ]egeden iare: 5 der iar ein kint - der sinne gra. 6 horet nv, wo daz gesca: 7 do se van der scole qvam, 8 irer scone ware nam 9 des richters sone. 10 de began ir vil scone 11 presant beden vnde loven 12 vnde began sere doven 13 vnd qvelen an dem sinne 14 vnd ringen nach ir minne, 15 daz her brachte dvren solt, 16 want, steine, silver, golt 17 vnd bat vm iren vulbort. 18 des blef se alles vmbekort 19 vnd sprak sam de wise: 20 «ga hin, des dodes spise, 21 ein vullemvnt der svnde, 22 der bosheit ein afgrvnde. 23 ich bin anderswa vortrvwet, 24 dar iz mi nene rvwet. 25 her ist verne boven dich, 26 lef, edele, waldich, scone, rich. 27 he gif mir zirade vel 28 an brust, arme, hovet, kel. 116 Edition 4 27 drittegeden] in der Handschrift dritttegeden. vel] durch übergeschriebenes e über unterpungiertem i gebessert aus vil. 12 18 doven] mnd. doven (mhd. toben) swv, toben, lärmen. Übersetzung: «von alledem blieb sie unbeeindruckt». Bl. 46r 29 de hat ok gecleidet me 30 van golde mit cyclade, 31 dar bin ich an gesmvcket. 32 an min antliz ist gedrvcket 33 siner leve warzeken, 34 des mach mir beweken 35 nechein ander minne. 36 min wengel • vnd kinne 37 sin gevarwet gar 38 van sinem blote rosen var. 39 diz ist dir, de mir behaget. 40 sin moder ist ein reiner maget, 41 sin vader einich wibes, 42 dem ge ich mines libes. 43 he vnd ich wir sin voreinet. 44 sin blot hat mir gereinet, 45 an sinem bedde blif ich kvsche. 46 do dv hin dine tvsche! » 47 do de ivnge desse wort 48 vnd noch mer hadde gehort, 49 he vel dar af an vmmacht. 50 daz ward vor sinen vader bracht, 51 de sprak der maget selven zo 52 erst vil samfte, sint mit dro. 53 se sprak ir ersten widerrede, 54 do ging iz an den vnvrede. 55 do de richter daz vornam, 56 daz se crist iren brudegam 57 so leflichen nende, 58 he sprak: «des si en ende! 59 bi vnsen godden saltv bliven 60 oder mit den bosen wiven 61 gemein an irme hvs». 62 agnes sprak aldvs: 63 «ich do der beide nen! » Text und Kommentar: van S’ agneten 117 42 ge ich] in der Handschrift nicht eindeutig getrennt geschrieben. 29f. 34 39 42 In der LA heißt es: 16 [...] induit me ciclade auro texta. Das Wort cyclas, adis f kommt aus dem Griechischen und bezeichnet das (mit Purpur, Gold oder Perlen verzierte) Gewand der römischen Frau. Die Übersetzung übernimmt hier das Wort aus der LA und verwendet nicht die mnd. Form sickeltun. beweken] mnd. beweken (mhd. bewegen) swv, erweichen, zu etwas bewegen (vgl. At 31 und 52). dir] dirre, dieser. dem ge ich mines libes] In der LA steht: 17 [...] iam corpus eius corpori meo sociatum est. Wahrscheinlich liegt das mnd. Verb gên (mhd. jên/ jehen) zugrunde, mit Dat. und Gen. auch «jemandem etwas zu eigen geben». Bl. 46v 64 ir cleider lez her afzen 65 vnd an daz hvs trecken. 66 dar began se baz decken 67 den ir cleider ire har. 68 en engel vant se dar, 69 de gaf dar solik lecht, 70 daz nein der svnden knecht 71 dar lengere ne blef. 72 ir brvdegam dar in dref 73 de iungen bazelere 74 zo der maget vnere, 75 de vlon dannen vorzaget. 76 do grep her selve de maget 77 alzo vrevelichen an. 78 des vord ine dan 79 de dvvel an der stede, 80 dem he denest dede. 81 de vader do vil sere 82 vnderquam der mere 83 vnde bat sich geneten 84 des bedes svnt agneten 85 vmme sines sones leven, 86 daz ward im gegeven 87 van der iuncvrowen werde. 88 de vader sich bekerde 89 vnd wolde se losen. 90 hen dorste vor den bosen, 91 des ging her rvwich danne. 92 sinem ammecht manne 93 paschasio herz beval. 94 do her se lengest qval, 95 ein vur her machen heiz, 96 dar in man se steiz, 97 se blef doch vnvorbrant. 98 de vlamme doch vorslant, 99 de dar vmme stvnden 118 Edition 73 bazelere] mhd. batzelêre, ba(t)schelier (afrz. bachelier), Knappe, junger Ritter; das Wort hat in der LA keine Entsprechung, dort ist nur von iuvenes die Rede: 33 Prefecti autem filius cum aliis iuuenibus ad lupanar uenit et eos ad ipsam prius inuitauit [...]. Bl. 47r 100 vnd ir der pine gvnden. 101 do stez man dvr ir kelen 102 ein swert. ire qvelen 103 aldvs ein ende nam. 104 do iz al so verne qvam, 105 daz ir vrvnt se begroven, 106 de heiden irhoven 107 groz werpen mit gewalt. 108 ¶ emerenciana dez bescalt, 109 ein edele iuncvrowe 110 an dem loven ok nowe, 111 des wart se gesteinet, 112 mit agneten voreinet 113 an dode vnd an grave. 114 do irhof sich dar ave 115 ein doner vnd erdbeven, 116 des vorlos dar sin leven 117 manich heiden van der rede. 118 sint wart dem grave vrede. 119 ¶ do de vrunt, so man plach, 120 helden den achteden dach 121 bi dem grave dare, 122 do qvam ein megede scare 123 an einem finem danze 124 mit gvldeneme swanze 125 vnd agnete dar mede 126 an den cleideren vnde sede, 127 ein lam snewiz bi ir. 128 se sprak: «sit vro mit mir! 129 aller sorge bin ich vrie. 130 seth, mit disser kvmpanie 131 sal ich daz himelriche 132 besitzen ewichlike! » 133 dvrch diz wnder man begeit, 134 daz man doch selzen deit, 135 iren achteden dach. Text und Kommentar: van S’ agneten 119 108 124 122- 127 bescalt] Prät. von mnd. beschelden stv, schelten, tadeln, ein Urteil für unrichtig erklären und Appellation einlegen. swanze stm, tanzartige Bewegung, Schleppe, Schleppkleid (v.a. für den Tanz). Der Sinn des Satzes wird durch Vergleich mit der LA deutlicher: 52 [...] uiderunt chorum uirginum uestibus aureis radiantem inter quas uiderunt beatam Agnetem simili ueste fulgentem et a dextris eius agnum candidiorem niue stantem. Dementsprechend kann man übersetzen: «Da kam eine Schar von Jungfrauen in einem schönen Reigen mit goldenen Schleppen und unter ihnen Agnes in gleichen Kleidern und gleicher Weise, ein schneeweißes Lamm bei sich.» Bl. 47v 136 vile zeken dar gescach, 137 so man vindet hir nach. 138 ¶ diz wnder daz scach sint: 139 astancia, constantines kint, 140 irer svke dar genas, 141 de meselsvchtich was. 142 do se de gnade vornam 143 vnd zo dem grave qvam 144 vnd ire bed dar dede, 145 do vntslep se dar mede. 146 do qvam agnes vnd sprak: 147 «wltv dinen vngemak 148 vil scere vorwinnen, 149 so saltv cristum minnen! » 150 do se van slape irstvnt, 151 do was se wol gesvnt 152 vnd blef dar ymber mere. 153 an svnt agneten ere 154 lez se bvwen scere dar 155 ein closter scone vnd clar 156 vnd nam zo sich dar in 157 ander reine megetin 158 dvrch der sele gewin. van S’ agathen 1 2 S vnt agathe, so de scrift saget, was ein edele scone maget 3 vnd dogenthaft dar bi 4 an der stat katanensi. 5 des landes richter qvincianus, 6 des levent stvnt aldvs: 7 he was zo alles voren 8 vnedele geboren, 9 gyrich vnd vnkvsche. 10 der afgodde tvsche 11 was he gar vndertan. 12 agatham lez her van 13 vnd dachte sich dvs machen 14 einen namen van den sachen, 120 Edition 138 139 Paragraph durch Punkt markiert, Rubrizierung aber nicht ausgeführt. astancia] erster Buchstabe undeutlich. In der LA heißt sie Constantia (55ff.). 7 zo alles voren] vgl. MM 70f.: se sach got zo alles vorn/ nach dode (dort als Übersetzung für lat. primo: 32 [...] cui Christus resurgens primo apparuit [...]). Bl. 48r 15 of im dar an gelvnge, 16 daz her de richen dwnge. 17 nach langer rede he do hez, 18 daz man agathen beslez 19 mit einem bosen wibe da, 20 geheizen effrodysia, 21 de nicht erger mochter. 22 de hadde ok negen dochter, 23 na der moder wol geslagen. 24 se waren alle bose zagen. 25 den bosen wart bevolen daz, 26 daz se svnder vnderlaz 27 dritzich dage besochten, 28 of se se keren mochten, 29 sinen willen zo dvnde. 30 mange wis so begvnde 31 se beweken mit listen, 32 mit lovede, waz se wisten, 33 daz ein herze bekoren 34 machte, daz warp in ir voren. 35 do daz alliz nicht vorving, 36 an de drowe iz do ging, 37 de was groz vnd ovel vil. 38 daz was ir doch ein spil 39 vnd achtede iz vil cleine. 40 zo den argen sprak de reine: 41 «iz ist mir allez als ein stof - 42 geven, drowe, lof 43 vnd alle iuwe qvade list. 44 ich han gebvwet vppe crist, 45 mines herzen vullemvnt. 46 daz ne mach zo neiner stvnt 47 wint, storm, noch regen 48 gevellen noch bewegen! » 49 affrodysia do sprak Text und Kommentar: van S’ agathen 121 30 34 so] Verschreibung aus se? warp in ir] in der Handschrift zusammengeschrieben. 21 34 30-34 41 Der Satz ist unklar und ohne Entsprechung in der LA. Vielleicht sollte es lauten: do nicht erger mocht er: «Er (der Richter) hätte es nicht schlimmer (einrichten) können.» voren] mnd. vore f, auch: Art und Weise zu sein, mhd. vâre stf, Hinterlist, Falscheit. Übersetzung: «Auf manche Weise begannen sie, sie umzustimmen, mit Überredungskunst, mit Versprechungen, mit allem, von dem sie wußten, das es ein Herz verführen kann, das betrieb für sie ihre Hinterlist.» mnd. als ein stof achten, für gar nichts (ein Stäubchen) halten. Bl. 48v 50 Qvinciano: «man mak 51 ysern, • stal, • herde steine 52 baz beweken, den en cleine 53 desser maget mote keren 54 van cristo, irme heren.» 55 daz was al der maget gere, 56 daz se worde ein martere. 57 do qvincianvs daz horde, 58 he sprak se an mit list 59 vnde mit drowe dar nach. 60 nach langer rede he sprach: 61 «nu kes ein an zwen dingen: 62 dv salt vnsen godden bringen 63 offer oder dv most sterven. 64 der zwier ein saltv werven». 65 se sprak: «mir ist vmmare 66 din dro vnd al din sware. 67 vur, waffen, dere, pine, 68 de can al de here mine 69 semften vnde stillen. 70 dv ne kanst minen willen 71 mit neiner diner kvnst 72 gezen van goddes gvnst! ». 73 de richter ward so vorstort 74 daz her van scame nen wort 75 antwarden ne kvnde 76 vnd heiz, daz man se bvnde 77 an einen recke remen. 78 zo iungest lez he nemen 79 yserne, de man stez 80 dvrch ir brust, vnd hez 81 zolest se afsniden. 82 daz kvnde wol irliden 83 de werde goddes maget 84 vnde sprak al vnvorzaget: 85 «eya vmbarmiche tyran [...] 122 Edition dv als Reklamant am rechten unteren Blattrand. 51 77 ysern stn, Eisen, besonders das verarbeitete Eisen, eiserne Waffe, Rüstung. recke remen] ohne Entsprechung in der LA; recke, Reck, Stange. mnd. remen fm, Band, Riemen oder swv, riemen, mit Riemen binden. Übersetzung: «...und er befahl, daß man sie fesseln (und) mit Riemen an ein Reck binden sollte.» Eine Vorstellung vermittelt die Darstellung des Agatha-Martyriums im Wienhäuser Nonnenchor (vgl. Abb. 25). 4. Analyse 4.1 Die Meßerklärung van der missen und en narede der missen 1 4.1.1 Quellenfrage und Ziele der Analyse Da der Meßerklärungstext 2 - wie noch zu zeigen sein wird - inhaltlich und methodisch den lateinischen Gattungstraditionen verpflichtet ist, darf man annehmen, daß auch diesem lateinische Quellen zugrunde liegen, sei es direkt oder über die Vermittlung einer deutschsprachigen Vorlage. Das noch immer maßgebliche Werk von Adolph F ranz , ‹Die Messe im deutschen Mittelalter›, 3 bildete den Ausgangspunkt für die Suche nach in Frage kommenden lateinischen Vorlagen und vergleichbaren deutschsprachigen Texten. Eine Sichtung der Meßauslegung des Jacobus de Voragine 4 lag aufgrund des Überlieferungsverbundes mit den Legenden nahe, hat aber zu einem negativen Befund geführt. Der Super Missam-Traktat von Albertus Magnus, der nachweislich einen Einfluß auf den deutschsprachigen Bereich ausgeübt hat, 5 scheidet aus, da er die im Text ausgiebig angewandte allegorische Methode ablehnt. Übereinstimmungen ließen sich jedoch feststellen mit der Schrift von Innozenz III. (Lothar von Segni) und insbesondere mit dem Rationale Divinorum officiorum des Wilhelm Durandus. 6 Beide werden daher zum Vergleich herange- 1 Ich folge in der Analyse der Texte bewußt nicht der Reihenfolge der Handschrift, sondern ziehe den Meßerklärungstext und die Legenden vor. Dies hängt damit zusammen, daß van der kermissen als liturgischer Text und auf der LA basierend einen Sonderfall darstellt, an dem die Analyseergebnisse der anderen Texte überprüft werden können. 2 Im folgenden verwende ich die Bezeichnungen Meßerklärung, Meßauslegung und Meßallegorese synonym, da die gegebenen Erklärungen in erster Linie Auslegungen der liturgischen Handlungen, Geräte etc. sind. 3 F ranz , Adolph: Die Messe im deutschen Mittelalter. Beiträge zur Geschichte der Liturgie und des religiösen Volkslebens. Freiburg i. Br. 1902. 4 J acobus de V oragine : Sermones de Sanctis. (Nr. 305, 306, 307); vgl. dazu F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 669-671. 5 Vgl. I lling , Kurt: Alberts des Großen ‹Super Missam›-Traktat in mittelhochdeutschen Übertragungen. Untersuchungen und Texte. München 1975 (MTU 53). 6 I nnocentius III: De sacro altaris mysterio. PL 217. Paris 1890, Sp. 773-916; G uilelmi D uranti Rationale divinorum officiorum I-IV. Ed. A. Davril et T. M. Thibodeau. Turnhout 1995 (Corpus Christianorum 140). Das Rationale war in Deutschland «noch im 15. Jahrhundert vorwiegend in Form von lateinischen ‹Kurzversionen› bekannt» (F aupel - D revs , Kirstin: Vom rechten Gebrauch der Bilder im liturgischen Raum. Mittelalterliche Funktionsbestimmungen bildender Kunst im ‹Rationale divinorum officiorum› des Durandus von Mende (1230/ 1-1296). Leiden [u.a.] 2000 (Studies in the History of Christian Thought 89), S. 37f.). Analyse Die Meßerklärung zogen, wenn sich dies als sinnvoll erweist. Ein dezidierter Nachweis eines Abhängigkeitsverhältnisses und eine systematisch vergleichende Analyse wird aufgrund des Abstands zwischen dem volkssprachigen und den lateinischen Texten schon ihres unterschiedlichen Umfangs wegen nicht geführt. Der deutlich reduziertere theologische Anspruch der deutschsprachigen Meßerklärung und die Unterschiede in formaler und gestalterischer Hinsicht sind zudem viel zu groß, als daß die Texte wirklich komparabel wären. Darüber hinaus gilt der Einwand, daß die Abhängigkeitsverhältnisse der lateinischen Texte untereinander einen einwandfreien Nachweis erschweren, welcher lateinische Text vorlag oder ob verschiedene Vorlagen kontaminiert wurden. Da es kaum Vorarbeiten gibt, die die Merkmale dieser Gattung herausarbeiten, v.a. was die volkssprachigen Texte betrifft, geht es in der folgenden Untersuchung auch um eine inhaltliche Bestandsaufnahme und das Verhältnis des Textes zu seinem Gegenstand, dem eucharistischen Gottesdienst. 7 In Anbetracht der Tatsache, daß die Meßerklärungen per se didaktische Intentionen verfolgen, 8 steht im Mittelpunkt jedoch die Frage nach den diskursiven Vermittlungsstrategien, mit Hilfe derer die im wesentlichen vorgegebenen Inhalte den Lesern nahegebracht werden, wozu v.a. die auf den ersten Blick ersichtliche Sprecherpräsenz gehört. 9 Es soll sich erweisen, ob sich bestimmte Intentionen fassen lassen, die durch ein eigenständiges ‹poetologisches Programm› umgesetzt werden, das die Meßerklärung gegenüber den Legenden und auch gegenüber den lateinischen Texten auszeichnet. Der Vergleich mit anderen Meßauslegungen ist dabei hilfreich, um den Blick für die Besonderheiten des 124 Analyse 7 Besonders hinzuweisen ist hier auf die Arbeit von Christoph P etersen : Ritual und Theater. Meßallegorese, Osterfeier und Osterspiel im Mittelalter. Tübingen 2004 (MTU 125). Speziell zum Wienhäuser Text vgl. M attern , Tanja: Liturgie im Text. Vermittlungsstrategien der Wienhäuser Messallegorese. In: Medialität des Heils im späten Mittelalter. Hrsg. v. Carla Dauven-van Knippenberg, Cornelia Herberichs u. Christian Kiening. Zürich 2009 (Medienwandel - Medienwechsel - Medienwissen 10), S. 217-239. 8 Christoph P etersen (Ritual und Theater, S. 59ff.) beschäftigt sich intensiv mit der Frage nach den Intentionen dieser Textgattung im lateinischen Bereich. Gestützt auf entsprechende Textaussagen sieht die Forschung das Ziel der Texte meist in der Verbesserung der unzureichenden Kenntnisse der Kleriker über die kaum aus sich heraus verständlichen liturgischen Zeichen. P etersen weist dagegen darauf hin, daß es nicht nur um Verstehbarkeit, sondern auch um Bedeutsamkeit, ‹Rationalisierung› und Genese der Messe gehe und daß diese Auslegungen für jemanden, der die liturgischen Zeichen nicht verstehe, kaum nachvollziehbar seien. 9 Im folgenden spreche ich von dem Leser/ den Lesern bzw. dem/ den Rezipienten, ohne damit die Möglichkeit des mündlichen Vortrags ausschließen zu wollen. Ich verwende für die Meßerklärung außerdem den Terminus ‹Sprecher› analog zu dem Terminus Erzähler, d.h. es ist eine Textfunktion gemeint, die ebenso wie die des Erzählers vom Verfasser zu unterscheiden ist. Da es sich nicht um einen epischen Text handelt, erscheint mir der Terminus Sprecher treffender. Textes zu schärfen, und bisweilen haben sich Verständnisprobleme bei der Lektüre der ausführlicheren lateinischen Werke gelöst. 10 4.1.2 Textaufbau: Die Stationen der Liturgie und ihre Auslegungen Um den Aufbau des Textes und sein Verhältnis zur Messe transparent zu gestalten, sei die folgende Gliederung vorangestellt. In der Handschrift selbst werden zur Strukturierung Paragraphenzeichen verwendet, die jedoch nur kleinere Einheiten markieren. Eine Einteilung in Großabschnitte, wie ich sie hier zur besseren Übersicht eingefügt habe, 11 wird dagegen weder textintern noch durch paratextuelle Hinweise deutlich. 12 Das hierarchische Verhältnis, der Stellenwert der einzelnen liturgischen Elemente ist daher lediglich der Ausführlichkeit ihrer Behandlung und den Sprecherkommentaren zu entnehmen. Bei der Gliederung ebenfalls berücksichtigt sind umfangreichere Leserapostrophen, erklärende Exkurse und reflexive Passagen; zur Unterscheidung sind sie kursiv gesetzt. 1-8 Einleitung [Die Eröffnung] 9-58 Die Kleidung des Priesters: amictus, albe, cingulum, manipulus, stola, casula 49-53 Die Kleidung des Bischofs 59-68 Ablution 69-120 Einzug mit: Begrüßung des Altares Inzensierung Sündenbekenntnis Introituspsalm 121-138 Kyrierufe 139-159 Gloria 160-172 Begrüßung: Dominus vobiscum 173-236 Oration/ Collecta 183-196 Exkurs: Die Himmelsrichtung Osten Die Meßerklärung 125 10 Um die Frage nach den Quellen für die Analyse vorerst zu klären, wurde hier einiges vorweggenommen, was ausführlicher in Kap. 5.1 zur literarhistorischen Einordnung besprochen werden wird. 11 Ich richte mich nach der Einteilung von J ungmann , Josef Andreas: Missarum Sollemnia. Eine genetische Erklärung der römischen Messe. 2 Bde. Wien 1948. 12 Die mittelalterlichen Meßerklärungen verwendeten, wenn überhaupt, unterschiedliche Einteilungen, vgl. F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 334 und 460; J ungmann : Missarum sollemnia I, S. 145f. [Der Wortgottesdienst] 237-247 Epistellesung 248-306 Zwischengesänge 249-259 Graduale 260-282 Halleluja 283-288 Sequenz 289-306 Tractus 307-413 Evangelienlesung mit Evangelienprozession Dominus vobiscum gloria tibi, Domine vier Kreuze Kreuz und Kuß des Evangeliums Überbringung von Weihrauch und Evangelium an den Priester 365-380 Exkurs: Die Himmelsrichtung Norden 414-425 Credo [Das Offertorium] 426-436 Offertoriumsgesang und Opfergang mit Adhortation 437-469 Bereitung des Altars und der Gaben Mischen von Wasser und Wein Corporal Kelchtuch 470-502 Exkurs: Bedeutung von Wein und Brot 503-513 Silentium 514-522 Ablution 523-537 Inzensierung 538-544 Verbeugung vor dem Altar 545-566 Orate fratres 567-578 per omnia saecula saeculorum [Der Canon actionis] 579-662 Einleitungsdialog Sursum corda mit Adhortation Gratias agamus 603-662 Leserapostrophe 663-672 (Präfation) cum quibus et nostras voces 673-692 Sanctus und Benedictus 693-704 Exkurs: Die drei Sprachen der Messe 705-800 Exkurs: Bedeutung von Segen und Kreuz 801-808 Wandlungsglocke 809-849 Silentium 126 Analyse 850-874 Sprecherreflexion 875-878 Kuß 879-882 Bitte um Annahme der Gaben (Te igitur) 883-894 Fürbitte für die Lebenden 895-901 Gemeinschaft der Heiligen (Communicantes) 902-905 Fürbitte für die Toten 906-909 Die 22 (Kanon)kreuze 910-915 Sprecherreflexion 916-1172 Die Wandlung mit Einsetzungsbericht Elevation von Kelch und Hostie Nobis quoque Schlußdoxologie (per omnia saecula) 937-1046 Exkurs: Die Wandlung 1060-1078 Leserapostrophe zur Elevation 1107-1136 Leserapostrophe [Der Kommunionkreis] 1173-1230 Pater noster 1196-1208 Notwendigkeit des Betens 1231-1241 Silentium 1242-1254 Kreuz mit der Patene und Kuß 1255-1266 Brechen des Brotes 1267-1272 Pax Domini 1273-1287 Agnus Dei 1288-1307 Friedenskuß (peze) 1308-1314 Kommunion 1315-1322 Ablution 1323-1327 Kommunionspsalm [Der Schluß] 1328-1335 Schlußoration (Collecta) 1336-1352 Ite missa est 1353-1354 Benedicamus 1361-1370 Segen 1371-1378 Benedicite 1379-1385 Abschluß 1386-1390 Schlußgebet Die Meßerklärung ist in der Handschrift zwischen van der kermissen, zu der durch den Rückverweis in der Einleitung ein Bezug hergestellt wird, und en narede der missen positioniert, die sich als ganze auf den Text van der missen bezieht; sie steht also nicht isoliert, sondern in einem inhaltlichen wie konzeptionellen Zusammenhang mit ihrer Umgebung. Die Meßerklärung 127 Vergleicht man die Meßerklärung mit der mittelalterlichen Liturgie, 13 stellt sich heraus, daß alle wichtigen Stationen mit ihrem (lateinischen) Fachterminus benannt und erklärt werden. Von den Meßtexten werden die lateinischen Anfangs- oder Schlußworte zusammen mit ihrer wörtlichen oder sinngemäßen Übersetzung angegeben, wie beispielsweise in den folgenden Versen: hir na grot de prester de, de in stat dar vm vnde spricket: «dominus vobiscum». daz spricht, daz got mit in si. (Ms 160-163). Nicht selten ist die Übersetzung gegenüber dem lateinischen Stichwort erweitert oder geht in eine Erklärung der Bedeutung über. Verschiedentlich sind Teile ausgelassen oder sie werden gekürzt, worauf der Sprecher auch immer wieder explizit hinweist. 14 Insbesondere die vom Priester zu sprechenden Texte sind von den Kürzungen betroffen. Dies ist für die mittelalterlichen Meßerklärungen jedoch nicht ungewöhnlich, da sie sich v.a. auf die Erklärung der Handlungen konzentrieren. 15 Die Beschreibungen des eigentlichen Meßgeschehens, die - bis auf Ausnahmen 16 - der Reihenfolge der Meßliturgie folgen, nehmen einen eher geringen Teil des Textes ein. Den weitaus größeren Raum beanspruchen die Auslegungen, erklärenden Exkurse und die Leserapostrophen. Die Auslegungen lassen sich differenzieren in die verschiedenen bekannten Arten der Allegorese: die rememorative, die typologische, die anagogische und die tropologische. 17 Auch doppelte Auslegungen kommen 128 Analyse 13 Völlig einheitlich ist diese natürlich nicht gewesen. Zugrunde gelegt werden J ungmann : Missarum sollemnia I und II; K unzler , Michael: Die Liturgie der Kirche. 1. Aufl. Paderborn 1995 (AMATECA. Lehrbücher zur katholischen Theologie X); M eyer , Hans Bernhard: Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral. Mit einem Beitrag v. Ingrid Pahl. Regensburg 1989 (Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft 4) und D ers .: Die Elevation im deutschen Mittelalter und bei Luther. Eine Untersuchung zur Liturgie- und Frömmigkeitsgeschichte des späten Mittelalters. In: Zeitschrift für katholische Theologie 85 (1963), S. 162-217. Vgl. auch M etzger , Marcel: Geschichte der Liturgie. Aus dem Franz. v. Andreas Knoop. Paderborn [u.a.] 1998. 14 Ms 54-58, 91f., 172, 502, 566, 689-692, 878, 928, 1161-1163, 1224-1226, vgl. auch Ms 850ff. und 910ff. 15 Der Text geht aber durchaus über die Grenzen der Belehrung des Volkes, so der von F ranz (Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 631) genannte Titel einer Grazer Handschrift von etwa 1300, hinaus. «Danach soll dieselbe sich beschränken auf die Erklärung der priesterlichen Meßkleider, der äusseren Gebärden, wie der Küsse, Wendungen zum Volke, Inklinationen, Kreuze, Veränderungen der Stellung am Altare, der ganze Ritus aber soll dem Volke als eine Darstellung des Leidens Christi erklärt werden» (ebd.). 16 Die Ablution erfolgt nach dem Anlegen der liturgischen Gewänder anstatt umgekehrt, dies ist aber auch bei Durandus so (RDO IV, III, S. 259-262). 17 Vgl. K unzler : Die Liturgie der Kirche, S. 282; J ungmann : Missarum sollemnia II, S. 113. Als Beispiel für die rememorative Auslegung vgl. Ms 139-153, für die typologische Ms 727-738, für die anagogische Ms 273-278, für die tropologische Ms 585-590. vor. 18 Der Schwerpunkt liegt auf den rememorativen Bezügen zum Leben und Sterben Christi. Dies wird besonders deutlich bei den Priestergewändern: Während in den ausführlicheren Meßerklärungen von Innozenz III. und Durandus die einzelnen Kleidungsstücke mit verschiedenen Bedeutungen belegt werden, 19 greift der Verfasser 20 hier nur jeweils eine heraus, die alle der Verspottung und Geißelung Christi entnommen sind, so daß sich eine geschlossenere, einprägsamere, aber auch eindimensionalere Deutung ergibt. Die typologischen und rememorativen Teile stellen narrative Einsprengsel innerhalb des präsentischen Nachvollzugs der liturgischen Handlung dar und sind auch entsprechend gestaltet: Ihr Tempus ist das Präteritum, häufig enthalten sie wörtliche Rede und haben szenischen Charakter. 21 Dies zielt auf Anschaulichkeit und Vergegenwärtigung des jeweiligen memorierten Geschehens: Intentionen, die die lateinischen Texte, die üblicherweise den Zusammenhang nur benennen und das entsprechende Bibelzitat einfügen, nicht oder nicht in gleichem Maß verfolgen: de missakel dudet dat Hec etiam uestis representat purpurvare cleit, purpureum uestimentum quo daz godde wart angeleit, milites circumdederunt Iesum, do se repen im zor hone: Io. xix. «seth, diz ist goddes sone! » (RDO III, VII, 5) (Ms 44-48). Der Übergang zwischen Beschreibung der Meßhandlung und ihrer Bedeutung wird zumeist durch entsprechende Formeln markiert. Sie durchziehen den ganzen Text in großer Zahl: Das Verb me(i)nen kommt insgesamt 27 mal vor, 22 das Verb (be)duden sogar 32 mal; 23 außerdem, wenn auch deutlich seltener, finden die Verben (ir)manen, segen und irziugen 24 Verwendung sowie Die Meßerklärung 129 18 In Ms 217-236 wird beispielsweise eine rememorative mit einer typologischen Auslegung kombiniert. Gegenüber den lateinischen Texten sind solche Mehrfachdeutungen aber deutlich reduziert, die Erklärung wird damit insgesamt verständlicher. Dies unterstützt Christoph P etersen s These, daß die Mehrfachdeutungen und der durch sie erzeugte «Bedeutungsüberschuß» eher eine kundige Leserschaft voraussetzen (Ritual und Theater, S. 61). 19 SAM I, X-LXV; RDO IV, III. 20 Hier und im folgenden wird im Bezug auf den Verfasser bzw. Übersetzer jeweils die männliche Form verwendet im Sinne einer reinen Funktionsbezeichnung, da ich erst später die Frage nach einer möglichen weiblichen Verfasserschaft diskutieren möchte, ohne damit die Verfasserschaft durch eine Frau ausschließen zu wollen. 21 Christoph P etersen spricht in diesem Zusammenhang daher von der «narrativer Kohärenz» der Meßerklärung, die an die Stelle der «rituellen Kohärenz» der Messe trete (Ritual und Theater, S. 69). 22 Ms 13, 75, 168, 251, 263, 292, 318, 350, 375, 383, 389, 442, 519, 525, 535, 600, 706, 749, 1061, 1171, 1232, 1245, 1312, 1329, 1343, (1354), 1365. 23 Ms 44, 60, 87, 93, 97, 110, 214, 223, 241, 283, 454, 505, 516, 546, 576, 681, 701, 717, 792, 810, 811, (820), 1052, 1144, 1150, 1167, 1250, 1269, 1288, 1301, 1333, 1356. 24 (ir)manen: Ms 22, 32, 38, 789, 1291; segen: Ms 28, 460, 1316; irziugen: Ms 1369 und außerdem noch daz/ diz ist: Ms 141, 259, 427. kompliziertere Wendungen wie des ist der sang/ der kus ein bode (Ms 154, 406), diz bild vns irwecket (Ms 220), got dede selve also (Ms 324), was disse wort spreken (Ms 689) und vns lart (Ms 784). Auch die Übersetzungen werden häufig ähnlich eingeleitet. 25 Durch die Vielzahl dieser Formeln wird die Differenz zwischen dem eigentlichen Geschehen und seiner Bedeutung beständig präsent gehalten; der Leser wird dadurch immer wieder an der Bewegung zwischen der Handlungs- und der Bedeutungsebene beteiligt, und die Erklärungen werden stets an die Auslegungskompetenz des Sprechers gebunden. 4.1.3 Die Messe als «schaubares Zeremoniell»: 26 Chronologie und Visualisierung der liturgischen Abläufe Die Handlungsfolge der Messe, darauf wurde bereits hingewiesen, gibt die chronologische Struktur des Textes vor. Bei kaum einer der liturgischen Handlungen fehlt der Hinweis, ob sie zeitlich nach der vorhergehenden abläuft 27 oder gleichzeitig erfolgt. 28 Parallel zu dieser zeitlichen Orientierung werden die bedeutungstragenden Bewegungen im Raum mitvollzogen: zo dusgetanen bede wandelt man de stede (Ms 207f.) hir na begint sich keren de prester zo der rechten hant (Ms 1328f.). 29 Diese Beachtung und Vermittlung der Raumwie auch der Zeitstruktur zeugen von der Intention einer exakten Darstellung, die in ihren Abläufen für den Leser nachvollziehbar ist, und belegt das Bewußtsein des Verfassers von deren Bedeutung für das liturgische Geschehen. Besonders deutlich wird dies bei der Wendung des Priesters ostene wart 30 bei der Collecte und bei der des Diakons an daz norden, 31 zu der ‹Evangelienseite›, denn dort folgen jeweils Exkurse über die Bedeutung der Himmelsrichtungen Osten (Ms 185-196) und Norden (Ms 366-380). 32 Es werden jedoch nicht nur die räumlichen Bewegungen der 130 Analyse 25 daz spricht (Ms 163), diz het (Ms 177), daz dudet sich (Ms 199), diz spricht (Ms 1352). 26 J ungmann : Missarum sollemnia, S. 136. 27 Entsprechende Angaben finden sich in großer Zahl: nach, dar na, nach dissen dingen, zolest, hir na, danne, an dem ende disses bedes, erst und lest, swenne das ist gewesen, zo iungest. 28 disse wile, zo disseme bede, mit den worden, zo dem lesen. 29 Weitere Beispiele dafür sind: zo der linken he sic want (Ms 212), de dyaken steit ho (Ms 323), de dyaken, de gekart/ iegen den kor, spricht zo lest (Ms 1336f.), so seth man noch den prester stan vor dem alter (Ms 1372f.). 30 Ms 184. 31 Ms 365f. 32 Zur Bedeutung der Himmelsrichtungen vgl. S untrup , Rudolf: Die Bedeutung der liturgischen Gebärden und Bewegungen in lateinischen und deutschen Auslegungen des 9. bis 13. Jahrhunderts. München 1978 (Münstersche Mittelalter-Schriften 37), S. 224- am liturgischen Geschehen beteiligten Personen nachvollzogen, sondern auch ihre Handlungen und ihre Gesten. 33 Auch daß die Darstellung der Priester- und Bischofsgewänder zu Beginn relativ ausführlich ausfällt, läßt sich im Kontext einer angestrebten Visualisierung sehen, die besonders deutlich bemerkbar wird in den expliziten deiktischen Verweisen des Sprechers auf das optisch wahrnehmbare Geschehen innerhalb des imaginierten Kirchenraums: So seth man den dyaken ver cruze dar maken (Ms 347f.) 34 nu moge ie vorbaz sen (Ms 538) des presters gesichte (Ms 803). Zweimal wird das Geschehen am Altar «stillgestellt» und als Bild bezeichnet: diz bild vns irwecket (Ms 220) nach dissem bild aldus sol wir gande zo hus (Ms 1379f.). Die Aufforderung zum ‹Schauen› bei der Elevation der Hostie 35 hat doppelten Charakter. Nicht nur die Hostie als solche soll betrachtet werden, sondern über das sinnlich Wahrnehmbare hinaus soll in ihr Gott geschaut werden: Die Meßerklärung 131 240; M uschiol , Gisela: Liturgie und Klausur. Zu den liturgischen Voraussetzungen von Nonnenemporen. In: Studien zum Kanonissenstift. Hrsg. v. Irene Crusius. Göttingen 2001 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 167; Studien zur Germania Sacra 24), S. 129-148, hier S. 144-147. Daß diese Himmelsrichtungen besonders hervorgehoben werden, erklärt sich wohl daraus, daß sie die «Zweiwegsituation» des Menschen zwischen Sündenfall im Norden und dem Licht bzw. der Güte Gottes im Osten markieren, wie Barbara M aurmann in Bezug auf Hildgards von Bingen Scivias erläutert (Die Himmelsrichtungen im Weltbild des Mittelalters. Hildegard von Bingen, Honorius Augustodunensis und andere Autoren. München 1976 (Münstersche Mittelalter-Schriften 33), hier S. 70ff. Zur Bedeutung der Himmelsrichtungen in der Liturgieauslegung vgl. ebd., S. 128-187). 33 Z.B. Ms 71-73, 317f., 347f., 349, 393-395, 514f., 523f., 539-541, 1243f., 1292f., 1315f., 1332. 34 Ähnlich: so seth man echt den dyaken/ nach dem lese ein cruze maken (Ms 393f.), so seth man den prester nemen/ de patenen (Ms 1248f.), so seth man noch den prester stan (Ms 1372). 35 Peter B rowe (Die Verehrung der Eucharistie im Mittelalter. München 1933, S. 49) nennt als Grund für die Einführung der Elevation die zurückgegangene aktive Beteiligung der Gläubigen und sieht in ihr den Ausgangspunkt eucharistischer Frömmigkeit. Auch H. B. M eyer weist darauf hin, daß «das Anschauen der Hostie als eine Art geistliche Kommunion» verstanden wurde und den Gläubigen die Möglichkeit zum Schauen gab, etwa durch das Öffnen der Chorschranken oder das Zurückziehen der Altarvorhänge (Die Elevation im deutschen Mittelalter, S. 176f.). Christoph P etersen bezeichnet «die Einführung und Ausgestaltung der Hostien-Elevation als (sichtbaren) Anzeichens der (unsichtbaren) Transsubstantiation» als eines von verschiedenen «Überbrückungsphänomenen» für die «Kluft zwischen der Materialität der Zeichen und ihrer der Materialität selbst nicht ablesbaren Bedeutung» (Ritual und Theater, S. 17f.). Zur Entstehung und sich du man vnde vrowe, dinen got du hir scowe (Ms 1065f.) scowe, minsche (Ms 1073). Die liturgiegeschichtlich noch junge Elevation der Hostie stellte den Höhepunkt der Messe dar, dem die Gläubigen einen besonderen Stellenwert beimaßen. Die Betonung des Visuellen und die Rolle der Leser als ‹Zuschauer› der Messe entspricht der Charakterisierung des mittelalterlichen Meßverständnisses bei Josef A. J ungmann und Hans B. M eyer : «Die Messe wird als heiliges Schauspiel betrachtet, das sich vor den Augen aller Teilnehmer abspielt», 36 «ehrfürchtiges Schauen» kennzeichnet deren Haltung. 37 Besondere Aufmerksamkeit wird auch den jeweils agierenden Personen gewidmet. Selten werden Pronomen oder das unpersönliche man so eingesetzt, daß unklar ist, wer gerade die Handlung vollzieht. Die feststehende Rollenverteilung zwischen Priester, Diakon und Subdiakon geht deutlich aus dem Text hervor: Der Subdiakon trägt die Episteln vor, 38 der Diakon liest das Evangelium und spricht den Entlassungsruf. 39 Die umschreibenden Bezeichnungen goddes bode 40 bzw. goddes degen 41 für Priester und Diakon betonen ihre Vermittlerfunktion und erheben sie zu Protagonisten innerhalb des liturgischen Geschehens. Auf die Differenzen zwischen Priester und Bischof wird nur an zwei Stellen eingegangen: 42 In den Versen 49 bis 53 werden die den Bischöfen vorbehaltenen Kleidungsstücke aufgezählt, und in den Versen 563 bis 566 wird auf die aufwendigere Liturgie einer Bischofs- oder Papstmesse hingewiesen, ohne daß inhaltlich darauf eingegangen wird. Dreimal wird explizit die Beteiligung von Ministranten erwähnt: de dener (Ms 437), de zwene, de dar denen (Ms 1243), des presteres kus,/ den de dener vort geven (Ms 1292f.), während an den übrigen Stellen die Ausführenden dieser liturgischen Hilfsfunktionen nicht näher bezeichnet werden. 43 Bei der Bezeichnung der ‹Umstehen- 132 Analyse Ausgestaltung der elevatio vgl. auch R ubin , Miri: Corpus Christi. The eucharist in late medieval culture. 1. Aufl. Cambridge 1991, S. 55-63. 36 J ungmann : Missarum sollemnia I, S. 136. Damit möchte ich mich nicht der These anschließen, «daß sich in der rememorativen Meßallegorese die Auffassung von der liturgischen als einer theatralen Handlung artikuliere». Vgl. dazu Christoph P etersen , der den Vergleich des Honorius Augustodunensis mit kritischem Blick auf diese These analysiert (Ritual und Theater, S. 20-34). 37 M eyer , Hans B.: Messe. In: LMA 6, Sp. 558. Vgl. dazu auch W enzel , Horst: Hören und Sehen. Schrift und Bild, Kultur und Gedächtnis im Mittelalter. München 1995, S. 99f. 38 Ms 246f. 39 Ms 307ff. und Ms 1336-1342. 40 Ms 581. 41 Ms 310, 414, 1362. 42 Bei Durandus und Innozenz spielt dies eine größere Rolle. 43 zwei lecht man dar dreget (Ms 155), man dreget vore, daz ist recht,/ daz rocvaz vnde zwei lecht (Ms 321f.), so bringt man de wirok/ deme prestere vnde bok (Ms 399f.), so let der prester sich geven/ wazers ein cleine (Ms 514f.). den› 44 ist anzunehmen, daß es sich um Übersetzungen des lateinischen circum- (ad)stantes handelt, was nach Josef A. J ungmann 45 alle Anwesenden bezeichnet, ansonsten findet dafür im Text der Begriff lude 46 Verwendung. Daß in den Versen 160ff. die gleiche Gruppe mal als ‹Umstehende›, mal als ‹Leute› klassifiziert wird, spricht dafür, daß beides synonym verwendet wird. Die kontroversen Diskussionen der mittelalterlichen Theologen darum, wer wann und wie oft zur Kommunion gehen soll, 47 umgeht der Text durch die relativ neutrale Formulierung, daß der Priester sie all denen gibt, de dar zo sin bereide (Ms 1311), dabei liegt es allerdings durchaus in der Tendenz des Textes, den Aspekt der Bereitschaft zu betonen. 48 Häufig erwähnt wird der Chor in seiner Funktion im Ablauf der Messe wie z.B. in den folgenden Versen: disse wile sincht aldus/ de kor den introitus/ vnde zwies ouer en (Ms 107-109). Die (lateinischen) Meßgesänge werden hier, wie im Mittelalter üblich, nicht von der Gemeinde, sondern vom Chor übernommen. Dieser bestand bis ins 12. und 13. Jahrhundert aus den im Altarraum anwesenden Klerikern. Mit der zunehmend reicheren Ausgestaltung der Gesänge fiel diese Funktion jedoch einer geschulten Sängerschaft, der Schola cantorum, zu. Dies galt zunächst für die Propriums-, später auch für die Ordinariumsgesänge. 49 In diesem Text wird der Chor ausdrücklich erwähnt bei dem Introituspsalm, 50 dem Graduale, 51 den Antworten des Einleitungsdialogs des Kanons Habemus ad dominum und dignum et iustum est, 52 dem Sanctus, 53 der Schlußdoxologie des Kanons, 54 beim Amen des Pater-noster-Embolismus und beim Deo gratias nach dem Entlassungsruf. 55 Bei den Kyrierufen Die Meßerklärung 133 44 de, de dar vmme stat (Ms 94), hir na grot de prester de,/ de in stat dar vm (Ms 160f.). 45 J ungmann : Missarum sollemnia II, S. 202f. 46 Ms 165f., 545, 1051. 47 Zur Frequenz der Kommunion der Gläubigen vgl. J ungmann : Missarum sollemnia II, S. 437-445; speziell zu den Zisterzienserinnen H einz , Andreas: Eucharistische Frömmigkeit bei den Zisterzienserinnen von St. Thomas nach dem Zeugnis einer um 1300 entstandenen Gebetbuchhandschrift. In: St. Thomas an der Kyll. Zeit und Geist. Beiträge zu der Geschichte der ehemaligen Zisterzienserinnenabtei. Hrsg. v. Bischöflichen Priesterhaus St. Thomas. St. Thomas an der Kyll [1980], S. 89-108, hier S. 94. 48 Zur Kommunionpraxis der Zisterzienser vgl. W ipfler , Esther: «Corpus Christi» in Liturgie und Kunst der Zisterzienser im Mittelalter. Münster 2003 (Vita regularis 18), S. 25-30. Insbesondere den Zisterzienserinnen sagte man einen häufigen Empfang des Sakraments nach. 49 Vgl. J ungmann : Missarum sollemnia I, S. 158 und die Artikel ‹Chor›, ‹Gesang im Gottesdienst› und ‹Kirchengesang, deutscher›. In: Lexikon der Liturgie. Mit Ergänzungen auf Grund der Dekrete des II. Vatikanischen Konzils. Ein Überblick für die Praxis v. Gerhard Podhradsky. Innsbruck [u.a.] 1967, Sp. 59f., 119-121, 167f. 50 Ms 108. 51 Ms 249f. 52 Ms 583f. und Ms 600-602. 53 Ms 677-679. 54 Ms 1169f. 55 Ms 1350-1352. (Ms 124f.), dem Halleluja (Ms 260-262 u. 273f.) und dem Tractus (Ms 295f.), dem Credo (Ms 418), dem Schluß des Offertoriums (per omnia saecula saeculorum Ms 567f.), beim Agnus Dei (Ms 1275f.) und beim Kommunionspsalm (Ms 1323f.) ist dagegen nur von man die Rede. Eine genaue Abgrenzung, etwa gegenüber der Beteiligung der Gemeinde, läßt sich hier nicht vornehmen. Die Beobachtung der genauen Chronologie, der Bewegungen im Raum, der Kleidung und der Gesten des Priesters und der Hinweis auf nahezu alles, was zu hören und zu sehen ist, sind dazu geeignet, das Geschehen vor dem inneren Auge des Lesers ablaufen zu lassen und es präsent zu machen. Der Blick und das Gehör des Lesers werden auf die relevanten Abläufe gelenkt. Textebene und Meßgeschehen werden derart miteinander verschränkt, daß der Leser zugleich auch ‹Teilnehmer› der Messe ist. Die von ihm in der Messe eingeforderten Reaktionen werden durch die präsentische Sprechweise auch schon bei der Textlektüre verlangt. 4.1.4 hir horde glosen vile zo - Auslegungskompetenz und Absicherungsstrategien An keiner Stelle des Textes finden sich konkrete Quellenangaben, nirgends werden Vorlagen und ihre Verfasser namentlich genannt. Dennoch verzichtet die Meßerklärung nicht darauf, sich durch Referenz auf (schriftliche) Quellen abzusichern, indem der Sprecher auf eigenes (van goddes worden ich las Ms 956, als ich las Ms 1271) oder gemeinsames Lektürewissen verweist (wir lesen Ms 392, 522, 529), sich auf die Autorität der meister (Ms 110) oder auf andere nicht näher benannte Quellen (rede Ms 150, merke Ms 147, lik Ms 1005) bezieht. Ein zentraler Begriff ist der der glose 56 , wobei jedoch nicht ganz klar wird, ob damit die eigene Auslegung gemeint ist, eine konkrete Vorlage oder allgemein das gesamte Spektrum an Deutungsmöglichkeiten. Diese Unklarheit entsteht v.a. durch die Personifizierungen (diz deit al de glose scin Ms 1224, daz de glose rort Ms 1259). Der Eindruck entsteht, daß der Sprecher Zugriff auf einen umfangreichen Wissensfundus besitzt (disse sang ist glosen rich Ms 128, daz hat glosen gare vil Ms 167, hir horde glosen vile zo Ms 928), den er dem Leser jedoch nicht (immer) vollständig mitteilt (der glosen ga ich vm Ms 54). Die Formulierung swer daz gloset evene (Ms 1212) betont die Auslegungskompetenz des Sprechers durch die Abgrenzung gegenüber einer falschen Ausdeutung. 57 Auch in der narede und im Text über die Kirchweihe wird diese 134 Analyse 56 Mhd. glôse (von lat. glossa): erklärende Anmerkung, Auslegung (L exer : Mittelhochdeutsches Handwörterbuch I, Sp. 1038). 57 Die Notwendigkeit der Absicherung besteht offenbar auch schon für die lateinischen Meßerklärungen, wie Christoph P etersen anhand des Textes von Amalar von Metz zeigen kann: «Die ratio des Rituals ist also von dessen auctores selbst nicht überliefert worden, sie muß erschlossen werden (und bedarf deshalb einer eigenen Absicherung).» (Ritual und Theater, S. 63). Begrifflichkeit noch einmal aufgegriffen (beglosen N 13, daz hat glosen gare vil Km 167), während sie in den Legenden fehlt. Appelle an das Publikumswissen (de rede ie wol weizen Ms 714) werden ebenso als Versicherung über die Richtigkeit der Aussagen eingesetzt wie das Rekurrieren auf gemeinsames Lektürewissen: so wir lesen (Ms 392, 522, 529). Die Funktion der häufigen Floskel ich wene kann einerseits in der Verstärkung der Bescheidenheit des Sprechers gesehen werden, andererseits aber auch in der Intensivierung des Adressatenbezugs 58 und der Suggestion einer abwägenden und damit zuverlässigen Sprecherinstanz. Die Kompetenz des Sprechers und der Quellenbezug offenbaren sich auf anderer Ebene, wenn man den Text mit entsprechenden lateinischen Stellen vergleicht. Den Kürzungen und freien Adaptionen auf der einen Seite stehen sehr genaue Nachahmungen der lateinischen Argumentationen auf der anderen Seite gegenüber: wnders min ist, van ichte Certe majus est creare quod non est, vorwandeln ichtes waz, quam mutare quod est. Ac longe majus, den van nichte machen daz, quod non est, de nihilo procreare, daz vore nicht ne was. quam quod est in aliud transmutare. (Ms 952-955) (SAM IV, VII und RDO IV, XLI, 15). Dort, wo es ihm wichtig erschien, hat der Verfasser also durchaus genau übersetzt und über die dazu erforderlichen Lateinkenntnisse verfügt. Anklänge an den Prolog des Innozenz-Textes weist die deutliche Sprecherfiguration mitten im Text auf: ich bin selve nu erst bracht inter medium montium transeuntem dar oven vor den berch. (SAM, Prolog) (Ms 850f.) wer rede daz mich dummen, ? Puteus altus est, in quo hauriam aquam daz ich wod an den vlot, non habeo [...] de ich ne mach noch ne mot (SAM, Prolog) mit sinnen gegrunden [...] iz ist ein dupe sunder grunt. (Ms 856-859, 863) wo dorst ich arm ok mine munt Quis autem novit ordinem coeli, et an den hymel sezen? ponet rationes ejus in terra minsclik sin mach sich lezen, (SAM, Prolog) wo mocht ich vf der erde [...] ? (Ms 864-867). Die Meßerklärung 135 58 Vgl. M ertens , Volker: Verslegende und Prosalegendar. Zur Prosafassung von Legendenromanen in ‹Der Heiligen Leben›. In: Poesie und Gebrauchsliteratur im deutschen Mittelalter. Würzburger Colloquium 1978. Hrsg. v. Volker Honemann [u.a.]. Tübingen 1979, S. 265-289: «die Formel ich wên dient weniger der Relativierung des Berichteten als der Intensivierung des Publikumskontakts» (S. 270). Eine wörtliche Übersetzung liegt hier zwar nicht vor, doch wird deutlich, daß in der Gestaltung dieser selbstreflexiven Passage auf vorhandene Muster zurückgegriffen wurde. Ihre Umstellung an eine strategisch wichtige Stelle, nämlich kurz vor dem Kanon, und ihre Ausgestaltung lassen einen bewußten Umgang mit dieser Rhetorik erkennen, der im folgenden Kapitel ausführlicher behandelt werden wird. 4.1.5 Sprecherfiguration Nicht nur die Rollen der am liturgischen Geschehen beteiligten Personen werden im Text verhandelt, der Sprecher weist auch sich und seiner Leserschaft Funktionen im Ablauf der Messe zu. Es ist zunächst wichtig festzustellen, daß er dabei offensichtlich keinen Unterschied macht zwischen seiner Person und den Lesern. Während er in den explizierenden und adhortativen Textpassagen den Leser bzw. die Leser in der 2. Person anredet (Eya minsche, nu merk/ an dich selven goddes werk Ms 603f., nu seth, waz disse sede/ meine Ms 74f.), spricht er dort, wo es um die Beteiligung an der Messe geht, in der 1. Person Plural, die die Leser offenbar mit einschließt: wer spreken: «her irbarme dich» (Ms 127), des spreke wir allen gader (Ms 1178). Daß die Sprecherfiguration diesbezüglich auch anders sein kann, läßt sich an einer Predigt Bertholds von Regensburg über die Messe zeigen. 59 Er unterscheidet explizit zwischen sich als Kleriker und den angesprochenen Laien und den dadurch unterschiedlichen liturgischen Funktionen: Daz solten die leien singen, daz waere iuwer reht daz ir daz kyrie eleyson singen soltet, und ir muostet ez hie vor singen; dô sunget irz niht glîch unde kundet ez niht wol klenken mit dem dône, unde dô muosten wirz dô singen. (S. 496) Und alsô sult irz iemer mêr in iuwerm herzen wol behalten, sô verstêt ir die messe wol alse wir pfaffen, als verre ez iu nütze ist an der sêle. (ebd.). Während Berthold durchgängig ein hierarchisches Gefälle zum intendierten Publikum aufbaut, 60 wird in diesem Meßtext bei dem wir, das als Subjekt bei den Kyrierufen, 61 dem Sanctus, 62 dem Pater noster 63 sowie dem Agnus Dei 64 136 Analyse 59 B erthold von R egensburg : Von der Messe. In: Berthold von Regensburg. Vollständige Ausgabe seiner Predigten mit Anmerkungen v. Franz Pfeiffer. Mit einem Vorwort v. Kurt Ruh. Bd. 1. Berlin 1965 (Deutsche Neudrucke/ Texte des Mittelalters), S. 488-504. 60 Damit ist die Frage nach den tatsächlichen Rezipienten jedoch noch nicht geklärt, vgl. dazu M ertens , Volker: «Der implizierte Sünder». Prediger, Hörer und Leser in Predigten des 14. Jahrhunderts. Mit einer Textpublikation aus den ‹Berliner Predigten›. In: Zur deutschen Literatur und Sprache des 14. Jahrhunderts. Dubliner Colloquium 1981. Hrsg. v. Walter Haug [u.a.]. Heidelberg 1983 (Reihe Siegen 45/ Publications of the Institute of Germanic Studies 29), S. 76-114. 61 Ms 127-137. 62 Ms 668ff. 63 Ms 1178: des spreke wir allen gader. 64 Ms 1284ff. auftritt, nicht differenziert zwischen Sprecher und Lesern. Auch sonst finden sich keine Hinweise darauf, daß der Sprecher das Geschehen aus klerikaler Perspektive schildert oder sich mit den Klerikern identifiziert; ein predigthafter Gestus ist nur den längeren adhortativen Apostrophen eigen. Das Geschehen scheint vielmehr aus der Perspektive der Gemeinde, also mit Blick auf den Altarraum, visualisiert zu sein. Bemerkenswert hinsichtlich der Blickrichtung ist eine Formulierung beim Ite missa est: de dyaken, de gekart/ iegen den kor, spricht zo lest (Ms 1336f.). Gemeint ist, daß der Diakon zur Gemeinde gewendet ist, so ist es vorgeschrieben und dies belegt auch der Blick in den Durandus-Text, dort steht uultum ad populum. 65 Wenn der Sprecher jedoch, von der üblichen Ostung der Kirche ausgehend, den Blick nach Westen bezeichnen will und dafür den Ausdruck kor benutzt, dann dürfte er dabei an einen Westchor gedacht haben, wie er für die Kirchen von Frauenklöstern üblich und auch in Wienhausen anzutreffen ist. 66 Bereits in der Einleitung wird die Signifikanz des behandelten Themas angekündigt (dar nis nicht so cleine,/ daz sunder sake si Ms 6f.), aber sogleich mit der einschränkenden Brevitas-Formel des leg ich aver vele bi 67 versehen. Diese Kombination, die in ähnlicher Form, häufig mit einem apologetischen Unterton, mehrmals im Text erscheint, demonstriert das Bewußtsein des Sprechers für das Bedeutungsspektrum der Messe, zugleich artikuliert er jedoch die Einschränkung und sichert sich das Einverständnis des Lesers hinsichtlich dieser Vorgehensweise. In den expliziten Ich-Aussagen inszeniert der Sprecher v.a. seine humilitas. So erweckt er den Eindruck eigener Ungelehrtheit, wenn er sich selbst offenbar aus dem Kreis der Weisen ausschließt: der glosen ga ich vm, waz diz alliz meine. daz ist nicht so cleine, daz nicht groz bedude den wisen - ich daz hude. (Ms 54-58) oder aber betont, daß er der Aufgabe nicht gewachsen sei: waz se aver menen,/ daz ist mir vil swar (Ms 442f.). 68 Auffallen muß jedoch, daß diese infirmitas-Beteuerung immer dann eingesetzt wird, wenn die Abkürzung der Auslegungen begründet werden muß. Sie haben also eine konkrete apologetische Funktion. Die Meßerklärung 137 65 RDO IV, LVII, 5. Vgl. dazu auch S untrup : Die Bedeutung der liturgischen Gebärden und Bewegungen, S. 244. 66 Der Begriff kor wird ansonsten im Text nur zur Bezeichnung der Sänger verwendet, falls dies auch hier so sein sollte, führt dies jedoch zu dem gleichen Problem, denn die Schola cantorum hielt sich üblicherweise im Altarraum auf, als Gegenüber käme also nur ein Chor in Frage, der sich im Westteil aufhielt. 67 Ms 8. 68 Vgl. auch: waz disse worte spreken/ daz moz ich over breken/ ir beduding ist groz,/ der ich swigen moz. (Ms 689-692). Der Zwang zum Schweigen wird jedoch nicht begründet. In den Versen 850 bis 874 findet sich eine längere Sprecherreflexion über den eigenen Erkenntnisstand und die entsprechende Fähigkeit zur Darstellung der Messe und ihrer Bedeutung. Sie ist noch vor der Wandlung in den Kanonteil eingefügt und folgt auf eine Passage, in der noch einmal an die Heiligkeit und Wunderbarkeit der Messe und ihre rememorative Funktion im Hinblick auf die Passion erinnert wurde. Diese Passage hat die Form eines Monologs, wie die Selbstapostrophen ich arme (Ms 854), 69 mich dummen (Ms 856) und ich arm (Ms 864) sowie die rhetorischen Fragen zum Ausdruck bringen. Dafür, daß diese innere Bewegung beim Vortrag (oder bei der privaten Lektüre) auch deutlich zum Ausdruck kommen sollte, sprechen die drei in der Handschrift gesetzten Fragezeichen hinter den Versen Ms 856, 867 und 869. Der Sprecher gibt zu erkennen, daß er selbst erst vor kurzem das nötige Wissen erlangt hat und zwar, wie die Verwendung des Passivs andeutet, mit Hilfe anderer: ich bin selve nu erst bracht/ dar oven vor den berch (Ms 850f.). Die Fortsetzung des Textes wird gekleidet in die Metapher der Ersteigung eines hohen Berges, der sich das Ich nicht gewachsen fühlt und daher verstummen muß. 70 Die Frage wer rede daz mich dummen, ? / daz [...] (Ms 856f.) suggeriert den in solchen Passagen häufig genannten ‹Auftraggeber› oder ‹Initiator›, und auch die Reaktion des Ichs, das Eingeständnis der eigenen Unfähigkeit, entspricht dieser Rhetorik. Die Aufgabe wird nun durch eine neue Metapher, das Ergründen eines tiefen Flusses, bezeichnet und mit dem Hinweis versehen, daß dies noch wenigen gelungen ist. Die Schwierigkeit wird dann nochmals verdeutlicht durch den Abstand zwischen Himmel und Erde. Alle drei verwendeten Metaphern zeichnen sich also dadurch aus, daß sie durch räumliche Distanz (Höhe/ Tiefe) die Problematik zwischen äußerem Anschein und innerer Bedeutung zum Ausdruck zu bringen suchen. Der Sprecher leitet daraus die Legitimation dafür ab, sich auf die uzwendigen dinge (Ms 870) zu beschränken, was er allerdings nicht tut. Diese Innenperspektive dürfte als Richtschnur für die Leser zu verstehen sein, mit welcher Haltung sie sowohl dem nun folgenden Text als auch dem Erleben des Kanons bzw. der Wandlung selbst begegnen sollen. Direkt vor der Wandlung ist nochmals eine kurze reflexive Passage eingeschoben: waz dar duding vnder luze, des is mir gar zo vil. nu ware swigens zil. 138 Analyse 69 Die Form ich arme ist auffällig, da man das Genus für Femininum halten könnte. Aber die Tatsache, daß in V. 243 der Katharina-Legende der Kaiser sich als ich arme bezeichnet, ist ein Beleg dafür, daß die Form auch Maskulinum bezeichnen kann. Als Hinweis auf eine mögliche weibliche Ich-Figuration fällt sie daher aus. 70 Diese Metaphorik erinnert an den Prolog bei Innozenz III. (SAM, Sp. 774), der unter anderen Bibelzitaten auch Moses’ Offenbarung auf dem Berg Sinai anführt, um die hermeneutische Tätigkeit der Meßerklärung zu kennzeichnen. Vgl. dazu P etersen : Ritual und Theater, S. 70. mir zittert al de lede vor disser defen rede, doch so nend ich an got. (Ms 910-915). In verkürzter Form wiederholt sie die wichtigsten Aspekte der vorhergehenden: die Beteuerung der eigenen Unfähigkeit, die Erwägung des Verstummens und die Ermunterung, um fortfahren zu können, hier dank der Hilfe Gottes. 71 Der zentrale Stellenwert der Wandlung macht offensichtlich eine solche (Selbst)reflexion notwendig: Die Vermittlung der Bedeutung läuft über die Person, sogar über den Körper des Sprechers, an ihm wird der ‹Effekt› des Mysteriums der Wandlung vorgeführt, um durch diese ‹Sichtbarmachung› den Aussagen Authentizität zu verleihen. Zwar werden, wie dies in volkssprachigen Meßerklärungen üblich ist, 72 die Kanonworte ausgelassen, dafür wird auf diese Weise Bedeutung erzeugt und durch die Verzögerung der eigentlichen Handlung Spannung aufgebaut. Die ehrfürchtige Reaktion des Sprechers gibt den Rezipienten zudem einen Hinweis darauf, wie sie selbst beim Lesen des Textes ebenso wie beim Hören der Messe dem Folgenden begegnen sollen. Direkt nach der Elevation von Kelch und Hostie wird nochmals ein Sprecherkommentar eingeschoben, der nun wieder auf Auslegungskompetenz verweist: hir horde glosen vile zo,/ de daz nach rechte kunde (Ms 928f.). Im Hinblick auf die Beteiligung an der Messe baut der Sprecher ein kollegiales, kein hierarchisches Verhältnis zu den Lesern auf 73 und betrachtet das liturgische Geschehen nicht aus klerikaler Perspektive, sondern von ‹außen›. Die Sprecherfiguration erfolgt besonders an exponierten Stellen, an denen sie eine entsprechende Funktion erfüllt. Daß die Selbstinszenierung des Sprechers auch variieren kann, wird im folgenden Kapitel deutlich. 4.1.6 Intendiertes Publikum: Der Leser als Zweifler Neben den immer wieder eingestreuten kurzen Wendungen an die Leser gibt es längere Leserapostrophierungen, auf die bereits hingewiesen wurde. Inszeniert wird hier ein Sprecher-Leser-Verhältnis, das - anders als in den deskripti- Die Meßerklärung 139 71 Eine vergleichbare Stelle findet sich in der Deutung der Messgebräuche: nune mac ich uor minen sunden/ neheine g p te rede chunden,/ der heilic geist enware/ min scermare/ u ’ enwolte mich beh p ten/ uon den meintaten,/ daz er mir durch sine g p te/ gab deum p te./ in min herze warhafte minne,/ daz miniv wort waren/ getriv u ’ geware. (In: Kleinere geistliche Gedichte des XII Jahrhunderts. Hrsg. v. Albert Leitzmann. 2., durchgesehene Aufl. Berlin 1929 (Kleine Texte für theologische und philologische Vorlesungen und Übungen 54), S. 14, Z. 26-30). 72 Zum Verschweigen der Kanonworte in den deutschsprachigen Meßerklärungen vgl. F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 630-635. 73 Vgl. F eistner , Edith: Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende des Mittelalters von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zur Reformation. Wiesbaden 1995 (Wissensliteratur im Mittelalter. Schriften des Sonderforschungsbereichs 226. Würzburg/ Eichstätt 20), S. 65ff. ven Partien der Liturgie - durch einen hierarchischen Gestus der Adhortation geprägt ist: kum vor goddes angesicht, minsche, sunder gave nicht! (Ms 435f.) nu se manlich an sich dar, of he godde sege war. nu merket rechte mine wort: swer sich selven nicht ne hort, den horet got noch min. zo dem munde hort de sin! (Ms 585-590). Die Anweisungen zielen auf eine Kontrolle der ‹richtigen› inneren Einstellung. Mit den Versen Eya minsche, nu merk/ an dich selven goddes werk (Ms 603f.) setzt ein Abschnitt ein, in dem von der Schöpfung des Menschen durch Gott bis hin zu alltäglichen Erfahrungen des Lesers ‹Beweise› göttlichen Wirkens vorgeführt werden. Durch rhetorische Fragen (wer gift dir sunt vnde mot? Ms 628) 74 ebenso wie durch die Feststellung des du selue mich ien must (Ms 616) wird ein Dialog mit dem Leser in Gang gesetzt und dessen Bestätigung eingefordert, um ihn auf die anschließende Danksagung ‹einzustimmen›, denn dieser Exkurs mündet im Gracias agamus domino, das auch den Ausgangspunkt darstellte. Auf die Elevation der Hostie folgt ein langer Abschnitt, in dem das Wandlungsgeschehen und seine Bedeutung expliziert werden. Das Sprecher-Ich wendet sich fast ausschließlich an den einzelnen Leser wie z.B. in Vers 1004: des bring ich dich wol inner, so daß die Erklärungen den Charakter einer ‹persönlichen› Lehre gewinnen. Der angesprochene Leser wird imaginiert als ein Zweifelnder und Belehrungsbedürftiger: merk, zwiveler, besunder (Ms 964), 75 dem der Sprecher analog als Lehrender und Überzeugter entgegentritt. Bescheidenheits- und Unfähigkeitstopoi weichen hier einem hierarchischen Verhältnis zum Leser und einem predigthaften Sprachgestus. Durch rhetorische Fragen und Imperative wird die Aufmerksamkeit des Lesers immer wieder fokussiert und eine enge Sprecher-Leser-Bindung erzielt. Das meist anaphorisch eingesetzte, imperative merk betont die Bedeutung und fordert den Leser in seiner Doppeldeutigkeit auf, das Gelesene zugleich zu beachten und zu behalten, denn das Beachtenswerte ist zugleich das Erinnerungswürdige und soll Teil des Wissenshorizontes sein. Um der Gefahr der Nivellierung der Wunderbarkeit durch Wiederholung und Vertrautheit zu entgehen, muß sie immer wieder hervorgehoben werden. Die (von Gott initiierte) Eigengesetzlichkeit der Natur wird ins Bewußtsein gerufen, um an ihrer Durchbrechung die Größe der göttlichen Macht zu demonstrieren: 140 Analyse 74 Diese sind auch durch Fragezeichen in der Handschrift markiert. 75 Zweifel werden außerdem thematisiert in: Ms 688, 776, 935, 940, 1020, 1043. van goddes worden ich las, de de naturen scop, de mach iren lop zo aller stunde wenden, swo he wil. • svnder penden nature nach ire wonheit nicht wedersazes deit goddes gnaden noch wnder. (Ms 956-963). Zur Erklärung werden v.a. Vergleiche eingesetzt; die Schöpferkraft Gottes wird durch ein Sprachspiel mit den Worten ichte/ nichte zum Ausdruck gebracht: […] de mit worden hat gewracht alle ding von nichte. wnders min ist, van ichte vorwandeln ichtes waz, den van nichte machen daz, daz vore nicht ne was. (Ms 950-955). Die antizipierten Zweifel werden zum Anlaß genommen, grundsätzlich die Frage nach der Erkenntnismöglichkeit der Wandlung zu diskutieren. Dabei wird der Liebe der Vorrang gegenüber der Vernunft eingeräumt (Ms 938); von den fünf Sinnen des Menschen kann nur das Gehör wahrnehmen, daß das eucharistische Brot Gottes Leib ist (Ms 1011-1020). Schließlich wird das immer wieder angemahnte merken von der Gnade Gottes abhängig gemacht (Ms 1041f.), so daß unterschieden wird zwischen denen, die das Wahrgenommene verstehen und denen, die dies nicht können. Die Handlungsanweisung bleibt jedoch die gleiche, nämlich Gott zu loben, zumal, wie nochmals betont wird, die menschlichen Sinne nicht zur Erkenntnis führen können. Bei der Erklärung der Elevation wendet sich der Sprecher mehrmals in direkten Anreden an die Leser: eya vrowe, eya man (Ms 1060) sich du man vnde vrowe (Ms 1065) scowe, minsche (Ms 1073). Die Intensität der Adressierungen, die für einen noch engeren Leserbezug sorgen, korrespondiert mit dem Stellenwert dieser Handlung. Daß ausdrücklich Männer und Frauen angesprochen werden, ist bemerkenswert, muß jedoch nicht zwingend als Hinweis auf ein anvisiertes Publikum gelesen werden, sondern kann auch demonstrieren, daß das Erlösungswerk Gottes alle Menschen, Männer wie Frauen, einschließt; 76 deshalb kann auch parallel die Anrede minsche verwendet werden. 77 Letztere findet sich ebenfalls zu Beginn des Ab- Die Meßerklärung 141 76 Männer und Frauen sind gemäß christlicher Doktrin gleichermaßen capax Dei (G öss mann , E.: Frau (I). In: LMA 4, Sp. 852f.). 77 Allerdings kann im mnd. minsche nicht nur Mensch, sondern (seltener) auch ‹Frau›, ‹weibliche Person› heißen, z.B. in der Wendung man efte minsch (-sche ist das «geläufige schnitts Ms 1107ff., in dem eine angemessene Haltung des Lesers angemahnt wird, daher auch hier wieder die Wendung an den einzelnen Leser (tu, dich), die rhetorischen Fragen, die auch in der Handschrift durch Fragezeichen markiert sind, und die Imperative. Eingefordert werden Dank, Erbarmen und die Bitte um Schutz. An anderer Stelle wird die schon vorher angedeutete konzeptionelle Mündlichkeit ausgeweitet zu einem fingierten Einwand und ein echter Dialog mit den Lesern suggeriert: ein de mochte lichte vragen: «waz meint, daz ich beden sol? ? got weiz alle herze wol! » (Ms 1198-1200). Dieses Verfahren, das den Eindruck eines direkten Lehrgesprächs entstehen läßt, wird auch von Berthold von Regensburg in seiner Predigt über die Messe angewendet. 78 Bei den Auslegungen, die auf das Alte und Neue Testament zurückgreifen, wird im Grunde vorausgesetzt, daß die Leser die entsprechenden Geschichten in ihrem Zusammenhang kennen, da meist nur kurze Bruchstücke herausgegriffen und auch Namen nicht näher erläutert werden. Die rhetorisch formulierten Fragen besitzen nur dann Beweiskraft, wenn ihre Inhalte bereits gewußte und anerkannte Wahrheiten darstellen, was einen gemeinsamen Wissenshorizont voraussetzt. In den Leserapostrophen inszeniert sich der Sprecher in der Rolle eines Predigers, entsprechend rückt der Rezipient in die Rolle des erklärungsbedürftigen Zuhörers, während an anderen Stellen relativ umfangreiches Vorwissen vorausgesetzt wird. Die Gemeinschaft von Sprecher und Leser im Hinblick auf die Messe selbst wird hier auseinanderdividiert, um einen lehrhaften Dialog in Gang setzen zu können; das wird insbesondere durch den fingierten Einwand deutlich. Die Ausgestaltung der Sprecher-Rolle und die Art des implizierten Publikums sind also direkt voneinander abhängig; beide sind wiederum bestimmten Darstellungsabsichten verpflichtet. 142 Analyse Suffix für fem. Personenbezeichnungen») (C ordes / N iebaum : Wortbildung des Mittelniederdeutschen, S. 1464; M ittelniederdeutsches W örterbuch . Hrsg. von Karl Schiller u. August Lübben. 6 Bde. Bremen 1875-1881, Bd. 3, S. 94f.; M ittelniederdeutsches H andwörterbuch . Begründet v. Agathe Lasch u. Conrad Borchling, fortgeführt v. Gerhard Cordes, hrsg. v. Dieter Möhn u. Ingrid Schröder, Iff., [Hamburg 1928-] Neumünster 1956ff., Bd. 2/ 1, Sp. 985f.). Im Text gibt es jedoch keine konkreten Hinweise auf eine solche Bedeutung. 78 B erthold von R egensburg : Von der Messe, S. 491 und 493. Innozenz arbeitet in seiner Meßauslegung ebenfalls mit (allerdings selbstgestellten) Fragen (z.B. SAM IV, XX); auch etliche Kapitelüberschriften sind fragend formuliert (z.B. ebd. II, LI; III, VI). Dieses Verfahren der Predigt geht auf antike Schultradition zurück (A uerbach , Erich: Sermo humilis. In: Ders.: Literatursprache und Publikum in der lateinischen Spätantike und im Mittelalter. Bern 1958, S. 25-53, hier S. 27). 4.1.7 Rezeptionssteuerung ‹Jâ, bruoder Berhtolt, jâ verstên wir niht der messe unde kunnen sô wol dâ niht gebiten als uns nôt wære unde mügen dâ von sô grôze andâht nicht gehaben, alse ob wir die messe verstüenden [...].› 79 - Diese Antwort erhält Berthold von Regensburg in einem fingierten Lehrgespräch seiner Predigt Von der Messe als Reaktion auf seine Ermahnung zu einem andächtigen Kirchgang, und sie wird zum Anlaß genommen für die folgende Meßerklärung. Die Beweggründe für die an das implizite Laienpublikum gerichtete Unterweisung werden hier offengelegt: Erst sie sichert die geforderte (weil für den Gnadenerwerb notwendige) Teilnahme derjenigen, die kaum aktiv an der Liturgie beteiligt sind und denen das Verständnis durch die lateinischen Texte zumindest erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht wird. 80 Aufgrund ihrer eher passiven Rolle liegt der Schwerpunkt auf der persönlichen Andacht mit gebete unde mit andern guoten dingen. 81 Dies entspricht auch kirchlichen Forderungen: «Die blosse körperliche Anwesenheit im Gotteshause während der Messe wurde nicht als Erfüllung des kirchlichen Gebots angesehen. Man forderte vielmehr die andächtige Beiwohnung und eine ehrerbietige Haltung. Eine solche Forderung setzte voraus, dass das Volk über die Heiligkeit des Ortes und der Handlung am Altare ausreichend belehrt war, dass es die Bedeutung des Messopfers im allgemeinen kannte. Diese Kenntnis sucht die Kirche durch die Predigt und durch populäre Messauslegungen in der Volkssprache zu vermitteln.» 82 In der Meßerklärung der Wienhäuser Handschrift werden solche Absichten nirgends explizit thematisiert. Doch lassen sich im Text Hinweise darauf finden, daß den Lesern mit der Bedeutung der Messe auch ein entsprechender Mitvollzug ermöglicht werden soll. Am deutlichsten wird das an den Stellen, wo in direkter Wendung an den Leser eine bestimmte Reaktion von ihm eingefordert wird: la dich irbarmen sine not (Ms 1114) oder sag im sunder wank/ mit vlize grozen havedank (Ms 1115f.). Am eindringlichsten aber bei der Elevation, entsprechend ihrer zentralen Bedeutung: sich du man vnde vrowe, dinen got du hir scowe, de dich armen troste vnd aldus dich irloste, Die Meßerklärung 143 79 B erthold von R egensburg : Von der Messe, S. 493. 80 Zum Verhältnis von Laien und Klerikern vgl. Kap. 6.1. 81 B erthold von R egensburg : Von der Messe, S. 494. Richtige Andacht ist auch ein immer wieder genanntes Anliegen der späteren Meßerklärungen, vgl. z.B. die Meßerklärung im cgm 109, Bl 9’: [...] so wil ich allen beschriben, den einfeltigen leyen, das sie es wissent und dester basz versteen mögen, die heiligen messe, das den menschen allermeiste andacht macht und ein furdernisz sin sol zu dem almechtigen gott [...] (zit. nach F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 691). 82 F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 19. daz he wart geboret, an daz cruze. dus bekoret, saltu sin van truwen, sin kvmber sal dich ruwen. (Ms 1065-1072). Konkrete Anweisungen zum äußerlichen Verhalten in der Kirche sind dagegen erstaunlich wenig vertreten 83 und werden immer auch als Ausdruck der inneren Haltung gewertet: mit ganzer odmote sol wir knin ofte nigen (Ms 596f.) zo dem lesen sal man stan vnde solen ia de man ire hovet vntdecken, daz irn oren moge smecken des waren cristus predegat. (Ms 407-411). 84 Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der inneren Teilnahme bzw. ihren körperlichen Zeichen (ougen naz Ms 1110). Aber nicht nur die eigene Haltung, sondern auch die der anderen an der liturgischen Handlung beteiligten Personen wird in den Blick genommen. So sollen zu Beginn der Messe de, de dar vmme stat/ [...] ok sin bereit/ mit bede vnd inicheit (Ms 94-96). Der Diakon spricht mit vrolicheit (Ms 210) und der Priester schlägt vor sin herze ruwich (Ms 83). Der Priester soll werven aller lude gir (Ms 104). Das Beten des Pater noster dient dazu, daz vnse herze deste baz/ zo godde sich vntsleze (Ms 1202f.). Auch die gesamte Apostrophe von Vers 603 bis 662 versucht, dem Leser die entsprechende innere Einstellung zum Gracias agamus zu vermitteln, indem ihm die zahlreichen Gründe für eine dankbare Haltung Gott gegenüber vorgeführt werden. Dieser Exkurs setzt daher nach dem Einleitungsdialog des Kanon ein, zu dem die Danksagung gehört, und mündet schließlich in die Wiederholung der Dankworte: danke, minsche, truwelike/ vnde sprik dik also: / «gracias agamus domino» (Ms 660-662). In diesen Kontext ist auch die Berücksichtigung der Bedeutung der Gesänge und der daraus resultierenden Vortragsweise einzuordnen (so sincht man vil scone/ vnd vrolichen hir na/ daz soz alleluia Ms 260-262). 85 Inhaltlich bewegen sich die Angaben im Rahmen der üblichen Beschreibungen, finden sich also auch in anderen Meßerklärungen. 86 144 Analyse 83 Das ist auch in anderen Meßerklärungen so, vgl. I lling : Alberts des Großen ‹Super Missam›-Traktat in mittelhochdeutschen Übertragungen, S. 104. 84 Vgl. auch Ms 428-436. 85 Vgl auch: vrovden sang (Ms 141), diz ist ein drovich done (Ms 259), dvrch vrovde (Ms 281), vil vrolichen (Ms 284), lang vnde rowich done (Ms 297), vrolik gedone (Ms 569). 86 Vgl. z.B. die von F ranz (Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 704f.) besprochene und zitierte auslegung des ampts der heilgen mesz aus dem 15. Jahrhundert: Darnach singt man offerent langsam und kläglich [...]. Bisweilen fließen auch wertende Adjektive in die narrativ-rememorativen Passagen ein, die ebenfalls als Steuerung der Leserwahrnehmung verstanden werden können. Sie häufen sich insbesondere bei der Verspottung Jesu: an scunfes wis (Ms 24), honliken (Ms 18), honheit (Ms 22), zor hone (Ms 47), 87 sind aber auch im übrigen Text zu finden. Insbesondere die Juden sind von negativen Urteilen betroffen: quade[n] lude[n] (Ms 508, 814), der ioden vnvoch (Ms 752), de quaden ioden (Ms 369). Die positive Bewertung Maria Magdalenas als daz gude wif (Ms 527) entspricht den in den Legenden öfters zu findenden Charakterisierungen der Heiligen, ebenso wie die negativen Epitheta mit denen der Widersacher der Heiligen korrespondieren. 88 Es gibt mehrere explizite Hinweise auf die Bedeutung, die manchmal an die Brevitas-Stellen gekoppelt sind, wie hochnisse (Ms 840), vul heilicheit (Ms 846), daz grvndelose wnder (Ms 848) und al des louen macht (Ms 849). 89 Sie alle rufen den Lesern den Status des Gegenstands immer wieder in Erinnerung. Insgesamt lassen sich verschiedene Strategien fassen, die dazu dienen, die Rezeption des Lesers zu lenken. Neben konkreten Handlungsanweisungen und expliziten Hinweisen auf die Bedeutung der Messe, tragen die Wertungen in den rememorativen Passagen und die mit den Bedeutungen der liturgischen Handlungen verknüpften Affekte wie Reue, Dankbarkeit oder Freude dazu bei, dem Rezipienten während der Lektüre Anhaltspunkte für seine Teilnahme an der Messe zu liefern. 4.1.8 en narede der missen: Ein Epilog Die narede bildet den Abschluß des liturgischen Teils der Handschrift und ist im Grunde genommen von Position und Inhalt her ein Epilog zum vorhergehenden Text van der missen, wie ja auch der Titel besagt, daß hier noch einmal über die Messe gesprochen wird. 90 Dieser Abschluß ist im Zusammenhang zu sehen mit den Ein- und Überleitungen: Die Zusammenstellung dieses Teils weist Merkmale einer sorgfältigen und durchdachten Konzeption auf, in der die narede den Abschluß des Liturgieteils gegenüber den nun einsetzenden Legenden markiert. Daß der Übergang nicht unmittelbar erfolgte, spricht für das Bewußtsein des stofflichen und gattungsmäßigen Unterschieds beider Teile, wie überhaupt das Vorhandensein von Prologen bzw. Epilogen als Merkmal literarischen Bewußtseins gewertet wird. 91 Die Meßerklärung 145 87 Ähnlich auch im Kirchweihtext bei der Erklärung der Tagzeiten, siehe Kap. 4.3.4. 88 Siehe Kap. 4.2.6. 89 Vgl. auch Ms 6f., groz bedude (Ms 57) und glosen rich (Ms 128). 90 Franz-Josef H olznagel bezeichnet die narede als einen Kommentar (Wienhäuser Verslegendar, Sp. 1657). 91 K unze : Jacobus a Voragine. In: 2 VL 4, 1989, Sp. 458. Zum Prolog vgl. U nger , Helga: Vorreden deutscher Sachliteratur des Mittelalters als Ausdruck literarischen Bewußtseins. In: Werk - Typ - Situation. Studien zu poetologischen Bedingungen in der älteren deutschen Literatur. Hugo Kuhn zum 60. Geburtstag. Hrsg. v. Ingeborg Glier [u.a.]. Inhaltlich knüpft die narede an die reflexiven Passagen innerhalb der Meßerklärung an. Nach einem Rückverweis auf den vorhergehenden Text wird auf die besondere Bedeutung der Messe und zugleich auf die Unzulänglichkeit des Sprechers hingewiesen, eine Kombination, die auch in der Meßerklärung selbst mehrfach beobachtet wurde. Aufgegriffen wird auch nochmals das Verfahren: das beglosen als Hervorbringung dessen, was innen ist, nach außen. Die Rhetorik dagegen ist auffällig, insbesondere die fragend formulierten Vergleiche, die auf das Sprecher-Ich und sein intendiertes Publikum bezogen werden. Das, was in der Meßerklärung nur indirekt zum Ausdruck kommt, nämlich die Belehrungsbedürftigkeit des Publikums, wird hier auf den Begriff gebracht: 92 waz solde de jaspis dem hanen, de margarite deme swin? daz ich selve mach wol sin vnde vngelarde lute, den ich scrive zo dvte. (N 16-20). Ob der Sprecher sich selbst einbezieht, läßt sich nur erschließen. Seine übrigen Selbstaussagen legen das nahe. Ist diese Stelle nun als ausdrückliches Bekenntnis zu verstehen, daß hier ein Laie für Laien schreibt, daß sich daraus seine Selbstdarstellungen erklären und im Sinne Edith F eistners daher das eher kollegiale, seltener hierarchische Verhältnis zum Publikum rührt? Dagegen spricht, daß die narede passagenweise Ähnlichkeiten mit dem Prolog bzw. Epilog von Innozenz’ De sacro altaris mysterio aufweist: ir grundeloser macht In hoc enim officio tot et tanta sunt vnde der heyligen wort involuta mysteria, ut nemo, nisi per is wenich noch gerort, unctionem edoctus, ea sufficiat explicare. (SAM, Libelli conclusio) went ich ne kan noch ne darn Haec omnia divinis sunt plena mysteriis, dene geystlichen carn ac singula coelesti dulcedine zo sozem smacke roren. redundanti: si tamen diligentiam habeant (N 4-9) inspectorem, qui norit sugere mel de petra, oleumque de saxo durissimo. (SAM, Prolog). 146 Analyse Stuttgart 1969, S. 217-251 und B rinkmann , Hennig: Der Prolog im Mittelalter als literarische Erscheinung. In: Wirkendes Wort 14 (1964), S. 1-21, speziell zur Hagiographie G oodich , Michael E.: A Note on Sainthood in the Hagiographical Prologue. Wieder in: Ders.: Lives and Miracles of the Saints. Studies in Medieval Latin Hagiography. Aldershot 2004 (Variorum Collected Studies Series 798), S. 168-174. 92 Ein ähnliches Bild, wenn auch in anderer Verwendung, begegnet in der Deutung der Messgebräuche aus dem 12. Jahrhundert: man sol div mergriezzer/ uur div swîn niht giezzen./ si niezzent ir niht, daz ist wâr: / si behorgent si auer uil gar./ iht mer hilfet,/ daz man den brideget,/ der darumbe nine t t,/ wan daz er bespottet gotes wort. (D eutung der M essgebräuche . In: Kleinere geistliche Gedichte des XII Jahrhunderts, S. 14-20, hier S. 14, Z. 15-18). Die Entsprechungen sind zwar nicht wörtlich, aber sie zeigen, daß der deutschsprachige Text die Vorgaben der lateinischen Gattungstradition aufnimmt. 93 Wenn sich aber die narede derart an die lateinische Prologrhetorik anlehnt, muß es fraglich erscheinen, die Bezeichnung als vngelarte lvde auf den tatsächlichen Status von Verfasser- und Leserschaft zu beziehen. 94 Begegnete nämlich das gleiche Argument in einem lateinischen Epilog, entstünde vermutlich an der Topik der Aussage kaum ein Zweifel. 95 Tatsächlich wird in den lateinischen Texten häufig die «Unterweisungsbedürftigkeit des niederen Klerus» als Argument für diese Art von Text angeführt. Aber auch hier hat Christoph P etersen Zweifel angemeldet, ob die anspruchsvollen Auslegungen tatsächlich für ein solches Publikum gedacht waren. 96 Die Volkssprachigkeit allein kann aber kein Argument dafür sein, einen höheren Grad an Authentizität anzusetzen. Denkbar wäre es, daß der Abstand zum päpstlichen Autor Innozenz sich darin ausdrückt, daß der von ihm vorgegebene Bescheidenheitstopos noch weiter ausgeführt wurde. Auf die Größe dieses Abstands, auf den Status des Verfassers läßt sich aber nicht rückschließen. Durch den im Text anschließenden Vergleich mit der kinder brot (N 22) und den brosmen (N 26) wird noch einmal die eucharistische Thematik angesprochen, indem beides doppeldeutig sowohl auf die Eucharistie bezogen werden kann, als auch in die Reihe der Vergleiche gehört, die die eigene Geringschätzung im Bezug auf das Verständnis der Messe zum Ausdruck bringen. 97 Der Vergleich ist deshalb interessant, weil das Selbstverständnis des Textes angedeutet wird: Der Vergleich mit Brot evoziert die Vorstellung von ‹geistiger Nahrung›; der Text handelt vom Brot der Eucharistie, das selbst auch geistige und physische Nahrung ist, er soll den Leser heranführen an diese Nahrung auf realer Ebene, er reproduziert sie auf literarischer Ebene und ist auch deshalb ‹geistige Nahrung›. Faßt man noch einmal die wichtigsten Ergebnisse für den gesamten Text zusammen, so kann man sagen, daß die auf Visualisierung und Anteilnahme Die Meßerklärung 147 93 Zur Bedeutung dieser Stelle bei Innozenz vgl. P etersen : Ritual und Theater, S. 70f. 94 Vgl. cgm 109, Bl 9’: [...] aber mit der hilff gottes so wil ich allen beschriben, den einfeltigen leyen, das sie es wissent und deste basz versteen mögen, die heiligen messe [...] (zit. nach F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 691). 95 Vgl. dazu allerdings F ranz (Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 479), der Durandus vorwirft, selbst solche Sätze von Innozenz übernommen zu haben, «welche Innozenz III. zum Ausdrucke persönlicher Empfindungen geschrieben hat». 96 P etersen : Ritual und Theater, S. 59ff.; vgl. oben Anm. 18. 97 Hier sei auf das Motiv der geistlichen Mühle und der geistlichen Kelter (Ms 481-498) zurückverwiesen, das in den verglichenen lateinischen Texten keine Entsprechung hat. Auch darin zeigt sich ein Interesse für diesen Bildbereich, allerdings wird auf dessen geistlichen Sinn nur allgemein hingewiesen; die Herstellungsschritte von Brot und Wein werden genannt, ohne sie im einzelnen auszudeuten. Vgl. T homas , A.: Mystische Mühle. In: LCI III, 1971, Sp. 297-299; D ers .: Kelter, Mystische. In: LCI II, 1970, Sp. 497-504; K iepe -W illms , E.: Geistliches Mühlenlied. In: 2 VL 2, 1980, Sp. 1169-1172; S chmidtke , Dietrich: Geistliche Weinrebe. In: 2 VL 2, 1980, Sp. 1180-1181. angelegte Darstellung der Messe räumlich gesehen aus der Perspektive der Gemeinde erfolgt; dies verbindet sich mit einer gewissen Distanzierung gegenüber dem klerikal-gelehrten Bereich und infirmitas-Topoi, mit denen die abbreviationes im Bereich der gelehrten Allegorese legitimiert werden. Dabei kann der Sprecher auf Vorbilder aus dem lateinischen Bereich zurückgreifen und sie umfunktionieren zur Begründung seiner eigenen Vorgehensweise. Der eher hierarchische Gestus in den Leserapostrophen steht dazu nicht im Widerspruch. Die Eingrenzung der eigenen Auslegungskompetenz schließt nicht nur bestimmte Bereiche aus, sondern sichert auch das Fundament desjenigen Terrains, das für das eigene Sprechen in Anspruch genommen wird (van vzwendigen dingen/ wil ich ein luzel scriven [...] daz don ich doch mit vare Ms 870f., Ms 874, [...] so ich kunde, vullenbracht N 3). Der Redegestus orientiert sich an den jeweiligen Intentionen. So wird die Größe der Wunder exemplifiziert an der Person des Sprechers, die Ermahnungen an den Leser kleiden sich dagegen in eine predigthafte Sprache, um ihnen Autorität zu verleihen. In der nun folgenden Analyse der Legenden wird auch zu fragen sein, ob die Sprecherfiguration und die Rezeptionssteuerung ähnlich funktionieren, oder ob aufgrund anderer Quellen und aufgrund der anderen Gattung die Strategien abgewandelt werden. 4.2 Die Legenden 4.2.1 Ziele der Analyse Im folgenden Kapitel geht es darum, das eingangs behauptete Rezeptionsverhältnis des Wienhäuser Verslegendars gegenüber der Legenda aurea 98 genauer darzulegen. Die These lautet differenzierter formuliert, daß die LA die Hauptquelle der Legenden der Handschrift darstellt, ohne daß jedoch ausgeschlossen werden kann und soll, inwieweit zusätzlich andere Quellen herangezogen wurden. Mit dem Nachweis dieses Abhängigkeitsverhältnisses verbindet sich bereits die Frage nach der Vorgehensweise der Übersetzung, die ausführlicher in den anschließenden Analyseschritten in den Blick genommen wird. Ziel ist die Herausarbeitung von Tendenzen, die sich bei der Übersetzung beobachten lassen oder - mit einem Terminus von Edith F eistner - von «Translationsstrategien». 99 Nicht die originelle Leistung des Übersetzers gegenüber seiner 148 Analyse 98 Im folgenden abgekürzt als LA (vgl. Kap. 3.1, Anm. 4). 99 F eistner , Edith: Bausteine zu einer Übersetzungstypologie im Bezugssystem von Rezeptions- und Funktionsgeschichte der mittelalterlichen Heiligenlegende. In: Übersetzen im Mittelalter. Cambridger Kolloquium 1994. Hrsg. v. Joachim Heinzle, L. Peter Johnson u. Gisela Vollmann-Profe. Berlin 1996 (Wolfram-Studien 14), S. 171-184, hier S. 176. Er ist m.E. deshalb sinnvoll, weil er zum Ausdruck bringt, daß der Übersetzungsvorgang bestimmten grundlegenden Intentionen unterliegt und sich nicht von Stelle zu Die Legenden Quelle gilt es dabei zu bestimmen, zumal - wie gesagt - offenbleiben muß, ob die Veränderungen, Umformulierungen und Ergänzungen gegenüber der LA nicht auch auf andere Quellen zurückzuführen sind. 100 Vielmehr ist von Interesse, die (selektiven) Entscheidungen des Übersetzers auf bestimmte Intentionen hin zu lesen, die möglicherweise auch Aufschluß geben können über den beabsichtigten Gebrauch der Texte. Insofern erscheint es - trotz der in der Literatur vorgebrachten Bedenken 101 - gerechtfertigt, einen Vergleich vorzunehmen, ohne zuvor die Benutzung weiterer lateinischer Quellen ausgeschlossen noch nachgewiesen zu haben. Ein Zusammenhang mit anderen deutschsprachigen Legenden kann dagegen anhand der vorhandenen Editionen oder Beschreibungen so gut wie ausgeschlossen werden. 102 Im Hinblick auf die LA selbst ist, angesichts der im Mittelalter oft fehlenden Textstabilität, ein Vergleich vertretbar, da die Varianzen in erster Linie den Bestand an Legenden betreffen, deren Texte sich jedoch durch eine «relativ hohe Konstanz» 103 auszeichnen. Zudem liegt mit der Ausgabe von Giovanni Paolo M aggioni 104 erstmals eine kritische Edition vor, die gegenüber der wirkungsreichen, aber in ihrer Materialbasis wenig transparenten Ausgabe von Theodor G raesse 105 eine gute Textgrundlage bietet. Die Legenden 149 Stelle ändert. Auch Karl-Ernst G eith spricht von unterschiedlichen Strategien der Übersetzer und Übersetzerinnen, führt sie aber auch auf deren unterschiedliche Persönlichkeit zurück (Übersetzungen im Bereich religiöser Texte im 15. Jahrhundert. In: Erscheinungsformen der deutschen Sprache. Literatursprache, Alltagssprache, Gruppensprache, Fachsprache. Festschrift zum 60. Geburtstag von Hugo Steer. Hrsg. v. Jürgen Dittmann, Hannes Kästner u. Johannes Schwitalla. Berlin 1991, S. 47-59, hier S. 48 u. 57). 100 Vgl. D erendorf , Brigitte: Die Mittelniederdeutschen Bearbeitungen der Legenda aurea. In: Niederdeutsches Jahrbuch 107 (1984), S. 7-31, hier S. 14: Die scheinbar freie Übersetzung der Agnes-Legende in der Mnd LA erkläre sich durch Kontamination mit einer weiteren Quelle. 101 Vgl. K unze : Jacobus a Voragine, Sp. 456f.; R ichert , Hans-Georg: Passional. In: 2 VL 7, 1989, Sp. 332-340, hier Sp. 336; D erendorf : Die mittelniederdeutschen Bearbeitungen der Legenda aurea, S. 13f. 102 Eine ausführlichere Diskussion erfolgt in Kap. 5.2. 103 K unze : Jacobus a Voragine, Sp. 453. 104 J acopo da V arazze : Legenda Aurea. Edizione critica a cura di Giovanni Paolo Maggioni. Seconda edizione rivista dall’autore. 2 Bde. Tavarnuzze/ Firenze 1998. Vgl. dazu F leith , Barbara/ M orenzoni , Franco: Zur Edition der lateinischen «Legenda Aurea». In: Editionsberichte zur mittelalterlichen deutschen Literatur. Beiträge der Bamberger Tagung «Methoden und Probleme der Edition mittelalterlicher deutscher Texte». 26.-29. Juli 1991. Hrsg. v. Anton Schwob. Göppingen 1994 (Litterae 117), S. 199-202 und F leith , Barbara: Le projet d’édition critique de la Legenda aurea. In: Legenda aurea - la Légende dorée (XIII e -XV e s.). Actes du Congrès international de Perpignan (séances «Nouvelles recherches sur la Legenda aurea») publiés par Brenda Dunn-Lardeau. Montréal 1993 (Le Moyen Français 32), S. 49-52. 105 J acobi a V oragine Legenda aurea vulgo Historia Lombardica dicta ad optimorum librorum fidem recensuit. Ed. T. Graesse. 1. Aufl. Dresden 1846. Zum Problem der Text- Die Analyse setzt hier ebenfalls, abgesehen von der Untersuchung auch inhaltlicher Abweichungen gegenüber der LA, bei der Diskursebene an, denn ebenso wie bei der Meßerklärung sind die Inhalte im wesentlichen festgelegt. Die Gattung Legende zeichnet sich durch ihre «hochgradige Konventionalisierung auf der Ebene der Geschichte» und hohe «Flexibilität auf der Ebene ihrer diskursiven Vermittlung» aus. 106 Die diesbezüglichen Unterschiede ge- 150 Analyse grundlagen vgl. F leith , Barbara: Studien zur Überlieferungsgeschichte der lateinischen Legenda aurea. Bruxelles 1991 (Subsidia Hagiographica 72), S. 30f. 106 F eistner , Edith: Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende des Mittelalters von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zur Reformation. Wiesbaden 1995 (Wissensliteratur im Mittelalter. Schriften des Sonderforschungsbereichs 226. Würzburg/ Eichstätt 20), S. 20. Zur Definition der Gattung Legende vgl. auch D ies .: Legende, Märchen, Legendenmärchen. Zur Interdependenz von Gattungspragmatik und Gattungsmischung. In: ZfdA 130 (2001), S. 253-269; D ecuble , Gabriel Horatiu: Die hagiographische Konvention. Zur Konstituierung der Heiligenlegende als literarische Gattung. Unter besonderer Berücksichtigung der Alexius-Legende. Diss. Freiburg i. Br. Konstanz 2002; E cker , Hans-Peter: Die Legende. Kulturanthropologische Annäherung an eine literarische Gattung. Stuttgart/ Weimar 1993 (Germanistische Abhandlungen 76); D ers .: Auf neuen Wegen zu einer alten Gattung. Was kann eine kulturanthropologisch orientierte Legendentheorie leisten? In: Jahrbuch für Internationale Germanistik 25.2 (1993), S. 8- 29; G ünter , Heinrich: Die christliche Legende des Abendlandes. Heidelberg 1910; G umbrecht , Hans Ulrich: Faszinationstyp Hagiographie. Ein historisches Experiment zur Gattungstheorie. In: Deutsche Literatur im Mittelalter. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum Gedenken. Hrsg. v. Christoph Cormeau. Stuttgart 1979, S. 37-84; J olles , André: Einfache Formen: Legende, Sage, Mythe, Rätsel, Spruch, Kasus Memorabile, Märchen, Witz. Halle a. d. Saale 1930 (Forschungsinstitut für neuere Philologie. Sächsische Forschungsinstitute in Leipzig 2); L egenden : Geschichte, Theorie, Pragmatik. Hrsg. v. Hans-Peter Ecker. Passau 2000; K unze , Konrad: Legende. In: RLW 2, 2000, S. 389-393; M asser , Achim: Bibel- und Legendenepik des deutschen Mittelalters. Berlin 1976 (Grundlagen der Germanistik 19); von der N ahmer , Dieter: Die lateinische Heiligenvita. Eine Einführung in die lateinische Hagiographie. Darmstadt 1994; R ingler , Siegfried: Zur Gattung Legende. Versuch einer Strukturbestimmung der christlichen Heiligenlegende des Mittelalters. In: Würzburger Prosastudien II. Untersuchungen zur Literatur und Sprache des Mittelalters. Kurt Ruh zum 60. Geburtstag. Hrsg. v. Peter Kesting. München 1975 (Medium Aevum. Philologische Studien 31), S. 255-270; R osen feld , Hellmut: Legende. 4., verb. u. verm. Aufl. Stuttgart 1982 (Sammlung Metzler 9); D ers .: Die Legende als literarische Gattung. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift 33/ N.F. 2 (1951/ 52), S. 70-74; R uhrberg , Christine: Der literarische Körper der Heiligen. Leben und Viten der Christina von Stommeln (1242-1312). Tübingen/ Basel 1995 (Bibliotheca Germanica 35), hier bes. S. 154-159; S chulmeister , Rolf: Aedificatio und Imitatio. Studien zur intentionalen Poetik der Legende und Kunstlegende. Diss. Hamburg 1971 (Geistes- und Sozialwissenschaftliche Dissertationen 16); S trunk , Gerhard: Kunst und Glaube in der lateinischen Heiligenlegende. Zu ihrem Selbstverständnis in den Prologen. München 1970 (Medium Aevum. Philologische Studien 12); S ud hof , Siegfried: Die Legende. Ein Versuch zu ihrer Bestimmung. In: Studium generale 11 (1958), S. 691-699; W ehrli , Max: Roman und Legende im deutschen Mittelalter. In: Worte und Werte. Bruno Markwardt zum 60. Geburtstag. Hrsg. v. Gustav Erdmann. Berlin 1961, S. 428-443; W olpers , Theodor: Die englische Heiligenlegende des Mittelalgenüber der LA aufzuzeigen und einen Vergleich mit dem ‹liturgischen› Teil der Handschrift durchzuführen, sind die Hauptziele der folgenden Analyse. 4.2.2 Die Legenda aurea als Quelle Explizite Hinweise darauf, daß es sich bei den Legenden um Übersetzungen handelt, sind ebensowenig feststellbar wie konkrete Berufungen auf den Text des Jacobus. 107 Es gibt allerdings zwei grundsätzliche Merkmale, die eine solche Verbindung nahelegen: Erstens bietet die Handschrift nicht die Langversionen der Legenden, sondern durchweg stark verkürzte Fassungen, wie sie für die LA charakteristisch sind. Von den insgesamt drei lateinischen Textsammlungen, die diese Abbreviationen bieten, hat jedoch nur die LA eine weiterreichende Verbreitung erfahren; nur sie ist in mehrere Volkssprachen übersetzt worden. 108 Eine Besonderheit der LA stellt ihr Ordnungskonzept dar, in das neben den kalendarisch angeordneten Heiligenlegenden auch wichtige Kirchenfeste integriert wurden, darunter auch die Kirchweihe. Da in den anderen Legendaren der Text zur Kirchweihe nicht vorhanden ist, 109 ist die Tatsache, daß die Wienhäuser Handschrift diesen Text in Kombination mit Legenden enthält, das zweite entscheidende Indiz für die LA als Quelle. Das Abhängigkeitsverhältnis läßt sich durch den direkten Textvergleich verdeutlichen. Allerdings bietet die Wienhäuser Handschrift keine ‹wörtli- Die Legenden 151 ters: eine Formgeschichte des Legendenerzählens von der spätantiken lateinischen Tradition bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Tübingen 1964 (Anglia 10); W yss , Ulrich: Theorie der mittelhochdeutschen Legendenepik. Erlangen 1973 (Erlanger Studien 1). 107 Diesbezüglich stellen die Wienhäuser Legenden keinen Einzelfall dar, denn die wenigsten deutschen und niederländischen Handschriften der LA nennen den Namen des Verfassers Jacobus (vgl. W illiams -K rapp , Werner: Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters. Studien zu ihrer Überlieferungs-, Text- und Wirkungsgeschichte. Tübingen 1986 (Texte und Textgeschichte. Würzburger Forschungen 20), S. 352). 108 Nach Guy P hilippart (Jean de Mailly. In: LMA 5, Sp. 339) ist die Abbreviatio in Gestis et Miraculis Sanctorum seit dem 13. Jahrhundert in französischen Fassungen verbreitet worden; zur Rezeption der Kurzfassungen vgl. unten Kap. 5.1. 109 Die Kirchweihe ist weder von Jean de Mailly noch von Bartholomäus von Trient, den Verfassern der anderen Legendensammlungen, aufgenommen worden. Jacobus’ Quellen sind hier Honorius Augustodunensis: Gemma animae und Guillaume d’Auxerre: Summa de officiis ecclesiae (C ollomb , Pascal: Les Éléments liturgique de la Légende dorée. Tradition et Innovations. In: De la sainteté à l’hagiographie. Genèse et usage de la Légende dorée. Études réunies par Barbara Fleith et Franco Morenzoni. Genève 2001 (Publications romanes et françaises 229), S. 97-122, hier S. 122; vgl. auch R hein , Reglinde: Die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine. Die Entfaltung von Heiligkeit in «Historia» und «Doktrina». Köln [u.a.] 1995 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 40), S. 32 und Anm. 140). Texteditionen: J ean de M ailly : Abrégé des gestes et miracles des saints. Traduit du latin par Antoine Dondaine. Paris 1947 (Bibliothèque d’histoire dominicaine 1) (vollständige lateinische Ausgabe fehlt); B artolomeo da T rento : Liber epilogorum in gesta sanctorum. Edizione critica a cura di Emore Paoli. Florenz 2001 (Edizione nazionale dei testi mediolatini 1). chen›, nach dem verbum-de-verbo-Prinzip 110 verfahrenden Übersetzungen. Bereits durch die Versifizierung und die Kürzungen hätte eine solche, wenn sie denn beabsichtigt gewesen wäre, nicht uneingeschränkt durchgeführt werden können. 111 Zahlreiche, nicht durch diese Einschränkung erklärbare Abweichungen inhaltlicher wie formaler Art indizieren jedoch, daß der Umgang mit der Quelle grundsätzlich eher frei war und ein «selbständiges Interpretationskonzept» 112 zugrunde lag. Der Übersetzer hat sich in Syntax und Wortwahl nicht sehr eng an die Vorlage angelehnt (wenngleich es solche Übereinstimmungen gelegentlich gibt), was den Nachweis des Übersetzungsverhältnisses erschwert. Im folgenden möchte ich daher anhand einer Kombination von Korrespondenzen auf Wort- und Satzebene sowie Übereinstimmungen in Reihenfolge und Gesamtbestand dieses plausibel machen. Beginnt man mit der Wortebene, so sind am aufschlußreichsten ungewöhnliche und seltene Begriffe, die versuchen, die lateinische Wendung möglichst adäquat wiederzugeben, wie z.B. in den folgenden Fällen: mit vzgesochter pine (K 191) für exquisita tormenta (98), 113 afwenich (MG 82) für ablactatio (61) oder leidesman (MM 306) für ductor (188). Solche einzelnen Übereinstimmungen können allerdings nicht hinreichend sein, weil auch die lateinischen Legendenversionen untereinander aufgrund der Abhängigkeitsverhältnisse Kongruenzen bis in einzelne Formulierungen hinein aufweisen. 114 Daher seien hier die prägnantesten Beispiele für Übereinstimmungen mit der LA aus allen Legenden aufgelistet: 152 Analyse 110 C. M. R iehl nennt neben verbum-de-verbo- und sensus-de-sensu-Übersetzung noch eine dritte Möglichkeit, die umbred, die beide Prinzipien zu vereinen sucht (Kontinuität und Wandel von Erzählstrukturen am Beispiel der Legende. Göppingen 1993 (GAG 576), unter Berufung auf S teer , Georg: Hugo Ripelin von Straßburg. Zur Rezeptions- und Wirkungsgeschichte des ‹Compendium theologicae veritatis› im deutschen Spätmittelalter. Tübingen 1981 (Texte und Textgeschichte. Würzburger Forschungen 2), S. 590ff.). 111 Vgl. F eistner : Bausteine zu einer Übersetzungstypologie, S. 177. 112 Ebd., S. 179. 113 Der lateinische Text wird, soweit nicht anders vermerkt, nach der 2. Aufl. der kritischen Ausgabe von Giovanni Paolo M aggioni zitiert. Die Zahlenangaben beziehen sich auf die dort durchgeführte Satznumerierung. Wenn ich sowohl den deutschsprachigen als auch den lateinischen Text zitiere, gebe ich vor dem Schrägstrich die Versangabe des ersteren, dahinter die entsprechende Satznummer der LA an. 114 Vgl. F leith : Studien zur Überlieferungsgeschichte der lateinischen Legenda aurea, S. 19. Die Frage, ob Jacobus die Quellen lediglich ausgeschrieben hat, oder ob er sie «zu einer geschlossenen Komposition zusammenfügte», ist umstritten (R hein : Die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine, S. 22); ausführlich zu dem Quellenproblem vgl. ebd., S. 21-43 und F leith : Studien zur Überlieferungsgeschichte der lateinischen Legenda aurea, S. 17-24; außerdem W ilhelm : Deutsche Legenden und Legendare, S. 41 und von N agy , Maria/ de N agy , N. Christoph: Die Legenda aurea und ihr Verfasser Jacobus de Voragine. Bern/ München 1971, S. 21 und 26. B enz bietet in seiner Erstausgabe von 1917-21, Bd. 2, S. 631-642 einen Index auctorum mit etwa 250 Quellenangaben (zit. nach K unze : Jacobus a Voragine, Sp. 455). Hinweise auf die benutzten Quellen finden sich auch im Apparat der kritischen Ausgabe von M aggioni (Vgl. auch D ers .: Ricerche sulla composizione afgode (K 12) ydolis (11) sceffere (K 36) creatorem (14) luchtnisse (K 134) claritate (83) martere cronen (K 142) martyrii coronam (84) scarpen isernen (K 223) ferreis hastilibus (111) strenge vrage (K 230) questio (113) morgen sterne (MH 57) stella matutina (19) min vzgewelte (MH 77) electa mea (48) dv aller wisestes maget (MH 100) Virgo prudentissima (63) zoverer (MH 146) seductorem (92) wostening (MH 22) desertum locum (213) vf den bescedenen dach (MH 239) die statuta (223) wiwazere (MH 38) aque benedicte (311) vor der gvldinen porten (MG 64) ad auream Iherosolimis portam (55) vulwassen (MG 92) perfecte etatis (64) torneye (MG 193) torneamentum (95) pant (MG 244) obsidem (114) svnderinne (MM 22) peccatrix (22) scefferinne (MM 55) procuratricem (27) bademoder (MM 164) obstetricis (120) aflas (MM 32) indulgentiam (191) bose minne (C 38) polluto amore (19) piner (C 111) carnifices (132) blikvlen (C 127) plumbatis (137) todes knecht (C 167) minister mortis (169) sedenden bade (C 185) bulliente balneo (174) meselsvchtich (An 141) lepra (55) vmbarmiche tyran (At 85) crudelis et dire tyranne (55) An bestimmten Stellen zeichnet sich, wie auch in der Meßerklärung beobachtet, das Bemühen ab, dem Lateinischen entsprechende deutschsprachige Formulierungen zu finden. 115 Eine wörtlichere Übersetzung wäre also nicht an mangelnder Sprachkompetenz gescheitert. Schwieriger zu beurteilen sind die Die Legenden 153 e sulla transmissione delle «Legenda aurea». 1. ed. Spoleto 1995 (Biblioteca di medioevo latino 8)). Barbara F leith hat zuletzt aufgrund des Vergleichs der Maria-Himmelfahrt- Legende die These aufgestellt, daß die Übereinstimmungen zwischen den Legendensammlungen dominikanischer Autoren auf die Verwendung der gleichen Quellen zurückzuführen seien (De assumptione beate virginis marie. Quelques refléxions autour du compilateur Jacques de Voragine. In: De la sainteté à l’hagiographie, S. 41-73). 115 Eine Auswertung der Texte der Wienhäuser Handschrift 3, insbesondere der Legenden, könnte daher wahrscheinlich auch im Hinblick auf eine historische Semantik des Deutschen und auf das Verhältnis zwischen lateinischer und deutscher Sprache ergiebig sein. Übereinstimmungen auf Satzebene, da kaum ein Satz wirklich unverändert übernommen wurde. Um das Ausmaß der inhaltlichen Übereinstimmungen dennoch deutlich machen zu können, möchte ich eine der Legenden in vollständiger Synopse von deutschsprachigem und lateinischem Text exemplarisch vorführen. 116 Weitgehende Übereinstimmungen werden durch Fettdruck markiert, Abweichungen des deutschsprachigen Textes sind kursiv gesetzt, ausgelassene Passagen werden im lateinischen Text durch einen kleineren Schriftgrad kenntlich gemacht: van S’ agneten S vnte agnes, de vil edele maget, 5 so de scrift vns saget, de led der martyr sware an dem dritt[ ]egeden iare: der iar ein kint - der sinne gra. Agnes uirgo prudentissima, ut testatur Ambrosius qui eius passionem econscripsit, tertio decimo anno etatis sue mortem perdidit et uitam inuenit. Infantia quidem computabatur in annis, sed erat senectus mentis immensa, corpore iuuencula, sed animo cana, pulchra facie, sed pulchrior fide. horet nv, wo daz gesca: do se van der scole qvam, irer scone ware nam des richters sone. de began ir vil scone presant beden vnde loven vnde began sere doven vnd qvelen an dem sinne vnd ringen nach ir minne, daz her brachte dvren solt, want, steine, silver, golt vnd bat vm iren vulbort. des blef se alles vmbekort vnd sprak sam de wise: «ga hin, des dodes spise, ein vullemvnt der svnde, der bosheit ein afgrvnde. ich bin anderswa vortrvwet, dar iz mi nene rvwet. 7 Que dum a scholis reuertitur a prefecti filio adamatur. 8 Cui ille gemmas et diuitias innumerabiles promisit, si consensum eius coniugio non negaret. 9 Cui Agnes respondit: 10 «Discede a me, fomes peccati, nutrimentum facinoris, pabulum mortis, quia iam ab alio amatore preuenta sum». 154 Analyse 116 Die Auswahl der Agnes-Legende hat keine besonderen Gründe. Die von mir erstellten Synopsen der anderen Legenden ergeben ein ähnliches Bild, teilweise sind die gestrichenen Passagen noch umfangreicher. Die Legende mit den meisten Abweichungen ist die Katharina-Legende, gefolgt von der Maria-Himmelfahrt-Legende. Da dies die beiden ersten sind, kann das entweder dafür sprechen, daß der Übersetzer zunächst noch mehr Arbeit in ein eigenes Konzept investiert hat, oder aber er hat bei diesen (bekannten) Legenden weitere Quellen herangezogen. 11 Cepitque ipsum suum amatorem et sponsum a quinque commendare que sponse in sponsis precipue requirunt, scilicet a nobilitate generis, a decore pulchritudinis, a diuitiarum abundantia, a fortitudine et potentie efficacia et ab amoris excellentia, sic dicens: her ist verne boven dich, lef, edele, waldich, scone, rich. 117 12 «Qui longe te nobilior est genere et dignitate, cuius mater uirgo est, cuius pater feminam nescit, cui angeli seruiunt, cuius pulchritudinem sol et luna mirantur, cuius opes nunquam deficiunt, cuius diuitie non decrescunt, cuius odore reuiuiscunt mortui, cuius tactu confortantur infirmi, cuius amor castitas est, tactus sanctitas, unio uirginitas». 13 Hec autem quinque ponit in quadam auctoritate dicens: 14 «Cuius generositas celsior, possibilitas fortior, aspectus pulchrior, amor suauior et omni gratia elegantior»? 15 Deinde ponit quinque beneficia que sibi sponsus contulit et aliis sponsis confert, scilicet quia eas fidei annulo subarrat, multiplici uirtutum uarietate eas uestit et ornat, passionis sue sanguine eas signat, uinculo amoris eas sibi copulat et thesauris celestis glorie eas ditat, sic dicens: he gif mir zirade vel an brust, arme, hovet, kel. de hat ok gecleidet me van golde mit cyclade, dar bin ich an gesmvcket. an min antliz ist gedrvcket siner leve warzeken, des mach mir beweken nechein ander minne. min wengel • vnd kinne sin gevarwet gar van sinem blote rosen var. diz ist dir, de mir behaget. sin moder ist ein reiner maget, sin vader einich wibes, dem ge ich mines libes. he vnd ich wir sin voreinet. sin blot hat mir gereinet, an sinem bedde blif ich kvsche. 16 «Qui annulo suo subarrauit me, dextram meam et collum meum cinxit lapidibus pretiosis, induit me ciclade auro texta et immensis monilibus ornauit me, posuit signum in faciem meam ut nullam preter ipsum amorem assumam et sanguis eius ornauit genas meas. [s. Satz 12] 17 Iam amplexibus eius castis astricta sum, iam corpus eius corpori meo sociatum est. Die Legenden 155 117 Der Erzählerkommentar wird zusammengefaßt: [...] a nobilitate generis (edele), a decore pulchritudinis (scone), a diuitiarum abundantia (rich), a fortitudine et potentie efficacia (waldich) et ab amoris excellentia (lef) [...]. 18 Ostendit mihi thesauros incomparabiles quos mihi se daturum si in eo persuerauero repromisit». do dv hin dine tvsche! » do de ivnge desse wort vnd noch mer hadde gehort, he vel dar af an vmmacht. daz ward vor sinen vader bracht, 19 Audiens hec insanus iuuenis lecto prosternitur et quod amore egrotaret per alta suspiria a medicis aperitur. 20 Cumque pater iuuenis eadem uirgini replicaret et illa prioris sponsi federa se uiolare non posse assereret, cepit prefectus inquirere quis esset ille sponsus de cuius se Agnes potestate iactaret. 21 Cum ergo quidam assereret quod Christum sponsum de sprak der maget selven zo erst vil samfte, sint mit dro. se sprak ir ersten widerrede, suum diceret, blandis prius sermonibus, demum terroribus eam pulsat. 22 Cui Agnes: «Quidquid uis age, quia quod queris non poteris obtinere». 23 Ipsum enim terrentem et blandientem similiter deridebat. do ging iz an den vnvrede. do de richter daz vornam, daz se crist iren brudegam so leflichen nende, he sprak: «des si en ende! bi vnsen godden saltv bliven 24 Cui prefectus: «Vnum tibi de duobus elige: 25 aut cum uirginibus dee Veste sacrifica, si tibi uirginitas placet, oder mit den bosen wiven gemein an irme hvs». aut cum meretricibus scortaberis». 26 Quia enim nobilis erat, uim sibi inferre non poterat et ideo titulum sibi christianitatis opposuit. agnes sprak aldvs: «ich do der beide nen! » 27 Cui illa: «Nec sacrificabo diis tuis nec sordibus polluar alienis. 28 Mecum enim habeo custodem corporis mei, angelum domini». ir cleider lez her afzen vnd an daz hvs trecken. dar began se baz decken den ir cleider ire har. 29 Tunc prefectus iussit eam expoliari et nudam ad lupanar duci. 30 Tantam autem densitatem capillis eius dominus contulit ut melius capillis quam uestibus tegeretur. en engel vant se dar, de gaf dar solik lecht, 31 Ingressa autem turpitudinis locum angelum domini preparatum inuenit, qui locum claritate nimia circumfulsit sibique stolam candidissimam preparauit. 32 Sicque lupanar locus fit orationis, daz nein der svnden knecht dar lengere ne blef. ir brvdegam dar in dref de iungen bazelere zo der maget vnere, adeo ut mundior exiret quam fuisset ingressus qui immenso lumini dabat honorem. 33 Prefecti autem filius cum aliis iuuenibus ad lupanar uenit et eos ad ipsam prius inuitauit; 156 Analyse de vlon dannen vorzaget. do grep her selve de maget alzo vrevelichen an. des vord ine dan de dvvel an der stede, dem he denest dede. 34 qui ingressi, sed ex miraculo territi, compuncti redierunt. 35 Quos ille miseros appellans ad eam furens intrans cum eam uellet contingere in ipsum lumen irruit; 36 qui cum deo non dedisset honorem, prefocatus a dyabolo expirauit. de vader do vil sere vnderquam der mere vnde bat sich geneten des bedes svnt agneten vmme sines sones leven, 37 Quod prefectus audiens cum ingenti ploratu ad eum uenit et causam mortis eius diligentius sciscitatur. 38 Cui Agnes: «Ille cuius uoluntatem uolebat perficere, in eum potestatem accepit et occidit, nam socii eius de uiso miraculo territi redierunt illesi». 39 Cui prefectus: «In hoc apparebit quod non magicis artibus hoc egisti, si impetrare poteris ut resuscitetur. daz ward im gegeven 40 Tamen quia tempus est ut uirtus domini manifestetur, egredimur foras». 41 Orante igitur Agnete, apparuit ei angelus domini et ipsam flentem et orantem a terra eleuauit et sic iuuenis resuscitatur et Christus ab eo publice predicatur. 42 Ad hoc templorum pontifices seditionem excitantes in populo exclamauerunt: 43 «Tolle magam, tolle maleficiam que mentes mutat et animos alienat». van der iuncvrowen werde. de vader sich bekerde vnd wolde se losen. hen dorste vor den bosen, des ging her rvwich danne. 44 Prefectus autem viso tanto miraculo eam liberare uoluit sed proscriptionem metuens uicarium dereliquit et quia eam liberare non potuit tristis abscessit. sinem ammecht mann epaschasio herz beval. do her se lengest qval, ein vur her machen heiz, dar in man se steiz, se blef doch vnvorbrant. de vlamme doch vorslant, de dar vmme stvnden vnd ir der pine gvnden. 45 Tunc uicarius Aspasius nomine iussit eam in compiosum ignem iactari, sed in duas partes flamma diuisa seditiosum populum exurebat et eam minime contingebat. do stez man dvr ir kelen ein swert. ire qvelen aldvs ein ende nam. 46 Tunc Aspasius in gutture eius gladium immergi precepit et sic sponsus candidus et rubicundus ipsam sibi sponsam et martyrem consecrauit. 47 Passa est, ut creditur, tempore Constantini magni qui cepit anno domini CCCIX. do iz al so verne qvam, daz ir vrvnt se begroven, 48 Cum igitur corpus eius christiani et parentes ipsius cum gaudio sepelirent, Die Legenden 157 de heiden irhoven groz werpen mit gewalt. emerenciana dez bescalt, ein edele iuncvrowe an dem loven ok nowe, des wart se gesteinet, uix a paganis in eos lapides mittentibus euaserunt. 49 Emerentiana autem, eius collectanea, uirgo sanctissima licet adhuc catechumena, dum iuxta sepulchrum eius staret et constanter gentiles argueret, ab eis lapidata est. 50 Statimque terremotus, coruscationes et fulgura extiterunt, adeo quod ex paganis plurimi perierunt, ita quod ipsi de cetero uenientes ad sepulcrum uirginis non leserunt. mit agneten voreinet an dode vnd an grave. do irhof sich dar ave ein doner vnd erdbeven, des vorlos dar sin leven manich heiden van der rede. sint wart dem grave vrede. 51 Corpus autem Emerentiane iuxta corpus sancte Agnetis positum est. [ 50 Statimque terremotus, coruscationes et fulgura extiterunt, adeo quod ex paganis plurimi perierunt, ita quod ipsi de cetero uenientes ad sepulcrum uirginis non leserunt.] do de vrunt, so man plach, helden den achteden dach bi dem grave dare, do qvam ein megede scare an einem finem danze mit gvldeneme swanze vnd agnete dar mede an den cleideren vnde sede, ein lam snewiz bi ir. se sprak: «sit vro mit mir! aller sorge bin ich vrie. seth, mit disser kvmpanie sal ich daz himelriche 52 Cumque parentes eius octaua die iuxta tumulum uigilarent, uiderunt chorum uirginum uestibus aureis radiantem inter quas uiderunt beatam Agnetem simili ueste fulgentem et a dextris eius agnum candidiorem niue stantem. 53 Quibus illa: «Videte ne me quasi mortuam lugeatis, sed congaudete mecum et congratulamini quia cum hiis omnibus lucidas sedes accepi». besitzen ewichlike! » dvrch diz wnder man begeit, daz man doch selzen deit, iren achteden dach. vile zeken dar gescach, so man vindet hir nach. diz wnder daz scach sint: Propter hanc uisionem celebratur festum Agnetis secundo. astancia, constantines kint, irer svke dar genas, de meselsvchtich was. do se de gnade vornam vnd zo dem grave qvam vnd ire bed dar dede, do vntslep se dar mede. do qvam agnes vnd sprak: 55 Constantia autem uirgo, filia Constantini, lepra grauissima laborans cum hanc uisionem audisset, tumulum eius adiit et ibi, dum in oratione persisteret, obdormiuit. 56 Viditque beatam Agnetem sibi 158 Analyse «wltv dinen vngemak vil scere vorwinnen, so saltv cristum minnen! » do se van slape irstvnt, do was se wol gesvnt vnd blef dar ymber mere. an svnt agneten ere lez se bvwen scere dar ein closter scone vnd clar vnd nam zo sich dar in ander reine megetin dvrch der sele gewin. dicentem: 57 «Constanter age Constantia, si in Christum credideris, continuo liberaberis». 58 Ad hanc uocem euigilans perfecte se sanatem inuenit. 59 Que baptismus recipiens super corpus beate Agnetis basilicam fecit et ibi in uirginitate degens multas exemplo suo ibidem uirgines aggregauit. Der Vergleich der deutschsprachigen wie lateinischen Fassungen insgesamt - dafür steht hier exemplarisch die Agnes-Legende - zeigt deutlich die Kongruenzen. Nimmt man die Kürzungen aus, stimmen alle Legenden auf der Handlungsebene mit denen der LA überein. Es finden sich keine Ergänzungen inhaltlicher Art, für die man eine zusätzliche Quelle notwendig annehmen müßte. Die Abweichungen sind in der Katharina- und der Maria-Himmelfahrt- Legende am ausgeprägtesten, so daß der Übergang von einer freien Übersetzung hin zur eigenen Version fließend wird. Von begründbaren Ausnahmen abgesehen, von denen noch die Rede sein wird, wird auch die Handlungsfolge der LA eingehalten. Dies gilt insbesondere auch für die Mirakel, die nur lose und ohne Zusammenhang addiert werden und daher in der Überlieferung keine feste Reihenfolge aufweisen und auch im Bestand variieren. 118 Übereinstimmung herrscht auch bei allen Zahlenangaben und bei den Namen mit einer Ausnahme in der Maria-Magdalena-Legende: In Vers 40 steht dort phariseus, während an der entsprechenden lateinischen Stelle der Name Simon (25) steht; in Vers 57 bzw. Satz 28 verhält es sich genau umgekehrt. Entweder liegt einfach eine Vertauschung vor, oder aber der vorliegende lateinische Text wies hier bereits eine andere Lesart auf, denn sowohl in der Handschrift V der LA als auch in der Ausgabe von Theodor G raesse wird in Satz 25 zu Simon ergänzend phariseus hinzugesetzt. 119 Im wesentlichen identisch sind ebenfalls die Schreibweisen der Eigennamen, allerdings gibt es auch hier einen Fall, in dem die Handschrift 3 mit der G raesse -Ausgabe gegen den kritischen Text übereinstimmt: Während die kritischen Ausgabe der Maria-Magdalena-Legende (Satz 188) für Vézelay, eines der Kultzentren der Heiligen, die lateinische Die Legenden 159 118 F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 29. Eine erklärbare Ausnahme weist die Maria-Magdalena-Legende auf: Die Überlegungen zum Verhältnis von Johannes und Maria Magdalena unterbrechen die Mirakel nicht wie im lateinischen Text (182ff.), sondern stehen ganz am Ende (MM 346ff.). Außerdem werden auch ganze Mirakel gestrichen. 119 J acopo da V arazze : Legenda Aurea. Edizione critica a cura di Giovanni Paolo Maggioni, S. 630; J acobi a V oragine Legenda aurea vulgo Historia Lombardica dicta ad optimorum librorum fidem recensuit. Ed. T. Graesse, S. 408. Form Vizeliacum setzt, steht bei G raesse Vizeliacense (S. 416) und in der Handschrift 3 - nur orthographisch leicht abweichend - vizelyacense (MM 304). Die relativ freie Übersetzungstechnik ähnelt der der Mnd LA, wie sie Brigitte D erendorf beschreibt, die darauf hinweist, daß diese Art der Übertragung durchaus nicht selbstverständlich war, «denn meist fühlten sich die Bearbeiter gerade bei dieser Textsorte an die Autorität der lateinischen Quelle gebunden und bemühten sich um eine möglichst wortgetreue Wiedergabe.» 120 4.2.3 Textaufbau und Handlungsverknüpfung Zu den grundsätzlichen Abweichungen der Wienhäuser Legenden von der lateinischen Vorlage gehört, daß die für die LA charakteristischen Namensetymologien zu Beginn jeder Legende entfallen; diese Beobachtung läßt sich auch bei anderen volkssprachigen Versionen machen und hängt wohl auch mit deren eingeschränkter Übersetzbarkeit zusammen. 121 Die Legenden setzen daher mit Expositionen der Heiligen von geringem Umfang ein, die bereits in der LA den Handlungsteil einleiten und zumeist Angaben zur Person, ihrer Herkunft, ihrem Stand und ihrer Familie beinhalten. 122 Diese Art des Eingangs wird in den deutschsprachigen Texten allerdings konsequenter verfolgt, indem z.B. Angaben, die bei Jacobus später folgen, vorgezogen werden. 123 Einzige Ausnahme ist die Legende von der Himmelfahrt Marias, eine Vorstellung ihrer Person wäre hier redundant, da die Legende ihrer Geburt diese expositorische Funktion erfüllt. Am Schluß der Legenden fehlen grundsätzlich die Datierungen der LA, stattdessen ist öfters der Gegenwartsbezug deutlicher oder ausführlicher formuliert. In der Katharina-Legende wird beispielsweise das Ölwunder ausdrücklich für alle Reliquien geltend gemacht: 160 Analyse 120 D erendorf : Die mittelniederdeutschen Bearbeitungen der Legenda aurea, S. 13. 121 Vgl. ebd.: «Da die Etymologien auf der allegorischen Auslegung einzelner Silben oder Buchstaben eines lateinischen oder griechischen Namens beruhen, ließen sie sich nicht ohne Entstellungen ins Deutsche übersetzen und wurden deshalb meist nur gekürzt wiedergegeben oder, wie im Fall der Mittelniederdeutschen Legenda aurea, ersatzlos gestrichen.» W illiams -K rapp (Die deutschen Übersetzungen der ‹Legenda aurea› des Jacobus de Voragine. Kurt Ruh zum 65. Geburtstag. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 101 (1979), S. 252-276, hier S. 273-275) konstatiert jedoch, daß sie in den meisten der deutschen bzw. niederländischen Übersetzungen der LA vertreten sind, wenn auch oft gekürzt. 122 Vgl. R iehl : Kontinuität und Wandel von Erzählstrukturen am Beispiel der Legende, S. 92ff. 123 Sowohl bei der Katharina-Legende als auch bei der Lucia-Legende wird so umgestellt, daß sich die übliche Exposition ergibt. In der Legende von Maria Geburt werden dagegen die langen und komplizierten Ausführungen zu Marias Stammbaum auf die gängigen Angaben gekürzt. swar noch kumt der beine, is si groz ofte cleine, oley dar van vluzet, des manich seke genuzet, de sich dar mede beguzet. (K 323-327). 124 Man kann hier von einer Enthistorisierung der Geschichtsebene zugunsten einer historischen Verankerung der Diskursebene sprechen. Gerade da die Übersetzungen insgesamt so genau mit der Handlung der LA und der von ihr vorgegebenen Reihenfolge übereinstimmen, sind die gelegentlichen Abweichungen um so auffälliger. Einige von ihnen sind bedingt durch die vorgenommenen Abkürzungen, wie beispielsweise in der Maria- Himmelfahrt-Legende, in der aufgrund der Auslassung des Gesprächs zwischen Maria und Johannes vor der Ankunft der übrigen Apostel dessen Wissensvorsprung durch eine Analepse erklärt wird: Johannes sprak vil scere,/ went herz vore was bericht (MH 66f.). Ist dies bereits ein Indiz für das Augenmerk auf Verständlichkeit und Stimmigkeit der Erzählung, so gilt das erst recht für jene Stellen, an denen ohne Notwendigkeit Änderungen vorgenommen werden. In der ersten der Legenden, der Katharina-Legende, in der die meisten Modifikationen zu beobachten sind, wird etwa die Speisung der Heiligen durch eine Taube nicht erst am Ende, sondern gleich zu Beginn ihres Kerkeraufenthalts dem Leser mitgeteilt (K 120-122); die Information, daß Engel ihre Wunden pflegen, tritt wenig später als sinnvolle Ergänzung hinzu. Bei der umgekehrten Reihenfolge des lateinischen Textes wird beim Besuch durch die Königin die Frage nach der Versorgung Katharinas nicht explizit beantwortet, die Annahme, daß die Engel auch dafür die Verantwortung übernehmen, liegt also nahe. Das Motiv der Taube wirkt dadurch redundant. 125 Manche der kleineren Umstellungen scheinen auch dazu zu dienen, einen Spannungsbogen aufzubauen: Im Mirakel vom Ritter, der dem Teufel seine Ehefrau verspricht, wird in der LA gleich zu Beginn darauf hingewiesen, daß diese Frau pudicissima[m] et beate Marie ualde deuota[m] (MH 212) sei, während die Übersetzung erst an entscheidender Stelle, als die Frau in der Kirche zu Maria betet und Hilfe für ihre Ergebenheit erbittet, auf dieses Faktum aufmerksam macht (MH 248-253). Im Mirakel von der Papstwahl wird im Unterschied zur Vorlage erst zum Schluß das Rätsel der Einigkeit der Kardinäle, die Anrufung Marias, gelöst (MG 186f.). Die Legenden 161 124 In der Maria-Himmelfahrt-Legende wird persönlicher formuliert, daß ihre Kleidung zo trost vns al gemeine (MH 194) statt ad consolationem fidelium (131) auf der Erde zurückbleibt. In der Cäcilia-Legende wird zu der auf ihren Wunsch geweihten Kirche ergänzt: vnd ist noch bleven stede (C 205); zu der Stiftung Lucias wird bemerkt: an goddes vnd ir ere,/ dar eret man se sere./ hir endet sich diz mere (L 79-81); Agnes gründet ihr Kloster dvrch der sele gewin (An 158). 125 Eine klarere Reihenfolge bietet auch MM 185-202 im Hinblick auf das Leben der Heiligen als Einsiedlerin: Absicht, Ort, Aufenthaltsdauer, ihre Nahrung und ihre tägliche Himmelfahrt werden nacheinander behandelt. Wenn in der Maria-Magdalena-Legende zweimal innerhalb einer Figurenrede die Dankbarkeit gegenüber der Heiligen ergänzt und betont an den Anfang gestellt wird (MM 150f. und 161ff.), kann darin die Darstellung einer vorbildlichen Haltung nach erfahrener Hilfeleistung gesehen werden. Auch im Mirakel von der Heilung des Blinden wird dessen Lob erwähnt (vil des loves he ir sprach MM 318). Das eindrücklichste Beispiel für den Ausgleich einer Motivationsschwäche der LA, wie er gelegentlich vorkommt, bietet wiederum die Katharina-Legende. In der lateinischen Version besucht die Königin Katharina in ihrem Kerker und läßt sich von ihr den Glauben predigen, was die Bekehrung des sie begleitenden Porphyrius initiiert: 85 Que cum Porphyrius audiuisset, ad pedes uiriginis procidit et cum ducentis militibus fidem recepit. Wörtlich genommen ist die Stelle nicht plausibel, da die Soldaten wohl kaum bei dem heimlichen nächtlichen Besuch anwesend waren. Nach der Predigt Katharinas fährt die Übersetzung deutlich anders fort: se gingen vrolich dan. do vrageden des vorsten man, war he vnde de koningin des nachtes hedden gesin. ? do iz quam vf den dach, porphirius zon sinen sprach, der waren wol zwei hvndert: «lazet, des vch wndert vnde volget mineme rade: bekennet got! » • vil drade wart de menie bekart zo dem rechten loven wart. (V. 143-154). Das im lateinischen Text in einem Satz zusammengefaßte Geschehen wird hier zu einer Bekehrungsgeschichte auserzählt, die durch die zeitliche und räumliche Verlagerung und das ergänzte Dienstverhältnis (des vorsten man, zen sinen) größere Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen kann. Die stärkere Anbindung an die Figur des Porphyrius entspricht dessen Aufwertung innerhalb der Legende insgesamt. Als Konstruktion einer besser motivierten Reihenfolge können die im Mirakel von der Überführung der Reliquien Maria Magdalenas vorgenommenen Änderungen angesehen werden: Denn im lateinischen Text trifft der ausgesandte Mönch auf die zerstörte Stadt, findet dort das Grab und exhumiert die Gebeine, so daß die anschließende Aufforderung der Heiligen selbst, das Begonnene zu Ende zu führen, nur noch eine nachträgliche Zustimmung darstellt. Die deutsche bearbeitete Version stellt die Entdeckung des Grabes an den Anfang, die Zerstörung der Stadt erweist sich jedoch als Hindernis (alein de stat were vorbrant MM 258), so daß es des tröstenden Zuspruchs Maria 162 Analyse Magdalenas bedarf, um das Vorhaben doch durchzuführen (MM 259-262). Im ersten Fall sanktioniert die Vision der Heiligen die bereits geschaffenen Tatsachen, im Wienhäuser Text ist sie handlungsauslösendes Moment und legitimiert somit von vornherein die Translation der Reliquien. In der Summe zeigen die hier vorgestellten, z.T. nur geringfügigen Differenzen gegenüber der LA bestimmte Bearbeitungstendenzen an, unter denen die zur Erstellung einer chronologisch stimmigen, gut motivierten und verknüpften Erzählung am deutlichsten hervortritt. Die Lektüre soll offensichtlich nicht durch Widersprüche oder Leerstellen, die auf den Akt des Erzählens selbst aufmerksam machen würden, behindert werden. Vielmehr soll sich der Leser ganz auf die Geschichte konzentrieren können - darin liegt ein erster Unterschied zur deutlichen Präsenz der Sprecherebene in der Meßerklärung. 4.2.4 Funktionen der Erzählinstanz Auf den ersten Blick ist die Präsenz des Erzählers gegenüber dem Sprecheranteil der Meßauslegung deutlich minimiert. Aufmerksamkeitslenkende Formeln, wie sie in letzterer so häufig zu beobachten sind, finden sich in den Legenden nur sehr vereinzelt. Betrachtet man jedoch ihre Positionierung im Handlungsverlauf, so stellt man fest, daß sie gezielt dort eingesetzt werden, wo eine Bruchstelle innerhalb der Erzählung auftritt oder aber das Geschehen eine besondere Wendung nimmt. So verweisen die Verse dar gescach aventure (K 96) und nv horet wnder, was gescach (MG 87) auf ein folgendes wunderbares oder bedeutsames Geschehen und dienen somit dem Spannungsaufbau, während diz wnder sol ie merken (MG 228) als Memorierungsanweisung auf Vorhergehendes zurückverweist. Der Hinweis auf das Gebet Katharinas vor ihrem Tod: nu horet, wo se got bat (K 278) dient der Vergegenwärtigung der Stimme Katharinas und suggeriert dem Leser, sie direkt, ohne den Umweg der Vermittlung, ‹hören› zu können. Normalerweise haben diese Formeln des deutschsprachigen Textes keine Entsprechungen in der lateinischen Version, nur in einem Fall steht dem nv horet, waz gesca (MG 247) ein lateinisches ecce gegenüber, das eine ähnliche Funktion erfüllt. In gliedernder Funktion treten solche Formeln auf als Überleitung zum Hauptteil, z.B. bei der Maria-Himmelfahrt-Legende (de aldus begadet wart MH 6), der Lucia-Legende (merket, wo ir gescach L 5) und der Agnes-Legende (horet nv, wo daz gesca An 6) sowie zu den Mirakeln der Maria-Magdalena-Legende (ok vinde we gescreven dvs M 246, vns seget ok daz mere M 346) und zu denen der Agnes-Legende (vile zeken dar gescach,/ so man vindet hier nach./ diz wnder daz scach sint An 136-138). Ein neuer Handlungsstrang wird durch nv horet, was gescude (MH 142) eingeleitet. Die entscheidende Handlung wird hervorgehoben durch nv horet, was got dede (MH 178) und ein ding sol ie doch merken (MH 245). Die einzige Stelle in den Legenden, an der der Erzähler sich mitten im Geschehen mit der aus dem Meßtext bekannten Die Legenden 163 Kombination aus Betonung der Bedeutung und infirmitas-Topos zu Wort meldet, ist die Himmelfahrt Marias: diz wnder vns irzeiget/ manger hande wnne,/ den ich gescriven kvnne (MH 114-116). Die einkalkulierte Unterbrechung des Erzählflusses, die die Konzentration des Lesers für einen Moment von der Ebene des Geschehens auf die Ebene seiner Bedeutung lenkt, signalisiert hier die Relevanz der Himmelfahrt Marias, die durch das Geschehen allein nicht zu vermitteln ist. Das Hervortreten des Erzählers markiert demnach Stellen, an denen die Aufmerksamkeit der Rezipienten ganz bewußt auf etwas Neues oder auf die Reflexion über das Geschehen gelenkt werden soll, und somit keine Störung darstellt. Nicht zuletzt wird hier die Existenz einer greifbaren, für das Erzählte verantwortlichen Person suggeriert und eine mündliche Erzählsituation (horet) zumindest angedeutet. Auch die im liturgischen Teil betonte Gemeinschaft von Sprecher und Publikum bleibt ansatzweise erhalten in Formulierungen wie vnse vrouwen und vnse here 126 oder ok vinde we gescreven dvs. 127 Darüber hinaus schaltet sich der Erzähler ein zur Bestätigung des Erzählten durch Referenz auf einen gemeinsamen Erfahrungshorizont, so bei der Liebe der Witwe zu ihrem einzigen Sohn: so man dig ist gewone (MG 232) 128 oder beim Verhalten der Gottesmutter: do bewisde vnse vrowe/ ire wonliche trowe (MH 341f.). Der Kommentar formuliert den wunderbaren Vorgang als Bestätigung des zu Erwartenden, das Handeln Marias wird zur verläßlichen Größe. Zugleich findet eine Absicherung statt über eine gemeinsame Lektüre, indem die Bewertung nicht dem Leser überlassen wird. In einzelnen Fällen wird Unsicherheit oder Unwissenheit zu erkennen gegeben: so ich rechtes me vorwene (MM 2). Die Erzählinstanz gibt vor, dieses Wissen dem Gedächtnis zu entnehmen. Neben dem an anderer Stelle ja durchaus genannten ‹Schriftgedächtnis› wird hier das ‹personale› Gedächtnis der Erzählerfigur als Garant für das Erzählte ins Spiel gebracht. Gerade der scheinbare gewisse Zweifel an der Richtigkeit des Memorierten wird dazu genutzt, eine mündlich-personale Erzählweise zu fingieren. Im Falle des Alters von Maria zur Zeit ihrer Himmelfahrt ergibt der Vergleich mit der LA, daß die Formel ich wene (MH 19) ein Reflex ist auf die in der LA angeführte Diskussion um die richtige Zahl (3-5). Aber über diesen konkreten Anlaß hinaus haben solche Stellen auch einen funktionalen Aspekt: Indem der Erzähler in Einzelfällen sein Nichtwissen explizit macht, werden alle übrigen Aussagen in ihrer Richtigkeit und Unbezweifelbarkeit bestätigt und beim Leser wird das Bild eines zuverlässigen Erzählers evoziert. In der Katharina-Legende erfolgt das Unwissenheitseingeständnis an völlig unerheblicher Stelle: maxencius do ret, war daz wer, ichn wet (K 123f.). Dies lenkt die Aufmerksamkeit auf das wichtigere, zur gleichen Zeit stattfindende Geschehen am Hof. Im Mirakel 164 Analyse 126 Dafür gibt es zahlreiche Belege, vgl. z.B. MH 86. 127 MM 245, vgl. auch MM 345. 128 In diesem Fall wird zudem das Verhalten der Mutter ‹psychologisch› erklärt. von der Besetzung Carnotensiums (Chartres) durch die Normannen wird durch das Offenlassen ihrer Motivation (in weiz dvrch welke were MH 196) in der Schwebe gelassen, wer hier im Recht oder Unrecht ist. Auf der Erzählerebene lassen sich gegenüber der LA immer wieder Ergänzungen feststellen. Explizierende Eingriffe des Erzählers sind häufig dort zu verzeichnen, wo die LA etwas ausläßt oder voraussetzt und dadurch das Leserverständnis leiden könnte. Teilweise werden sie aber auch dazu genutzt, die Erzählung den eigenen Intentionen entsprechend umzuakzentuieren. Ein Teil der zusätzlichen Erklärungen dient zum besseren Verständnis des Geschehens. Die im Mittelalter selbstverständliche Erdbestattung wird in der am Beginn stehenden Katharina-Legende durch den Hinweis auf ihr Verbot in ihrer Brisanz dem Leser vorgeführt und dies gleich zweimal: ok bestadeden zor erden de cristenen de doden, al wart iz in vorboden. (K 90-92) de warp des nachtes an en graf porphirius allen gas, swo dvr iz doch vorboden was (K 226-228). Flankiert werden diese Hinweise durch die dem Porphyrius selbst in den Mund gelegte Kritik an dem Verbot, die in der LA fehlt, und die das Unverständnis aus mittelalterlicher Sicht mitartikulieren dürfte: «ich bin sculdich dar an, oft dar icht scult an were. ich begrof cristus marterere, went ich selve cristen bin! » (K 236-239). Die Bedeutung des Umstands, daß aus Katharinas Wunde Milch anstelle von Blut fließt, wird ebenfalls genannt (zo einem orkvnde das,/ daz se noch reine maget was. K 309f.). In der Cäcilia-Legende wird nach dem legendentypischen Schema die Begründung dafür ergänzt, warum Almachius die Brüder Valerianus und Tyburtius hinrichten läßt (de dar sinen afgodden/ offeren nicht ne wolden C 100f.) 129 und beim Besuch Maria Magdalenas im Haus des Simon wird hinzugefügt: an den werscap vngehezen/ trat se zo goddes vozen (MM 28f.). Der Henker unternimmt dreimal erfolglos den Versuch, Cäcilia das Haupt abzuschlagen. Während nun der lateinischen Text durch den Hinweis auf ein entsprechendes römisches Gesetz erklärt, warum nicht ein viertes Mal zugeschlagen werden darf, also den historischen Kontext aufruft, geht die Übersetzung der Frage nach, warum Cäcilia die Tötungsversuche trotz Verwundung überlebt: Die Legenden 165 129 Auch wird eigens ausgeführt, daß es Cäcilia ist, die die beiden Brüder beerdigt (C 18f.). gewnt blef se dre dage 179 Per triduum autem levende van goddes macht. superuiuens omnia que daz wart ir dar zo irdacht, habebat pauperibus daz se al ir have tradidit nach goddes love gave. (C 192-196). Durch die Rückführung auf göttlichen Willen kann ihr Überleben sinnvoll mit ihrem Handeln verknüpft werden. Die im lateinischen Text vorhandene Leerstelle, die vom Leser selbst gedanklich überbrückt werden muß, wird hier ausgefüllt. Dabei kann der Verfasser auf ein Schema zurückgreifen, welches sich ähnlich auch bei den Mirakeln findet (vgl. MM 271-286): Die kurzfristige Auferstehung (hier das Überleben) dient dazu, die christliches Sterben auszeichnenden Rituale noch durchführen zu können. Der Erzähler fügt Prolepsen ein, wie irer svke dar genas (An 140) und vorwar, se nicht vordorven (MM 90); vorwar ist zudem eine biblische Beglaubigungsformel, die den Wahrheitsanspruch unterstreicht. 130 Der Hinweis auf die lange Amtszeit von Maximinus fehlt in der LA (maximinus ward ok biscop/ zo aqvensen in der stat./ lange zit he daz besat. MM 182-184). Er ist insofern wichtig, als Maximinus nach den dreißig Jahren, die Maria Magdalena in der Einöde verbracht hat, noch Bischof sein wird. Dieser Vorgriff überspielt die Unwahrscheinlichkeit dieses Umstands. Weitere Beispiele finden sich dafür, daß auf wunderbares Geschehen aufmerksam gemacht wird und zugleich die potentiellen Zweifel der Leser antizipiert werden, denn die Artikulation des Unmöglichen holt es in den Bereich des Kommunizierbaren ein. Die Gratwanderung besteht darin, es dadurch glaubwürdig und vertraut zu machen, aber dennoch nicht den Status des Wunderbaren einzuebnen. Wenn es daher am Ende des Mirakels vom Bischof, den Maria zur Kirche begleitet, heißt, diz wnder sol ie merken (MG 228), dann resultiert diese Schlußformel zwar nicht zuletzt daraus, daß eine eigentliche Pointe fehlt, aber sie fordert auch vom Publikum eine aktive Teilnahme am Leseprozeß ein. Die Übersetzung bevorzugt gegenüber dem lateinischen Text oft deutlichere Formulierungen. So kommentiert der volkssprachige Text Agnes’ Tod so: ire qvelen aldvs ein ende nam (An 102f.), während es in der LA heißt: et sic sponsus candidus et rubicundus ipsam sibi sponsam et martyrem consecrauit (46). 131 Die metaphorische Ausdrucksweise wird auf ihren Gehalt reduziert bzw. der gewaltsame Tod seiner euphemistischen Umschreibung entkleidet. Schon zu Beginn der Agnes-Legende wird die Betonung auf ihr Leiden gelegt: 166 Analyse 130 Vgl. auch die Ergänzung in der Rede des Engels: «[...] vor war ich daz sage» (MH 38). 131 Deutlicher ist auch, wenn anstelle der Zeitangabe proximo die ressurectionis dominice (149) des mandags nach osterdage (MM 222) steht und non [...] quasi famulam (94) übersetzt wird mit nicht ein derne noch amye (K 177). de led de martyr sware 5 tertio decimo anno etatis sue mortem an dem dritt[ ]egeden iare perdidit et uitam inuenit. (An 3f.). Vereinfachung der Metaphorik, wie eben dargelegt, läßt sich auch an anderen Legenden belegen: 132 ich han gebvwet vppe crist, quia mens mea super petram solidata est et in Christo fundata mines herzen vullemvnt. 16 Verba uestra uenti sunt, daz ne mach zo neiner stvnt promissiones uestre pluuie sunt, wint, storm, noch regen terrores uestri flumina sunt. 17 Que gevellen noch bewegen! » quamuis impugnant ista (At 44-48) fundamentum domus mee cadere non ualebit». 18 Hec autem dicens flebat cotidie et orabat sitiens ad martyrii gloriam peruenire. Ein Teil der Ergänzungen bezieht sich auf die Personen. In der LA muß der Leser allein aus der Antwort der Agnes ihre Haltung gegenüber der Werbung des Richtersohnes entnehmen; die Übersetzung benennt sie vorweg: des blef se alles vmbekort (An 18). Durch die Wertung vnd sprak sam de wise (An 19) wird noch zusätzlich Agnes’ Haltung als positiv hervorgehoben. Lediglich aus dem (Weiter)sprechen Lucias im lateinischen Text geht hervor, daß sie die Folterungen überlebt, während der deutschsprachige Text ausdrücklich bemerkt: dar inne stvnt de maget/ gesvnt vnd vnvorzaget (L 57f.). Dieser Umstand ist bedeutsam als Grund für die Bedrängnis des Almachius, die deutlicher erklärt wird als im lateinischen Text: de richter do ne wiste 71 cumque nec sic moueri posset, nicht mer arger liste, angustiatus nimis iussit [...] vorzagen her began. 74 Videntes autem amici Pascasii (L 59-61) eum angustuari [...]. Aufschlußreich ist auch die Differenz zur LA im Mirakel vom Sündenzettel der Maria-Magdalena-Legende. Auf die referierte Bitte des Sünders folgt die Bestätigung: maddalena daz dede (MM 328). Gerade diese explizite Bestimmung der Heiligen als Handelnde ist in der LA aber sicher nicht unreflektiert ausgespart. Denn sie bedeutet, daß der Erzähler als Allwissender auftreten muß, der auch die Handlung der Heiligen ‹sieht›, die dem Protagonisten oder anderen verborgen bleibt und somit durch keine Augenzeugenschaft gedeckt ist, sondern nur durch das Faktum des verschwundenen Zettels, dessen Beweiskraft dann noch zweimal betont wird: Die Legenden 167 132 Vgl. auch C 146-151: «ich weiz wol, daz ich ne mak/ an der wesle vorlesen: / ich wil hir vorkesen/ ein snode kurzer leven,/ dar wirt mir vor gegeven/ ein vrolik svnder ende». - 141 Hoc boni iuuenes, non est iuuentutum perdere, sed mutare, dare lutum et accipere aurum, dare uile habitaculum et accipere pretiosum, dare breuem angelum et accipere forum perlucidum [...].» zo der warheit orkvnde (MM 329) des wart de warheit bekant (MM 332). Die Richtigkeit des Geschehens wird auch beim Empfang der Gebeine Maria Magdalenas durch Abt und Konvent betont: so it sich vochde zo done (MM 270), sowie bei der Überführung von Katharinas Leichnam auf den Sinai: daz ir wol was an slaht (K 314). 133 Auch unbekannte Gepflogenheiten werden als normal und damit richtig bestätigt, so Joachims Opfer in Jerusalem: so man do plach (MG 29). Bestätigung findet auch Vorhergesagtes: vnde vant ok alle de ding also an ganzer warheit (MG 72f.) de rede wart alliz war (MG 77) do scach daz teken vorgesaget (MG 151) nach den reden ging daz ding (MM 227). Joachims und Annas Verhalten gemäß den Anweisungen des Engels wird ebenfalls hervorgehoben: so de engel se irmande (MG 80) [...] vnde dachte don des engeles bot vnd ir lovede gegen got (MG 84-86). Insgesamt gesehen agiert die narrative Instanz eher im Hintergrund und wird selten als Figur greifbar. Nur zur Lenkung der Aufmerksamkeit der Rezipienten auf etwas Herausragendes und zur Markierung von Übergängen tritt sie explizit in Erscheinung. Wie in der Meßerklärung wird aber auch hier nicht versäumt, eine zuverlässige Erzählinstanz zu etablieren. Die Funktionen der Erzählinstanz sind vielfältig, das wird aus dem Vergleich mit der LA ersichtlich: Ergänzte Erklärungen und Kommentierungen wie auch die Reduktion komplizierterer Metaphorik erleichtern dem Leser das Verständnis und den Zugang. 4.2.5 Konkretisierung und Authentisierung Werden auf der einen Seite Ortsangaben und Datierungen, die den Status von Historizität und Faktizität des Geschehens unterstreichen, zugunsten einer eher überhistorischen Gültigkeit vermieden, 134 so wird auf der anderen Seite 168 Analyse 133 Die Vorbereitung der Hochzeit durch Joseph wird ebenfalls bestätigt (soz dochte MG 156). 134 Vgl. W olpers : Die englische Heiligenlegende des Mittelalters, S. 27: «Die Blickrichtung auf die in der Person des Heiligen sichtbar werdenden wunderbaren Tugenden und Gnaden bringt es mit sich, daß - ähnlich wie in den Berichten der Evangelisten - auch die Erzählung mit Detailrealismen angereichert bzw. werden die bloßen Benennungen des lateinischen Textes auserzählt und vorgeführt. So steht für incurabiliter (L 5) daz de arzet nicht ein har/ ir gevromen kunden (L 12f.) und aus atrociter hostes cedunt (MH 134) wird se begvnden se iagen,/ bleide slan vnde van (MH 208f.). Der Zustand Katharinas nach der Kerkerhaft wird im lateinischen Text mit splendidiorem (K 90), im deutschsprachigen mit scon vnde rot (K 164) wiedergegeben, außerdem wird ein schärferer Gegensatz erzeugt durch den Reim auf tot anstelle des weniger deutlichen afflictam. Beim Gebet wendet Katharina neben den Augen (126) auch herz vnd ir hande (K 280) zum Himmel. In Maria Magdalenas Einöde gibt es nec arborum nec herbarum (131) bzw. dar ne was/ noch bom, noch crut, noch gras (MM 187f.). Bei der Hinrichtung der Gelehrten bleiben nicht nur Haare und Kleider verschont (nec capilli nec uestimenta 75), sondern auch ir licham (K 88). Der Kaiser nennt die Herkunft derjenigen, die Katharinas Bildnis anbeten sollen: vnde alle, de dar vore gat van dorpen, borgen, steden, de solen daz anbeden (K 104-106). 135 In diesem Beispiel verbinden sich Detailrealismen mit einem weiteren authentizitätsstiftenden Mittel, nämlich der Anknüpfung an die Lebenswelt von Verfasser und Rezipienten durch das Aufgreifen vertrauter Siedlungsformen. Ähnlich verhält es sich auch, wenn an anderer Stelle aus dem jüdischen pontifex ein Bischof wird (MG 104/ 68), oder wenn in die Katharina-Legende der Rechtsspruch delen vnde kesen (K 268) Eingang findet, obwohl er nicht recht zur Situation paßt. In der Frage nach dem Alter Marias zum Zeitpunkt ihrer Himmelfahrt übernimmt der Übersetzer, wenn auch mit der relativierenden Formel ich wene versehen, die Entscheidung des Jacobus (MH 19-21/ 3-5). Anders verhält es sich im folgenden Fall: Jacobus diskutiert im Anschluß an die Maria- Magdalena-Legende, ob sie die Braut des Johannes gewesen sei: 182 Aiunt quidam Mariam Magdalenam sponsam fuisse Iohannis euangeliste, quam duxerat tunc quando Christus de nuptiis ipsum uocauit. 183 Ex hoc ipsam indignata, quod scilicet sponsum suum sibi abstulerat, abiit et omni uoluptati se dedit. 184 Sed quia congruum non erat ut Iohannis uocatio dampnationis sibi occasio fieret, dominus ad penitentiam misericorditer ipsam conuertit. 185 Et quia a summa delectatione carnali eam remouit, ideo ipsam summa dilectione spirituali que est in dei amore pre ceteris eam impleuit; 186 quod et de Iohanne quidam Die Legenden 169 die räumliche Fixierung des Geschehens von untergeordneter Bedeutung bleibt. Zwar finden sich Ortsnamen mitunter ebenso häufig wie Personennamen, aber ihnen kommt mehr eine reliquiare Bedeutung für die erbauliche Betrachtung zu, nicht die einer exakten räumlichen Einordnung der Ereignisse.» 135 Interessanterweise wird dafür der gleiche Ausdruck gebraucht, nämlich vredescild (K 102), wie für die Marienfigur in einem der Mirakel (MH 249). fatentur quod ideo dulcedine sue familiaritatis eum pre ceteris decorauit, quia a predicta delectatione eum remouit. 187 Hec autem falsa et friuola reputantur. Jacobus bezieht hier nicht eindeutig Stellung. Die Einleitung Aiunt quidam spricht dafür, daß Jacobus sich von diesem Bericht insgesamt distanziert. Der letzte Satz negiert zwar den vorhergehenden (hec weist zurück auf das quod), ist aber seinerseits vorsichtig in eine Passivkonstruktion gekleidet und schließlich verleiht auch die Tatsache, daß diese Meinung überhaupt referiert wird, ihr bereits einen gewissen faktischen Status. Deutlicher ist die Ablehnung in der Ausgabe von Theodor G raesse durch den noch folgenden Nachsatz: quia frater Albertus in prooemio super evangelium Johannis ponit, quod haec sponsa de cujus nuptiis vocatus fuit idem Johannes, in virginitate permansit et in societate beatae Mariae virginis matris Christi postmodum visa fuit et tandem fine bono quievit. 136 Diese Ergänzung versucht den Begründungsmangel auszugleichen und wendet sich gegen die gesamte Vorstellung von Maria Magdalena als Braut des Johannes. Interessant ist daher, wie die Übersetzung bei dieser Stelle verfährt, die üblicherweise gegensätzliche Ansichten und Unklarheiten streicht: vns seget ok daz mere, das maddalena were de brvt, de Johannes lez, do got in sich volgen hez van siner brutlechte, vnd daz de zorn se brechte an so groze missedat vnd daz se got vmme dat zo gnaden brechte seder vnd gaf ir grozer leve weder, de se zo godde irkos, den se zo voren vorlos. (MM 345-356) Zwar findet das Aiunt quidam auch in der Übersetzung einen Niederschlag in vns seget ok daz mere, von dem dann das Folgende als indirekte Rede abhängt, aber dies könnte auch unter die übliche Quellenberufung subsumiert werden. Eine wirkliche Distanz, wie sie aus der LA herauszulesen ist, läßt sich jedoch nicht feststellen. Dies gilt erst recht für die daran anschließenden Verse: ok gaf got vor ir brvste Johannese, daz he troste an siner brust resten vnd was im mang den besten vrvnden ein svnder vrunt. daz bekant Johannes mvnt, daz wart an goddes moder kvnt. (MM 357-363) 170 Analyse 136 Ausgabe von G raesse , S. 416. Die besondere Beziehung zwischen Jesus und Johannes als Ausgleich für den Verlust der Braut wird hier als Faktum formuliert und anstelle von Bedenken werden Belege angeführt, die sich wohl auf das Evangelium des Johannes und seine Stellvertreterposition für Christus als Marias Sohn beziehen dürften. Zu beachten ist außerdem die Umgestaltung: Die besondere Liebe findet ihren Ausdruck in der Gunst des Johannes, an der Brust Jesu ruhen zu dürfen. Dies entspricht der Ikonographie der Christus-Johannes-Gruppen. 137 Daß hier die Übersetzung sich so offensichtlich nicht an die Vorlage hält, mag einen Grund in der Kenntnis dieser Figuren haben. Dadurch, daß die Brust Jesu explizit als Substitut für die Maria Magdalenas deklariert wird, wird wohl gerade das, was an der Geschichte für ‹frivol› gehalten worden sein dürfte, noch verstärkt durch die Akzentuierung der Körperlichkeit. Es entspricht jedoch der allgemeinen Tendenz des Textes, die besondere Liebe durch eine anschauliche Geste zu konkretisieren. Der Anteil an direkter Rede ist in den Legenden sehr groß. Daß dies beabsichtigt ist, zeigt sich an den Veränderungen gegenüber der LA. So wird nur selten die indirekte Rede des lateinischen Textes auch als solche wiedergegeben, häufiger wird sie in direkte Rede verwandelt. 138 Mehrfach wird die direkte Rede auch erweitert 139 oder sogar vollständig ergänzt. 140 Interessant ist der Zusatz in der Maria-Himmelfahrt-Legende bei der Antwort Marias auf das Rufen ihres Sohnes: «[...] mir segen wol nach rechte/ salich alle slechte./ an mir ist wnder goddes grot» (MH 83-85), denn diese Verse stützen sich auf Lc 1, 48 und 49. Hier wurde also entweder aus eigenem Bibelwissen oder aus einer weiteren Quelle ergänzt. Die Zitate aus dem Hohelied werden ebenfalls noch weiter ausgebaut: «[...] wir seth dich here crigen als ein morgenrodes wnne, clar so mane vnde svnne, sam ein stritlvstich here, berichtet wol zor were». (MH 102-106). Die Fälle dagegen, in denen die direkte Rede der Vorlage nicht übernommen wurde, sind auf die Kürzungen (insbesondere gelehrter Dialoge) zurückzuführen. Die Legenden 171 137 Vgl. H ausherr , R.: Christus-Johannes-Gruppe. In: LCI I, 1968, Sp. 454-456. 138 Vgl. K 70-72/ 66, K 207-210/ 103, MH 293-295/ 242, MH 388-390/ 312, MG 31-33/ 41, MG 44/ 43, MG 115-123/ 69, MG 132-140/ 71, MM 261f./ 172, MM 293-295/ 179, MM 310/ 188, C 33/ 16, C 135-137/ 139. 139 Vgl. K 29-38/ 14, K 95-107/ 77, K 179-186/ 95, K 236-239/ 114, K 243-249/ 116, K 281- 298/ 127f., MH 82-85/ 49, MH 164-172/ 11-112, MH 279-287/ 239-240, MH 360-366/ 304, MG 115-123/ 69, MM 312-316/ 189, C 169-172/ 170, C 174-180/ 171-173, L 17- 23/ 11-12, At 55f./ 20. 140 Vgl. K 150-152, K 250 u. 252f., MH 102-106, (C 33/ 16). Neben dieser grundsätzlichen Bevorzugung der direkten Rede gilt das besondere Interesse den ausführlicheren Reden der Heiligen, da sich in ihnen die vorbildliche christliche Lebenshaltung programmatisch verdichtet. Außerdem eröffnen sie die Möglichkeit, beim Leser den Eindruck zu erwecken, die Heilige spreche unmittelbar zu ihm. Diese Absicht läßt sich an mehreren Abweichungen gegenüber dem Text der LA ablesen. Besonders auffällig ist, daß es in der Legende von Mariä Geburt in der LA-Version eigentlich keine längere Rede der Maria gibt, hier jedoch eine solche ergänzt wird: de meged alle tetten 69 Cuius mandato cum cetere daz bot, wen aleine paruissent, sola uirgo Maria maria de reine hoc se facere non posse an dem temple noch blef, respondit, tum quia parentes went se de biscop dref, sui eam domini seruitio daz se man solde nemen. mancipassent, tum quia se sprak dar wider mit scemen: uirginitatem suam domino ipsa «here biscop, ine mach. uouisset. ein lovede, daz gescach ichteswanne van den minen, dar an moz ich mir pinen. an goddes denste sal ich bliven. mir sal ok nymber wiven man. ich wil dvs alden vnd magedom behalden, daz han ich gelovet godde». (MG 108-123). Inhaltlich weist sie Ähnlichkeiten zu den programmatischen Reden der anderen Heiligen auf, in denen ebenfalls die gelobte Keuschheit gegenüber den Heiratsplänen der Umwelt verteidigt wird. Die Priorität der Heiligen-Reden läßt sich auch daran ablesen, daß in der zentrale Rede der Agnes (An 20-46) die in der LA eingeschobenen erläuternden Erzählerkommentare gestrichen werden. Die Aufmerksamkeit des Lesers soll gerade nicht auf den Erzähler gelenkt werden, denn seine Einmischung würde die Illusion einer ‹authentischen› Äußerung der Heiligen beeinträchtigen. Längere ‹Monologe› entstehen zudem durch die Zusammenfassung von Dialogen. 141 Den Reden der Heiligen stehen (wenn auch weniger und kürzer) die ihrer Widersacher gegenüber: 142 Der Konflikt zwischen Glaube und Unglaube wird über die Personen ausgetragen. Kürzungsabsicht und Gestaltungswille treffen sich hier. Die konstatierten Abweichungen gegenüber der lateinischen Vorlage, die Ergänzung von Detailrealismen, die lebensweltliche Angleichung und die Bevorzugung direkter Rede, verleihen dem Geschehen größere Anschaulichkeit, 172 Analyse 141 MH 311ff., MM 159ff., MM 211ff. 142 Z.B. MH 311-333. Aktionalität und Authentizität. Die Welt der Heiligen wird näher an die Welt der Rezipienten herangerückt und insbesondere in den Reden wird (weibliche) Heiligkeit für die Leser ‹unmittelbar› erfahrbar gemacht. 143 4.2.6 Rezeptionssteuerung durch Charakterisierung und Emotionalisierung In die Legendentexte fließen immer wieder Wertungen ein, die die Personen und ihre Handlungsweise betreffen. Nur in wenigen Fällen kann der Übersetzer dabei auf die LA zurückgreifen, da diese sie nur dann einbringt, wenn sie für das Verständnis der Handlung notwendig sind, wie z.B. in der Agatha- Legende: Svnt agathe, so de scrift saget, 9 Agatha uirgo ingenua mente was ein edele scone maget et corpore pulcherrima [...] deum vnt dogenthaft dar bi (At 1-3) semper in omni sanctitate colebat. he was zo alles voren 10 Quintianus [...] cum esset vnedele geboren, ignobilis, libidinosus, auarus et gyrich vnd vnkvsche idolis deditus [...] der afgodde tvsche was he gar vndertan (At 7-11). Die gegensätzliche Charakterisierung ist hier notwendig, da sich aus ihr das Interesse des Quintianus für Agatha erklärt. Für die anderen Wertungen muß man nicht zwingend weitere Quellen annehmen, da es sich um Typisierungen handelt, die mit einem kleinen Fundus an Attributen auskommen. Zumeist geht es um die Herausstellung des Gegensatzes zwischen der Heiligen als de gode, soze, wise, vil reine und werde 144 auf der einen Seite und ihren als de vnreine, de qvader oder boser man 145 bezeichneten Verfolgern auf der anderen Seite. Die direkte Gegenüberstellung zo den argen sprak de reine (At 40) Die Legenden 173 143 Ähnliches scheint für die Elsässische LA zu gelten. Claudia R iehl bezeichnet die «stärkere Aktionalität der Erzählung» als ein Charakteristikum gegenüber anderen Übersetzungen, «die sich im Ersatz von Passivkonstruktionen durch die entsprechende aktive Komponente, Ersatz von indirekter Rede u.a. ausdrückt sowie in einer höheren Dramatisierung, die ebenfalls durch das Weglassen kommentierender Bemerkungen bewirkt wird» (Kontinuität und Wandel von Erzählstrukturen am Beispiel der Legende, S. 76f.). Vgl. dazu auch wiederum Theodor W olpers ’ Beschreibung der «zahlreichen Mittel erbaulicher Intensivierung»: «Eine besondere Rolle kommt der Äußerung erbaulicher Gefühle in Formen aufweisender Rede zu. In Predigten und Lehrreden wird die Heilsordnung Gottes sichtbar gemacht, in Disputationen zwischen dem Heiligen und seinem Richter prallen Glauben und Heidentum in erregten Wortgefechten aufeinander, in Gebeten spricht sich das Frommsein für den Hörer und Leser in einer unmittelbar mitvollziehbaren und beispielhaften Weise aus [...]» (Die englische Heiligenlegende des Mittelalters, S. 28). 144 Vgl. K 6, 29, 122, 167; MH 28; MG 1, 110, 158; MM 190, 193; C 1, 11, 24, 119, 173; An 1, 19; At 84. 145 Vgl. K 14; C 106, 116; L 62; An 90; At 24, 25. bringt dies am prononciertesten zum Ausdruck. 146 Dies entspricht der von Theodor W olpers beschriebenen «verdeutlichenden Kontrastierung» und dem gattungstypischen Verhältnis der Widersacher zu den Heiligen. «Sie sind wie Spiegel, die, wenn auch in sich verzerrt, den Glanz des Sanctus klar zurückwerfen.» 147 Die Vorbildlichkeit der Heiligen wird nicht nur auf diese Weise betont, sondern zusätzlich gesteigert. So wird der Kontrast zwischen Cäcilias teurem Überkleid und dem armseligen Untergewand, der sich in der LA nur auf ihr Hochzeitskleid bezieht, zu ihrem grundsätzlichen Habitus, an dem der Gegensatz von äußerem Schein und innerem Sein exemplarisch festgemacht wird. 148 In der Lucia-Legende dagegen wird gestrichen, was ein schlechtes Licht auf sie werfen könnte. In der lateinischen Version findet ein Gespräch zwischen Lucias Bräutigam und ihrer Amme statt, die ihn durch eine List über Lucias Christentum täuscht, so daß erst vor dem Richter die Wahrheit darüber offenbar wird. In der Übersetzung spricht ihr Verlobter direkt mit Lucia: he wrochde se mit listen./ he sprak, se were cristen,/ des lochnede se doch neit (L 33- 35). List wendet hier der Bräutigam an und Lucia bekennt freimütig, wie es einer Märtyrerin entspricht, ihren Glauben. Eine vergleichbare Veränderung wird in der Agnes-Legende vorgenommen, indem die Nachforschungen, durch die der Richter von ihrem christlichen Glauben erfährt, gestrichen werden und der Eindruck entsteht, Agnes selbst habe ihm dies bekannt: se sprak ir ersten widerrede, do ging iz an den vnvrede. do de richter daz vornam, daz se crist iren brudegam so leflichen nende, he sprak: [...] (An 53-58). Daß in beiden Fällen gleich verfahren wird, spricht dafür, daß die angestrebte Kürzung als Begründung nicht ausreicht, sondern die Idealisierung der Heiligen bewußt verstärkt wird. 149 174 Analyse 146 Eine ähnliche, den Gegensatz betonende Gegenüberstellung, die sich zwar auf die Angaben der LA stützt, diese jedoch zusammenzieht, auch in K 48f.: do vragede de tyran/ ein kint van achtein iaren. 147 W olpers : Die englische Heiligenlegende des Mittelalters, S. 25 und 28. 148 Zur Bedeutung dieses Aspekts der Cäcilia-Legende vgl. H ammer , Andreas/ S eidl , Stephanie: Die Ausschließlichkeit des Heiligen. Narrative Inklusions- und Exklusionsstrategien im mhd. ‹Passional›. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 130 (2008), S. 272-297; D iess ./ Z immermann , Julia: Differenz im Eigenen. Inszenierung von Wahrnehmung und Wahrnehmbarkeit in hagiografischen und höfischen Texten. In: Mittelalter im Labor. Die Mediävistik testet Wege zu einer transkulturellen Europawissenschaft. Hrsg. v. Michael Borgolte [u.a.]. Berlin 2008 (Europa im Mittelalter 10), S. 132-164. 149 Ähnlich verhält es sich möglicherweise bei einer Stelle der Maria-Magdalena-Legende: svnder vrist (MM 210) antwortet die Heilige dem Priester, während er nach dem lateini- Auf der anderen Seite wird die Bösartigkeit der Gegner drastischer geschildert. Beispielsweise in der Agnes-Legende wird ein negativeres Bild des Richtersohnes gezeichnet. Im lateinischen Text kommt er gar nicht erst dazu, Agnes anzurühren (cum eam uellet contingere in ipsum lumen irruit 35), im deutschsprachigen Text ist dies durchaus der Fall und wird auch gleich mit einer Wertung versehen (do grep her selve de maget/ alzo vrevelichen an An 76f.). Statt der Dienstverweigerung für Gott (cum deo non dedisset honorem An 36) wird der explizite Dienst für den Teufel (de dvvel [...] dem he denest dede An 79f.) als Begründung für seinen Tod angeführt, 150 der ihn auch nicht erwürgt, sondern, weniger drastisch, ‹wegführt›. Gestrichen wird ebenfalls die Rehabilitation, seine Bekehrung nach der Auferstehung; sie wird substituiert durch die Conversio des Vaters, wodurch dessen Wunsch, Agnes zu retten, motiviert wird (An 87-89). Zusätzliche Charakterisierungen der Nebenfiguren stellen die Ausnahme dar. Daß Porphyrius als gvde vorste (K 234) und die Brüder Valerianus und Tyburtius aus der Cäcilia-Legende als zwene goddes holden (C 102) bezeichnet werden, markiert ihre exponierte Rolle. Wichtig sind solche Attribuierungen in den Mirakeln, wenn aus dem knappen Kontext der ‹Charakter› der Person nicht ersichtlich ist. Anders als im Hauptteil der Legenden bietet hier meist die LA bereits eine entsprechende Angabe: 151 ein heilich man 312 Quidam autem uir sanctus (MH 387) Ein man, misdadich sere 122 Erat quidam fur qui sepe latrocinia (MG 261) exercebat Ergänzungen gegenüber dem LA-Text gibt es dennoch: Die Frau, die von Teufelserscheinungen gepeinigt ist, wird ausdrücklich als vil gote (MH 383) bezeichnet, um dem Leser einsichtig zu machen, daß sie keine Schuld trifft. Im Mirakel vom verschwundenen Sündenzettel wird die Person, die ihn schrieb, zu einem vil svndich minsche, so daß das Wunder noch eine Steigerung erfährt. 152 Neben den eher zu Simplifizierung und Typisierung neigenden Personendarstellungen gibt es auch Beispiele für eine differenziertere Gestaltung gegenüber der LA auf der Ebene der Affektstruktur. Die in der LA oft stereotyp Die Legenden 175 schen Text seine Ansprache dreimal wiederholen muß (Cumque hoc tertio repetisset 142). 150 Im lateinischen Text deutet dies Agnes gegenüber dem Vater an: 38 Cui Agnes: «Ille cuius uoluntatem uolebat perficere, in eum potestatem accepit et occidit, nam socii eius de uiso miraculo territi redierunt illesi». 151 Vgl. auch MG 168/ 80, 191/ 95; An 109/ 49. 152 MM 319. Das entspricht der Gestaltung dieses Mirakels hin zu mehr Emotionalität insgesamt. Vgl. außerdem die Ergänzungen dvmlike (MH 216) und en armer man (MM 333). als zornig oder konsterniert charakterisierten Reaktionen der Richter 153 oder anderer Widersacher auf den verbalen oder nonverbalen Widerstand der Christen wird gelegentlich variiert. 154 Durchgängig läßt sich eine stärkere Berücksichtigung von Affekten konstatieren. Während im lateinischen Text der Katharina-Legende die furchterregende Wirkung der Räder zur Hinrichtung der Märtyrerin entlarvt wird als bewußt eingesetztes Mittel zur Abschreckung der anderen Christen, fokussiert die Übersetzung hier die tatsächliche emotionale Reaktion derjenigen, die sie sahen: minsclik herz irkrachede/ vor irem angesichte (K 198f.). Die Stelle erhält dadurch eine andere Funktion, denn gegenüber der hier formulierten ‹normalen› menschlichen, nicht nur auf die Christen beschränkten Reaktion kann die übermenschliche Gefaßtheit der Heiligen um so wirkungsvoller herausgestellt werden: nicht irscrak de maget das (K 204). Die Differenzen gegenüber der LA sind manchmal nur minimal. Der narrativ höhere Stellenwert des Innenlebens der Figuren kann sich schon in einer syntaktischen Verschiebung bemerkbar machen wie in der Katharina-Legende im Hinblick auf die Königin und ihren Besuch bei der Heiligen: do rang de koninginne 82 [...] regina eius nimio amore mit herzen vnde mit sinne, succensa cum principe militum, wo ir daz gescege, nomine Porphyrio, medio nocte daz se de maget sege. ad carcerem uirginis (K 125-128) properauit. Während im lateinischen Satz die Affinität der Königin zu Katharina nur als begründendes participium coniunctum für den nächtlichen Besuch eingeschoben wird, dessen Durchführung völlig unproblematisch erscheint, ist in der Übersetzung ihre innere Bewegung auf das zunächst unerfüllte Begehren gerichtet und in einen Hauptsatz gekleidet. Erst ein komplizierter Weg über die Wahrnehmung des Porphyrius und seine Bestechung der Wächter führen zum gewünschten Treffen. Der eindringlich dargestellte Wunsch, die Herausstellung von Hindernissen, zu deren Überwindung Porphyrius als Komplize notwendig ist, und das damit deutlich werdende Risiko stellen eine Steigerung dar, deren Klimax die Öffnung des Kerkers und die Offenbarung seiner Geheimnisse ist. Die Emotion der Königin bekommt als Movens dieser Handlung ein größeres Gewicht. In der Maria-Himmelfahrt-Legende wird bei Jacobus die Fröhlichkeit Marias erst im Anschluß an die Legende diskutiert, 155 während in der Übersetzung ihre Haltung an Ort und Stelle zum Ausdruck gebracht wird. Dies deu- 176 Analyse 153 iratus (C 181, At 54), nimio furore (K 66, K 71), furore repletus (K 106), furore ebrius (K 119), obstipuit et ira repletus ait (MH 93). 154 Siehe z.B. die Reaktion des Kaisers in der Katharina-Legende darauf, daß sein engstes Umfeld bereits zum Christentum übergetreten ist: daz dade sinem herzen we (K 256) statt furore ebrius (119), vgl. auch den impulsiven Ausruf des Richters «des si en ende! » (An 58). 155 Vgl. Satz 149 und 171-173. tet daraufhin, daß der Übersetzer auch diese gestrichenen Stellen gekannt und auf wichtige Aspekte hin überprüft hat. Darüber hinaus entspricht es der gleichen Intention, die auch zur Bevorzugung der direkte Rede führt, nämlich daß die größte Wirkung dann entfaltet wird, wenn die zu vermittelnde Lehre, hier die vorbildliche Haltung Marias in ihrem Sterben, aus dem Geschehen selbst hervorgeht und im narrativen Nachvollzug dem Leser vorgestellt wird. Ein Beispiel für diese Form exemplarischen Erzählens ist auch in der Katharina- Legende zu finden: Im lateinischen Text sagt die Heilige der Königin und Porphyrius Freude voraus, in der Übersetzung sind sie nach ihrem Besuch fröhlich (K 143/ 84). Auch die Diskussion darüber, daß es aus verschiedenen Gründen für Gott recht war, Maria durch die Himmelfahrt zu ehren, wird in das Geschehen selbst, als Erzählerkommentar, eingefügt. Das Geschehen wird unmittelbar als rechtmäßiges Handeln des Sohnes gegenüber der Mutter bestätigt. 156 Der deutschsprachige Text setzt deutlichere Signale für eine Sympathielenkung des Lesers und versucht, eine stärkere Anteilnahme am Geschehen hervorzurufen. Die Exemplarizität des Handelns im negativen wie im positiven Sinne wird lieber narrativ vorgeführt als ausgesprochen. Dabei spielen die wirkungsästhetischen Kategorien der Personalisierung und Emotionalität eine wichtige Rolle. 157 4.3 van der kermissen Der Text van der kermissen nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als er einerseits aus der gleichen Vorlage schöpft wie die Legenden, nämlich der LA des Jacobus, andererseits aber dem ‹liturgischen› Teil der Handschrift zugeordnet ist, da er inhaltlich dem Meßerklärungstext näher steht. Er bietet daher die Möglichkeit, die differierenden Analyseergebnisse hinsichtlich der Meßerklärung und der Legenden daraufhin zu überprüfen, ob die eingesetzten Vermittlungsstrategien auf diskursiver Ebene in erster Linie thematisch bestimmt sind und den Texten diesbezüglich Eigenständigkeit gegenüber der lateinischen Quelle zuzusprechen ist. Die Analysekategorien orientieren sich dementsprechend an den bereits auf die anderen Texte angewandten Aspekten. van der kermissen 177 156 MH 188. 157 Vgl. H enkel , Nikolaus/ P almer , Nigel F.: Latein und Volkssprache im deutschen Mittelalter. 1100-1500. Zum Rahmenthema des Regensburger Colloquiums: Ein Forschungsbericht. In: Latein und Volkssprache im deutschen Mittelalter. 1100-1500. Regensburger Colloquium 1988. Hrsg. v. dens. Tübingen 1992, S. 1-18, hier S. 13. van der kermissen 4.3.1 Die Legenda aurea als Quelle Die Darstellung der Kirchweihe gliedert sich in die Weihe von Altar und Kirche (Km 1-167) und in die übertragen gedachte Weihe des Menschen als templum (Km 168-249). 158 Auslassungen gegenüber der LA betreffen die im ersten Teil angeführten Deutungen, insbesondere der Altar- und Kirchweihe, 159 und die Verweise auf bzw. Zitate aus Schriften der Kirchenväter und Bibel. 160 Es sind also, wie in den Legenden, in erster Linie Kürzungen am gelehrten Apparat vorgenommen worden, und auch dieser Text bietet keine vollständige und wörtliche Übersetzung, bei der das Rezeptionsverhältnis unmittelbar evident wäre. Der Blick auf den gesamten Text vermag hier ebenfalls am deutlichsten die Übereinstimmungen zu zeigen. Sieht man von den genannten Abweichungen ab, stimmt die Erzählfolge mit der der LA überein und keine der vorgenommenen geringfügigen Ausgestaltungen und Ergänzungen macht die Annahme einer zusätzlichen Quelle zwingend notwendig. 161 Im folgenden sind die Stellen aufgeführt, die das Übersetzungsverhältnis gegenüber der LA am ehesten demonstrieren können. Die Abweichungen werden in den folgenden Kapiteln thematisiert. An der kermissen lit 1 Dedicatio ecclesie ein de grozesten hochzit, inter alias festiuitates sollempniter de dar kumt an dem iare. (1-3) ab ecclesia celebratur. der ioden zungen (57) linguis Iudeorum (83) pelegrimes wis (100) in habitu peregrini (88) minnen vur (179) ignis dilectionis (241) offer der rechticheit (180) sacrificium iustitie (245) 178 Analyse 158 Zur Ausbildung des Kirchweihritus vgl. B otte , Bernard/ B rakmann , Heinzgerd: Kirchweihe. In: Reallexikon für Antike und Christentum. Sachwörterbuch zur Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt. Begr. v. Franz Joseph Dölger, fortgef. v. der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, hrsg. v. Georg Schöllgen [u.a.]. Bd. 20. Stuttgart 2004, S. 1139-1169; de B laauw , Sible L.: Die Kirchweihe im mittelalterlichen Rom: Ritual als Instrument der Sakralisierung eines Ortes. In: Sakralität zwischen Antike und Neuzeit. Hrsg. v. Berndt Hamm, Klaus Herbers u. Heidrun Stein-Kecks. Stuttgart 2007 (Beiträge zur Hagiographie 6), S. 91-99. 159 Satz 104-151 und 156-233. 160 Z.B. Satz 45-50 und 57-58. 161 Da bereits bei der Meßerklärung der Einfluß von Durandus’ Werk wahrscheinlich ist, hätten auch dessen Ausführungen zur Kirch- und Altarweihe im Rationale divinorum officiorum eine Rolle für den deutschsprachigen Text spielen können. Passagenweise gehen die Korrespondenzen des RDO mit der LA bis in die Formulierungen hinein, dann weichen die Texte wieder beträchtlich voneinander ab. An diesen Stellen aber stimmt der deutschsprachige Text mit der LA und nicht mit dem RDO überein. Höchstens die Weihung des Wassers vor der consecratio (Km 123), die Jacobus ausläßt, Durandus jedoch nicht, könnte von letzterem übernommen sein (RDO IV, VI-VII, hier VII, 3). de overste biscop cristus (181) summus pontifex, scilicet Christus (248) de strenge bot (231) penitentie asperitates (279) alein ja alle stundelik 69 Et licet in qualibet hora diei deus goddes loues si rik, esset laudandus, tamen [...] ordinatum man sal doch vorbaz mere [...] est ut [...] (113-115) daz bi de ruwe moz sin 268 [...] quia cum hiis lacrimis debemus geistlich vrovde - daz ist win, habere uinum spiritualis exultationes, salt - besceiden wisheit, sal mature discretiones asche der otmodicheit. et cineres profunde humiliationis [...] (219-222). 4.3.2 Textaufbau im Vergleich Neben den bereits erwähnten Auslassungen gegenüber der LA weist der Text kleinere Abweichungen auf. Er übernimmt die fünf Gründe, die für die Weihe der LA genannt werden, dabei werden jedoch die Tagzeiten von der vierten auf die fünfte Position verschoben. Dies mag seinen Grund darin haben, daß die Tagzeiten ebenso wie in der LA sehr ausführlich erklärt werden und dadurch die Aufzählung derart unterbrechen, daß diese für den Leser am Ende kaum noch transparent ist. Im lateinischen Text wird der Aufzählungscharakter durch primo, secundo etc. jeweils wieder in Erinnerung gerufen, was in der Übersetzung jedoch nicht der Fall ist. 162 Die Darstellung der Horen wird eingeleitet durch eine Zusammenfassung der Deutung, die in der LA fehlt: [...] seuen ziden van deme tage, de got selb irwelet hat, mit sinen wnderen [...] (Km 30-32). Die Umstellungen an der folgenden Stelle bringen die Aufzählung in die heilsgeschichtlich ‹richtige› Chronologie: daz god de werlt machede, 77 [...] Egyptios in mare submersit, daz pharao do swachede mundum creauit et resurrexit. an des roden meres grunde. ich wen, got vpstunde [...] (Km 45-48). Am Ende der Erklärung der Tagzeiten wird auf deren Anfang in der LA zurückgegriffen, um sie dann mit der bereits erwähnten Ermahnung abzuschlievan der kermissen 179 162 Dies ist übrigens keine Einzelfall. Die lateinischen Texte benutzen gerne solche Aufzählungen als Ordnungsfaktoren, die die Übersetzung jedoch nicht übernimmt - ein Indiz dafür, daß dem kontinuierlichen Erzählfluß gegenüber einer argumentativen Struktur der Vorzug gegeben wird. ßen (Km 113-120/ 69). Ihre Explizierung ist also zugleich ein Einsichtigmachen ihrer Notwendigkeit. Details, die nur in den von der Übersetzung ausgelassenen Passagen der LA erwähnt werden, zeigen auch hier, daß diese ausgelassenen Passagen bekannt waren. Die Kreuzform des Alphabets wird beispielsweise nur dort erwähnt: das alfabetum crucewis 186 in cruce factis (Km 157) und auch die Zwölfzahl der Kreuze und Lichter (Km 159-161) ist aus Späterem (Satz 204) entnommen. Wenn auch in geringerem Umfang, so lassen sich auch an diesem Text Eingriffe ähnlicher Art wie in den Legenden beobachten. 4.3.3 Sprecherfiguration und Publikumsbezug Der Text weist eine Reihe von Stellen auf, an denen sich das Sprecher-Ich in unterschiedlicher Funktion exponiert. Es wendet sich an das Publikum, um dessen Aufmerksamkeit auf den Text zu lenken: doch sol ie vorbaz merken,/ dur waz se man wie (Km 6f.). Wie in den Legenden strukturieren solche Apostrophen den Text, indem sie wie hier den Übergang von der Einleitung zum Hauptteil und den Beginn eines neuen Abschnitts 163 markieren oder für eine bessere Verknüpfung der beiden Teile, wie beispielsweise durch den Rückverweis als ich han geseget (Km 178), 164 dienen. Deutlicher jedoch als in den Legenden gibt sich der Sprecher als deutende Instanz zu erkennen (ich meine Km 12, den sin ich aldus nasche Km 218) und garantiert die Verbindung zu den schriftlichen Quellen: ich wen, got vpstunde,/ so de scrift mir vorgit (Km 48f.). Der explizierende Kommentar de laudes ich iu nenne,/ de mit der mittene sin en (Km 42f.) entspricht wiederum der Art von Ergänzung, wie sie in den Legenden zu beobachten ist. Daneben tritt die Sprechinstanz mit Kommentaren auf, die zum Gebet der Tagzeiten auffordern (das sal neman vormiden Km 120), auf Publikumswissen referieren (so iuch allen ist bekant Km 128) oder die Sichtbarkeit des Geschehens wie in der Meßerklärung betonen (daz ist offenbar zo sende Km 151). Die Präsenz und Reflexion des Sprechers ist intensiviert zu Beginn und zum Abschluß von Abschnitten und greift zu ähnlichen Formulierungen wie die Meßerklärung, z.B. beim Ende des ersten Teils: alle disser dinge mecht zolest dar zo gediet, daz de kerke wort gewiet. was se aver vns beduden geistlichen an den luden, daz hat glosen gare vil. (Km 162-167). 180 Analyse 163 Nu horet vorbaz mare (Km 121); van dem temple ofte kerken/ sol ie vorbaz merken (Km 143f.). 164 Vgl. auch Km 214-216. In der darauffolgenden Einleitung wird die Sprechabsicht angekündigt, die als mündlicher Akt an eine personale Sprechinstanz gebunden wird, während der lateinische Text eine unpersönliche Formulierung verwendet: ein ding ich auer spreken wil: 234 Secundum uidendum est de wir sin alle genant consecratione siue dedicatione templi godes temples, als ich vant spiritualis; 235 quod templum sumus gescreuen an paulo. nos, scilicet congregatio omnium (Km 168-171) fidelium, quod construitur ex lapidibus uiuis, I Pet. II: [...]. Am Ende reflektiert der Sprecher die erbrachte Leistung, in der sich Bescheidenheitstopoi mit Selbstvergewisserung über die erbrachte eigene Leistung verbinden: gare wol ich kunde mit der scrift orkunde besunder diz bewisen, mer dan ich mit prisen an kurzer rede dachte. van voren swar ich machte, daz ich wenne vullenbrachte. • (Km 243-249). Das Sprecher-Ich exponiert sich in einer Weise, wie sie im Jacobus-Text nicht vorgegeben ist und ebenso in den Legenden in dieser Dichte nicht vorkommt, wohl aber im Meßerklärungstext. Wie auch dort festgestellt, variiert das Spektrum der Funktionen der Sprecherkommentare zwischen Aufmerksamkeitslenkung, Deutung und Explikation sowie Verweis auf optisch Wahrnehmbares und auf gemeinsames Wissen. 4.3.4 Affektsteuerung Jacobus ist bei seiner Darstellung der Konsekration von Kirche und Altar weniger an den konkreten Handlungen interessiert als vielmehr an ihrer symbolischen Bedeutung, so daß die Abläufe eher summarisch wiedergegeben werden. Die Übersetzung tendiert dagegen zu einer Umsetzung in eine narrative Folge, wodurch die Weihehandlung stärker als ein kontinuierlich ablaufendes, nachvollziehbares Geschehen vor Augen tritt, und mit dem Appell an das gemeinsame Leserwissen so iuch allen ist bekannt (Km 128) fordert der Sprecher geradezu auf, das Erzählte mit eigenem Wissen ‹aufzufüllen›. Auch die Beschreibung der Bischofskleider fehlt bei Jacobus. Ob diese Beschreibung aus einer anderen Quelle schöpft 165 oder aus eigener Anschauung ergänzt ist - ersichtlich wird auch hier die angestrebte Visualisierung sowie ein Interesse an Details und am genauen Ablauf. van der kermissen 181 165 Die Kleidung des Bischofs wird auch in der Meßerklärung erwähnt: noch han de biscope hir zo/ kurse, hosen, scone sco,/ subtil vnde dalmaticam,/ hanscen, cronen allen sam,/ vingerin, staf, pallium (Ms 49-53). Kleinere Differenzen gegenüber der LA, die sich in der Summe zu einer bestimmten Tendenz addieren, weisen die Erläuterungen der Tagzeiten auf. Während die LA die der jeweiligen Stunde entsprechenden Ereignisse aus dem Leben Jesu nur verknappt und ergebnisorientiert wiedergibt, baut die Übersetzung sie zu kleinen Szenen aus: an dem midden morgen 83 In hora tertia stunt cristus an den sorgen, Christus went in der ioden zungen linguis Iudeorum do an daz cruze drungen. crucifixus est [...] «crucifige» was ir creie, des was he itzo veie. (Km 55-60). Direkte Rede und Formulierungen, die die emotionale und dramatische Dimension des Geschehens zumindest andeuten (sorgen, veie), ermöglichen dem Leser eine empathische Lektüre. Diese Absicht verfolgt auch die Gestaltung der sechsten Stunde: am deme middentage 84 In sexta in cruce clauis vntstunt godde de plage, confixus est [...] daz he do genagelt wart an sin cruze hart. (Km 67-70). Durch die an sich geringfügigen Zusätze plage und hart wird über das bloße Geschehen hinaus dessen Schrecken vergegenwärtigt und an den Rezipienten die implizite Forderung der compassio gestellt. Auch die Darstellung der None wird erweitert: an der zit der none 86 In nona hora Christus spiritum irwarf vns got de sone, emisit,miles latus eius aperuit [...] do he den geyst vpsande an sines vader hande. ok wart sin side vntslozen, wazer, blot gegozen. (Km 81-86). Der Bezug wird hergestellt zwischen dem Geschehen und der Gemeinschaft von Sprecher und Rezipienten (irwarf vns), wodurch das Stundengebet motiviert wird, zu dem der Sprecher zum Schluß dieses Abschnitts auffordert. Die Sendung des Heiligen Geistes findet in der LA nur kurze Erwähnung (83), während die Übersetzung noch die Pfingstszene hinzufügt: des heiligen geistes gode/ quam also den iungen/ an den vurigen zungen (Km 64-66). Auch das Erscheinen Christi in Emmaus wird vollständiger berichtet: sine iungeren in irkanden, 88 discipulis in habitu peregrini do he was irstanden, se manifestauit [...] do sen dwngen komen nar vnd worden sin gewar an dem brode, daz he brak. pelegrimes wis he sprak. (Km 95-100). 182 Analyse Für die in den Legenden mehrfach zu beobachtende Umwandlung von indirekter in direkte Rede läßt sich ebenfalls ein Beispiel finden: Aus pacem discipulis nuntiauit (89) wird «ich gef vch minen vrede» (Km 12). Die folgende Erweiterung gegenüber der LA ist in gestalterischer Hinsicht interessant: swen daz wazer ist gewiet vnd de biscop steit vorniet mit gerewande scone vnd staf vnde crone ciret houet vnde hant [...] (Km 123-127). Sie bezieht die Vorbereitungen für die Zeremonie ein; diese Ausweitung der erzählten Zeit trägt ebenfalls zu einem deutlich narrativeren Charakter der Übersetzung bei. Sie zeigt die bereits bekannte Vorliebe für Details, die auch in den folgenden Versen zum Tragen kommt: Der Bischof geht mit der krumme (Km 133) und mit worden vnd mit sange (Km 135) um den Altar. Die Darstellung der geistlichen Kirchweihe ist in der Übersetzung ‹personaler› gestaltet als im lateinischen Text, indem sie exemplarisch an dem salich minsche 166 (Km 173) vorgeführt wird und zumindest passagenweise aus dessen Perspektive das Geschehen fokussiert. Er tritt als Subjekt auf und ihm wird sogar direkte Rede in den Mund gelegt: vnd spricht zo sich: «ich dumme» (Km 187). 167 Der sanctus uir kommt in der LA zwar auch vor, jedoch erst später, und wird einem Gregorius-Zitat entnommen (260). Insbesondere in V. 190ff. findet eine Fokussierung aus der Sicht des Menschen und nicht aus der Gottes statt. Konkretisierung wird an dieser Stelle ebenfalls als Mittel eingesetzt: it si mit suke dage oder ein ander plage oder anders widermote, so cloppet goddes gote. (Km 197-200). Eindringliche Gestaltung findet auch der Gedanke an Gericht und Hölle: went he bedencht mit sinne, 260 Mens enim sancti uiri, ut dicit Gregorius, dolore afficitur considerando ubi fuit, ubi erit, ubi est et ubi non est. war he is: an den sunden, Vbi fuit, inquit, in peccato; war he noch moz werden wnden: 262 ubi erit: vor gericht vnd an der helle in iudicio; 263 ubi est: in miseria; der duuele geselle, 264 ubi non est: in gloria [...] daz he de vroude hat vorlorn, so dwinget ine goddes zorn, daz dar weinet van der smerze ovgen vze, in daz herze. (Km 204-212). van der kermissen 183 van der kermissen 166 Vgl. auch de minsche (Km 184) und de minschen (Km 190). 167 Bemerkenswert ist, daß die Selbstbezichtigung der Meßerklärung lautet: mich dummen. Es soll hier keine direkte Beziehung zwischen den beiden Stellen angenommen werden; Die Innenperspektive, das Verhältnis von äußerer und innerer Gebärde und die emotionale Bewegung werden in der Übersetzung sichtbarer gemacht und verbinden sich zur Darstellung einer vorbildlichen christlichen Haltung. 4.4 Resümee: Das Textcorpus der Hs. 3 Die Untersuchung der Meßerklärung, der Legenden und des Textes über die Kirchweihe hat die unterschiedlichen Gestaltungskonzepte gezeigt. Das herausragendste Merkmal der Meßerklärung ist die Präsenz des Sprechers, der sich beständig einschaltet und den Blick auf die liturgische Handlung perspektiviert. Dessen bedeutsame Funktion als Auslegungsinstanz im liturgischen Teil der Handschrift führt wohl auch dazu, dem Sprecher deutlichere Konturen zu geben, wie das auch in den lateinischen Meßerklärungen, insbesondere bei Innozenz und seinen Nachfolgern, der Fall ist. Dabei geht es nicht um die Konstruktion einer stimmigen, widerspruchsfreien Figur und auch nicht um den realen Verfasser, sondern um eine Anpassung an den jeweils zu vermittelnden Inhalt. So demonstriert der Sprecher Unkenntnis und Demut, wenn es um die theologisch anspruchsvollen Teile der Messe geht, betont die Gemeinsamkeit mit den Lesern hinsichtlich ihres Erlebens, baut dann wiederum ein hierarchisches Gefälle auf, indem er seinen Wissensvorsprung erkennen läßt, belehrt und Handlungsanweisungen erteilt. Kontinuierliche Apostrophierungen und Appelle an den Leser fokussieren dessen Aufmerksamkeit und ermöglichen ihm, die komplexen Textstrukturen - dazu gehört die Bewegung zwischen der visualisierten Liturgie und den mit ihr assoziierten Szenen aus dem AT wie dem NT - mitzuvollziehen und zwar auch mit der geforderten inneren Anteilnahme. Daß bisweilen ein bestimmter zweifelnder Lesertyp imaginiert wird, ist nicht auf eine ‹reale› Leserschaft zu beziehen, sondern stellt eine weitere Strategie dar, die das Anschlagen eines besonders eindringlichen und predigthaften Tons zuläßt. Insgesamt ist der Text angelegt auf eine enge Anbindung des Lesers an die vermittelnde Instanz des Sprechers und seine sorgfältig aufgebaute Auslegungskompetenz und -berechtigung. Diese Ausgestaltung muß im Zusammenhang mit dem Thema ‹Messe› gesehen werden, das aufgrund seiner heilicheit offenbar grundsätzlich einer solchen Vermittlung bedarf, hier allerdings besonders akzentuiert wird. Sie entspricht den didaktischen Intentionen des Textes, die in durchaus anspruchsvoller Weise mit Hilfe literarischer Mittel umgesetzt werden. Der Grund für die Zurücknahme der Erzählerebene und des gelehrten Apparats in den Legenden scheint dagegen darin zu liegen, daß - von bewußten Ausnahmen abgesehen - keine Reflexion über das Geschehen in Gang gesetzt, 184 Analyse es läßt sich daran allerdings zeigen, daß sie im Text als Formel christlicher Selbsterkenntnis und Selbstanklage dienen kann. Das Textcorpus der Hs. 3 sondern dessen innerer Nachvollzug dem Leser ermöglicht werden soll. Mit den Worten Theodor W olpers ’ wird bei dieser Form des «erzählerischen Andachtsbildes», wie es in den im 13. Jahrhundert aufkommenden Kurzfassungen zu finden ist, das Publikum «einbezogen in emotionale und kontemplative Akte der Andacht, in den lebendigen Vollzug der Einzelbetrachtung». 168 Die angestrebte Unmittelbarkeit macht es notwendig, daß die Erzählerinstanz eher im Hintergrund agiert und nicht als permanenter Verweis auf eine Meta- Ebene ‹stört›. Die Eingriffe in den Text, die zumeist einer besseren Verknüpfung und Motivierung der Handlung dienen, demonstrieren, daß die weitgehende Absenz eines Erzähler-Ichs nicht gleichbedeutend ist mit einer weniger aufmerksamen Präsentation. In ihrem Bestreben, in den beschreibenden Teilen das Geschehen (vor dem geistigen Auge) nachvollziehbar zu gestalten, in den rememorativen Passagen die Handlung möglichst gegenwärtig zu machen und in den didaktischen Teilen einen intensiven Leserbezug herzustellen, ist die Meßerklärung den Legenden in ihren in erster Linie didaktischen Intentionen nicht unähnlich, wenn auch in der Wahl der Mittel verschieden. Übereinstimmend wird in beiden Texten eine empathische Lektüre gefordert: in der Meßerklärung ist es die Identifizierung mit dem Leiden Jesu, in den Legenden mit den Martyrien der Heiligen. Darin liegen deutliche Akzentverschiebungen gegenüber den (bekannten) Quellen. Trotz Kürzungen ist nicht einfach eine Simplifizierung angestrebt, sondern eine Umakzentuierung. Die Wahl der Vermittlungsstrategien in Abhängigkeit von der Thematik, insbesondere was den Sprecheranteil betrifft, läßt sich an dem Kirchweihtext zeigen. Der Sprecher nimmt, ähnlich wie im Meßauslegungstext, eine exponierte Stellung als Vermittler ein, wie sie in dieser Form in der LA nicht zu finden ist. Obwohl also der gleichen Quelle verpflichtet wie die Legenden, gleicht er diesbezüglich eher der Meßallegorese, der er inhaltlich näher steht. Entscheidendes Kriterium für die Sprecherpräsenz und den Publikumsbezug ist demnach der zu vermittelnde Stoff und nicht das Vorbild der lateinischen Quelle. Daß der Meßerklärungstext und die narede positioniert sind zwischen Texten, die auf die LA zurückgehen, die jedoch unterschiedlich übersetzt sind - der Kirchweihtext entspricht auf der Diskursebene der Gestaltung des Meßerklärungstextes -, spricht dafür, daß die Übersetzung bzw. Bearbeitung aller Texte auf ein gemeinsames Konzept zurückging und die Texte nicht einfach als fertig vorgefundene durch Abschrift zusammengetragen wurden. Zumindest unterlagen sie einer gemeinsamen Redaktion. Dafür spricht insbesondere auch der durchgehende Abschluß aller Texte mit einem Dreireim. Wenn dem so ist, stellt sich die Frage, ob die liturgischen Texte mit den Legenden zusammen als Einheit gedacht waren, oder ob mit den Legenden ein neuer, selbständiger Teil beginnt. Der Abschluß des liturgischen Teils durch die narede markiert eine Zäsur, die in der Handschrift jedoch optisch durch keinerlei paratextuelle Das Textcorpus der Hs. 3 185 168 W olpers : Die englische Heiligenlegende des Mittelalters, S. 30ff. Merkmale, wie z.B. ein Spatium, umgesetzt wird. Der Text der Katharina-Legende beginnt in der nächsten Zeile. Die trennende Überschrift wurde - wohl nachträglich - daneben gesetzt. Eine gewiß einfache Logik der Textauswahl und -abfolge könnte man darin sehen, daß Kirchweihe und Messe die basalen Elemente der Liturgie darstellen. 169 Da im Text zur Kirchweihe auch die Tagzeiten behandelt werden, wird damit das liturgische Grundgerüst eines monastischen Tagesablaufs abgedeckt. Auf die Messe als Memoria des Opfers Christi folgen dann die Legenden als Geschichte seiner Zeuginnen nach seinem Tod. Didaktisch gesehen verbinden sich hier die Vermittlung liturgischer Grundkenntnisse mit einer zu einem Liber virginum 170 komprimierten Legendensammlung. Daß es sich bei der Meßauslegung um keinen rein pragmatischen Text handelt, wie z.B. solche für Meßdiener, geht nicht nur aus dem Text selbst hervor, sondern auch aus dem Überlieferungsverbund: Liturgischer und legendarischer Teil affizieren sich gegenseitig, insofern als einerseits die liturgische Funktion der Legenden ins Bewußtsein gerückt, andererseits der narrativ-literarische Charakter des liturgischen Teils unterstrichen wird. Im Hinblick auf den noch zu diskutierenden Kontext der Handschrift stellt sich außerdem die Frage, ob von dem intendierten Publikum auf den tatsächlichen Leserkreis geschlossen werden kann. Die Bezeichnung als vngelarte lute, 171 das nicht vorausgesetzte Wissen, die Anreden, die auch Frauen einbeziehen, die predigthaften Züge und die Abfassung in der Volkssprache legen den Schluß nahe, daß tatsächlich an ein Laienpublikum gedacht war, allerdings an eines, das bereits über Vorwissen verfügte und dem eine Teilnahme an der Meßfeier eingeräumt wurde, die möglicherweise über das ‹normale› Maß der Beteiligung der Gemeinde hinausging. Angesichts der Provenienz der Handschrift liegt der Gedanke nahe, daß gerade ein Nonnenpublikum diese Kriterien erfüllen konnte. Von einem solchen ist jedoch nirgends explizit die Rede, im Gegenteil werden ausdrücklich Männer und Frauen angesprochen, so daß der Text sich grundsätzlich an alle Laien richtet. Gerade aufgrund seiner literarischen Qualitäten darf man die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, daß auch ein klerikales Publikum Interesse daran haben konnte, das ihm Vertraute in deutscher Sprache zu rezipieren. Daß die Messe erklärungsbedürftig ist, geht schon aus der Existenz von Meßerklärungstexten als solchen hervor. 172 Darüber hinaus geht es aber auch 186 Analyse 169 Auch im RDO geht die Behandlung der Kirchweihe der der Messe voraus. 170 W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 29. 171 N 19. 172 Ausführlich zur Frage nach der Funktion der Meßerklärungen P etersen : Ritual und Theater , S. 59-71: «Erklärung, Auslegung reagiert auf die Wahrnehmung eines Defizits oder potentiellen Defizits kommunikativer Prozesse. Im Hinblick auf die Messe besteht ein solches Defizit in der geringen Evidenz der Bedeutung der liturgischen Zeichen.» (S. 59). Christoph P etersen weist daraufhin, daß die in den lateinischen Texten häufigen «Mehrfachdeterminationen» jedoch einen «Bedeutungsüberschuß, der mit dem Bedürfdarum, gerade einem nichtklerikalen Publikum einen Ort innerhalb des liturgischen Geschehens zuzuweisen, da seine aktive Teilnahme geringfügig und nicht notwendig war. Wenn der Text auf eine ebensolche Teilhabe abzielt, dann muß er so angelegt sein, daß der Rezipient dem Geschehen möglichst gut folgen und beim Lesen oder Hören die Handlungsanweisungen und Einstellungen erproben kann, die er dann bei der tatsächlichen Anhörung der Messe auch befolgen soll. Insofern steht die Meßerklärung in einem Imitationsverhältnis zur Messe selbst. Die Situation der Nonnen im Gottesdienst stellt sich aufgrund von Klausur- und Reinheitsvorschriften noch etwas anders dar. Da sie abseits des Altars und vor Blicken geschützt sitzen sollten, was durch Vorhänge und Schranken oder durch eine Empore umgesetzt werden konnte, war ihre Sicht auf das Meßgeschehen wohl erheblich eingeschränkt, was gerade in Zeiten einer gesteigerten Eucharistiefrömmigkeit gestört haben dürfte. 173 Diesem Mangel konnte durch bauliche Maßnahmen wie Fenster, durch die wenigstens die Elevation beobachtet werden konnte, abgeholfen werden, vielleicht aber auch durch einen Text, der besonderen Wert auf die visuellen Abläufe der Messe legt. Die Umgestaltungen der Legenden bei ihrer Translation in die Volkssprache werden meist direkt mit ihrer veränderten Rezeptionssituation in Verbindung gebracht, genauer gesagt werden insbesondere die Kürzungen im gelehrten Apparat als Tribut an ein Laienpublikum gewertet. Auf diese Weise erhält man jedoch nur ein negatives Ergebnis, das offen läßt, ob die deutschsprachigen Texte nicht ein eigenes Konzept an die Stelle der Auslassung setzen. Dafür ist es notwendig, den Blick nicht nur auf ihr Verhältnis zur lateinischen Vorlage, sondern auch auf die anderen deutschsprachigen Texte, also ihre Stellung innerhalb des volkssprachigen Literatursystems, zu richten. Edith F eistner hat mit ihrer Arbeit, in der sie v.a. die diskursive Variabilität als entscheidendes Merkmal der Legendentexte hervorhebt, bereits einen neuen Weg zur Erforschung der Legenden gewiesen. Ihr Übersetzungsmodell, das besonders das unterschiedlich gestaltete Verhältnis des Legendenerzählers zu seinen Lesern in den Blick nimmt, 174 erweist sich für die Textanalyse als sehr hilfreich. Ob allerdings von diesem Verhältnis auf die reale Stellung von Übersetzer und Publikum geschlossen werden kann, erscheint fraglich. Auch für eine Übersetzung sollte m.E. gelten, daß es sich bei dem, was wir ‹Erzähler› nennen, um eine Textinstanz handelt, die nicht mit der Person des Übersetzers gleichgesetzt werden kann. Die Beobachtung, daß - wie im Fall der Meßerklärung - das Verhältnis zum Publikum nicht konstant hierarchisch oder kollegial durchge- Das Textcorpus der Hs. 3 187 nis nach Unterweisung nicht mehr verechnet werden kann», erzeugen (S. 61). «Insofern zielt die Meßallegorese primär nicht auf eine Veranschaulichung oder Vermittlung, sondern auf eine umfassende Entdeckung von Bedeutung; sie zielt auf eine sinnstiftende Fundierung des Rituals» (S. 69). 173 M uschiol : Liturgie und Klausur, S. 141. 174 F eistner : Bausteine zu einer Übersetzungstypologie und D ies .: Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, bes. S. 49f. und 65ff. halten wird, stützt eher die These einer funktionalen Ausgestaltung dieser Rolle. Die Unterschiede zwischen Meßauslegung und Legenden zeigen außerdem, daß der Grad der Sprecherinszenierung und der Grad der Elaboriertheit auch stoffspezifisch ist und davon abhängt, welche Gattungsvorstellungen erfüllt werden sollen. Nicht zuletzt setzt das Konzept eine klare Zuordnung der beteiligten Personen, d.h. eine strikte Scheidung zwischen Literaten und Illiteraten voraus, die - wie Edith F eistner selbst betont - seit dem 13. Jahrhundert zunehmend unschärfer wird. 175 Durch die Translation in eine andere Sprache werden offenbar auch andere Mechanismen wirksam. Mit ihr einher geht die Transponierung in ein anderes literarisches Bezugssystem, in einen veränderten Rezeptionskontext schon durch den erweiterten Leserkreis, dessen Vorkenntnisse und Interessen berücksichtigt werden müssen. Aber auch bei den Lateinkundigen können die Erwartungen an einen deutschsprachigen Text andere gewesen sein. Es spricht für das literarische Bewußtsein des oder der Verantwortlichen, daß dies seinen Niederschlag in den Texten gefunden hat. 188 Analyse 175 Vgl. dazu Kap. 6.2. 5. Literarhistorische Einordnung 5.1 Die Wienhäuser Legenden im Gattungskontext «Die Legende ist ohne Zweifel die am breitesten tradierte narrative Gattung des Mittelalters überhaupt [...]. Insofern darf mit Fug behauptet werden, daß ihre im Spätmittelalter einsetzende volkssprachliche Adaption auf breiter Front zu den wichtigsten Erscheinungen der älteren deutschen Sprachgeschichte gehört.» 1 Diese von Werner W illiams -K rapp seiner grundlegenden Arbeit über die deutschen und niederländischen mittelalterlichen Legendare vorangestellte Äußerung macht deutlich, in welchem umfangreichen literaturgeschichtlichen Kontext die Legenden der Wienhäuser Handschrift zu sehen sind, der jedoch noch längst nicht vollständig aufgearbeitet ist. 2 Das Wienhäuser 1 W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 1. 2 Literatur zur Gattungsdefinition der Legende in Anm. 106. Neben den an anderer Stelle genannten Untersuchungen zu bestimmten Legenden, Legendaren oder Themenkomplexen vgl. auch: B arth , Ferdinand: Legenden als Lehrdichtung. Beobachtungen zu den Märtyrerlegenden in der Legenda aurea. In: Europäische Lehrdichtung. Festschrift für Walter Neumann zum 70. Geburtstag. Hrsg. v. Hans Gerd Rötzer u. Herbert Walz. Darmstadt 1981, S. 61-73; B ergmann , Werner: Die Heiligen und das Profane. Zur Bedeutung der Heiligenverehrung und des Patroziniums in der mittelalterlichen Gesellschaft. In: Von Aufbruch und Utopie. Perspektiven einer neuen Gesellschaftsgeschichte des Mittelalters. Für und mit Ferdinand Seibt aus Anlaß seines 65. Geburtstags. Hrsg. v. Bea Lundt u. Helma Reimöller. Köln [u.a.] 1992, S. 107-118; B rinker , Klaus: Formen der Heiligkeit. Studien zur Gestalt des Heiligen in mittelhochdeutschen Legendenepen des 12. und 13. Jahrhunderts. Diss. Bonn 1968; F eistner , Edith: Imitatio als Funktion der Memoria. Zur Selbstreferentialität des religiösen Gedächtnisses in der Hagiographie des Mittelalters. In: Kunst und Erinnerung. Memoriale Konzepte in der Erzählliteratur des Mittelalters. Hrsg. v. Ulrich Ernst u. Klaus Ridder. Köln/ Weimar/ Wien 2003 (Ordo. Studien zur Literatur und Gesellschaft des Mittelalters und der frühen Neuzeit 8), S. 259-276; G örlach , Manfred: Studies in Middle English Saints’ Legends. Heidelberg 1998 (Anglistische Forschungen 257); H aferland , Harald: Metonymie und metonymische Handlungskonstruktion. Erläutert an der narrativen Konstruktion von Heiligkeit in zwei mittelalterlichen Legenden. In: Euphorion 99 (2005), S. 323-364; H aubrichs , Wolfgang: ‹Labor sanctorum› und ‹labor heroum›. Zur konsolatorischen Funktion von Legende und Heldenlied. In: Die Funktion außer- und innerliterarischer Faktoren für die Entstehung deutscher Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Tagung Greifswald, 18.9.-20.9.1992. Hrsg. v. Christa Baufeld. Göppingen 1994 (GAG 603), S. 28-49; K asten , Ingrid: Gender und Legende. Zur Konstruktion des heiligen Körpers. In: Genderdiskurse und Körperbilder im Mittelalter: Eine Bilanzierung nach Butler und Laqueur. Hrsg. v. Ingrid Bennewitz u. Ingrid Kasten. Münster [u.a.] 2002 (Bamberger Studien zum Mittelalter 1), S. 199-219; K napp , Fritz Peter: legenda aut non legenda. Literarhistorische Einordnung Die Wienhäuser Legenden Legendar fällt in einen Zeitraum zunehmender Produktivität und Veränderung der Gattung Legende; daher gilt es zu fragen, wie sich das Legendar gegenüber diesen Entwicklungen verhält. Im vorliegenden Kapitel sollen daher die wichtigsten Entwicklungsschritte der Gattung vorgestellt werden; das Augenmerk richtet sich dabei auf diejenigen Aspekte, die im Hinblick auf die Wienhäuser Legenden relevant sind. Zu berücksichtigen sind einerseits formale Aspekte, insbesondere der Übergang von den Verslegendaren zu den Prosa- 190 Literarhistorische Einordnung Erzählstrukturen und Legitimationsstrategien in ‹falschen› Legenden des Mittelalters: Judas - Gregorius - Albanus. In: Ders.: Historie und Fiktion in der mittelalterlichen Gattungspoetik (II). Zehn neue Studien und ein Vorwort. Heidelberg 2005 (Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 35), S. 101-129; K öhler , Joachim: Die mittelalterliche Legende als Medium christlicher Verkündigung. In: Heiligenverehrung in Geschichte und Gegenwart. Wissenschaftliche Studientagung der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart 8. bis 12. April 1987 in Weingarten. Hrsg. v. Peter Dinzelbacher u. Dieter R. Bauer. Ostfildern bei Stuttgart 1990, S. 175-200; K unze , Konrad: Papierheilige. Zum Verhältnis von Heiligenkult und Legendenüberlieferung um 1400. In: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 4 (1986/ 87), S. 53-64; M eyer , Matthias: herre, den duch han ich bihalden. Deutschsprachige Veronika-Legenden im 12. Jahrhundert. In: Deutsche Literatur und Sprache von 1050-1200. Festschrift für Ursula Hennig zum 65. Geburtstag. Hrsg. v. Annegret Fiebig u. Hans-Jochen Schiewer. Berlin 1995, S. 163-180; O hst , Martin: Beobachtungen zu den Anfängen des christlichen Heiligenkultus. In: Frömmigkeitsformen in Mittelalter und Renaissance. Hrsg. v. Johannes Laudage. Düsseldorf 2004 (Studia humaniora. Düsseldorfer Studien zu Mittelalter und Renaissance 37), S. 9-28; S trohschneider , Peter: Georius miles - Georius martyr. Funktionen und Repräsentationen von Heiligkeit bei Reinbot von Durne. In: Literarisches Leben. Rollenentwürfe in der Literatur des Hoch- und Spätmittelalters. Festschrift für Volker Mertens zum 65. Geburtstag. Hrsg. v. Matthias Meyer u. Hans-Jochen Schiewer. Tübingen 2002, S. 781- 811; D ers .: Inzest-Heiligkeit. Krise und Aufhebung der Unterschiede in Hartmanns ‹Gregorius›. In: Geistliches in weltlicher und Weltliches in geistlicher Literatur des Mittelalters, S. 105-133; D ers .: Textheiligung. Gattungsstrategien legendarischen Erzählens im Mittelalter am Beispiel von Konrads von Würzburg ‹Alexius›. In: Geltungsgeschichten. Über die Stabilisierung und Legitimierung institutioneller Ordnungen. Hrsg. v. Gert Melville u. Hans Vorländer. Köln/ Weimar/ Wien 2002, S. 109-147; D ers .: Text- Reliquie. Über Schriftgebrauch und Textpraxis im Hochmittelalter. In: Performativität und Medialität. Hrsg. v. Sybille Krämer. München 2004, S. 249-267; D ers .: Johannes Rothes Verslegende über Elisabeth von Thüringen und seine Chroniken. Materialien zum Funktionsspektrum legendarischen und historiographischen Erzählens im späten Mittelalter. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 23 (1998), S. 1-29; V ollmann , Benedikt Konrad: Die geheime Weltlichkeit der Legende. Fortleben und Verwandlung antik-weltlicher Erzählstoffe in der Legende. In: Geistliches in weltlicher und Weltliches in geistlicher Literatur des Mittelalters, S. 17-26; W ilhelm , Friedrich: Deutsche Legenden und Legendare. Texte und Untersuchungen zu ihrer Geschichte im Mittelalter. Leipzig 1907; Z iegeler , Hans-Joachim: Wahrheit, Lügen und Fiktionen. Zu Martin Luthers ‹Lügend von S. Johanne Chrysostomo› und zum Status literarischer Gattungen im 15. und 16. Jahrhundert. In: Mittelalter und frühe Neuzeit. Übergänge, Umbrüche und Neuansätze. Hrsg. v. Walter Haug. Tübingen 1999 (Fortuna vitrea 16), S. 237-262. legendaren, andererseits thematische Aspekte wie die Auswahl bestimmter Heiligengruppen. Zu berücksichtigen ist zudem das Aufkommen von Abbreviationen und neuen Formen umfassender Sammlungen, insbesondere die LA und ihre umfangreiche Rezeption, speziell im mittelniederdeutschen Sprachraum. Anfänge volksprachiger Heiligendichtung finden sich bereits in althochdeutscher Zeit; die Legendendichtung setzt erst später ein. 3 Zunächst sind es meist fragmentarische Erzählungen über Figuren des Alten und Neuen Testaments, dazu kommen ab der Mitte des 12. Jahrhunderts Legenden christlicher Bekenner und Heiliger, meist ebenfalls bruchstückhaft überliefert. 4 Die volkssprachige Verschriftlichung der Legenden setzt im deutschen Raum verstärkt ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts ein. 5 Es sind zunächst v.a. Einzellegenden in versifizierter Form, die verhältnismäßig ausführliche Schilderungen bieten und z.T. dem höfischen Kontext zugeordnet werden. 6 War zunächst eine Tendenz zur Zunahme der Länge zu konstatieren, 7 so entstehen später umfangreiche Sammlungen, die Kurzformen der Legenden, sogenannte Abbreviationes, enthalten. Zunächst sind auch diese in Versform verfaßt, aber schon zur gleichen Zeit, Ende des 13. Jahrhunderts, wird die Entstehung von Prosalegendaren angesetzt, die um die Mitte des 14. Jahrhunderts die Verslegendare ablösen. 8 Die Legendensammlung der Wienhäuser Handschrift 3 ist insofern ‹modern›, da sie die Kurzvarianten bietet, doch bleibt sie durch die versifizierte Form und die nur kleine, thematisch begrenzte Auswahl der bekanntesten weiblichen Heiligengestalten zusammen mit dem Kirchweihtext und der Meßerklärung älteren Traditionen verhaftet. Finden sich auch keine Anhaltspunkte für den konkreten Gebrauch der Handschrift, so läßt sich schon aufgrund des geringen Umfangs und des kleinen Formats der Handschrift eine Verwendung für die monastische Tischlesung - eine Funktion, mit der die Entstehung und Verbreitung der umfassenden Legendare in Verbindung gebracht wird 9 - weitgehend ausschließen. Unabhängig davon, ob die Texte vorgetragen oder für die private Lektüre bestimmt waren, zeugen sie davon, daß über die institutionalisierten Formen der Rezeption hinaus ein Bedarf an Legendentexten bestand und daß jenseits von Liturgie und Tischlektüre möglicherweise andere Auswahlmechanismen zum Tragen kamen. Die Wienhäuser Legenden 191 3 M asser : Bibel- und Legendenepik des deutschen Mittelalters, S. 175. 4 Ebd. 5 F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 89. 6 Ebd., S. 89f. 7 M asser : Bibel- und Legendenepik des deutschen Mittelalters, S. 184. 8 W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 2. 9 Ebd., S. 357; F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 218; M ertens : Verslegende und Prosalegendar, S. 280. Zum Gebrauch lateinischer Legendenhandschriften vgl. auch P hilippart , Guy: Les légendiers latins et autres manuscrits hagiographiques. Turnhout 1977 (Typologie des sources du Moyen Âge occidental Fasc. 24-25 / A-VI.D9*), Kap. 3.h. L’utilisation du codex hagiographique (S. 112-121). Die Entwicklung hin zu kompendienhaften Sammlungen geht auf den lateinischen Bereich zurück. Dieser legenda nova genannte Typ kalendarisch angelegter, im sermo humilis verfaßter Abbreviationen wurde im 13. Jahrhundert von den Dominikanern entwickelt. 10 Die einflußreichste, wenn auch nicht die erste, war die von Jacobus de Voragine verfaßte Sammlung, die später den Namen Legenda aurea erhielt, 11 während die Werke seiner Vorgänger, die um 1225 entstandene Abbreviatio in gestis et miraculis sanctorum des Jean de Mailly und der von Bartholomäus von Trient 1245 oder später niedergeschriebene Epilogus in gesta sanctorum, die Jacobus beide ausgiebig benutzt hat, 12 weit weniger Beachtung fanden; für sie ist zumindest keine deutschsprachige Rezeption nachweisbar. 13 Jacobus de Voragine, zwischen 1226 und 1230 im heutigen Varazze bei Genua geboren, trat 1244 dem Dominikanerorden bei. 1260 wurde er Prior in Genua, schließlich Provinzialprior der Lombardei und 1283 übernahm er sogar die unbesetzte Stelle des Generalmeisters. Er hatte jedoch nicht nur höchste Positionen im Dominikanerorden inne, sondern wurde auch zum Erzbischof von Genua gewählt und als solcher 1292 in Rom geweiht. Er setzte sich für eine Reform des städtischen Klerus ein und vermittelte zwischen den Faktionen der Stadt. Sein wichtigstes Werk neben der LA sind die Chronica de civitate Ianuae (Chronik Genuas von den Anfängen bis 1297) und die Sermones de sanctis (Predigten, v.a. auf die im Dominikanerorden verehrte Jungfrau Maria). Der genaue Entstehungszeitraum der LA ist umstritten. Während Konrad K unze nach G. M onleone eine Datierung vor 1267 annimmt und «Argumente für eine (viel diskutierte) genauere oder spätere Datierung» für «kaum stichhaltig» hält, 14 versucht Barbara F leith noch einmal eine Neubestimmung. Als terminus post quem für den Abschluß der LA gibt sie das Jahr 1252 an aufgrund der zum Corpus der LA gehörenden Legende des Petrus Martyr, der erst 1252 starb und 1253 kanonisiert wurde. 15 Einen sicheren Anhaltspunkt für 192 Literarhistorische Einordnung 10 W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 12. Definition und Hinweise zu zeitgenössischen Belegen bei P hilippart : Les légendiers latins et autres manuscrits hagiographiques, S. 24 und Anm. 16 u. 17, zur historischen Entwicklung auch S. 45-48. 11 Zum Titel vgl. ausführlich F leith : Studien zur Überlieferungsgeschichte der lateinischen Legenda aurea, S. 25-30. 12 Ebd., S. 24; K unze : Jacobus a Voragine, Sp. 455. 13 W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 12; F leith : Studien zur Überlieferungsgeschichte der lateinischen Legenda aurea, S. 24. Vgl. oben Anm. 108. 14 K unze : Jacobus a Voragine, Sp. 453f.; M onleone , Giovanni: Iacopo da Varagine e la sua Cronaca di Genova dalle origini al MCCXCVII. Studio introduttivo e testo critico. 3 Bde. Rom 1941 (Fonti per la storia d’Italia 84-86) (zit. nach F leith : Studien zur Überlieferungsgeschichte der lateinischen Legenda aurea, S. XXII); B enz (Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine übersetzt von Richard Benz. Heidelberg [o. J.], Einleitung, S. XXI) gibt 1263-1273 als Entstehungszeitraum an. 15 F leith : Studien zur Überlieferungsgeschichte der lateinischen Legenda aurea, S. 14. den terminus ante quem bieten die überlieferten Handschriften, deren älteste auf etwa 1265 datiert wird und deren Zahl ab 1280 wächst; 16 weitere Indizien sprechen für eine Vorverlegung auf 1260, so daß sie die Abfassung auf die Jahre 1252 bis 1260 eingrenzt. 17 Barbara F leith unterscheidet einen italienischen von einem weiteren Überlieferungsstrang, der Eingang fand in das Unterrichtsprogramm der Dominikaner. In der Verbreitung des Textes über deren zentral gesteuerte und weitverzweigte schulische Organisation, die auch Klerikern anderer Observanzen offenstand, und in dessen Aufnahme in das Pariser Pecia- System, das für die Versorgung «des europäischen Bildungsklerus mit Fachliteratur» eine wichtige Rolle spielte, sieht sie den Grund für die Konstanz seines Bestandes und auch für seine rasch zunehmende und weitläufige Popularität. 18 Die Verbreitung nach Deutschland erfolgte ausgehend von Italien von Süden nach Norden und über Frankreich. Die ältesten erhaltenen lateinischen Textzeugen im deutschen Raum sind eine in Prüfening geschriebene und auf das Jahr 1282 datierte Handschrift 19 und ein Einsiedler Codex aus dem Jahr 1288. 20 Da der frühestmögliche Entstehungszeitpunkt der Wienhäuser Handschrift etwa um 1290 anzusetzen ist, rückt sie zeitlich sehr nah an die ersten erhaltenen Rezeptionszeugnisse heran, und selbst bei einer Spätdatierung um 1310 zählt sie immer noch zum Kreis der frühen Überlieferungszeugen im deutschsprachigen Raum. 21 Dies gilt erst recht im Hinblick auf die volkssprachigen Texte, denn als das früheste Zeugnis einer solchen Rezeption wird von Konrad K unze ein französisches Legendar von 1285/ 90 genannt. 22 Die veranschlagte Entstehungszeit der deutschen Übersetzungen reicht zwar teilweise auch noch ins 13. Jahrhundert zurück, die handschriftliche Überlieferung setzt jedoch erst später ein. Die Schlußteile des Väterbuchs, das Passional und der Heiligen-Zyklus des Schwarzwälder Predigers sind die ältesten erhaltenen Texte, die die LA benutzt haben 23 und noch Ende des 13. Jahrhunderts ent- Die Wienhäuser Legenden 193 16 Ebd., S. 15. 17 Reglinde R hein schließt sich dieser Datierung an (Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine, S. 8). 18 F leith : Studien zur Überlieferungsgeschichte der lateinischen Legenda aurea, S. 404f. und 429f. Das Pecia-System war v.a. zwischen 1270 und 1350 an den mittelalterlichen Universitäten, besonders in Paris und Bologna, verbreitet. Ein sogenannter stationarius erstellte ein korrigiertes Exemplar jedes Unterrichtstextes, dessen Lagen nur numeriert, nicht gebunden wurden. Eine Lage (pecia) konnte gegen Gebühr für eine Woche gemietet werden, so daß mehrere Schreiber gleichzeitig arbeiten konnten (D erolez , A.: Pecia, petia. In: LMA 6, Sp. 1847f.). 19 München, Staatsbibliothek clm 13029, geschrieben 1282, aus Prüfening (K unze : Jacobus a Voragine, Sp. 453). 20 Stiftsbibliothek Einsiedeln, Cod. 629 von 1288 (ebd.). 21 Vgl. Kap. 2.1. 22 K unze : Jacobus a Voragine, Sp. 454. 23 K unze : Legenda aurea. In: LMA 5, Sp. 1798f. Zum ‹Schwarzwälder Prediger› vgl. auch W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 18, D ers .: Mittelalterliche deutsche Heiligenpredigtsammlungen und ihr Verhältnis zur standen sind. 24 Allerdings hat Christoph F asbender kürzlich Bruchstücke einer weiteren nd.-md. Versübertragung der LA in der Stiftsbibliothek Zeitz identifizieren können, die etwa zur gleichen Zeit wie die Wienhäuser Handschrift entstanden sein dürften, aufgrund der Schrift und der offensichtlich zweispaltigen Einrichtung jedoch eindeutig nicht zu der (unvollständigen) Hs. 3 gehört haben können. Soweit aufgrund des fragmentarischen Charakters der Texte feststellbar, handelt es sich auch nicht um Frauenlegenden oder den Kirchweih-Text, doch sind sich die Texte sprachlich und stilistisch so ähnlich, daß ein Zusammenhang durchaus möglich erscheint. 25 Das könnte vielleicht bedeuten, daß eine vollständige oder doch zumindest umfangreichere Übersetzung im nd.-md. Raum existierte. 26 Besonderes Interesse verdient im Hinblick auf die Wienhäuser Handschrift die Rezeption der LA bei den Zisterziensern. Die Legenden bildeten einen wichtigen Bestandteil der täglichen Lektüre der Mönche und Nonnen. Die «Einführung der ‹Legenda aurea› des Dominikaners Jacobus de Voragine als 194 Literarhistorische Einordnung homiletischen Praxis. In: Die deutsche Predigt im Mittelalter. Internationales Symposium am Fachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin vom 3. bis 6. Oktober 1989. Hrsg. v. Volker Mertens u. Hans-Jochen Schiewer. Tübingen 1992, S. 352-360 und S chiewer , Hans-Jochen: Schwarzwälder Predigten. In: 2 VL 8, 1992, Sp. 919-924; Ausgabe: Fest- und Heiligenpredigten des ‹Schwarzwälder Predigers›. Hrsg. v. Peter Schmitt, Ulla Williams u. Werner Williams-Krapp. München 1982 (Kleine deutsche Prosadenkmäler des Mittelalters 14). 24 R ichert : Passional, Sp. 332; zum Passional vgl. auch D ers. : Wege und Formen der Passionalüberlieferung. Tübingen 1978 (Hermaea N.F. 40) und T iedemann , Ernst: Passional und Legenda aurea. Berlin 1909 (Palaestra 87). Ausgabe: D as P assional . Eine Legenden- Sammlung des dreizehnten Jahrhunderts. Zum ersten Male hrsg. und mit einem Glossar versehen v. Fr. Karl Köpke. Quedlinburg und Leipzig 1852/ Nachdruck Amsterdam 1966 (Bibliothek der gesammten deutschen National-Literatur von der ältesten bis auf die neuere Zeit 32). Zum Väterbuch: B orchardt , Dorothea/ K unze , Konrad: Väterbuch. In: 2 VL 10, 1999, Sp. 164-170, hier Sp. 164. Ausgabe: D as V äterbuch . Aus der Leipziger, Hildesheimer und Straßburger Handschrift hrsg. v. Karl Reissenberger. Berlin 1914 (Deutsche Texte des Mittelalters 22). 25 Besonders auffallend sind die (auch graphisch) parallelen Reime: al eine/ gemeine, vader/ gader, stigen/ crigen, seder/ weder, leven/ gegeven, lif/ kif, lif/ wif, sculden/ dulden, sla/ na, geve/ leve, wnder/ besvnder bzw. bisunder. Ein weiteres wichtiges Argument ist, daß die Bruchstücke auch einen Textschluß überliefern, der wie alle Texte der Wienhäuser Hs. einen Dreireim aufweist (vgl. S. 9 und S. 185). 26 An dieser Stelle möchte ich Christoph F asbender herzlich für den Hinweis sowie für die Informationen zu den Fragmenten danken. Seine Untersuchungsergebnisse und die Texte der größeren Fragmente sind inzwischen veröffentlicht: Die Zeitzer ‹Legenda aurea›. Fragmente einer unbekannten niederdeutschen Versübertragung. In: Niederdeutsches Jahrbuch 131 (2008), S. 7-17; Das Leben der Heiligen in deutschen Versen. Die Legenda aurea Cicensis. In: Handschriften und frühe Drucke aus der Zeitzer Stiftsbibliothek. Hrsg. v. den Vereinigten Domstiftern zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz, unter Mitwirkung zahlreicher Fachkollegen, zusammengestellt und bearbeitet v. Frank-Joachim Stewing. Petersberg 2009 (Schriftenreihe der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz 3), S. 22. Standardwerk für die Lesungen aus den vitae sanctorum in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts» bei den Zisterziensern wurde dadurch begünstigt, daß die Kurzfassungen sich besonders für die Tischlektüre eigneten und daß «der Heiligenkalender der Dominikaner, der der ‹Legenda aurea› zugrunde lag, mit ihrem eigenen recht gut übereinstimmte». 27 Die Rezeption der LA ist in den deutschen Zisterzienserklöstern früh belegbar. Zur Überlieferung aus Eberbach gehört auch das Fragment einer LA-Handschrift des 13. Jahrhunderts. Zu einem unbekannten Zeitpunkt gelangte in den Eberbacher Bestand eine weitere (vollständige) Handschrift, die in einem seiner Tochterklöster, dem Nonnenkonvent Heiliggeist in Alzey, entstanden ist. Im Kolophon nennt die Schreiberin das Abfassungsdatum 1294, ihren Namen, das Kloster sowie den Auftraggeber, einen Weltpriester, in dem Nigel F. P almer einen Beichtvater vermutet. Damit ist «für die früheste Phase der Verbreitung des neuen Legendartyps in Deutschland» ein weiteres Zeugnis aus einem Zisterzienserinnenkloster belegt. Auch das Heiliggeist-Kloster war nicht dem Orden inkorporiert und wurde als Gründung der Wittelsbacher Pfalzgrafen von Frauen aus pfälzischen Adelsfamilien bevorzugt. 28 Die Besonderheit der Wienhäuser Handschrift ist jedoch, daß sie schon in dieser Phase eine volkssprachige Version zu bieten hat. Die erste der deutschsprachigen Prosaübersetzungen und zugleich die bedeutendste ist die Elsässische Legenda aurea (ELA), die, ergänzt um mehrere Sondergutlegenden, in Straßburg in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstand 29 und deren handschriftliche Überlieferung 1362 einsetzt. 30 Souveränität gegenüber seiner Quelle und sprachliche Kompetenz 31 sowie die Verwirklichung eines «eigene[n] Strukturmodell[s] der Erzählfolge» 32 werden als Merkmale dieser Übersetzung genannt. Der ELA folgte zeitlich eine Übersetzung aus dem sich durch seine umfangreiche volkssprachige Hagiographie auszeichnenden niederländischen Sprachraum, 33 die südmittelniederländische Übersetzung von 1357 des sogenannten ‹Bijbelvertalers von 1360›. 34 Die Verbreitung Die Wienhäuser Legenden 195 27 P almer : Zisterzienser und ihre Bücher. Die mittelalterliche Bibliotheksgeschichte von Kloster Eberbach im Rheingau unter besonderer Berücksichtigung der in Oxford und London aufbewahrten Handschriften. Hrsg. v. Freundeskreis Kloster Eberbach e.V. Regensburg 1998, S. 170 und 201f. 28 Ebd., S. 202. Die Hs. befindet sich heute in Oxford (BL, MS. Laud. Misc. 425). 29 Vgl. W illiams -K rapp : Die deutschen Übersetzungen der ‹Legenda aurea› des Jacobus de Voragine, S. 253. 30 Es handelt sich um den Münchener Codex cgm 6, der neben der Heidelberger Handschrift cpg 144 von 1419 auch das einzig komplette Exemplar darstellt (K unze : Jacobus a Voragine, Sp. 460). 31 Ebd. 32 R iehl : Kontinuität und Wandel von Erzählstrukturen am Beispiel der Legende, S. 110. 33 W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 53. 34 Der älteste Textzeuge ist die 1358 vom Original abgeschriebene, aber nur das letzte Drittel umfassende Hs. Brügge, St. Janshospitaal. Insgesamt gibt es über 64 Handschriften (K unze : Jacobus a Voragine, Sp. 457). dieser Legendare war regional bedingt. Während die ELA im Südwesten Deutschlands überliefert wurde, setzte sich die Südmittelniederländische Legenda aurea (Smnld LA), von der auch mittelfränkische und niederdeutsche Versionen existieren, 35 im Nordwesten durch. Gegenüber den zahlreichen Handschriften, in denen diese beide vertreten sind, nimmt sich die Überlieferung der anderen Übersetzungen eher gering aus. «Abgesehen von der elsässischen Überlieferung wird die LA mindestens noch sechsmal ins Deutsche übertragen und erweist sich damit als eines der am häufigsten übersetzten Werke des deutschen Mittelalters überhaupt. Diese sechs Übersetzungen sind aber nur in wenigen Handschriften oder z.T. sogar nur durch einen einzelnen Textzeugen belegt; über Ort und Zeit ihrer Entstehung läßt sich nur wenig sagen; keine stammt jedoch aus den zentralen Überlieferungsbereichen der Els. oder der Smnld. LA.» 36 Diese eher dürftige Überlieferungslage wird zurückgeführt auf die Konkurrenz zu Der Heiligen Leben, von dem vier von ihnen auch beeinflußt sind. 37 Im Vergleich mit der Handschrift des Klosters Wienhausen sind diese Übersetzungen sehr viel später überliefert, sämtliche von Werner W illiams - K rapp 38 genannten Textzeugen stammen aus dem 15. Jahrhundert. Ihr Legendenbestand ist umfangreicher, keine bietet eine vergleichbare spezielle Textauswahl, und was ihr Verhältnis zur lateinische Vorlage betrifft, wird ihre Eigenständigkeit geringer eingestuft: Einzig die Thalbacher LA aus dem Tertianerinnenkloster Thalbach bei Bregenz zeichne sich, so Werner W illiams - K rapp , durch die Ergänzung von «pastoralen Kommentaren» gegenüber den anderen Übersetzungen aus, die kaum über die Wiedergabe des lateinischen Textes hinausgehen. 39 Die Ostmittelniederdeutsche LA I unternehme gele- 196 Literarhistorische Einordnung 35 W illiams -K rapp : Die deutschen Übersetzungen der ‹Legenda aurea› des Jacobus de Voragine, S. 253. K unze (Jacobus a Voragine, Sp. 459) spricht von mittelfränkischen und ripuarischen Umschriften. Daneben existiert noch die Nordmittelniederländische LA. Diese vermutlich um 1400 entstandene Übersetzung läßt sich jedoch nur im Norden der Niederlande und den angrenzenden deutschen Gebieten nachweisen und kann daher hier vernachlässigt werden (vgl. ebd.). 36 W illiams -K rapp : Die deutschen Übersetzungen der ‹Legenda aurea› des Jacobus de Voragine, S. 253f. Die Übersetzungen im einzelnen: Thalbacher LA (Wien, Österr. Nat.-Bibl., Cod. 2839), Harburger LA I (annähernd vollständig nur Augsburg, Univ.- Bibl. (ehem. Harburg), Cod. Oettingen-Wallerstein III 1, 2°, 22), Ostmitteldeutsche LA I (Breslau, Univ.-Bibl., cod. IV F 184 und Melk, Stiftsbibl., Cod. 226, 119 ra -244 va ), Regensburger LA (fast vollständig in den sich ergänzenden Hss. Bayer. Staatsbibl. München, ccgm 3972 und 3973), Harburger LA II (Augsburg, Univ.-Bibl. (ehem. Harburg), Cod. Oettingen-Wallerstein III 1, 2°, 24), Ostmitteldeutsche LA II (Dessauer Stadtbibl. Hs. Georg. 22, 4°) - Angaben aus K unze : Jacobus a Voragine, Sp. 461-463 und W illiams - K rapp : Die deutschen Übersetzungen der ‹Legenda aurea› des Jacobus de Voragine, S. 255-272. 37 K unze : Jacobus a Voragine, Sp. 456; W illiams -K rapp : Die deutschen Übersetzungen der ‹Legenda aurea› des Jacobus de Voragine, S. 254. 38 Ebd., S. 255-272. 39 Ebd., S. 255. gentlich den Versuch einer besseren Motivierung des knappen Handlungsgangs. Die Veränderungen gegenüber der LA seien ansonsten begrenzt auf Kürzungen, «besonders im Bereich des gelehrten Apparates», 40 wie sie auch die Legenden der Wienhäuser Handschrift aufweisen. Für die Beurteilung der Wienhäuser Handschrift ist speziell die LA-Rezeption im mittelniederdeutschen Raum relevant, die jedoch noch nicht genügend untersucht wurde. Brigitte D erendorf stellt fest, daß die Forschung «hier über die Erhebung des Materials noch nicht hinausgekommen» ist; in ihrem eigenen Aufsatz konzentriert sie sich in erster Linie auf die Überlieferungs- und Textgeschichte entsprechender Bearbeitungen. 41 Zu den oben genannten deutschsprachigen Übersetzungen insgesamt ist als bisher einzig feststellbare selbständige Translation aus diesem Sprachgebiet die Mittelniederdeutsche LA zu ergänzen, die durch zwei, allerdings unvollständige Textzeugen überliefert ist. Der frühere der beiden, der nur wenig mehr als drei Doppelblätter umfaßt, stammt aus dem nicht weit von Wienhausen entfernten Lüneburg 42 und wird auf die Zeit um 1400 datiert. 43 Aufgrund überlieferungsgeschichtlicher Überlegungen setzt Brigitte D erendorf die Textentstehung am Ende des 14. Jahrhunderts an, 44 damit ist er aber immer noch geraume Zeit später verfaßt als die Wienhäuser Handschrift. Folgt man der Beschreibung des noch unedierten und kaum untersuchten Textes durch Konrad K unze und Brigitte D erendorf , lassen sich durchaus Parallelen zu den Wienhäuser Legenden feststellen: «Der lat. Text ist frei und z.T. glossierend übersetzt, Etymologien, Elogien auf die Heiligen und Mirakel werden zugunsten einer Konzentration auf die Vita weggelassen.» 45 Die als kennzeichnend beschriebenen Textanfänge von der Art Wi lesen dat und die kurzen Schlußgebete 46 haben dagegen keine direkte Entsprechung. Daneben war, wie erwähnt, in Norddeutschland die Smnld LA in mittelniederdeutscher Bearbeitung vertreten, 47 die in einer Handschrift von 1480 aus dem Kloster Marienstuhl bei Egeln 48 und außerdem in Teilen in einer Hand- Die Wienhäuser Legenden 197 40 Ebd., S. 273. 41 D erendorf : Die mittelniederdeutschen Bearbeitungen der Legenda aurea, hier: S. 9. Vgl. auch K unze : Jacobus a Voragine, Sp. 459. 42 Allerdings läßt die Sprache, «Nordniederdeutsch ohne spezielle Kennzeichen», keine genauere Lokalisierung zu (vgl. D erendorf : Die mittelniederdeutschen Bearbeitungen der Legenda aurea, S. 10). Darin scheinen sich das Lüneburger Fragment und die Wienhäuser Handschrift nicht unähnlich zu sein. 43 Ratsbücherei Lüneburg Miscell. D 2°25 und D 2°29 (D erendorf : Die mittelniederdeutschen Bearbeitungen der Legenda aurea, S. 9). 44 Ebd., S. 11. 45 K unze : Jacobus a Voragine, Sp. 459f. 46 Ebd., Sp. 460. 47 Vgl. D erendorf : Die mittelniederdeutschen Bearbeitungen der Legenda aurea, S. 16ff. 48 Es handelt sich um Ms. I 189 a der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover (K unze : Jacobus a Voragine, Sp. 459 und D erendorf : Die mittelniederdeutschen Bearbeitungen der Legenda aurea, S. 17). Letztere erwähnt noch eine weitere bruchstückhafte schrift der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin (mgq 524) erhalten ist. Entgegen den Angaben von Jan D eschamps vertritt Brigitte D erendorf die These, daß es sich um zwei selbständige Legendare handelt. 49 Sie geht ausführlicher nur auf die letztere ein, die sie nach Münster lokalisiert und auf Ende des 15. bzw. Anfang des 16. Jahrhunderts datiert. Abgesehen von ihrer grundsätzlichen Bedeutung kommt der Wienhäuser Handschrift also für den mittelniederdeutschen Sprachraum besonderes Gewicht zu als - soweit ich sehe - frühestes Rezeptionszeugnis und als möglicher Nachweis weiterer eigenständiger Übersetzungstätigkeit. Zeitgleich zu den Übersetzungen der LA existierten noch weitere volkssprachige Legendare, die nur teilweise oder gar nicht aus den Texten des Jacobus schöpften. Für das ebenfalls in Reimpaarversen verfaßte Passional, das mit dem Deutschen Orden in Zusammenhang gebracht wird, ist nicht abschließend geklärt, inwieweit der Autor über die LA hinaus weitere Quellen herangezogen hat. 50 In der Tendenz zur ‹Verbesserung› hinsichtlich Verknüpfung, Motivierung, innerer Anteilnahme, Ausschluß von Widersprüchen und Unstimmigkeiten stimmt das Wienhäuser Legendar mit dem Passional überein, 51 wenngleich sie im Wienhäuser Legendar weniger konsequent und vielleicht auch weniger ‹gekonnt› erfolgt. Zu dieser Gruppe gehört auch das bereits genannte Väterbuch, das vom gleichen Verfasser wie das Passional stammt, in der Zeit zwischen 1280 und 1300 entstanden ist und im wesentlichen den Vitae (Vitas) patrum des Hieronymus folgt, 52 sowie das «vielleicht noch im 13. Jh. im Auftrag einer unbekannten Gräfin von Rosenberg» entstandene Märterbuch, das einzige umfangreiche, jedoch wenig verbreitete Verslegendar neben dem Passional, 53 das als Hauptquelle die erweiterte Fassung eines lateinischen ‹Kurzlegendars› des 12. Jahrhunderts benutzt. 54 Bei Der Heiligen Leben handelt es sich dagegen um «die verbreitungs- und wirkungsmäßig bedeutsamste volkssprachige 198 Literarhistorische Einordnung Übersetzung (Münster, Staatsarchiv, Msc. VII 2b (Nr. 5/ 6)) aus dem 15. Jahrhundert (ebd., Anm. 33). 49 D erendorf : Die mittelniederdeutschen Bearbeitungen der Legenda aurea, S. 18; D eschamps , Jan: Middelnederlandse handschriften uit Europese en Amerikaanse bibliotheken. Tentoonstelling ter gelegenheid van het honderdjarig bestaan van de Koninklijke Zuidnederlandse Maatschappij voor Taalen Letterkunde en Geschiedenis. Brüssel, Koninklijke Bibliotheek Albert I, 24 Okt. - 24 Dec. 1970. Catalogus. 2. Aufl. Leiden 1972, S. 197ff. 50 R ichert : Passional, Sp. 336. 51 T iedemann : Passional und Legenda aurea, Kap. II. Umstellungen, Kap. III. Auslassungen, IV. Sachliche Abweichungen, V. Sachliche Zusätze. 52 B orchardt , Dorothea/ K unze , Konrad: Väterbuch. In: 2 VL 10, 1999, Sp. 164-170; R osenfeld , Hellmut: Legende. 4., verbesserte und vermehrte Aufl. Stuttgart 1982 (Sammlung Metzler 9), S. 63f. 53 W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 23. 54 Ebd., S. 23f. Vgl. dazu E is , Gerhard: Die Quellen des Märterbuchs. Reichenberg i. B. 1932 (Prager deutsche Studien 46). Ausgabe: D as M ärterbuch . Die Klosterneuburger Handschrift 713. Hrsg. v. Erich Gierach. Berlin 1928 (Deutsche Texte des Mittelalters 32). Legendensammlung des europäischen Mittelalters», die allerdings wohl erst «um die Wende vom 14. zum 15. Jh.» entstanden sein dürfte. 55 Die Anlage all dieser mittelalterlichen Legendare erfolgte nach unterschiedlichen Kriterien; die meisten von ihnen sind entweder nach dem kalendarischen Prinzip per circulum anni geordnet oder aber nach Heiligentypen. Von den Hauptgruppen Apostel, Märtyrer, Bekenner und Jungfrauen sind letztlich nur die erste und die letzte Gruppe als Zusammenstellungsprinzip für volkssprachige Legendare verwirklicht worden. 56 So ist im Prolog des Buchs von den heiligen Mägden und Frauen der Lichtentaler Zisterzienserin Regula von 1460 - das zu einem ausführlichen Vergleich herangezogen werden soll - von einem Konzept die Rede, das außerdem Apostel, Märtyrer, Kirchenlehrer und Bekenner umfassen sollte. 57 Wie dies auch bei anderen Legendaren der Fall ist, wurden in der Wienhäuser Handschrift aus der nach dem kalendarischen Prinzip geordneten LA Legenden weiblicher Heiliger extrapoliert und zusammengestellt, so daß ein «liber virginum» 58 entstand. Die Legenden selbst folgen keiner erkennbaren Systematik, es sei denn, daß man die wichtigeren - Katharina, Maria, Maria Magdalena - den anderen voranstellen wollte. Konsequenterweise hätten dann aber die beiden Marienlegenden am Anfang stehen müssen. 59 Nach Werner W illiams -K rapp sind solche «Zusammenstellungen deutscher Legenden weiblicher Heiliger [...] schon in Versform bekannt», wie z.B. das von ihm genannte Passienbüchlein der vier Hauptjungfrauen. Dieses, wie auch die meisten anderen dieser Legendare, läßt sich unter der Rubrik «kleinere Sammlungen von Legenden der kultmäßig bedeutendsten virgines» fassen 60 ; eine Charak- Die Wienhäuser Legenden 199 55 W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 188f. Edition: D er H eiligen L eben . Hrsg. v. Margit Brand [u.a.]. Bd. 1: Der Sommerteil, Bd. 2: Der Winterteil. Tübingen 1996 u. 2004 (Texte und Textgeschichte. Würzburger Forschungen 44 u. 51). 56 W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 26. Sammlungen nach Regional- und Lokalheiligen oder Ordensheiligen spielen eine eher untergeordnete Rolle, da sie meist ergänzenden Charakter haben oder nur wenig umfangreich sind (vgl. ebd.). Die Existenz dieses Ordnungsprinzips wird aber auch durch andere Texttypen gestützt; das 1502 angelegte Reliquien-Verzeichnis der Zisterze Eberbach ist beispielsweise so angeordnet (P almer : Zisterzienser und ihre Bücher, S. 199f.). Zu den verschiedenen Legendartypen vgl. auch P hilippart : Les légendiers latins et autres manuscrits hagiographiques, Kap. 3.d. La structure d’un légendier (S. 80-101). 57 W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 30; vgl. Kap. 7.4. 58 Ebd., S. 29. 59 Für die Hs. mgq 542 kommt D erendorf zu einem ähnlichen Ergebnis: «Die Legende der Jungfrau Maria [...] hätte nach der hier zugrundegelegten Ordnung nicht hinten angehängt werden dürfen, sondern Maria hätte als Anführerin der Heiligenlitanei an den Anfang des Legendars gestellt werden müssen.» Hier ist Maria Magdalena, wiewohl keine Jungfrau, unter diese eingereiht. Auch für die Smnld LA nimmt D erendorf an, daß mit der Reihenfolge der Jungfrauen eine Rangfolge verknüpft ist. Allerdings steht dort Agnes an erster Stelle. (Die mittelniederdeutschen Bearbeitungen der Legenda aurea, S. 18ff.). 60 W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 29. terisierung, die auf die Wienhäuser Legenden ebenfalls zutrifft. Diese Legenden gehören auch alle zu dem von Barbara F leith ermittelten Grundcorpus der LA, das in den meisten Handschriften anzutreffen ist. 61 Der Maget krone, wenn auch in Versform, ist später, wahrscheinlich um die Mitte des 15. Jahrhunderts, entstanden. 62 Dort tritt gegenüber der Konzentration auf den Heiligentyp der Märtyrerjungfrauen das kalendarische Prinzip gleichfalls in den Hintergrund, auch sind in der Bearbeitungsweise Übereinstimmungen festzustellen. 63 Zahlreiche ähnliche Prosacorpora sind dann im 15. Jahrhundert entstanden. 64 Die Wienhäuser Legenden weisen - soweit dies anhand der vorhandenen Beschreibungen und Editionen überprüft werden konnte - mit den erwähnten Verslegendaren keine Übereinstimmung auf, die auf eine Benutzung oder gar Abhängigkeit schließen ließe. Die Prosalegendare scheiden als Quelle durch ihre Form ebenso aus wie durch ihre Produktionsdaten. Sie sind allesamt später datiert: zwischen dem spätestmöglichen Entstehungszeitpunkt der Wienhäuser Handschrift und dem ältesten Textzeugen der ELA liegt immerhin ein Zeitraum von fast vierzig Jahren. Da sie mit den erhaltenen Bruchstücken der Zeitzer Legenda aurea zwar Ähnlichkeiten, aber keine inhaltlichen Übereinstimmungen aufweist, wird sie zumindest vorläufig als eigenständige Teilübersetzung der LA (mit der Einschränkung, daß die Hinzunahme weiterer lateinischer Quellen nicht ganz auszuschließen ist) gelten dürfen. Sie stellt damit aufgrund ihres Entstehungszeitraums sowohl für den gesamten deutschsprachigen wie auch im besonderen für den niederdeutschen Raum einen wichtigen Hinweis für deren Rezeption dar. Faßt man noch einmal die wichtigsten Ergebnisse zusammen, so kann die Handschrift 3 als ein frühes Rezeptionszeugnis der LA im deutschsprachigen Raum überhaupt gelten und darüber hinaus als eine frühe Übersetzung in der zu der Zeit noch üblichen versifizierten Form, die aber schon bald von der Prosa abgelöst wurde. Sie bietet eine spezielle thematische Auswahl, wie sie auch in einigen wenigen, meist späteren Legendaren zu finden ist, jedoch mit der Einschränkung, daß die Verslegendare und die Auswahllegendare noch nicht ausreichend erforscht und erschlossen sind, um zu einer endgültigen Aussage zu gelangen. 65 200 Literarhistorische Einordnung 61 F leith : Studien zur Überlieferungsgeschichte der lateinischen Legenda aurea, S. 35f. Ein Verzeichnis der einzelnen Legenden befindet sich auf einem lose beigefügten Blatt. 62 Vgl. R osenfeld , Hans-Friedrich: Der maget krone. In: 2 VL 5, 1985, Sp. 1148-1152. 63 Vgl. F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 250. Die Übereinstimmungen bestehen nach der Beschreibung von E. F eistner (S. 255) in einer weiteren Verkürzung gegenüber der LA, betroffen sind auch hier schwerer zu verstehende Details und Metaphern (die fünf beneficia des Bräutigams Christus bei Agnes, die metaphorischen Umschreibungen von Cäcilia und Valerianus) und komplizierte Redeteile der Heiligen. Wie in den Wienhäuser Legenden werden letztere dann nur summarisch wiedergegeben. 64 W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 29f. 65 Vgl. D ie ‹E lsässische L egenda A urea ›. Bd. I: Das Normalcorpus. Hrsg. v. Ulla Williams u. Werner Williams-Krapp. Tübingen 1980 (Texte und Textgeschichte. Würzburger For- 5.2 Die Wienhäuser Meßallegorese und ihre lateinischen und deutschsprachigen Vergleichstexte In der altgermanistischen Forschung haben die deutschsprachigen Meßerklärungen bisher kaum Beachtung gefunden. 66 Die literarhistorische Verortung der Wienhäuser Meßallegorese muß sich daher im wesentlichen auf das im Werk des Theologen Adolph F ranz dargebotene lateinische und deutschsprachige Material stützen, das die literarische Seite der Texte jedoch weniger berücksichtigt. 67 Sie kann dementsprechend nur eine erste vorsichtige und ergänzungsbedürftige Einschätzung sein, die versucht, die für den Text relevanten Entwicklungen und Merkmale der Gattung abzustecken. Stärker noch als bei den Legenden stehen hier die lateinischen Texte, die die Bezeichnung Expositio Missae 68 tragen, im Vordergrund, von denen die Impulse für die volkssprachigen Meßerklärungen ausgingen. Bereits in der Frühzeit des Christentums gehörte die Unterrichtung über die Handlungen und Gebete der Liturgie zu den kirchlichen Aufgaben, wenn auch aus dieser Zeit keine zusammenhängenden Erklärungen überliefert sind. 69 Beschränkten sich bis zum 9. Jahrhundert die Explikationen meist auf solche grammatischer, sachlicher und auch erbaulicher Art, die die Gebete gegenüber den Zeremonien in den Vordergrund stellten, 70 so stieg mit dem Verschwinden der Kenntnis geschichtlicher Ursprünge das Bedürfnis nach allegorischer Ausdeutung, die zumindest «teilweise den Verlust der Gedächtnisdimension in der Eucharistielehre» 71 kompensierte. In diesem Zusammenhang fällt für gewöhnlich der Name Amalars von Metz, der zwar die allegorische Methode nicht begründete - Die Wienhäuser Meßallegorese 201 schungen 3), S. XIII: Zu den bekannten Übertragungen der LA «kommen zahlreiche Versionen einzelner Legenden und Legendengruppen, die noch nicht einmal ansatzweise erfaßt sind», hinzu. 66 Hinzuweisen ist hier auf S troppel , Robert: Liturgie und geistliche Dichtung zwischen 1050 und 1300. Mit besonderer Berücksichtigung der Meß- und Tagzeitenliturgie. Frankfurt a. M. 1927 (Deutsche Forschungen 17); I lling : Alberts des Großen ‹Super missam›-Traktat in mittelhochdeutschen Übertragungen, der sein Buch als «Beitrag zur germanistischen Scholastikforschung» versteht (ebd. Vorwort); S untrup , Rudolf: Die Bedeutung der liturgischen Gebärden und Bewegungen; D ers .: Zeichenkonzeptionen in der Religion des lateinischen Mittelalters. In: Semiotik. Ein Handbuch zu den zeichentheoretischen Grundlagen von Natur und Kultur/ Semiotics. A handbook on the signtheoretic foundations of nature and culture. Hrsg. v. Roland Posner, Klaus Robering u. Thomas A. Sebeok. 1. Teilband. Berlin/ New York 1997 (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 13,1), S. 1115-1132; P etersen : Ritual und Theater; M attern : Liturgie im Text. 67 F ranz , Adolph: Die Messe im deutschen Mittelalter. Beiträge zur Geschichte der Liturgie und des religiösen Volkslebens. Freiburg i. Br. 1902. 68 M eyer : Eucharistie, S. 195. 69 F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 333. 70 Ebd., S. 351. 71 M eyer : Messe. In: LMA 6, Sp. 558. Die Wienhäuser Meßallegorese als Möglichkeit existierte sie bereits seit der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts -, aber als erster im dritten seiner insgesamt vier Bücher De ecclesiasticis officiis den Versuch machte, «die Messe mit allen ihren Teilen und Handlungen in eine innige Verbindung mit dem Leben und Leiden Jesu zu bringen und in ihr die heilige Geschichte dem betrachtenden Auge aufzurollen». 72 Trotz der Widerstände, die diese Methode bereits zu Amalars Lebzeiten 73 und auch später erfuhr, blieb sie doch das Mittelalter hindurch die bestimmende; 74 sie ist diejenige, der auch der Wienhäuser Text am meisten verpflichtet ist. Die einzelnen Elemente der Messe wurden nach dem Vorbild der Bibelexegese in typologischer, rememorativer, eschatologischer und moralischer Weise gedeutet, 75 was zu einer oft «verwirrenden Vielfalt von Deutungen einzelner Zeremonien» führte. 76 Eine der verbreitetsten Meßauslegungen des Mittelalters waren die sechs von Lothar von Segni, dem späteren Papst Innozenz III., verfaßten Bücher De sacro altaris mysterio, 77 die zwischen 1195 und 1197 entstanden und ebenfalls in der rememorativ-allegorischen Deutungstradition stehen. 78 Wiewohl sie inhaltlich keine wesentlichen Neuerungen enthalten, sind sie nach dem Urteil von Adolph F ranz den vorhergehenden in Disposition, Darstellung und Form überlegen, und insbesondere der Prolog und der Epilog haben auf die nachfolgenden Meßerklärungen gewirkt; 79 die Texte van der missen und en narede der missen der Wienhäuser Handschrift zeugen ebenfalls von einer solchen Wirkung. Der Nachweis eines Einflusses auf den deutschsprachigen Bereich konnte für die Meßerklärung In der heiligen cristenheit ist gewonheit geführt werden, während er für die anderen deutschsprachigen Meß- und Eucharistietraktate noch aussteht. 80 Das Rationale divinorum officiorum (RDO) des Wilhelm Durandus, 81 erst- 202 Literarhistorische Einordnung 72 F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 354. 73 Nach der Darstellung seines Widersachers Florus von Lyon wurde sie auf der Synode von Quiercy im Jahr 838 verworfen und Amalar mußte das Bistum Lyon verlassen (F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 352f.). Durch andere Quellen läßt sich dies jedoch nicht bestätigen (S teck , Wolfgang: Der Liturgiker Amalarius. Eine quellenkritische Untersuchung zu Leben und Werk eines Theologen der Karolingerzeit. St. Ottilien 2000 (Münchener theologische Studien 1; Historische Abteilung 35), S. 9f., 112- 118). 74 Ebd., S. 395; M eyer : Eucharistie, S. 195; J ungmann : Missarum sollemnia I, S. 116. 75 K unzler : Die Liturgie der Kirche, S. 282. 76 M eyer : Eucharistie, S. 195. 77 I nnocentius III: De sacro altaris mysterio. PL 217. Paris 1890, Sp. 773-916. Übersetzung: Papst Innocenz des Dritten sechs Bücher von den Geheimnissen der heiligen Messe. Uebersetzt durch Friedrich von Hurter. 2., verb. Aufl. Schaffhausen 1857. 78 R uh , Kurt: Innozenz III. In: 2 VL 4, 1983, Sp. 388-395, hier 392. 79 Zu Innozenz vgl. F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 453-457. 80 R uh : Innozenz III., Sp. 393. 81 Ausgabe: G uilelmi D uranti Rationale divinorum officiorum I-IV. Ed. A. Davril et T. M. Thibodeau. Turnhout 1995 (Corpus Christianorum 140). Zu Durandus vgl. F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 476-482 und F aupel -D revs : Vom rechten Gebrauch mals veröffentlicht zwischen 1271 und 1276, 82 umfaßt acht Bücher, die sich neben der Liturgie im engeren Sinne auch mit dem Kirchengebäude und der Zeitrechnung beschäftigen in der ausdrücklichen Absicht, den Kenntnisstand der Priester hinsichtlich der Liturgie zu verbessern. Für das vierte Buch über die Messe hat er insbesondere die Schrift Innozenz’ III. benutzt; und auch im Prooemium und im Epilog zitiert er ihn. Das Heranziehen zahlreicher weiterer Quellen lassen dieses Werk zu einer «‹Summa› der mittelalterlichen Meßallegorese» werden, 83 die weite Verbreitung gefunden hat. Die Einflüsse von Innozenz im Wienhäuser Text könnten also auch über Durandus vermittelt sein; dafür spricht, daß es einige Übereinstimmungen mit dessen Auslegung gibt, die nicht aus Innozenz übernommen sind, wie z.B. die Elevation von Hostie und Kelch im Wienhäuser Text. 84 Während die Erhebung der Hostie bereits «um die Mitte des 13. Jahrhunderts ziemlich allgemein verbreitet war», 85 hat sich die Elevation des Kelches nämlich erst später durchgesetzt, allgemein üblich war sie wahrscheinlich erst im 15. Jahrhundert. 86 Die erste gesicherte Nachricht findet sich im RDO des Durandus, 87 eindeutige Belege für Deutschland existieren sogar erst ab den zwanziger Jahren des 14. Jahrhunderts, für Norddeutschland ab der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. 88 Insofern stellt der Wienhäuser Text einen wichtigen Beleg für die Kenntnis dieses Ritus dar, die entweder aus der eigenen Praxis herrührt - was bemerkenswert wäre, da sie bis dahin für Deutschland nicht zu belegen ist und für den Zisterzienserorden erst 1444 allgemein vorgeschrieben wurde 89 - oder aber aus Literaturkenntnissen wie der Meßerklärung des Durandus. Abgesehen davon tritt auch bei Durandus die Explizierung der Gebete zugunsten derjenigen der Zeremonien in den Hintergrund; in dieser detaillierten Darstellung des Meßritus Die Wienhäuser Meßallegorese 203 der Bilder im liturgischen Raum. Mittelalterliche Funktionsbestimmungen bildender Kunst im ‹Rationale divinorum officiorum› des Durandus von Mende (1230/ 1-1296). 82 T hibodeau : Préambule, S. VII, in: G uillelmi D uranti Rationale divinorum officiorum I-IV. 83 M eyer : Eucharistie, S. 213. Vgl. auch F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 732 und J ungmann , Missarum sollemnia I, S. 146: «Das ganz auf Allegorese gestellte Rationale des Durandus bleibt das Handbuch der Liturgie im späteren Mittelalter und darüber hinaus.» 84 Sie wird gleich zweimal erwähnt: vnde boret se beide ho (Ms 927) und noch einmal nach der Erklärung der Wandlung: de prester dar vp bort/ de oblaten ho/ vnde den kelik also/ zo scowende den luden (Ms 1048-1051). 85 B rowe , Peter: Die Verehrung der Eucharistie im Mittelalter. München 1933, hier S. 37. 86 Vorgeschrieben wurde sie erst durch das Missale Pius’ V. von 1570 (M eyer : Die Elevation im deutschen Mittelalter und bei Luther, S. 164). 87 RDO IV, XLI, 50. Vgl. B rowe : Die Verehrung der Eucharistie im Mittelalter, S. 40. 88 Ebd., S. 42f. Genauere Angaben zu den Belegen bei M eyer : Die Elevation im deutschen Mittelalter und bei Luther, S. 164f., Anm. 14. 89 B rowe : Die Verehrung der Eucharistie im Mittelalter, S. 45. Allerdings gibt es keine Anhaltspunkte, inwieweit in Wienhausen die Liturgie der Zisterzienserobservanz folgte, vgl. dazu Kap. 6.4. liegt seine Bedeutung für die Liturgiewissenschaft. Was die Überlieferung betrifft, so ist der Text ebenso wie die LA durch das Pecia-System verbreitet worden. 90 Zu den Gegnern der allegorischen Methode, zumindest ihrer uneingeschränkten Anwendung, gehörte Albertus Magnus, 91 dessen Super Missam- Traktat «der Hauptsache nach eine theologisch-ascetische, die Kenntnis des Ritus voraussetzende Erklärung der Opferhandlung und deren Gebete» darstellt. 92 Albertus Magnus konnte sich mit dieser ablehnenden Haltung jedoch nicht durchsetzen, selbst sein Schüler Thomas von Aquin folgte ihm darin nicht. Dennoch ist, wie gesagt, ein Einfluß auf den deutschsprachigen Bereich nachweisbar. 93 Die Tradition deutschsprachiger Meßerklärungen ist ab dem 12. Jahrhundert faßbar und damit zeitgleich mit dem Beginn der Behandlung dieser Thematik in der Predigt. 94 Daher überrascht es nicht, daß die älteste von Adolph F ranz angeführte Meßerklärung auch in diesem Kontext, innerhalb der Predigtsammlung speculum ecclesiae, 95 überliefert ist. Die Entstehung dieses aus 524 Versen bestehenden Lehrgedichts wird aufgrund der fehlenden Elevation der Hostie noch am Ende des 12. Jahrhunderts angenommen. 96 Weniger auf Vollständigkeit als auf tropologische Deutungen bedacht, behandelt der Verfasser des Textes neben einer ausführlicheren Beschreibung der Priestergewänder vor allem solche Teile, die ihm für diesen Zweck passend erschienen. 97 Etwa zeitgleich am Anfang des 13. bzw. Ende des 12. Jahrhunderts entstanden sind zwei nur wenig umfangreiche Texte (43 und 94 Verse), von denen man annimmt, daß es sich um Meßgesänge handelt. 98 Als Gebete formuliert, stellen sie die «dogmatische und praktische Bedeutung des Opfers» in den 204 Literarhistorische Einordnung 90 Ob dies ausschlaggebend für eine (frühe) Benutzung der beiden Werke gewesen sein könnte, läßt sich ohne genauere Kenntnis des Pecia-Systems nicht beantworten, aber es ist ein immerhin bemerkenswerter Umstand; vgl. dazu S. 193 und Anm. 18. 91 F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 472; F ries , Albert: Albertus Magnus (I-V). In: 2 VL 1, 1978, Sp. 124-135, hier Sp. 134. Zu den Übertragungen ins Mittelhochdeutsche bzw. Mittelniederländische s. I lling : Albertus Magnus (VI). In: 2 VL 1, 1978, Sp. 135-139 und D ers .: Alberts des Großen ‹Super Missam›-Traktat in mittelhochdeutschen Übersetzungen. 92 F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 466. 93 Da die Entwicklung nach 1350 für das Verständnis des Wienhäuser Textes nicht mehr relevant ist, kann sie hier vernachlässigt werden. 94 F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 677. 95 D eutung der M essgebräuche . In: Kleinere geistliche Gedichte des XII Jahrhunderts. Hrsg. v. Albert Leitzmann. 2., durchgesehene Aufl. Berlin 1929 (Kleine Texte für theologische und philologische Vorlesungen und Übungen 54), S. 14-20; vgl. dazu auch S troppel : Liturgie und geistliche Dichtung, S. 81-97 und P app , Edgar: Deutung der Meßgebräuche. In: 2 VL 2, 1980, Sp. 74f. 96 F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 677f. 97 Ebd., S. 683. 98 Ebd., S. 684. Mittelpunkt 99 und sind weder formal noch inhaltlich mit dem Wienhäuser Text vergleichbar. Verstärkten Eingang in die Predigt fanden liturgische Fragen im 13. Jahrhundert, 100 insbesondere Berthold von Regensburg hat sich in seinen Predigten mit diesen Themen beschäftigt. Zwei lateinische und mehrere deutschsprachige Predigtschriften über die Messe sind unter seinem Namen überliefert, 101 die der allegorischen Methode folgen und sich weniger durch überraschende Deutungen als vielmehr durch die Fähigkeit zur Vermittlung der Inhalte auszeichnen. In der Analyse wurde bereits darauf hingewiesen, daß in der Tatsache, daß Berthold sich «nicht mit Anweisungen für die äussere Haltung» begnügt, sondern vor allem «die innere Sammlung und das andächtige Gebet» in den Mittelpunkt rückt, 102 eine Parallele zum Wienhäuser Text liegt. Für das 12. und 13. Jahrhundert werden darüber hinaus keine weiteren Meßerklärungen genannt. Das 14. Jahrhundert zeichnet sich durch einen Wandel und ein gestiegenes Bedürfnis nach Texten aus, die die Eucharistie zum Thema haben, wofür Adolph F ranz v.a. den Einfluß der Mystik geltend macht. Mystische Deutungen der liturgischen Handlungen bieten der Münchener Codex cgm 851 (Tegernsee) von 1402, der gleich zwei Auslegungen enthält, 103 und tendenziell auch die allegorische Auslegung des Codex cgm 109. 104 Im 15. Jahrhundert setzt dann eine breitere Produktion ein. Formal als ein Lehrgespräch zwischen Meister und Jünger verfaßt, ist die Schrift Von dem heilig sacrament der 1421 fertiggestellten Melker Handschrift 411, die sich teilweise an Berthold von Regensburg anlehnt. 105 In mehreren Handschriften ist die oben bereits erwähnte Meßerklärung In der heiligen cristenheit ist gewonheit überliefert, die wahrscheinlich noch im späten 14. Jahrhundert entstanden ist und - auch nach eigenen Angaben - v.a. den Büchern von Innozenz III. folgt. 106 Ähnlich wie die Wienhäuser Handschrift legt sie großen Wert auf die Anleitung zum inneren Mitvollzug der Messe. 107 Eine weitere Melker Handschrift aus der Mitte Die Wienhäuser Meßallegorese 205 99 Ebd., S. 684. Er gibt den ersten, der von Elias von S teinmeyer (ZfdA 17 (1874), S. 425- 427) ediert wurde und aus einer Handschrift von St. Peter in Salzburg stammt, vollständig wieder (vgl. auch I lling : Meßgebet Vater herre, vater got. In: 2 VL 6, 1987, Sp. 450f.). Den zweiten, aus der ehemals Benediktbeurer, jetzt Münchener Hs. clm 4616 (Bl. 54 ra - 54 va ), zitiert er nur. Vgl. dazu auch S troppel : Liturgie und geistliche Dichtung, S. 97-105, I lling : Meßgebet Got uater allir cristinheit. In: 2 VL 6, 1987, Sp. 450 und P app , Edgar: Benediktbeurer Gebet zum Meßopfer. In: 2 VL 1, 1978, Sp. 688f. 100 F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 642. 101 Ebd., S. 645f. 102 Ebd., S. 20. 103 Ebd., S. 689f. 104 Bl. 1-85’. Auch Stuttgart, Württ. Landesbibl. cod. theol. 8° 30 und Dillingen, Studienbibl. cod. XV 34, 2 r -37 r (ebd., S. 690-694; I lling : Meßerklärung Ego sum panis uiuus. In: 2 VL 6, 1987, Sp. 444f.). 105 F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 694-698. 106 Vgl. R uh : Innozenz III., Sp. 392f. 107 F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 698-701. des 15. Jahrhunderts enthält einen Traktat, «welcher in bündiger Sprache die Laien über Meßkleider, die heiligen Geräte und die Zeremonien der Messe belehren und zur andächtigen Anhörung derselben anleiten will.» 108 Ähnlich wie die Wienhäuser Handschrift werden die Handlungen selbst kurz abgehandelt und die Bedeutung der Wandlung wird ausführlich dargestellt. 109 Daneben gibt es auch Texte, die eine klare didaktische Intention verfolgen wie z.B. solche, die zur Unterweisung der Meßdiener gedacht waren. 110 Die lateinischen Texte richteten sich häufig an Priester, mit dem Ziel, ihre liturgischen Kenntnisse zu verbessern; die aedificatio spielte aber ebenfalls eine große Rolle. 111 Neben den (nicht vollzählig) genannten Beispielen gibt es eine Reihe kleinerer Meßauslegungen aus dem 15. Jahrhundert 112 sowie eine große Zahl handschriftlicher Gebetbücher, die Belehrung über die Messe boten und besonders in Frauenklöstern Verwendung fanden. 113 Von den später entstandenen gedruckten Meßauslegungen 114 soll hier nur noch die älteste deutsche Gesamterklärung der Messe aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erwähnt werden, da sie sowohl die lateinischen Texte des Ordinarium missae einschließlich der bis dahin gemiedenen Kanonworte beinhaltet, als auch die deutsche Übersetzung. 115 Ebenso wie die Legenden scheint also auch die Meßauslegung der Wienhäuser Handschrift eine Sonderstellung einzunehmen, einerseits aufgrund der insgesamt geringen Zahl der bekannten bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts entstandenen volkssprachigen Texte und andererseits aufgrund ihrer mit keinem der anderen Texte wirklich vergleichbaren Gestaltung. Eine gewisse Ähnlichkeit besteht formal gesehen mit der ebenfalls versifizierten Meßerklärung des 12. Jahrhunderts, die jedoch wesentlich kürzer ist (534 gegenüber 1390 Versen) und auch in ihren Erklärungen wenig mit dem Wienhäuser Text gemein hat. Zeitlich gesehen stehen ihr die Predigten Bertholds von Regensburg am nächsten, zu denen sie gewisse Parallelen aufweist. 116 206 Literarhistorische Einordnung 108 Hs. 407, S. 85-90 b (ebd., S. 701). 109 Ebd., S. 703. 110 Melk, Hs. 245 und CAdm 857 Perg. (1452), sowie cgm 751 (1454) (ebd., S. 710). 111 Vgl. ebd., S. 737-739. 112 Vgl. ebd., S. 706-711. 113 Ebd., S. 709. 114 F ranz behandelt sie auf den Seiten 711 bis 728. 115 D ie älteste deutsche G esamtauslegung der M esse . Hrsg. und eingel. v. Franz Rudolf Reichert. Münster 1967 (Corpus Christianorum 29); vgl. F ranz : Die Messe im deutschen Mittelalter, S. 711-717; I lling : Meßerklärung Messe singen oder lesen. In: 2 VL 6, 1987, Sp. 446-448. Zu weiteren, von F ranz nicht behandelte Meßerklärungen aus dem 15. Jahrhundert vgl. die entsprechenden Einträge im Verfasserlexikon. 116 Die Vergleichbarkeit der Texte wird insgesamt dadurch erschwert, daß es keine festen Formen gibt. Eine Meßerklärung kann in die Form eines Lehrgedichts oder Gesangs ebenso gekleidet sein wie in die einer Predigt oder eines Lehrgesprächs. Daher könnten auch andere Texte, die sich zu den Themen Messe und Liturgie äußern, aufschlußreich sein, z.B. der Lucidarius (vgl. dazu S tark , Monika: Die liturgiegeschichtlichen Angaben im ‹Lucidarius›. In: ZfdPh 111 (1992), S. 52-64). 6. Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 6.1 Volkssprachig-geistliche Literatur in Frauenklöstern - Bewertung der Forschung Um der Frage nach Wienhausen als Entstehungsbzw. Rezeptionsort der Handschrift 3 nachzugehen, sind grundsätzliche Aspekte geistlicher volkssprachiger Literatur und ihres Publikums von Belang. 1 Eine Grundprämisse für die Entstehung einer Textsammlung wie der Wienhäuser Handschrift stellte die Existenz eines Publikums dar, auf das bestimmte Voraussetzungen und Interessen zutrafen. Nach Herbert G rundmann war es «die Durchbrechung der strengen Scheidung zwischen dem lateinisch gebildeten Klerus und dem Laientum in den religiösen Bewegungen des 12. und 13. Jahrhunderts», die die Herausbildung einer solchen Leserschaft ermöglichte. 2 Im Zuge dieser 1 Da es diesbezüglich für die Legenden deutlich mehr Hinweise gibt als für die Meßauslegungstexte, werden sie hier im Mittelpunkt stehen. 2 G rundmann : Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Untersuchungen über die geschichtlichen Zusammenhänge zwischen der Ketzerei, den Bettelorden und der religiösen Frauenbewegung im 12. und 13. Jahrhundert (1935). Anhang: Neue Beiträge zur Geschichte der religiösen Bewegungen im Mittelalter. Nachdruck Darmstadt 1961, S. 442; vgl. auch D ers .: Litteratus-illiteratus. Der Wandel einer Bildungsnorm vom Altertum zum Mittelalter. In: Archiv für Kulturgeschichte 40 (1958)/ Nachdruck 1971, S. 1-65, hier S. 59. Zur Problematik des Begriffs ‹Frauenbewegungen› siehe G erchow , Jan/ M arti , Susan: «Nonnenmalereien», «Versorgungsanstalten» und «Frauenbewegungen» - Bausteine einer Rezeptionsgeschichte der mittelalterlichen Religiosen in der Moderne. In: Krone und Schleier. Kunst aus Mittelalterlichen Frauenklöstern. Hrsg. v. der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn und dem Ruhrlandmuseum Essen. München 2005, S. 142-153, hier S. 150-152. Vgl. auch D egler -S pengler , Brigitte: Die religiöse Frauenbewegung des Mittelalters. Konversen - Nonnen - Beginen. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 3 (1984), S. 75-88; R ingler , Siegfried: Die Rezeption Gertruds von Helfta im Bereich süddeutscher Frauenklöster. In: «Vor dir steht die leere Schale meiner Sehnsucht». Die Mystik der Frauen von Helfta. Hrsg. v. Michael Bangert u. Hildegund Keul. 2. Aufl. Leipzig 1999, S. 134-155, hier S. 138. Zu den Ursachen auch W ilts , Andreas: Die südwestlichen Zisterzienserinnen und die religiöse Welt des 13. Jahrhunderts. In: Faszination eines Klosters. 750 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthal. Ausstellung des Badischen Landesmuseums, 25. Februar bis 21. Mai 1995, Karlsruhe, Schloß. Hrsg. v. Harald Siebenmorgen. Sigmaringen 1995, S. 15-22. Er führt die Zahl der Konvente und die Vielfalt der Lebensformen der Frauen seit dem 13. Jahrhundert auf einen quantitativen wie qualitativen Nachholbedarf zurück. Während sich für die Männer «bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts nicht nur ein großes, sondern auch ein sehr differenziertes Angebot an religiösen Möglichkeiten entwickelt» habe, wurden Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 Volkssprachig-geistliche Literatur in Frauenklöstern Entwicklung dehnte sich das Interesse an geistlichen Themen auf größere laikale Kreise aus, und auch die Lesefähigkeit nahm zu. Edith F eistner weist ebenfalls auf die Bedeutung dieser Entwicklung hin: «Durch die institutionelle Etablierung der Frömmigkeitsbewegung einschließlich der religiösen Frauenbewegung, die den neuen Orden einen enormen Zulauf bescherte, war im großen Maßstab ein Publikum entstanden, das trotz seiner kirchenrechtlichen Zugehörigkeit zum Laienstand ja durchaus eine schon lebenspraktisch bedingte Affinität zur geistlich-gelehrten Welt der Latinität besaß und zumindest tendenziell auch bessere Bildungsvoraussetzungen, d.h. Lesefähigkeit, aufwies». 3 In einem bereits um 1200 einsetzenden Prozeß verliert «die Gleichung clericus=litteratus und laicus=illitteratus ab 1300 zunehmend an Geltung». 4 An eben jenem religiösen volkssprachigen Schrifttum besitzen die Legenden einen besonders großen Anteil, was in der Literatur darauf zurückgeführt wird, daß sie sowohl für den monastischen Bereich in (para)liturgischer Funktion als auch für die Laien zu einer wichtigen Lektüre wurden. 5 Ihr «stände- und schichtenübergreifender ‹Sitz im Leben›» 6 zeigt sich in der Variabilität auf diskursiver Ebene als eine Anpassung an unterschiedliche Gebrauchssituationen. Was jedoch beispielsweise die umfangreichen Verslegendare betrifft, konnte bisher noch nichts «wirklich Sicheres über Herkunft, Entstehungsort und Rezipientenkreise» ermittelt werden. 7 Edith F eistner macht für Passional und Märterbuch gegenüber den Prosalegendaren aufgrund ihrer Form und ihrer Tendenz zur Texterweiterung jedoch geltend, daß sie, «obwohl bereits alltagspraktisch fundierte Gebrauchsliteratur, noch tendenziell ähnlich wie die hochmittelalterlichen Einzellegenden im Hinblick auf spezifische Adressaten und nicht im Hinblick auf einen anonymen Literaturmarkt konzipiert» sind. 8 Ähnliches könnte man auch für die Wienhäuser Handschrift postulieren, 208 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 die Frauen «stets auf ein und dasselbe Grundmodell klösterlichen Frauenlebens verwiesen» (ebd., S. 20). 3 F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 181. 4 H enkel / P almer : Latein und Volkssprache im deutschen Mittelalter, S. 10. Zum Verhältnis von Laien und Klerikern vgl. auch S chreiner , Klaus: Laienfrömmigkeit - Frömmigkeit von Eliten oder Frömmigkeit des Volkes? Zur sozialen Verfaßtheit laikaler Frömmigkeitspraxis im späten Mittelalter. In: Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter. Formen, Funktionen und politisch-soziale Zusammenhänge. Tagung vom 13. bis 16. Juni der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Hrsg. v. dems. unter Mitarbeit v. Elisabeth Müller-Luckner. München 1992 (Schriften des Historischen Kollegs: Kolloquien 20), S. 1-78, zur Bildung verschiedener Gesellschaftsgruppen W endehorst , Alfred: Wer konnte im Mittelalter lesen und schreiben? In: Schulen und Studium im sozialen Wandel des hohen und späten Mittelalters. Hrsg. v. Johannes Fried. Sigmaringen 1986 (Vorträge und Forschungen 30), S. 9-33. 5 W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 349. 6 F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 1. 7 W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 5, Anm. 5. 8 F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 307. wenn auch eher aufgrund ihrer kleinen und speziellen Textauswahl; auch daß der Text der Überlieferungslage nach, insbesondere in dieser Zeit, doch recht vereinzelt dasteht, spricht für diese Annahme. Ob in diesem Fall die «spezifischen Adressaten» Nonnen gewesen sein müssen, oder ob über monastische Kreise hinaus nicht auch interessierte Laien oder Kleriker in Frage kommen, bleibt zunächst offen. Als wichtiges Movens für die Entstehung geistlichen Schrifttums in der Volkssprache im allgemeinen wie der Legenden im besonderen gilt allerdings der Lektürebedarf der Frauenklöster. 9 Ausgesprochen oder unausgesprochen liegt dem die Annahme zugrunde, daß zumindest nicht alle Nonnen über ausreichende Lateinkenntnisse verfügten. Ungeachtet der durchaus widersprüchlichen Aussagen hinsichtlich des Bildungsstandes der Frauen scheint man den Frauen grundsätzlich eine besondere ‹Affinität› zur Volkssprache zu unterstellen. 10 Zumal wenn es sich um eine Sammlung von Legenden heiliger Frauen handelt, wird auf eine weibliche Leserschaft geschlossen, wie beispielsweise Brigitte D erendorf im Hinblick auf die mnd. Bearbeitung der Smnld LA. Die große Zahl weiblicher Heiliger ist für sie bereits ein Hinweis auf eine weibliche Leser- oder Hörerschaft, der auf Textebene gestützt werde durch die ausführlichen brautmystischen Auslegungen der Agnes-Legende, die sich «nicht anders als für Frauen bestimmt» denken lassen. 11 Diese Argumente Volkssprachig-geistliche Literatur in Frauenklöstern 209 9 Vgl. G rundmann : Religiöse Bewegungen im Mittelalter, S. 463ff.; F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 56f.; D erendorf : Die Mittelniederdeutschen Bearbeitungen der Legenda aurea, S. 16. W illiams -K rapp , Werner: Ordensreform und Literatur im 15. Jahrhundert. In: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 4 (1986/ 87), S. 41-51, hier S. 42; S chromm , Arnold: Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries. Buchpflege und geistiges Leben in einem schwäbischen Frauenstift. Tübingen 1998 (Studia Augustana 9), S. 59. 10 Vgl. z.B. G rundmann : Religiöse Bewegungen im Mittelalter, S. 454f.: «Außerdem sind aber in dem Verhältnis der religiösen Frauenkreise in Flandern und Brabant zu ihren geistlichen Beratern am Anfang des 13. Jahrhunderts alle Bedingungen gegeben, die auf die Entstehung einer religiösen Literatur in der Volkssprache hinwirken mußten. Zwar waren viele dieser religiösen Frauen lateinkundig. Aber dadurch konnte eine Übersetzung nur befördert werden.» Auch Arnold S chromm (Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries, S. 3) geht ganz selbstverständlich und ohne weitere Begründung davon aus, daß «bei einem Frauenkloster mit hauptsächlich volkssprachlicher, hier also deutscher Literatur zu rechnen ist». Weitere Beispiele für solche Annahmen und eine kritische Einschätzung dazu bietet S chlotheuber , Eva: Klostereintritt und Bildung. Die Lebenswelt der Nonnen im späten Mittelalter. Mit einer Edition des «Konventstagebuchs» einer Zisterzienserin von Heilig-Kreuz bei Braunschweig (1484- 1507). Tübingen 2004 (Spätmittelalter und Reformation N.R. 24), S. 270 und Anm. 11. 11 D erendorf : Die Mittelniederdeutschen Bearbeitungen der Legenda aurea, S. 22. Ein Interesse an ‹weiblicher› Heiligkeit muß m.E. nicht auf Frauen beschränkt sein. Hinzuweisen ist hier auf die Arbeiten von Caroline Walker B ynum , die den Zusammenhang von Weiblichkeit und Spiritualität im Mittelalter, auch in Bezug auf Heiligkeitsvorstellungen, untersucht hat (vgl. z.B. Fragmentierung und Erlösung. Geschlecht und Körper im Glauben des Mittelalters. Frankfurt a. M. 1. Aufl. 1996). könnte man auch im Fall der Wienhäuser Handschrift anführen, doch vor einer allein inhaltlich begründeten Festlegung auf ein bestimmtes Publikum oder anders gesagt einer vorschnellen Formulierung der literarischen Interessen von Nonnen soll zunächst der Klosterkontext genau geprüft werden, um Funktion und Interessenbildung von Literatur und auch das Verhältnis von Latein und Volkssprache in einem Frauenkloster präziser fassen zu können. Im Anschluß daran wird auch zu fragen sein, inwieweit die Situation in Wienhausen mit der Situation in anderen Zisterzienserinnenklöstern vergleichbar ist. 6.2 Hinweise auf eine Lokalisierung der Hs. 3 im Kloster Wienhausen Vor der kulturhistorischen Einordnung der Wienhäuser Handschrift muß also die kritische Frage stehen, wie sicher diese Zuschreibung überhaupt ist. Das wichtigste Argument für die Rezeption der Hs. 3 im Kloster Wienhausen ist ihre Provenienz. Einen definitiven Hinweis auf den Ort ihrer Entstehung oder Bestimmung, etwa in Form eines Kolophons oder Besitzvermerks, weist sie nicht auf. Bei einem Überblick über andere handschriftliche Zeugnisse aus dem Klosterbestand ließen sich vergleichbare Textzeugnisse nicht feststellen, die eine Entstehung dort stützen könnten. 12 Ein Spiegelblatt der Handschrift 31 der Klosterbibliothek, das einem älteren lateinischen Codex entnommen ist, wurde zwar von einer der Handschrift 3 sehr ähnlichen Hand geschrieben, doch ist der zur Verfügung stehende Textumfang 13 zu gering und enthält zu wenig charakteristische Buchstaben, um beide Texte definitiv demselben Schreiber bzw. derselben Schreiberin zuzuweisen. Ebenso lassen die Einrichtung und der Einband der Handschrift 3 keine Besonderheiten erkennen, wenn sich auch mehrere andere Handschriften von ähnlich kleinem Format und gleichem umnähten Einband im Archiv des Klosters erhalten haben. 14 Zudem muß aufgrund des Textverlustes mit der späteren Entstehung des Einbands gerechnet werden. Die textexternen Merkmale erweisen sich als Kriterien für eine Lokalisierung daher als nicht ausreichend. Es stellt sich also die Frage, ob sich den Texten selbst Hinweise entnehmen lassen. Die Rekonstruktion eines sozialgeschichtlichen Kontextes anhand text- 210 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 12 Dieser wurde vorgenommen anhand von (nicht ganz vollständigen) Mikrofiche-Verfilmungen der Wienhäuser Handschriften im Staatsarchiv Hannover und anhand von Dias der Handschrifteneinbände und ersten Seiten im Kloster Wienhausen. 13 Die Handschrift ist Teil des Klostermuseums, daher stand mir nur eine Photographie zur Verfügung, die das Blatt nicht vollständig zeigt. 14 Insbesondere der Einband der Hs. 5 (Klosterarchiv Wienhausen, lat. Sammelhs., 15./ 16. Jahrhundert) ist so gemacht, auch die Einbände der Hs. 15 (Klosterarchiv Wienhausen, lateinische Grammatik, Anfang des 16. Jahrhunderts) und von Nr. 3,10, Fach 33 (Landesarchiv Hannover) sind ähnlich. Lokalisierung der Hs. 3 im Kloster Wienhausen interner Signale erweist sich jedoch als problematisch, da die Funktionalität der selbstreferentiellen Äußerungen des Sprecher-Ichs und seiner Aussagen zu dem von ihm anvisierten Publikum keine unmittelbaren Rückschlüsse auf den realen Verfasser und seine Leserschaft zuläßt. 15 Betrachtet man die Textsammlung insgesamt, lassen sich lediglich einige allgemeine Prämissen hinsichtlich eines denkbaren Rezipientenkreises formulieren. Trotz aller festgestellten Kürzungen bezüglich des gelehrten Apparates setzen die Texte immer noch ein recht umfangreiches Wissen voraus. Dazu gehören sprachliche Kompetenzen, insbesondere eine gewisse Vertrautheit mit der gelegentlich in den Text einfließenden lateinischen Sprache, wie auch Bibelkenntnisse, da die rememorativen und typologischen Passagen der liturgischen Texte trotz ihrer Ausgestaltung immer noch zu knapp sind, um sie ohne Vorwissen zu verstehen. Das Interesse an legendarischen Texten, insbesondere über Frauen, und an theologischen Fragestellungen, eine enge Verbundenheit mit der Liturgie und ein Wissen von ihr, ihren Handlungen, Geräten und Kleidern, scheint ebenso unabdingbar wie eine literarische Vorbildung, die z.B. mit den rhetorischen Momenten des Textes umzugehen weiß. Nur einem Publikum mit solchen Voraussetzungen kann man auch ein entsprechendes Interesse an dieser Textsammlung zutrauen, sei es, um vorhandene Kenntnisse auf diese Weise zu vertiefen und zu erweitern, sei es, um das bereits Gewußte in deutschsprachiger und versifizierter Form erfahrbar zu machen. Es ist gut vorstellbar, daß die Nonnen des Klosters Wienhausen diese Voraussetzungen erfüllten. Ebenfalls vorstellbar ist es, daß im Kloster oder seinem Umfeld zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt die entsprechenden Textvorlagen zur Verfügung standen. 16 Für ein konkretes Text-Kontext-Verhältnis lassen sich Anhaltspunkte nennen, die ein solches Verhältnis sehr plausibel erscheinen lassen, es jedoch nicht beweisen. Aus der Perspektive der Handschrift heraus soll das Kloster auf literaturrelevante Merkmale hin befragt werden, dazu gehören Hinweise, die Aufschluß geben über seine Schriftlich- Lokalisierung der Hs. 3 im Kloster Wienhausen 211 15 Zur anhaltenden Diskussion über das Verhältnis von Text und Kontext vgl. P eters , Ursula: Text und Kontext: Die Mittelalter-Philologie zwischen Gesellschaftsgeschichte und Kulturanthropologie. Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften. Geisteswissenschaften. Vorträge G 365. Wiesbaden 2000. [Wieder in: Dies.: Von der Sozialgeschichte zur Kulturwissenschaft, S. 301-334.] 16 Im Prinzip sind hier zwei Wege denkbar: Entweder wurden die Vorlagen durch die Stifterfamilie oder ähnliche Kontakte vermittelt oder - was mir wahrscheinlicher erscheint - durch Geistliche, seien es nun Weltkleriker oder Ordensmitglieder. Wie in Kap. 5 beschrieben, wurden sowohl die LA als auch das RDO über das Pecia-System der Pariser Universität verbreitet. Studenten dürften also zur Verbreitung der Texte in ihrer Heimat beigetragen haben. Zisterzienserabteien ab einer bestimmten Größe waren verpflichtet, ein bis zwei Mönche zum Studium an das St. Bernhardskolleg in Paris zu schicken, das anfänglich von Dominikanern betreut wurde (S chneider , Reinhard: Studium und Zisterzienserorden. In: Schulen und Studium im sozialen Wandel des hohen und späten Mittelalters. Hrsg. v. Johannes Fried. Sigmaringen 1986 (Vorträge und Forschungen 30), S. 321-350). keit überhaupt, über literarische Interessen, mögliche Bezüge inhaltlicher Art zwischen Text und Kontext, das geistliche Leben und die Frage nach denkbaren Gebrauchsfunktionen einer solchen Textsammlung. Geschichte und Stellung schließlich lassen Rückschlüsse zu auf die wirtschaftlichen Voraussetzungen und darauf, woher das Kloster wichtige Impulse empfing. Entscheidend sind hier vor allem zwei Bereiche: einerseits die Einbindung in die Interessenssphäre weltlicher Herrschaft über die Stifterfamilie und andererseits die kirchenrechtliche Stellung durch die Angliederung an einen Orden bzw. Zugehörigkeit zu einer Diözese. Die Überlieferungslage des Klosters Wienhausen ist insgesamt so umfangreich, daß es sich lohnt, im folgenden diesen Fragen nachzugehen. 6.3 Kloster Wienhausen als welfische Gründung 17 Am Beginn der Geschichte des Frauenklosters Wienhausen stehen das Gründerpaar Herzog Heinrich von Sachsen, Pfalzgraf bei Rhein und ältester Sohn Heinrichs des Löwen, und seine wettinische Gattin Agnes von Meißen, Tochter des 212 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 17 Die Geschichte des Klosters Wienhausen sowie seine besondere Beziehung zu den Welfen ist gut erforscht und in der Literatur bereits mehrfach dargestellt worden. Ich beschränke mich daher auf die Wiedergabe der für das Kloster und seine Literatur wichtigen Aspekte. Zur Geschichte Wienhausens siehe v.a.: L eerhoff , Heiko: Wienhausen. In: Germania Benedictina. Bd. XII: Norddeutschland. Die Männer- und Frauenklöster der Zisterzienser in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg. Bearb. v. Ulrich Faust OSB. St. Ottilien 1994, S. 756-796; eine Aufsstellung der gedruckt vorliegenden Quellen ebd., S. 782; R iggert , Ida-Christine: Die Lüneburger Frauenklöster. Hannover 1996 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 37; Quellen und Untersuchungen zur Geschichte Niedersachsens im Mittelalter 19); A ppuhn , Horst: Kloster Wienhausen. Mit Aufnahmen v. Hans Grubenbecher, Dietrich Klatt u. Jens Rheinländer. Wienhausen 1986; H engevoss -D ürkop , Kerstin: Skulptur und Frauenklöster. Studien zu Bildwerken der Zeit um 1300 aus Frauenklöstern des ehemaligen Fürstentums Lüneburg. Berlin 1994 (ARTEfact 7); A hlers , Gerd: Weibliches Zisterziensertum im Mittelalter und seine Klöster in Niedersachsen. Berlin 2002 (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser 13). Für die Darstellung der welfischen Geschichte stütze ich mich im folgenden hauptsächlich auf Bernd S chneidmüller : Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung (819-1252). Stuttgart/ Berlin/ Köln 2000 (Urban- Taschenbücher 465); vgl. außerdem D ers .: Landesherrschaft, welfische Identität und sächsische Geschichte. In: Regionale Identität und soziale Gruppen im deutschen Mittelalter. Hrsg. v. Peter Moraw. Berlin 1992 (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 14), S. 65-101; B oshof , Egon: Die Entstehung des Herzogtums Braunschweig- Lüneburg. In: Heinrich der Löwe. Hrsg. v. Wolf-Dieter Mohrmann. Göttingen 1980 (Veröffentlichungen der Niedersächsischen Archivverwaltung 39), S. 249-274; H ütte bräuker , Lotte: Das Erbe Heinrichs des Löwen. Die territorialen Grundlagen des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg von 1235. Göttingen 1927 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Schaumburg-Lippe und Bremen 2; Studien und Vorarbeiten zum Historischen Atlas Niedersachsens 9); Kloster Wienhausen als welfische Gründung Lausitzer Markgrafen Konrad von Landsberg. 18 Die älteste urkundliche Erwähnung des Klosters aus dem Jahr 1229 19 und das Todesjahr Heinrichs 1227 liegen allerdings so nah beieinander, daß nicht genau abzuschätzen ist, inwieweit Heinrich tatsächlich noch an der Gründung beteiligt war. 20 Geht man zumindest von einer längeren Planungs- und Vorbereitungszeit aus - als frühestmöglicher Gründungstermin gilt das Jahr 1221 21 -, darf man seine Zustimmung wohl voraussetzen, zumal die Gründung nach Heinrichs Tod von seinem Nachfolger und Neffen Otto unterstützt wurde. 22 Von einem ersten Gründungsversuch im nahegelegenen Nienhagen berichtet nur die Wienhäuser Chronik, aus den Urkunden geht sie nicht hervor. 23 Hinweise auf eine derartige Verlegung finden sich nicht selten in den Anfangs- Kloster Wienhausen als welfische Gründung 213 P ischke , Gudrun: Die Welfen - Vom süddeutschen Geschlecht zu norddeutschen Landesherren. In: Die Welfen. Landesgeschichtliche Aspekte ihrer Herrschaft. Hrsg. v. Karl-Ludwig Ay, Lorenz Maier u. Joachim Jahn. Konstanz 1998 (Forum Suevicum. Beiträge zur Geschichte Ostschwabens und der benachbarten Regionen 2), S. 197-222. 18 Ihr Vater war Markgraf Konrad von Meißen (Landsberg-Niederlausitz), ihre Mutter Elisabeth war die Tochter des Königs Mieszkos III. von Polen. 19 Klosterarchiv Wienhausen Urk. 7, Or. 3 (M aier , Konrad: Kloster Wienhausen. Geschichte, Architektur und bildende Kunst. Ein Überblick. Mit einem Beitrag v. Wolfgang B randis : Kloster Wienhausen seit der Reformation. 7., neubearbeitete Aufl. Wienhausen 1997 (Kloster Wienhausen 1), S. 7). Wenige Jahre später wird die Gründung durch den zuständigen Diözesanbischof Konrad II. von Hildesheim bestätigt (L eerhoff : Wienhausen, S. 757). 20 Die Gründung von Nonnenklöstern erfolgt auffallend häufig um das Todesjahr des betreffenden Stifters herum. Die Annahme, daß das Stifterpaar noch zu Lebzeiten des Mannes gemeinsam für einen zukünftigen Witwensitz gesorgt habe, erscheint ebenso plausibel wie die Vermutung, die Frau habe sich erst nach dem Tod des Mannes einen solchen geschaffen. 21 S treich , Gerhard: Klöster, Stifte und Kommenden in Niedersachsen vor der Reformation Mit einem Quellen- und Literaturanhang zur kirchlichen Gliederung Niedersachsens um 1500. Hildesheim 1986 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 2; Studien und Vorarbeiten zum Historischen Atlas Niedersachsens 30), S. 129; M aier , Konrad: Materialien zur Frühgeschichte der Klosterkirche in Wienhausen und ihrer Baulichkeiten. In: Niedersächsische Denkmalpflege 6 (1965- 1969/ 1970), S. 102-121, hier S. 109f.; L eerhoff : Wienhausen, S. 756. 22 Die (zweite) Ehe Heinrichs mit Agnes von Meißen blieb kinderlos. Ihm folgte daher sein Neffe Otto das Kind. Zu dessen Förderung Wienhausens vgl. L eerhoff : Wienhausen, S. 757. Eine leicht abweichende Darstellung der Gründungsvorgänge findet sich bei Franz W inter : Die Cistercienser des nordöstlichen Deutschlands. Ein Beitrag zur Kirchen- und Culturgeschichte des deutschen Mittelalters. 3 Teile. Gotha 1868-1871, Teil 2, S. 66f. Hier wird eindeutig Agnes als Fundatorin des Klosters bezeichnet, das eine Begräbnisstätte für sie und eine Gedächtnisstiftung für ihren verstorbenen Mann sein soll. 23 C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen . Eingeleitet und erläutert v. Horst Appuhn. 3., ergänzte Aufl. Wienhausen 1986, S. 2f. Nähere Erläuterungen dazu in Kap. 6.5.2. Vgl. dazu ausführlich M aier : Materialien zur Frühgeschichte der Klosterkirche in Wienhausen und ihrer Baulichkeiten, S. 106-110. zeiten der Zisterzienserinnenklöster. 24 Dies mag mit tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Suche nach einem geeigneten Ort zusammenhängen, die legendarisch ausgestaltete Chronik legt jedoch den Akzent auf die göttliche Bestimmung des neuen Ortes. Wienhausen, urkundlich seit dem 11. Jahrhundert belegt, war günstig gewählt: die Nähe zur welfischen Residenz Alten-Celle, die bereits bestehende Archidiakonatskirche, eine verkehrsgünstige Lage 25 und die Ausstattung mit Rechten durch Heinrich III. und seine Frau Agnes boten gute Ausgangsbedingungen für eine Klostergründung. 26 Der Ort entsprach damit zwar nicht den idealtypischen Anforderungen des Zisterzienserordens nach einer Lage in eremo, wies jedoch sehr wohl typische Merkmale für den Bestimmungsort eines Frauenklosters auf, bei dem man z.B. stärker auf die Sicherstellung der Seelsorge durch eine bereits vorhandene Pfarrkirche achtete. 27 In Wien- 214 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 24 Grundsätzlich dazu K renig : Mittelalterliche Frauenklöster nach den Konstitutionen von Cîteaux unter besonderer Berücksichtigung fränkischer Nonnenkonvente. In: Analecta sacri ordinis cisterciensis X (1954), S. 1-105, hier S. 75. Das Kloster Helfta beispielsweise ist in seiner Anfangszeit gleich zweimal umgezogen (G ottschalk , Joseph: Kloster Helfta und Schlesien. In: Archiv für Schlesische Kirchengeschichte 13 (1955), S. 62-81, hier S. 62). Besonders häufig scheint das Kloster Medingen seinen Standort gewechselt zu haben (V ogtherr , Thomas: Die lüneburgischen Klöster und der Adel im späten Mittelalter. In: Das Benediktinerinnenkloster Ebstorf im Mittelalter. Vorträge einer Tagung im Kloster Ebstorf vom 22. bis 24. Mai 1987. Hrsg. v. Klaus Jaitner u. Ingo Schwab. Hildesheim 1988 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 37; Quellen und Untersuchungen zur Geschichte Niedersachsens im Mittelalter 11), S. 111-133, hier S. 115). Aus ökonomischer Sicht erklären sich die Verlegungen als «Optimierung des Standortes» aufgrund der «agrarischen Verankerung» insbesondere der Zisterzienserklöster (S chenk , Winfried: Süddeutsche Kulturlandschaften unter zisterziensischem Einfluß: Historisch-geographische Ausprägungen und aktuelle planerische Anforderungen. In: Zisterzienser. Norm, Kultur, Reform - 900 Jahre Zisterzienser. Hrsg. v. Ulrich Knefelkamp. Berlin [u.a.] 2001 (Schriftenreihe des Interdisziplinären Zentrums für Ethik an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/ Oder), S. 211-238, hier S. 212f.; ebenso R ibbe , Wolfgang: Die Wirtschaftstätigkeit der Zisterzienser im Mittelalter: Agrarwirtschaft. In: Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit. Katalog zur Ausstellung des Landschaftsverbandes Rheinland, Rheinisches Museumsamt, Brauweiler. Hrsg. v. Kaspar Elm, Peter Joerißen u. Hermann Josef Roth. Köln 1981 (Schriften des Rheinischen Museumsamtes 10), S. 203-216, hier S. 203f.). Zur Bedeutung des Standortes für den Orden vgl. Anm. 151. Schon Franz W inter konstatiert, daß diese Verlegungen der anfangs dürftig ausgestatteten Zisterzienserinnenklöster problemlos durchgeführt werden konnten, da die Klostergebäude in der Regel noch «wenig monumentaler Natur» waren (Die Cistercienser des nordöstlichen Deutschlands, Teil 2, S. 18). 25 Wienhausen lag an der Straße zwischen Braunschweig und Celle (M aier : Materialien zur Frühgeschichte der Klosterkirche in Wienhausen und ihrer Baulichkeiten, S. 103). 26 Wolfgang M eibeyer hat zuletzt die Möglichkeit diskutiert, daß bereits die Mundburg des Hildesheimer Bischofs Bernward (993-1002) in Wienhausen gelegen haben könnte (Lag Bischof Bernwards Mundburg in Wienhausen? In: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 71 (2002), S. 47-51). 27 In Niedersachsen gab es allerdings an allen Niederlassungsplätzen der Zisterzienser bereits Dörfer; Riddagshausen wurde sogar in der Nähe der prosperierenden Stadt Braunhausen sollte der Archidiakon fortan auch das Amt des Propstes bekleiden und zusammen mit der Äbtissin das Kloster leiten, eine Organisationsform, die auch aus anderen Klöstern bekannt ist. Laut Wienhäuser Chronik kam ein Teil des Gründungskonventes aus dem Zisterzienserinnenkloster Wöltingerode, dessen Ansehen und Einsatz für die Verbreitung des Zisterzienserordens an der beträchtlichen Zahl von Neugründungen deutlich wird, an denen sich das Kloster personell beteiligt haben soll. 28 Die «ansehnliche[n] Schenkungen» des Bischofs von Hildesheim einerseits und die «besondere Förderung» durch Agnes und das welfische Herzogshaus andererseits verhalfen dem Kloster zu den nötigen ökonomischen Grundlagen. 29 Ein enges Verhältnis zur herzoglichen Familie zeichnete sich bereits ab, als die kinderlose Agnes selbst nach dem Tod Heinrichs ihren Sitz nach Wienhausen verlegte, wo sie bis an ihr Lebensende blieb und auch beigesetzt wurde. 30 Die zahlreichen im Nekrolog des Klosters verzeichneten Mitglieder der Welfenfamilie und deren Grablegen zeugen von der Kontinuität dieser durchaus exklusiven Verbindung. 31 Denn trotz weiterer Gründungen, wie z.B. des nahegelegenen Frauenklosters Isenhagen, 32 sind nur in Wienhausen Frauen der herzoglichen Familie als Schülerinnen, Nonnen, Äbtissinnen oder als Witwen nachweisbar. 33 Ida-Christine R iggert hat Wienhausen daher auch Kloster Wienhausen als welfische Gründung 215 schweig gegründet. Die Forderung des Ordens, einen ‹einsamen› Platz zu wählen, stieß an Grenzen, denn man war auf Schenkungen angewiesen und benötigte Land, das möglichst schnell den Lebensunterhalt sicherstellen konnte (S chnath , Georg: Vom Wesen und Wirken der Zisterzienser in Niedersachsen im 12. Jahrhundert. Zur 800-Jahr-Feier des Klosters Loccum. In: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 35 (1963), S. 78-97, hier S. 82f.). Dies galt besonders für die Frauenklöster, denen eine strenge Einhaltung der Klausur vorgeschrieben wurde (vgl. K renig : Mittelalterliche Frauenklöster nach den Konstitutionen von Cîteaux, S. 81f.; E berl : Die Zisterzienser, S. 149). 28 C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen , S. 2; W ienand , Adam: Die Cistercienserinnen. In: Die Cistercienser. Geschichte - Geist - Kunst. Hrsg. v. Ambrosius Schneider [u.a.]. 3., erw. Aufl. Köln 1986, S. 317-330, hier S. 324. Heinrich R üthing hat Zweifel angemeldet, ob Wöltingerode wirklich in der Lage war, sich an insgesamt acht Neugründungen zu beteiligen und verweist auf die noch ausstehende eingehende Untersuchung seiner Geschichte (Die mittelalterliche Bibliothek des Zisterzienserinnenklosters Wöltingerode. In: Zisterziensische Spiritualität, S. 189-216, hier S. 190). Zeitgleich zu seinem Aufsatz ist erschienen: F aust , Ulrich: Wöltingerode. In: Germania Benedictina XII, S. 797-831. Ulrich F aust nimmt die Neugründungen in seine Darstellung zwar auf, kommentiert aber ebenfalls vorsichtig: «Das wäre eine erstaunliche Leistung des ältesten Zisterzienserinnenklosters in Niedersachsen im Laufe des 13. Jhs.» (S. 804). 29 M aier : Kloster Wienhausen, S. 7. 30 Ihr genaues Todesdatum ist nicht bekannt; die in der Literatur genannten, erschlossenen Jahreszahlen weichen daher voneinander ab. 31 R iggert : Die Lüneburger Frauenklöster, S. 99. 32 Isenhagen war allerdings zunächst ein Männerkloster und wurde erst nach 1259 in ein Frauenkloster umgewandelt. Vgl. R iggert : Die Lüneburger Frauenklöster, S. 27-29; S chulze , H.-J.: Isenhagen. In: Germania Benedictina XII, S. 228-267, hier S. 232. 33 R iggert : Die Lüneburger Frauenklöster, S. 99. In Wienhausen wurden sogar nur Töchter der herzoglichen Familie zur Erziehung zugelassen. Herzogin Mechthild sprach Mitte als «‹Frauenkloster der Welfen›» bezeichnet. 34 Dies dürfte das Kloster für den Adel attraktiv gemacht haben, denn der vergleichsweise hohe Anteil des niederen Adels an den Konventualinnen und die «Dominanz des Hochadels in der Leitung des Konventes» ist ein Charakteristikum Wienhausens bis ins späte Mittelalter. 35 Agnes folgte mit der Gründung Wienhausens gewissermaßen einer Familientradition. Friederike W arnatsch -G leich zählt im familiären Umfeld der Wettiner «über zwanzig Stiftungen von Zisterzienserklöstern, zumeist Nonnenklöster», darunter das 1162 gegründete Hauskloster Altzelle und Dobrilugk, in dem 1209 Agnes’ Mutter Elisabeth beigesetzt wurde. 36 Aber auch die Welfen konnten an vorangehende Klostergründungen anknüpfen, allerdings befinden sich darunter weniger Zisterzienserklöster. 37 Das Benediktinerkloster Weingarten, das mit dem schwäbischen Besitz an die Staufer übergegangen war, 38 diente bis ins 12. Jahrhundert als Hauskloster und Grablege der Welfen. Welf VI. förderte dann besonders das Schottenkloster in Memmingen und gründete die Prämonstratenserklöster Steingaden und Allerheiligen. 39 Unter Heinrich dem Löwen erfolgten keine weiteren Klostergründungen, 40 es zeichnete sich aber 216 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 des 13. Jahrhunderts ein Verbot gegen die Aufnahme anderer Kinder aus (B rosius , Dieter: Die Lüneburger Klöster und ihr Verhältnis zum Landesherrn. In: Das Benediktinerinnenkloster Ebstorf im Mittelalter, S. 135-156, hier S. 155; vgl. dazu auch S chlotheuber : Klostereintritt und Bildung, S. 111f.). 34 R iggert : Die Lüneburger Frauenklöster, S. 99. 35 V ogtherr : Die lüneburgischen Klöster und der Adel im späten Mittelalter, S. 127 und Tab. 3. 36 Zu «Stiftungen von Nonnenzisterzen als Familiensitte» ausführlich Friederike W ar natsch -G leich : Herrschaft und Frömmigkeit: Zisterzienserinnen im Hochmittelalter. Berlin 2005 (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser 21), S. 56-61, speziell zu den wettinischen Gründungen S. 57f. Auf das Phänomen hingewiesen hat auch Adam W ienand : Die Cistercienserinnen, S. 328 u. 330. Zum Kloster Altzelle siehe den Sammelband A ltzelle . Zisterzienserabtei in Mitteldeutschland und Hauskloster der Wettiner. Hrsg. v. Martina Schattkowsky u. André Thieme. Leipzig 2002 (Schriften zur sächsischen Landesgeschichte 3), insbesondere B laschke , Karl-Heinz: Altzelle - ein Kloster zwischen Geistlichkeit und Herrschaft, S. 89-99. Zu Dobrilugk siehe P ätzold , Stefan: Die frühen Wettiner. Adelsfamilie und Hausüberlieferung bis 1221. Köln/ Weimar/ Wien 1997 (Geschichte und Politik Sachsens 6), hier S. 203-209 und H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 111. 37 H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 111. Sie führt daher die Wahl des Zisterzienserordens auf den Einfluß von Agnes zurück. Auch Maria von Brabant, die zweite Gemahlin von Heinrichs Bruder Otto IV., stiftete zu dessen Gedächtnis ein Zisterzienserinnenkloster, Locus imperatricis, bei Binderen in Brabant (S chneidmüller : Die Welfen, S. 263). 38 Vgl. ebd., S. 226f. 39 Ebd., S. 195. 40 Ebd., S. 210. Zu Heinrich dem Löwen vgl. J ordan , Karl: Studien zur Klosterpolitik Heinrichs des Löwen. In: Archiv für Urkundenforschung 17 (1941/ 42), S. 1-31, der sich allerdings auf Urkunden bzw. Urkundenfälschungen der Klöster Bursfelde, Northeim, «in Ansätzen […] eine nordelbische ‹Welfenkirche› ab, in manchen Zügen zisterziensisch geprägt und damit auf der Höhe der Zeit». 41 Dazu gehörte beispielsweise die Gründung des Zisterzienserklosters Riddagshausen 1145 durch den welfischen Ministerialen Ludolf von Dahlum, 42 das gemäß den Statuten des Generalkapitels von 1244 als Vaterkloster für Wienhausen vorgesehen war. 43 Auch war der Welfe Konrad, ein Onkel Heinrichs des Löwen, in Cîteaux zum Mönch geworden. 44 Für den gleichnamigen Sohn Heinrichs des Löwen war möglicherweise in dieser Hinsicht auch schon die erste Ehe mit der Stauferin Agnes bedeutsam, durch die er in den Besitz der Pfalzgrafschaft bei Rhein kam, in der Zisterzienserklöster wie Schönau und Himmerod lagen. Dafür spricht, daß sein frühverstorbener Sohn und Nachfolger als Pfalzgraf 1214 im Zisterzienserkloster Schönau seine Grablege erhielt, 45 in dem auch die Eltern seiner Mutter, Konrad und Irmgard von Staufen, beigesetzt waren, 46 und daß seine Tochter Irmgard, verheiratet mit dem Markgrafen von Baden, das Zisterzienserinnenkloster Lichtenthal gründete. 47 Durch die Klostergründungen des 13. Jahrhunderts wurde die Präsenz der Zisterzienser im Gebiet um Lüneburg jedenfalls deutlich verstärkt. 48 Um den historischen Kontext der Gründung Wienhausens zu ermessen, muß man sich die Situation vergegenwärtigen, in der sich die Welfen zu dieser Zeit befanden. Nach ihrem Aufstieg in den Herzogsrang trieben die Welfen die Territorialisierung und die Festigung ihrer Herrschaft durch den Ausbau ihrer weltlichen wie geistlichen Zentren voran, parallel dazu verlief die frühe «Formierung ihres adligen Hausbewußtseins». 49 Doch 1180 kam es bekanntermaßen zum Einzug des Reichslehens und zur Aufteilung der Herzogtümer Sachsen und Bayern. «Die Welfen, begrenzt auf ihre von sächsischen Fürstentöchtern ererbten Allodien um Braunschweig und Lüneburg, wurden damit aus dem sich formierenden Stand der Reichsfürsten verstoßen. Der Wiedereingliederung in diese adlige Spitzengruppe galten fortan die Bestrebungen, bis ins 13. Jahrhundert politisch wie finanziell nachdrücklich durch das ver- Kloster Wienhausen als welfische Gründung 217 Reinhausen und Homburg konzentriert. Zu den Gründern niedersächsischer Zisterzienserklöster vgl. S chnath : Vom Wesen und Wirken der Zisterzienser in Niedersachsen, S. 85. 41 S chneidmüller : Die Welfen, S. 207. 42 Ebd., S. 210. 43 L eerhoff : Wienhausen, S. 758. 44 S chneidmüller : Die Welfen, S. 148 und 160. 45 Ebd., S. 265. 46 H ucker , Bernd Ulrich: Stauferzeitliche Zisterziensergründungen und Stiftergräber. In: Zisterzienser. Norm, Kultur, Reform, S. 287-309, hier S. 295. 47 S chindele , Pia: Die Abtei Lichtenthal. Ihr Verhältnis zum Cistercienserorden, zu Päpsten und Bischöfen und zum badischen Landesherrn im Laufe der Jahrhunderte. In: Freiburger Diözesanarchiv 104 (1984), S. 19-166 und 105 (1985), S. 67-248, hier 1984, S. 25. 48 V ogtherr : Die lüneburgischen Klöster und der Adel im späten Mittelalter, S. 114 und 126. 49 S chneidmüller , Bernd: Welfen. In: LMA 8, Sp. 2147-2151, hier Sp. 2149. wandte englische Königshaus unterstützt.» 50 Heinrich, dem gleichnamigen Sohn des Löwen, gelang dies zunächst durch seine überraschende (erste) Ehe mit der Stauferin Agnes, der Erbin der Pfalzgrafschaft bei Rhein, die er 1195 nach dem Tod ihres Vaters Konrad übernahm. 51 Um den Besitz der Pfalzgrafschaft zu sichern, übergab er sie frühzeitig an seinen Sohn. Dieser verstarb jedoch schon 1214, so daß Friedrich II. das Lehen an den Wittelsbacher Otto II. vergeben konnte. Zur gleichen Zeit verlor überdies Heinrichs jüngerer Bruder, Kaiser Otto IV., den Kampf gegen den Staufer Friedrich II. um die Königswürde und starb 1218. Dennoch urkundete Heinrich «weiter als Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Sachsen, obwohl er die eine Würde eingebüßt, die andere nie errungen hatte», 52 doch «blieb sein Rang in der hochmittelalterlichen Fürstengemeinschaft ebenso ungeklärt wie die biologische Zukunft der welfischen Sache», da sein Sohn verstorben war und die zweite Ehe mit der wettinischen Agnes kinderlos blieb. Heinrich unterwarf sich nun zwar Friedrich II., ließ sich die Übergabe der von Otto erhaltenen Reichsinsignien aber mit 11.000 Mark Silber und der «Verleihung eines Vikariats im Land zwischen Elbe und Weser für die Zeit von Friedrichs Italienaufenthalt» bezahlen 53 und konzentrierte sich in der Folgezeit darauf, «die faktische welfische Herrschaft in den angestammten Patrimonien» auszubauen. 54 «Zu Beginn seiner Herrschaft 1196/ 97 hatte sich Heinrich in beschränkter Lage den Zugriff auf die wichtigsten geistlichen Institute im Umkreis seines Vaters gesichert. Am Ende aktualisierte der Welfe, wiederum in bedrängter Lage, seine Stellung im Land der sächsischen Mütter durch großzügige Privilegien», darunter auch die Zisterzienserklöster Riddagshausen und Wöltingerode. «Wenigstens im alten Patrimonium zwischen Harz und Heide suchte Heinrich dem welfischen Mannesstamm Dauerhaftigkeit zu verleihen.» 55 Zum Nachfolger bestimmte er seinen Neffen Otto («das Kind»), 56 der sich nach Heinrichs Tod allerdings nur schwer durchzusetzen vermochte. 57 Er ge- 218 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 50 Ebd., Sp. 2150. 51 Der sächsische Herzogstitel war nach dem Urteil gegen seinen Vater an Bernhard von Anhalt vergeben worden (S chneidmüller : Die Welfen, S. 228 u. 238-240). 52 Ebd., S. 265f.; vgl. auch B oshof : Die Entstehung des Herzogtums Braunschweig- Lüneburg, S. 252f. 53 S chneidmüller : Die Welfen, S. 268. 54 Ebd., S. 269. 55 Ebd., S. 270. Vgl. dazu auch H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 95; Z illmann , Sigurd: Die welfische Territorialpolitik im 13. Jahrhundert (1218-1267). Braunschweig 1975 (Braunschweiger Werkstücke 52. Reihe A: Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek 12), S. 324. Zur Geschichte der Welfen vgl. auch P atze , Hans: Die welfischen Territorien im 14. Jahrhundert. In: Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert. Bd. 2. Hrsg. v. dems. Sigmaringen 1971 (Vorträge und Forschungen 14), S. 7-99 (mit Rückblick auf die Entwicklungen seit dem Sturz Heinrichs des Löwen). 56 S chneidmüller : Die Welfen, S. 270f. 57 Ebd., S. 274. riet noch 1227 zusammen mit seinem Onkel Waldemar, dem dänischen König, nach verlorener Schlacht in die Gefangenschaft des Grafen von Schwerin, aus der er erst Anfang 1229 entlassen wurde. 58 Erst nach und nach konnte er Städte und Kirchenlehen zurückgewinnen. 1235 erreichte er die endgültige Aussöhnung mit Friedrich II. und die Wiederaufnahme in den Kreis der Reichsfürsten: Braunschweig und Lüneburg wurden zum Herzogtum vereint und Otto als erbliches Lehen übertragen. 59 Agnes übergab ihm daraufhin ihren bisherigen Witwensitz, die Burg Celle, und zog sich nach Wienhausen zurück. 60 Da Ausbau und Sicherung von Herrschaft immer auch über den Zugriff auf bestehende bzw. über die Bildung neuer geistlicher Zentren verlief, dürfte also auch die Gründung Wienhausens in diesem Zusammenhang zu sehen sein. 61 Kerstin H engevoss -D ürkop hat im Zuge ihrer Untersuchung der sogenannten Rolandsfiguren der Frauenklöster, der Stifter- und Klosterpatronatsfiguren von Wienhausen, Walsrode und Ebstorf, die Gründung Wienhausens speziell auf das Verhältnis zwischen dem zuständigen Diözesanbischof von Hildesheim und den Welfen hin untersucht. Die Gründung Wienhausens sei im Umfeld der Konflikte zwischen dem Hochstift, das sich in den Auseinandersetzungen mit den Staufern gegen die Welfen gestellt hatte, und den welfischen Landesherren, die Einfluß auf das in ihrem Gebiet liegende Bistum auszuüben suchten, erfolgt und die Gründungsvereinbarungen entsprechend getroffen: «Durch das dem Hildesheimer Bischof vorbehaltene ius patronum, die unterbliebene Regelung zum Defensionsamt und das Privileg der Vogtfreiheit stellte sich Wienhausen als Patronatskloster des Hochstifts dar.» 62 Die Kloster Wienhausen als welfische Gründung 219 58 Ebd., S. 277. 59 Ebd., S. 280f. 60 H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 111. 61 Anders B rosius : Die Lüneburger Klöster und ihr Verhältnis zum Landesherrn. Er kommt zu dem Ergebnis, daß die welfischen Herzöge keine «zielstrebige Klosterpolitik» betrieben hätten, «etwa um den inneren Landesausbau voranzutreiben». «Die Landesherrschaft stützte sich, soweit die Quellen überhaupt eine Aussage zulassen, auf andere Rechtstitel. Zu ihrer Durchsetzung bedurfte es der Klöster nicht, die dann von allein und ohne erkennbares Widerstreben in den welfischen Territorialstaat hineinwuchsen. Und auch bei den jüngeren Klöstern kann von einer bewußten Ansetzung zum Zweck der Landeserschließung nicht die Rede sein» (S. 140). 62 H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 87; vgl. dazu auch L eerhoff : Wienhausen, S. 759 und A hlers : Weibliches Zisterziensertum im Mittelalter und seine Klöster in Niedersachsen, S. 199: «Als eigentlicher Gründer Wienhausens erscheint somit der Bischof von Hildesheim, der kirchlichen Besitz in die Stiftung einbrachte und die Aufsichtsrechte über das Kloster und seine Liegenschaften zu wahren wußte. Dafür sprechen auch die zahlreichen Schenkungen, die dem Kloster von Bischof Konrad gemacht wurden, wodurch verstreute Eigentumstitel im Klostergut konzentriert werden konnten.» Zur Auseinandersetzung zwischen den Welfen und den Bischöfen von Hildesheim vgl. Z illmann : Die welfische Territorialpolitik im 13. Jahrhundert, hier S. 23-46. Bei Lothar von H einemann stellt sich die Situation im Zeitraum der Gründung jedoch anders dar: 1221 erteilte König Heinrich (VII.) dem Bischof von Hildesheim die Investitur mit den Regalien. Unter den Fürsten, die ihm zu diesem Schritt geraten hatten, befand sich späteren Inkorporationsbemühungen Herzog Ottos des Kindes wertet sie daher «als Versuch […], die Stiftung aus dem Diözesanverband zu lösen». 63 Erst mit dem «Vordringen der Welfen in das Zentrum des Bistums Hildesheim durch die Besetzung des Bischofsstuhls mit Otto von Braunschweig-Lüneburg», dem Sohn Ottos des Kindes, sei in den 60er Jahren dann eine Wende eingetreten, durch die sich Wienhausen «mehr und mehr zum welfischen Familienkloster» habe entwickeln können, indem sich die Herzöge nun etwa «die Besetzung der Propststellen in den Nonnenklöstern ihres Herrschaftsgebiets» sicherten. 64 «Innerhalb der Entwicklung eines Patronatsklosters des Hochstifts zu einem welfischen Familienkloster mit eigenkirchlichen Zügen plädiert die um 1270 entstandene Stifterfigur [der Gründerin Agnes, d. Verf.] für die neuen Verhältnisse.» 65 1269 erfolgte die Teilung des Herzogtums durch Albrecht und Johann, die Söhne Ottos des Kindes, in die Fürstentümer Lüneburg, in dem Wienhausen lag, und Braunschweig, das in der nächsten Generation wiederum in die Fürstentümer Braunschweig, Grubenhagen und Göttingen zerfiel. 66 Als «Frauenkloster der Welfen» war Wienhausen in besonderer Weise mit den dynastischen, politischen und geistlichen Interessen des Welfenhauses verbunden. 67 Dennoch läßt sich die Bedeutung eines Frauenklosters anscheinend weniger deutlich umreißen. Ida-Christine R iggert schränkt nämlich selbst ein: «Versorgung für Frauen des herzoglichen Hauses bedeutet aber nicht, daß das Kloster besonders enge Beziehungen zu den Landesherren pflegte. Das Verhältnis Wienhausens zum Welfenhaus wird, möglicherweise mit geringen Ausnahmen, nicht anders gewesen sein als das der anderen Häuser - und das war, trotz zeitweiliger Unstimmigkeiten, überwiegend gut.» 68 Auch in den 220 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 als «einziger Laienfürst» der Herzog Heinrich. Und als sich die Hildesheimer Ministerialen dem widersetzten, ging der Herzog auf Bitte des Königs Heinrich hin sogar bewaffnet gegen diese vor. Diese Situation wiederholte sich einige Jahre später noch einmal (Heinrich von Braunschweig, Pfalzgraf bei Rhein. Ein Beitrag zur Geschichte des staufischen Zeitalters. Gotha 1882 (Nachdruck in der Reihe «Bewahrte Kultur». Hildesheim/ Zürich/ New York 2005), S. 231ff.). 63 H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 88. Ganz ähnlich äußert sich A hlers (Weibliches Zisterziensertum im Mittelalter und seine Klöster in Niedersachsen, S. 200), ohne sich jedoch auf die vorangehende Arbeit von K. H engevoss -D ürkop zu beziehen. 64 H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 89. «[…] die Propststellen der Frauenklöster des Landes [wurden] häufig von herzoglichen Sekretären und Kaplänen, Notaren und Kanzlern besetzt» (ebd., S. 96). Vgl. dazu auch B rosius : Die Lüneburger Klöster und ihr Verhältnis zum Landesherrn, S. 145-151. 65 H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 87-90. 66 P ischke : Die Welfen, S. 211. 67 Zum Zusammenhang von Adelsinteressen und Zisterziensergründungen vgl. u.a. S chich , Winfried: Kulturlandschaft und Zisterzienserklöster zwischen mittlerer Elbe und Oder, S. 193: «Ein Zisterzienserkloster gehörte in dieser Zeit ganz offensichtlich zu einem nach christlichen Vorstellungen eingerichteten Land.» 68 R iggert : Die Lüneburger Frauenklöster, S. 99f. Darstellungen der welfischen Geschichte spielt Wienhausen nur eine marginale Rolle. Es bleibt fraglich, ob sich diese Einschränkung allein aus dem Status der Frau im Mittelalter im allgemeinen und dem der Frauenklöster im besonderen ergibt, also die mittelalterlichen Verhältnisse zutreffend beschreibt, oder ob ihre Bedeutung in der Perspektive der modernen Forschung nicht zusätzlich geschmälert wird. In der Forschung ist in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung der Heilig-Blut-Reliquie diskutiert worden, denn «[s]olche Reliquien, die meist nur im Besitze hochfürstlicher Kreise waren, wurden gerne dem Haus- und Lieblingskloster übergeben.» 69 Auch Weingarten, das alte Hauskloster der Welfen, war mit einer solchen Reliquie ausgestattet. 70 Nach Horst A ppuhn ist die Reliquie des Heiligen Blutes daher ein Kennzeichen für den besonderen Status Wienhausens und seine enge Verbindung zur Herzogsfamilie. 71 Kerstin H engevoss -D ürkop hat allerdings darauf hingewiesen, daß sich diese «zentrale[ ] Bedeutung, die der Blut-Reliquie für Wienhausen beigemessen wird», nicht mit der Darstellung in den vorhandenen Quellen decke, vielmehr bleibe dieser Kult «wenig greifbar». 72 Auch in der weiteren Geschichte bleibt allerdings der Einfluß der Welfen dominant. Wienhausen erlebte etwa seit dem Ende des 13. Jahrhunderts - also der Zeit, die Kerstin H engevoss -D ürkop als «Wende» beschreibt - seine erste und bedeutendste Phase materieller wie kultureller Prosperität, 73 der die meisten der bis heute erhaltenen Kunstgegenstände ebenso entstammen wie der Westflügel und der Nonnenchor (Abb. 3). Dieses architektonische Ensemble, das «zu den frühesten und bedeutendsten Beispielen der Backsteingotik im Kloster Wienhausen als welfische Gründung 221 69 S tump , Thomas/ G illen , Otto: Hl. Blut. In: RDK 2, 1948, Sp. 947-958, hier Sp. 947. «Die Blutreliquien-Verehrung verstärkte sich insbesondere in der Zeit der Kreuzzüge durch den zunehmenden Import von Herrenreliquien. Eine Vielzahl von ihnen gelangte damals durch Schenkung in den Besitz von Zisterzienserklöstern, beispielhaft dafür ist der Schatz von Clairvaux.» (W ipfler : «Corpus Christi» in Liturgie und Kunst der Zisterzienser, S. 34-44, hier S. 35). 70 S tump / G illen : Hl. Blut, Sp. 948. Auffällig ist die Ähnlichkeit der Namen, zumal in der Klosterchronik Wienhausens eigens darauf hingewiesen wird, daß der Name auf die Stifterin zurückzuführen sei: Ehemahln wardt dieser Ohrt genandt Wiginhusen sonst auch Wygenhusen von den Weyen die sich da in großer Menge aufhielten […]. Nachdem das Kloster daselbst erbauet, hat Hertzogin Agnese lieber gesehen daß der Ohrt Wienhusen der Wienbarg des Herrn genandt würde […] (C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen, S. 5). 71 A ppuhn , Horst: Der Auferstandene und das Heilige Blut zu Wienhausen. Über Kult und Kunst im späten Mittelalter. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 1 (1961), S. 75-138, hier S. 87. Vgl. auch D ers .: Einführung in die Ikonographie der mittelalterlichen Kunst in Deutschland. Darmstadt 1979 (Die Kunstwissenschaft), S. 69-74. 72 H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 150. 73 M aier : Kloster Wienhausen, S. 9. Ebenso A ppuhn : Kloster Wienhausen (1986), S. 46; L eerhoff : Wienhausen, S. 759; auch V ogtherr : Die lüneburgischen Klöster und der Adel im späten Mittelalter, S. 127. Gebiet der Lüneburger Heide» 74 gehört, prägt bis heute das Bild des Klosters und bringt seinen herrschaftlichen Anspruch zum Ausdruck. 75 Im 14. Jahrhundert ist die Präsenz welfischer Frauen besonders deutlich faßbar: Bis zu ihrem Tod 1321 lebte die verwitwete Mechthild von Braunschweig-Lüneburg, eine Schwester Herzog Ottos II., in Wienhausen, die dem Kloster reiche Stiftungen zukommen ließ, darunter auch - gegen eine Leibrente - ihr umfangreiches Wittum. 76 Dieses bot möglicherweise die finanzielle Grundlage für den Neubau des Nonnenchors. Die Tochter des Herzogs Otto, Luthgard II., war von 1328 bis 1338 Äbtissin des Klosters, gefolgt von ihrer Schwester Jutta (1338 um 1343). Mit Elisabeth III. von Braunschweig übernahm von 1359 bis 1386 die Tochter Herzog Ottos III. die Leitung des Klosters, und auch ihre Nachfolgerin Mechthild von Sachsen (1386 um 1405) war durch ihre Mutter Sophie von Braunschweig-Lüneburg mit der Herzogsfamilie verwandt. 77 Diese Kontinuität in der Leitung des Klosters erklärt möglicherweise auch, warum trotz des Ausbruchs der Pest Mitte des 14. Jahrhunderts und trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die dieses Jahrhundert prägten, die erste kulturelle Hochphase zwar abgeschlossen war, die kulturellen Leistungen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts aber keineswegs ganz abbrachen. 78 Mit Katharina von Hoya (ca. 1422-1435 und 1440-1469) trat erneut eine Frau welfischer Abstammung das Äbtissinnenamt an. Sie war durch ihre Mutter Mechthild von Braunschweig-Lüneburg, die nach dem Tod ihres Mannes ebenfalls in Wienhausen lebte, mit der Herrscherfamilie verwandt. Während ihrer Amtszeit erlebte das Kloster eine zweite Periode kultureller Blüte, die sich insbesondere ihrer Förderung verdankte. 79 Eine ganze Reihe von Kunst- und Kultobjekten sind überliefert, die sie als Stifterin nennen, 80 eines der be- 222 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 74 L eerhoff : Wienhausen, S. 776. 75 Der Westflügel ist um 1310 entstanden; für den Nonnenchor ist gemäß den Angaben der Chronik (S. 46) eine Entstehungszeit zwischen 1307 und 1309 anzunehmen, dendrochronologische Untersuchungen ergaben jedoch eine Datierung um 1330 und auch Wiebke M ichler kam aufgrund ihrer kunsthistorischen Untersuchungen der Ausmalung des Nonnenchores zu dem Ergebnis, daß er nicht vor 1335 entstanden sein könne (Die Wand- und Gewölbemalereien im Nonnenchor des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Wienhausen. Göttingen 1967, S. 134-155). Vgl. auch Die Kunstdenkmale des Landkreises Celle. Teil II. Wienhausen. Kloster und Gemeinde. Bearb. v. Joachim Bühring u. Konrad Maier unter Mitwirkung v. Helmut Engel [u.a.]. Bild- und Textband. Hannover 1970 (Kunstdenkmälerinventare Niedersachsens 38), hier Textband S. 3f. 76 A ppuhn : Kloster Wienhausen (1986), S. 11. 77 Stammbaum der herzoglichen Familie des Alten Hauses Braunschweig-Lüneburg und Äbtissinnenliste in C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen , S. XX und XXII. 78 A ppuhn : Kloster Wienhausen (1986), S. 46. Welch drastische Zäsur sie in der Entwicklung der Lüneburger Klöster darstellte, ist bis heute im benachbarten und ebenfalls durch Agnes gegründeten Frauenkloster Isenhagen sichtbar: Die Bauarbeiten am Kreuzgang wurden nur notdürftig fertiggestellt. 79 M aier : Kloster Wienhausen, S. 9. 80 A ppuhn : Kloster Wienhausen (1986), S. 46-48. deutendsten unter ihnen ist wohl die Neufassung des Heiligen Grabes. 81 Ihre Amtszeit endete mit der von Herzog Otto erzwungenen und durch die Windesheimer Kongregation unter der Leitung von Johannes Busch durchgeführten Klosterreform, 82 die den anhaltenden Einfluß der Familie auf ihre Gründung belegt, aber auch einen Wendepunkt in den bis dahin eher konform gehenden Interessen von Kloster und Landesherren markiert. Die weitere künstlerische und literarische Ausstattung des Klosters brach auch mit der Reform nicht ab, sondern wurde von den Reformäbtissinnen fortgesetzt. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts erfuhr sie sogar nochmals eine Intensivierung. Beendet wurde auch diese Phase durch einen Eingriff von seiten der Herzogsfamilie: Herzog Ernst «der Bekenner» erwirkte gegen den Widerstand der Nonnen die Reformation des Klosters. 83 Das Kloster wurde jedoch nicht aufgelöst, sondern in ein evangelisches Damenstift umgewandelt; als solches besteht es bis heute. Rechtlich ist das Kloster weiterhin selbständig; die staatliche Aufsicht obliegt dem Klosterkommissar, der die Äbtissin und die Konventualinnen, die sich die Vermittlung der Geschichte und die Pflege der Kulturschätze des Klosters zur Aufgabe gemacht haben, «aus den Mitteln des Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds bei der Erhaltung der Baulichkeiten und Kunstwerke» unterstützt. 84 6.4 Beziehungen zum Zisterzienserorden Die Gründung Wienhausens in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts geschah in einem Zeitraum, in der die Zahl der Frauenklöster insgesamt bekanntlich sprunghaft stieg. Da die eingeschränkte kirchenrechtliche Stellung der Frau die cura monialium durch die Männerkonvente erforderlich machte, sahen Beziehungen zum Zisterzienserorden 223 81 Die Christusfigur im Innern ist allerdings älter, sie ist bereits im 13. Jahrhundert entstanden (W entzel , Hans: Die Madonna in Wienhausen. In: Zeitschrift für Kunstwissenschaft 1 (1947), S. 77-88, hier S. 80f. und H artwieg , Babette: Drei gefaßte Holzskulpturen vom Ende des 13. Jahrhunderts in Kloster Wienhausen. Sonderdruck aus der Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung 2/ 2 (1988), S. 187-262, hier S. 197). 82 L eerhoff : Wienhausen, S. 762. 83 M aier : Kloster Wienhausen, S. 10. Um den Widerstand der Nonnen zu brechen, wurden im Jahr 1531 sogar einige der Konventsgebäude abgerissen. Ein Teil des heutigen Baubestands geht daher auf den Wiederaufbau nach dieser Zeit zurück. Vgl dazu auch B ran dis , Wolfgang: Quellen zur Reformationsgeschichte der Lüneburger Frauenklöster. In: Studien und Texte zur literarischen und materiellen Kultur der Frauenklöster im späten Mittelalter, S. 357-398. 84 L eerhoff : Wienhausen, S. 768; B randis , Wolfgang: Kloster Wienhausen seit der Reformation. In: M aier : Kloster Wienhausen, S. 11. Dazu auch von C ampenhausen , Axel Freiherr: Geschichte und Gegenwart der Hannoverschen Klosterkammer. In: Fromme Frauen - unbequeme Frauen? Weibliches Religiosentum im Mittelalter. Hrsg. v. Edeltraut Klueting. Hildesheim/ Zürich/ New York 2006 (Hildesheimer Forschungen 3), S. 237-247. Beziehungen zum Zisterzienserorden sich alle Orden mit der Frage konfrontiert, wie sie mit der großen Zahl Aufnahme suchender Frauengemeinschaften verfahren sollten. Der Zisterzienserorden habe - so der lange Zeit gültige Konsens - der Inkorporation, also der offiziellen und vollgültigen Aufnahme der Frauenklöster, grundsätzlich eher ablehnend gegenübergestanden, weshalb die Inkorporation einzelner Klöster meist nur auf Druck der Kurie erfolgt sei, während die Klöster, denen dies nicht gelang, zwar nach den Konstitutionen von Cîteaux lebten, dem Orden aber eben nicht angehörten. 85 Für jedes Zisterzienserinnenkloster muß also zunächst die Frage nach dem Verhältnis zum Orden gestellt werden. In zweierlei Hinsicht wirft die Beantwortung dieser Frage für Wienhausen Probleme auf. Einerseits ist die Forschung hier zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt, andererseits ist die Inkorporierung der Frauenklöster überhaupt zu einem strittigen Punkt geworden, seitdem sie von Brigitte D eg ler -S pengler noch einmal grundsätzlich neu diskutiert und beurteilt worden ist. Im Zentrum der Diskussion steht die Bewertung des offiziellen Verbots der Inkorporation durch die Generalkapitelstatuten des Zisterzienserordens aus den Jahren 1220, 1228 und 1251. Brigitte D egler -S pengler versteht das Verbot als ein Instrument, um der rasch anwachsenden Zahl aufnahmewilliger Frauengemeinschaften zu begegnen, nicht jedoch als Mittel, sie völlig auszuschließen. 86 Im Gegenteil zeigten beispielsweise die Gründungen von Frauenklöstern im 12. Jahrhundert die grundsätzlich positive Einstellung der Zisterzienser zu den Nonnen. 87 Das Verbot sei eine «Selbstbehauptungsstrategie» gewesen, um die Aufnahme auf geeignete Gemeinschaften beschränken zu können. 88 Daraus erkläre sich auch das Beharren auf der Einhaltung der Klausur, da sie ein Prüfstein für die ausreichende Wirtschaftskraft eines Klosters 224 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 85 Die Differenzierungen gehen sogar noch darüber hinaus: «Es gab Zisterzienserinnen, die außerhalb des Ordens standen, aber vom Papst die Privilegien des Ordens bekamen und von Zisterzienseräbten betreut wurden, solche die Geld zahlten, um den Schutz des Ordens zu genießen, andere, die in aller Form in den Orden aufgenommen worden waren, aber nicht von Mönchen ihres Ordens, sondern von Weltgeistlichen oder Angehörigen anderer Orden betreut und von Bischöfen beaufsichtigt wurden.» (F elten , Franz J.: Der Zisterzienserorden und die Frauen. In: Weltverachtung und Dynamik. Hrsg. v. Harald Schwillus u. Andreas Hölscher. Berlin 2000 (Studien zu Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser 10), S. 34-135, hier S. 35). 86 D egler -S pengler : «Zahlreich wie die Sterne des Himmels». Zisterzienser, Dominikaner und Franziskaner vor dem Problem der Inkorporation von Frauenklöstern. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 4 (1985), S. 37-50, v.a. S. 47f.; D ies .: Die religiöse Frauenbewegung des Mittelalters. Konversen - Nonnen - Beginen. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 3 (1984), S. 75-88, v.a. S. 80; D ies .: Zisterzienserorden und Frauenklöster. Anmerkungen zur Forschungsproblematik. In: Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit. Ergänzungsband. Hrsg. v. Kaspar Elm unter Mitarbeit v. Peter Joerißen. Köln 1982 (Schriften des Rheinischen Museums 18), S. 213-220. 87 D egler -S pengler : «Zahlreich wie die Sterne des Himmels», S. 47. 88 D egler -S pengler : Zisterzienserorden und Frauenklöster, S. 215. darstellte. Darüber hinaus stärkten diese Beschlüsse die Kompetenz des Generalkapitels gegenüber den Äbten, die bis dahin über die Aufnahme von Frauenklöstern entschieden hätten, und hätten dem Bedarf an einer «Zentralisierung und Formalisierung des Anschlußverfahrens» genüge getan. Abgesehen von der Klausur sollten nun nämlich noch weitere Bedingungen erfüllt sein: «monastische Disziplin, solide Finanzierung, ein[] ‹numerus clausus›, Zustimmung des Diözesanbischofs bzw. Exemtion von der bischöflichen Jurisdiktion». 89 Als Beleg für ihre These nennt Brigitte D egler -S pengler u.a. die seit 1213 in den Generalkapitelstatuten auftauchenden Bestimmungen zu den Frauenklöstern, die ein Bestreben nach deren Eingliederungen belegen. 90 Den bis dahin für die Geschichte der Frauenklöster verantwortlichen Ordenshistorikern wirft sie daher vor, aufgrund ihrer Auffassung den Frauenklöstern innerhalb der Ordenshistoriographie nur eine marginale Rolle eingeräumt zu haben. 91 Inzwischen sind ihre Thesen von der Forschung aufgenommen und mit unterschiedlicher Resonanz diskutiert worden. 92 Beziehungen zum Zisterzienserorden 225 89 O efelein , Cornelia: Moniales grisei ordinis - Fragen und Probleme der Erforschung von Zisterziensernonnenklöstern. In: Das geistliche Erbe. Wege und Perspektiven der Vermittlung. Hrsg. v. Angelika Lozar. Berlin 2003 (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser 16), S. 33-60, hier S. 40. Allerdings geht es in der Forschungsdiskussion nicht nur um den Nachweis der förmlichen Inkorporation, auch «die Zahl und das Gewicht der Kriterien für die Annahme der Inkorporation oder einer ihr adäquaten Angliederung» ist umstritten (F elten : Der Zisterzienserorden und die Frauen, S. 41f.). 90 D egler -S pengler : Zisterzienserorden und Frauenklöster, S. 214. 91 Vgl. D egler -S pengler , Brigitte: Einleitung. Die Zisterzienserinnen in der Schweiz. In: Helvetia sacra III: Die Orden mit Benediktinerregel 3,2: Die Zisterzienser und Zisterzienserinnen, die reformierten Bernhardinerinnen, die Trappisten und Trappistinnen und die Wilhelmiten in der Schweiz. Zweiter Teil. Redigiert v. Cécile Sommer-Ramer u. Patrick Braun. Bern 1982, S. 507-574, hier S. 507. 92 Besonders Franz J. F elten und Gerd A hlers setzen sich in ihren Studien zu den Zisterzienserinnen kritisch mit ihren Thesen auseinander (F elten : Der Zisterzienserorden und die Frauen; A hlers : Weibliches Zisterziensertum im Mittelalter und seine Klöster in Niedersachsen). Verhaltener fällt die Kritik von Immo E berl in seiner umfassenden Monographie zur Geschichte der Zisterzienser von 2002 aus (Die Zisterzienser. Geschichte eines europäischen Ordens. Stuttgart 2002, S. 152 und Anm. 77 u. 78). In einem Aufsatz von 2006, in dem er einen sehr guten Überblick über die historische Entwicklung des Verhältnisses von Zisterziensern und Zisterzienserinnen gibt, äußert er sich deutlich positiver und setzt sich auch kritisch mit A hlers Einwänden auseinander (Die Frauenzisterzen des Zisterzienserordens. Entstehung und Entwicklung des weiblichen Ordenszweiges im Umfeld des Ordens. In: Fromme Frauen - unbequeme Frauen, S. 45-65). Auch das knappe Kapitel zu den Zisterzienserinnen von Terryl N. K inder verfolgt eine ähnliche Argumentation wie D egler -S pengler (Die Welt der Zisterzienser. Würzburg 1997, S. 35-38). Grundsätzlich positiv aufgenommen und in eigenen Arbeiten weitergeführt wurden ihre Forschungen beispielsweise von Anja O strowitzki in Veröffentlichungen zu den Zisterzienserinnen des Rheinlands, von Maria Magdalena R ückert , die Filiationen Maulbronns untersucht, von der Kunsthistorikerin Friederike W arnatsch - G leich und der Historikerin Cornelia O efelein (O strowitzki , Anja: Die Ausbreitung Was Wienhausen betrifft, so ist bekannt, daß 1244 Herzog Otto einen offiziellen Antrag auf Inkorporation stellte. 93 Auch der sit-filia-Beschluß seitens des Ordens ist überliefert. In den Statuten des Generalkapitels aus dem gleichen Jahr heißt es, daß Wienhausen von nun an eine Tochter des Zisterzienserklosters Riddagshausen sein soll. 94 Die Äbte von Loccum und Michaelstein wurden mit der inspectio beauftragt. «Danach schweigen die Quellen; zur Inkorporation, zur förmlichen Unterstellung unter den Abt des Klosters Riddagshausen scheint es damals nicht gekommen, eine Exemtion aus der bischöflichen Gewalt scheint nicht erfolgt zu sein [...].» 95 Heiko L eerhof zieht daraus den Schluß, daß Wienhausen zwar nach der Zisterzienserobservanz lebte, ohne jedoch ‹förmlich› inkorporiert zu sein. 96 Ida-Christine R iggert dagegen nimmt genau umgekehrt an, daß bei Wienhausen - mit einem von Ernst Günther K renig geprägten Begriff 97 - von einer «iure-pleno-Inkorporation» auszugehen sei, daß also die Inkorporation theoretisch erfolgte, praktisch aber 226 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 der Zisterzienserinnen. In: Eiflia sacra. Studien zu einer Klosterlandschaft. Hrsg. v. Johannes Mötsch u. Martin Schoebel. 2., erw. Aufl. Mainz 1999 (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 70), S. 157-178 (u.a.); R ückert , Maria Magdalena: Zur Inkorporation südwestdeutscher Frauenklöster in den Zisterzienserorden. Untersuchungen zu Zisterzen der Maulbronner Filiation im 12. und 13. Jahrhundert. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige 111 (2000), S. 381-410; W arnatsch -G leich : Herrschaft und Frömmigkeit, S. 28-43, Kommentar zu A hlers und F elten S. 12, Anm. 5; O efelein : Moniales grisei ordinis. Fragen und Probleme in der Erforschung von Zisterzienserinnenklöstern). Auch Maren K uhn -R ehfus kann mit ihrer Untersuchung der Salem unterstellten Frauenklöster die Thesen D egler -S penglers stützen, indem sie die zentrale Rolle des Abtes Eberhard von Salem bei der Etablierung und Inkorporation dieser Konvente aufzeigt (Cistercian Nuns in Germany in the Thirteenth Century: Upper-Swabian Cistercian Abbeys Under the Paternity of Salem. In: Hidden Springs. Monastic Women Bd. 1. Medieval Religious Women Bd. 3. Hrsg. v. John A. Nichols u. Lillian Thomas Shank. Kalamazoo, Mich. 1995 (Cistercian studies series 113), S. 135-158). Unbestreitbar scheint mir das Verdienst von Brigitte D egler -S pengler darin zu liegen, daß durch ihre Arbeiten eine neue Forschungsdiskussion in Gang gesetzt wurde, in der sich auch diejenigen, die ihre These ablehnen, um neue und differenziertere Argumente bemühen. 93 F aust : Monastisches Leben in den Lüneburger Klöstern. In: Das Benediktinerinnenkloster Ebstorf im Mittelalter, S. 27-39, hier S. 22; R iggert : Die Lüneburger Frauenklöster, S. 54. 94 Das Jahr 1244 ist in einer weiteren Hinsicht relevant. Den Inkorporationsbedingungen wurde eine weitere hinzugefügt bzw. eine vorhandene eingeschärft: Die zuständigen Inspektoren wurden angewiesen, einer Inkorporation nicht zuzustimmen, bis eine Urkunde des Bischofs über die vollständige Entlassung aus der Diözesangewalt vorliege (D egler -S pengler : Einleitung, S. 523). Die Inkorporation könnte durch diese Bestimmung zweifelhaft geworden sein. Vgl. dazu Ulrich F aust : Zisterzienser in Norddeutschland. In: Germania Benedictina XII, S. 15-28, hier S. 22. Er berichtet, daß die für Norddeutschland zuständigen Bischöfe nicht zum Verzicht auf ihre Rechte bereit gewesen sein. 95 L eerhoff : Wienhausen, S. 758. 96 Ebd. 97 K renig , Ernst Günther: Mittelalterliche Frauenklöster nach den Konstitutionen von Cîteaux, S. 29. kaum umgesetzt wurde. 98 Sie verweist auf das eher distanzierte Verhältnis zum Orden, was nicht nur für Wienhausen gelte, sondern auch für die anderen Lüneburger Frauenklöster, von denen keines jemals exemt war. 99 Das Kloster Wöltingerode, das den Gründungskonvent stellte, war ebenfalls nicht inkorporiert. 100 Auch daß die Reform des Klosters durch die Windesheimer Kongregation erfolgte, spricht gegen eine Zugehörigkeit zum Orden. Die wichtige Frage, inwieweit mit kulturellen und spirituellen Impulsen durch den Zisterzienserorden zu rechnen ist, bleibt damit vorerst ungeklärt. Die Tatsache, daß die Lüneburger Frauenklöster untereinander deutliche Parallelen aufweisen, unabhängig davon, ob sie dem Benediktiner- oder dem Zisterzienserorden angehörten, spricht dafür, daß die regionalen Einflüsse, insbesondere durch das welfische Herzogshaus und den Hildesheimer Bischof - die Mehrzahl der Lüneburger Klöster gehörten dieser Diözese an - mindestens ebenso wichtig waren. 101 6.5 Literatur des Klosters Wienhausen 6.5.1 Schreibtätigkeit und Buchbesitz Über den Bildungsstand von Nonnen, über ihre Schreibtätigkeit und darüber, ob sie selbst in größerem Umfang Texte verfaßt haben, hat man insgesamt immer noch wenig präzise Informationen. Die Vorstellung, die man sich gemeinhin von mittelalterlichen Nonnen macht, schwankt zwischen hoher Intellektualität einerseits und rudimentärer Bildung andererseits. Das Problem besteht wohl vor allem darin, daß man versucht, die Situation zu verschiedenen Zeiten, in unterschiedlichen Klöstern, deren Konventualinnen je nach Begabung und Funktion wiederum ein differentes Bildungsniveau aufwiesen, auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. 102 Man wird zunächst wohl davon Literatur des Klosters Wienhausen 227 98 R iggert : Die Lüneburger Frauenklöster, S. 58. 99 Ebd., S. 67. 100 F aust : Wöltingerode, S. 802. 101 Vgl. R iggert : Die Lüneburger Frauenklöster, S. 375-378. 102 Vgl. allgemein O pitz , Claudia: Erziehung und Bildung in Frauenklöstern des hohen und späten Mittelalters. 12.- 15. Jahrhundert. In: Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung. Bd. 1: Vom Mittelalter bis zur Aufklärung. Hrsg. v. Elke Kleinau und Claudia Opitz. Frankfurt/ New York 1996, S. 3-77, hier S. 67; F errante , Joan M.: The Education of Women in the Middle Ages in Theory, Fact, and Fantasy. In: Beyond their Sex. Learned Women of the European Past. Ed. by Patricia H. Labalme. New York/ London 1984, S. 9-42; R üthing , Heinrich: Die mittelalterliche Bibliothek des Zisterzienserinnenklosters Wöltingerode. In: Zisterziensische Spiritualität. Theologische Grundlagen, funktionale Voraussetzungen und bildhafte Ausprägungen im Mittelalter. Bearb. v. Clemens Kasper u. Klaus Schreiner. St. Ottilien 1994 (Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 34. Ergänzungsband), S. 189-216, hier S. 214. Literatur des Klosters Wienhausen ausgehen dürfen, daß für die verlangten liturgischen Aufgaben und für die Lektüre auf jeden Fall gewisse Grundkenntnisse und Buchbesitz vorauszusetzen sind. Auch die für ihr Verständnis voraussetzungsreiche künstlerische Ausstattung der Klöster ist ein deutliches Indiz für den Wissensstand der Nonnen. Kerstin H engevoss -D ürkop verweist in dieser Frage auf die Parallelen zwischen den Lüneburger Frauenklöstern und dem Zisterzienserinnenkloster Helfta, die nachweisliche Existenz von Schulen in diesen Klöstern und die Herkunft der ersten Wienhäuser Nonnen aus dem Kloster Wöltingerode. «Es ist kaum vorstellbar, daß hier das Bildungsniveau niedriger lag als im Zisterzienserinnenkloster in Helfta, wo neben dem Studium der artes liberales, der Heiligen Schrift, der Väterkommentare und der Liturgie Augustinus, Hieronymus, Gregor, Beda, Bernhard von Clairvaux und die Viktoriner gelesen worden sind.» 103 Von den Lüneburger Frauenklöstern ist allerdings keines mehr im Besitz einer umfangreichen Bibliothek, die genauere Aufschlüsse über Entwicklung und Zusammensetzung ihres Buchbesitzes geben könnte. 104 Ebstorf, dessen Handschriftenbestand 51 Codices umfaßt, verfügt mit Abstand über die größte Sammlung. 105 Die bislang 34 Handschriften, die Medingen zugeschrieben werden, befinden sich nicht mehr im Kloster, sie sind wahrscheinlich schon vor dem Brand von 1781 dem Kloster verloren gegangen und heute an verschiedenen Orten verstreut. 106 Der Handschriftenbestand Wienhausens 228 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 Zu den Lüneburger Klöstern v.a. S chlotheuber , Eva: Ebstorf und seine Schülerinnen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. In: Studien und Texte zur literarischen und materiellen Kultur der Frauenklöster im späten Mittelalter. Ergebnisse eines Arbeitsgesprächs in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 24. bis 26. Februar 1999. Hrsg. v. Falk Eisermann, Eva Schlotheuber u. Volker Honemann. Leiden/ Bosten 2004 (Studies in medieval and Reformation thought 99), S. 169-221 und D ies .: Klostereintritt und Bildung. Weitere Literatur und eine kritische Diskussion dazu ebd., S. 269f. und Anm. 8. 103 H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 126-128. Zu Helfta: S chmidt , Margot: Mechthild von Hackeborn. In: 2 VL 6, 1987, Sp. 251-260. 104 Die räumliche Nähe und grundsätzliche Ähnlichkeit der Lüneburger Frauenklöster läßt es sinnvoll erscheinen, bei diesem Thema den Blick über Wienhausen hinaus auf diese Klöster auszuweiten, da in Wienhausen für sich genommen die Überlieferungslage diesbezüglich ergänzungsbedürftig ist. Zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Klöster vgl. R iggert : Die Lüneburger Frauenklöster, S. 21 und 375-378. 105 Die Handschriften des Klosters Ebstorf. Beschrieben v. Renate G iermann u. Helmar H ärtel . Wiesbaden 1994 (Mittelalterliche Handschriften in Niedersachsen 10), S. VII. 106 Ebd. Durch die derzeit laufende Erforschung und Katalogisierung der Medinger Überlieferung (siehe Kap. 8, Anm. 120) konnten weitere Handschriften ausfindig gemacht werden, so daß die endgültige Zahl wohl deutlich höher liegen dürfte (für diesen Hinweis danke ich Wolfgang B randis ). Zum Handschriftenbestand Medingens vgl. auch M ittel alterliche B ibliothekskataloge D eutschlands und der S chweiz . Hrsg. v. d. Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Ergänzungsband 1,2: Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters. Hrsg. v. Sigrid Krämer. München 1989, S. 564f. und L ipphardt , Walther: Medinger Gebetsbücher. In: 2 VL 6, 1987, Sp. 275-276. wird in der Literatur mit 21 Codices beziffert; 107 dies dürfte jedoch zu niedrig angesetzt sein, denn nach klosterinterner Zählung, die alle Fragmente, auch die aus dem Nonnenchorfund, sowie neuzeitliche handschriftliche Zeugnisse einbezieht, sind es insgesamt 125 Stücke. 108 Die Existenz eines eigens eingerichteten Bibliotheksraumes konnte für keines der Klöster nachgewiesen werden. Wahrscheinlich ist daher, daß die Bücher, wie dies aus dem Lüner Statutenbuch hervorgeht, in der Sakristei aufbewahrt und dort durch die Sakristanin oder die cantrix betreut wurden. 109 Außerdem wird man damit rechnen dürfen, daß die Nonnen Bücher für ihren privaten Gebrauch in ihren Zellen aufbewahrten und daß auch die Äbtissin über einen gewissen Bestand in ihren Räumlichkeiten verfügte. Der Großteil der Bestände Wienhausens stammt aus der Zeit nach der Reform im 15. Jahrhundert, während von dem Buchbesitz des Klosters aus den ersten beiden Jahrhunderten wenig erhalten ist. 110 Dieser Befund gilt mehr oder weniger auch für die anderen Lüneburger Frauenklöster. 111 So sind im Mutterkloster Wienhausens St. Marien bei Wöltingerode, das den bedeutendsten erhaltenen Handschriftenbestand der Zisterzienserinnen- und Zisterzienserklöster Norddeutschlands aufweist, 112 aus der Zeit vor der Reform «fast ausschließlich Missalien, Evangeliare, Lektionare, Psalter, Breviere und einige private Gebetbücher» 113 überliefert, eine «konzentrierte und gezielte Erwerbungstätigkeit» von Büchern ist erst seit der Reform nachweisbar. 114 Literatur des Klosters Wienhausen 229 107 G iermann / H ärtel : Die Handschriften des Klosters Ebstorf, S. VII. 108 Wolfgang B randis war so freundlich, mir die von ihm erstellte, unveröffentlichte Bestandsliste zur Verfügung zu stellen. Zum Handschriftenbestand Wienhausens mit Musiknotation vgl. jetzt H ascher -B urger : Verborgene Klänge, S. 105-137. 109 R iggert : Die Lüneburger Frauenklöster, S. 273f. 110 L eerhoff : Wienhausen, S. 775. Zur lateinischsprachigen Überlieferung in Wienhausen vgl. S chlotheuber : Ebstorf und seine Schülerinnen, S. 185f. und Anm. 74. sowie D ies .: Klostereintritt und Bildung, S. 273ff. und Anm. 27. Einige Hinweise auf den liturgischen Buchbestand vor der Reform finden sich bei H ascher -B urger : Verborgene Klänge, S. 105-137. Es handelt sich in der Regel um Fragmente, die sich als Einbände jüngerer Codices erhalten haben, darunter befinden sich u.a. neumierte Handschriften für das Offizium des 12. und 13./ 14. Jahrhunderts, Antiphonare des 12., 13. und 14. Jahrhunderts, eine mit Fleuronnée-Initialen verzierte Handschrift für das Offizium (14. Jh.) sowie eine Meßhandschrift des 12. Jahrhunderts. 111 Auch in anderen Frauenkonventen scheint sich ein ähnliches Bild zu ergeben, vgl. C hrist , Karl: Mittelalterliche Bibliotheksordnungen für Frauenklöster. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 59 (1942), S. 1-29, hier S. 7: «Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts mehren sich die Zeugnisse für das Abschreiben und die literarische Betätigung der Nonnen», aber: «Erst das 15. Jahrhundert bringt Bibliotheksordnungen für Frauenklöster in größerer Zahl. Das hängt zusammen mit dem Auftrieb, den damals das weibliche Klosterwesen erfuhr.» 112 R üthing : Die mittelalterliche Bibliothek des Zisterzienserinnenklosters Wöltingerode, S. 190. 113 Ebd., S. 197. 114 Ebd., S. 194. Allerdings steht für Wienhausen eine genaue Untersuchung und Katalogisierung noch aus; nach der internen Bestandsaufnahme und vorläufigen Datierung scheint aus der Zeit vor 1300 in der Tat kaum etwas überliefert zu sein; aus dem 14. Jahrhundert sind aber immerhin eine ganze Reihe von sogenannten Gebets- und Andachtsbüchern überliefert, deren Auswertung noch weitgehend aussteht, die aber allein durch ihre lateinische Abfassung schon ein Licht auf die Bildungsverhältnisse des Klosters in dieser Zeit werfen. 115 In Wienhausen gibt es zudem eine weitere bedeutende Ausnahme und zwar das noch im 14. Jahrhundert entstandene Fragment eines Osterspiels. Der Erhalt dieses nach der Hs. 3 ältesten datierten Schriftzeugnisses verdankt sich einer ungewöhnlichen Überlieferungssituation. Es gehört zu den sogenannten Funden des Nonnenchors, also der großen Anzahl von Gegenständen, die bei der Öffnung der Bodendielen des Nonnenchors im darunter liegenden Staub gefunden wurden. 116 Dies legt die Vermutung nahe, daß es auch schon vor der Reform ein ernstzunehmendes literarisches Interesse gab, von dem sich jedoch nur wenige Spuren erhalten haben. Die Hs. 3 bestätigt diese Annahme und deutet darauf hin, daß der Beginn volkssprachiger Literaturrezeption im Kloster Wienhausen schon in die Zeit der ersten kulturellen Hochphase um 1300 fällt. 117 Renate G iermann und Helmar H ärtel erklären die geringen Bestände aus der Zeit vor der Reform dadurch, daß «es den Beteiligten im Zuge der Reform allein auf eine strenge Observanz ankam, sie ihre lateinische Sprachkompetenz verbessern und Texte für Gebet und Andacht verbreiten wollten», die bereits bestehenden Buchbestände habe man daher anscheinend nicht mehr gebraucht. «Entsprechend ist die der Klosterreform vorausgehende Epoche der Bibliotheksgeschichte durch den Verlust der älteren Handschriften so gut wie ausgelöscht.» 118 Aber auch die erzwungene Reformation der Klöster dürfte zu dieser Überlieferungslage beigetragen haben, zumindest berichtet die Chronik des Klosters Wienhausen über die Entfernung von Büchern: Wie solche rede des Hertzogs geendet, nahmen die Lutheraner alle Bücher die auff dem Chor waren, hinweg, welches denen Jungfern sehr schmertzte, deren etliche in der Angst ihre Gebeht- und tägliche Hand-Bücher aus den Fenstern und anderen Löchern hinauswurffen, in Meinung es möcht sich ein guter freund finden laßen, der sie auffhebte und nachgehends wieder zustellete; aber zu ih- 230 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 115 Zur Verfügung standen mir außerdem die (nicht ganz vollständigen) Mikrofiche-Verfilmungen des Wienhäuser Handschriftenbestands im Staatsarchiv Hannover sowie Dias von Einband und Anfangsseiten im Kloster Wienhausen. 116 A ppuhn , Horst: Der Fund vom Nonnenchor. [Wienhausen] 1973 (Kloster Wienhausen 4); D ers ./ von H eusinger , Christian: Der Fund kleiner Andachtsbilder des 13. bis 17. Jahrhunderts in Kloster Wienhausen. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 4 (1965), S. 157-238. 117 Es ist denkbar, daß sie inhaltlich auch noch für die Reformer interessant war und deshalb erhalten blieb. 118 G iermann / H ärtel : Die Handschriften des Klosters Ebstorf, S. VIII. rem Schaden kamen sie eben ihrem vorigem Beichtvater, der sich von ihnen begeben, in händen, welcher sie dem Prediger zustellte und ihnen abhändigte. 119 Nachrichten über eine Schreibtätigkeit der Nonnen der Lüneburger Klöster finden sich sowohl aus der Zeit vor als auch nach der Reform. 120 Eine Betätigung als Buchillustratorinnen hält man ebenfalls für möglich. Die Klosterchronik belegt, daß die Auffrischung der Nonnenchorausmalung im 15. Jahrhundert von drei Nonnen durchgeführt wurde, 121 woraus man schließt, daß die Nonnen auch weitere Ausmalungen im Kloster durchgeführt haben könnten und auch die Herstellung illuminierter Handschriften denkbar ist. 122 Brigitte U hde -S tahl hat sich in einem Aufsatz mit den bis dahin kaum untersuchten Bilderhandschriften der Lüneburger Frauenklöster beschäftigt. Von den insgesamt 15 Handschriften mit figürlichem Schmuck sind auch hier die meisten im 15. Jahrhundert entstanden. Das Prozessionale Wienhausens ist «die größte und am reichsten ausgestattete» 123 von ihnen (Abb. 4). Neben Ausschmückungen enthält es Miniaturen, darunter Ecclesia und Märtyrerinnen, Christus als himmlischer Bräutigam im Kreise gekrönter Jungfrauen und die Marienkrönung. Aufgrund von Bezügen zur Nonnenchorausmalung und der Nennung des Patrons wird sie eindeutig nach Wienhausen lokalisiert. 124 Für diese wie auch für die anderen Handschriften konstatiert Brigitte U hde -S tahl - von Ausnahmen abgesehen - einen eher konservativen Stil, bei dem häufig die Nach- Literatur des Klosters Wienhausen 231 119 C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen , S. 75. Zu den Buchverlusten durch Reform und Reformation in den Lüneburger Frauenklöstern vgl. auch H engevoss -D ürkop , S. XII und Anm. 12. Daniela W issemann -G arbe (Wienhausen. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie. Sachteil 9. 2., neubearb. Ausg. hrsg. v. Ludwig Finscher. Kassel [u.a.] 1998, Sp. 2045f.) berichtet von weiteren Handschriftenverkäufen im Jahre 1628, für die ich in der Literatur zu Wienhausen allerdings keine Belege finden konnte. 120 R iggert : Die Lüneburger Frauenklöster, S. 270f. Eva Maria K och nimmt aufgrund der Angaben in der Chronik und im Nekrolog an, daß es - «mit aller Vorsicht» - ein Skriptorium in Wienhausen gab (Adam erschaffen und erlöst. Die Genesis-Fresken im Nonnenchor und andere Kunstwerke im Kloster Wienhausen. In: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart 56 (1988), S. 18-38, hier S. 28). 121 Ao. 1488 hat sie durch 3 Schwestern Gertrud genandt das Chor auffs neue bemahlen laßen. Vgl. auch Die besten Fahnen hat sie wieder erneuren und durch eine ihrer Jungfrauen auffs neue bemahlen laßen. (C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen , S. 28 und 26); vgl. dazu A ppuhn / von H eusinger : Der Fund kleiner Andachtsbilder, S. 170. 122 U hde -S tahl , Brigitte: Figürliche Buchmalereien in den spätmittelalterlichen Handschriften der Lüneburger Frauenklöster. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 17 (1978), S. 25-60, hier S. 47. Vgl. A ppuhn : Kloster Wienhausen (1986), S. 52: «In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, als der Nonnenchor und die Tristan- Teppiche entstanden, gab es in Wienhausen keine professionelle Buchmalerei. Nur das Abschreiben von Büchern zählte zu den gewöhnlichen Aufgaben der Klöster, das Ausstatten mit Miniaturen war ihnen dagegen freigestellt.» 123 U hde -S tahl : Figürliche Buchmalereien, S. 47. 124 Außerdem wird die Handschrift Ms. germ. oct. 265 der Preußischen Staatsbibliothek Berlin Wienhausen zugeschrieben, von B. U hde -S tahl jedoch nicht untersucht (ebd., S. 47). ahmung bekannter Motive zu beobachten sei. Im Hinblick auf die Stickereien gehe dies sogar über die Grenzen des eigenen Klosters hinaus, was auf deren Kontakte untereinander schließen lasse. Weitere Beispiele für eine künstlerische Betätigung der Nonnen sind die zahlreichen Andachtsbilder und die bemalten Papierreliefs, die zum Nonnenchorfund gehören, wie z.B. die Miniatur des Auferstandenen, die offensichtlich die Wienhäuser Holzskulptur des Auferstandenen (um 1300) abbildet (Abb. 5 und 6). In beiden Fällen ist jedoch ‹Dilettantismus› das problematische Kriterium dafür, ob man eine Entstehung der Arbeiten im Kloster annimmt oder nicht. 125 Neben der eigenen Handschriftenproduktion gibt es auch Hinweise auf deren Erwerb. Aus Eintragungen im Totenbuch geht hervor, daß Bücherschenkungen an das Kloster zumindest nach der Reform v.a. auf Kleriker, darunter auch (ehemalige) Beichtväter, zurückgehen. 126 Solche Donationen 232 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 125 Die durch «außerordentlich routinierte Kräfte» «serienmäßig vervielfältigten» Andachtsbilder schreibt A ppuhn den sogenannten Briefmalern zu, während er über eine aufwendige Miniatur des Auferstandenen, einem Abbild der in Wienhausen vorhandenen Figur, urteilt: «Von ihr kann man es sich nicht anders vorstellen, als daß Nonnen des Klosters sie fertigten, die in liebevoller Kleinteiligkeit das Vorbild nachmalten und bunt kolorierten. Das Ergebnis ähnelt der späteren Volkskunst. Es ist eine liebenswürdige, fröhlich erzählende Schilderung mit Blümchen reich bestückt» (D ers .: Das private Andachtsbild im Mittelalter an Hand der Funde des Klosters Wienhausen. In: Das Leben in der Stadt des Spätmittelalters. Internationaler Kongress Krems an der Donau 20. bis 23. September 1976. Wien 1977 (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 325; Veröffentlichungen des Instituts für Mittelalterliche Realienkunde Österreichs 2), S. 159-169, hier S. 165; D ers .: Der Fund vom Nonnenchor, S. 36). Zu den Papierreliefs: «Gerade die sehr bunten, ohne Rücksicht auf die Feinheiten des Reliefs dick aufgetragenen Farben charakterisieren die Dilettantenarbeit, also das Werk der Klosterschwestern. Die notwendigen Model müssen ihrer Qualität wegen von städtischen Handwerkern [...] hergestellt worden sein» (A ppuhn / von H eusinger : Der Fund kleiner Andachtsbilder, S. 172, auch S. 166). Diese Begründung wird auch von U hde -S tahl kritisiert (Figürliche Buchmalereien, S. 25). Ähnlich wird auch hinsichtlich eines Glasfensters argumentiert. Wienhausen besitzt eine Reihe nicht unbedeutender mittelalterlicher Glasfenster. Bei einem von ihnen, das die Beweinung Christi zeigt und eine Nonne im Habit des Wienhäuser Konvents, möglicherweise die Stifterin, wird die Herstellung durch eine der Konventualinnen in Erwägung gezogen. Dies wäre ein interessantes Zeugnis dafür, daß man sich auch auf solchem Gebiet betätigte. Die Begründung jedoch ist fragwürdig: «Sicherlich ist diese Scheibe kein Meisterwerk; man ist versucht, in diesem Einzelstück das Werk einer in der Glasmalerei dilettierenden Nonne zu sehen, die sich vielleicht selbst unten als Stifterin dargestellt hat» (K orn , Ulf-Dietrich: Die Glasmalereien. [Wienhausen] 1975 (Kloster Wienhausen 5), S. 40). 126 Vgl. L eerhoff : Wienhausen, S. 775f. Einträge im Totenbuch unter folgenden Daten: 11. März Ebelyngus Lippoldi, Priester und Beichtvater in Derneburg, schenkte uns ein Buch mit dem Titel Formula spiritualium exercitorum; 10. April (vgl. S. 234); 21. Mai Theodericus de Monte, Kanoniker und Priester, schenkte uns einen Gulden und ein Buch mit dem Titel: Flos theologie (Nach Anm. 107 eine Blütenlese aus den Kirchenvätern); 25. Juni Herr Johannes Wenthusen, Priester, schenkte uns ein gedrucktes Buch mit dem von Handschriften geistlichen Inhalts, auch von Laien, an Frauenklöster waren durchaus üblich, 127 ebenso die Sorge der Kapläne (und Pröpste) für die theologische Bildung und die Beschaffung der dafür benötigten Lehr- und Erbauungsliteratur. 128 Die Anschaffung von Büchern lag aber auch im Aufgabenbereich der Äbtissin; die Chronik berichtet über Erwerbungen bzw. eigene Abschriften unter der Äbtissin Susanna Pothstock, 129 sowie von Buchschenkungen durch Katharina von Hoya und Katharina Remstede. 130 In zwei Fällen ist im Totenbuch vermerkt, daß es sich um Schenkungen ‹deutscher› Bücher handelt. 131 Daraus wird man wohl schließen dürfen, daß es sich bei den anderen Schenkungen auch um lateinisch verfaßte Texte gehandelt haben wird und die Stifter davon ausgingen, daß die Nonnen über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügten. Von Interesse ist natürlich auch, welche Art von Texten man dem Kloster schenkte. Es scheint sich v.a. um liturgisch notwendige Bücher, Legenden und didaktische Literatur gehandelt zu haben. Diese Auswahl entspricht dem Bild, das man sich gemeinhin von den literarischen Interessen eines Nonnenklosters macht, sie dürfte aber auch dem Interesse der Stifter, nämlich der Sorge um ihr Seelenheil, geschuldet sein. Zwei Eintragungen fallen im Zusammen- Literatur des Klosters Wienhausen 233 Titel vitas patrum; 20. Juli Der fromme Pater, Herr Tilemannus Speth, einst unser Beichtvater, schenkte uns ein Buch mit dem Titel mamotrectus (Nach Anm. 140 ein Alphabetisches Bibellexikon von Marchesinus); 31. Juli Priester Hinricus Borch, unser Beichtvater, schenkte uns ein gedrucktes Buch mit dem Titel discipulus und zwei Fenster (Anm. 147: «Vermutlich Postille des Predigerordens»); 21. August Conradus Eyken und seine Frau Margarete schenkten uns die Figur der heiligen Anna in der Kapelle des heiligen Kreuzes und eine Figur des heiligen Bernward, die im Chor steht, (dazu) ein Buch über das Leben des heiligen Bernward, eine große Schüssel in der Kapelle der heiligen Anna und einen Leuchter»; 11. November Gherwinus Hamelen schenkte uns zwei Fenster im Sommer-Refektorium und eines im Krankenhaus sowie ein Buch mit dem Titel Racionale divinorum. Marie S chuette hat 27 Belege zu Bücherstiftungen im Nekrolog aufgeführt (Gestickte Bildteppiche und Decken des Mittelalters, Bd. 1: Die Klöster Wienhausen und Lüne, das Lüneburgische Museum. Leipzig 1927. Bd. 2: Braunschweig, die Klöster Ebstorf und Isenhagen, Wernigerode, Kloster Drübeck, Halberstadt. Leipzig 1930, hier Bd. 1, S. 59f.). Eva Maria K och kommt «auf Zahlen über fünfzig», gibt die Belegstellen jedoch nicht an (Adam erschaffen und erlöst, S. 27). 127 W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 366. Dahinter stehe nicht allein «die Sorge des Spenders um das Seelenheil der Schwestern, sondern auch um das eigene» (ebd.). 128 G iermann / H ärtel : Die Handschriften des Klosters Ebstorf, S. X. 129 Sie hat auch zu Gottes Ehren viele Bücher bey das Kloster gebracht, deren etliche von den Brüdern in Hilden, etliche in Zell etliche von ihren Jungfrauen im Kloster geschrieben worden. Es folgt eine Auflistung der Buchanschaffungen, z.T. mit Nennung der Schreiberin (C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen , S. 26f.). 130 Ebd., S. 17 und 72. 131 19. März Johannes Bungenstel schenkte uns ein deutsches Buch der Episteln und Evangelien für den Jahreslauf; 13. November Priester Luderus Campmann schenkte uns ein deutsches Buch. hang mit der Hs. 3 besonders auf. Der erste nennt ein Buch von Jacobus de Voragine: 10. April: «Kanonikus Johannes Plettenberghe schenkte uns ein Buch mit dem Titel Jacobus ianuensis. 132 Der zweite Vermerk bezieht sich auf das Rationale divinorum officiorum des Durandus: 11. November: «Gherwinus Hamelen schenkte uns [...] ein Buch mit dem Titel Racionale divinorum». Da - wie in solchen Kalendarien üblich - nur Tag und Monat, nicht jedoch das Jahr der Schenkung verzeichnet ist, lassen sich diese Einträge selbst nicht genauer datieren. Das Totenbuch enthält jedoch eine «Etikett», das die Datierung 1474 trägt, also in die Zeit kurz nach der Reform verweist. 133 Die mutmaßlichen Quellen der Wienhäuser Hs. 3 waren damit zumindest in späterer Zeit im Kloster vorhanden. Ein Seitenblick auf die Ebstorfer Überlieferung kann den Befund für Wienhausen stützen. Dort haben sich u.a. drei Predigtbände mit Sermones von Jacobus de Voragine und Bernhard von Clairvaux, eine Vaterunserauslegung, eine Meßerklärung nach der rememorativ-allegorischen Methode, der Große Seelentrost und die unikal überlieferte mittelniederdeutsche Lehrdichtung Joseps Sündenspiegel erhalten. 134 Zumindest für die Zeit der Reform und danach zeichnen sich hier die Konturen eines literarischen Profils ab, in dem auch die Handschrift 3, wenigstens inhaltlich, immer noch einen Platz finden konnte. Dies könnte eine mögliche Erklärung dafür sein, daß diese Handschrift die Reform überstand, wenn sie nicht einfach übersehen wurde. Wenn auch vergleichbare Überlieferungszeugen aus der unmittelbaren Entstehungszeit der Hs. 3 fehlen, so bietet das Kloster Wienhausen dennoch eine ganze Reihe bis heute dort überlieferter oder ihm zugeschriebener, bereits erschlossener Texte, die einen gewissen Einblick in die Literaturentwicklung des Klosters erlauben. Im folgenden sollen die wichtigsten Texte vorgestellt werden und zwar unter Hinzunahme der erhaltenen Bild- und Figurenausstattung. 6.5.2 Sakralisierung der Ursprünge: Die Wienhäuser Klosterchronik 135 Die im Kloster Wienhausen erhaltene Chronik (Hs. 20) trägt die Überschrift «Chronik des Klosters Wienhausen, ursprünglich bis 1692, nachträglich bis 1793 geschrieben». Sie ist damit zwar von ihrem Abfassungszeitpunkt her ein 234 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 132 ianuensis ist Adjektiv zu Ianua, lat. Genua. Jakobus wurde nicht nur in der Nähe Genuas geboren, sondern bekleidet dort auch das Amt des Erzbischofs, vgl. oben S. 192. 133 Totenbuch des Klosters Wienhausen, S. XXXIII. 134 G iermann / H ärtel : Die Handschriften des Klosters Ebstorf, S. X. 135 Die Angaben zur Entstehung und Überlieferung der Chronik sind den Ausführungen von Horst A ppuhn (Chronik und Totenbuch des Klosters Wienhausen) entnommen. neuzeitlicher Text, doch geht man davon aus, daß sie auf älterem, verlorenem Quellenmaterial basiert. Die Hauptschreiberin ist «der hochwürdigen Dominae Jungfer, Dorothea Maria Kesselhuthen», also eine Art ‹Sekretärin› der Äbtissin, die 1692/ 3 verstarb. Die Äbtissin Agnesa Maria von Hohnhorst hat die Chronik bis 1755 fortgeführt, allerdings nur Namen und Daten. Die Sprache ist Hochdeutsch des 17. Jahrhunderts mit niederdeutschem Einschlag. 136 Diese Aufzeichnungen speisen sich wohl aus verschiedenen Quellen. Horst A ppuhn nimmt an, daß die ältere lateinische Chronik, auf die sich der Bericht hauptsächlich stützt, zur Zeit der Reform, also um 1470/ 1475, begonnen wurde (ebenso das Nekrolog), da ab dieser Zeit die Daten korrekt sind und der Bericht ausführlicher wird; ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts werden die Angaben wieder spärlicher. Als weitere Quellen nennt er eine Übersetzung dieser lateinischen Chronik, ein Verzeichnis der Äbtissinnen und Pröpste und eine Lebensgeschichte der Herzogin Agnes, der Stifterin des Klosters. Diese Vita soll nach den Angaben der Chronik selbst Anfang des 14. Jahrhunderts unter der Äbtissin Margaretha II. von Schöningen entstanden sein: Von Ao. 1309 bis ao. 1320 sind 2 Äbtißin gewesen beyde Margareta [II und III] genandt, unter welchen die erstere nebst dem damahligen Probste Thiderico sich bemühet haben das Tugendreiche Leben der Sehl. Hertzogin Agnesen zu beschreiben. 137 Dieser Text hat sich nicht erhalten, doch wäre es möglich, daß die älteren Aufzeichnungen, auf die sich die Chronik stützt, aus dieser Vita geschöpft haben, 138 denn die Gründungsgeschichte des Klosters wird in der Chronik ausführlich erzählt und mit einer legendarisch ausgestalteten Lebensgeschichte Literatur des Klosters Wienhausen 235 Vgl. dazu auch B randis : Quellen zur Reformationsgeschichte der Lüneburger Frauenklöster, S. 363f. Einen knappen Überblick über die wichtigsten Inhalte bietet Adam W ienand : Die Chronik des Cistercienserinnenklosters Wienhausen. In: Die Cistercienser. Geschichte - Geist - Kunst, S. 331-338. 136 Die meisten Namen und Fremdworte sind im Original allerdings lateinisch geschrieben, auch werden (lateinische) Abbreviaturen verwendet, was wohl bedingt ist durch die ursprünglich lateinische Vorlage. Es spricht jedoch dafür, daß es sowohl im Spätmittelalter als auch in der Frühen Neuzeit immer Nonnen gab, die über entsprechende Lateinkenntnisse verfügten. Schon um ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen zu wahren, muß es für die Nonnenklöster von großer Relevanz gewesen sein, die entsprechenden, in aller Regel lateinischen Dokumente auch selbst verstehen zu können. 137 C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen , S. 8. Diese Angabe wird im Nekrolog noch einmal wiederholt: 29. März: Es starb die ehrwürdige Domina Margareta de Schenige würdigen Gedächtnisses, die achte Äbtissin dieses Klosters Wienhausen, das sie mit aller Treue regiert hat. Sie ließ die Lebensgeschichte der hochgeborenen Herzogin, der Gründerin dieses Klosters, aufschreiben; sie hat vieles Andere mit Sorgfalt vollendet, auch mit ihrem Propst, Herrn Tidericus de Prome, das Winterrefektorium erbauen lassen. (ebd., S. XLVI). 138 L eerhoff : Wienhausen, S. 756. der Agnes verbunden. 139 Eine solche Kombination von Lebens- und Gründungsgeschichte ist durchaus nicht ungewöhnlich. 140 Auch das Dedikationsbild im oberen Westkreuzgang bringt die Stifterin mit diesen beiden Personen, die laut Nekrolog den Westflügel erbauen ließen, in Verbindung: Agnes, Margaretha und Thidericus bringen der Gottesmutter Maria und dem Patron Alexander das Kloster dar (Abb. 7). 141 Klostergründungsgeschichten dienten nach Hans P atze zunächst meist als Ersatz für Rechtszeugnisse und wurden häufig an den Anfang klösterlicher Kopial- oder Traditionsbücher gestellt. Im Spätmittelalter werden die Gründungsberichte zunehmend bestimmt von «Ansätze[n] zu einer Betonung der Frömmigkeit der Stifter als erbaulicher Vorbilder für den Konvent». 142 Unter den von Karl M ünzel gesammelten mittelhochdeutschen Klostergründungsgeschichten des 14. Jahrhunderts gibt es ebenfalls solche, die ausführlich über die Stifterfamilie informieren. 143 236 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 139 Kerstin H engevoss -D ürkop hat im Zuge ihrer Untersuchung der Wienhäuser Stifterfigur die Darstellung der Agnes in Text und Bild sowie die historischen Hintergründe eingehend behandelt. Auf ihre Ergebnisse kann ich mich hier stützen (Skulptur und Frauenklöster, zur Chronik v.a. S. 107-119). Zur Vita als Quelle der Chronik merkt sie an, daß im Vergleich mit Medinger, Walsroder und Ebstorfer Gründungslegenden die «detailreiche Schilderung der Wienhäuser Stifterin» auffalle (ebd., S. 108 Anm. 153). 140 Vgl. R öckelein : Gründer, Stifter und Heilige - Patrone der Frauenklöster. In: Krone und Schleier, S. 67-77, hier S. 71. 141 A ppuhn : Wienhausen (1986), S. 14f. H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 117. Vgl. zu den Wandgemälden im Kreuzgang auch die Dissertation von Olaf S iart (Kreuzgänge mittelalterlicher Frauenklöster, S. 21-90). Sie sind wahrscheinlich kurz nach der Erbauung des Westflügels, etwa zwischen 1310 und 1320, entstanden (D ie K unstdenkmale des L andkreises C elle , Textband S. 81). Diese Übereinstimmung könnte bedeuten, daß die Angaben der Chronik richtig sind und sich diese Äbtissin und dieser Propst gemeinsam um die besondere Verehrung der Stifterin bemühten. Allerdings ist die Chronik in dieser Hinsicht nicht immer zuverlässig. Es ist daher nicht ganz auszuschließen, daß - umgekehrt - aufgrund des Bildes auf die Urheberschaft der Vita geschlossen wurde. 142 P atze , Hans: Klostergründung und Klosterchronik. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte 113 (1977), S. 89-121, hier S. 109. 143 M ünzel , Karl: Mittelhochdeutsche Klostergründungsgeschichten des 14. Jahrhunderts (Schottenkloster St. Jakob in Regensburg, Waldsassen, Kastl, Zwettl, St. Bernhard). In: Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 8 (1933), S. 1-36, 81-101, 150-159. Als «notwendige Bestandteile» einer solche Historia fundationis nennt er: «1. eine Gründungslegende, d.h. die Erzählung des besonderen, oft überirdischen Anlasses zur Gründung (Vision, himmlischer Auftrag etc.), meist eingebettet in eine längere weltliche Vorgeschichte; 2. Tatsächlichkeiten der Gründung: Erwerbung des Klostergebietes, Herkunft der Mönche oder Nonnen u.a.; 3. Mirakel zum Beweise der besonderen Heiligkeit der Gründung.» (S. 93). Bei den Hausklöstern Kastl und Zwettl geht die Konzentration auf die Stifter am weitesten: «1. an die Stelle der Kloster-Gründungslegende ist eine Familiensage, 2. an die Stelle der Geschichte der Klostergründung im engeren Sinn ist die der Stifter, 3. an die Stelle der besonderen Weihe des Klosters ist als Zeichen göttlicher Huld das Fortblühen des Stiftergeschlechtes getreten» (S. 95). Ralph A ndraschek -H olzer ar- Der Text zielt darauf, Agnes in doppelter Weise als Klostergründerin zu autorisieren: als Mitglied des Hochadels einerseits und als Heilige andererseits. Die Chronik betont zunächst die hochadlige Herkunft und Heirat der Stifterin, 144 flicht aber den hagiographischen Topos von der kindlichen Tugend und Weisheit mit ein. 145 Zunächst führt sie ein höfisches Leben und heiratet, verzichtet dann aber auf eine Wiederverheiratung nach dem Tod ihres Mannes und tritt damit endgültig in den nach christlichem Verständnis höher stehenden Witwenstand ein. Auch ihr höfisches Leben, das durch den im Text aufgemachten, auch in anderen Legenden geläufigen Gegensatz zwischen äußerem Schmuck und innerer Zierde ohnehin schon relativiert wurde, gibt sie auf. Es paßt in dieses Bild, daß, wie Kerstin H engevoss -D ürkop bemerkt, unter den hagiographischen Topoi der einer asketischen Lebensführung fehlt, während sich die Darstellung ansonsten an den Viten der heiligen Elisabeth oder der heiligen Hedwig orientiert. 146 Agnes wird hier nicht als Heilige neuen Typs vorgestellt, die die Grenzen ihres gesellschaftlichen Daseins sprengt, sondern als fromme, adlige Klostergründerin, die sich den ‹klassischen› Aufgaben der Armenfürsorge und Unterstützung des Klerus widmet. 147 Diese Gestaltung Literatur des Klosters Wienhausen 237 beitet heraus, daß der prologus teutonicus des Nonnenkonvents von St. Bernhard (im Vergleich zu dem von Zwettl) die Geschichte der Klosters und der Stifterfamilie besonders verknüpft, die «Angehörigen der Fundatorenfamilie mittels biblischer Parallelen überhöht» und die «gegenseitig zu spendenden Wohltaten (Stifter: materiell - Konvent: geistlich)» besonders betont, möglicherweise da die Frauenklöster aufgrund ihrer «Fragilität» stärker von den Stiftern abhängig waren («Appellative» Dichtung im Frauenkloster. Die Nonnen von St. Bernhard und ihre Gründungsgeschichte. In: Frauen - Kloster - Kunst. Neue Forschungen zur Kulturgeschichte des Mittelalters. Beiträge zum Internationalen Kolloquium vom 13. bis 16. Mai 2005 anlässlich der Ausstellung «Krone und Schleier». Hrsg. v. Jeffrey F. Hamburger [u.a.]. Turnhout 2007, S. 289-298. Vgl. dazu auch P eters , Ursula: Dynastengeschichte und Verwandtschaftsbilder. Die Adelsfamilie in der volkssprachigen Literatur des Mittelalters. Tübingen 1999 (Hermaea N.F. 85), S. 129-148 (Familiengeschichte in klösterlichen Traditionsbüchern des 14. Jahrhunderts). Eva S chlotheuber hat ausführlich die ebenfalls legendarische Gründungsgeschichte des Zisterzienserinnenklosters Heilig-Kreuz bei Braunschweig untersucht, das wahrscheinlich nach 1230 von einem welfischen Ministerialen gegründet wurde (Klostereintritt und Bildung, S. 8-16). 144 Die Angaben sind allerdings nicht ganz zutreffend. 145 H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 109. Sie weist auf S. 110 selbst darauf hin, daß es sich bei den Visionen der Agnes um pro-domo-Visionen handelt, die der Legitimation von Klosterangelegenheiten dienten. 146 Ebd., S. 109 und Anm. 158. Diese Differenz erklärt sich sicher aus der funktionalen Einbindung der als heilig dargestellten Frau in den Kontext der Gründung eines Klosters, für dessen Selbstverständnis offensichtlich die hochadlig-höfische Abstammung der Stifterin wichtiger war als eine allzu asketische Lebensweise. 147 Dem entspricht auch der Handlungsspielraum, den der Text ihr als Frau zugesteht: Sie trifft allein die Entscheidung, den Witwenstand beizubehalten, sie verfügt frei über ihren Besitz und tätigt selbständig Geschäfte. Zu den Merkmalen (weiblicher) Heiligkeit im späten Mittelalter vgl. G oodich , Michael E.: The Contours of Female Piety in Later entspricht in gewisser Weise auch der eher ‹konservativen› Legendenauswahl der Hs. 3. Die Gründung eines Klosters als Witwensitz erscheint als Höhepunkt des caritativen Wirkens der Herzogin. Auch wenn sie nirgends ausdrücklich heilig genannt und freilich auch nicht kanonisiert wurde, lassen Bezeichnungen wie «auserwählte Dienerin des Höchsten» und «Liebhaberin Gottes», ihre prophetische Gabe und insbesondere die dargestellten Wunder keinen Zweifel daran, daß sie als solche dargestellt werden sollte. 148 Die Chronik nennt als Gründungsort zunächst Nienhagen («Neuen Hagen»). 149 Die Befolgung der Konstitutionen von Cîteaux wird ausdrücklich erwähnt: darin die Jungfrauen nach dem Cistercienser Orden unter der Clausur und Reformation Gott dem Hn. zu dienen verbunden sein sollten, 150 die Betonung nicht nur der Klausur, sondern auch der Reformation deutet allerdings auf einen späteren Zusatz. Interessant ist, wie der neue Konvent zusammengesetzt wird: Agnes holt einerseits Jungfern aus dem Kloster Waltingerode und andererseits Mägde von der Gaßen. Einerseits wird also zisterziensischer Ursprung sichergestellt, andererseits werden - entgegen dem tatsächlich (hoch)adligen Charakter des Klosters - einfache Frauen aufgenommen. Der Text suggeriert damit, daß das Ziel der Klostergründung also nicht die Errichtung einer ‹Versorgungsanstalt› adliger Frauen ist, sondern die frommen Absichten im Vordergrund stehen, auch wenn die Ordensvorschriften - der Gründungskonvent, bestehend aus zwölf Mönchen und dem Abt, soll von einem bestehenden Zisterzienserkloster entsandt werden - damit nicht erfüllt waren. Die Wunder, die die Gründung begleiten, kennzeichnen nicht nur Agnes als Heilige, sondern auch die Heiligkeit des Klosters selbst. Erstes Zeichen ist, daß die Tiere von den Gräbern der in Neuen Hagen bestatteten Nonnen kein Gras fressen. Die anderen Zeichen stehen in Verbindung mit der Wahl des neuen Klosterortes. Der Umzug wird nicht nur durch die Untauglichkeit des alten Platzes aufgrund von Mücken, giftigen Würmern, Sümpfen und ungesunder Luft begründet, sondern legitimiert durch göttliche Intervention. Gott erhört Agnes’ Gebet und zeigt ihr in einer Vision den richtigen Ort, der als wasserreich und mit vielen dornen und bäumen, also als nicht gerodet, be- 238 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 Medieval Hagiographie und D ers .: A Profile of Thirteenth-Century Sainthood, wieder in: Ders.: Lives and Miracles of the Saints, S. 20-32 u. S. 429-437. 148 Auch im Mutterkloster Wöltingerode steht am Anfang eine «visionär begabte» Frau. Allerdings ist es hier nicht die Stifterin, sondern die erste Äbtissin des Klosters, über die Arnold von Lübeck in seiner Chronik berichtet (Arnoldi Chronica Slavorum L. 16, MGH SS XXI, S. 126f., zit. nach F aust : Wöltingerode, S. 803 und Anm. 21). Eine Stiftervita aus dem 13. Jahrhundert ist auch für das Zisterzienserinnenkloster Kumbd, das der Paternität Eberbachs unterstand, bekannt (P almer : Zisterzienser und ihre Bücher, S. 211). 149 Nienhagen liegt 10 km südlich von Celle. Der ehemalige Klosterplatz ist noch ausgewiesen, die Kirche immer noch dem Hl. Laurentius, dem ersten Patron des Klosters, geweiht (C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen , S. XIf., Anm. 5 und 9). 150 Ebd., S. 2. schrieben wird. Damit entspricht der von Gott gewählte Ort - in der Darstellung der Legende - dem idealtypischen Ort einer zisterziensischen Gründung. 151 Der Widerstand des Besitzers wird wiederum durch zwei von Agnes prophezeite Wunder gebrochen, die zugleich die göttliche Prädestination des Ortes aufzeigen: das Erscheinen zweier schneeweißer Tauben auf dem Haus und das Fallen von Schnee im Sommer, der die genaue Lage und Größe des zukünftigen Klosters markiert. 152 Mit dem Ort wechselt auch das Patrozinium, was ebenfalls durch eine Vision der Agnes legitimiert wird. Ihr erscheint der heilige Alexander auf dem Weg zur Kirche, er bezeichnet sich als Beschützer des Ortes und der Jungfrauen und verspricht ihnen unverletzte Jungfrauenschaft, den nötigen Unterhalt und Strafe für diejenigen, die sie beleidigen. 153 Der Bischof weiht das Kloster schließlich Maria - der Patronin des Ortes Wienhausen, des Bistums Hildesheim und des Zisterzienserordens -, dem heiligen Alexander und zusätzlich Laurentius, dem Patron der ersten Gründung. Betont wird darüber hinaus Agnes’ Rolle als vorbildlicher Stifterin, die u.a. für den Wiederaufbau nach Bränden sorgt, für die Wiederbeschaffung der dabei verlorenen Privilegien, für die Ausstattung mit Gütern und liturgischem Gerät, für eine eigene Gerichtsbarkeit, und für päpstliche und kaiserliche Schutzbriefe. So verwundert es nicht, daß die Nonnen, die bereits nach einem halben Jahr nach Wienhausen übersiedeln, ermahnt werden, ihrer Gebetsverpflichtung für die Stifterin nachzukommen. Die Chronik reflektiert damit die gegenseitige Verbundenheit von Stifterin und Kloster; ihre Bearbeitung und Tradierung bis in die Neuzeit zeigt die fortdauernde Bedeutsamkeit dieser Konstellation. Literatur des Klosters Wienhausen 239 151 Die Wahl des Standortes spielt bei den zisterziensischen Gründungen häufig eine wichtige Rolle. Die Ordensstatuten sahen, in Anlehnung an die Benediktinerregel, eine einsame und abgeschiedene Lage vor, was jedoch durchaus nicht immer der Fall war (vgl. oben Anm. 24ff.). Loccum trat beispielsweise an die Stelle einer Burg, dennoch behauptet die Gründungsgeschichte mit den Worten der Vita prima Bernhards von Clairvaux die Abgeschiedenheit des Ortes, der ein Aufenthaltsort von Räubern gewesen sei (S chnath : Vom Wesen und Wirken der Zisterzienser in Niedersachsen, S. 82ff.). 152 Ein Schneewunder ist auch für die Gründung von St. Maria Maggiore in Rom überliefert (C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen , S. XII, Anm. 8). 153 Kerstin H engevoss -D ürkop weist darauf hin, daß die Beschreibung Alexanders im Text seiner Darstellung im Nonnenchor entspricht (Skulptur und Frauenklöster, S. 107). Zur Bedeutung des Patroziniums in Frauenklöstern vgl. R öckelein : Gründer, Stifter und Heilige - Patrone der Frauenklöster, S. 67-77. Zur Verehrung des heiligen Alexander in Wienhausen vgl. Eva Maria K och : Aspekte zur Alexanderforschung, vornehmlich in Norddeutschland. Hl. Alexander - Schutzpatron des Klosters Wienhausen und seine Darstellung in der Kunst. In: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart 60 (1992), S. 67-81. Möglicherweise reflektiert diese Begründung der Patroziniumswahl den Einfluß der Stifter nicht nur auf den Ort der Klostergründung, sondern auch auf den Bereich der Heiligenverehrung (vgl. P almer : Zisterzienser und ihre Bücher, S. 196f.). Agnes’ Wunsch ist es auch - gemäß der Chronik -, die bisherige Bezeichnung Wiginhusen in Wienhusen, in Reminiszenz an den ‹Weinberg des Herrn› abzuwandeln. 154 Auch mit diesem bekannten Bild wird die besondere Auszeichnung von Ort und Kloster noch einmal betont. Die Programmatik dieser Namensgebung zeigt sich darin, daß überall in den Gebäuden, «an Wänden, Decken, Glasfenstern und Gestühl», die Weinrebe als Symbol für das Kloster erscheint. 155 Wiebke M ichler und Horst A ppuhn gehen davon aus, daß das Bildprogramm im Ganzen wie im Detail (z.B. Weinranken) auf die Heilig-Blut-Reliquie zu beziehen sei, die wie oben ausgeführt eine besondere Auszeichnung für das Kloster dargestellt hätte. 156 Diese Verehrung könnte man in Verbindung bringen mit dem Motiv der eucharistischen Mühle bzw. Kelter im Meßerklärungstext, die mit dem Weinberg Gottes in Zusammenhang steht. 157 Auch die Zisterzienser gelten «schon seit ihrem Gründungsvater Bernhard von Clairvaux († 1153) als entscheidende Wegbereiter und Förderer der Verehrung der Eucharistie [...]. In ihren Klöstern wurden die neuen Frömmigkeitsformen zuerst eingeführt». 158 Auch wenn sich nicht mit Sicherheit sagen läßt, ob und wenn ja welche Passagen dieser Gründungsgeschichte der erwähnten Agnes-Vita entnommen sind, so sind doch die Darstellungsabsichten der Klosterchronik sehr deutlich: Zunächst geht es natürlich um eine (rechtliche) Absicherung der Gründung und der damit verbundenen Rechte. 159 Einerseits wird diese göttlich legitimiert, andererseits wird bei Übergabe des Landes betont, daß sie mit der zugehörigen Kirche und mit allen Zubehörigen in geistl. und weltlichen dingen geschieht. Ob der Bischof sie aus seiner Jurisdiktion entläßt, wie es der Zister- 240 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 154 Vgl. oben Anm. 70. 155 A ppuhn : Der Auferstandene und das Heilige Blut zu Wienhausen, S. 88f. 156 Vgl. S. 221f. M ichler : Die Wand- und Gewölbemalereien im Nonnenchor, S. 50f.; A ppuhn : Der Auferstandene und das Heilige Blut zu Wienhausen, S. 87. Kritisch zur Bedeutung des Heiligen Blutes in Wienhausen H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 150ff. 157 Vgl. v.a. V. 494-502: wo de winstok vz der erde,/ wasse vnde druuel bringe,/ wo man denne dringe/ daz it werde win,/ daz ist al ein geystlich sin./ des bedudinge geit/ al so zo goddes minscheit/ vnd der martyr binamen,/ daz laz ich bliuen allen samen. 158 H artwieg : Drei gefaßte Holzskulpturen, S. 190. In der Diözese Hildesheim wurde das Fronleichnamsfest 1301 eingeführt (ebd.). 1311 wurde es verbindlich für die ganze Kirche und 1318 vom Generalkapitel der Zisterzienser generell erlaubt. Es wurde aber in einzelnen Klöstern schon zuvor gefeiert, dafür waren auch die Gewohnheiten der jeweiligen Diözese maßgeblich (W ipfler : «Corpus Christi» in Liturgie und Kunst der Zisterzienser im Mittelalter, zur Einführung des Fronleichnamsfestes S. 30-33, speziell zur Entstehung und Verbreitung des Motivs der Eucharistischen Mühle S. 189-253). 159 Vgl. dazu auch R öckelein : Gründer, Stifter und Heilige - Patrone der Frauenklöster: «Die Erneuerung des Gedenkens an den Gründer verweist in Reform- und Krisenzeiten auf die ‹alten› Rechte und Gewohnheiten des Konvents. Demselben Zweck dienten die zeitgleich entstehenden Aufzeichnungen der Gründungslegenden und die Anstrengungen des Konvents, den Fundator im Rahmen eines förmlichen Kanonisationsprozesses von der Kurie als Heiligen bestätigen und anerkennen zu lassen.» (S. 70). zienserorden verlangte, wird nicht ganz klar. Die Memoria der eigenen (Gründungs)geschichte diente darüber hinaus der Identitätssicherung. Durch die Anbindung an die hochadlige und als Heilige idealisierte Stifterin vergewisserte man sich zugleich der eigenen Adelszugehörigkeit sowie der besonderen Gottgefälligkeit des Klosters, beides Eigenschaften, die den Bestand des Klosters in materieller wie spiritueller Hinsicht sichern sollten. Daß man sich derart um eine schriftliche Fixierung der Gründungsgeschichte bemühte, ist zudem ein Indiz für das Interesse an der Produktion eigener identitätsstiftender Texte, speziell an Viten- und Legendenliteratur. Die Darstellung der Stifterin und ihres Klosters sowie ihre Stilisierung zur Heiligen beschränken sich nicht nur auf die Chronik, sondern konnten von Kerstin H engevoss -D ürkop auch an anderen Bildern und Texten gezeigt werden. Sie hat daher die These aufgestellt, daß diese Sakralisierung systematisch betrieben wurde: «[…] die Ansätze einer Sakralisierung der Wienhäuser Stifterin [sind] nicht nur auf die Autoren der Klosterchronik in eigener Sache zurückzuführen. Sie decken sich mit der Charakterisierung ihrer Person in der welfischen Historiographie des 13. Jahrhunderts. Die Chronica Ducum ergänzt, durchaus nicht wie üblicherweise bei den Frauen der Dynastie, die zweite Frau des Pfalzgrafen habe sancte et pie im Kloster gelebt [...]. Die Braunschweiger Reimchronik hebt hervor, daß von der Herzogin die mere von ir seyt, sie sei vil gruzer heylicheyt gewesen [...].» 160 Auch die bildlichen Darstellungen der Stifterin im Kloster stützen diese Deutung. An erster Stelle ist hier die monumentale Stifterfigur der Agnes zu nennen (Abb. 8). Kerstin H engevoss -D ürkop weist auf die vergleichsweise schlichte Darstellung von Person und Kirchenmodell hin, die zusammen mit den «sakralisierende[n] Züge[n]» Frömmigkeit zum Ausdruck bringen. «Die weiteren Bildzeugnisse über die Stifterin in Wienhausen zeigen, wie die Verehrung der im Ruf der Literatur des Klosters Wienhausen 241 160 H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 110. Sie bezieht sich hier auf MGH, Deutsche Chroniken 2, München 1980, S. 584, Nr. 16 und MGH, Deutsche Chroniken 2, München 1980, S. 551f., V. 7407-7452 (zit. nach ebd.). Dies läßt sich gut in Einklang bringen mit dem von ihr untersuchten historischen Kontext der um 1270 entstandenen Stifterfigur (vgl. Kap. 6.3), auch daß sie wahrscheinlich aus der gleichen Werkstatt stammte wie die «Herzogsstatue am südöstlichen Vierungspfeiler im Braunschweiger Dom» (ebd., S. 5-7). Die mutmaßliche Entstehung der Stifterinnenvita fällt in eine Zeit intensivierter historiographischer Tätigkeiten im Umkreis des welfischen Hofes. Dazu zählt nicht nur die auf Anregung Albrechts I. von Braunschweig-Lüneburg verfaßte Braunschweiger Reimchronik, «ein gewaltiges, vermutlich in St. Blasius in Braunschweig zwischen 1279 und 1292 entstandenes und um 1298 bearbeitetes mittelhochdeutsches Versepos mit didaktischen Zügen zur Fürstenerziehung», sondern eine Reihe weiterer Zeugnisse braunschweigischer Geschichtsschreibung (S chneidmüller : Landesherrschaft, welfische Identität und sächsische Geschichte, S. 86ff.). Zur Darstellung welfischer Geschichte und Herrschaftsansprüche in der Braunschweiger Reimchronik und im Braunschweiger Reinfried vgl. Hans-Joachim Z iegeler : Das Glück der Welfen. Literatur und Landesgeschichte im 14. und 15. Jahrhundert, dem ich herzlich für die Möglichkeit zur Einsicht in das unveröffentlichte Manuskript danke. Heiligkeit stehenden Herzogin mit der Erhöhung und Legitimation des Konvents und darüber hinaus des Dynastengeschlechts verbunden wurde.» 161 Sie ist dargestellt auf dem bereits erwähnten Dedikationsbild des Klosters im oberen Kreuzgang, auf dem sie, gekennzeichnet durch die Beischrift Agnes ducissa, «in den erhobenen Händen ein zweitürmiges Kirchenmodell» trägt (Abb. 8). 162 Das Gründerpaar Heinrich und Agnes ist zudem in einer der Gewölbekappen des ausgemalten Nonnenchores abgebildet (Abb. 9). 163 «Auch hier rangiert der Konvent in der benachbarten südlichen Lünette mit den geistlichen, im Gegensatz zu den Märtyrerinnen in der südlichen Gewölbekappe ohne Nimbus ausgezeichneten Jungfrauen auf derselben Ebene. Aus der Sicht des Konvents kam der Stifterin damit im himmlischen Jerusalem ein Platz zu, der sie vor anderen Konventsmitgliedern wenig auszeichnete. Die Darstellung innerhalb der Heilsordnung stellt sich vielmehr als Zeugnis der hohen Selbsteinschätzung der Nonnen bzw. ihres Standes. Indem sie nicht nur auf die Nonnen im Chorgestühl wirkten, sondern durch ihre Anordnung in der westlichen Gebäudekappe im Blickwinkel des Kirchenschiffs lag, propagierte sie die Wirkung ihrer geistlichen Verdienste, an denen die Stifter hofften teilzuhaben.» 164 Kathrin A gricola deutet die Aufnahme des Liedes Nr. 31 in das Wienhäuser Liederbuch, 165 das die Agnes-Legende aufgreift, ebenfalls vor dem Hintergrund der Sakralisierungsbestrebungen der Stifterin. 166 Charakteristisch für 242 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 161 H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 115 und 116. 162 M ichler : Die Wand- und Gewölbemalereien im Nonnenchor, S. 143. Vgl. jetzt ausführlich zu den Ausmalungen des Kreuzgangs S iart : Kreuzgänge mittelalterlicher Frauenklöster, S. 37-60, zum Stifterbild bes. S. 43-45. 163 Ebd., S. 189f. Vgl. auch H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 117f. 164 Ebd., S. 119. Es scheint mir allerdings nicht so sicher, daß die Stifter, die von Äbtissinnen und Pröpsten umgeben sind, wirklich so wenig ausgezeichnet werden. Daß sich die Verehrung der Stifterin nicht schon früher nachweisen läßt, erklärt sich gemäß ihrer in Kap. 6.5.2 erläuterten These aus der in der Anfangszeit engeren Verbindung Wienhausens zum Hildesheimer Bistum. 165 Das Wienhäuser Liederbuch (1943/ 47), S. 21; Das Wienhäuser Liederbuch (1951), S. 58f. 166 A gricola , Kathrin: ‹O here, giff my der leve brant› - mystische Lyrik im Wienhäuser Liederbuch. In: Europäische Mystik vom Hochmittelalter zum Barock. Eine Schlüsselepoche in der europäischen Mentalitäts-, Spiritualitäts- und Individualitätsepoche. Beiträge der Tagung 1996 und 1997 der Evangelischen Akademie Nordelbien in Bad Segeberg. Hrsg. v. Wolfgang Beutin u. Thomas Bütow. Frankfurt a. M. [u.a.] 1998 (Bremer Beiträge zur Literatur- und Ideengeschichte 21), S. 139-165, hier S. 163. Nicht zur Verfügung stand mir ihre Magisterarbeit: «Vrouwet yuk, kynder, alghemeyne…» - Das Wienhäuser Liederbuch als Zeugnis von Religiosität und Klosterleben im Spätmittelalter. Magisterarbeit Hamburg 1997 (mschr.). Zur Mystik im Wienhäuser Liederbuch vgl. auch S roka , Anja: Mystik im Lied. Rezeption mystischer Traditionen im Wienhäuser Liederbuch. In: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 10 (1998), S. 383- 394; zu dem Lied O du eddele sedderenbom vgl. auch H amburger , Jeffrey F.: Nuns as artist: The visual culture of a medieval convent. Berkely/ Los Angeles/ London 1997 (California studies in the history of art 37), S. 120ff. das 13 Strophen umfassende Lied ist die «Parallelisierung zwischen der Vita der Heiligen Agnes und dem Konventsleben», 167 so daß es in zweifacher Weise den Wienhäuser Nonnen einen Anknüpfungspunkt bot: In der Einladung zur eigenen Identifikation mit der Heiligen und in dem Verweis auf die ihrerseits sakralisierte Stifterin gleichen Namens. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, bekommt die Tatsache, daß unter den wenigen für das Wienhäuser Legendar ausgewählten Frauenlegenden auch die der heiligen Agnes zu finden ist, neue Bedeutung. Da der Kult dieser Heiligen nicht besonders verbreitet war, jedoch auch von anderen adligen Frauen dieses Namens gefördert wurde, 168 spricht einiges dafür, daß die Aufnahme ihrer Legende sich ebenfalls diesem Umstand verdanken könnte. Die Existenz weiterer Textzeugnisse in Wienhausen und aus dem Umkreis der Stifterin erhärtet diese These und damit auch die Annahme einer Verbindung zwischen der Hs. 3 und dem Kloster. 6.5.3 Aufführung oder Andacht? Funktionsmöglichkeiten des Wienhäuser Osterspielfragments Bei dem bereits erwähnten Wienhäuser Osterspiel handelt es sich um ein 134 Verse umfassendes Pergamentbruchstück einer Visitatio sepulchri in lateinischer und mittelniederdeutscher Sprache. 169 Die Visitatio sepulchri-Szene Literatur des Klosters Wienhausen 243 167 A gricola : ‹O here, giff my der leve brant› - mystische Lyrik im Wienhäuser Liederbuch, S. 161. Sie nimmt weiter an, daß die Fassung dieses Liedes, das auch aus anderen Frauenkonventen bekannt ist, aus Medingen stammt, da nur hier bei der Beschreibung des Habits im Lied von einem «rot syden crucelyn» am Kopf die Rede ist, das Teil der Medinger Tracht gewesen sei (ebd., S. 161f.). Ob diese Festlegung auf Medingen zutreffend ist, erscheint mir aber fraglich, da eine unter den im östlichen Gewölbejoch des Wienhäuser Nonnenchors dargestellten Äbtissinnen ebenfalls ein rotes Kreuz auf der Stirn trägt (vgl. M ichler : Die Wand- und Gewölbemalereien im Nonnenchor, S. 190). Dieses Merkmal der Tracht, das auch bei anderen Nonnendarstellungen zu finden und in Texten des 15. Jahrhunderts belegt ist, wurde u.a. von Renate K roos untersucht: «Es scheint sich demnach um eine in Norddeutschland weit verbreitete Sonderform zu handeln, die - besonders zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert - oft von Cistercienserinnen, doch auch von Angehörigen mehrerer anderer Orden benutzt wurde und die wohl der Birgittinnenorden übernahm» (Der Codex Gisle. I. Forschungsbericht und Datierung. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 12 (1973), S. 117-134, hier S. 124, mit weiteren Beispielen und Literaturangaben). 168 Z ender , M.: Agnes. In: LMA 1, Sp. 214. 169 Hs. M 7 (olim Hs. D), 1r-6r des Wienhäuser Klosterarchivs. Herausgegeben wurde der Text von Walther L ipphardt : Die Visitatio sepulchri in Zisterzienserinnenklöstern der Lüneburger Heide. In: Daphnis 1/ 2 (1972), S. 119-128. Literatur: A ppuhn , Horst: Der Auferstandene und das Heilige Blut zu Wienhausen. Über Kult und Kunst im späten Mittelalter. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 1 (1961), S. 75-138, hier S. 129-132; B ergmann , Rolf: Katalog der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des Mittelalters. Unter Mitarbeit von Eva P. Diedrichs u. Christoph Treutwein. München 1986 (Veröffentlichungen der Kommission für deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften); L inke , Hansjürgen: Wienselbst ist allerdings nicht erhalten, das Fragment setzt ein mit der Hortulanus-Szene, es folgt die Verkündung der Auferstehung durch Maria Magdalena an einen Chor; Worte und Melodie sind Wipos Ostersequenz entnommen, die lateinischen Passagen sind durchgehend neumiert. 170 Eine Hand des 15. Jahrhunderts hat am Rand eine (schwer zu entziffernde) Thomas-Szene hinzugefügt (Abb. 10). 171 «Die mnd. Texte sind in der Anfangspartie der Ostersequenz lediglich Übertragungen der lat. Versikel, bieten sonst aber wesentlich mehr als bloße Übersetzungen und Paraphrasen.» 172 Aufgrund der Sprach- und Schriftmerkmale schließt Walther L ipphardt auf eine Entstehungszeit Ende des 14. Jahrhunderts und auf die «Gegend südlich Lüneburgs» als Entstehungsraum. 173 Bewegte sich also bereits die Chronik auf dem Gebiet von Latein und Volkssprache, so haben wir hier das Beispiel eines lateinisch-deutschen Mischtextes. Solche mischsprachigen Osterspiele sind «in nahezu allen Sprachlandschaften des Deutschen Reiches vom 14. bis zum 17. Jahrhundert» zu finden, also vergleichsweise spät; aus dem 14. Jahrhundert sind allerdings nur vier Spiele dieser Art überliefert. 174 Das Wienhäuser Kloster partizipiert damit wiederum früh an literarhistorischen Neuerungen. Auch der Tatsache, daß es sich um eine Überlieferung aus einem Zisterzienserinnenkloster handelt, hat man große Bedeutung zugemessen, da in der Forschung zuvor die Meinung vertreten wurde, daß die Zisterzienser geistliche Spiele abgelehnt hätten. 175 244 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 häuser Osterspiel (Fragment). In: 2 VL 10, 1999, Sp. 1052-1053; D auven van K nippenberg , Carla: Ein Schauspiel für das innere Auge? Notiz zur Benutzerfunktion des Wienhäuser Osterspielfragments. In: «Ir sult sprechen willekomen». Grenzenlose Mediävistik. Festschrift für Helmut Birkhan zum 60. Geburtstag. Hrsg. v. Christa Tuczay, Ulrike Hirhager u. Karin Lichtblau. Bern [u.a.] 1998, S. 778-787; S ievers : Das Wienhäuser Liederbuch, Bd. 2, S. 22 (vgl. unten Anm. 199). 170 L inke : Wienhäuser Osterspiel, Sp. 1053. 171 L ipphardt : Die Visitatio Sepulchri, Anm. 80 und S. 126. 172 L inke : Wienhäuser Osterspiel, Sp. 1053; vgl. zum Verhältnis von Latein und Deutsch in den mischsprachigen Osterspielen auch D ers .: Drama und Theater. In: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. Begründet v. Helmut de Boor u. Richard Newald, Bd. III/ 2: Die deutsche Literatur im späten Mittelalter. 1250-1370. Zweiter Teil: Reimpaargedichte, Drama, Prosa. Hrsg. v. Ingeborg Glier. München 1987, S. 179-183, hier S. 180. 173 L ipphardt : Die Visitatio Sepulchri, S. 126. Daß der Text auch hochdeutsche Merkmale aufweist, muß nicht unbedingt, wie L ipphardt meint, auf eine «nicht nddt. Vorlage» schließen lassen. Es könnte sich auch hier um ein Beispiel für eine bewußte Mischsprache handeln (vgl. Kap. 2.3). 174 L inke : Drama und Theater, S. 179. 175 L ipphardt : Die Visitatio sepulchri, S. 125: «Das Vorhandensein eines Osterspiels in einem Zisterzienserinnenkloster ist eine so große Seltenheit, daß man zunächst an die Herkunft aus einem anderen Kloster denken könnte. Doch lassen sich gerade in Niedersachsen schon zwei Zisterzienserinnenklöster, Medingen und Wöltingerode, als Träger der Visitatio sepulchri-Liturgie nachweisen, außerdem haben die Forschungen von Horst Appuhn den Nachweis erbracht, daß in Wienhausen der Kult um das Hl. Grab Das Augenmerk der Forschung galt darüber hinaus der Frage, wie die Nutzung der Handschrift zu denken ist. Rolf B ergmann zufolge deutet die Einrichtung auf eine Aufführungshandschrift, er weist jedoch auch darauf hin, daß die fragmentarische Überlieferung das Urteil erschwert. 176 Auch Horst A ppuhn geht davon aus, daß das Osterspiel aufgeführt wurde und zwar unter Einbeziehung des Heiligen Grabes: Am Karfreitag wurde der tote Christus - wahrscheinlich mit einer Hostie in seiner Wunde - ins Grab gelegt, die Sargdeckel verschlossen und Wache gehalten. In der Osternacht wurde der tote Christus herausgenommen und der Auferstandene an seine Stelle gesetzt, die Hostie ebenfalls in diesen gelegt. Beide konnten dann an Ostern erhoben werden; die visitatio sepulchri konnte am leeren Grab gespielt werden. Um die Benutzerfunktion des Osterspiels genauer fassen zu können, wird also die «bildkünstlerische[]Umgebung, in der der Text offenbar rezipiert wurde», herangezogen. 177 Darstellungen der Ostergeschehnisse sind in Wienhausen mehrfach präsent, u.a. in der Ausmalung des Nonnenchors, im Grabmal mit Grabchristus und in der Auferstehungsgruppe. 178 Carla D auven van K nippenberg wendet sich jedoch gegen die Benutzung der Handschrift als Aufführungstext, einerseits - und damit anders als R. Bergmann - aufgrund ihrer Einrichtungsmerkmale - «der durchlaufende, nicht nach Reimpaaren gegliederte Text, die Minimalisierung der Bühnenanweisung zu bloßen Sprecherbezeichnungen, das kleine Format» - andererseits aufgrund des «Fehlen[s] jeglicher Aufführungsnachricht». 179 Gegen Horst A ppuhns These zur Aufführung unter Einbeziehung des Heiligen Grabes und des Auferstandenen erhebt sie den Einwand, daß der Ablauf nicht aufgrund von Wienhäuser Überlieferung rekonstruiert sei, sondern auf dem Prüfeninger Ordo beruhe. 180 Darüber Literatur des Klosters Wienhausen 245 eine große Rolle spielte.» Skeptisch dazu D auven van K nippenberg : Ein Schauspiel für das innere Auge, S. 785f. 176 B ergmann : Katalog der deutschsprachigen geistlichen Spiele, Sp. 1053. 177 D auven van K nippenberg : Ein Schauspiel für das innere Auge, S. 780; A ppuhn : Der Auferstandene und das heilige Blut zu Wienhausen, S. 130f. 178 Ebd., S. 781. Darüber hinaus im Passionsteppich von 1320 und im Thomas-Teppich. 179 Ebd., S. 787. Nicht erörtert wird in dieser Diskussion, ob eine Aufführung durch Nonnen überhaupt denkbar und für irgendein Frauenkloster nachweisbar ist, ob also das grundsätzliche Verbot für Frauen, als Schauspielerinnen zu agieren, in Frauenklöstern beachtet wurde oder nicht. 180 Ebd., S. 782 und 785. Aufgrund der Auswertung des Prozessionale, dreier Orationalien und des Osterspiels aus Wienhausen kommt Kerstin H engevoss -D ürkop zu dem Ergebnis, daß der Ablauf der Osterliturgie wohl weitgehend der Beschreibung Lyßmanns aus dem 18. Jahrhundert für Medingen entsprach. Das Ostergrab um 1500 wird in diesen Quellen nur als «begehbares Monument», Grab- und Auferstehungsfiguren überhaupt nicht genannt (Skulptur und Frauenklöster, S. 140f. u. Anm. 96). Sie lehnt die Übertragung des Prüfeninger Ordo auf Wienhausen ebenfalls ab, insbesondere weil er einen begehbaren Altar als Ostergrab voraussetzt (J ezler , Peter: Ostergrab und Depositionsbild. Liz.-A. Zürich 1982, bes. S. 41ff. Die unveröffentlichte Arbeit zit. nach: Skulptur und Frauenklöster, S. 143f., Anm. 98). hinaus ergaben Untersuchungen von kunsthistorischer Seite, daß die Figuren keine Abnutzungsspuren aufweisen, wie sie bei einem szenischen Osterkult zu erwarten gewesen wären. Zumindest das heutige Grab läßt eine Entnahme der Figur nicht zu, die Türchen an Kopf- und Fußende sind zu klein (Abb. 13). Diese dienten wahrscheinlich zur Verehrung der Reliquien, die in den Kammern an Kopf und Fuß zusammen mit einem Reliquienverzeichnis von 1290 aufbewahrt wurden. Auch die Figur des Auferstandenen weist nicht die entsprechenden Vorrichtungen für eine Benutzung als Sakramentsschrank auf. 181 Um die mögliche Funktion des Textes neu zu bestimmen, untersucht Carla D auven van K nippenberg das Heilige Grab, genauer gesagt den im 15. Jahrhundert von Katharina von Hoya gestifteten doppelstöckigen Sarkophag, seine Funktionsmöglichkeiten und die jeweils zu sehenden Bilder im Hinblick auf den Text (Abb. 12 u. 13). Das oben geöffnete Grab mit dem dann zu sehenden Grabchristus steht für die Grablegung am Karfreitag; das geschlossene Grab steht für die folgende Grabesruhe. Für das Osterspiel ist besonders der Zustand, der die Auferstehung darstellt, das unten geöffnete leere Grab, interessant. Unter den auf den geöffneten Türen abgebildeten Szenen ist auch die Hortulanus-Szene mit den entsprechenden Schriftbändern quid ploras quem queris und tulerunt dn-m- me _ nescio vbi posuerunt eu [sic]. «Hier stimmt die Situation im ‹Osterzustand› des Hl. Grabes genau mit dem Osterspieltext überein.» 182 Das Bild von Thomas, der seinen Finger in eine der Wunden Christi legt, korrespondiert mit der später dem Text hinzugefügten Thomasszene und legt einen Einfluß des Heiligen Grabes auf die Textgestaltung nahe (Abb. 10 u. 11). 183 Aber auch im Zustand der Grablegung, also bei Öffnung der Dachflächen, sind diese Szenen zu Passion und Auferstehung - diesmal im Rahmen der Heilsgeschichte - mit den entsprechenden Spruchbändern zu sehen. 184 Sie schließt daraus, daß das Osterspiel durch das Heilige Grab «eine vom liturgischen Jahr losgelöste Benutzungsmöglichkeit» erhielt und fragt daher, ob «es sich bei dem Wienhäuser Fragment des Osterspieltextes von der Benutzerfunktion her betrachtet nicht um ein Andachtsbuch handeln [könnte], um eine Anleitung oder auch eine Erweiterung zur frommen Betrachtung eines der 246 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 181 Das Heilige Grab und der Auferstandene wurden von Babette H artwieg kunsttechnologisch untersucht: Drei gefaßte Holzskulpturen vom Ende des 13. Jahrhunderts in Kloster Wienhausen, hier bes. S. 191f.; vgl. auch H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 141-147 und Anm. 98; A ppuhn : Der Auferstandene und das Heilige Blut zu Wienhausen, S. 130ff. 182 D auven van K nippenberg : Ein Schauspiel für das innere Auge, S. 786. Vgl. den Text des Osterspiels, V. 14-19: Salvator: Mulier quid ploras? / Wif saghe, wat du meynest,/ dat du so sere weynest? [Maria: ] Tulerunt dominum meum et nescio, vbi posuerunt eum (L ipphardt : Die Visitatio sepulchri, S. 121). 183 D auven van K nippenberg : Ein Schauspiel für das innere Auge, S. 786. 184 Christus: qud pluras quem queris, Maria Magdalena: tulerunt d ’ m meum et nescio vbi posuerunt eum (zit. nach M aier : Die Kunstdenkmäler, S. 118). wichtigsten Kultgegenstände des Klosters, sozusagen um ein Osterspiel für das innere Auge? » 185 Die von ihr angeführten Argumente - Einrichtung der Handschrift, kunsthistorische Untersuchung des Grabes und der Figuren, Funktionsmöglichkeiten des Grabes - sprechen sicher für diese These. Ungeklärt scheint mir jedoch die Chronologie, denn der Text ist Ende des 14. Jahrhunderts entstanden, der Sarkophag erst im 15. Jahrhundert. Die nachträglich eingefügte Thomas-Szene ließe sich also durchaus auf den Einfluß des von Katharina von Hoya gestifteten Heiligen Grabes zurückführen. Von der Bedeutung des Heiligen Thomas für das Kloster zeugt auch der ebenfalls im 15. Jahrhundert entstandene Teppich, der die Vita des Apostels erzählt. 186 Nicht erklären läßt sich dadurch die ursprünglich intendierte Benutzerfunktion des Textes. Dafür müßte das Aussehen des vorhergehenden Sarkophags der Grabchristusfigur des 13. Jahrhunderts bekannt sein. 187 Allerdings weist eine «Stiftung für ein ewiges Licht am Freitag» aus dem Jahr 1314 darauf hin, daß das Heilige Grab bereits im 14. Jahrhundert nicht nur während der Osterzeit verehrt wurde. 188 Abschließend möchte ich kurz auf die Charakteristika der Textgestaltung eingehen und sie mit denen der Sammelhs. 3 vergleichen. Der Textausschnitt des Fragments konzentriert sich auf die Figur der Maria Magdalena, ihre Begegnung mit dem Erlöser und ihr anschließendes Zeugnis von dieser Begegnung. Wie Thomas, dessen Szene nachträglich eingefügt wurde, zeichnet sich Maria Magdalena durch ihre besondere Nähe zu Christus als Mensch aus. 189 Durch die Fokussierung auf Maria Magdalena wird das Geschehen aus ihrer affektbetonten Perspektive wahrgenommen, ihre Rolle ist - wie auch in anderen Osterspielen - «in Richtung auf eine psychologische Motivierung hin frei ausgestaltet.» 190 Der Text zielt auf die Vergegenwärtigung des Auferstehungsgeschehens und die Identifikation mit den wechselnden Gefühlen der Maria Literatur des Klosters Wienhausen 247 185 D auven van K nippenberg : Ein Schauspiel für das innere Auge, S. 787. 186 W ilhelm : Die Bildteppiche, S. 35-39. 187 Unklar ist auch der ursprüngliche Standort des Heiligen Grabes, denn es befand sich wohl nicht auf dem Nonnenchor, wie das bis vor kurzem der Fall war (für diesen Hinweis danke ich Wolfgang B randis ). 188 H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 145; auf diese Urkunde 189 hat schon J ezler (Ostergrab und Depositionsbild, S. 46/ 48) hingewiesen (zit. nach ebd., Anm. 100). 189 Die Hinwendung zu Christus als Mensch, die besondere Verehrung von Heiligen, die Kontakt zu seinem Körper hatten, die Verehrung der Eucharistie, z.B. in Form der Erhebung der Hostie während der Messe, der Einführung des Fronleichnamfestes, ebenso die kultische Verehrung der Hostie in der Osterfeier und im Osterspiel sowie die Geschichten von Hostienfreveln, wie sie auch im Wienhäuser Liederbuch zu finden sind, standen in einem engen Zusammenhang. 190 L inke : Drama und Theater, S. 181. Insbesondere die gemischtsprachigen Spiele nutzen die durch die Übersetzung der lateinischen Passagen entstehende Wiederholung und die schon durch den Reimzwang angelegte Erweiterungstendenz zur «Intensivierung des Affektausdrucks» (ebd., S. 180). Magdalena, 191 ihr längerer Monolog vor der Erkennungsszene ist auch als Gebetstext zum Nachsprechen geeignet: Eya, sote here Ihesu Crist, dhe du aller werlde trost byst, van eyner reynen maghet geboren, owi, dat ick dy han verloren; quale lydtet dat herte myn, als yth myt eyneme spere dor-steken sy beth an den grunt bytterliken ge-w[u]nt, dat ick ne kan gevrowen, nemant ne mach my to troste komen. Eya, mynichlike here, dorch dynes selues ere, lacht dy mynen iamer vntfarmen vnde troste my vil armen. Waret moghelick, dat dhe steyne mochten scryen vnde weynen se mochten al tho-spryngen van dher pyne, dhe my dwinget; an myneme herte lydhe ic grote smerte, dhat ic gherne ware dhot. Eya, lef vor alle lef, bedencke myne noth, dat ic dy mothe scowen myt mynen sundyghen oghen. (V. 33-57) Der Moment der Anagnorisis wird durch dreimalige Wiederholung ausgestaltet. 192 Hansjürgen L inke ist der Meinung, daß dadurch der Überraschungseffekt bewußt zerstört werde. «An die Stelle dramatischer Darstellung tritt liturgisches Zelebrieren einer kultischen Dreiheit so, wie mit der Aufgabe der Spontaneität ihrer Reaktion die Person Maria Magdalenas in ihre Figur und deren Darsteller zerfällt.» 193 Dagegen ließe sich einwenden, daß der Akzent hier nicht auf einer schlagartigen Erkenntnis liegt, sondern daß die Gewißheit sich erst nach anfänglicher Skepsis einstellt, die durch Konditionalsätze zum 248 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 191 «Maria Magdalena durchläuft eine ganze Gefühlsskala von Trauer und Klage über Sündenbewußtsein und Reue bis hin zur Erlösungsgewißheit und wird damit zur beispielgebenden Verkörperung des reuigen und eben deswegen erlösbaren Sünders.» (ebd., S. 181). 192 Salvator: Maria! / Maria Magdalena: Raboni! Here, vaderliker trost,/ bystu dat, so byn ic gelost/ van allen sorghen./ Du bist my noch borghe./ Salvator: Maria! / Maria Magdalena: Raboni! / Here Ihesu Crist,/ troste my, icht du dath bist! / Salvator: Maria! / Maria Magdalena: Raboni! / Dhen herzeleuen han ic gesen an siner ere,/ des vrowe ic my vil sere,/ wante he myne drouicheyt/ trostet heft myt syner sozycheyt. (L ipphardt: Die Visitatio sepulchri, S. 122f., V. 58-79). 193 L inke : Drama und Theater, S. 182. Ausdruck gebracht wird. Im Sinne einer psychologischen Gestaltung der Rolle scheint dieses Zögern durchaus plausibel, und die Szene läßt sich auch dramatisch ausgestaltet denken. Nicht zuletzt wird Maria Magdalena damit zu einer zuverlässigen Augenzeugin der Auferstehung. Als solche wird sie vom Chor ebenfalls dreimal angerufen 194 , auch antwortet sie entsprechend. 195 Der Wechsel von der Ich-Perspektive der Begegnung mit dem Herrn zur Wir- Perspektive der Ostersequenz in der folgenden Rede der Maria Magdalena markiert den Wechsel von der Hortulanus-Szene zur Osterfeier: Dat pasche-opper vnde lam dat vns van dem hymele quam, des scolen louen h v dhe alle cristene ludhe. (V. 83-86) Die Vergegenwärtigung der Auferstehungsereignisse geht hier in die Memoria eines vergangenen Geschehens über. Das Osterspiel vollzieht damit die Einsetzung und den Ursprung des Osterfestes und damit die Begründung seiner wiederkehrenden Feier nach, ähnlich wie dies auch die Texte der Hs. 3 versuchen. Nicht zuletzt ist auch dieser Text dazu geeignet, die Bedeutung der Frauen für die christliche Kirche deutlich zu machen, ist es doch schließlich eine Frau, der der Auferstandene zuerst erscheint. 196 Die Anlage des Textes spricht durchaus dafür, daß der Text zumindest auch für die private Andacht geeignet war. Ob das Heilige Grab den ursprünglichen (und einzigen) Bezugspunkt bildete, läßt sich aufgrund der Erneuerung des Sarkophags nicht endgültig klären. 197 Daß jedoch nicht nur dieser erneuert wurde, sondern - ebenfalls im 15. Jahrhundert - der Text des Osterspiels um die Thomas-Szene ergänzt wurde, belegt gleichermaßen das Bemühen um Tradierung wie um Aktualisierung. 198 Literatur des Klosters Wienhausen 249 194 Chorus: Dic nobis, Maria, quid vidisti in via? / O wif, dat du wol gedygest [...] Chorus: Dic nobis Maria…/ Saghe, o salighe Marie […] Chorus: Dic nobis, Maria…/ Marie, salighe, vrowe, an dy ist al truwe (L ipphardt: Die Visitatio sepulchri, S. 124f., V. 104-106, 115f., 125-127). 195 [Maria Magdalena: ] Sepulchrum Christi viuentis/ et gloriam vidi resurgentis./ Ick sach des leuendyghe[n] godhes graf,/ vil grot trost quam my dar af; / ich sach by waren dynghen/ dhe ere syner upstandighen [...] ick sach de lakene myt dem docken,/ dhe vynt me dar, we se wil soken (L ipphardt: Die Visitatio sepulchri, S. 124f., V. 108-113, 122f.). 196 Die Noli-me-tangere-Szene auf dem Sarkophag des Heiligen Grabes weist übrigens eine Besonderheit auf, sie ist ergänzt durch eine weitere weibliche Figur, die Bernhard G allistl in seiner interessanten Deutung dieser Darstellung als Maria bzw. Eva interpretiert (Eine ikonographische Besonderheit am Heiligen Grab von Wienhausen. In: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart 53 (1985), S. 53-61). 197 Kerstin H engevoss -D ürkop erklärt die Figuren des Auferstandenen und des Grabchristus aus Wienhausen «in erster Linie durch einen kreuzzugsideologisch geprägten Hl. Grab- Kult», der wiederum in Zusammenhang stehe mit der Kreuzfahrer-Tradition der Welfenfamilie (Skulptur und Frauenklöster, S. 139-161, bes. S. 159f.). 198 Carla D auven van K nippenberg hat in diesem Zusammenhang auf die anderen Darstellungen des Ostergeschehens in Wienhausen hingewiesen, darunter v.a. die Leben- 6.5.4 Literatur in Zeiten der Reform: Das Wienhäuser Liederbuch 1934 entdeckte Heinrich S ievers im Kloster einen Codex mit zahlreichen Liedern. 199 Die Bestimmung für und Benutzung durch die Wienhäuser Nonnen ist gesichert durch das darin enthaltene Klostergelübde (Nr. 39), in das der Name Wienhausens eingefügt ist, sowie durch einen rückseitig beschriebenen, hinzugebundenen Brief, auf dem der Name der Äbtissin Katharina (von Hoya) verzeichnet ist. 200 Dieses Wienhäuser Liederbuch enthält insgesamt 59 Liedertexte teils in lateinischer, teils in mittelniederdeutscher Sprache, einige auch gemischtsprachig, 201 von denen 15 mit Noten versehen sind. 202 Das Buch, das zu den ältesten deutschsprachigen Liedersammlungen gehört und das umfangreichste in niederdeutscher Sprache darstellt, 203 enthält neben den geist- 250 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 Jesu-Darstellung der Nonnenchorausmalung, zu der auch die Visitatio sepulchri, die Hortulanus-Szene und die Erscheinung Christi vor Thomas gehören (Ein Schauspiel für das innere Auge, S. 781). Zur Ausmalung des Wienhäuser Nonnenchors vgl. M ichler : Die Wand- und Gewölbemalereien im Nonnenchor und D ies .: Die Wandmalereien im Nonnenchor [Wienhausen] 1968 (Kloster Wienhausen 2). 199 Hs. 9 der Wienhäuser Klosterbibliothek. Das Wienhäuser Liederbuch ist zuletzt neu und erstmals vollständig ediert und übersetzt worden von Peter K aufhold : Das Wienhäuser Liederbuch. Wienhausen 2002 (Kloster Wienhausen 6). Außerdem existieren zwei ältere Ausgaben, die jedoch nicht die lateinischen Lieder des 1. Teils enthalten: D as W ienhäuser L iederbuch . Hrsg. v. Paul Alpers. Celle 1951 (verbesserte Leseausgabe ohne Apparat) und unter gleichem Titel und vom gleichen Herausgeber in: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 69/ 70 (1943/ 47), S. 1-40 und Nachträge in D ers .: Zum Wienhäuser Liederbuch. In: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 76 (1953), S. 21-24 (buchstabengetreue Ausgabe mit Apparat und ausführlicheren Erläuterungen), sowie ein Faksimile: D as W ienhäuser L iederbuch . Hrsg. v. Heinrich Sievers. 2 Bde. Wolfenbüttel 1954. Neben der im folgenden zitierten Literatur vgl. auch die kurzen Beschreibungen von S ievers (Das Wienhäuser Liederbuch von 1460. In: Das Musikleben 1 (1948), S. 132-134; Wienhäuser Liederbuch. In: Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik 14. Unter Mitarbeit zahlreicher Musikforscher des In- und Auslandes hrsg. v. Friedrich Blume. Kassel [u.a.] 1968, Sp. 627). 200 Kath(e)rina ebdische In wynhusenn (Abdruck und Abbildung bei A lpers : Das Wienhäuser Liederbuch (1943/ 47), S. 40 und im Faksimile von S ievers , 37B). 201 Inhalt im einzelnen: 59 Lieder, davon 17 lateinische (1-11 (Nr. 7 mit nd. Kehrreim), 13, 23, 26, 41, 57, 58); 6 in lateinisch-niederdeutscher Wechselsprache (14-16, 18, 24, 39 und 60 in Reimprosa); 36 niederdeutsche (31 und 36 mit lat. Kehrreim); 22, 31, 32, 44, 45, 50 u.a. «mit starken Anklängen an das weltliche Volkslied»; 42, 18, 58, 53, 59, 60 nach Paul A lpers weltliche Lieder (Das Wienhäuser Liederbuch, S. 2). 202 Es handelt sich um einstimmige Melodien in gotischer Hufnagelnotation auf 4 Linien. Folgende Lieder sind mit Noten versehen: 9 lateinische (1-6, 8, 23, 41), 4 niederdeutsche (17, 19, 21, 50), 2 lateinisch-niederdeutsche (7, 15), bei Lied 24 sind die Notenlinien leer (A gricola : «O herre, giff me der leve brant» - mystische Lyrik im Wienhäuser Liederbuch, S. 142). Vgl. dazu auch S ievers , Heinrich: Die Melodien des Wienhäuser Liederbuchs. In: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 69/ 70 (1943/ 47), S. 41-46. Einen Überblick über musikalische Zeugnisse in Wienhausen bietet Daniela W issemann -G arbe : Wienhausen. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. 203 A ppuhn : Kloster Wienhausen (1986), S. 47. lichen auch eine Reihe von weltlichen Liedern, etliche davon waren bisher unbekannt wie die nur hier überlieferte Ballade von der heiligen Elisabeth, andere finden hier ihren ältesten Beleg, wie beispielsweise eine Version der Vogelhochzeit. 204 Formal reicht der Bestand «von der schlichten Reimpaarstrophe über Kanzonenform zu kunstvollen Meistersangstrophen. Inhaltlich sind einige Texte liturgisch, hagiographisch und auch mystisch geprägt, andere erbaulich-unterhaltend und sogar ironisch-satirisch.» 205 Der kleine Papiercodex (14,9 × 10,5 cm) umfaßt 40 Blätter, ist mit vorgeheftetem Pergamentblatt und 3 Ergänzungszetteln versehen und weist zahlreiche Gebrauchsspuren auf (Abb. 14). 206 Wie bei der Hs. 3 handelt es sich also nicht um einen repräsentativen Codex, sondern um eine Gebrauchshandschrift, die vermutlich nicht in einem Zug entstanden ist, vielmehr werden zwei Teile unterschieden. Nach den Wasserzeichen ist der erste, lateinische und «liturgienahe» Teil frühestens um 1460 anzusetzen; für die folgenden drei Lagen ist der terminus post quem 1480. 207 Wichtig ist die Datierung zunächst für die literarhistorische Einordnung. Dieser Datierung zufolge ist das Wienhäuser Liederbuch, wie schon Paul A lpers feststellte, älter als das Ebstorfer und das Werdener Liederbuch sowie das Liederbuch der Anna von Köln, die alle drei um 1500 entstanden sind, und deutlich älter als das 1588 zusammengestellte Liederbuch der Catharina Tirs. 208 Literatur des Klosters Wienhausen 251 204 D as W ienhäuser L iederbuch (1943/ 47), S. 38f.; D as W ienhäuser L iederbuch (1951), S. 123. Zu den weltlichen Lieder vgl. A lpers , Paul: Weltliches im Wienhäuser Liederbuch. In: Jahrbuch für Volksliedforschung 12 (1967), S. 93-102. 205 A gricola : ‹O here, giff my der leve brant›- mystische Lyrik im Wienhäuser Liederbuch, S. 141. 206 Beschreibung der Handschrift bei A lpers : Das Wienhäuser Liederbuch, S. 1f. 207 G ottwald , Clytus: «In dulci iubilo» Morphogenese eines Weihnachtsliedes. In: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 9 (1964), S. 133-143, hier S. 139. Er geht allerdings davon aus, daß der erste Teil «aus älteren Papierrücklagen» stamme und die Handschrift insgesamt «nach 1480» entstanden sei. Diese Datierung, auf die Kathrin A gricola (‹O here, giff my der leve brant› - mystische Lyrik im Wienhäuser Liederbuch, S. 142 und Anm. 15) aufmerksam macht, scheint in der Diskussion um die Datierung des Liederbuchs nicht ausreichend berücksichtigt worden zu sein. Auch Heinrich S ievers hatte schon den Versuch unternommen, die Handschrift mittels der Wasserzeichen zu bestimmen, konnte jedoch keines davon exakt nachweisen, nur ähnliche Wasserzeichen aus der Zeit zwischen 1434 und 1469 (Wienhäuser Liederbuch, Bd. 2, S. 5). Nicht mehr berücksichtigen konnte ich leider die Ergebnisse von Friedel Helga R oolfs, die sich noch einmal gründlich der Datierungs- und Provenienzfrage widmet und wohl für eine Spätdatierung des Liederbuchs plädiert (Das Wienhäuser Liederbuch - eine kodikologische Annäherung). Vgl. dazu den soeben erschienenen Kongressbericht des Ebstorfer Kolloquiums von 2009, der weitere für Wienhausen einschlägige Vorträge beinhaltet (P assion und O stern in den L üneburger K löstern . Kongressbericht Ebstorf 2009. Hrsg. v. Linda Maria Koldau. Kloster Ebstorf 2010). 208 Die Angaben hinsichtlich der Zahl übereinstimmender Lieder schwanken, vgl. dazu A lpers : Das Wienhäuser Liederbuch, S. 4 und J anota , Johannes: Wienhäuser Liederbuch. In: 2 VL 10, 1999, Sp. 1046-1052, hier Sp. 1051: «Unter dem spätmal.-frühneuzeit- Von Belang ist die genaue Datierung aber auch für die klosterinterne Bedeutung der Handschrift. Diskutiert wird, ob die Handschrift bereits vor der Reform des Klosters Wienhausen unter der 1469 abgesetzten Äbtissin Katharina von Hoya oder erst im Zuge der dann durchgeführten Reform angelegt wurde. Es geht also um die Frage, ob die Sammlung mit ihren teils weltlichen Themen eher für die literarischen Interessen vor der Reform steht oder im Gegenteil für die monastischen und spirituellen Erneuerungen durch die Reform. Die Bewertungen der Forschung sind in diesem Punkt kontrovers. 209 Johannes J anota hält es für wahrscheinlich, daß das Liederbuch «im Zusammenhang mit der Reform des Klosters unter geistlicher Leitung von Johannes Busch (Windesheimer Kongregation), der Äbte der Benediktinerklöster St. Michael und St. Godehard in Hildesheim (Bursfelder Kongregation) und der Äbtissin des schon 1443 reformierten Zisterzienserinnenklosters Derneburg entstanden» ist. 210 Er schließt damit eine Beteiligung Katharinas von Hoya an der Erstellung oder Beschaffung der Sammlung (weitgehend) aus und sieht statt dessen die neue Äbtissin Susanna Pothstock als (wahrscheinliche) Auftraggeberin. 211 252 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 lichen geistlichen Liederbüchern Niederdeutschlands ist das ‹W.L.› nach der Lage der Überlieferung das älteste und umfangreichste. Gegenüber dem Ebstorfer Ldb. (kaum vor 1520; 8 Parallelen) und dem damit etwa gleichaltrigen Werdener Ldb. (4 Parallelen) wartet das ‹W.L.› zusätzlich mit Melodien und lat. Liedern auf. Damit steht es als Typ dem ‹Liederbuch der Anna von Köln› (um 1540; 11 Parallelen) am nächsten, weniger häufig (jeweils 5 Parallelen) sind die Übereinstimmungen mit der ‹Deventerschen Liederhs.› (um 1500) und mit dem ‹Liederbuch der Catharina Tirs› (1588).» 209 Niederschrift noch während der Amtszeit Katharinas von Hoya befürworten: S ievers : Das Wienhäuser Liederbuch, Bd. 2, S. 27, Ludwig W olff : Zum Wienhäuser Liederbuch. In: Niedersächsische Zeitschrift für Heimat und Kultur 67 (1967), S. 544 (zit. nach A gri cola : ‹O here, giff my der leve brant› - mystische Lyrik im Wienhäuser Liederbuch, Anm. 16), Helmut G lagla : Volkslied. In: Handbuch zur niederdeutschen Sprach- und Literaturwissenschaft. Unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter hrsg. v. Gerhard Cordes u. Dieter Möhn. Berlin 1983, S. 536-559, hier S. 539 und zuletzt Peter K aufhold (Das Wienhäuser Liederbuch, S. 12ff.), der allerdings die Datierung anhand der Wasserzeichen außer Acht läßt. Paul A lpers glaubte sogar, das Lied 24 Katharina oder ihrer Schreiberin zuweisen zu können (Das Wienhäuser Liederbuch (1943/ 47), S. 1). Vorsichtig äußert sich zuletzt Martin S chubert : «Der erste, lateinische Teil ist nach 1460 niedergeschrieben, zwei darauf folgende deutsche Abschnitte einige Jahre später. [...] die Handschrift bildet wohl den Teil eigener Verschriftungsbemühungen im Zuge der Klosterreform am Ende des 15. Jahrhunderts» (Wienhäuser Liederbuch. In: Elisabeth von Thüringen - eine europäische Heilige. Katalog. Hrsg. von Dieter Blume u. Matthias Werner. Petersberg 2007, S. 195 (Nr. 125)). 210 J anota : Wienhäuser Liederbuch, Sp. 1050. Ebenso auch I rtenkauf , Wolfgang: Rez. Das Wienhäuser Liederbuch, hrsg. v. Heinrich Sievers. In: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 28 (1956), S. 316-319. Er macht dafür auch süddeutsche Einflüsse im Wienhäuser Liederbuch geltend sowie die Erwähnung des Klosters Derneburg auf einem der Umschlagblätter (im Faksimile nicht abgebildet). 211 J anota : Wienhäuser Liederbuch, Sp. 1050: «Damit scheidet die Wienhäuser Äbtissin Katharina von Hoya aus, die bei Beginn der Reform unter Zwang am 27.11.1469 abgesetzt werden mußte.» Auch Kathrin A gricola urteilt so, 212 obwohl zumindest der erste Teil noch während Katharinas Amtszeit entstanden bzw. erworben sein könnte. Paul A lpers zitiert als Beleg einen Passus aus der Klosterchronik, der sich auf Susanna Pothstock bezieht: Sie hat auch zu Gottes Ehren viele Bücher bey das Kloster gebracht, deren etliche von den Brüdern in Hilden, etliche in Zell etliche von ihren Jungfrauen im Kloster sind geschrieben worden. als Ao. 1470 hat sie ein Buch darin Antiphone allerhand Gesänge auff dem Chor zur Winterzeit zu brauchen, schreiben laßen in Zell vor 42mk. Ao. 1471 noch eins zur Sommerzeit zu gebrauchen vor 44 mk. In eben dem Jahr noch 2 solcher Chor-gesang-Bücher jedes vor 25 fl. die in Hilden durch die Brüder in der Luchtehoveschen Versammlung 213 geschrieben, im Somer zu gebrauchen. 214 Er bringt diesen Eintrag mit dem Liederbuch in Verbindung. Die auch für andere Liederbücher typische, fehlende planvolle Anlage der Handschrift und die Nachträge deuten - zumindest was den zweiten Teil betrifft - eher auf eine sukzessive Sammlung für den eigenen Gebrauch hin als auf eine Auftragsarbeit. Auch die Bezeichnung ‹Antiphone› und die Unterscheidung zwischen Winter- und Sommerzeit sprechen eher für liturgische Bücher, wie sie häufig im Zuge der liturgischen Erneuerung in den reformierten Klöstern angeschafft wurden. 215 Johannes J anota mutmaßt, daß der lateinische Teil durch den Propst Heinrich Wettemann (1478-90), der den Nonnen nachweislich Buchgeschenke machte, nach Wienhausen gelangt sein könnte, zumal einige Merkmale auf einen Kleriker als Schreiber hinweisen, 216 «während der (vorwiegend) Literatur des Klosters Wienhausen 253 212 Das wird nicht begründet. Anscheinend hält man es für ausgeschlossen, daß «während der durch diesseitigen Lebensstil charakterisierbaren Amtszeit Katharinas von Hoya» dieser Teil entstanden sein könnte (vgl. vorhergehende Anm.). 213 Gemeint ist der Lüchtenhof in Hildesheim, der den Brüdern vom Gemeinsamen Leben angehörte (A lpers : Das Wienhäuser Liederbuch, S. 3). Die Fraterherren sind bekannt für ihre gewerbsmäßige Buchherstellung, gerade der Lüchtenhof war eines der «regsamsten Fraterhäuser» (B uzás : Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters. Wiesbaden 1975 (Elemente des Buch- und Bibliothekswesens 1), S. 84f.). 214 C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen , S. 26f. Die Einträge zu den Jahren 1472, 1475 und 1478 nennen weitere Buchanschaffungen. 215 Auch Peter K aufhold kommt zu dem Ergebnis, daß sich diese Stelle nicht auf das Liederbuch beziehen lasse, allerdings aus anderen Gründen: «Berücksichtigt man die Größe des Buches und die verschiedenen Schriftbilder, muss man zu der Feststellung kommen, dass es nicht für den ‹Gebrauch auf dem Chor› vorgesehen sein konnte, denn eine solche Verwendung lässt die Aufmachung nicht zu. Näher liegt die Vermutung, dass dieses Buch dem Privatgebrauch einzelner Nonnen, vielleicht der Äbtissin selbst, vorbehalten war, was nicht bedeuten soll, dass diese Lieder nicht auch in den klösterlichen Gottesdiensten gesungen wurden, denn die Gesänge waren im Gedächtnis lebendig» (Das Wienhäuser Liederbuch, S. 12). 216 «Die Gebetsbitte nach Nr. 7 Orate pro scriptore, der Eintrag nach Nr. 9 Hic nichil deficit nisi pulcra puella etc. Eyn clapstert de is des geldes wolle wert und der verschlüsselte mnd. Teil im Kloster selbst vom Reformgeist ab der Äbtissin Susanna geprägt sein dürfte. […] Auf diese neue Spiritualität deuten die ‹Strafpredigt› an die Nonnen (Nr. 60) und das gereimte Klostergelübde.» Paul A lpers und Johannes J anota erkennen im Wienhäuser Liederbuch dementsprechend Einflüsse der Devotio moderna. 217 Die weltlichen Lieder allerdings könnten - so Johannes J anota - «geistige Reflexe» aus der Amtszeit Katharinas von Hoya sein. 218 Diese Zuordnung scheint mir jedoch problematisch, da sie die Verhältnisse vor und nach der Reform zu sehr vereinfacht und die gut dokumentierten Aktivitäten Katharinas für das spirituelle Leben des Klosters außer Acht läßt. 219 Auch auf den Bericht des Reformers Johannes Busch kann sich diese Einschätzung nicht stützen, denn er kritisiert in erster Linie den - zu dieser Zeit aus wirtschaftlichen Gründen Normalität gewordenen - Privatbesitz der Nonnen, nicht etwa ihren weltlichen Lebensstil. 220 Zudem hat schon Walter S almen in seiner Rezension zur Faksimile-Ausgabe von Heinrich S ievers dessen allzu strenge Unterscheidung zwischen weltlich und geistlich kritisiert. 221 Auch wenn aufgrund der Wasserzeichen die Entstehung des zweiten Teils nach der Reform als gesichert gelten kann, stellt sich doch die Frage, ob die Reforminteressen den einzigen Erklärungsansatz für die Entstehung dieser Sammlung bieten. Zur Beurteilung der Situation im Kloster ist ein Eintrag in der Chronik von Bedeutung, der der von A lpers angeführten, oben zitierten Stelle vorausgeht: 254 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 (obszöne? ) lat. Spruch (Inc.: P cedit subitato venti s agitat p) deuten eher auf einen Kleriker als Schreiber.» (J anota : Wienhäuser Liederbuch, Sp. 1050). 217 Ebd., Sp. 1051; A lpers : Das Wienhäuser Liederbuch (1943/ 47), S. 3. Anja S roka fordert dagegen eine differenziertere Sicht, da sich die «mystische Glaubenshaltung im Wienhäuser Liederbuch» nicht allein aus der Devotio moderna, sondern aus verschiedenen religiösen Einflüssen speise (Mystik im Lied, S. 385ff.); kritisch zum Umgang mit dem Begriff der Devotio moderna auch Petrus B ecker : Benediktinische Reformbewegungen im Spätmittelalter. Ansätze, Entwicklungen, Auswirkungen. In: Untersuchungen zu Kloster und Stift. Hrsg. v. Max-Planck-Institut für Geschichte. Göttingen 1980 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 68; Studien zur Germania Sacra 14), S. 167-187, hier S. 171f., Anm. 16. 218 J anota : Wienhäuser Liederbuch, Sp.1050. Vgl. dazu auch A lpers , Paul: Weltliches im Wienhäuser Liederbuch. In: Jahrbuch für Volksliedforschung 12 (1967), S. 93-102. 219 Ausführlich zu Katharina von Hoya: H eutger , Nicolaus: Katharina von Hoya. Äbtissin von Wienhausen. In: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart 53 (1985), S. 49-52; D ers .: Zisterziensisches Wirken in Niedersachsen. Hildesheim 1993; H ucker , Bernd Ulrich: Die Grafen von Hoya. Ihre Geschichte in Lebensbildern. Hoya 1993 (Schriften des Instituts für Geschichte und historische Landesforschung, Vechta 2), S. 73-76. Instruktiv ist auch der Aufsatz von June L. M echam : Katharina von Hoya’s Saint Anne Chapel. Female Piety, Material Culture, and Monastic Space on the Eve of the Reformation. In: Frauen - Kloster - Kunst, S. 177-185. 220 L eerhoff : Wienhausen, S. 762f. 221 S almen , Walter: Rez. Das Wienhäuser Liederbuch, hrsg. v. Heinrich Sievers. In: Musikforschung 8 (1955), S. 365f. Nichts destoweniger hat die Hochgebohrne Hertzogin zu Braunschwg. und Lünebg. Anna von Nassau und der Probst Henricus Wetteman viel Visitirens und besuchens angestifftet durch Patres und Prediger, welche ohn Erlaubniß vom Bischoffe offt ins Kloster kamen und bald dieses bald jenes unter dem Schein der Vebeßerung entweder einführten oder abschafften, als unter andern daß die Hauptmeße, nicht, wie vorhin, von den Geistlichen und der Jungfrl. Versammlung sollte abgesungen werden; sondern allein von denen Jungfrauen. Auch daß keine Orgel und ander instrumental Music in der Mette und Vesper mehr sollte gehöret werden. Daß die Capelle St. Fabiani et Sebastiani umb sonderlicher Ursachen, die doch ungewiß und betrieglich erdichtet, sollte geschloßen seyn. 222 Dem ist zu entnehmen, daß das Liederbuch in einer Zeit entstanden ist, als durch die Reform die tradierte Form der Meßfeier verändert wurde, 223 nach den Bestimmungen der Reformer sollten sie «den weltlichen Gesang aufgeben und den Gesang des Ordens annehmen». 224 Entweder wurden die Lieder also gesammelt, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden - was mir angesichts der einzuführenden Zisterzienserliturgie weniger plausibel erscheint -, oder um in dem Moment, in dem das bislang mündlich Überlieferte in Gefahr gerät, aus dem Klosterleben verbannt zu werden, die bisherigen Traditionen zu bewahren. 225 Diese Deutung läßt sich durch einen Bericht im Konventstagebuch aus dem Zisterzienserinnenkloster Heilig-Kreuz bei Braunschweig stützen. Dort wird erzählt, daß die Äbtissin 1491 dem Konvent zum ersten Mal seit längerer Zeit erlaubte, Leinen zu schlagen; zu diesem Anlaß wurden traditionell Lieder gesungen. Die Nonnen bemühten sich, die alten Lieder wieder zu erinnern, aufzuschreiben und einzuüben. Während die Konventsmitglieder geistliche oder «etwas weniger weltliche» Lieder sangen, trugen die Mägde und Präbendarinnen auch weltliche Lieder vor. Die Verfasserin, eine Literatur des Klosters Wienhausen 255 222 C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen , S. 26. Zum Ablauf der Reform vgl. auch den Bericht von Johannes Busch (Des Augustinerpropstes Iohannes Busch Chronicon Windeshemense und Liber de reformatione monasterium. Hrsg. v. der Historischen Commission der Provinz Sachsen. Bearb. v. Karl Grube. Halle 1886 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete 19), S. 629-635. 223 Erst unter Katharina von Hoya hatte der Konvent eine neue Orgel in der Gemeindekirche errichten lassen (L eerhoff : Wienhausen, S. 762). 224 Ebd., S. 763. In der Visitationsurkunde (Klosterarchiv Wienhausen, Hs. 24 I Nr. 21) sind die entsprechenden Bestimmungen zum Gottesdienst festgehalten. Auch in Medingen verlor die Musik durch die Reform ihren hohen Stellenwert (R einhardt , U.: Medingen. In: Germania Benedictina XII, S. 518-547). 225 Heinrich S ievers bringt die Fixierung der Melodien mit den Erfordernissen des Gottesdienstes, insbesondere zu Ostern und Weihnachten, in Verbindung, an dem nicht nur die Nonnen, sondern auch die Laien teilnahmen (Die Melodien des Wienhäuser Liederbuchs, S. 43). Wolfgang I rtenkauf erklärt, daß Gesänge wie das Ave hierarchia im Gottesdienst im Anschluß an einen Choral ausgeführt wurden, hält es aber angesichts der Reform für fraglich, daß diese Bindung an den Gottesdienst in Wienhausen noch bestand (Einige Ergänzungen zu den lateinischen Liedern des Wienhäuser Liederbuchs (1470-80). In: Die Musikforschung 10 (1957), S. 217-225, hier S. 223). Nonne des nichtreformierten Klosters, berichtet weiter von der Empörung einer anwesenden Konversschwester aus dem reformierten Kloster Wöltingerode über dieses Fest. 226 Um hier zu fundierten Ergebnissen kommen zu können, bedürfte es entsprechender musikwissenschaftlicher Untersuchungen, wie sie Joachim F. A ngerer für die Auswirkung der Melker Reform auf die Musizierpraxis in den Klöstern durchgeführt hat, die bis dahin «die Fülle aller damals gebräuchlichen Musizierformen sowohl kannte, wie auch in der Praxis verwendete». 227 Mit Meßallegorese, Kirchweihtext und Osterspiel haben die Texte des Liederbuchs die Nähe zur Liturgie gemeinsam. Parallelen lassen sich auch in der Stoffgestaltung, insbesondere der ‹mystischen› Lieder erkennen, insofern hier über die Sprechergestaltung, über dialogische Strukturen und über den Wechsel von der distanzierten Narration zur Wir-Perspektive die Partizipation der Rezipientinnen erreicht werden soll. Nach Kathrin A gricola weisen diese Texte Merkmale auf, die verschiedene Rezeptionsformen nahelegen, sowohl den meditativen Nachvollzug als auch das emotionale Gemeinschaftserlebnis. Ihrer Meinung nach handelt es sich um «ein für die religiösen und emotionalen Bedürfnisse der Zielgruppe ‹maßgeschneidertes› Liederbuch [...], das mit der Intention zusammengestellt wurde, für verschiedene Lebenssituationen passende Texte bereit zu stellen». Bei ihrer Analyse der mystischen Lieder arbeitet sie die unterschiedlichen Identifikationsangebote heraus: «selbstbewußte, unbeirrte Seele mit dem Wunsch nach Einigung; Conversio einer schwachen und zögernden Seele, jubelndes Lied eines (Nonnen)Ichs, das sich mit der Heiligen Agnes als Braut Christi identifiziert». Zum Verständnis der Lieder sei mit der Kenntnis der Heiligen Schrift, der Kirchenväterschriften und der Hagiographie zu rechnen. Dazu kommen die «verinnerlichten Bilder des christlichen Heilsgeschehens mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, Darstellungen des himmlischen Jerusalem und von Begebenheiten aus dem Leben der Heiligen», die bei der Rezeption evoziert würden. 228 Sowohl hinsichtlich der vorausgesetzten Kenntnisse, als auch des auf die Wienhäuser 256 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 226 S chlotheuber : Klostereintritt und Bildung, S. 101ff. Sie bringt diesen Anlaß ebenfalls mit der Entstehung von Liederbüchern in den Frauenklöstern in Verbindung. 227 A ngerer , Joachim: Die liturgisch-musikalische Erneuerung der Melker Reform. Studien zur Erforschung der Musikpraxis in den Benediktinerklöstern des 15. Jahrhunderts. Wien 1974 (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 287,5; Veröffentlichungen der Kommission für Musikforschung 15); D ers .: Klösterliches Musikleben unter besonderer Berücksichtigung der Einflüsse der Melker Reform. In: Klösterliche Sachkultur des Spätmittelalters. Internationaler Kongress Krems an der Donau 18. bis 21. September 1978. Hrsg. v. Heinrich Appelt. Wien 1980 (Sitzungberichte der Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 367; Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterliche Realienkunde Österreichs 3), S. 279-303. 228 A gricola : ‹O here, giff my der leve brant› - mystische Lyrik im Wienhäuser Liederbuch, S. 145. Nonnen hin formulierte Identifikationsangebots zeichnen sich damit gewisse Parallelen zum Textcorpus der Hs. 3 ab. Zum Schluß möchte ich noch einmal auf die Frage nach dem Verhältnis von Latein und Volkssprache im Kloster zurückkommen. Die Gemischtsprachigkeit von Wienhäuser Osterspiel und Wienhäuser Liederbuch zeugt davon, daß sich die zweisprachige lateinisch-niederdeutsche Schriftkultur bis weit ins Spätmittelalter hinein fortsetzte. Dafür sprechen auch zwei Gebetbücher, die sich zwar nicht mehr in Wienhausen befinden, dem Kloster aber von Walther L ipphardt aufgrund der Patronate und des Datums der Kirchweihe zugeschrieben werden konnten. 229 Es handelt sich um eine «um 1330» datierte überwiegend lateinische Handschrift und eine «um 1530» entstandene größtenteils niederdeutsche Handschrift. 230 Die hier wie auch in etlichen Texten des Liederbuchs angewandte poetische Technik der Sprachmischung, als rhetorisches Mittel der Barbarolexis seit der Antike bekannt, findet sich beispiels- Literatur des Klosters Wienhausen 257 229 Am ausführlichsten hat sich Walther L ipphardt mit diesem Thema auseinandergesetzt, vgl. (u.a.) Die liturgische Funktion deutscher Kirchenlieder in den Klöstern niedersächsischer Zisterzienserinnen des Mittelalters. In: Zeitschrift für katholische Theologie 94 (1972), S. 158-198 und D ers .: Niederdeutsche Reimgedichte und Lieder des 14. Jahrhunderts in den mittelalterlichen Orationalien der Zisterzienserinnen von Medingen und Wienhausen. In: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 95 (1972), S. 66-131. Kritisch dazu: A chten , Gerard: De Gebedenboeken van de Cisterciënzerinnenkloosters Medingen en Wienhausen. In: Miscellanea Neerlandica 3 (1987), S. 173-188. Die Wienhäuser Gebetbücher sind besonders von June L. M echam untersucht worden, vgl. u.a.: A Northern Jerusalem: Transforming the Spatial Geography of the Convent of Wienhausen. In: Defining the Holy. Sacred Space in Medieval and Early Modern Europe. Ed. by Andrew Spicer a. Sarah Hamilton. Aldershot 2005, S. 139-160 und D ies .: Reading between the lines: compilation, variation, and the recovery of an authentic female voice in the Dornenkron prayer books from Wienhausen. In: Journal of Medieval History 29 (2003), S. 109-128. Nicht zugänglich war mir leider ihre Dissertation, die demnächst im Brill-Verlag (unter geändertem Titel) erscheinen wird: Sacred vision, sacred voice: Performative devotion and female piety at the convent of Wienhausen, circa 1350-1500. Diss. University of Kansas 2004. Eine umfassendere Untersuchung der Gattung «für die Wirkung auf die Erfahrungswelt und literarische wie künstlerische Produktion der Frauenklöster» steht allerdings noch aus (H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 128 und Anm. 33 mit weiteren Literaturangaben). 230 W1-WNH = Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek, ms. Helmst. 1297 und BE-WNH = Berlin, Ehem. Preußischer Kulturbesitz, ms. germ. 8° 265 (L ipphardt : Niederdeutsche Reimgedichte, S. 67). Seine Datierung ist allerdings von Gerard A chten in Zweifel gezogen worden (De Gebedenboeken van de Cisterciënzerinnenkloosters Medingen en Wienhausen; vgl. auch D ers. : Das christliche Gebetbuch im Mittelalter. Andachts- und Stundenbücher in Handschrift und Frühdruck. 2., verbesserte u. vermehrte Aufl. Wiesbaden 1987 (Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz. Ausstellungskataloge 13), S. 134f.). Die Schwierigkeiten der Datierung hat Walther L ipphardt bereits selbst thematisiert (Deutsche Kirchenlieder in einem niedersächsischen Zisterzienserinnenkloster des Mittelalters. In: Kerygma und Melos. Christhard Mahrenholz 70 Jahre. Hrsg. v. Walter Blankenburg [u.a.]. Kassel [u.a.] 1970, S. 310-318, hier Anm. 4). Kritisch zur Datierungsfrage auch H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 130 u. Anm. 42. weise auch in den Carmina burana und wird dort in Verbindung gebracht mit einem geistlich-gelehrten und damit lateinischsprachigen Publikum. Man kann daher auch diese Sprachmischung in den Orationalien und im Wienhäuser Liederbuch als Ausdruck einer selbstverständlichen lateinisch-(nieder)deutschen Zweisprachigkeit der Nonnen verstehen, zumal es sich bei den Gebetbüchern in der Regel um für den privaten Gebrauch bestimmte Handschriften handelt. Hier wird man schwerlich - wie bei den Liturgica - argumentieren können, daß die Nonnen die Texte zwar sprachen, aber nicht unbedingt verstanden. Tatsächlich konnte Eva S chlotheuber zeigen, daß in den norddeutschen Frauenklöstern der Lateinunterricht einen großen Stellenwert besaß. 231 6.5.5 «Textile Texte»: Die Bildteppiche als Zeugnisse der Literaturrezeption Das Kloster Wienhausen ist insbesondere durch seine mittelalterlichen Bildteppiche von unterschiedlicher Thematik bekannt geworden, von denen neun vollständig erhalten sind. Hier interessieren sie v.a. als Umsetzung von Texten ins Bildmedium und damit als Zeugnisse der Textrezeption, die zusätzlich Aufschluß über das Spektrum an Literatur im Kloster liefern. Aus Sicht der Handschrift 3 sind vor allem der nach Tanja K ohwagner -N ikolai um 1390 entstandene Teppich mit der Geschichte des Apostels Thomas und der vor 1469 gefertigte Anna-Teppich hervorzuheben, da sie auf den Legenden der LA basieren und damit - wie schon der Eintrag im Totenbuch gezeigt hat - von der fortdauernden Kenntnis und Wirkung der LA im Kloster zeugen. 232 Der Anna- Teppich enthält Szenen zu Geburt und Kindheit Marias bis zum Tempelgang, wie sie auch die Maria-Geburt-Legende der Hs. 3 bietet. Auch der zeitgleich mit letzterem gestickte Teppich, der die Vita der heiligen Elisabeth von Thüringen ins Bild setzt, führt die Legendenthematik fort. 233 Diese im monasti- 258 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 231 S chlotheuber : Klostereintritt und Bildung, Kap. 3.5.1 Die Sprachkompetenz der Nonnen in Nord- und Süddeutschland, S. 268-281; vgl. auch den instruktiven Aufsatz Sprachkompetenz und Lateinvermittlung. Die intellektuelle Ausbildung der Nonnen im Spätmittelalter. In: Kloster und Bildung im Mittelalter. Hrsg. v. Nathalie Kruppa u. Jürgen Wilke. Göttingen 2006 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 218; Studien zur Germania Sacra 28), S. 61-87. 232 K ohwagner -N ikolai : Niedersächsische Bildstickereien im Klosterstich (1300-1583), S. 213-218 und 240-244. Ihre Datierungen sind früher angesetzt als die älteren von Pia W ilhelm : Die Bildteppiche, S. 38f. (nicht vor 1410 bzw. um 1480); vgl. auch S chuette : Gestickte Bildteppiche und Decken des Mittelalters 1, S. 23 und 26. Aufgrund der Zusammensetzung der Heiligen Familie auf dem Anna-Teppich ist Marie S chuette sicher, daß der Text der LA zugrunde gelegen hat. Für die letzte Szene des Thomas-Teppichs, der in der Version der LA fehlt, nimmt sie die Kenntnis von Hermanns von Fritzlar Heiligenleben an (ebd., S. XVIII). Das bestätigt auch K ohwagner -N ikolai , die zudem auf die «Aktualität des Behangprogramms» durch das Heranziehen des erst zwischen 1343 und 1349 entstandenen Textes hinweist (S. 47f.). 233 K ohwagner -N ikolai : Niedersächsische Bildstickereien, S. 245-249; W ilhelm : Die Bildteppiche, S. 44f.; S chuette : Gestickte Bildteppiche und Decken des Mittelalters 1, S. 24-27. schen Leben fest verankerte Gattung ist also auch im Bild gut vertreten. Zu den frühesten Stücken gehören ein unvollständig erhaltener Propheten-Teppich mit lateinischen Schriftbändern sowie der von der Forschung besonders beachtete Tristan-Teppich I mit mittelniederdeutschem Text, die beide um 1300 entstanden sind. 234 Auf den Tristan-Teppich und seine beiden ‹Nachfolger› werde ich noch ausführlich zu sprechen kommen. Wichtig und durchaus charakteristisch für Wienhausen erscheint mir, daß am Beginn der Überlieferung lateinisch-geistliche und volkssprachig-weltliche Thematik nebeneinander stehen. Zu ergänzen sind noch ein Jagd-Teppich, ein scheinbar weltliches Thema, das aber auch eine geistliche Deutung zuläßt, 235 sowie ein Teppich des 15. Jahrhunderts, der die Illustrationen des Speculum humanae salvationis zu einer fortlaufenden Bilderfolge zusammenfügt. 236 Diese Teppiche gelten als Zeugnisse für die handwerklichen Fertigkeiten der Nonnen, die man in den meisten Fällen für die Ausführenden der Stickereien hält. Für die Nonnen des Klosters Lüne läßt sich dies anhand von eingestickten Namen auch belegen, 237 bei den Wienhäuser Teppichen ist dies nicht der Fall, auch wenn es durchaus Hinweise auf die Zugehörigkeit zum Kloster gibt. 238 Während die Herstellung der Teppiche durch die Nonnen nicht in Frage gestellt wird, nahm man im Hinblick auf die Konzeption der Teppiche in der Forschung bislang an, daß ein Künstler außerhalb des Klosters die entsprechenden Vorzeichnungen angefertigt hat und - sofern es sich um geistliche Themen handelt - ein Kleriker an der Gestaltung beteiligt war. 239 Das er- Literatur des Klosters Wienhausen 259 234 Zum Propheten-Teppich vgl. K ohwagner -N ikolai : Niedersächsische Bildstickereien, S. 189-191; W ilhelm : Die Bildteppiche, S. 27-29; S chuette : Gestickte Bildteppiche und Decken des Mittelalters 1, S. 14-16. T. K ohwagner -N ikolai vermutet, daß der vollständige Teppich eine Weltgerichtsszene in der Mitte zeigte, die im Mittelalter nicht selten mit den Propheten verbunden war, die hier durch «Themen wie Schuld, Sünde, Drohungen bei mangelnder Umkehr, Buße und Rettung an das Kommen des Jüngsten Gerichts» gemahnen. 235 A ppuhn : Kloster Wienhausen, S. 45; zum Teppich vgl. W ilhelm : Die Bildteppiche, S. 26f., S chuette : Gestickte Bildteppiche und Decken des Mittelalters 1, S. 20f. und K ohwagner -N ikolai : Niedersächsische Bildstickereien, S. 228-230, die dieser Deutungsmöglichkeit jedoch widerspricht. Es existiert außerdem noch das Reststück eines weiteren Jagd-Teppichs. 236 K ohwagner -N ikolai : Niedersächsische Bildstickereien, S. 219-227; W ilhelm : Die Bildteppiche, S. 30-35; S chuette : Gestickte Bildteppiche und Decken des Mittelalters 1, S. 16-20; ausführlich dazu K ohwagner -N ikolai , Tanja: Zur Funktion des Heilsspiegelteppichs in Kloster Wienhausen. In: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart 69 (2001), S. 105-137; zum Text: S tork , Hans-Walter/ W achinger , Burghart: Speculum humanae salvationis. In: 2 VL 9, 1995, Sp. 52-65. 237 A ppuhn , Horst: Bildstickereien des Mittelalters in Kloster Lüne. 2. Aufl. Dortmund 1984 (Die bibliophilen Taschenbücher 377), S. 12 und 98, Abb. S. 94f. 238 Zu nennen sind hier die Wappen, die sich auf mehreren Teppichen finden und die Darstellung des Klosterpatrons Alexander auf dem Anna-Teppich. 239 Vgl. z.B. F ouquet , Doris: Wort und Bild in der mittelalterlichen Tristantradition. Der älteste Tristanteppich von Kloster Wienhausen und die textile Tristanüberlieferung des forderliche Maß an theologischen Kenntnissen wurde den Nonnen nicht zugetraut. Auch die Vorstellung von einem Frauenkloster als klausuriertem Ort, in den künstlerische Kenntnisse und Neuerungen nicht oder nur mit Verzögerung eindringen konnten, trug und trägt noch immer zu dieser Einschätzung bei. «Schlechte Überlieferungslage, vor allem mangelnde schriftliche Zeugnisse, lassen häufig eine sichere Entscheidung, ob ein Kunstwerk im Kloster oder außerhalb entstanden ist, nicht zu. Auffällig ist freilich die Tendenz vor allem der älteren Kunstgeschichtsschreibung, Werke guter Qualität den Klosterfrauen abzusprechen, solche schlechterer als ‹typische Nonnenkunst› einzustufen.» 240 So erklärt es sich, daß - so Maria B ombek - die Wienhäuser Teppiche bislang nicht «[a]ls Quelle für die kulturhistorische Teilhabe von Frauen am Geschehen der Zeit» analysiert werden. 241 Die 2006 erschienene Dissertation von Tanja K ohwagner -N ikolai zu den niedersächsischen Bildstickereien im Klosterstich hat nun eine fundierte Basis für eine differenzierte Beantwortung dieser Fragen geschaffen. So lassen sich etwa für die Klostersticharbeiten - anders als bei anderen Kunstgattungen - in den Rechnungsbüchern keine Hinweise auf die Entlohnung externer Entwurfszeichner finden, so daß es wahrscheinlich ist, daß der gesamte Herstellungsprozeß im Kloster stattfand. 242 Auch betont sie die Bildung und die ikonographischen 260 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 Mittelalters. Berlin 1971 (Philologische Studien und Quellen 62), S. 62f. und - in Bezug auf den Thomas-Teppich - W ilhelm : Die Bildteppiche, S. 38. 240 S chraut , Elisabeth: Kunst im Frauenkloster. Überlegungen zu den Möglichkeiten im mittelalterlichen Kunstbetrieb am Beispiel Nürnberg. In: Auf der Suche nach der Frau im Mittelalter. Fragen, Quellen, Antworten. Hrsg. v. Bea Lundt. München 1991, S. 81- 114, hier S. 103. Vgl. z.B. die Argumentation von Marie Sch uette (Gestickte Bildteppiche und Decken des Mittelalters 1, S. XV): «In dem späteren Behang ist die gleiche Unbeholfenheit von Komposition und Zeichnung wie in dem ersten Stück. Diese Naivität ist die des Dilettanten. Die kunstbegabteste Nonne im Kloster Lüne hat die Zeichnungen nach den gelehrten Angaben des Propstes angefertigt. Die eigene schöpferische Leistung fehlt, in dem Kloster war von dem, was auf der Höhe der Zeit stand, nichts zu sehen [...].» Zur Beurteilung von Nonnenkunst vgl. H amburger , Jeffrey F.: Am Anfang war das Bild: Kunst und Frauenspiritualität im Spätmittelalter. In: Studien und Texte zur literarischen und materiellen Kultur der Frauenklöster im späten Mittelalter, S. 1-43, bes. S. 15f. Allgemein zum Thema: B orst , Arno: Frauen und Kunst im Mittelalter. In: Ders.: Barbaren, Ketzer und Artisten. Welten des Mittelalters. München/ Zürich 1988, S. 397- 408; O pitz , Claudia: Evatöchter und Bräute Christi. Weiblicher Lebenszusammenhang und Frauenkultur im Mittelalter. Weinheim 1990, bes. S. 109-128. 241 B ombek , Marita: «9 wollene Fürleger». Gestickte Bildteppiche des Mittelalters im Frauenkloster Wienhausen als «Memoria» einer höfischen Zeit. In: Flores considerationum amicorum. Festschrift für Carl August Lückerath zum 70. Geburtstag am 13. Dezember 2006. Hrsg. v. Wolfgang Hasberg u. Josef Schröder. Gleichen/ Zürich 2006, S. 15-44. Sie bietet in ihrem Aufsatz zunächst eine gute Einführung zu den Textilien und ihrer Bedeutung für die Frauengeschichte. 242 K ohwagner -N ikolai : Niedersächsische Bildstickereien, S. 35. Die wenigen Quellen zum Entwurf der Teppiche stützen diese These. Vgl. auch D ies .: Gestickte Bildteppiche. Entstehungsbedingungen, Verwendung und ihre Funktion. In: Kloster und Bildung im Fähigkeiten der Frauen, die ihnen etwa «eine selbstständige Auseinandersetzung mit den verschiedensten Themen, die Gestaltung neuer Programme und das eigenständige Umsetzen von Vorbildern in ein anderes Material» ermöglichten, sowie die handwerklich-künstlerischen Fähigkeiten bei der Umsetzung der Entwürfe. Sie kritisiert auch die abwertende Beurteilung hinsichtlich der Qualität der Klostersticharbeiten, die zu wenig die arbeitsteilige Herstellung berücksichtige. Nicht zuletzt zeugen die Teppiche auch von den Kenntnissen der Nonnen, die sich auch nicht scheuten, durch die Bilder Stellung in theologischen Fragen zu nehmen. 243 Auch die auf den Teppichen befindlichen Texte hat sie genau untersucht und darauf hingewiesen, daß es wichtig ist, bei der Bewertung der Schrift zwischen Vorzeichnung und der Stickerei selbst zu unterscheiden. Beim Sprach- und Schriftniveau sieht sie eine Abnahme nach der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, soweit die bruchstückhafte Überlieferung vor der Reform eine Aussage zuläßt. 244 Ihre Untersuchung macht «wahrscheinlich, daß sich in vielen Frauenklöstern ‹Schulen textiler Kunst› als Parallele zu Schreib- und Malschulen nachweisen lassen, die - zumindest was Wienhausen angeht - über eineinhalb Jahrhunderte hinweg tätig waren.» Gewissen Anstoß nahm man daran, daß sich in einem mittelalterlichen Frauenkloster ausgerechnet drei Tristan-Teppiche (Abb. 15-17) erhalten haben, 245 weshalb in Erwägung gezogen wurde, es könne sich um (nicht abgelieferte) Auftragsarbeiten gehandelt haben oder die Teppiche seien für die herzoglichen Räume im Kloster bestimmt gewesen. 246 Daß jedoch gleich drei Teppiche aus verschiedenen Abschnitten des 14. Jahrhunderts erhalten sind, Literatur des Klosters Wienhausen 261 Mittelalter. Hrsg. v. Nathalie Kruppa u. Jürgen Wilke. Göttingen 2006 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 218; Studien zur Germania Sacra 28), S. 177-196. 243 K ohwagner -N ikolai : Niedersächsische Bildstickereien, S. 39, 45, 108 und 50. 244 Ebd., S. 55f. und 62. 245 Zu den Tristan-Teppichen vgl. ebd., S. 192-212; S chuette : Gestickte Bildteppiche und Decken des Mittelalters 1, S. 3-13; W ilhelm : Die Bildteppiche, S. 6-23; O tt , Norbert H.: Bildstruktur statt Textstruktur. Zur visuellen Organisation mittelalterlicher narrativer Bilderzyklen. Die Beispiele des Wienhausener Tristanteppichs I, des Münchner ‹Parzifal› Cgm 19 und des Münchner ‹Tristan› Cgm 51. In: Bild und Text im Dialog. Hrsg. v. Klaus Dirscherl. Passau 1993 (Passauer Interdisziplinäre Kolloquien 3), S. 53-70. I wurde bisher auf um 1300, II auf um 1330 und III auf letztes Drittel des 14. Jahrhunderts datiert. Tanja K ohwagner -N ikolai hat das revidiert und setzt Tristan II nun auf «um 1300» an, Tristan I auf «um 1330» und Tristan III auf «um 1350-1360». Gründe für die Neudatierung liegen u.a. in Parallelen zu anderen Teppichen. 246 Vgl. R iggert : Die Lüneburger Frauenklöster, S. 291f., vgl. auch W ilhelm : Die Bildteppiche, S. 6f. Anders dagegen A ppuhn : Kloster Wienhausen (1986), S. 36. Marita B ombek hat zuletzt eine geistliche ‹Lesart› des Tristan-Teppichs in Erwägung gezogen und auch seine Datierung (und damit seine Funktion) in Frage gestellt. Doch keinem von beiden Aspekten geht sie in ihrem Aufsatz konsequent nach, noch bringt sie konkrete und fundierte Belege für diese Thesen («9 wollene Fürleger», bes. S. 32-38). scheint mir damit nicht hinreichend erklärt zu sein. In Anbetracht der (hoch)adeligen Abstammung etlicher Konventualinnen und Äbtissinnen, insbesondere des 14. Jahrhunderts, sollte das Interesse an höfischer Literatur grundsätzlich nicht verwundern. 247 Dazu kommt, daß ein weiterer, um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstandener und dem Tristan-Teppich III verwandter Teppich, der Passagen aus der zweiten Gawan-Partie von Wolframs von Eschenbach Parzival ins Bild setzt, Wienhausen zugesprochen wird. 248 Sowohl Sarah R omeyke als auch Tanja K ohwagner -N ikolai haben zuletzt eine geistliche Lesart in Erwägung gezogen. Sarah R omeyke hat versucht, aus einer genauen und aufschlußreichen Analyse des Verhältnisses zwischen Schriftbändern und Bilderfolge heraus, bei der sie auch die einer eigenen Intention folgenden Akzente der keineswegs unzulänglichen Umsetzung der Geschichte in das neue Medium aufzeigt, die Möglichkeiten einer geistlichen Deutung auszuloten. 249 Der Gewinn ihres Erklärungsansatzes scheint mir darin zu liegen, daß er die Profanität der Tristan-Geschichte nicht einfach zum Verschwinden bringt, sondern ein für die Frauenklöster durchaus charakteristisches Spannungsverhältnis zwischen Weltlichem und Geistlichem konstatiert. Sie resümiert: «Die Thematik dabei weder entschärfend noch die eigenen Bedürfnisse bloß kompensierend, zeugt ihre Darstellung und Assimilierung an den religiösen Kontext vielmehr von dem hohen Bewußtsein um die gewaltige erotische Potenz des Stoffes und seiner Bilder, sein Vermögen der Gefühlserzeugung und -steigerung, wenn man ihn für die Beschreibung der eigenen liebesmystischen Visionen in Dienst nimmt.» 250 Dennoch bleibt die Skepsis, ob nicht 262 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 247 Die Übersicht von Hella F rühmorgen -V oss über mittelalterliche Tristan-Bildzeugnisse zeigt, daß Wienhausen durchaus nicht das einzige Kloster war, in dem dieser Stoff im Bildmedium präsent war (Tristan und Isolde in mittelalterlichen Bildzeugnissen. (Katalog der Tristan-Bildzeugnisse zusammengestellt v. Norbert H. Ott). In: Dies.: Text und Illustration im Mittelalter. Aufsätze zu den Wechselbeziehungen zwischen Literatur und bildender Kunst. Hrsg. u. eingel. v. Norbert H. Ott. München 1975, S. 119-171). 248 K ohwagner -N ikolai : Niedersächsische Bildstickereien, S. 261-264. Der Teppich befindet sich heute im Herzog Anton Ulrich Museum in Braunschweig. 249 R omeyke , Sarah: Bildern folgen und zwischen den Zeilen lesen. Der Tristanteppich I von Wienhausen. In: Kunst der Bewegung. Kinästhetische Wahrnehmung und Probehandeln in virtuellen Welten. Hrsg. v. Christina Lechtermann u. Carsten Morsch. Bern [u.a.] 2004 (Publikationen zur Zeitschrift für Germanistik N.F. 8), S. 243-266. Allerdings hat sie in einem neuen Aufsatz ihre These revidiert. Ausgehend von der Feststellung, daß die dargestellte Handlung «stark von juristischen Aspekten getragen» sei, kommt sie nun zu dem Ergebnis, daß «Verbundenheit mit den weltlichen Rechtsvertretern» demonstriert werden sollte; «man erinnerte diese zugleich an ihre Pflicht, die geistlichen Gemeinschaften schützen zu wollen.» Dafür sprächen auch die Wappendarstellungen auf den Teppichen («Pactum pacis» - Der Tristan im Kloster Wienhausen. In: Frauen - Kloster - Kunst, S. 255-264). 250 Die These von Tanja K ohwagner -N ikolai , daß eine potentiell christliche Deutung des Tristan wie des Parzival - etwa die Deutung der Ritter als miles Christi und der Artus- Figur als Typus Christi im Verständnis der Mystik - die Existenz der Teppiche im Kontext eines Klosters erklären könne, scheint mir hingegen nicht überzeugend. Die Figuauch dieser Erklärungsansatz dem Skandalon der ehebrecherischen Tristan- Liebe im Nonnenkloster die Spitze nehmen soll. Die formale Nähe der Wienhäuser Legenden zur höfischen Epik, sowie das ‹weltliche› Liedgut im später entstandenen Wienhäuser Liederbuch sind jedoch weitere Belege für die Kenntnis ‹profaner› Literatur im Kloster. Grundsätzlich spricht dies dafür, daß man die Erwartungen hinsichtlich des literarischen Interesses in den Frauenklöstern nicht zu eng fassen sollte und überhaupt die Grenze zwischen weltlicher und geistlicher Literatur weniger scharf zu ziehen ist. Vergleichbare Beispiele finden sich auch in anderen norddeutschen Klöstern, wie z.B. die Leidener Wigalois-Handschrift, die 1372 von dem Mönch Jan von Brunswik des nicht weit entfernten Zisterzienserklosters Amelungsborn geschrieben und illustriert wurde, der sich namentlich nennt und in der letzten Miniatur selbst abbildet. In diesem Fall ist allerdings die Bestimmung bekannt: Sie wurde im Auftrag Herzog Albrechts II. von Braunschweig-Grubenhagen gefertigt. Nikolaus H eutger weist auf die Ähnlichkeit der Illustrationen mit den Wienhäuser Teppichen hin, sowie auf die Existenz eines Artusepik-Bruchstücks aus dem Zisterzienserkloster Loccum und führt diesen «Einzug ritterlich-höfischer Kulturelemente in die Mauern der niedersächsischen Zisterzienserklöster» auf die adlige Herkunft der Mönche und Nonnen zurück. 251 Es bleibt jedoch die Frage, warum gerade der Tristrant Eilharts von Oberg ausgewählt und im Laufe des 14. Jahrhunderts noch zweimal ‹aktualisiert› wurde. 252 Tanja K ohwagner -N ikolai erwägt die Möglichkeit, daß sie aus An- Literatur des Klosters Wienhausen 263 ren werden hier nicht aus ihrem ursprünglichen Kontext gelöst, vielmehr beziehen sich die Bildfolgen auf umfangreiche Textpartien, die eine solche Deutung nicht nahelegen. Nachvollziehbar ist für mich auch nicht ihre Auffassung der Liebe von Tristan und Isolde: sie «konnte durch die Standhaftigkeit und Enthaltsamkeit [? ] der beiden unschuldig durch den Liebestrank Verbundenen als keusch und rein interpretiert werden». In der von ihr - offensichtlich ohne Kenntnis germanistischer Forschung - als Beleg herangezogenen Passage des Tristan-Prologs (Ir leben, ir tôt sint unser brôt./ sus lebet ir leben, sus lebet ir tôt./ sus lebent si noch, und sint doch tôt/ und ist ir tôt der lebenden brôt, V. 237-240 Gottfried von Straßburg: Tristan. Hrsg. v. Rüdiger Krohn. Bd. 1. 7. Aufl. Stuttgart 1996 (Reclams Unviersal Bibliothek 4471)) geht es Gottfried keineswegs darum, eine geistliche Deutung nahezulegen, vielmehr werden - wie auch in der Allegorese der Minnegrotte - die sakrale Metaphorik und Hermeneutik eingesetzt, um den eigenen profanen Gegenstand in höchstem Maße aufzuwerten. Auch kann sie in den Bildern selbst wenig konkrete Anhaltspunkte für ihre These beibringen (Niedersächsische Bildstickereien, S. 195 und S. 262f.; D ies .: Bildteppiche - weit mehr als nur Schmuck. Themen und Funktionen niederdeutscher Klostersticharbeiten des Mittelalters. In: Frauen - Kloster - Kunst, S. 247-254). 251 H eutger , Nicolaus: Kloster Amelungsborn in der deutschen Literaturgeschichte. In: Kerygma und Melos, S. 512-517; ausführlich zu dieser Handschrift und ihren politischen Implikationen Z iegeler : Das Glück der Welfen, dort auch eine ausführliche Beschreibung des heute in Leiden befindlichen Codex Ltk 537 (S. 171-179). 252 Die Bestimmung von Eilharts Tristrant (E ilhart von O berg : Tristrant und Isalde. Mittelhochdeutsch/ neuhochdeutsch v. Danielle Buschinger u. Wolfgang Spiewok. Greifswald 1993 (Wodan 27, Texte des Mittelalters 7)) als Textvorlage ist allerdings aufgrund von laß einer Profeß, verstanden als ‹Hochzeit› der Nonne mit ihrem Bräutigam Christus, hergestellt wurden und sich so ein Bezug herstellt zu den Hochzeitsszenen des Tristan-Teppichs III. Wappendarstellungen und weltliche Thematik erklärten sich aber auch daraus, daß an diesem Tag auch die Verwandten der professa Zutritt zur Klausur hatten und die Wappen des Teppichs «die Zusammensetzung des Konvents und verwandtschaftliche Beziehungen zum Braunschweig-Lüneburgischen Herzogshaus zeigen.» 253 Konkreter Anlaß könnte die Aufnahme der späteren Äbtissinnen und Töchter Ottos II. von Braunschweig-Lüneburg, Luthgard und Jutta gewesen sein. In diesem Zusammenhang ist noch einmal daran zu erinnern, daß die Welfen in der Eilhart- Forschung als dessen mögliche Lehnsherren und Mäzenaten diskutiert werden, und gerade im 14. Jahrhundert ist die Präsenz der welfischen Familie im Kloster gut dokumentiert. 254 Zuletzt hat Volker M ertens die von einigen stark bezweifelte These, daß der Autor mit dem urkundlich bezeugten Eilhart identisch und Ministeriale der Bischöfe von Hildesheim und der Welfen im Dorf Oberg bei Braunschweig gewesen sei, 255 noch einmal stark gemacht. 256 Aus 264 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 Abweichungen immer wieder in Frage gestellt worden. Jürgen R icklefs faßt die ältere Forschung zu dieser Frage zusammen und geht selbst soweit anzunehmen, daß den Entwürfen der Text «in der Gestalt der um 1150 anzusetzenden französischen Estoire oder einer ihr nahestehenden, nicht erhaltenen Fassung vorgelegen» habe (Der Tristanroman der niedersächsischen und mitteldeutschen Tristanteppiche: In: Niederdeutsches Jahrbuch 86 (1963), S. 33-48). Doris F ouquet hält aufgrund der Vorliebe für Märchenmotive mündliche Einflüsse für entscheidend (Wort und Bild in der mittelalterlichen Tristantradition, S. 155-173). Norbert H. O tt geht die Differenzen zwischen Text- und Bildmedium von einer anderen Seite an: Angestrebt wurde nicht eine bloße Illustrierung des Textes, sondern eine «allein den Strukturprinzipien des Mediums Bildkunst verpflichtete[ ]Realisierung» (Bildstruktur statt Textstruktur, S. 70). Bildliche Darstellungen des Tristanstoffs in Deutschland gehen jedenfalls weit häufiger auf Eilharts Fassung zurück, dies gilt insbesondere für die Teppiche aus Nord- und Mitteldeutschland (F rühmorgen - V oss : Tristan und Isolde in mittelalterlichen Bildzeugnissen, S. 122f.). 253 K ohwagner -N ikolai : Niedersächsische Bildstickereien, S. 195f. 254 Vgl. Kap. 6.3. 255 Ein Eilhardus de Oberch ist mehrfach urkundlich zwischen 1189 und 1209 bezeugt (insgesamt in 11 Urkunden von Heinrich dem Löwen, Pfalzgraf Heinrich, Kaiser Otto IV. und im Güterverzeichnis des Grafen Siegfried II. von Blankenburg); er gehörte einem Ministerialengeschlecht an, das im Dorf Oberg bei Braunschweig ansässig war und den Bischöfen von Hildesheim und den Welfen diente (M ertens , Volker: Eilhart, der Herzog und der Truchseß. Der ‹Tristrant› am Welfenhof. In: Tristran et Iseut, Mythe européen et mondial. Actes du colloque des 10, 11 et 12 janvier 1986. Publ. par Danielle Buschinger. Göppingen 1987 (GAG 474), S. 262-281, hier S. 262f.; vgl. auch D ers .: Deutsche Literatur am Welfenhof. In: Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125-1235. Katalog der Ausstellung Braunschweig 1995. Bd. 2. Hrsg. v. Jochen Luckhardt u. Franz Niehoff. München 1995, S. 204-212, hier S. 207ff.). 256 Werner S chröder hat dagegen eingewandt, daß der Autor im östlichen Sachsen nicht die französische Vorlage hätte bekommen können, daß der Text den «eher geistlich gerichteten Interessen Heinrichs des Löwen» nicht entspreche und «daß eine greifbare Wirkung von E.s Werk in seiner Heimat erst reichlich ein Jahrhundert später mit dem ältedieser Identifizierung folgt für ihn auch die Auftraggeberschaft der Welfen, denn «als Ministeriale konnte sich der Autor nicht frei bewegen, sondern war an seinen Ort gebunden; ein anderer Hof kommt also nicht in Frage; wenn man von einer Spätdatierung um 1190 ausgeht, kann der bezeugte Eilhart selbst der Autor sein.» 257 Er weist außerdem auf Merkmale des Tristrant hin, die durchaus zu den literarischen Interessen der Welfen passen, wie die Darstellung politischer, staatsrechtlicher Vorgänge, die Schilderung von Kämpfen und Abenteuern, die auch im Rolandslied und im Herzog Ernst eine Rolle spielen, die Themen Erbfolge und Vasallentreue und die eher kritische Darstellung leidenschaftlicher Liebe. 258 Insbesondere die Liebesthematik läßt ihn Literatur des Klosters Wienhausen 265 sten Tristan-Teppich Wienhausen A erkennbar wird.» (W olff , Ludwig/ S chröder , Werner: Eilhart von Oberg. In: 2 VL 2, 1980, Sp. 410-418, hier Sp. 410f.). Ablehnend äußert sich auch Georg S teer , der sich insgesamt pessimistisch zu der Heinrich dem Löwen als Gönner zuzuschreibenden Literatur äußert. M ertens ’ Argumente werden von ihm leider nicht kommentiert (Literatur am Braunschweiger Hof Heinrichs des Löwen. In: Die Welfen und ihr Braunschweiger Hof im hohen Mittelalter. Vorträge gehalten anläßlich des 33. Wolfenbütteler Symposions vom 16. bis 19. Februar 1993 in der Herzog August Bibliothek. Hrsg. v. Bernd Schneidmüller. Wiesbaden 1995 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 7), S. 347-375, hier S. 350-352 und 355f.). Kritisch auch Helmut de B oor : Die Höfische Literatur. Vorbereitung, Blüte, Ausklang. 1170-1250. 11. Aufl. bearb. v. Ursula Hennig, München 1991 (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart 2), S. 32f. Peter S trohschneider hält Volker M ertens ’ Argumente immerhin für «im einzelnen sehr bemerkenswert» (Herrschaft und Liebe. Strukturprobleme des Tristanromans bei Eilhart von Oberg. In: ZfdA 122 (1993), S. 36-61, hier S. 37, Anm. 9). Danielle B uschinger und Wolfgang S piewok teilen im Prinzip die Auffassung von Volker M ertens (Tristan und Isolde, S. 336). Schließlich hat schon Joachim B umke darauf hingewiesen, daß «der Dichtername Eilhart von Oberg und seine historische Bezeugung in der Braunschweiger Ministerialenfamilie der einzige Punkt» sei, «der historisch verifiziert werden kann» (Mäzene im Mittelalter. Die Gönner und Auftraggeber der höfischen Literatur in Deutschland 1150-1300. München 1979, S. 112). 257 Die Identifizierung des Autors mit der in den Urkunden genannten Person zieht also eine Entscheidung für die - ebenfalls umstrittene - Spätdatierung des Tristrant nach sich und damit eine andere literarhistorische Verortung (M ertens : Eilhart, der Herzog und der Truchseß, S. 263-265; zur Datierung und Lokalisierung vgl. auch B umke : Mäzene im Mittelalter, S. 108-113). Bernd Ulrich H ucker , der sich in mehreren Studien mit Otto IV. beschäftigt hat, geht noch weiter: Aufgrund der letzten urkundlichen Erwähnung Eilharts 1212, inhaltlicher Parallelen zwischen der Belagerung von Chaluz im Text und dem Tod von Richard Löwenherz 1199 hält er eine Entstehung «gegen 1208» nach dem Ende des Thronstreits am Königshof für wahrscheinlich (Literatur im Umkreis Kaiser Ottos IV. In: Die Welfen und ihr Braunschweiger Hof im hohen Mittelalter, S. 377-406, hier S. 383). 258 M ertens : Eilhart, der Herzog und der Truchseß, S. 265-270. Zur Qualität dieser Liebe und zum Verhältnis von Liebe und Herrschaft im Tristrant vgl. Peter S trohschneider : Herrschaft und Liebe. Strukturprobleme des Tristrantromans bei Eilhart von Oberg. In: ZfdA 122 (1993), S. 36-61. Kritisch zu M ertens ’ Einschätzung der Liebesdarstellung Monika S chausten : Erzählwelten der Tristangeschichte im hohen Mittelalter. Untersujedoch fragen, wer außer Heinrich dem Löwen selbst und seiner Frau 259 als Auftraggeber in Frage käme. Dies führt ihn zu Jordan von Blankenburg, dem ersten welfischen Seneschall. Indizien im Text sind für ihn die Darstellung des Truchsessen im Text, die Übersetzung Blankenland für La Blanche Lande (als mögliche Anspielung auf dessen Sitz) sowie die Kenntnis der beiden Michelssteine in Frankreich und in Cornwall, auch des präzisen französischen Namens - Jordan hatte Heinrich den Löwen ins englische Exil begleitet, das sie über die Normandie führte. 260 Volker M ertens diskutiert auch eine mögliche Verbindung zwischen dem Text und der zur «Liebesgeschichte» stilisierten ersten Ehe des Pfalzgrafen Heinrich mit Agnes von Staufen. 261 Gesetzt den Fall, daß der Autor des Tristrant tatsächlich mit jenem welfischen Ministerialen identisch und sein Gönner im Kreis der Welfenfamilie zu suchen ist (womöglich sogar der Wienhausen-Stifter Pfalzgraf Heinrich selbst), dann wäre es weniger verwunderlich, daß das «erste Überlieferungszeugnis aus dieser Gegend», der Tristan- Teppich I, in einem Hauskloster der Familie auftaucht. Stützen läßt sich diese These auch durch die Wappenreihen auf dem Teppich, die deutlich auf die Welfenfamilie und ihre genealogischen Beziehungen verweisen und fast ebenso breit sind wie die Bildreihen selbst. 262 Für Wienhausen bedeutete dies ein zusätzliches Argument für die anhaltend enge Beziehung zur Stifterfamilie und deren (indirekten) Einfluß auf Literatur und Ausstattung des Klosters. Zum Vergleich möchte ich kurz die Ergebnisse von Tanja K ohwagner - N ikolai zu dem bereits erwähnten Speculum humanae salvationis-Teppich heranziehen (Abb. 18). Im Hinblick auf die Literatur des Klosters ist ihre Beobachtung interessant, daß es sich um das einzige Beispiel einer anderen 266 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 chungen zu den deutschsprachigen Tristanfassungen des 12. und 13. Jahrhunderts. München 1999 (Forschungen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur 24), S. 88. Zur dieser Thematik vgl. auch K eck , Anna: Die Liebeskonzeption der mittelalterlichen Tristanromane. Zur Erzähllogik der Werke Bérouls, Eilharts, Thomas’ und Gottfrieds. München 1998 (Beihefte zu Poetica 22). 259 Mathilde, Tochter Eleonores von Aquitanien, wurde ebenfalls als Gönnerin ins Spiel gebracht; zum Zeitpunkt der Spätdatierung war sie jedoch bereits tot (vgl. B umke : Mäzene im Mittelalter, S. 111). 260 M ertens : Eilhart, der Herzog und der Truchseß, S. 270-275. 261 Vgl. dazu von H einemann : Heinrich von Braunschweig, Pfalzgraf bei Rhein, S. 36f. 262 «Die 37 Wappen weisen auf die politischen und verwandtschaftlichen Beziehungen des Auftraggebers und auf das braunschweig-lüneburgische Herzogshaus hin. Erste Wappenreihe: 1. Deutsches Reich. 2. Herzogtum Braunschweig. 3. Frankreich. 4. Böhmen. 5. Griechenland. 6. Portugal. 7. Ungarn. 8. Monteini. 9. Bretagne. 10. König Artus. Zweite Wappenreihe: 1. Priester Johann oder der Sultan von Babylon. 2. Kastilien. 3. Bosnien. 4. Landsberg. 5. England. 6. Alt-Schweden. 7. Schotten. 8. Hohenfels. 9. Ungedeutet. Dritte Wappenreihe: 1. Thüringen. 2. Sachsen. 3. Bayern. 4. Pfalz. 5. Lüneburg. 6. Österreich. 7. Schlesien. 8. Pommern. 9. Bruchhausen. Vierte Wappenreihe: 1. Anhalt. 2. Lippe. 3. Öttingen. 4. Woldenberg. 5. Wernigerode. 6. Eberstein. 7. Henneberg. 8. Rügen. 9. Hohenberg.» (W ilhelm : Die Bildteppiche, S. 15 nach F ouquet : Wort und Bild in der mittelalterlichen Tristantradition, S. 140ff., die sich auf weitere Vorarbeiten stützen kann). Kunstgattung handelt, das die Illustrationen der Heilsspiegel-Handschriften vollständig umsetzt. 263 Die Existenz einer solchen Handschrift im Kloster hält sie für nicht unwahrscheinlich. Entstehungszeit und Wappenauswahl des Teppichs deuten auf die Äbtissin Katharina von Hoya als Auftraggeberin hin. In diesem Zeitraum ist auch eine Spende ihrer ebenfalls im Kloster lebenden Mutter für einen großen Teppich belegt, so daß die Stiftung durch diese beiden Frauen als wahrscheinlich gelten kann. 264 Dem Kloster wurde also ein kostbarer Teppich - ähnlich wie ein Buch oder ein Glasfenster - gestiftet, und anstelle einer Abbildung der Person wählte man die Wappen, um die Stifter kenntlich zu machen. Zudem dürfte die Plazierung der Wappen zwischen die abschließenden Szenen von der Kreuzabnahme über die Auferstehung bis zum Jüngsten Gericht, die nicht als horizontale Bildreihe, sondern als umlaufende Bordüre konzipiert sind, keinesfalls zufällig sein. Vielmehr rücken sie die durch die Wappen repräsentierten Familien in die Nähe des dargestellten Heilsgeschehens. Angesichts der weiteren im Kloster befindlichen Teppiche mit Wappen, dem Tristan-Teppich I, dem Propheten-Teppich und dem Jagd-Teppich I (Abb. 19 u. 20), gewinnt man den Eindruck, hier werde eine bereits bestehende Tradition fortgesetzt. Dann müßte man auch die Wappen der anderen Teppiche als Hinweise auf ihre Stifter deuten, die ebenfalls im Umkreis der Herzogsfamilie zu suchen wären. Bei den Tristan-Teppichen würde es sich demnach nicht um Arbeiten der Nonnen handeln, die das Kloster verlassen sollten, sondern um Stiftungen für das Kloster. 265 Die Frage nach der konkreten Verwendung im Kloster ist damit freilich noch nicht geklärt. Für den Heilsspiegel-Teppich stellt Tanja K ohwagner -N ikolai aufgrund von Gebrauchsspuren und Thematik die These auf, daß der Teppich in der Fastenzeit vor den Altar gehängt wurde. 266 Ein vergleichbarer Gebrauch ist zwar Literatur des Klosters Wienhausen 267 263 Beispiele für die Wirkung des Speculum humanae salvationis in anderen Gattungen bei S tork / W achinger : Speculum humanae salvationis, Sp. 63f. 264 Ein Beleg findet sich im Notizbuch der Äbtissinnen (KlA Wienhausen 33/ 1,1): 1 lodighe mark ... vor de grote toppet de ore moder un se to samede uth ghewen (zit. nach K ohwag ner -N ikolai : Zur Funktion des Heilsspiegel-Teppichs in Kloster Wienhausen, Anm. 5), ein weiterer im Nekrolog: 23. Febr. Es starb Gräfin Mechthildis de Hoye seligen Andenkens. Sie schenkte uns vier Gulden, drei für einen Teppich und einen für silberne Fläschchen, eine Alba und eine sehr schöne Chorkappe (C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen , S. XLII). Anders verhält es sich mit einem um 1500 entstandenen (gewirkten) Teppich, der das Motiv des Einhorns zeigt, das in den Schoß der Gottesmutter flieht. Darüber befindet sich das Wappen der Äbtissin Katharina Remstede. Horst A ppuhn macht plausibel, daß er als Rücklaken für den noch erhaltenen Äbtissinnen-Thron in Wienhausen genutzt wurde (Der Wappenteppich der Äbtissin Katharina Remstede im Kloster Wienhausen, eine Lüneburger Wirkerei von 1501. In: Lüneburger Blätter 11/ 12 (1961), S. 9-11). 265 Zur Funktion der Bildteppich «als besondere Form weiblicher Memoria und Historiographie» vgl. ausführlich K ohwagner -N ikolai : Niedersächsische Bildstickereien im Klosterstich, S. 141-143 und 145-151. 266 K ohwagner -N ikolai : Zur Funktion des Heilsspiegelteppichs in Kloster Wienhausen, S. 121-132; in einem umfassenderen Kontext behandelt sie diese Frage auch in ihrer Disbei den Tristan-Teppichen nicht denkbar, vorstellbar ist aber vielleicht neben den bisherigen Vorschlägen eine Nutzung als Anniversarteppich, wie er aus dem 14. Jahrhundert für die Grafen von Mansfeld im Kloster Sittichenbach belegt ist. 267 Dies könnte das gemeinsame Interesse von Kloster und Stifter an einem solchen Teppich vielleicht erklären. Zwar ist es keineswegs abwegig, daß sich die Nonnen auch für weltliche Literatur interessierten, doch die Überlieferung dreier Teppiche mit demselben weltlichen Thema in einem Kloster, aus dem ansonsten m.W. nur Ausstattung oder Texte erhalten sind, die zumindest in einem geistlichen Kontext stehen - wie die ‹weltlichen› Lieder im Wienhäuser Liederbuch -, legt einen besonderen Grund für diese Tatsache nahe. 6.5.6 Legenden in Text und Bild: Das Wienhäuser Legendar und das Bildprogramm des Nonnenchors Ähnlich wie die Bildteppiche rekurrieren auch die Ausmalungen des Wienhäuser Nonnenchors auf Texte und sind ohne deren Kenntnis schwer zu entziffern. Vorweg schicken möchte ich jedoch zunächst eine kurze Erklärung zu dieser architektonischen Besonderheit von Frauenklöstern bzw. ihren Kirchen. Die Nonnen durften nicht, wie die (Priester)mönche, im Chor hinter der Vierung sitzen und sollten vor den Blicken der Gemeinde verborgen sein. Diesen Auflagen wurde durch unterschiedliche Plazierungen innerhalb der Kirche entsprochen. Im deutschsprachigen Raum waren sie meist auf einer Empore im Westteil untergebracht. Dieser Typ der Nonnenkirche, der auch in Wienhausen vorliegt, bringt einerseits die unterschiedliche Stellung der Frauen im Vergleich zu den Mönchen zum Ausdruck, andererseits demonstriert er auch ihren Anspruch auf eine hierarchisch gehobene gesellschaftliche Position, denn auch Herrscher konnten ihren Platz auf solchen Westemporen einnehmen. 268 Fertiggestellt wurden der gotische Nonnenchor Wienhausens und seine Ausmalung um 1335, also etwa eine Generation nach dem Wienhäuser Legendar, als Erweiterung der bestehenden romanischen Archidiakonatskirche (Abb. 21). 269 268 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 sertation «per manus sororum…». Niedersächsische Bildstickereien im Klosterstich (1300-1583), hier S. 127-132. 267 L aabs , Annegret: Das Jahrgedächtnis für Burkhard VII. von Mansfeld (1353) und die Totenfürsorge im Zisterzienserorden. In: Bete und Arbeite! Zisterzienser in der Grafschaft Mansfeld. Begleitband zur Ausstellung im Sterbehaus Martin Luthers in Eisleben 24.10.1998 - 24.6.1999. Hrsg. v. Esther Pia Wipfler in Zusammenarbeit mit Rose-Marie Knape. Halle a. d. Saale 1998, S. 73-80, hier S. 78f. Zur Sonderstellung der Gründer in der Totenliturgie vgl. S auer , Christine: Fundatio und Memoria. Stifter und Klostergründer im Bild 1100 bis 1350. Göttingen 1993 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 109), S. 149-152. 268 Zur Begründung der Absonderung der Nonnen in der Kirche und zur Entwicklung der Nonnenempore M uschiol : Liturgie und Klausur. 269 Zur Architektur von Zisterzienserinnenklöstern und -kirchen allgemein vgl. die Monographie von W arnatsch -G leich : Herrschaft und Frömmigkeit, sowie die Aufsätze von Kunsthistorisch bedeutsam ist dieser Nonnenchor aufgrund seiner Ausmalungen, die erstmals 1851 von H. W. Heinrich M ithoff publiziert wurden. 270 Sie sind «das einzige hochgotische deutsche Beispiel einer lückenlosen farbigen Gesamtfassung eines Innenraumes mit figürlichen Darstellungen und zugleich nicht nur das umfangreichste, sondern auch das einzige vollständig erhaltene Denkmal einer zyklischen Gesamtausmalung eines Kirchenraumes in Deutschland aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts.» 271 Der Nonnenchor Wienhausens nimmt damit «einen beispiellosen Platz innerhalb der gesamten gleichzeitigen Monumentalmalerei» ein. 272 Die kunsthistorische Forschung hat die Malereien aus stilistischen Gründen schon früher auf die Zeit um 1330 datiert, obwohl die Klosterchronik einen früheren Zeitpunkt für den Bau des Nonnenchors nennt. Eine dendrochronologische Untersuchung bestätigte jedoch die spätere Datierung der Kunsthistorikerin Wiebke M ichler . 273 Zur Orientierung zunächst eine kurze Gesamtbeschreibung: Die Bemalung der Wände ist zweigeteilt: im unteren Fries finden sich Märtyrerdarstellungen, im oberen Szenen aus dem Alten Testament von der Schöpfungsgeschichte bis zur Teilung des Roten Meeres. In den Gewölbekappen ist in 36 Kreisfeldern das Leben Jesu von der Verkündigung bis zum Jüngsten Gericht dargestellt. Den Ostabschluß bildet die Darstellung des Himmlischen Jerusalem. Ergänzt werden diese drei Zyklen durch weitere Einzelbilder. Auf den ersten Blick handelt es sich also um ein Bildprogramm, das auch in anderen Kirchenräumen vorstellbar ist, bei näherem Hinsehen lassen sich jedoch deutliche Bezüge zum Kloster Wienhausen herstellen. Am eindeutigsten ist die Abbildung des (neuerbauten) Klostergebäudes selbst, das - als Zeichen göttlichen Schutzes - von Engeln bewacht wird (Abb. 22). Auch der Patron des Klosters Alexander ist in Überlebensgröße in einer der Blendnischen dieser Wand dargestellt (Abb. 23). Die Nonnen des Konvents - als Bräute Christi - konnten sich wiedererkennen in der Darstellung der geist- Literatur des Klosters Wienhausen 269 Margit M ersch : Gehäuse der Frömmigkeit - Zuhause der Nonnen. Zur Geschichte der Klausurgebäude zisterziensischer Frauenklöster im 13. Jahrhundert. In: Studien und Texte zur literarischen und materiellen Kultur der Frauenklöster im späten Mittelalter, S. 45-102, D ies. : Programmatische Ordensarchitektur bei Zisterzienserinnenklöstern. In: In: Frauen - Kloster - Kunst, S. 337-345 und Clemens K osch : Organisation spatiale des monastères de Cisterciennes et de Prémontrées en Allemagne et dans les pays germanophones au Moyen Âge: églises conventuelles et bâtiments claustraux. In: Cîteaux et les femmes, S. 19-40; speziell zum Nonnenchor, auch dem Wienhausens: Z immer , Petra: Die Funktion und Ausstattung des Altares auf der Nonnenempore. Beispiele zum Bildgebrauch in Frauenklöstern aus dem 13. bis 16. Jahrhundert. Diss. Köln 1990. 270 M ithoff , H. Wilh. Heinrich: Das Kloster Wienhausen bei Celle. Hannover [1853] (Archiv für Niedersachsens Kunstgeschichte Abt. 2), zit. nach L eerhoff : Kloster Wienhausen, S. 782. Vgl. auch: M ithoff , H. Wilh. Heinrich: Kunstdenkmale und Alterthümer im Hannoverschen. 4. Bd.: Fürstenthum Lüneburg. Hannover 1877, S. 273-282. 271 M ichler : Die Wand- und Gewölbemalereien im Nonnenchor, S. 3. 272 Ebd. 273 Zur Datierung des Nonnenchors vgl. oben Anm. 75. lichen Jungfrauen mit ihrem Bräutigam Christus. Präsent sind auch hier wiederum - wie erwähnt - die Stifter des Klosters: Agnes und Heinrich sitzen im Kreise von Äbtissinnen und Pröpsten unter den Auferstandenen im Himmlischen Jerusalem (Abb. 9); in einer weiteren Gewölbekappe sind wiederum die geistlichen Jungfrauen vertreten. 274 Neben diesen sehr konkreten Bezügen zu Wienhausen fällt die Betonung der Rolle von Frauen innerhalb des Heilsgeschehens auf: Die Südwand zeigt ausschließlich das Martyrium männlicher Heiliger, während die Nordwand den weiblichen Märtyrerinnen vorbehalten ist. 275 Obwohl es zahlenmäßig deutlich mehr heiliggesprochene Männer gibt, sind die Frauen hier also gleichberechtigt dargestellt. Das gilt im übrigen auch für die Darstellung des Himmlischen Jerusalems, in dem die männlichen und weiblichen Heiligen jeweils eine Gewölbekappe für sich beanspruchen. Diese Trennung zwischen der Darstellung der männlichen Märtyrer auf der Südseite und denen der weiblichen Märtyrer auf der Nordseite erinnert an das Prinzip der Hs. 3, Frauenlegenden aus der LA auszusondern, aber auch die genaue Auswahl der dargestellten Märtyrerinnen ist interessant: Abgebildet sind im einzelnen von Osten nach Westen paarweise die Martyrien von Cäcilia und Lucia, Barbara und Agatha, Dorothea und Agnes, Margaretha und Katharina (Abb. 24-27). Alle fünf Märtyrerinnen der Handschrift sind also hier vertreten, plus drei weitere, nämlich Barbara, Dorothea und Margaretha. Dabei ist zu bedenken, daß Barbara und Dorothea nicht zum Grundcorpus der LA gehören 276 und daß der Gesamtbestand an Legenden des Wienhäuser Legendars aufgrund seiner unvollständigen Überlieferung nicht bekannt ist. 277 Auch 270 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 274 Vgl. dazu H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 117f. Sie sieht in dieser Darstellung ein «Zeugnis der hohen Selbsteinschätzung der Nonnen». Weitere Aufschlüsse über das Bildprogramm des Nonnenchors verspricht das germanistische Dissertationsprojekt von Carolina G rap (Zürich) unter dem Arbeitstitel: Der kürzeste Weg ins Himmlische Jerusalem. Die Heilsgeschichte in der Malerei des Nonnenchors im Kloster Wienhausen (ca. 1335). 275 Innerhalb des gesamten Bildprogramms repräsentieren die Heiligen «die Kirche und versinnbildlichen deren Mittlerrolle: indem der Fries der Märtyrerszenen eingespannt ist zwischen das Chorgestühl, in dem die Nonnen saßen, und die obere Szenenfolge der Wände mit den Darstellungen der Erscheinungen Gottes im Alten Testament, vermitteln die Märtyrerszenen nicht nur ihrem Inhalt nach, sondern auch durch diesen ihren Platz innerhalb des Gesamtprogramms in optisch sinnfälliger Weise zwischen menschlichem und göttlichem Bereich» (M ichler : Die Wand- und Gewölbemalereien im Nonnenchor, S. 48f.). 276 F leith : Studien zur Überlieferungsgeschichte, Verzeichnis des Grundcorpus auf dem beigefügten Blatt. 277 Die Märtyrerinnen sind im übrigen in der südlichen Gewölbekappe des östlichen Hauptfeldes nochmals dargestellt: «In ihrer Mitte Katharina mit Schwert und Rad und Margareta mit dem Drachen. Ganz rechts Dorothea mit Rosenkörbchen und Rosenschapel» (M ichler : Die Wand- und Gewölbemalereien im Nonnenchor, S. 189). Die anderen der insgesamt zehn Heiligen tragen keine Attribute, anhand derer sie identifiziert werden könnten. Maria Magdalena, Agnes, Cäcilia, Katharina und Agatha werden auch Maria Magdalena fehlt nicht. Sie ist als ‹Apostelin› nicht unter den Märtyrerinnen dargestellt; das Bild vom Gastmahl des Simon bildet aber den Abschluß der Reihe westlich der letzten Blendnische: Dargestellt ist die Sünderin Maria Magdalena im Moment ihrer Conversio, als sie sich beim Gastmahl des Pharisäers Jesus zu Füßen wirft. Außerdem ist sie in den Gewölbekappen in der Hortulanus-Szene zu sehen (Abb. 28). 278 Daß die Gottesmutter Maria ebenfalls vertreten ist, verwundert natürlich nicht; 279 im Hinblick auf die beiden Legenden sind aber zwei Einzelbilder außerhalb des Leben-Jesu-Zyklus bemerkenswert, nämlich Anna Selbdritt und der Tod Mariens an der Westwand. Alle Legenden der Handschrift finden also im Nonnenchor eine bildliche Entsprechung. 280 Eindeutigere Verbindungen zwischen den Märtyrerdarstellungen der Nordwand und den Texten aufgrund von Einzelheiten lassen sich schwer herstellen. 281 Dies liegt einerseits daran, daß jeweils nur eine Szene aus der Legende, das Martyrium, dargestellt ist, andererseits daran, daß insbesondere die Martyrien von Agnes, Dorothea, Katharina und Margaretha von der Restaurierung des 19. Jahrhunderts betroffen waren, bei der auch Ergänzungen und Neukompositionen vorgenommen worden sein können. 282 Literatur des Klosters Wienhausen 271 in der «Wienhäuser Allerheiligenlitanei gleich zu Beginn des Abschnitts der heiligen Jungfrauen und Witwen aufgezählt, nur Lucia folgt etwas später» (S iart : Kreuzgänge mittelalterlicher Frauenklöster, S. 57 u. Anm. 180; der Text steht in einem Gebetbuch des 15. Jahrhunderts (KlA Hs. 8, fol. 60r-69r), ebd. S. 80, Anm. 74). 278 Daß Maria Magdalena zu der Reihe der weiblichen Heiligen gezählt werden sollte, sieht man auch daran, daß auf der Nordseite parallel dazu die Reihe der männlichen Märtyrer weiter fortgesetzt wird. 279 Zur Marienverehrung der Frauenklöster vgl. H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 125; B ernards , Matthäus: Speculum virginum. Geistigkeit und Seelenleben der Frau im Hochmittelalter. Köln/ Graz 1955 (Forschungen zur Volkskunde 36/ 38), S. 59ff. Ein Beispiel für die Bedeutung der Gottesmutter bei den Zisterzienserinnen aus der Zeit der Wienhäuser Handschrift bietet H einz , Andreas: Domina et Advocatrix. Zeugnisse zisterziensischer Marienfrömmigkeit in einer Gebetbuchhandschrift aus St. Thomas (um 1300). In: St. Thomas an der Kyll, S. 109-156. 280 Zum Vergleich sei hier das Bildprogramm der Allerheiligen-Kapelle (ehemaliger Nonnenchor) des Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries genannt: Auch hier nehmen weibliche Heilige eine exponierte Stellung ein, dargestellt sind u.a. Ursula und die elftausend Jungfrauen, Margaretha, die hl. Kümmernis und Ottilia, deren unübliches Attribut, die Taube, möglicherweise auf das Wappentier der dort beigesetzten Stifter- Nonnen verweist (S chromm : Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries, S. 77f. Eine genaue Beschreibung bei K eppler , Paul Wilhelm: Das Kloster Kirchheim im Ries und seine Kunstschätze. In: Archiv für christliche Kunst. Organ des Rottenburger Diözesan-Vereins für christliche Kunst 10 (1892), S. 57-61, 65-69, 73-76, 86-88, 101-105, zit. nach ebd.). 281 Eine auffällige Übereinstimmung im Detail zwischen dem Text des Wienhäuser Legendars (und zwar in Abweichung von der LA) und den Bildern läßt sich höchstens bei der Darstellung des Agatha-Martyriums feststellen (vgl. dazu den Kommentar zu At 77). 282 M ichler : Die Wand- und Gewölbemalereien im Nonnenchor, S. 38f. Die Wandmalereien wurden schon im 15. Jahrhundert durch Nonnen des Klosters erneuert, dann 1867/ 68 ein weiteres Mal übermalt und im 20. Jahrhundert restauriert. Fragt man nun, wie diese Übereinstimmungen zu erklären sind, muß man zunächst darauf hinweisen, daß es sich bei diesen Frauen um offiziell anerkannte Heilige handelt, deren Kult - mehr oder weniger - verbreitet war. Wichtig ist auch der liturgische Zusammenhang: Alle in Text und Bild dargestellten Heiligen wurden nämlich auch im Kanon der Messe genannt 283 und im Ordenskalender der Zisterzienser mit einem «12-Lektionen-Fest» besonders geehrt. 284 Agnes, Lucia, Agatha und Cäcilia bilden beispielsweise auch im Speculum virginum die Gruppe nichtbiblischer Heiliger. 285 Katharina zählt darüber hinaus - zusammen mit Margaretha, Barbara und Dorothea - zu den vier Hauptjungfrauen. 286 Die Auswahl scheint also nicht besonders spezifisch zu sein, andererseits handelt es sich aber auch nicht um eine fest etablierte Gruppe wie etwa die der 14 Nothelfer. 287 Außerdem ist noch ein weiteres wichtiges Detail nachzutragen, welches die These, daß die Übereinstimmungen nicht zufällig sind, zu erhärten vermag: Zwischen der letzten Märtyrerin der Nordwand und der Darstellung des Klosters ist die Szene dargestellt, wie Christus auf Zachäus im Baum trifft und bei ihm einkehrt (Abb. 29). Auf den ersten Blick erschließt sich der Sinn dieses Bildes an dieser Stelle nicht. Man muß dazu die Worte kennen, die Jesus zu dem Zöllner spricht: Zacchee festinans descende quia hodie in domo tua oportet me manere (Lc 19, 5) und quia hodie salus domui huic facta est (Lc 19, 9). 288 Horst A ppuhn hat bereits darauf hingewiesen, daß sie auf das daneben abgebildete Kloster zu beziehen sind. 289 Noch deutlicher wird diese Beziehung, wenn man weiß, daß die 272 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 283 J ungmann : Missarum Sollemnia II, S. 310f. 284 Üblich waren bei einem ‹einfachen› Fest 6 Lektionen (H einz , Andreas: Die Verehrung heiliger Frauen in einer mittelalterlichen Zisterze. Das Zeugnis des Gebetbuchs aus St. Thomas a. d. Kyll (um 1300). In: Cistercienser Chronik 104 (1997), S. 61-76, hier S. 65f.). 285 B ernards : Speculum virginum, S. 67ff. Auch in anderen Texten werden diese Märtyrerinnen zusammengestellt. B ernards führt dies ebenfalls auf den - nicht unbedingt bewußt eingesetzten - Einfluß der Liturgie zurück. 286 Vgl. J efferis , Sibylle/ K unze , Konrad: Passienbüchlein von den vier Hauptjungfrauen. In: 2 VL 7, 1989, Sp. 325-328. 287 Zwar gibt es auch bei dieser Gruppe abweichende Zusammensetzungen, es läßt sich aber eine «Normalreihe der Vierzehn Nothelfer» ausmachen, zu der auch die weiblichen Heiligen Barbara, Margaretha und Katharina gehören. Von einer Ausnahme abgesehen, handelt es sich bei den Nothelfern ebenfalls um Märtyrer (W immer , E.: Nothelfer. In: LMA 6, Sp. 1283-1285). Nebenbei sei erwähnt, daß Maria Magdalena im Text als nothelperinne (MM 295) bezeichnet wird. Olaf S iart kommt angesichts der Übereinstimmungen zu dem Schluß, daß immer wieder ein «Kanon der beliebtesten und vorbildlichsten Jungfrauen» variiert werde. Seinen Untersuchungen zufolge wurde «[e]ine Reihe von ihnen [...] offenbar auch auf den seitlichen Wandfelder der Kreuzgangjoche dargestellt,» von denen eine durch die Beischrift als Agnes identifizierbar ist, sie ist der hl. Katharina zur Seite gestellt, eine andere könnte aufgrund des Salbgefäßes Maria Magdalena sein. Damit habe man nachträglich den Heiligenzyklus nach den besonderen Bedürfnissen der Nonnen erweitert» (Kreuzgänge mittelalterlicher Frauenklöster, S. 55ff.). 288 Wahrscheinlich standen sie auf den nicht mehr zu entziffernden Schriftbändern. 289 A ppuhn : Kloster Wienhausen (1986), S. 18. Cantio Zachaeus arbor ascendit, die auch im Wienhäuser Liederbuch zu finden ist, Bestandteil der Liturgie des Kirchweihfestes war. 290 Damit weist das Bildprogramm der Nordwand eine weitere Verbindung zu den Texten der Hs. 3 auf. Was weitere Hinweise auf den Kult der betreffenden Heiligen in Wienhausen selbst betrifft, so sind zwar selbstverständlich weibliche Heilige in Schrift und Bild auch andernorts im Kloster präsent, deutlichere Anzeichen für eine besondere Verehrung gerade dieser Frauen lassen sich jedoch nicht ausmachen. Auf zwei mögliche Verbindungslinien zum Text soll dennoch aufmerksam gemacht werden: Am Ende der Katharina-Legende insistiert der Erzähler deutlich stärker als in der LA darauf, daß - egal ob groß oder klein -, heilkräftiges Öl den Gebeinen der Heiligen entströme. 291 Zu den Reliquienfunden des Klosters gehören auch solche der heiligen Katharina, was aus einem beigefügten Einzelblatt ersichtlich wird, dessen Schrift auf Ende des 13. Jahrhunderts datiert wird und die zusammen mit anderen in der Figur des Grabchristus verborgen waren. 292 Daß gerade Agnes, die wie erwähnt nicht in den engeren Kreis der populären Heiligen gehört, hier präsent ist, könnte mit der Gründerin des Klosters, der Herzogin Agnes, in Verbindung gebracht werden. Von Bedeutung könnte hier sein, daß in der Agnes-Legende am Ende die von ihr gegründete basilica mit closter übersetzt wird. 293 Diese Zusammenhänge sind zwar nur vage, aber diese Art, einen Bezug zur Vergangenheit herzustellen, wäre für mittelalterliche Literatur nicht ungewöhnlich. Die in den Legenden thematisierte Verbindung zu Christus, genauer Christus als Bräutigam, ist auch im Kloster präsent: nicht nur als Motiv auf der gleichen Seite und auf gleicher Höhe wie die Darstellung der Frauenmartyrien im Nonnenchor, sondern auch im Ritual der Profeß, bei dem die Kandidatin auf den Altar gestellt wurde. 294 Im Hinblick auf das Verhältnis von Text und Bild ist zu berücksichtigen, daß die Handschrift zeitlich vorausgeht. Das bedeutet entweder, daß sowohl die Handschrift als auch die Nonnenchorausmalungen auf eine bereits im Kloster bestehende (aber nicht mehr nachzuweisende) Tradition rekurrieren oder daß - konkreter - die Handschrift die Bildauswahl beeinflußt hat. Die in ihr enthaltenen Texte könnten den Wunsch ausgelöst haben, diese heiligen Literatur des Klosters Wienhausen 273 290 I rtenkauf : Einige Ergänzungen zu den lateinischen Liedern des Wienhäuser Liederbuchs, S. 225. Es handelt sich um das Lied Nr. 13; vgl. zu dem Lied J anota : Wienhäuser Liederbuch, Sp. 1047 und K aufhold : Das Wienhäuser Liederbuch, S. 192. 291 K 320-327/ 135. 292 Vgl. A ppuhn : Der Auferstandene und das Heilige Blut zu Wienhausen, S. 133f. 293 An 155/ 59. 294 C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen , S. 36. Die Gestaltung des Motivs Maria ad gradum auf dem Anna-Teppich orientiert sich wiederum an der Profeß und ist flankiert von einem Bild des Klosterpatrons Alexander mit dem Kirchenmodell (W il helm : Die Bildteppiche, S. 44; vgl. zum Ritus der Profeß und zum Zusammenhang mit der Darstellung Marias im Tempel S chlotheuber : Klostereintritt und Bildung, S. 242ff.). Frauen, die den Nonnen in besonderer Weise als Vorbild dienen konnten, in dem neu entstandenen Chor auch visuell präsent zu halten. Das wiederum würde darauf hindeuten, daß Äbtissin und Konvent auf das Bildprogramm, das ihnen in mehrfacher Hinsicht Identifikation, Selbstvergewisserung und selbstbewußte Darstellung ihres Standes bot, tatsächlich Einfluß nahmen und daß die Handschrift im Kloster eine intensive Rezeption erfuhr. Horst A ppuhn nimmt als Auftraggeber des Bildprogramms die herzogliche Familie an, die auch die Gestaltung der Gebäude bestimmt hätten. «Dazu hatte das Kloster besondere Wünsche, zum Beispiel die Themen, die in die untere Bildzeile der Märtyrer und Märtyrerinnen genau über den beiden Eingängen des Nonnenchors eingeschoben sind.» 295 Fragt man nach einer grundsätzlicheren Beziehung zwischen dem Text und den (später entstandenen) bildlichen Darstellungen, 296 könnte man vielleicht eine Intermedialität zwischen Text und Bild vermuten, wie sie Carla D auven van K nippenberg für das Osterspiel und das Heilige Grab Wienhausens als These formuliert hat, daß nämlich der Text als «Anleitung oder Erweiterung zur frommen Betrachtung» der bildlichen Darstellung dient, die das Schauspiel vor dem inneren Auge des Betrachters ablaufen läßt 297 und zur Identifizierung mit dem Leiden Jesu und der Heiligen auffordert. Für die Legenden wäre es denkbar, daß sie das Einzelbild in seinen Gesamtzusammenhang stellen bzw. umgekehrt die Bilder das Geschehen in einem Punkt verdichteten. Eine solche Bezugnahme erscheint auch deshalb wahrscheinlich, da es im Kloster mehrere solcher ‹Motivdoppelungen› gibt. 298 Zu erinnern ist hier auch an die Gestaltung der Legenden, die von Theodor W olpers unter dem Begriff «erzählerisches Andachtsbild» gefaßt wird: «Die Intensität und der persönliche Charakter der Gefühlsmomente unterscheiden das erzählende Andachtsbild von den Formen der kultisch verwendeten hagiographischen Viten. An die Stelle der dort nur zeichenhaft objektiven und hierartischen Repräsentanz des Absoluten, dessen Anderssein durch ein liturgisch feierliches Lobpreisen noch unterstrichen wird, tritt ein Sich-Versenken in das Wesen des Wunders oder der hl. Person und damit eine Durchdringung und Verschmelzung von Bild und Devotion. Mehr noch als im hagiographischen Sinnbild ergibt sich so eine Verlangsamung, ja, wie im gemalten Andachtsbild, eine ‹Verzuständlichung› des äußeren Geschehens, gleichzeitig aber eine Beseelung, Bereicherung und emotionale Belebung der Darstellung.» 299 Diese Nähe zum 274 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 295 A ppuhn : Kloster Wienhausen (1986), S. 14 und 20. 296 Auch die alttestamentlichen Szenen in der oberen Szenenfolge sind den Lesungen der Karsamstagnacht entnommen. 297 Vgl. D auven van K nippenberg : Ein Schauspiel für das innere Auge, S. 786. 298 Z.B. mehrfache Abbildungen des Heiligen Grabes oder der Figur des Auferstehungschristus. 299 W olpers : Die englische Heiligenlegende des Mittelalters, S. 31, unter Rückgriff auf Erwin P anofsky : «Imago Pietatis». Ein Beitrag zur Typengeschichte des Schmerzensmanns und der Maria Mediatrix. Festschrift für Max Friedländer. Berlin 1927, S. 261ff. Bild könnte eine entsprechende Umsetzung in dieses Medium evoziert haben. Darüber hinaus zeigt die Einbettung der Märtyrerdarstellungen in das Bildprogramm des Nonnenchores, also den Ort, an dem die Konventualinnen täglich ihren liturgischen Verpflichtungen nachkamen, die enge Verbindung der Legenden mit der Liturgie, die den Überlieferungszusammenhang der Handschrift verständlicher erscheinen läßt, denn die Liturgie stellt eine Klammer zwischen Kirchweihtext, Meßauslegung und Legenden dar und spielt auch bei anderen Wienhäuser Texten wie dem Osterspiel, dem Wienhäuser Liederbuch und möglicherweise auch bei den Bildteppichen eine Rolle. Insgesamt betrachtet zeigt die mittelalterliche Überlieferung Wienhausens - bei aller anzunehmenden Unvollständigkeit - doch ein Bild erstaunlich kontinuierlicher Rezeption und Partizipation an der jeweils zeitgenössischen Literatur, angefangen von der nur zu erschließenden Vita der Stifterin Agnes um 1300 bis hin zum Wienhäuser Liederbuch und den Teppichen des späten 15. Jahrhunderts. Auch darüber hinaus scheinen diese Traditionen nicht einfach abgebrochen zu sein, wie die Fortsetzung der Chronik und deren Bericht über Äbtissin Katharina Remstede (1501-1549) belegen: 300 Im übrigen war gesagte Äbtißin eine Liebhaberin der Religion, darin sie nicht nur ihrigen mündlich, sondern auch schriftlich unterwiese. Ihres Ordens reguln hat sie schrifftlich abfaßen und an gewiße Öhrter auffhengen laßen. Wie auch die Pflichten und was einer jeden zu verrichten obliege der ein Ampt anvertrauet, alles dahin daß ihr Orden möchte in auffnehmen kommen. Auch gegen die Reformation verteidigt sie das Klosterleben, sich auf Autoritäten stützend, in schriftlicher Form. So rechtfertigt sie auch die Gewohnheit des Klosters gegen den Widerstand der Visitatoren, die Frauen bei der Aufnahme auff den Altären darzustellen und sie allso Gott dem Hn. zu geben, indem sie mit Zeugnißen der h. Schrifft und anderer Scribenten bewehret und darauff von denen Hn. Professoren SS. Theologiae approbiren laßen. Diese Schrift befindet sich unter den im Kloster erhaltenen Handschriften. 301 Ferner hat sich auch wieder dieselben geschrieben, so der Jungfrl. Kröhnung oder Auffschmückung an ihren Einkleidungs Tagen zuwieder waren, wie auch wieder die jenigen so in dem punct vom H. Abendmahl sie irrig machen wollten dawieder sie aus der H. Schrifft und den Vätern gute Beweißthüme zusammen gesucht vor sie und ihren Nachkommen. Literatur des Klosters Wienhausen 275 300 Vgl. C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen , S. 35; H engevoss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 149. 301 L eerhoff : Wienhausen, S. 794, Anm. 188: «Bei dem im Klosterarchiv unter die Handschriften eingereihten Heft ‹Questio de puellis offerendis a parentibus ad sanctam religionem...› (KlA Wienhausen, Hs. 27) handelt es sich offensichtlich um die von der Äbtissin Katharina Remstede veranlaßten Gutachten [...] von Ludwig Weihbischof von Hildesheim (1502-1508) und Johannes Schorkopp, Kanoniker des Blasius Stifts in Braunschweig, beide Professoren der Heiligen Schrift.» Dazu ausführlich S chlotheuber : Klostereintritt und Bildung, S. 234-258. Die hier behandelten Texte scheinen zudem die These zu bestärken, daß die Literatur der Nonnenklöster sowohl hinsichtlich der Zweisprachigkeit als auch hinsichtlich der Themen und Gattungen an monastischen wie laikalen Entwicklungen partizipierte und sie damit tatsächlich eine wichtige Rolle beim Austausch zwischen beiden Sphären gespielt haben könnten. 276 Kulturhistorischer Kontext der Hs. 3 7. Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen - Ein Vergleich 7.1 Das Lichtenthaler Legendar: Parallelen, Unterschiede, Fragestellungen Als charakteristischstes Merkmal der Wienhäuser Handschrift kann wohl gelten, daß sie aus dem LA-Corpus ausschließlich Legenden weiblicher Heiliger auswählt. Wie bereits in Kapitel 5.2 dargelegt, steht das Wienhäuser Legendar damit nicht allein, wenngleich es das früheste bekannte Zeugnis dieser Art im deutschsprachigen Raum darstellt. Das interessanteste Vergleichsbeispiel stellt das um 1460 entstandene Buch von den heiligen Mägden und Frauen dar. Nicht allein, weil es von Umfang und Anlage her sicherlich das ambitionierteste ist, sondern auch weil es ebenfalls in einem Zisterzienserinnenkloster überliefert wurde. Über die Verfasserin, die Lichtenthaler Nonne Margaretha, bekannt unter ihrem Beinamen Regula, geben diese wie eine Reihe anderer von ihr verfaßter und mit Bemerkungen versehener Handschriften Aufschluß. Ihre Tätigkeit steht im Zusammenhang mit der Reform des Klosters im 15. Jahrhundert. Dieses Legendar, das in der Forschung bereits mehrmals untersucht wurde 1 und Gegenstand weiterer, noch laufender Arbeiten ist, 2 soll 1 K unze , Konrad: Buch von den heiligen Mägden und Frauen. In: 2 VL 1, 1978, Sp. 1087- 1089, D ers .: Alemannische Legendare (I). In: Alemannisches Jahrbuch 15. 1971/ 72 (1973), S. 20-45, hier S. 29-38; D ers .: Regulas Bearbeitung der ‹Legenda Aurea› für die Tischlesung in Kloster Lichtenthal. Werk- und wortgeschichtliche Beobachtungen. In: Ze hove und an der strâzen. Die deutsche Literatur des Mittelalters und ihr «Sitz im Leben». Festschrift für Volker Schupp zum 65. Geburtstag. Hrsg. v. Anna Keck u. Theodor Nolte. Stuttgart/ Leipzig 1999, S. 84-94; F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 292-306. 2 Das Legendar ist bislang - mit Ausnahme der Legenden von Maria Aegyptiaca und Pelagia - nicht ediert (K unze , Konrad: Die Legende der heiligen Maria Aegyptiaca. Ein Beispiel hagiographischer Überlieferung in 16 unveröffentlichten deutschen, niederländischen und lateinischen Fassungen. Berlin 1978 (Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit 28), S. 82-87; D ers .: Deutschsprachige Pelagialegenden des Mittelalters. In: Pélagie la Pénitente. Métamorphoses d’une légende. Tome II: La Survie dans les littératures européennes. Dossier rassemblé par Pierre Petitmengin [u.a.]. Paris 1984 (Études Augustiennes), S. 295-335.). Ulla B ucarey bereitet eine Edition des gesamten Legendars vor; Astrid B reith hat soeben ihre Untersuchung des Legendars veröffentlicht: Textaneignung - das Frauenlegendar der Schwester Regula aus Lichtenthal. Münster 2010 (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 17). Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen Geschichte des Klosters Lichtenthal im folgenden zum Vergleich herangezogen werden. Wie bei der Untersuchung des Wienhäuser Legendars soll auch hier der Text nicht für sich betrachtet, sondern der historische Kontext der Klosterreform ausgeleuchtet und das Werk Regulas insgesamt vor diesem Hintergrund gesehen werden. Dieser Vergleich verspricht Aufschluß in zwei Richtungen: einerseits im Hinblick auf die Bewertung dieses speziellen Legendartyps, andererseits hinsichtlich der Bedingungen der Literaturproduktion und -rezeption in zisterziensischen Frauenklöstern überhaupt. 7.2 Geschichte des Klosters Lichtenthal bis zur Reform 3 Im Jahr 1245 gründete die verwitwete Markgräfin Irmgard von Baden mit Unterstützung ihrer Söhne das Kloster Lichtenthal, das fortan als Hauskloster für dessen Stifterfamilie fungieren sollte (Abb. 30). Mit der Überführung der Gebeine ihres verstorbenen Mannes, des Markgrafen Hermann V., aus der bisherigen Familiengrablege in Backnang nach Lichtenthal übernahm das Kloster diese Funktion, für die Ende des 13. Jahrhunderts die Fürstenkapelle erbaut wurde, bis in die erste Hälfe des 15. Jahrhunderts. 4 Irmgard war eine der beiden Töchter des Wienhausen-Stifters Pfalzgraf Heinrich aus seiner ersten Ehe mit Agnes von Staufen, die in Lichtenthal offensichtlich eine ähnlich prominente Rolle spielte wie Agnes von Meißen in Wienhausen. Wie diese ist sie in Lichtenthal - auf dem um 1340 entstandenen Grabmal - als Stifterin mit dem Kirchenmodell dargestellt (Abb. 31). 5 Auch die Gründung Lichtenthals 278 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 3 Das folgende Kapitel stützt sich in erster Linie auf die ausführliche Darstellung der Klostergeschichte von Pia S chindele : Die Abtei Lichtenthal. Ihr Verhältnis zum Cistercienserorden, zu Päpsten und Bischöfen und zum badischen Landesherrn im Laufe der Jahrhunderte. In: Freiburger Diözesanarchiv 104 (1984), S. 19-166 und 105 (1985), S. 67-248. Zur Gründung vgl. auch R eiss , Lucia: Studien zur Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte des Zisterzienserinnen-Klosters Lichtenthal. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 96/ N.F. 57 (1948), S. 230-306, hier S. 230-234 und S chwarzmaier , Hansmartin: Lichtenthal als Grabkloster der Markgrafen von Baden im 13. und 14. Jahrhundert. In: Faszination eines Klosters. 750 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthal, S. 23-34. 4 S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 26f. Vgl. auch H einzer , Felix/ S tamm , Gerhard: Die Handschriften von Lichtenthal. Mit einem Anhang: Die heute noch im Kloster Lichtenthal befindlichen Handschriften des 12. bis 16. Jahrhunderts. Wiesbaden 1987 (Die Handschriften der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe 11), S. 38ff.; ausführlich dazu S chwarzmaier : Lichtenthal als Grabkloster der Markgrafen von Baden, S. 23- 34. Backnang war 1235 in den Auseinandersetzungen zwischen Friedrich II. und seinem Sohn zerstört worden (ebd., S. 26f.); zu Baugeschichte und Ausstattung der Fürstenkapelle vgl. Cistercienserinnen-Abtei Lichtenthal. 4., neubearb. Aufl. Regensburg 1995 (Schnell Kunstführer 587), S. 12-15. 5 S chwarzmaier : Lichtenthal als Grabkloster der Markgrafen von Baden, S. 29; vgl. H enge voss -D ürkop : Skulptur und Frauenklöster, S. 112. Vgl. auch Kap. 6.5.2. kann man daher als Fortsetzung einer Familientradition werten 6 und insofern verwundert es auch nicht, daß sich die Gründungssituationen beider Klöster durchaus ähneln. Kurz nach der Ausstellung des ersten päpstlichen Schutzbriefes für das Monasterium Lucida Valle, dessen erster Konvent vom Kloster Wald entsendet wurde, 7 verlieh Papst Innozenz IV. ihm auch das volle Privilegium commune Cisterciense. 8 Entgegen dem Generalkapitelsbeschluß von 1228, der die Aufnahme weiterer Frauenklöster in den Orden untersagte, scheint Lichtenthal - anders als Wienhausen - auf Antrag der Markgräfin von Baden 1247 in den Orden inkorporiert worden zu sein. 9 Nach der Zeit des Auf- und Ausbaus des Klosters zeigen «die letzten Jahrzehnte des dreizehnten Jahrhunderts und die ersten des vierzehnten», so Pia S chindele , «Lichtenthal auf dem Höhepunkt seiner mittelalterlichen Entwicklung.» 10 Auch in dieser Hinsicht stimmen die Klöster in ihrer Entwicklung überein. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts wurden jedoch Probleme sichtbar. Den Urkunden nach war das Kloster arm und verschuldet, der Lebensunterhalt der etwa 80 Nonnen nicht gesichert. 11 Leibrenten wurden daher Geschichte des Klosters Lichtenthal 279 6 S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 26f. Zur Stiftung von Zisterzienser(innen)klöstern als Familientradition vgl. W arnatsch -G leich : Herrschaft und Frömmigkeit, S. 56-61 und Kap. 6.3. 7 S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 27. Zu Kloster Wald vgl. K uhn -R ehfus , Maren: Das Zisterzienserinnenkloster Wald. Berlin/ New York 1992 (Germania sacra N.F. 30: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz; Das Bistum Konstanz 3). Jean R oethinger zieht dagegen auch das elsässische Kloster Königsbrück als Mutterkloster in Betracht (L’abbaye cistercienne de Koenigsbruck. In: L’Outre-forêt 1 (1973), S. 6-9, hier S. 6); vgl. auch F elten : Der Zisterzienserorden und die Frauen, S. 62. 8 S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 29. 9 Zur Inkorporation Lichtenthals S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 30f.; vgl. auch R eiss : Studien zur Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte des Klosters Lichtenthal, S. 233f. Allgemein zur Inkorporation vgl. Kap. 6.4. 10 S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 54. 11 Die Zahl der Nonnen war im 13. Jahrhundert vom Visitator ursprünglich auf 40 beschränkt worden, die tatsächliche Zahl war im 14. Jahrhundert dann aber bedeutend größer, sie lag bei etwa 80 Konventualinnen. 1366 wurde der numerus taxatus auf 60 heraufgesetzt, davon ausgenommen waren allerdings die Töchter der Markgrafenfamilie. (S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 82f. und 94; D ies .: «Hie focht an die ordenung und reformacion Benedicti des bapstes des XII. ...» (Kl L 46, 69v). Zur schriftlichen Überlieferung und Wirkungsgeschichte der Reformweisungen von 1335 im Kloster Lichtenthal. In: Viva vox und ratio scripta. Mündliche und schriftliche Kommunikationsformen im Mönchtum des Mittelalters. Hrsg. v. Clemens M. Kasper u. Klaus Schreiner. Münster 1997 (Vita Regularis 5), S. 281-306, hier S. 293f.; D ies .: Frauen aus Adel und Bürgertum in gemeinsamer zisterziensischer Lebensordnung. In: Faszination eines Klosters. 750 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthal, S. 35-41, hier S. 39f.). Auch Lucia R eiss weist schon auf diese aus den Urkunden hervorgehenden Zustände hin, die vor allem bei der Bitte um Inkorporation von Kirchen durch den Papst vorgetragen wurden. «Man kann wohl annehmen, daß diese ‹typischen Klagen›, die allgemein bei jeder Inkorporation auftauchen, in Lichtenthal den tatsächlichen Verhältnissen entsprachen» (Studien zur Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte, S. 242, Anm. 76). - vereinzelt schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts - auf den Namen einer bestimmten Nonne ausgestellt statt wie bisher auf das Kloster, und zwar zuerst bei Bürgerstöchtern, dann auch bei Frauen aus dem verarmten Ritterstand, möglicherweise um sie gegen die Ansprüche des Adels zu schützen. Aber auch die Nonnen aus der Familie von Lichtenberg, die mit den Markgrafen von Baden verwandt war und in Lichtenthal mehrmals die Äbtissin stellte, fallen durch die eigenständige Verwaltung ihrer Vermögensangelegenheiten auf. Diese Art der Absicherung scheint durchaus auch im Einverständnis mit der Äbtissin und mit gewisser Duldung des Ordens erfolgt zu sein. Die Äbtissin handelte auch selbst Leibrenten für die Nonnen aus, die noch nicht entsprechend versorgt waren. 12 Lucia R eiss kommt in ihrer Studie zur Wirtschaftsgeschichte Lichtenthals zu dem Ergebnis, daß der um 1400 weitgehend abgeschlossene Besitzerwerb dem Kloster insgesamt einen vergleichsweise bescheidenen Streubesitz eingebracht habe, der sich mit dem anderer Zisterzienserklöster keinesfalls habe messen können. 13 Ungeachtet seiner Bedeutung für die Markgrafen von Baden war Lichtenthal demnach kein reiches Kloster. Zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten kamen wahrscheinlich Spannungen zwischen den Adelsgeschlechtern Lichtenberg und Leinigen hinzu, deren Töchter zu dieser Zeit um das Äbtissinnenamt konkurrierten. Diese führten vermutlich um 1422 zu einer Vakanz des Äbtissinnenstuhles. Im Jahr 1426, in dem die stellvertretend das Kloster leitende Johanna von Leiningen in ein anderes Kloster wechselte, beschloß dann das Generalkapitel die Reform. 14 Die Ursachen für die Probleme des Klosters in der Zeit um die Wende des 15. Jahrhunderts, in deren Folge es zu Veränderungen des monastischen Lebens kam, lassen sich also recht klar benennen und waren Resultat einer längeren Entwicklung. Sie gelten keineswegs nur für Lichtenthal und können in Zusammenhang gebracht werden mit den übergreifenden Problemen und Entwicklungen im 14. Jahrhundert. Es ist daher fraglich, ob man diese Zeit zu Recht als «Phase der Erschlaffung» kritisiert. 15 280 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 12 S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 83-89; D ies .: «Hie focht an die ordenung und reformacion Benedicti des bapstes des XII. ...», S. 294ff.; D ies .: Frauen aus Adel und Bürgertum in gemeinsamer zisterziensischer Lebensordnung, S. 37ff. 13 R eiss : Studien zur Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte des Klosters Lichtenthal, S. 248f. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Winfried S chenk bei seinem Vergleich des Zisterzienserklosters Ebrach mit dem Zisterzienserinnenkloster Frauenthal hinsichtlich ihrer jeweiligen «Raumwirksamkeit». Im Vergleich zu der 1127 gegründeten Männerzisterze und ihrem umfangreichen Besitz nimmt sich das Frauenkloster eher bescheiden aus (Süddeutsche Kulturlandschaften unter zisterziensischem Einfluß, S. 218 und 231). Dieser wirtschaftliche Unterschied zwischen Männer- und Frauenklöstern, der mit der unterschiedlichen Verfaßtheit und Entstehungszeit zusammenhängt, wird vielleicht im Hinblick auf die jeweiligen kulturellen Möglichkeiten zu wenig berücksichtigt. 14 S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 111-114; D ies .: Frauen aus Adel und Bürgertum in gemeinsamer zisterziensischer Lebensordnung, S. 40. 15 S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 79. Schon 1335 hatte Benedikt XII. mit seinem «Erneuerungsprogramm für den Cistercienserorden» (die sogenannte Benedictina) Da Lichtenthal anders als Wienhausen in den Zisterzienserorden inkorporiert war, ging die Reform, wie bei den meisten Zisterzen, vom Orden selbst aus, allerdings im Einverständnis mit dem Markgrafen, der sich seinerseits um die Konsolidierung der Klosterwirtschaft kümmerte. 16 Mehr Nachdruck wurde der Reform außerdem dadurch verliehen, daß Markgraf Jakob I. in seinem Testament von 1453 bestimmte, Mitglieder des Hauses Baden sollten fortan nur noch in regulierte Klöster eintreten. 17 Lichtenthals Funktion als Hauskloster der markgräflichen Familie hing also von der Fortsetzung der zu diesem Zeitpunkt bereits begonnenen, möglicherweise auf Widerstand treffenden Reform ab. «Für die Ordensprovinz Mainz, zu der auch Lichtenthal gehörte, wurden damals die Äbte von Maulbronn und Volkenrode als verantwortliche Reformatoren bestimmt. Sie sollten in allen Männer- und Frauenklöstern für die Wiederherstellung des regulären Lebens sorgen und je nach Bedarf noch andere Cistercienseräbte zu diesem Werke heranziehen.» Im Fall von Lichtenthal waren dies die Äbte von Lützel, Maulbronn und Herrenalb. 18 Die gegen Geschichte des Klosters Lichtenthal 281 Problemen, wie den zu hohen Mitgliederzahlen, Kriegskontributionen, feudalen Verpflichtungen (z.B. Gast- und Verköstigungsrechte des Landesherrn), Epidemien, wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der daraus folgenden Selbstversorgung der Konventualen, gegenzusteuern versucht durch Forderungen wie: ausschließlich Aufnahme tauglicher Personen in der Wirtschaftkraft des Klosters entsprechender Zahl, Bekämpfung von Individualismus, Eigentum und Privilegien, größeres Mitwirkungsrecht der Klöster an der Verwaltung, keine Aufteilung der Einkünfte zwischen Abt, Konvent und Offizialen, Kleidung nach den Ordensvorschriften und Schlafen im gemeinsamen Dormitorium (S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 80-82). 16 Ebd., S. 115. Eine eigentliche Reformbewegung gab es zu diesem Zeitpunkt im Zisterzienserorden noch nicht, beeinflußt durch die Konzile von Konstanz und Basel wurden aber im Laufe des 15. Jahrhunderts für bestimmte Diözesen und die Filiationen von Morimond Reformen beschlossen, gegen die die Nonnen nicht selten Widerstand leisteten (K uhn -R ehfus : Zisterzienserinnen in Deutschland. In: Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, S. 125-147, hier S. 138). Auch «Sondervisitationen» konnten für entsprechende Maßnahmen genutzt werden (K renig : Mittelalterliche Frauenklöster nach den Konstitutionen von Cîteaux, S. 68f.). Der Erfolg dieser Reforminitiativen war zwar mit denen der Benediktiner oder Augustiner-Chorherren nicht vergleichbar, die von einzelnen Klöstern ausgehenden Reformbemühungen in Nordwesteuropa und auf der Iberischen Halbinsel waren jedoch wichtige ‹Vorläufer› für die im 16. und 17. Jahrhundert folgenden Ordensreformen der Zisterzienser (E lm , Kaspar/ F eige , Peter: Reformen und Kongregationsbildungen der Zisterzienser in Spätmittelalter und früher Neuzeit. In: Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, S. 243-254; P fister , Peter: Reformen des Zisterzienserordens im 16./ 17. Jahrhundert. In: Zisterzienser. Norm, Kultur, Reform, S. 341-363). 17 S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 132. 18 Ebd., S. 124f. Im Beschluß des Generalkapitels vom 14. September 1426 heißt es: Reformationem monasterii Lucidae vallis, in quo regulares observantiae, prout generalis Capituli pervenit ad aures, pene penitus minuantur in risum populi, ordinis irreverentiam et scandalum plurimorum, de Lutzela, de Mulenbrunnen et Alba monasteriorum Abbatibus, et eorum duobus in causa, quod tres simul in praesenti negotio vacare non possent, Lichtenthal erhobenen Vorwürfe zur Begründung der Reform sind nicht spezifisch, sondern orientieren sich an der in diesen Fällen üblichen Kritik an den Zuständen in den Frauenklöstern im allgemeinen und im besonderen. 19 Auch die Durchführung der Reform in Lichtenthal entsprach der Verfahrensweise in anderen Frauenklöstern: Im Jahr 1444 wurde zunächst eine neue (bürgerliche) Äbtissin aus einem bereits reformierten Kloster eingesetzt, nämlich Elisabeth Wiest aus dem elsässischen Zisterzienserinnenkloster Königsbrück (bei Hagenau). Bei diesem Kloster, dessen Geschichte bislang nur unzureichend erforscht ist, handelte es sich um eine staufische Gründung von 1152, die unter der Paternität von Maulbronn stand, von dem auch die bereits 1422 begonnene Erneuerung ausging. 20 Ihre Nachfolgerin wurde 1459 Anna Strauler, die sehr wahrscheinlich auch aus Königsbrück stammte. 21 Hauptziele waren wohl - wie auch in anderen Klöstern - die vollständige Wiederherstellung der vita communis, die Durchsetzung der Klausur und die Abschaffung des Privateigentums. 22 Welche Maßnahmen konkret ergriffen wurden, läßt die Klosterordnung des Markgrafen für das Kloster Frauenalb erahnen: Gehorsam gegen die Äbtissin, Strafen bei Ungehorsam, kein Besitz ohne Wissen der Äbtissin, regelmäßige Abhaltung des Gottesdienstes, Beachtung des Schweige- 282 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen committet idem Capitulum cum omnimoda pietate ipsius Capituli et suis clausulis optimis et rationabilibus tam in capite quam in membris requisitis iniquitatibus de vita et moribus et conversatione monialium dicti Monasterii de Lucida valle, et secundum quod repererint et videatur eis expediens omnes moniales dicit monsterii monialium emmittent auctoritate ipsius Capituli ad alia Monasteria monialium praedicti ordinis una cum mobilibus bonis earundem et loco earundem ponent in eodem Monsterio Monachos ad divinum officium amodo peragendum. (LKA Nr. 26; Can. IV, 304, zit. nach ebd.). 19 Vgl. beispielsweise den Generalkapitelsbeschluß von 1394 (S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 121f.). 20 Einen knappen Überblick über die wenigen bekannten Daten der Geschichte Königsbrücks anhand der erhaltenen Urkunden bietet Jean R oethinger (L’abbaye cistercienne de Koenigsbruck). Maria Magdalena R ückert behandelt in ihrer Untersuchung der Maulbronn unterstellten Zisterzienserinnenklöster Königsbrück leider nicht (Zur Inkorporation südwestdeutscher Frauenklöster in den Zisterzienserorden; vgl. auch D ies .: Die Anfänge der Klöster Schöntal und Bronnbach und ihr Verhältnis zur Mutterabtei Maulbronn. In: Anfänge der Zisterzienser in Südwestdeutschland, S. 101-125). Vgl. auch Pia S chindele : Zum 500. Todestag der Sr. Regula. In: Erbe und Auftrag. Benediktinische Monatsschrift 54 (1978), S. 234-239, hier S. 235. 21 Ebd., S. 236. In den Lichtenthaler Nekrologen werden außerdem noch weitere Nonnen aus Königsbrück genannt (D ies .: Frauen aus Adel und Bürgertum in gemeinsamer zisterziensischer Lebensordnung, S. 41). 22 Vgl. ebd., S. 40. Allerdings ist nicht belegt, wie das Klosterleben vor der Reform genau aussah und inwieweit die Ziele der Reform auch durchgesetzt werden konnten. So wurden beispielsweise weiterhin entsprechende Rentenverträge für die Nonnen abgeschlossen (D ies .: «Hie focht an die ordenung und reformacion Benedicti des bapstes des XII. ...», S. 296) und 1486 wurde der Markgräfin Ottilia von Baden das Recht eingeräumt, mit zehn weiteren Frauen im Kloster zu speisen an einem Tag, an dem dort Fleisch gegessen werden durfte (S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 157). gebots und der Klausurvorschriften, Aufnahme von Novizinnen nach Ordensrecht. 23 Daß diese beiden Äbtissinnen von außen zur Durchsetzung der Reform eingesetzt wurden, wird auch daran deutlich, daß 1475 Anna Strauler zugunsten der Margarethe von Baden den Äbtissinnenstuhl räumen mußte. Man betrachtete offensichtlich die Reform zu diesem Zeitpunkt als vollendet oder doch zumindest genügend weit fortgeschritten, daß nun wieder - entsprechend den Testamentsbestimmungen des Markgrafen Jakob I. - ein Mitglied der Stifterfamilie die Leitung übernehmen konnte. Unter Margarethe wurde der Erfolg der von ihrer Familie gewollten und durchgesetzten Reform und die wirtschaftliche Konsolidierung für alle sichtbar visualisiert: In ihre Amtszeit (1475-96) fällt die Neugestaltung und -ausstattung des Klosters. 24 Die Ausstattung mit den grundlegenden Texten ging dem jedoch voraus: Die Entstehung der von Regula geschriebenen Handschriften deckt sich im wesentlichen mit den Amtszeiten der beiden Reformäbtissinnen. 7.3 Rekonstruktion und Charakteristika des Regula-Corpus Eine ganze Reihe von Lichtenthaler Codices aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts - darunter auch die Hs. L 69 mit dem Buch von den heiligen Mägden und Frauen -, die heute größtenteils in der Landesbibliothek Karlsruhe aufbewahrt werden, sowie Randbemerkungen und Nachträge in weiteren Handschriften lassen sich einer Hand zuordnen, die aber zunächst nicht identifizierbar war. Erst als Gerhard S tamm in der Hs. L 88 am Rand des letzten beschriebenen Blattes (29v) den Namen soror Regula entdeckte, und zwar geschrieben von derselben Hand, ergab sich ein Anhaltspunkt. 25 In der Rekonstruktion und Charakteristika des Regula-Corpus 283 23 Ebd., S. 122. 24 Zur Bautätigkeit als Visualisierung der Reform vgl. G leba : Klöster und Orden im Mittelalter. Darmstadt 2002 (Geschichte kompakt), S. 131f. Auch in der Reformchronistik wurden gemäß der Tradition klösterlicher Geschichtsschreibung die Baumaßnahmen als Zeichen der neuen Prosperität der Klöster gewertet (P roksch , Constance: Klosterreform und Geschichtsschreibung im Spätmittelalter. Köln/ Weimar/ Wien 1994 (Kollektive Einstellungen und sozialer Wandel im Mittelalter N.F. 2), S. 140, S. 213-216 et passim). Der Kunsthistoriker Günter K olb hat allerdings die Gegenthese aufgestellt, «daß die bauliche Erneuerung der Klöster an der Schwelle zur Neuzeit in soziokulturellen Entwicklungen außerhalb der monastischen Sphäre begründet ist» und im Grunde nicht mit den Reformidealen zu vereinbaren sei (Benediktinische Reform und Klostergebäude. Kloster Blaubeuren als ein Beispiel spätgotischer Erneuerung im Zuge der Benediktinischen Reformbewegung des 15. Jahrhunderts. In: Blätter für württembergische Kirchengeschichte 86 (1986), S. 231-298, hier S. 291). 25 S chindele , Pia: Der Beitrag der Lectio Divina zur monastischen Erneuerung. Zum 500. Todestag einer Lichtenthaler Schreib- und Lesemeisterin am 20. Mai 1978. In: Cistercienser Chronik 85/ N.F. 139 (1978), S. 13-16, hier S. 14. Rekonstruktion und Charakteristika des Regula-Corpus Schlußschrift zu dieser von ihr nur korrigierten, nicht geschriebenen Handschrift mit Texten zur Grammatik kündigt die Korrektorin an, noch einen besseren Text hierzu abschreiben zu wollen. Am Rand hat sie nachgetragen, wo dieser Text zu finden sei, nämlich in dem größern sextern den soror Regl ~ geschr’ hat, woraus geschlossen wurde, daß die Schreiberin und diese Schwester Regula identisch sein müssen. Bei dem angekündigten Text handelt es sich um das im Spätmittelalter verbreitete doctrinal des Alexander de Villa Dei, 26 das sich jedoch nicht unter den erhaltenen Lichtenthaler Handschriften befindet, so daß eine Überprüfung, ob es sich wirklich um die gleiche Schreiberin handelt, nicht möglich ist. Die Durchsicht der Nekrologe hat ergeben, daß tatsächlich im fraglichen Zeitraum eine Schwester dieses Namens im Kloster gelebt haben muß. Im drittältesten Lichtenthaler Anniversarium fand sich ein zeitlich passender Eintrag: anno MCCCCLXXVIII obiit Margaretha dicta regula monialis. 27 Diesem Eintrag zufolge war regula also ihr Beiname, der in der Forschung einhellig so gedeutet wird, daß sie das Amt der Lese- und Schreibmeisterin innehatte und für die Beschaffung der zur Einhaltung der Ordensregel notwendigen Lektüre zuständig war. 28 Dafür spricht auch, daß ein Exemplar der bis heute im Kloster Lichtenthal befindlichen Ordensregel von ihr korrigiert wurde. 29 Aufgrund paläographischer Untersuchungen können ihr folgende Handschriften ganz oder zumindest teilweise zugeschrieben und anhand der Wasserzeichen datiert werden: Aus der Badischen Landesbibliothek die Hss. L 82 (ca. 1445-1450), L 70 (ca. 1450-1452), L 79 (ca. 1450-1455), L 69 (ca. 1460), L 65 (dat. 1460), L 74 (dat. 1461) und L 88 (nur Nachtrag Bl. 29v, nach 1461); aus dem Badischen Generallandesarchiv Karlsruhe der Nachtrag 112v-117v (um 1450) zur Hs. GLA 65/ 323; aus dem Kloster Lichtenthal die Hss. Kl. L. 108 und 3 sowie die Hs. Straßburg Bibl. nat. et univ. Ms. 2542 (all. 517 2°). Darüber hinaus finden sich Spuren von Regula in Form von Korrekturen, Ergänzungen, Erklärungen und Hinweisen bezüglich der Leseordnung z.B. in L 10, 11, 13, 14, 29, 44, 64, 78, 80, 87 und Nekr. 47. 30 284 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 26 Alexander de Villa Dei (Villedieu) arbeitete zunächst an einer grammatischen Enzyklopädie, dem Alphabetum maius, das auch die weitere Entwicklung des Mittellateins berücksichtigte. Ein hexametrischer Auszug daraus, das Doctrinale puerorum (1199), verdrängte im Spätmittelalter Priscians Institutiones grammaticae (M üller , G./ N euen schwander , E.: Alexander de Villa Dei. In: LMA 1, Sp. 381). 27 Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA), 64/ 47, f. 10 (S chindele : Zum 500. Todestag der Sr. Regula, S. 234). 28 H einzer / S tamm : Die Handschriften von Lichtenthal, S. 41; F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 292; K unze : Regulas Bearbeitung der ‹Legenda aurea›, S. 85; S chindele : Zum 500. Todestag der Sr. Regula, S. 236. 29 Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe 65/ 323 (S chindele : Der Beitrag der Lectio Divina zur monastischen Erneuerung, S. 14 u. Anm. 3). 30 H einzer / S tamm : Die Handschriften von Lichtenthal, S. 42f. u. Anm. 92. Einen kurzen Überblick bietet der Artikel von Gerhard S tamm im Verfasserlexikon (Regula, Lichtenthaler Schreibmeisterin. In: 2 VL 7, 1989, Sp. 1131-1134). Innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums (ca. 1450-1461) entstand also eine ganze Reihe von Handschriften, die insbesondere durch die zahlreichen Kommentare und Randnotizen, die sich auf Auswahl, Erstellung und Gebrauch der Texte beziehen, Aufmerksamkeit erregten. Man nimmt weiter an, daß diese Regula nicht aus Kloster Lichtenthal selbst stammte, sondern im Zuge der Klosterreform dorthin kam, möglicherweise zusammen mit der Äbtissin Elisabeth Wiest aus Königsbrück, in deren Amtszeit (1444-1459) die meisten Codices Regulas entstanden sind. 31 Tatsächlich scheint Königsbrück im 15. Jahrhundert entsprechende wirtschaftliche und kulturelle Voraussetzung besessen zu haben. 32 Nach vorhergegangenen Verwüstungen durch die Bauernaufstände 1525 und 1621 durch die Schweden wurde das Kloster während der Revolution zwar vollständig zerstört, doch konnten die Nonnen zumindest einen Teil des Archivs nach Lichtenthal, wohin sie geflohen waren, retten - ein Indiz für die langanhaltende Verbindung zwischen beiden Klöstern. Später gelangten diese Archivalien wieder ins Elsaß zurück. Darunter befindet sich auch eine Handschrift des 15. Jahrhunderts, die Alfred P fleger untersucht hat. Es handelt sich um einen liturgischen Codex gemacht nach der form vnd wise der kirchen oder closter Mulbrun. Geschrieben wurde er laut Kolo- Rekonstruktion und Charakteristika des Regula-Corpus 285 31 Auch aus anderen zu reformierenden Klöstern ist bekannt, daß man für den Wissenstransfer gelehrte Schwestern von außen holte. Vergleichbar ist etwa die Reform des Zisterzienserinnenklosters St. Agnes Lauingen durch das Kaisheim unterstellte Kirchheim am Ries. Laut der Chronik Lauingens wurde dort eine Kirchheimer Nonne Äbtissin und brachte zwei Nonnen aus ihrem Kloster mit, die sich dort als Schreiberinnen betätigten (S chromm : Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries, S. 88f.). Vgl. zu diesem Aspekt auch S chlotheuber : Ebstorf und seine Schülerinnen, S. 178 u. S. 187f.; D ies .: Klostereintritt und Bildung, S. 277f. und Anm. 44 sowie S. 90ff; G leba , Gudrun: «Ock grote Arbeyt myt Scryven vor dyt convent ged n.» Die spätmittelalterlichen Klosterreformen Westfalens in ihrem liturgischen und pragmatischen Schriftgut. In: Lesen, Schreiben, Sticken und Erinnern. Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte mittelalterlicher Frauenklöster. Hrsg. v. Gabriela Signori. Bielefeld 2000 (Religion in der Geschichte 7), S. 108-122, hier S. 113; D ies .: Reformpraxis und materielle Kultur. Westfälische Klöster im späten Mittelalter. Husum 2000 (Historische Studien 462), S. 69; R üther , Andreas: Schreibbetrieb, Bücheraustausch und Briefwechsel: Der Konvent St. Katharina in St. Gallen während der Reform. In: Vita religiosa im Mittelalter. Festschrift für Kaspar Elm zum 70. Geburtstag. Hrsg. v. Franz J. Felten. Berlin 1999 (Berliner historische Studien 31: Ordensstudien 13), S. 653-677, hier S. 670. Zu Gastmönchen in den Männerklöstern und ihrer Bedeutung für die Literatur vgl. auch G raf , Klaus: Ordensreform und Literatur in Augsburg während des 15. Jahrhunderts. In: Literarisches Leben in Augsburg während des 15. Jahrhunderts. Hrsg. v. Johannes Janota u. Werner Williams-Krapp. Tübingen 1995 (Studia Augustana 7), S. 100-159, hier S. 120ff. 32 R oethinger : L’abbaye cistercienne de Koenigsbruck; P fleger , Alfred: Ein Königsbrükker Kalendar des 15. Jahrhunderts. In: Études haguenauiennes 1 (1948), S. 61-77. Zum zisterziensischen Kalendar: B ackaert , Bernard: L’Évolution du calendrier cistercien. In: Collectanea ordinis Cisterciensium reformatorum 12 (1950), S. 81-94, 302-316 und 13 (1951), S. 108-127. phon 1492 per me Sororem magdalenam de Wickersheim et Cantricem Sitlaub. Ähnlich wie dies Peter S chmidt für eine Handschrift des Frauenklosters Inzigkofen beschreibt, haben sie den Codex durch eingeklebte Miniaturen und Holzschnitte ergänzt. 33 In diese Handschrift eingelegt ist außerdem ein Kalendar, das aufgrund paläographischer Merkmale auf die Mitte des 15. Jahrhundert datiert und einer anderen, geübteren Hand zugewiesen wird. Für das 15. Jahrhundert ist damit eigene Schreibtätigkeit in Königsbrück sowie eine an der Handschriftenproduktion beteiligte cantrix nachweisbar. 34 Aus Textauswahl, Anlage und Hinweisen für die Tischleserin läßt sich schließen, daß es Regulas Aufgabe war, «für den ordensgemäßen geistlichen Lesestoff und die reguläre Durchführung der gemeinsamen Lesungen zu sorgen.» 35 Neben den für die Tischlesung vorgesehenen Texten finden sich auch solche, die organisatorische Fragen behandeln wie die noch im Kloster befindliche Tischleseordnung und die erst 1995 im Kloster entdeckte und von Pia S chindele publizierte Hs. 3, in der wichtige Definitiones des Zisterzienserordens für die Frauenklöster in Übersetzung zusammengestellt sind. 36 Von den für die Reform benötigten liturgischen Handschriften scheinen allerdings nur einige in Lichtenthal hergestellt worden zu sein; diese kamen überwiegend aus den zuständigen Männerklöstern Maulbronn und Herrenalb. 37 Regulas 286 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 33 P fleger , Alfred: Christus als Gärtner. Ein Geleitwort zu den Kunstbeilagen aus dem Königsbrücker Kodex. In: Études haguenauiennes 1 (1948), S. 78-83; S chmidt , Peter: Kleben statt Malen: Handschriftenillustration im Augustiner-Chorfrauenstift Inzigkofen. In: Studien und Texte zur literarischen und materiellen Kultur der Frauenklöster im späten Mittelalter, S. 243-283. 34 Alfred P fleger spricht von einer «Hochblüte im 15. Jahrhundert» (Ein Königsbrücker Kalendar des 15. Jahrhunderts, S. 61); R oethinger erweckt den Eindruck, als habe es in dieser Zeit in Königsbrück einen umfangreichen Schreib- und Malbetrieb gegeben. Da er sich aber an dieser Stelle nur auf P fleger beruft und zudem die Datierung des Codex falsch zitiert (1442 statt 1492), scheint er dessen Ergebnisse einfach ungenau wiederzugeben. 35 S chindele : Zum 500. Todestag der Sr. Regula, S. 236. Wobei sich hier die Frage stellt, ob Regula in Königsbrück die umfangreiche Bildung erwerben konnte, die sie nach Ausweis ihrer Tätigkeit haben mußte. 36 D ies .: «Die ordenung. die daz. Capitel von Zitel … hat gemacht» (HS 3,11 r ). Eine bisher unbekannte Hs. der Sr. Regula im Archiv der Abtei Lichtenthal. In: Freiburger Diözesanarchiv 116 (1996), S. 79-122; zur Tischleseordnung vgl. auch D ie ‹E lsässische L egenda A urea ›. Bd. 2: Das Sondergut. Hrsg. v. Konrad Kunze. Tübingen 1983 (Texte und Textgeschichte. Würzburger Forschungen 10), S. XXIIIf. und D ers .: Regulas Bearbeitung der ‹Legenda aurea›, S. 85. 37 S chindele : «Hie focht an die ordenung und reformacion Benedicti des bapstes des XII. ...», S. 298f.; zu Herrenalber Handschriften in Lichtenthal ausführlich H einzer , Felix: Johannes Zürn aus Neibsheim, ein Herrenalber Mönch des 15. Jahrhunderts als Handschriftenschreiber. Ein Beitrag zur Frage der Beziehungen zwischen Herrenalb und Lichtenthal. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 133 (1985) / N.F. 94, S. 67-80; zu Ms. 29 der Lichtenthaler Klosterbibliothek, ein Maulbronner Antiphonar von 1249 vgl. D ers .: Maulbronn und die Buchkultur Südwestdeutschlands im 12. und Hauptaufgabe war es also, Literatur für die Tischlesung und die lectio divina zu erstellen. 38 Die vermutlich erste von Regula für Lichtenthal geschriebene Hs. L 70 ist zugleich auch die aufwendigste. Sie enthält u.a. eine Übersetzung der Vita Christi und ist - als einzige - mit 40 kolorierten Federzeichnungen illustriert, die in einer elsässischen Werkstatt entstanden sein dürften. 39 Hagiographische Schriften bildeten den Schwerpunkt in Regulas Werk, so bietet die Hs. L 70 auch den Anfang der ELA, die in einer heute in Straßburg aufbewahrten Lichtenthaler Handschrift (Straßburg Bibl. nat. et univ. Ms. 2542 (all. 517 2°)) ihre Fortsetzung findet. 40 Diese weitverbreitete kalendarisch geordnete Sammlung Rekonstruktion und Charakteristika des Regula-Corpus 287 13. Jahrhundert. In: Anfänge der Zisterzienser in Südwestdeutschland. Politik, Kunst und Liturgie im Umfeld des Klosters Maulbronn. Hrsg. v. Peter Rückert u. Dieter Planck. Stuttgart 1999 (Oberrheinische Studien 16), S. 147-166, bes. S. 151. 38 S tamm , Gerhard: Klosterreform und Buchproduktion. Das Werk der Schreib- und Lesemeisterin Regula. In: Faszination eines Klosters. 750 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthal, S. 63-70, hier S. 63f.: «Wie die um 1450 teilweise von Regula geschriebene Leseordnung zeigt (L 108, Bl. 35v-49r), waren die Lesestoffe für die Tischlesung sowie deren Abfolge im Verlauf des Kirchenjahres weitgehend von den Traditionen des Ordens bestimmt, wie sie im besagten Liber ordinarius ihren Niederschlag gefunden hatten. [...] Die hier genannten Lesestoffe sind überwiegend den Texten des Stundengebets und der Messe entnommen: Evangelium und Lesungen (Homilien) der Matutin, Episteln und Evangelienperikopen der Messe. Außerdem sollte im Verlauf eines jeden Jahres die gesamte Bibel zum Vortrag kommen [...]»; S chindele : Der Beitrag der Lectio Divina zur monastischen Erneuerung, S. 15: «Nicht alle Legendare Sr. Regulas enthalten Hinweise, daß sie für die Tischlesung benützt wurden, sie waren wohl eher zur persönlichen Lectio Divina der Mitschwestern bestimmt. Hinzu kamen Texte, die unmittelbar der geistlichen Unterweisung dienten oder auf die Erneuerung des monastischen Lebens zielten.» 39 Beschreibung der Handschrift bei H einzer / S tamm : Die Handschriften von Lichtenthal, S. 175-179; vgl. auch die Zusammenfassung im Katalogeintrag von Gerhard S tamm (Faszination eines Klosters. 750 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthal, S. 255f.). Die ausführliche Arbeit von Barbara M odler (Lichtenthal 70. Eine spätmittelalterliche Bilderhandschrift der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe. Magisterarbeit. Freiburg i. Br. 1980) stand mir leider nicht zur Verfügung. Zu den Illustrationen dieses Textes auch S chmidt : Kleben statt Malen: Handschriftenillustration im Augustiner-Chorfrauenstift Inzigkofen. Die Verfasserschaft des Textes ist ungeklärt. Aufgrund einer handschriftlichen Zuschreibung wird der Augustinereremit Michael de Massa als Autor der lateinischen Fassungen diskutiert (F romm , Hans: Michael de Massa OESA. In: 2 VL 6, 1987, Sp. 503-509). Unklar ist die Verfasserfrage auch hinsichtlich der volkssprachigen Fassung. Ob sie von Ludolf von Sachsen verfaßt wurde, wie Walter B aier vorgeschlagen hat, ist umstritten (B aier , Walter (A,B)/ R uh , Kurt (C): Ludolf von Sachsen. In: 2 VL 5, 1985, Sp. 967-977). 40 Zur ELA und ihrer Überlieferung vgl.: D ie ‹E lsässische L egenda A urea ›. Bd. 1: Das Normalcorpus. Hrsg. v. Ulla Williams u. Werner Williams-Krapp. Tübingen 1980 (Texte und Textgeschichte. Würzburger Forschungen 3); D ie ‹E lsässische L egenda A urea ›. Bd. 2: Das Sondergut. Hrsg. v. Konrad Kunze. Tübingen 1983 (Texte und Textgeschichte. Würzburger Forschungen 10); D ers .: Überlieferung und Bestand der Elsässischen Legenda Aurea. Ein Beitrag zur deutschsprachigen Hagiographie des 14. und 15. Jahrwurde ergänzt durch eine Übersetzung der schon von der Benediktregel als Lektüre für die Mönche empfohlenen Vitas Patrum. Diese ebenfalls beliebte Sammlung von fälschlich Hieronymus zugeschriebenen Legenden der frühchristlichen Eremiten, Kirchenväter und Büßer liegt in einer um Genesius, Bonifatius und Severus ergänzten Fassung vor. 41 Dem Buch von den heiligen Mägden und Frauen stand damit gewissermaßen ein Legendar männlicher Heiliger zur Seite. Auch Übersetzungen ‹moderner› Einzellegenden fehlen nicht: der Franziskus-Legende des heiligen Bonaventura folgt in der Handschrift die Clara-Legende des Thomas von Celano und ein großer Teil der Legende der Katharina von Siena von Raimund von Capua steht zusammen mit der Legende von den 10.000 Märtyrern. 42 Es wird erkennbar, daß Regula ein sorgfältig ausgewähltes Corpus hagiographischer Texte zusammenstellte, bei dem sie auf eine etwa gleiche Gewichtung von Legenden weiblicher und männlicher Heiliger und von verschiedenen Legendenbzw. Legendartypen achtete. 43 Auch ordensspezifische Interessen werden in Form einer ausführlichen Version der Bernhards-Vita berücksichtigt. 44 Aus der Tischleseordnung geht hervor, daß in Lichtenthal zunächst kein redelich passional vorhanden war, weshalb sich Regula wohl vor allem um diese Textgattung bemühte. 45 Ergänzt wird dieses Corpus durch eine Auswahl aszetischer, katechetischer und mystischer Texte, die - v.a. in deutscher, teils auch in lateinischer Sprache - in Auszügen vorgestellt werden, z.B. Konrads von Soltau Glossa super Psalterium oder Texte zum Klosterleben (Über das Eigentum der Klosterleute, Von Gehorsam, Demut und Armut etc.). 288 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen hunderts. In: ZfdA 99 (1970), S. 265-309. Zu diesen beiden Handschriften auch: D ers .: Regulas Bearbeitung der ‹Legenda aurea›, S. 85f. und 87; zur Datierung der Straßburger Handschrift H einzer / S tamm : Die Handschriften von Lichtenthal, S. 42f. 41 K unze , Konrad: Alemannische Legendare (I), S. 31. Ausgabe mit Angaben zur Überlieferung von Ulla W illiams : Die alemannischen ‹Vitaspatrum›. Untersuchungen und Edition. Tübingen 1996 (Texte und Textgeschichte. Würzburger Forschungen 45). 42 Die Legenda maior der Katharina von Siena war im deutschsprachigen Raum in mindestens neun, noch nicht näher untersuchten Übersetzungen verbreitet. Die Lichtenthaler Handschrift bietet den Text der «bei weitem populärste[n] Übersetzung (Titel: ‹Ein geistlicher rosengarten›)», die «wohl schon kurz nach R[aimund]s Tod in Nürnberg entstanden» ist und deren Textzeugen «vorwiegend aus reformierten Dominikanerinnenkonventen stammen» (W illiams -K rapp , Werner: Raimund von Capua OP. In: 2 VL 7, 1989, Sp. 982-986). 43 Vgl. Williams/ Williams-Krapp (Hg.): D ie ‹E lsässische L egenda A urea › 1, S. LVIIf.: «Die Auswahl, welche Schwester Regula in ihrer Redaktion aus dem Corpusbestand der Els. LA traf, ist wesentlich durch Rücksichtnahme auf den Gesamtbestand der Klosterbibliothek mitbestimmt. Es war ihre Absicht, eine geradezu enzyklopädisch konzipierte, auf mehrere Bände verteilte deutsche hagiographische Sammlung zustande zu bringen, auf deren Zusammenhang zahlreiche Querverweise innerhalb noch erhaltener Legendenhss. deuten.» 44 Kunze (Hg.): D ie ‹E lsässische L egenda A urea › 2, S. XXVf. 45 Ebd., S. XXIV; D ers .: Regulas Bearbeitung der ‹Legenda aurea›, S. 85. Was die erwähnten Vor- und Nachschriften und Randbemerkungen betrifft, so scheint es mir wichtig, noch einmal nach deren Status und Funktion zu fragen. Bislang sind sie vor allem als ‹persönliche› Aussagen gewertet worden, die unmittelbaren Einblick in Regulas Intentionen und Arbeitsweise gewähren. 46 An einigen wichtigen Beispielen läßt sich zeigen, inwiefern die Berücksichtigung des genauen Kontextes zu einer anderen Lesart und Akzentuierung dieser Stellen führen kann. Zunächst möchte ich auf die bereits erwähnte Hs. L 88 eingehen. Es handelt sich um eine Sammlung grammatischer Texte, die Regula nicht selbst geschrieben hat, sondern die im Kloster Maulbronn entstanden sein dürfte. 47 Regula hat sie jedoch korrigiert und auf Bl. 29v, der letzten beschriebenen Seite, mit einer kritischen Schlußschrift versehen, die hier vollständig wiedergegeben wird: Seneca. Invenissent necessaria. si non q sissent sup flua Nó<ta>: die ersten zwo Regeln an disem büchlin sint corrigiert. vnd recht [als ich meyn]. Aber daz dritte dz etlich nennent die glosen. ist vast bresthafft [vnd mißsetzt] geschri= ben nach eim alten büchel. dz vnser bychter. sider gesehen hat. vnd sp’cht es sy nyrgent für. dann dz wir vns [selbs] damit verderbent etc. Ich han dicke geseit. mich wenig nuotzes darinn bekennen vnd nit grundes davon wissen. wolt got. dz es nit [al] ge schriben were. davon lieben kinde. wz ir vß disen allen geziehen möget. vch fürderlich zu der declinierung der latinschen wörter. vnd der ge wönlichen Conigatz. nach wisung des donaten. beduncket den bychter gnug. vnd meinet. das übrig diene vns zu keinem nuotze. etc. vnd dz ir it (? ) auch wenent liht sin die declinierung. So schrib ich ietz etwz vß dem doctrinal magister Alexand’ da by ir versteen mögent die swery des vßrichtens oder regierung der wörter. dz lesen wer es we[o]lle [in dem] [größern sextern den soror Regl ~ geschr’ hat] Es ist als mich beduncket dz aller lichtest. vornen alleyn vß der vorrede p’me part’. diß sol nyman bekümern. Es ist geschr’ den jungsten vnd den nachko menden. dz sie ir synnen in solichem nit zu vil verwerren vnd vermangfaltigen. als leider ich mit schaden on allen nuotz Davon mich nit wenig bekummert dz nachfolgen myner Rekonstruktion und Charakteristika des Regula-Corpus 289 46 Vgl. S tamm : Klosterreform und Buchproduktion, S. 63; H einzer : Lichtenthaler Bibliotheksgeschichte als Spiegel der Klostergeschichte. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 136/ N.F. 97 (1988), S. 35-62, hier S. 52; K unze : Buch von den heiligen Mägden und Frauen, Sp. 1131. 47 H einzer / S tamm : Die Handschriften von Lichtenthal, S. 40; vgl. zu dieser Schlußschrift auch S chindele : Zum 500. Todestag der Sr. Regula, S. 237. Eckige Klammern im Text bezeichnen Nachträge und Korrekturen. torheit. mit abschribung solicher nerrescher lügenhaffter dinge. vmm gotz willen, lant diß blat fürbz vnvertilgt, unverkleibt vnd unvernei[g]et. anders ist vns [diß büchlyn und sin glichen] sicher me schand dan ere, sider es ye etwann eim gelerten zu henden kümt. Überschrieben ist das Ganze mit einem leicht abgewandelten Satz aus Senecas Epistulae morales ad Lucilium, 48 das sowohl Pia S chindele als auch Gerhard S tamm als «Maxime» ihres Gesamtwerkes und als Geste der Selbstbeschränkung und Selbstkritik auffassen. 49 Das lateinische Zitat eines ausdrücklich genannten und im Mittelalter sehr geschätzten antiken Autors demonstriert zunächst jedoch die Gelehrsamkeit der Redaktorin, stellvertretend für den Konvent. Diese Interpretation kann sich darauf stützen, daß Seneca-Zitate «öfter als Autoritätenberufungen am Kommentaranfang» Verwendung fanden und sogar in der Arenga einer Barbarossa-Urkunde auftauchen. 50 Unter dem Stichwort nota wird dann entsprechend die Arbeit kritisch kommentiert: Die Korrektur der ersten beiden Teile sei gut gelungen, während die des dritten Schwierigkeiten bereitet habe, da der Text auf einer schlechten Vorlage beruhe. Diese Information hat sie offenbar vom Beichtvater, der - vermutlich in Maulbronn - dieses alte büchel eingesehen hat. Diese Schwierigkeiten lassen sich auch an einigen Randbemerkungen zu dieser letzten Schrift ablesen: 21v: defectus laß für geen, 22r: laß bliben keyn n v tz, 25v: diß ist zu vil vnrichtig vnd kan sin nit gebessern. Einen Korrekturversuch streicht sie durch und schreibt resigniert daneben: nescio. Diese Kommentare zeigen deutlich, daß der Text zu viele Fehler enthielt, um sinnvoll korrigiert zu werden. Ihre Selbstkritik bezieht sich also darauf, sich überhaupt an diesem ‹unverbesserlichen› Text versucht zu haben. Die Schlußschrift hat daher den Sinn, die Mitschwestern zu informieren, inwiefern diese Handschrift kritisch zu sehen ist, welchen Nutzen sie dennoch daraus ziehen können und welche anderen Texte sie gegebenenfalls zu Rate ziehen sollen. Regula versucht also, selbst eine in Teilen un- 290 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 48 Epistulae morales ad Lucilium, Epistula 45, Abschnitt 4: Nam illi quoque non inventa sed quaerenda nobis reliquerunt, et invenissent forsitan necessaria nisi et superflua quaesissent. Im Mittelalter wurde Seneca sehr geschätzt, insbesondere die Epistulae morales wurden rezipiert (L aarmann , M.: Seneca (II). In: LMA 7, Sp. 1751), auch wurden seine Texte «als Quelle für Sinnsprüche exzerpiert» ( von A lbrecht , Michael: Geschichte der römischen Literatur von Andronicus bis Boethius. Mit Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die Neuzeit. Bd. 2. 2., bearb. Aufl. München 1997, S. 948). Aufgrund dieser weiten Verbreitung von Senecas Schriften in Florilegien-Sammlungen und Exzerpten, insbesondere der Epistulae morales ad Lucilium, wird sich die Quelle dieses Zitats wohl kaum genauer zurückverfolgen lassen (H enkel , Nikolaus: Seneca d. J., Lucius Annaeus. In: 2 VL 8, 1992, Sp. 1080-1099). 49 S chindele : Zum 500. Todestag der Sr. Regula, S. 234; S tamm : Klosterreform und Buchproduktion, S. 70. 50 H enkel : Seneca d. J., Lucius Annaeus; E lze , Reinhard: Ein Seneca-Zitat in Barbarossa- Urkunden. In: Römische historische Mitteilungen 28 (1986), S. 151-154. brauchbare Handschrift mittels textkritischer Verfahren gewinnbringend in den Buchbestand des Kloster zu integrieren und seine Existenz - wie der Schlußsatz zeigt - vor einem Fachpublikum zu legitimieren. Das Seneca-Zitat läßt sich inhaltlich ganz konkret auf den gescheiterten, und daher «überflüssigen» Versuch der Korrektur dieses schlechten Textes beziehen, gehört aber zugleich zu der Strategie, den eigenen wissenschaftlichen Anspruch dennoch zu behaupten. 51 Die Hs. L 65 weist ähnliche Kommentare auf, diesmal in Form von Randbemerkungen und zwar zu zwei lateinischen Auszügen aus der Glossa super Psalterium des Konrad von Soltau (Bl. 63v-125v, 126r-145v). In der ersten erklärt sie den Nutzen dieser Schrift sowie die Glossierung des Textes und die dabei verwendeten Abkürzungen: 63v, unterer Rand: Wer dise glose jetzt versteet, und die sie jetzt oder hernach lernent, die sollent mit gantzem flyß sorgsam sin, soliches fürbaß ire nehsten zu lerende, wan in eim closter kum nützers und heilsamers under allen büchern mag sin oder gelernt werden sider diß in teglicher steter übung ist. und wan der Text gar vast gekürtzt ist, so merck flißklich wo etc. stet, was dar gehört. anders wirt die glose nit verstanden. Item wo alleyn stet gló daz ist glosa ordinaria. und wo Lý daz ist kein and’ dan der wirdige lerer meister Nicolaus de lyra 52 . In den beiden anderen geht sie auf mögliche Verständnisschwierigkeiten sowie Probleme ein, die ihr die Vorlage bereitet habe, und markiert die ihrer Meinung nach verderbten Stellen durch Kreuze: 64r, unterer Rand: Item die schriberin bitt ir umb gotes willen verzihen den bresten diser schrifft, dann sie es nit wol könd gebessert han maniger hinderniß halb. Item es lüstet nit im ersten sölichs zu lesen, besunder dem ungübten in alssolichem. Aber nach fürgang der zit und flißigem uff mercken liebet es ye mer und baß. es ist breviert nach sim bilder etwan me auch dick mynr. Item ein gar schöne lüstliche vorrede diser glosen stet zulest nach den cantiken, wan die schriberin nit meinte, daz sie daz halpteil davon möchte geschriben han. 145v: Mich rüwet von hertzen daz dise edle glosa nit redlicher und gantzer geschriben ist und weiß kein b v ch in zit, daz ich gerner abschriebe, ob ichs vermöcht vor anderm noturftigen schriben und corrigiren der bücher. Dan ich wol Rekonstruktion und Charakteristika des Regula-Corpus 291 51 Daß Regula eine Einschränkung solcher Maßstäbe im Hinblick auf Frauen kannte, aber wohl doch nicht völlig akzeptierte, läßt sich einer Stelle der Tischleseordnung entnehmen, die Konrad K unze zitiert: «Eine gewisse Steigerung des Kompetenz-Bewußtseins läßt sich aus folgendem entnehmen: Regula notiert f. 37r, die richtige Zeitplanung der Lektüre (daß die Bibel pro Jahr ganz durchgelesen wird) gehort den gelerten zu. Die sollen es wiszen. Die frawen die zu mal nit verstent. die d u rffen kein not darvmb haben; dann aber streicht sie den letzen Satz durch! » (D ie ‹E lsässische L egenda A urea › 2, Anm. 27). 52 Der Franziskaner Nikolaus von Lyra (gest. 1349) war einer der bedeutendsten Bibelexegeten des Mittelalters. Seine Postilla litteralis super totam Bibliam wurde schon früh gedruckt und zusammen mit der Glossa ordinaria und dem Bibeltext ediert (P epper müller , R.: Nikolaus von Lyra. In: LMA 6, Sp. 1185). vernommen han, daz under vil glosen uber den psalter keyn so nützlich, kurtz und wol begriffen sy. Item wo ein crützlin stet. und nichtz da by verezeichnet, da dünkt mich etwaz bresten, daz ich nit kan und begere es hertzlich yeman corigiren. Ein exemplar daruß diß geschriben ist, ist auch vil mißschriben. Auch hier scheint es ihr also darum gegangen zu sein, Hinweise für den konkreten Gebrauch der Texte zu liefern, ihre philologische Verfahrensweise transparent zu machen und ihre Vorlagen einer kritischen Einschätzung zu unterziehen. Auch in der bereits erwähnten Hs. L 70 zum Leben Jesu finden sich solche notae zur Intention und zu den Rezipienten der Schrift: Vorsatzblatt: Liber vite scriptus intus et foris. 53 Vita Jh _ . dz b v ch des lebens vnd der lere vnßs herren Ih _ X’. dem Closter liechtental. by B u r. [Rubriziert] Diß ist ein vber gut mynnicklich b v ch. fürderlich vb’ alle tütsche büchere. Ist icht brestens darynne. dz sol mit gottes hilffe nach latinischer warheit corrigiert werden etc. [nachgetr. sannen] hie sint nit kluge geczierte wort [die die oren f u llent] sunder slecht v ’ einfaltig also sie zu luterer andacht v ’ jnnigkeit des hertzen wisent. Unser her von mulbrunn v ’ meister Berthold 54 . haben auch gesprochen, dz diß b v che gut vnd gerechte sy 55 [Nachtrag: item wz die schrib’n sich achtet nach eigem g v tduncken geschr’ gelassen. oder auch sust mißschriben han. dz ist gebessert. deo gratias]. 292 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 53 H einzer / S tamm (Die Handschriften von Lichtenthal, S. 176) diskutieren mehrere Vorschläge zur Deutung dieser Stelle: Es könnte heißen, daß Regula einen Teil der Handschrift bereits geschrieben hatte, als sie ins Kloster Lichtenthal kam; wahrscheinlicher erscheint ihnen aber, daß foris sich auf die außerhalb des Klosters entstandenen Miniaturen bezieht. Schließlich zitieren sie die von A. d ’H aenens vorgeschlagene Interpretation als Reminiszenz an Apc 5, 1: et vidi in dextera sedentis super thronum librum scriptum intus et foris signatum sigillis septem (In: Calames et cahiers. Mélanges…offerts à Léon Gillissen. Bruxelles 1995, S. 33-40, zit. nach ebd., Anm. 1). 54 Es handelt sich um einen Maulbronner Konventualen, der «1446 und 1449 als Schaffner zu Lichtenthal» erwähnt wird (GLA 67/ 709, 79r, 124r-124v; H einzer / S tamm : Die Handschriften von Lichtenthal, S. 176). Aus dieser Bezeichnung wird man schließen dürfen, daß er akademische Grade an einer Universität, vielleicht am Ordenskolleg St. Jakob in Heidelberg, erworben hatte (S chindele : «Hie focht an die ordenung und reformacion Benedicti des Babstes des XII. ...», S. 297). Daß er an der Betreuung des Klosters beteiligt war und von Regula in Fragen der Literaturauswahl konsultiert wurde, ist vor dem Hintergrund bemerkenswert, daß das Studium einem Zisterziensermönch innerhalb des Ordens gewisse Privilegien und Karrierechancen, z.B. die Aussicht auf einen Abtsposten, eröffnen konnte (vgl. L ekai , Louis Julius: Studien, Studiensystem und Lehrtätigkeit der Zisterzienser. In: Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, S. 165-170, hier S. 167; S chneider : Studium und Zisterzienserorden). 55 Gerhard S tamm hält die Bemerkungen auf dem Vorsatzblatt für eine Rechtfertigung, da das Leben Jesu kein fester Bestandteil der Tischleseordnung sei (Klosterreform und Buchproduktion, S. 64). Besondere Beachtung fand hier vor allem die Stelle Hie sint nit kluge geczierte wort..., die Gerhard S tamm als «Absage an hochtrabende Gelehrsamkeit und Hinwendung zu tiefempfundener Herzensfrömmigkeit» wertet. 56 Was Regula beschreibt, ist jedoch die dem Gegenstand angemessene Stilebene, den sermo humilis. 57 Darüber hinaus läßt sich - wie gezeigt - keineswegs eine Ablehnung von Gelehrsamkeit aus ihrem Werk herauslesen, auch sprachlich nicht, handelt es sich doch um eine «durchaus anspruchsvolle[], am lateinischen Vorbild geschulte[ ] Prosa.» 58 Auch beim Epilog dieses Textes stellt sich die Frage, inwiefern die Aussagen ‹persönlich› zu nehmen sind: 187r Epilog: Diß buoch nennet man das leben Ihu- und ist über gesetzet ußer dem latin der heilgen Ewangelium in dütsch vff das kürtzeste durch mynne und liebe der ungelerten, die das latin nit verstont und daru m manigmol vertrosz hant vil czu lesende den ist in disem buoch ein forme wie sie sollent sich selbs von inwendig erwecken. daz er sin selbs vergisset und allez daz der welte zu gehören ist Wer den geist Ihesu Cristi hat und das mynnenbuch verstat, der weiß, was hie ist gesagt O scriptrix a vanitate desiste/ satis te commonuit liber iste/ Corrige temet ipsam/ et invoca dei genitricem/ ut te trahat per nati sui vulnera/ ne gravius te impediat mens effera. [Rot durchgestrichen]. Der durchgehend präsente Demutsgestus spricht eher dafür, daß die Ich- Aussagen funktional auf den Text und seinen Gegenstand, das Leben Jesu, bezogen werden müssen. Der Schlußsatz signalisiert durch den Wechsel zur lateinischen Sprache und zum Vers im Kontext einer volkssprachigen Prosahandschrift zudem einen besonderen Status der Rede. Die Selbstermahnung der Schreiberin wird explizit aus dem Buch hergeleitet (liber iste), so daß wohl auch mens effera weniger als konkrete Selbstanklage Regulas zu werten ist, sondern als allgemeines Geständnis der superbia. 59 Der Passus durch mynne Rekonstruktion und Charakteristika des Regula-Corpus 293 56 Ebd., S. 65. 57 So hat auch Konrad K unze die Stelle verstanden (Regulas Bearbeitung der ‹Legenda aurea›, S. 92). Es gibt allerdings bei den Reformern gewisse Vorbehalte gegenüber anspruchsvollerer Lektüre. «So setzt der einflußreiche Reformer Johannes Nider den ‹spitzigen subtilen buchern› (gemeint sind Werke, die sich mit hohen theologischen Fragen befassen, vor allem aus dem Umkreis der Mystik) Werke als Ideallektüre entgegen, ‹die von den zechen gebott sagen oder des gelich›.» (Werner W illiams -K rapp : ‹Praxis Pietatis›. Heilsverkündung und Frömmigkeit der ‹illiterati› im 15. Jahrhundert. In: Die Literatur im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Hrsg. v. Werner Röcke u. Marina Münkler. München [u.a.] 2004 (Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart 1), S. 139-165, hier S. 143f. 58 F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 293. 59 Daß es durchaus problematisch ist, solche Äußerungen auf die Person des Verfassers zu beziehen, zeigt auch ein Beispiel, das Werner W illiams -K rapp anführt: Es handelt sich um eine Predigt, die vermutlich vom Übersetzer und Redaktor der Predigtsammlung des Nikolaus von Dinkelsbühl hinzugefügt wurde. «Da es sich wohl um eine Muster- und liebe der ungelerten, die das latin nit verstont... wird immer wieder zitiert, um die Intention von Regulas Übersetzungstätigkeit deutlich zu machen, und dabei meist ganz konkret auf ihre Mitschwestern bzw. deren Bildungsstand bezogen. 60 Grundsätzlich läßt sich dagegen einwenden, daß das Anführen eines lateinunkundigen Publikums zur Begründung von Übersetzungen in die Volkssprache so häufig anzutreffen ist, daß ein topischer Charakter nicht auszuschließen ist. 61 Ob man aus dieser Bemerkung auf den tatsächlichen Bildungsstand der Konventualinnen in Lichtenthal (und damit auch auf deren ‹Reformbedürftigkeit›) schließen darf, hängt aber auch von der - umstrittenen - Frage ab, wer der Verfasser dieser Übersetzung ist. Karl-Ernst G eith hat sich im Vorfeld einer Edition in mehreren Aufsätzen mit dieser Frage beschäftigt und - ebenso wie Gerhard S tamm - Regula selbst als Übersetzerin vorgeschlagen, wenn auch mit Vorbehalten. Um die Überlieferungsverhältnisse dann erklären zu können, muß er jedoch annehmen, daß es sich bei der Hs. L 70, die nicht der älteste Textzeuge ist, um die Abschrift einer bereits um 1440 von Regula verfaßten Übersetzung handelt. 62 Wahrscheinlicher dürfte sein, 294 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen predigt handelt, wird das Ganze einem ‹ainuoltigen priester› in den Mund gelegt, der ständig seine mangelnde Kompetenz in hohen Fragen betont.» (‹Praxis pietatis›, S. 149). 60 S tamm : Klosterreform und Buchproduktion, S. 64; K unze : Buch von den heiligen Mägden und Frauen, Sp. 1087; D ers .: Regulas Bearbeitung der ‹Legenda aurea›, S. 85; S chindele : Der Beitrag der Lectio Divina zur monastischen Erneuerung, S. 13; D ies .: Zum 500. Todestag der Sr. Regula, S. 235. Dabei wird dann auch meist das Substantiv ungelerten zum Adjektivattribut umfunktioniert und das Substantiv ‹Mitschwestern› oder ähnlich ergänzt, und so der Sinn dieser Stelle vereindeutigt. 61 Eine vergleichbare Stelle findet sich beispielsweise im Servatius Heinrichs von Veldeke. Der Erzähler wendet sich an den Heiligen selbst und bittet: ende du mich helpe ende rat/ ende mute mich genade geven/ dat ich sente Servases leven/ also mute duden/ den engelerden luden/ alse’t gode wale geteme,/ ende he’t genadelike verneme,/ want ich ein sundech mensche bin,/ ane macht ende ane sin,/ ungeleret ende ungerecht (Die epischen Werke des Henric van Veldeken. I: Sente Servas. Sanctus Servatius. Kritisch hrsg. v. Theodor Frings u. Gabriele Schieb. Halle a. d. Saale 1956, Verse 177-186). Achim M as ser kommentiert: «Wenn wir im Prolog des ‹Servatius› lesen, es solle mit dieser Dichtung das Leben der Heiligen den ‹ungelehrten Leuten› (180) nahegebracht werden, so ist das eben überhaupt der entscheidende Grund für die Abfassung volksprachlicher Heiligenleben» (Bibel- und Legendenepik, S. 182). Dem kann jedoch entgegengehalten werden, daß Veldeke sich deutlicher als andere Autoren am geistlichen Prolog orientiert und damit gerade auf seine Kenntnis gelehrter lateinischer Literatur verweist. Der Vergleich mit dem Epilog der Wienhäuser Meßallegorese zeigt überdies, daß hier beide Texte auf die gleichen Traditionen rekurrieren. 62 G eith , Karl-Ernst: Die Leben-Jesu-Übersetzung der Schwester Regula aus Lichtenthal. In: ZfdA 119 (1990), S. 22-37; D ers .: Übersetzungen im Bereich religiöser Texte im 15. Jahrhundert. In seinem zuletzt erschienenen Aufsatz bezeichnet er die Frage, ob Regula auch die Übersetzerin war, als «noch offenes Problem» (D ers .: «...wan ich den sin swerer vant denn ich hat gewenet.» Zum Übersetzen im Mittelalter. In: Zwiesprache. Beiträge zu einer Theorie und Geschichte des Übersetzens. Hrsg. v. Ulrich Stadler. In Zusammenarbeit mit John E. Jackson, Gerhard Kurz u. Peter Horst Neumann. Stuttgart/ daß Regula diese Übersetzung für Lichtenthal abschrieb und dabei ebenfalls den Epilog übernahm, denn dieser ist - mit leicht verändertem Schluß - auch in einer 1449 von Anna Jäck, Priorin des aus eigenem Antrieb reformierten Chorfrauenstiftes Inzigkofen, geschriebenen Handschrift zu finden. 63 Das schließt zwar nicht aus, daß beide Redaktorinnen den Epilog übernahmen, weil er ihnen im Hinblick auf die Situation in ihrem Kloster passend erschien, aber er verliert den ‹persönlichen› Charakter und kann nicht als individuelle Beschreibung der Lichtenthaler Verhältnisse gewertet werden. Die Selbstverständlichkeit, mit der Regula die hagiographischen Texte in den niederalemannischen Dialekt übersetzte, ist allerdings ein starkes Argument. Eva S chlotheuber sieht v.a. in der Übersetzung des Liber usuum «ein Zeichen dafür, daß die Lichtenthaler Zisterzienserinnen weitgehend deutschsprachig waren.» 64 Daß Lateinkenntnisse dennoch nicht obsolet waren, zeigen die lateinischen Schriften zur Grammatik, die überwiegend auf Latein verfaßte Hs. L 65 und die lateinischen Einsprengsel in den deutschsprachigen Texten. Auch die Lesungen aus dem Alten Testament wurden aus einer lateinischen Bibel vorgetragen. 65 Daß Regula - wie andere Übersetzer der Zeit - versucht, den gelehrten Rekonstruktion und Charakteristika des Regula-Corpus 295 Weimar 1996, S. 9-20, hier S. 16). Auch Werner F echter teilt die von G eith selbst formulierten Zweifel. (Deutsche Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts aus der Bibliothek des ehemaligen Augustinerchorfrauenstiftes Inzigkofen. Sigmaringen 1997 (Arbeiten zur Landeskunde Hohenzollerns), S. 83ff. u. 185). 63 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 28441. Der Text des Epilogs ist abgedruckt bei Wolfgang S tammler : Prosa der deutschen Gotik. Eine Stilgeschichte in Texten. Berlin 1933 (Literarhistorische Bibliothek 7), S. 29. Zu dieser Handschrift vgl. auch S chmidt : Kleben statt Malen: Handschriftenillustration im Augustiner-Chorfrauenstift Inzigkofen. 64 S chlotheuber : Klostereintritt und Bildung, S. 269, Anm. 4. Sie weist allerdings zu Recht darauf hin, daß grundsätzlich die Bildungssituation der Frauenklöster immer noch unzureichend erforscht bzw. von Vorannahmen geprägt sei, und «daß die in der Literatur immer wieder zitierten Belege für die weitgehende Deutschsprachigkeit der Nonnenkonvente vorwiegend aus dem süddeutschen Raum stammen» - ein Befund, der aber noch genauerer Untersuchung bedarf (ebd., S. 269-272); vgl. auch H asebrink , Burkhard: Tischlesung und Bildungskultur im Nürnberger Katharinenkloster. Ein Beitrag zu ihrer Rekonstruktion. In: Schule und Schüler im Mittelalter. Beiträge zur europäischen Bildungsgeschichte des 9. bis 15. Jahrhunderts. Hrsg. v. Martin Kintzinger, Sönke Lorenz u. Michael Walter. Köln/ Weimar/ Wien 1996 (Archiv für Kulturgeschichte, Beiheft 42), S. 187-216, hier S. 187f. 65 S chindele : «Hie focht an die ordenung und reformacion Benedicti des bapstes des XII. ...», S. 301; ein Beleg für den Lateinunterricht im Kloster könnte auch der aus Herrenalb stammende Vocabularius latino-germanicus (L 72) sein. Es ist jedoch unklar, wann er genau nach Lichtenthal kam (H einzer : Johannes Zürn, S. 69). Man kann natürlich fragen, inwieweit die Existenz lateinischer Schriften ein Beleg für entsprechende Lateinkenntnisse darstellt. Werner W illiams -K rapp zitiert beispielsweise eine Eingabe des Nürnberger Klarissenklosters an den Rat, in der sich die Nonnen über die lateinische Tischlesung beklagen, die sie ohnehin nicht verstünden, und die Einführung der deutschen Tischlesung fordern, wie dies auch in anderen Klöstern der Fall sei. Allerdings Anspruch der lateinischen Texte in die deutschen Übersetzungen hinüberzunehmen, könnte allerdings ein Indiz dafür sein, daß sich die Einstellung zur Verwendung der Volkssprache auch im monastischen Leben verändert hatte. Der mehrmalige Verweis auf den Beichtvater wirft die Frage auf, inwieweit Instanzen der Ordensleitung tatsächlich an der Auswahl und Ausgestaltung der Texte partizipierten oder ob sie hauptsächlich angeführt wurden, um die Texte zusätzlich zu legitimieren und mit Autorität zu versehen. In diesem Zusammenhang wird in der Forschungsliteratur auch auf die Legende der Katharina von Alexandrien in L 69 hingewiesen, die hier noch einmal genauer betrachtet werden soll (Abb. 33). Auf Bl. 45vb unten beginnt die Katherina-Legende mit der üblichen Etymologie des Heiligennamens, Bl. 46ra oben folgt: dz man vindet in dem wercke dz wir auch in dütsche hant geschriben baß dan hie. doch sol ich nit vnder wegen laßen. dz mir got von ir zu erkennen git. vnd ich in schriffte vinden. Danach bleibt etwa eine Zeile frei und der Text setzt, von anderer Hand geschrieben, 66 mit einer Initiale neu ein: Katherina wz des küniges Costi einige dochter. In alexandria. vßer massen schöne. von kinde vff zarte in küniglichen lüsten erzogen. vnd in allen fryen künsten wol geleret. also dz ir gliche nit funden wart. Mittig in der nächsten Zeile folgt in gleicher Schrift die Anweisung kere vmbe. Darunter steht mit anderer Tinte, von Regulas Hand: 67 Hie wolt eine geschr’ han ein gesicht von sant kathrinen gebürt. dz wart ir vnderstandn also bleib es. Auf 46ra wird der Text dann fortgesetzt (Dise jungfrowe hette an ir funff große volkumenheit...). Regula wollte hier offensichtlich die Geschichte der Geburt Katharinas ergänzen, die nicht zum festen und sanktionierten Bestand der Legende gehörte. 68 Diese Stelle wurde so interpretiert, daß Regula zunächst Platz 296 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen zeigt die gleichzeitig geäußerte Forderung, den beiden Parteien des Klosters, die sich über die Verehrung von Johannes dem Evangelisten und Johannes dem Täufer stritten, alle lateinischen Bücher abzunehmen, daß hinter dieser Forderung offenbar nicht alle Nonnen standen und es im Kloster durchaus lateinkundige Nonnen gab, die mit Hilfe lateinischer Bücher versuchten, im Kloster ihren Standpunkt in theologischen Fragen durchzusetzen (Die Bedeutung der reformierten Klöster des Predigerordens für das literarische Leben in Nürnberg im 15. Jahrhundert. In: Studien und Texte zur literarischen und materiellen Kultur der Frauenklöster im späten Mittelalter, S. 311-329, hier S. 321f.). 66 So H einzer / S tamm : Die Handschriften von Lichtenthal, S. 173. 67 Konrad K unze nimmt an, daß es sich um eine andere Hand handelt (Alemannische Legendare (I), S. 35). 68 Die Passio ist der älteste Teil der Legende, der später durch eine Conversio und einen Nativitas-Teil ergänzt wurde, «der K.s Geburt in ein wunderbares Licht rückt und als Helfer ihres Vaters den Astrologen Alphonicus auftreten läßt.» (A ssion , Peter: Katharina ließ, um die Erlaubnis für die angekündigte Passage zu bekommen, sie jedoch nicht erhielt. 69 Sie selbst fügte nachträglich einen erklärenden Kommentar ein; den Beginn der Legende hat jedoch offenbar eine andere Hand nachgetragen, erst dadurch wurde der Text vorlesbar. Aber nicht nur der Eingang der Katharina-Legende ist fragmentarisch, auch am Ende bricht sie ab: Ab Bl. 51r folgt ein Mirakelanhang, der als letztes die Erzählung von einem Abt und einem Bischof, welche sich auf der Suche nach Katharinas Grab befinden, präsentiert, die ausdrücklich positiv angekündigt wird: Auch lieset man ein schones mirackel dz got durch sie gewircket hat. Dennoch wird sie nicht zu Ende geführt, nur kurz erklärt durch die Zeile deficit ppter Apocrifum. Dieser Kommentar wurde durchgestrichen 70 und das Ende der Geschichte doch noch - wiederum von einer anderen, späteren Hand - nachgetragen. 71 Anscheinend wurde also dieses Mirakel abgebrochen, weil es ebenso wie die Geschichte von der Geburt und Taufe der Heiligen auf apokryphen Quellen beruhte. 72 Vielleicht war Rekonstruktion und Charakteristika des Regula-Corpus 297 von Alexandrien. In: 2 VL 4, 1989, Sp. 1055-1073, hier Sp. 1057). Ob auch die im 14. Jahrhundert aufgekommene Ergänzung von der mystischen Vermählung Katharinas mit dem Jesuskind folgen sollte, ist ungewiß; der freigelassene Platz scheint mir dafür eher zu gering (D ubois , J.: Hl. Katharina v. Alexandrien. In: LMA 5, Sp. 1068f.). Zu den Versionen der Jugendgeschichte vgl. H ilka , Alfons: Zur Katharinalegende: Die Quelle der Jugendgeschichte Katharinas, insbesondere in der mittelniederdeutschen Dichtung und in der mittelniederländischen Prosa. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 74 (1920), S. 171-184. Zur Überlieferung der Katharina-Legende vgl. auch J efferis , Sibylle: The «Saint Catherine Legend» of the Legenda aurea, traced through its German Translations and other German Versions in Prose, Verse, and as a Play. In: Legenda aurea: Sept siècles de diffusion. Actes du colloque international sur la Legenda aurea: texte latin et branches vernaculaires à l’Université du Québec à Montréal 11-12 mai 1983. Ouvrage publié sous la direction de Brenda Dunn-Lardeau. Montréal/ Paris 1986 (Cahiers d’études médiévales; cahier spécial 2), S. 253-265. 69 S chindele : Zum 500. Todestag der Sr. Regula, S. 238. 70 Aufgrund der Durchstreichung ist nicht ganz eindeutig, ob es sich im letzten Wort um ein f oder s handelt. So liest Konrad K unze apocrisum und sieht in dieser Stelle einen weiteren Beleg für das Eingreifen eines zuständigen Geistlichen in ihre Arbeit (Alemannische Legendare (I), S. 35). Pia S chindele liest ebenfalls Apocrifum (Zum 500. Todestag der Sr. Regula, S. 238). 71 Nach H einzer / S tamm (Die Handschriften von Lichtenthal, S. 173) ist dies ein Nachtrag aus der Zeit um 1500. Es könnte sich aufgrund der Schriftmerkmale vielleicht um die gleiche Hand handeln, die die Hs. Kl. L 46, eine alemannische Übersetzung der Reformanweisungen Papst Benedikts XII., geschrieben hat, auch zeitlich wäre das möglich (vgl. S chindele : «Hie focht an die ordenung und reformacion Benedicti des bapstes des XII. ...», Abb. S. 285). Anders verhält es sich bei der Tekla-Legende. Hier hat eine spätere Hand zu dem Bericht von der Selbsttaufe der Heiligen, die schon im Text selbst kritisch kommentiert wird, am Rand die Anweisung für die Tischleserin nachgetragen, diese Stelle ganz auszulassen: wz da oben nach dißem zeichen x folget dz soll ob dem disch nit gelesen werden (Bl. 185vb). (vgl. S chindele : Zum 500. Todestag der Sr. Regula, S. 238). 72 Der Mirakelanhang der Katharina-Legende ist eine spätmittelalterliche Ergänzung. Die Geschichte des Bischofs Sabinus von Mailand und des Abtes Theodorus von Monte Cassino ist bereits in die LA aufgenommen (E is , Gerhard: Lûpold von Wîltingen. Eine es aber auch die in diesem Mirakel dargestellte Verbindung zwischen der Heiligen und dem Bischof, die als problematisch angesehen wurde. Am Anfang und Ende der Legende vermißt man jedoch eine Korrektur oder Anweisung an die Tischleserin, wie sie an der Stelle verfahren sollte, so daß ausgerechnet diese wichtige Legende fragmentarisch bleibt, die laut der von Regula verfaßten bzw. korrigierten Tischleseordnung unbedingt zu Ende gelesen werden sollte. 73 Zwar verweist sie auf eine an anderer Stelle vorhandene Katharina- Legende, doch wird dieser Verweis nicht konkretisiert. 74 Diese Auslassungen in der Katharina-Legende sind am auffälligsten, es gibt jedoch noch weitere Texteingriffe bzw. Kommentare, die in eine ähnliche Richtung deuten, z.B. werden in L 74 erotische Stellen aus der Legende des Einsiedlers Abraham gestrichen und folgendermaßen kommentiert: von gehorsam und ernstlichem geheiß ist diß verstrichen, und dannoch zu lützel (92r, unterer Rand). 75 Hier 298 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen Studie zum Wunderanhang der Katharinenlegende. In: Ders.: Altgermanistische Beiträge zur geistlichen Gebrauchsliteratur. Aufsätze - Fragmentfunde - Miszellen. Bern/ Frankfurt a. M. 1974, S. 80-96, hier S. 81 (zuerst erschienen in: Festschrift für Wolfgang Stammler. Berlin 1953, S. 78-91)). 73 Katharina muß für Lichtenthal wichtig gewesen sein, da der Hauptaltar ihr und den elftausend Jungfrauen geweiht war (S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 34). In der Leseordnung heißt es zum Apostel Andreas: an syme dage liset man zu tische daz Evangelium Ambulans Jesus. Darnach sol man sin liden lesen in dem passional, ob daz nit hindert S. katherinen lyden. Daz sol vor gantz uß gelesen weren (L 108, 35v, zit. nach S chindele : Der Beitrag der Lectio Divina zur monastischen Erneuerung, S. 14 u. Anm. 10; vgl. zu dieser Stelle auch F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 294f.). Ob man daraus einen grundsätzlich höheren Stellenwert weiblicher Heiliger folgern darf, halte ich jedoch für fraglich. Ausschlaggebend waren wohl eher liturgische Gründe, die auch die Organisation der Tischlektüre betrafen. Katharina wurde bei den Zisterziensern nämlich mit einem sogenannten festum duplex, d.h. zwei Messen, geehrt (P almer : Zisterzienser und ihre Bücher, S. 192). In dem bereits erwähnten Königsbrükker Kalendar, das einen Anhaltspunkt für die Lichtenthaler Gepflogenheiten geben dürfte, gehört Katharina (25. November), ebenso wie der Apostel Andreas (30. November) zu den durch Rubrizierung hervorgehobenen Heiligen - ein Zeichen für ein festum duplex. Der vergleichsweise kurze Abstand zwischen den beiden könnte dazu geführt haben, daß die Tischleserin Schwierigkeiten hatte, die recht umfangreiche Katharina-Legende bis zum Andreas-Tag vollständig zu lesen. Für diesen Fall scheint Regulas Anweisung gedacht zu sein. Auch die Eberbacher Fassung der Ecclesiastica officia kennt entsprechende Anweisungen: «Bei Tisch wird zuerst das Sonntagsevangelium gelesen, danach die Passion des Heiligen, wenn die Lektüre der Genesis das nicht verhindert» (P almer : Zisterzienser und ihre Bücher, S. 170 und 191; P fleger : Ein Königsbrücker Kalendar des 15. Jahrhunderts, S. 62 und 75). 74 Im Anschluß an die Namensetymologie heißt es: dz man vindet in dem wercke dz wir auch in dütsche hant geschriben baß dan hie (Bl. 46ra). Regulas Hand setzt dann mit der Lucia-Legende auf 52ra ganz oben wieder ein. Auch in der Lucia-Legende gibt es Streichungen, die jedoch völlig unkenntlich gemacht sind (53v). Es geht an der Stelle um die heikle Frage, ob eine Jungfrau durch Vergewaltigung ihre Keuschheit verliert. 75 Vgl. auch in derselben Handschrift 1v: […] und ander noch me tüfelische martel, die nit nütz sint zu schreiben oder zu hören herum will ich eins teils doch gar wenig der großen wie auch in der Katharina-Legende wird jedoch nicht angegeben, auf wessen geheiß die Eingriffe in den Text eigentlich erfolgten. Es ist also nicht einmal ganz auszuschließen, daß Regula aus eigenem Antrieb nachträglich kritische Stellen strich, ähnlich wie sie grammatisch oder philologisch bedenkliche Stellen markierte. Daß in der Katharina-Legende nicht nachträglich Passagen gestrichen, sondern vorgesehene Passagen nicht ausgeführt wurden, spricht allerdings dafür, daß sie nicht nur bereits Geschriebenes korrigierte, sondern auch schon während der Abfassung Absprachen über Auswahl und Gestaltung der Texte traf. Bemerkenswert ist auch, daß die Korrekturen und Randbemerkungen von ihr selbst durchgeführt wurden. Ihre Arbeit scheint also nicht noch einmal von anderer Seite überprüft worden zu sein. Anders verhält es sich bei den Liturgica, die ja auch überwiegend außerhalb Lichtenthals entstanden. Johannes Zürn hat nicht nur ganze Handschriften für Lichtenthal geschrieben, sondern - wie Regula - auch Handschriften, die in seinen Zuständigkeitsbereich als Kantor von Herrenalb fielen, korrigiert, also eine «Kontrollfunktion» ausgeübt. 76 Rekonstruktion und Charakteristika des Regula-Corpus 299 sache künden da by des tüfels böser rat. vnd siner diener vnmenschlich durechtung werde gehöret vnd vermerckt Davon es hie underwegen blibt. In der Clara-Vita wird 212v angemerkt: von der wunderlichen kestigung ires libes wer me zu swigen dan zu reden wan sie soliche ding det von den wol erschrecken mögent die es gehörent. wz das nit groß. dz sie alzit einen einfeltigen rock druog vnd einen bösen mantel […]. Die Forderung, die Texte auf diese Weise zu ‹reinigen›, ist verschiedentlich nachweisbar. Der Jesuit Claude Clement hielt es im 17. Jahrhundert für die «Aufgabe der Bibliotheksvorsteher, bei antiken Autoren durch Randzeichen jene Stellen kenntlich zu machen, die für ein ‹christliches Gemüt› in sittlicher und religiöser Hinsicht gefährlich sein können» (S chreiner , Klaus: Bücher, Bibliotheken und «gemeiner Nutzen» im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit. Geistes- und sozialgeschichtliche Beiträge zur Frage nach der «utilitas librorum». In: Bibliothek und Wissenschaft 9 (1975), S. 202-249, hier S. 241). 76 H einzer : Johannes Zürn, S. 74 und 77. In Lichtenthal haben sich insgesamt 13 liturgische Handschriften erhalten, die zum Ausstattungsbestand des Klosters gerechnet werden. Die lokalisierbaren Handschriften lassen sich ebenfalls der damaligen Paternitätsabtei Neuburg bei Hagenau zuordnen, wurden also nicht vom Gründungskonvent aus der Frauenzisterze Wald mitgebracht, obwohl dort, wenn auch später, ein Skriptorium nachweisbar ist. Diese Handschriften stimmen mit den Normtexten des Zisterzienserordens überein. «Abweichungen in Form von Sondertraditionen finden sich erst - und nur vereinzelt - in Handschriften des ausgehenden 13. und 14. Jahrhunderts, und sie werden - auch dies ein beachtenswertes Phänomen - im Zuge der Reform des 15. Jahrhunderts zugunsten der Konformität mit dem Gesamtorden wieder eliminiert» (D ers .: «Ut idem libri ecclesiastici et consuetudines sint omnibus» - Bücher aus Lichtenthals Gründungszeit. In: Faszination eines Klosters. 750 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthal, S. 43-47); zu den zisterziensischen Vorschriften und dem Normalcodex, die die Einheitlichkeit der liturgischen Bücher sicherstellen sollten vgl. P almer : Zisterzienser und ihre Bücher, S. 55 und S. 156f. Zur Handschriftenüberlieferung aus Wald vgl. B aur , Carl: Mittelalterliche Schreibkunst im Kloster Wald. In: Hohenzollerische Jahreshefte 7 (1940), S. 114-116. Von dessen Klosterbibliothek ist ansonsten nichts bekannt (K uhn -R ehfus : Das Zisterzienserinnenkloster Wald, S. 64). Zum frühen Handschriftenbestand trugen außerdem Stiftungen der Gründerin Irmengard bei, die jedoch Um die Frage nach einem möglichen Einfluß auf die Texte genauer fassen zu können, möchte ich noch einmal auf die Grammatikhandschrift L 88 zurückkommen. Gerhard S tamm versteht die oben zitierte Schlußschrift so, daß nach dem Urteil des Lichtenthaler Beichtvaters, die Vorlage «zu nichts nutze sei als daz wir uns selbs damit verderbent ...» und daß es daher genüge, «wenn die Klosterfrauen die lateinischen Wörter deklinieren und konjugieren könnten.» 77 M.E. ist jedoch gemeint, daß die Nonnen speziell aus dieser Schrift nur die Deklination und Konjugation erlernen konnten, über den grundsätzlichen Umfang, den ihre Lateinkenntnisse haben sollten, war damit noch nichts gesagt. 78 Gegen die zitierte Auffassung spricht außerdem auch, daß das Doctrinale des Alexander de Villa Dei, das Regula als Ersatz beschaffte, für fortgeschrittene Schüler bestimmt war, die den Donatus bereits kannten. 79 Ein Dissens zwischen Regula und dem Beichtvater in diesem Punkt läßt sich nicht herauslesen, eher im Gegenteil wird sein Urteil zur Bestätigung herangezogen. Ebenso verfährt sie auch im Vorwort zum Leben Jesu. Dort heißt es Unser her von mulbrunn und meister Berthold. haben auch gesprochen, daz diß buoche gut vnd gerechte sy. Mitte des 15. Jahrhunderts sind auch tatsächlich in Lichtenthal Beichtväter und Kapläne aus Maulbronn nachweisbar, das in dieser Zeit die Paternität wahrnahm. 80 Mir scheint jedoch, daß sich ihre Einflußnahme auf die Tischlektüre in Grenzen hielt. Ansonsten hätte man die Beschaffung dieser Texte ebenso wie die Liturgica wohl einem Männerkloster übertragen, oder es müßte zumindest eine weitere Korrekturhand feststellbar sein. 81 300 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen durch Plünderungen verloren gingen (K roos : Welfische Buchmalereiaufträge des 11. bis 15. Jahrhunderts. In: Die Welfen und ihr Braunschweiger Hof im hohen Mittelalter, S. 263-278, hier S. 268). 77 S tamm : Klosterreform und Buchproduktion, S. 69. 78 Angesichts der Tatsache, daß diese Handschrift sowie ihre Vorlage aus Maulbronn kamen, kann man sich allerdings fragen, wie es eigentlich um die dortigen Lateinkenntnisse bestellt war. 79 M üller / N euenschwander : Alexander de Villa Dei, Sp. 381; C urtius , Ernst Robert: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter (1948). 11. Aufl. Tübingen/ Basel 1993, S. 53 u. 60f. Erhellend zum Lateinunterricht an Schulen und Universitäten auch G rubmüller , Klaus: Der Lehrgang des Triviums und die Rolle der Volkssprache im späten Mittelalter. In: Studien zum städtischen Bildungswesen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, S. 371-397. 80 Im Lichtenthaler Nekrolog (GLG 64/ 47) sind insgesamt vier Maulbronner Mönche eingetragen (gest. zwischen 1450 und 1465), die als Confessarius oder Capellanus tätig waren; Berthold ist an anderer Stelle als Schaffner des Klosters belegt (vgl. Anm. 54). Die Paternität lag ursprünglich beim Kloster Neuburg, ging jedoch im Mittelalter zeitweilig auf Maulbronn und Herrenalb über (S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 134; H einzer : Johannes Zürn, bes. S. 68, Anm. 6; S chindele : «Hie focht an die ordenung und reformacion Benedicti des bapstes des XII. ...», S. 282, Anm. 7 u. 297, Anm. 56. 81 Ähnlich bewertet Pia S chindele die Situation in Lichtenthal (ebd., S. 297f.). Zu dieser für die Beurteilung der aus Frauenklöstern überlieferten Literatur so grundsätzlichen Frage gibt es wenig Hinweise. Klaus G raf läßt sie für die von St. Ulrich und Afra in Augsburg betreuten Frauenklöster «mangels Quellen» offen (Ordensreform und Lite- Es zeichnet sich ein Bild von Regula als Verfasserin und Redaktorin ab, das gekennzeichnet ist durch ihre sorgfältige philologische Arbeitsweise, Anwendung textkritischer Verfahren, eine kritische Kommentierung ihrer eigenen Arbeit sowie ihrer Vorlagen, die in ihrer häufigen Plazierung am Rand auch optisch an die gelehrte Kommentartradition erinnern und als nota bezeichnet werden. Sie sind daher kaum spontan und ‹persönlich›, sondern sehr bewußt gesetzt und auf ihre jeweilige Funktion im Bezug auf den zu kommentierenden Text zugeschnitten; das zeigt sich auch daran, daß sie in mehreren ‹Schichten› dem Text hinzugefügt wurden. 82 Zahlreiche Verweise vernetzen zudem die Texte der verschiedenen Handschriften untereinander und bringen sie in einen systematischen Zusammenhang. Die Intention dieser elaborierten Textbearbeitungsverfahren war nicht nur, der Tischleserin bzw. den Rezipientinnen Benutzung und Verständnis zu erleichtern, sondern auch die Standards des wissenschaftlich-lateinischen Bereichs auf die volkssprachige Literatur im Kontext Frauenkloster anzuwenden. 7.4 Die Hs. L 69 Die Beschreibung der Hs. L 69 kann exemplarisch für das Erscheinungsbild der Regula-Handschriften insgesamt stehen und ergänzt das bisher von ihr skizzierte Bild um eine weitere Facette, nämlich das einer sorgfältigen Schreiberin. Die großformatige Handschrift ist zweispaltig gesetzt, das Schriftbild ist gleichmäßig, Initialen und rubrizierte Überschriften markieren die Einzeltexte, Kapitelzeichen markieren deren Untergliederung in Sinnabschnitte. Zeigehände 83 , die Abkürzung No oder Nota bene sowie Unterstreichungen weisen auf wichtige Stellen hin, das Nomen sacrum Jesus Christus wird ebenfalls durch Unterstreichung hervorgehoben. Das Legendar nimmt den größten Raum ein (1r-223r), darauf folgt eine ganze Reihe von kleineren Texten wie Die Schule der Tugenden, Briefe wie Die Hs. L 69 301 ratur in Augsburg, S. 135). Werner W illiams -K rapp vermutet dagegen hinter der sehr selektive Rezeption der mystischen und mystagogischen Literatur des 13. und 14. Jahrhunderts im 15. Jahrhundert - es fehlen v.a. die Texte der Mystikerinnen - «eine bewußte Steuerung durch die männlichen Initiatoren der Reform» (Frauenmystik und Ordensreform im 15. Jahrhundert. In: Literarische Interessenbildung im Mittelalter. DFG- Symposion 1991. Hrsg. v. Joachim Heinzle. Stuttgart/ Weimar 1993 (Germanistische Symposien-Berichtsbände 14), S. 301-313, hier S. 302). Kritische Einwände zu der damit verbundenen «These von der Wende der Religiosität in observanten Frauenklöstern» bei H asebrink : Tischlesung und Bildungskultur im Nürnberger Katharinenkloster, S. 212f. 82 Zu den Überarbeitungsschritten Regulas vgl. jetzt die Dissertation von Astrid B reith (wie Anm. 2). 83 Z.B. Bl. 5rb und 6rb. Die Hs. L 69 Epistola ad moniales oder Ein Epistel zu einer Abtißin sowie sehr kurze, als exemplum überschriebene Texte. Sie befassen sich in der Hauptsache mit dem richtigen Klosterleben, sind also wohl auf die Durchsetzung der Reformziele zu beziehen; in der Schule der Tugenden wird explizit auf Probleme bei der Regulierung der Klöster Bezug genommen. 84 Die Sammlung kennzeichnet ihr Streben nach größtmöglicher Vollständigkeit: Insgesamt 57 Frauenlegenden hat Regula zusammengestellt und durch Auszüge aus dem Verzeichnis nach Usuard ergänzt. 85 Daß sie sich auf das Martyrologium des Benediktiners Usuard (gest. um 875) stützte, ist nicht verwunderlich, da es, in einer eigenen Rezension, das im Zisterzienserorden vorgeschriebene Martyrologium war. 86 Die in diesem Legendar erkennbare «Summenbildung» ist ein für das 15. Jahrhundert typisches Phänomen. 87 Daß das Auswahlprinzip konsequent durchgehalten werden sollte, geht aus den Erklärungen hervor, die den wenigen Ausnahmen beigefügt wurden. Dies betrifft die Legende von Perpetua und Felicitas (Mit inen wurdn gemartelt iii mann. die mögen wir von ine gescheidn nit wan es ein gericht vnd urteil wz, Bl. 123rb) 88 und die der heiligen Kunigunde (sit nu keiser heinrich ir sponse kusche 302 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 84 In dem als Dialog angelegten Text wird die Novitia vom Meister ermahnt: [...] vnd darvmm wissest vürwore. weliche persone in den ersten jaren irer bekerunge nit gezochen wern in einen solichen vesten grunt. demütiger vnd gantzer gelassenheit. vnd sunderlich die von ersten angetzogen werdent in vngeordenten Clöstern. dz die ymer me von iren alten wisen lassent. dz ist als ich vörchte gantz vnmügliche ja ein offen sündern oder einen heiden het man vil ee bekert dan ein solich mensche. wan in welchen nüwen kruog man von erste essig duot. der behebt den gesmack biß an sin ende diß sage ich dir darvmm dz du dich da vor hütest [...] (Bl. 245rb). Die in diesem Dialog formulierte Annahme, daß junge Nonnen für das regulierte Klosterleben gewonnen werden können, während ältere Klosterfrauen von ihren Gewohnheiten nicht abzubringen seien, lag auch dem Vorgehen der Reformäbtissin des Zisterzienserinnenklosters Heggbach zugrunde, die mit der Reform bei den jungen Nonnen ansetzte und den älteren ihre bisherige Lebensform beließ (E berl , Immo: Stiftisches Leben in Klöstern. Zur Regeltreue im klösterlichen Alltag des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. In: Studien zum Kanonissenstift, S. 275-315, hier S. 290f.). 85 Das Register auf Bl. 222v und 223r von anderer Hand ist nicht vollständig (H ein zer / S tamm : Die Handschriften von Lichtenthal, S. 173; F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 293, Anm. 756). Ein Verzeichnis der einzelnen Legenden bietet K unze : Alemannische Legendare I, S. 33; Korrekturen dieses Verzeichnisses bei H einzer / S tamm (ebd.). 86 Das Martyrologium des Usuard war im Dijoner «Normalcodex» (Bibliothèque municipale cod. 114 (82)) enthalten, einer Sammlung liturgischer Texte aus Cîteaux, die als Kontrollhandschrift die Einheitlichkeit der Zisterzienserliturgie sicherstellen sollte (P almer : Zisterzienser und ihre Bücher, S. 156 und 164). 87 W illiams -K rapp : ‹Praxis pietatis›, S. 145 und 152. 88 Vgl. auch den Nachsatz (124rb-125va): Dise werden heilgen wurden gemartelt. Non. martii. der leben vnd ende her gesetzet ist. besunder durch der eefrowen willen. die in der stille messen vor den megden stent. des weiß der Bebstliche stul etwz grosser wirdikeit an in. der sie dar gesetzet hat zu lobe gott. vnd der cristenheit. maget starp, so mögen wir auch zimlich von jm sagen, Bl. 209va). 89 Die Berücksichtigung von männlichen Heiligen rechtfertigte sich also über die enge Verbundenheit mit dem Schicksal der Frauen und über die Jungfräulichkeit Heinrichs II. Es handelt sich auch nicht um Übersetzungen der lateinischen Abbreviationes, wie dies bei den meisten volkssprachigen Legendaren der Fall ist, vielmehr wurden die Texte erweitert, indem verschiedene, auch ausführlichere Legendenversionen hinzugezogen wurden. 90 Auch auf das Fehlen entsprechender Quellen wird im Text explizit hingewiesen. 91 Zwar liegen detaillierte Studien zu den Quellen noch nicht vor, doch hat die Forschung schon festgehalten, daß Regulas Umgang mit den lateinischen Texten nicht nur beim Buch von den heiligen Mägden und Frauen als sehr souverän und frei bezeichnet werden kann. 92 Konrad K unze entnimmt dem Prolog, daß Regula ein vierteiliges Legendar angelegt habe oder anlegen wollte, das neben den Jungfrauen und Frauen auch die Apostel, Märtyrer sowie Kirchenlehrer und Bekenner umfaßte oder umfassen sollte. Unsicher ist jedoch, ob sich diese Stelle auf die erhaltenen Legendare beziehen läßt, ob diese verloren gingen oder erst gar nicht ausgeführt wurden. 93 Angesichts der ohnehin umfangreichen von Regula verfaßten hagiographischen Literatur scheint es mir wenig wahrscheinlich, daß sie noch drei weitere Legendare geplant oder geschrieben haben könnte. Skeptisch stimmt aber auch die entscheidende Stelle im Prolog: Nuo ist von den drien ersten wassern vorhin geleret In dem ersten buoche da vön den grossen Jungern ist geseit […]. In dem andern buoche ist geseit von den mertlern […]. Im dritten buoche ist geseit von den hymelsternen. den glestigen liechtern gottes. der lerer vnd bychtiger vnßs glaubens […]. Nuo ist vorhandn von den Jungfrowen […] (Bl. 2ra). Die Hs. L 69 303 89 Vgl. S chindele : «Hie focht an die ordenung und reformacion Benedicti des bapstes des XII. ...», S. 302; K unze : Alemannische Legendare (I), S. 33. 90 Zu Regulas Umgang mit den Quellen vgl. K unze : Buch von den heiligen Mägden und Frauen, Sp. 1088; D ers .: Regulas Bearbeitung der ‹Legenda aurea›, S. 86 u. 88; D ers .: Alemannische Legendare (I), S. 35f.; Ders. (Hg.): D ie ‹E lsässische L egenda A urea › 2, S. XXVI-XXXII; F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 293f. und 299. 91 Zu dem nur erwähnten Martyrium der Schwestern Maria und Flora merkt sie an: der zweier martelunge vnd leben vant ich nit gantz beschriben (Bl. 148vb). 92 K unze : Buch von den heiligen Mägden und Frauen, Sp. 1088; Ders. (Hg.): D ie ‹E lsässi sche L egenda A urea › 2, S. XXXII. Zur Umgestaltung Regulas auf Satz- und Wortebene vgl. D ers .: Regulas Bearbeitung der ‹Legenda aurea›, S. 88-94. Zu diesem Ergebnis kommt auch Karl-Ernst G eith in seinen Arbeiten (vgl. Anm. 62), allerdings hängt der Zeugniswert für Regula davon ab, ob sie tatsächlich die Übersetzerin war, was - aufgrund der genannten Gründe - zumindest zweifelhaft ist. 93 K unze : Buch von den heiligen Mägden und Frauen, Sp. 1087f.; D ers .: Alemannische Legendare (I), S. 30ff. Diese Verweise unterscheiden sich von den anderen in Regulas Handschriften. Sie erwecken eher den Eindruck, als werde auf einen unmittelbar vorhergehenden Text verwiesen, nicht auf andere Handschriften. Man sollte daher die Möglichkeit erwägen, daß Regula diesen Prolog - und vielleicht auch einen Teil der Legenden - aus einem anderen Werk übernommen hat, das die entsprechende Systematik aufwies. Sie hätte dann nur das Buch zu den Jungfrauen und Frauen herausgegriffen, da die Männerlegenden ja bereits anderweitig verfügbar waren. Der umfangreiche Prolog, der sich über 37 Spalten erstreckt, und ein Epilog, 94 der sich inhaltlich auf den Prolog rückbezieht, bilden eine Klammer um die Frauenlegenden, die auf diese Weise, ungeachtet der noch folgenden Texte, als zusammengehörige, eigenständige Textsammlung markiert werden. Auch inhaltlich steht im Zentrum des Prologs die Legitimierung dieser Auswahl, indem die besonderen Leistungen dieser Heiligengruppe gegenüber anderen thematisiert werden. 95 In der Überschrift kündigt Regula an, daß Die vor rede diß büches. saget von vierer hand geslechten mit den gott sin heilge kirche getzieret hat. vnd die sint betzeichent by den iiii wassern des paradyses. ortus uol. Durch die Exegese einer Hohelied-Passage (Ct 2, 12f.: Die bl v men sint erschinen in vnßm lande. Die zit des snydens ist komen. Der türteltuben stymme ist gehöret in vnßm lande. Der fygebaume hat sine grossen gegeben. Die blügenden wingarten hant geben iren gesmack, Bl. 1ra) wird die Besonderheit der Jungfrauen hervorgehoben. 96 Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie mit den Aposteln die Weisheit, mit den Patriarchen den Glauben, mit den Propheten die Zuversicht, mit den Märtyrern die Geduld im Leiden, mit den Lehrern die beständige Tugend und mit allen Heiligen die Liebe Gottes ohne Wanken gemeinsam 304 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 94 Ebd., S. 34; F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 297-299. 95 Eine ausführlichere Analyse des Prologs findet sich ebd., S. 295-297; vgl. auch K unze : Alemannische Legendare (I), S. 30 und 32f.; D ers .: Buch von den heiligen Mägden und Frauen, Sp. 1088. 96 Die Quelle dieser Auslegung ist nicht bekannt. Die Verwendung dieses Zitats durch Hildegard von Bingen in ihrem Brief an die Nonnen von Wechterswinkel, dem ersten Zisterzienserinnenkloster im deutschsprachigen Bereich, ist jedoch ein Indiz für eine längere Tradition hinsichtlich der Verwendung dieser Stelle: «Und darum freut sich meine Seele über eure Gemeinschaft, als sei sie bei euch. Nun also kündet von mir und meinen Schwestern eurem Bräutigam und Tröster, dass wir uns allesamt dort zusammenfinden, wo ‹der Winter vorüber, der Regen dahin und vorbei ist, die Blumen sich zeigen, die Weinblüten ihren Duft geben› und ‹die Stimme der Turteltaube gehört wird›, so daß unsere Erde ein Garten aller Wohlgerüche wird und wir alle hineingenommen werden in die innige Umarmung der Liebeswonne unseres gemeinsamen Bräutigams.» (H ilde gard von B ingen : Briefwechsel. Nach den ältesten Handschriften übersetzt und nach den Quellen erläutert v. Adelgundis Fuhrkötter. Salzburg 1965, S. 188). Auch in einem ca. 1270/ 77 entstandenen Graduale aus dem Zisterzienserinnenkloster Seligenthal bei Landshut hat die Schreiberin Elisabeth diese Verse (hiems transiit, abiit et recessit. flores apparuerunt in terra. vox tuturis audita est) zweimal am Rand (zum Osterfest) eingetragen und mit einer Illustration - ein Rosenstrauch mit zwei Turteltauben - versehen (B ertelsmeier -K ierst : Beten und Betrachten - Schreiben und Malen, S. 169 und Abb. 8). haben. Die Mägde sind die Früchte am Feigenbaum, d.h. der Kirche, also der edelste und werteste Teil der Christenheit. Der Prolog schließt mit den Worten: Also ist hie ettlicher massen kunt wurdn. wz die jungfrowen mit andern heilgen gemeine haben vnd wz sie durh got versmohent. wz ine got gnand duot. wz die heilge kirche werdes vnd nuotzes von ine hat. vnd wie sie gottes wingarten mit guten gesmacke sient. dz allz man her nach me vinden sol als hie eins teyls geschriben ist. Der Epilog wird nicht einfach nach der letzten Legende ‹angehängt›, sondern aus der abschließenden Verena-Legende heraus entwickelt. Verena wird im Text als der megde muoter präsentiert, die diesen ihre - im Text wiedergegebene - Lehre hinterläßt, auf die die Erzählerin zum Schluß noch einmal zurückkommt: Verena hat davor geleret, daz die megde me hute bedürffent dan ander lüte. davon sollent wir me rede haben. wan der meister in der summ [der] dugenden sprichet, daz vil sachen sint zu vörchten den megden und auch vil sachen sint ine nütze zu halten. Auf diese Weise leitet sie zu der nun folgenden abschließenden Unterweisung über, die so in die Nähe der ‹authentischen› mündlichen Lehre der Verena gerückt wird - gewissermaßen als Quintessenz des Vorbilds aller dargestellten heiligen Frauen -, zugleich sich aber durch beständiges Zitieren der Schriften der (männlichen) Autoritäten abstützt. Durch Rückgriff auf den Prolog wird auch inhaltlich die Einheit der Sammlung hergestellt. Dieses Verfahren zeigt exemplarisch, wie es Regula gelingt, in ihrer Darstellung die Kompetenzen und Handlungsspielräume von Frauen bis an die Grenzen zu treiben, diese Grenze gelegentlich auch zu thematisieren und damit auszustellen, ohne sie aber zu übertreten. Die Lebensbeschreibung der Verena ist dafür ein besonders prägnantes Beispiel. Daß gerade sie den Abschluß der Sammlung bildet, ist sicher kein Zufall. Nicht nur durchläuft sie das ganze Spektrum geistlicher und heiligmäßiger Lebensformen - Nähe zu den Märtyrern, Pilgerreise, Leben in christlicher Gemeinschaft, Askese und Einsiedelei, Missionstätigkeit, Dienst für die Kirche, caritative Tätigkeit für Arme und Kranke, Leben in der Klause -, sie gerät dabei immer wieder an die besagten Grenzen weiblichen Handelns: So erscheint sie geradezu als Missionarin der Deutschen, die Taufe der von ihr bekehrten Menschen jedoch übernimmt ein Priester; ihre ‹Lehre› an die Jungfrauen ist im Grunde Predigt. Auch der historische Wandel dieser Grenzen wird an einer Stelle deutlich: Zu hant kam der priester und begunde sin meße singen. dem diente si zu altar, daz nuo nit recht were, daz megde zu mesen dienten. Ungewöhnlich ist auch, daß Verena, indem sie durch ihr Gebet die Schlangen an der Reuß vertreibt, in der Rolle der Ordnungsstifterin erscheint, wie sie sonst nur männlichen Heroen vorbehalten ist. 97 Die Hs. L 69 305 97 Nach vil grossen zeichen die sie det by den megden. ging sie dannen und kam in ein werck da die rüse flüßet in den ryn dz wz gar schöne. wan dz es so vol slangen wz. dz sie ir hoipt nit mochte nyder gelegen. da bat die jungfrowe gott dz er die slangen abe neme. des horte sie ein stymme von dem himel. Verena. got hat dich erhöret und sol dich alle weg Der Beginn des eigentlichen Textes wird durch ein Incipit markiert, das zu seinem Titel wurde: Hie vahet an dz buoch von den heilgen megden vnd frowen (10ra). Die Legenden selbst sind durch sorgfältige, variierende Überschriften gegliedert. In ihrer Abfolge ist allerdings kein festes Schema erkennbar. Sie «folgt in etwa dem Kalender, wird aber durch ‹systematische› Gesichtspunkte durchbrochen.» 98 Entsprechende Vermerke weisen die Tischleserin an, wo fehlende Legenden zu finden sind 99 oder Ergänzungen und Erklärungen zu der vorliegenden Legende. 100 Auch die Legenden selbst sind klar strukturiert: Auf die Überschrift folgt in der Regel die - in volksprachigen Legenden häufig ausgelassene - Etymologie des Heiligennamen, einige hat Regula sogar selbst erst hinzugefügt. 101 Die Legenden enden jeweils mit einer Datierung; wenn eine Jahresangabe fehlt, wird zumindest der Festtag der betreffenden Heiligen als Sterbedatum eingesetzt. 102 Die Erzählungen sind durchsetzt «mit einer Fülle erbaulicher, theologischer, historischer, textkritischer und sachkundlicher Anmerkungen.» 103 Ge- 306 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen erhören in allen dem dz dz du von im heischest. Mache ein crütze gegen den slangen. vnd gebüt ine in dem namen des vatters vnd des sunes vnd des heilgen geistes. dz sie enweg gen. dz det die maget. da gingen die slangen mit scharen enweg vber dz wasser. dz man nye keinen me da gesach (Bl. 217vb-218ra). 98 K unze : Buch von den heiligen Mägden und Frauen, Sp. 1088; vgl. auch D ers .: Alemannische Legendare (I), S. 34. Als Beispiel führt er den Beginn der Martha-Legende an: Von sanct Marthen der heilgen megde zu schriben han ich gedachte on mittel nach sanct Magdalenen, vm dz sie ir swester wz. vnd ein rede der andern die worheit reichet. wan vil da vor geschriben ist dz man hie bevor sol haben. Also von ir gebürt von küniglicher art etc. die vil landes herren waren. wz ieglichem zu teile wart. wz lebens, welcher eren sie waren alle dru, dz ist davor geschriben, davon nach sanct Magdalenen leben. ir leben erhaben ist (Bl. 25r). 99 Hie solten geschriben drier jungfrowen legenda. mit namen sanct Eufemia, S’ Justina vnd S’ Eugenia. So sint sie gebunden in daz buoch vnsers heren leben nach den iiii Ewangelien. hervm wan die dischleserin an diß end komet. sol sie dz selb buoch heischen. Es sy dann aller nehst vor disem gelesen etc. Darnach der heilgen xim megde leben. in dem buoch der seligen lidwen von Scheidam (Bl. 30vb). Gemeint ist Lidwina von Schiedam in L 87 (K unze : Alemannische Legendare (I), S. 31). 100 Süch in S’ Katherinen leben von der milche (Bl. 130rb); Liese auch in Symonis vnd Iude legende (132ra); Süche in S’ lucien leben. da vindestu von dirre geweltigung me. (134ra); Des glichen vindet man in der vettere buoche geschriben (138vb); da vor ist in S Julianen leben von den bosen vnd guten engeln geschr’. dz süche da selbst vnd dz da vnder wegen gelassen ist. dz vindet man von S. Anthonio geschr’. vnd anders wor in der apgötterye cappitel (Magaretha-Legende, 158vb). 101 K unze : Alemannische Legendare (I), S. 36; zum Umgang mit den Etymologien in anderen volkssprachigen Übersetzungen vgl. D ers .: Überlieferung und Bestand der Elsässischen Legenda Aurea, S. 300. 102 Die historiographischen Dimensionen, die auch in der LA eine wichtige Rolle spielen, aber im Wienhäuser Legendar wie auch in anderen volkssprachigen Legendaren eher ausgeblendet werden, sind für Regula also wieder wichtig. 103 K unze : Buch von den heiligen Mägden und Frauen, Sp. 1088; vgl. auch D ers .: Alemannische Legendare (I), S. 36f. genstand von Erklärungen wird insbesondere das Verhalten der Heiligen. Potentielle Einwände oder falsche Schlußfolgerungen werden antizipiert und widerlegt. Erklärungsbedürftig scheinen v.a. solche Verhaltensweisen zu sein, die außerhalb der für Frauen geltenden Normen liegen (Selbsttaufe, Klostereintritt als Ehefrau, Eintritt in ein Männerkloster). Entsprechende Legenden werden gerne zum Anlaß genommen, vorbildliches Klosterleben zu beschreiben. Diese Digressionen werden jeweils kenntlich gemacht durch (paratextuelle) Kapitelzeichen und (textuelle) Formeln wie hie mercke, dz merckent wir daran u.ä. zu Beginn und nu kerent wir wider am Ende. An entscheidenden Stellen wird der Erzählfluß häufig durch Apostrophen an Gott, die Heiligen oder die Rezipienten unterbrochen, um die Bedeutung des Geschehens zum Ausdruck zu bringen. 104 Sie werden grundsätzlich durch die Interjektion O eingeleitet. Daß diese bewußt als Marker solcher Passagen eingesetzt wird, zeigt sich an entsprechender Stelle in einer anderen Handschrift, wo das O vergessen und dann eigens am Rand nachgetragen wurde. 105 Während Regulas Fassungen sich im Prinzip durch ihre Erweiterungen auszeichnen, wird im Bereich der auf die Vita folgenden Mirakel eher gekürzt. Dies entspricht auch der Verfahrensweise bei der Franziskus-Legende, einer Übersetzung der Fassung von Bonaventura (L 79, Bl. 161v-206v), in deren Schlußschrift dieses Vorgehen begründet wird: 206v: Item die manigfaltigen großen zeichen und wunder, die got durch in gewircket hat nach syme dode, sint hie underwegen gelan umb kürzung diß buchs. Auch darumb, wan sie uns nit noturfftig sint zu eim götlichen leben. Me das ebenbilde sins milten demütigen wandels von dem davor geschr’ ist wan in dem spricht sanct Ambrosius so ist die forme in die wir uns trücken und erbilden sollent. Aber in den wunder zeichen ist die ere. der wir vns verwuondern, die großen zeichen sprichet er. machent wol frölich. aber die rychen dugende die beßernt vnd stürent vns jene bewegent vns. me dise fürdern vnd wisent vns den behendn sichern weg zu gott. Darum sol uns benügen der klare spigel sins dugentrychen lebens, dem nach zu folgen. 106 Gestützt auf die Autorität des Kirchenvaters Ambrosius wird hier der Vorbildfunktion der eigentlichen Vita der Vorrang eingeräumt gegenüber der eher ädifikatorischen Wirkung der Mirakel. Auffallend ist nicht nur die strukturierte Anlage der Handschrift sowie der einzelnen Texte, sondern auch das von Regula etablierte Verweissystem, das sich sowohl auf Texte innerhalb wie außerhalb dieser Sammlung erstreckt. 107 Die Hs. L 69 307 104 Maria v. Rom (Bl. 148r): O wunderlicher got also verschied die selige maget in irm gebett. vnd wart auch begraben in dem velsen von diner gnadn vnd wunderlichen kraffte. wz me [...]; Eufrosina, Bl. 160ra: O milter gott wie gar luter noch da geistlichs leben wz. 105 Badisches Landesarchiv Hs. 74, 65va. 106 Vgl. auch Bl. 85va: dise zwey zeichen sollent gnügen von irem leben die wyl sie im libe wz. wan es würde zu lang. der sie alle solt begriffen. 107 Vgl. dazu K unze : Alemannische Legendare (I), S. 31f.; F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 300f. Darunter fallen einerseits die schon genannten Hilfestellungen für die Tischleserin, aber auch inhaltliche ‹Konkordanzen›, die die Rezipientinnen auf Übereinstimmungen oder Unterschiede zwischen den einzelnen Legenden aufmerksam machen. Einerseits liegt darin eine Rationalisierung für die Schreiberin (die mehrmals über Zeitmangel klagt), da beispielsweise ausführliche Erklärungen eines Sachverhaltes nur einmal gegeben werden müssen. Für die Hörerinnen oder Leserinnen werden dadurch andererseits Zusammenhänge sichtbar. Sie sollen sich offenbar nicht nur auf die Rezeption der jeweiligen Einzellegende beschränken, sondern dazu angeregt werden, ihre Kenntnis anderer Viten vergleichend einzubringen. Systematisierung kennzeichnet sowohl die Texte, als auch die mit ihnen verbundenen Bildungsabsichten. Die Einbettung der Legendensammlung in Prolog und Epilog ist nicht nur eine Frage literarisch-theologischen Anspruchs, sondern auch einer didaktischen Intention: Die Nonnen sollen die Legenden nicht als eine Sammlung von Einzeltexten wahrnehmen, sondern den Zusammenhang zwischen den Viten der heiligen Frauen sehen und den Bezug zu ihrem eigenen Status als Nonne erkennen. Die darin enthaltene Aufwertung kam zwar auch den Interessen zur Durchsetzung der Reform entgegen, die v.a. in den sich anschließenden Texten deutlich werden, es bleibt aber doch ein Überschuß, der auch an anderen Stellen in Regulas Corpus sichtbar wird. Regulas Beispiel zeigt, welch hohes Niveau die volkssprachige Tischlesung in einem Frauenkloster haben konnte. 108 Erkennbar wird auch, daß sie weitgehend selbständig agierte. Zwar scheint sie (mündliche) Absprachen mit entsprechenden Instanzen, u.a. den Beichtvätern, getroffen zu haben, aber direkt eingegriffen haben diese offenbar nicht, denn Streichungen bzw. Auslassungen hat sie - soweit erkennbar - selbst vorgenommen. Regula berücksichtigt in mehrfacher Hinsicht die Funktion der Texte für die Tischlesung: Pragmatisch betrachtet dienen die Erweiterungen dazu, die Texte auf einen «lectiogerechten Umfang» zu bringen. 109 Um sie dennoch für die Hörerinnen mitvollziehbar zu machen, wendet sie verschiedene Verfahren an, die - ähnlich wie die nur optisch wahrnehmbaren (para)textuellen Zeichen in der Handschrift - auch akustisch die Texte strukturieren. 110 Das Verhältnis zwischen Regula und ihrer Leserschaft versteht Edith F eistner als «spezifische Kommunikationssituation unter (Kloster)frauen». 111 Doch scheint mir die Kommunikationssituation aus verschiedenen Gründen komplizierter zu sein. Hier ist zunächst auf die ergänzenden (Rand)kommentare hinzuweisen, die sich mitunter nicht nur an die Nonnen und speziell die Vorleserin richten, sondern auch die für die Textproduktion mitverantwortli- 308 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 108 Vgl. dazu H asebrink : Tischlesung und Bildungskultur im Nürnberger Katharinenkloster. 109 K unze : Regulas Bearbeitung der ‹Legenda aurea›, S. 88. 110 F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 299. 111 Ebd., S. 295. chen Instanzen der Ordensleitung einzubeziehen scheinen. Auch wird die Gültigkeit der Texte nicht auf den engen Bereich des Klosters beschränkt, sondern vor der weiteren Perspektive einer wissenschaftlichen Gemeinschaft entworfen. Zwar war Regula wohl auch Mitschwester, doch fungierte sie, wenn sie schreibt, in erster Linie als Lehrerin und Vermittlerin. Die Verhandlung verschiedener Bildungsstufen in den Kommentaren erfolgt immer aus der Warte der Gebildeten. Konrad K unze kommt im Anschluß an die von Edith F eistner unterschiedenen Typen zu dem Ergebnis, daß Regula ihre Vorlage im Sinne einer hierarchischen statt kollegialen Vermittlungshaltung bearbeitet habe. 112 Zu fragen ist auch, ob die Äußerungen der Verfasserin, die vermutlich im Zusammenhang mit der Ordensreform von außerhalb in das Kloster kam, über die Mitschwestern, respektive das implizite Publikum, gewissermaßen programmatisch sind: Die Notwendigkeit der Reform bedeutet auch die Notwendigkeit zur Unterweisung. Die Einengung des Blicks auf die Kommunikation zwischen Nonnen führt außerdem dazu, daß entsprechende Merkmale wie Identifikation oder Erbauung stärker gewichtet werden als die ebenfalls vorhandenen Merkmale der Gelehrsamkeit. Aufgrund dieser Kommunikationssituation, die durch den gemeinsamen Bezug zum Erzählgegenstand geprägt sei, lege Regula - so Edith F eistner - den Schwerpunkt auf die Innenperspektive der Heiligen und die Möglichkeit eines «identifikatorischen Miterlebens des Geschehens». Ihrer Meinung nach fungieren die «Verweise und Kommentare [...] allein als Hilfestellung für eine möglichst adäquate, tiefgehende Einfühlung und dienen nicht einer von der Heiligen wegführenden Didaxe». 113 Die von ihr beobachteten, «der lateinisch-gelehrten Tradition entstammende[n] Verfahren», nämlich das Rubrizierungs-, Exegese- und Konkordanzprinzip, 114 stünden demnach im Dienst einer identifikatorischen Lektüre. Identifikation der Rezipientinnen mit den Protagonistinnen ist sicher gerade bei dem Buch von den heiligen Mägden und Frauen ein zentrales Anliegen, doch läßt sich die Verfaßtheit des Textes nicht völlig darüber erklären. Bemerkungen zu Schwierigkeiten mit den Vorlagen oder zum Übersetzen bestimmter Passagen, wie sie auch in anderen Handschriften des Regula-Corpus zu finden sind, lassen sich nicht darunter subsumieren. 115 Die Erklärungen, die sie einfügt, gehen weit über das hinaus, was zu einer identifikatorischen Lektüre notwendig wäre, wenn sie etwa komplizierte theologische Fragestellungen erläutert, wie den Unterschied zwischen der Heilung eines Kranken durch Jesus oder durch einen Heiligen, oder wenn sie skeptische Einwände antizi- Die Hs. L 69 309 112 K unze : Regulas Bearbeitung der ‹Legenda aurea›, S. 89; F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 67-88. Dieses «hierarchische Gefälle» ist typisch für den «Diskurs des 15. Jahrhunderts» (W illiams -K rapp : Frauenmystik und Ordensreform, S. 321). 113 F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 304. 114 Ebd., S. 299f. 115 Vgl. z.B. Bl. 148vb: Maria vnd flora [...] der zweier martelunge vnd leben vant ich nit gantz beschriben. piert: Warum glaubten die Heiden nicht, obwohl sie die Zeichen der Heiligen doch auch sahen? 116 Hinter diesen Textstrategien ist eine gebildete Autorin und Lehrerin erkennbar, die der Identifikation ihrer ‹Schülerinnen› ein theologisch fundiertes, und kritischen Fragen standhaltendes Fundament verschaffen wollte. 117 7.5 Legendensammlungen weiblicher Heiliger: Wienhäuser Legendar und Buch von den heiligen Mägden und Frauen Die Sammlungen ausschließlich weiblicher Heiliger sind bislang noch nicht im Zusammenhang untersucht worden. 118 Nach bisherigem Kenntnisstand dürfte das Wienhäuser Legendar zu den frühesten Beispielen dieser Art gehören, während das Lichtenthaler Legendar aus einer Zeit stammt, in der es zahlreiche vergleichbare Handschriften gab. 119 Abgesehen vom Buch von den heiligen Mägden und Frauen haben v.a. das Passienbüchlein von den vier Hauptjungfrauen und Der maget krone Beachtung gefunden. Die Bezeichnung Passienbüchlein von den vier Hauptjungfrauen geht zurück auf zwei Drucke dieses 310 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 116 Vgl. K unze : Alemannische Legendare (I), S. 37f.; D ers .: Überlieferung und Bestand der Elsässischen Legenda Aurea, S. 299; D ers .: Studien zur Legende der heiligen Maria Aegyptiaca im deutschen Sprachgebiet. Berlin 1969 (Philologische Studien und Quellen 49), S. 103. Zum Vergleich sei auf die zwei Versionen der Remigius-Vita Hinkmars von Reims († 882) hingewiesen: «In der Fassung für das Volk ging es Hinkmar um narrative Vergegenwärtigung ethischer und rechtlicher Normen, um die Wundertaten des Heiligen und seine zu Nachahmung verpflichtenden Tugenden», während die Fassung für die Gebildeten komplexere Fragestellungen, z.B. über die Willensfreiheit, und Verweise auf die Bibel enthielt (S chreiner : Laienfrömmigkeit - Frömmigkeit von Eliten oder Frömmigkeit des Volkes? , S. 17f.). Regulas volkssprachige Legendenfassung zeichnen sich dadurch aus, daß diese Dichotomie auf sie gerade nicht mehr angewandt werden kann. 117 Zur Betonung der Vernunft durch die Reformer vgl. W illiams -K rapp : Frauenmystik und Ordensreform, S. 305. 118 Vergleichend wäre zu fragen nach Zielpublikum, Gebrauchskontext, Autorkonstruktion, Erzählduktus, Quellenbehandlung, Überlieferung und Überlieferungsverbund. Selbstaussagen des Erzählers und Aussagen zu seinem Publikum sind zu hinterfragen vor dem Hintergrund eines bestimmten Sammlungstyps. 119 Vgl. das bereits zitierte Kap. bei W illiams -K rapp : Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters, S. 29; die Legende Preventa und Adoptata ist beispielsweise zweimal im Kontext entsprechender Sammlungen überliefert (P almer , Nigel F.: ‹Preventa und Adoptata›. Eine erbauliche Klosterlegende aus dem 15. Jahrhundert. In: Poesie und Gebrauchsliteratur im deutschen Mittelalter. Würzburger Colloquium 1978. Hrsg. v. Volker Honemann [u.a.]. Tübingen 1979, S. 290-303, hier S. 292). Auch eine niederdeutsche Verslegende der heiligen Katharina des späten 15. Jahrhunderts ist zusammen mit einer Margarethen- und einer Lucienlegende tradiert worden (Die Legende der Hl. Katharina von Alexandrien im Cod. A 4 der Altstädter Kirchenbibliothek zu Bielefeld. Hrsg. v. Siegfried Sudhof. Berlin 1959). Legendensammlungen weiblicher Heiliger mehrfach überlieferten, wahrscheinlich von einem ostmitteldeutschen Verfasser stammenden Verslegendars, das lediglich die Legenden von Katharina, Dorothea, Margaretha und Barbara umfaßt. Der älteste Textzeuge wird auf ca. 1400 datiert (Universitätsbibliothek Uppsala, cod. 497, 1r-42v) und wird im folgenden zugrunde gelegt. Die Entstehung der vier Verslegenden vermutet man noch in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die jedoch nicht in allen Textzeugen vollständig vorhanden sind. Dies dürfte mit der ‹Abgeschlossenheit› der Texte zusammenhängen: Alle vier weisen nämlich eigene, allerdings nicht immer überlieferte Prologe auf, ein Gesamtprolog fehlt hingegen. 120 Die einzig bekannte, allerdings sehr unvollständig überlieferte Handschrift des Verslegendars Der Maget krone liegt in München (cgm 5264). Der Codex selbst wird um 1475 datiert; die sprachlichen Merkmale und die Reime deuten darauf hin, daß der Text etwas früher (um 1450) entstanden sein dürfte. 11 Legenden sind - teils fragmentarisch - erhalten. 121 Der Titel Maget krone geht auf mehrfache Verwendung im Text selbst zurück 122 und bezieht sich einerseits auf die Krone der Jungfräulichkeit bzw. die himmlische Krönung der Jungfrauen und andererseits auf Maria als Krone aller Jungfrauen (V. 4745f.). Diese Zusammengehörigkeit von Maria und den hl. Jungfrauen findet sich auch im dreigliedrigen Aufbau des Werkes wieder, soweit er trotz der Verluste erkennbar ist: An erster Stelle steht ein Marienpreis, auf den Marienleben und schließlich Jungfrauenlegenden folgen. Legendensammlungen weiblicher Heiliger 311 120 J efferis , Sibylle/ K unze , Konrad: Passienbüchlein von den vier Hauptjungfrauen. In: 2 VL 7, 1989, Sp. 325-328; J efferis , Sibylle: Das Passienbüchlein. Ein Legendenbeitrag im städtischen Leben um 1500. In: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 7 (1992/ 93), S. 227-254. 121 Die Handschrift umfaßt 4915 Verse und beinhaltet die Legenden von Barbara, Dorothea, Margaretha, Ursula, Agathe, Agnes, Lucia, Caecilia, Cristina, Anastasia und Juliana. «Nach verlorener Einleitung beginnt der Marienpreis mit einer Vision St. Bernhards, nach der die Seelen im Fegefeuer auf Marias Hilfe hoffen und daher das ‹Salve regina› in dt. Versen (noch ohne die seit Mitte de 14. Jh.s auftretenden Zusätze mater und virgo) singen. Dann richtet die minnende Seele die Liebkosungsworte des Hohen Liedes in freier Auswahl und Anordnung an Maria, und unter Berufung auf Salomon werden Verse aus dem 24. Kapitel des ‹Jesus Sirach› und aus dem 8. und dem 31. Kapitel der Sprüche Salomonis auf Maria bezogen. Damit bricht der Marienpreis ab (v. 1-188). Nach der großen Lücke beginnt das Marienleben mit dem Mittelteil der Legende der hl. drei Könige und führt bis zum Pfingstwunder (v. 190-1234), ist also vor allem am Anfang sehr unvollständig. Bis zum Beginn der Barbaralegende sind ungefähr 2000 Verse verlorengegangen. [...] Eine Gesamtquelle hat es nicht gegeben. Der Dichter hat nach eigener Aussage aus verschiedenen Büchern das zierist (v. 4753) ausgewählt. [...] Die Jungfrauenlegenden stehen z.T. in nahem Verhältnis zur Legenda aurea und ihrem Anhang, zeigen aber auch Kenntnis anderer, z.T. älterer Quellen» (R osenfeld , Hans-Friedrich: Der maget krone. In: 2 VL 5, 1985, Sp. 1148-1152; vgl. auch F eistner : Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende, S. 249-257). 122 V. 2934, 3437, 3550, 4358, 4744 (R osenfeld : Der maget krone, Sp. 1150). Zwischen den beiden Legendensammlungen aus den Zisterzienserinnenklöstern Wienhausen und Lichtenthal, deren Geschichte deutliche Parallelen aufweist, liegen mindestens 150 Jahre. Die Wienhäuser Handschrift ist, sofern sie im oder für das Kloster angefertigt wurde, noch in der ersten Phase des Auf- und Ausbaus nach der Gründung entstanden, während die Lichtenthaler Handschrift im Zusammenhang mit der Reform des Konvents geschrieben wurde. Beiden Texten ist gemeinsam, daß sie in übergreifende kulturelle Entwicklungen eingebettet waren. Sie waren Bausteine in einem Zusammenwirken von baulichen Maßnahmen, sakraler Kunst, Literatur und Bildung des einzelnen Klosters, 123 das wiederum an historischen Veränderungen, die das Ordensleben betrafen, partizipierte. Dies deutet darauf hin, daß neue Akzentsetzungen in der Literaturproduktion der Klöster und die Entstehung ambitionierter Literaturprojekte an ein entsprechendes Umfeld geknüpft waren, das den Wert der Texte für die Identitätsstiftung und -sicherung der Frauenkonvente erkannte. Auch der jeweilige Überlieferungsverbund, in dem die Legendare stehen, macht diesen Zusammenhang deutlich. Unterschiede bestehen in Umfang, Konzept und Gestaltung. Regulas Legendar ist auf Vollständigkeit angelegt, es stellt eine Art Bestandsaufnahme der Gesamtleistung weiblicher Heiliger für die Kirche dar, wie sie auch im Prolog formuliert wird, die über das Kloster Lichtenthal hinaus Geltung beanspruchen kann. 124 Das Wienhäuser Verslegendar bietet dagegen eine Auswahl zwar besonders wichtiger Heiligen, die - das legen die Übereinstimmungen mit dem Bildprogramm des Nonnenchors und die Verehrung der Stifterin Agnes nahe - speziell für dieses Kloster von Bedeutung waren. Zeichnet sich Regulas Werk durch ihren ‹wissenschaftlichen› Anspruch aus, so ist bei dem Wienhäuser Legendar bemerkenswert, daß es sich wohl um ein sehr frühes Rezeptionszeugnis der LA handelt, was zusammen mit anderen Zeugnissen zu belegen scheint, daß das Kloster über einen längeren Zeitraum an literarhistorischen Neuerungen partizipierte. Das Wienhäuser Legendar, das die lateinischen Abbreviationes in Anknüpfung an volkssprachiges Erzählen des 13. Jahrhunderts noch weiter zu eindringlichen Verserzählungen verdichtet, einerseits und das Lichtenthaler Legendar mit seiner am Lateinischen orientierten Prosa, den Textstrukturierungsverfahren und den gelehrten Kommentaren andererseits belegen die Spannbreite der Möglichkeiten legendarischen Erzählens in Frauenklöstern, das sich ganz unterschiedlicher Traditionen bedienen konnte und die Gepflogenheiten gelehrter lateinischer Literatur ebenso wie volksprachige Erzählweisen im Hinblick auf je eigene Funktionsweisen bzw. Gebrauchskontexte kombinierte. 312 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 123 Genauer gesagt scheint in beiden Fällen die Ausstattung mit Literatur architektonischen und bildkünstlerischen Neuerungen vorauszugehen. 124 Also ist hie ettlicher massen kunt wurdn. wz die jungfrowen mit andern heilgen gemeine haben vnd wz sie durh got versmohent. wz ine got gnand duot. wz die heilge kirche werdes vnd nuotzes von ine hat. vnd wie sie gottes wingarten mit guten gesmacke sient. dz allz man her nach me vinden sol als hie eins teyls geschriben ist (Bl. 10ra). Im Hinblick auf die Wienhäuser Handschrift liegt es nahe, daß die Legendentexte nicht (nur) zur einmaligen, informativen Lektüre bestimmt waren, sondern im Zusammenhang mit der Wiederkehr der Heiligen in Wort, Bild, Liturgie und Gesang zur immer neuen meditatio über das Gelesene dienten, wie sie in der monastischen Lektüre vorgesehen war. Die Häufigkeit solcher Motivwiederholungen und Korrespondenzen in Wienhausen, die vermutlich kein Spezifikum dieses Klosters waren, deutet darauf hin, daß die Frauenklöster eine besonders intensive Form der Intertextualität und Intermedialität entwickelt haben. 125 Diese Art der Rezeption dürfte sich auch auf die Textgestaltung niedergeschlagen haben. Ein Text, der einer wiederholten Lektüre dienen sollte, mußte anderen Ansprüchen genügen als etwa ein Text, der anhand der Heiligenviten theologisches Wissen vermitteln will: Er muß die wesentlichen Elemente des Heiligenlebens in Erinnerung rufen ohne rhetorischen und theologischen ‹Ballast›. Die Reduktion auf wesentliche Stationen des Lebens, die Fokussierung auf das Martyrium und vielleicht noch bekannte Mirakel, die die Wirksamkeit des Heiligen in der Welt belegen, sind nicht nur im Sinne einer Ausdünnung eines ursprünglich umfangreicheren Wissensfundus zu bewerten, sondern auch als Konzentration auf ein memorierbares Wissen, das den einzelnen Heiligen zugleich als typischen Stellvertreter der Gruppe ausweist, aber auch unterscheidbar macht von anderen. Die von Theodor W olpers konstatierten «andachtsbildartige[n] Verdichtungen» der Legenden sind unterschiedlich weit fortgeführt; im Bildmedium genügen einzelne Symbole oder - wie im Wienhäuser Nonnenchor - das charakteristische Martyrium des Heiligen, um ihn zu identifizieren und seine Vita zu imaginieren. 126 Dazu paßt durchaus auch die Materialität der Handschrift, nämlich das kleine Format, der einfache Einband und ihre schlichte Ausstattung. Die in den Legenden imaginierten Idealrezipienten bilden keine große Hörerschaft, wie etwa einen Konvent; die Adressaten sind eher Einzelleser in ihrer privaten Lektüre. Das gilt nicht nur für das Wienhäuser Legendar, sondern auch für Passienbüchlein und Maget krone. Entsprechend wird auch die Erzählerfigur präsentiert: sie tritt nicht belehrend auf, etabliert keine Hierarchie gegenüber den Lesern. Erzähler und Leser sind in ihrem Verhältnis zum Heiligen, wie es etwa in Schlußgebeten zum Ausdruck kommt, gleichgestellt. Der Erzähler versucht die Balance zu halten zwischen dem notwendigen Ausweis einer angemessenen Kompetenz und dieser Gemeinsamkeit mit den Lesern. Letzteres schlägt sich nieder in zahlreichen Bescheidenheitstopoi und Demutsformeln; die - gattungsbedingt eingeschränkte - Kompetenz wird dargelegt durch Berufung auf die Zuverlässigkeit und Gelehrsamkeit der benutzten Quellen oder Anrufung göttlichen Beistands, so daß der Erzähler als Mittlerfigur zu den ei- Legendensammlungen weiblicher Heiliger 313 125 Vgl. dazu Albrecht C lassen , der dafür den - m.E. problematischen Begriff - «Gesamtkunstwerk» verwendet (The Medieval Monastery as a «Gesamtkunstwerk». The Case of the «Heideklöster» Wienhausen and Ebstorf. In: Studi Medievali 43 (2002), S. 503-534). 126 W olpers : Die englische Heiligenlegende des Mittelalters, S. 30ff. gentlichen Autoritäten fungiert und so den Abstand zu den Lesern gering hält, ohne auf den Wahrheits- und Qualitätsanspruch verzichten zu müssen. Im Wienhäuser Legendar, im Passienbüchlein und der Maget krone bleiben die Heiligen (und das Personal der Legenden) - im Gegensatz etwa zu den höfischen Einzellegenden - die einzigen benannten und identifizierbaren Personen, denen gegenüber sowohl der Erzähler bzw. Autor als auch das Zielpublikum anonym bleiben. Am deutlichsten wird dies in der Maget krone, in der der Erzähler seine eigene Anonymität explizit verhandelt und begründet. Daß diese Texte also so wenig Aufschluß vermitteln über ihre lebensweltliche Situierung ist offensichtlich Teil ihres literarischen Programms. Daher ist es schwierig, Anhaltspunkte für einen konkreten Verfasser oder ein konkretes Publikum zu finden, zumal die Grundkonstellation, von der die Texte ausgehen, nämlich die Zentrierung auf die Vorbildlichkeit des Heiligen und seiner Geschichte, der sich jeder Christ gleichermaßen mit Demut zu nähern hat, eine strukturelle Offenheit bedingen. In Prologen und Epilogen setzen sich die Verfasser oder Verfasserinnen explizit mit der Volksprachigkeit ihrer Texte auseinander und legitimieren sie, sei es durch Berufung auf ein lateinunkundiges Publikum oder aber - wie im Prolog der Dorothea-Legende des Passienbüchleins - durch einen Angriff auf diejenigen, die deutschsprachige Literatur ablehnen. Man vindet hobischer lute vil, Den das ist ein wunnen spil, wo si duczsch lesen horen, Das si den nicht vorstoren, Der noch lust leben kan. Do bi man vindet manichin man, Der nicht kan geliden das, wen her ist aller lust gehas vnd griuet alles der wart. Das kumpt von siner bosen art. Dem wil ich geben einen rat, Der sulchen luten wol an stat: Das her sich hilde hin dan vnd lise einen vromen man Voren was im geczeme. 127 Sie setzen die behauptete eigene Ungelehrtheit oder die des Publikums als Bescheidenheitstopos ein und demonstrieren so ihre rhetorischen Kenntnisse; so weist etwa die Maget krone etliche Passagen auf, in denen das Erzähler-Ich durch wiederholte Demutsformeln gegenüber dem Erzählgegenstand gekennzeichnet ist. Dieser findet schließlich im Epilog seinen stärksten Ausdruck in dem expliziten Verzicht auf die Namensnennung. 314 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 127 Universitätsbibliothek Uppsala, cod. 497, Bl. 13r. dis buch ich hie geschriben han das ich nit ger der welt lon dar umb mein nam zu kayner stünd sol von mir yman werden künd. 128 Die Anonymität wird zum Ausweis dafür, daß nicht weltlicher Lohn das Ziel des Verfassers ist. Diese Beschreibung trifft nicht auf Regulas Buch von den heiligen Mägden und Frauen zu. Es stellt sich daher die Frage, ob sich dennoch eine Verbindung herstellen läßt etwa im Sinne einer Weiterentwicklung oder Ausdifferenzierung. Zunächst war möglicherweise der Bedarf ‹religiös bewegter› Frauen weltlichen und geistlichen Standes an entsprechenden Vorbildern ausschlaggebend dafür, aus den bestehenden umfangreicheren Werken Frauenlegenden gesondert abzuschreiben. Daß die Wienhäuser Handschrift zudem einen Meßauslegungs- und einen Kirchweihtext enthält, ist möglicherweise ein Indiz, daß der Fokus nicht auf einer reinen ‹Frauenhandschrift› lag und mit anderen Interessen kombinierbar war. Bei Regula hingegen und auch in Der Maget krone, den Sammlungen des 15. Jahrhunderts, wird durch Titel, Prolog und Epilog die Eigenständigkeit betont und der genderspezifische Ansatz explizit thematisiert. Dafür spricht auch, daß die beiden jüngeren Texte deutlich mehr Legenden bieten. Vor allem bei Regula wird der Anspruch deutlich, mit Hilfe einer möglichst vollständigen Sammlung den Platz der Frauen innerhalb von Kirche und Religion zu belegen und zu untermauern. Vielleicht nimmt sie deshalb auch - entgegen dem allgemeinen Trend - Gelehrsamkeit und Theologie wieder hinein. Allen diesen Sammlungen ist aber ein bestimmter Effekt gemeinsam: Die Extrapolation von Viten weiblicher Heiliger aus übergreifenden Werken verändert, allein durch die Zusammenstellung, den Einzeltext. Einerseits verblaßt die ‹Individualität› und Singularität der einzelnen Vita, sie wird exemplarischer, andererseits wird die Rolle der Frau im Christentum betont, indem eine ‹Vielzahl› vorgestellt wird, während die vergleichsweise geringere Zahl von Frauenlegenden in den ‹gemischten› Sammlungen in der Mehrzahl der Männer verschwindet. Ebenso werden auch im Wienhäuser Nonnenchor die heiligen Frauen den heiligen Männern gleichberechtigt und gleich viel Raum beanspruchend gegenübergestellt. Die Zusammenschau weiblicher Heiligenbiographien in der variierenden Ausfaltung des immer gleichen Schemas läßt die wesentlichen Aspekte eines weiblichen Heiligenideals hervortreten, das gerade im Hinblick auf ein frauenmonastisches Publikum attraktiv erscheinen konnte. 129 Dieses Interesse an Frauen und Hagiographie, überhaupt Legendensammlungen weiblicher Heiliger 315 128 Staatsbibliothek München, cgm 5264, Epilog Bl. 91r-92v. 129 Es verwundert daher nicht, daß dieses Prinzip auch ins Bildmedium umgesetzt wurde und zwar nicht nur im Wienhäuser Nonnenchor. Ein gesticktes Antependium aus Niedersachsen, das Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden ist, zeigt 15 weibliche Heilige mit einer Gnadenstuhldarstellung im Zentrum (Maria Magdalena, Agnes, Katharina, Dorothea, Ursula, Cecilia, Maria Heimsuchung, Anna Selbdritt, Margarete, Gertrud, Apolloan Frauen als Protagonistinnen, ist vielleicht auch eine entscheidende Verbindungslinie zu den frauenmystischen Texten. Mögen also auch diese Sammlungen zunächst literarisch weniger anspruchsvoll erscheinen, so manifestiert sich in ihnen ein ernstzunehmendes literarisches Interesse an Frauen, das in gewisser Weise die Basis für die ja ebenfalls hagiographischen Traditionen verpflichteten Schwesternbücher und Offenbarungsbücher darstellen konnte. 130 Daß gerade im hochadligen Wienhausen, das etliche Welfinnen zu ihrem Wohnsitz machten, ein frühes Zeugnis dieser Art zu finden ist, ist sicherlich kein Zufall. 7.6 Ordensreform, Frauenklöster und Literaturproduktion - Kommentar zur Forschungssituation Die in diesem Kapitel vorgestellten Lichtenthaler Handschriften sind offensichtlich ein Beispiel dafür, wie die Reform eines Frauenklosters die Intensivierung der Literaturproduktion zur Folge haben konnte. Wie hoch der Anteil der kirchlichen und speziell der monastischen Reformen und Reformer an dem signifikanten Anstieg der Literaturproduktion im 15. Jahrhundert überhaupt zu veranschlagen ist, wird in der Forschung derzeit kontrovers diskutiert. Werner W illiams -K rapp hat die These stark gemacht, daß die Reformen maßgeblich für diese Zunahme gewesen seien. 131 Dieser Zusammenhang ist 316 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen nia, Barbara, Lucia, Agatha). Ein Kaselkreuz (Mitteldeutschland, um 1500) zeigt Anna Selbdritt mit den weiblichen Heiligen Katharina, Barbara, Ursula und eine ihrer Gefährtinnen (? ), Apollonia, Dorothea und Maria Magdalena (H enke , Thorsten: Fromme Bildwelten. Mittelalterliche Textilien und Handschriften im Kestner-Museum. Hannover 2005 (Museum Kestnerianum 9), Kat.-Nr. 12 und 38). 130 Vgl. dazu B ynum , Caroline Walker: Jesus as mother. Studies in Spirituality of the High Middle Ages. Berkeley/ Los Angeles/ London 1982, S. 110-169; P eters , Ursula: Frauenliteratur im Mittelalter? Überlegungen zur Trobairitzpoesie, zur Frauenmystik und zur feministischen Literaturbetrachtung. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift 69/ N.F. 38 (1988), S. 35-56, hier S. 49f. [Wieder in: Dies.: Von der Sozialgeschichte zur Kulturwissenschaft. Aufsätze 1973-2000. Hrsg. v. Susanne Bürkle, Lorenz Deutsch u. Timo Reuvekamp-Felber. Tübingen/ Basel 2004, S. 107-130]; D ies .: Mittelalterliche Literatur an Hof und Kloster. Ergebnisse und Perspektiven eines historisch-anthropologischen Verständnisses. In: Mittelalterliche Literatur und Kunst im Spannungsfeld von Hof und Kloster. Ergebnisse der Berliner Tagung, 9. bis 11. Oktober 1997. Hrsg. v. Nigel F. Palmer u. Hans-Jochen Schiewer. Tübingen 1999, S. 167-192. [Wieder in: Dies.: Von der Sozialgeschichte zur Kulturwissenschaft, S. 257-280, hier S. 278]. 131 W illiams -K rapp : Ordensreform und Literatur im 15. Jahrhundert, hier S. 51; D ers .: Die Bedeutung der reformierten Klöster des Predigerordens für das literarische Leben in Nürnberg im 15. Jahrhundert; D ers .: Frauenmystik und Ordensreform, S. 301; D ers .: ‹Praxis Pietatis›, S. 142f. Ordensreform, Frauenklöster und Literaturproduktion seitdem von anderen Untersuchungen aufgegriffen und bestätigt worden. 132 Es fehlt jedoch auch nicht an Gegenstimmen, die eine differenziertere Sicht auf die Faktoren der Literaturproduktion im 15. Jahrhundert einfordern. Kritische Aspekte wurden insbesondere von dem Historiker Klaus G raf in die Diskussion eingebracht. Im Kern geht es um die Frage, ob die Intensivierung des Literaturbetriebs unmittelbar und ausschließlich auf die Reformen zurückzuführen ist, oder ob sie im Zusammenhang eines umfassenderen kulturellen Prozesses gesehen werden muß, in dem die Reformen eine wichtige, aber keine exklusive Rolle spielten. 133 Aufschluß verspricht in dieser Hinsicht der Blick auf die nichtobservanten Klöster, aber auch auf die Überlieferung aus der Zeit vor der Reform. Bisher hat sich die historische Forschung jedoch eher den reformierten Klöstern zugewandt, eine vergleichbar systematische Erforschung der nichtobservanten Klöster fehlt indes. 134 Das gilt im Prinzip Ordensreform, Frauenklöster und Literaturproduktion 317 132 Zu nennen sind hier beispielsweise R oth , Christoph: Literatur und Klosterreform. Die Bibliothek der Benediktiner von St. Mang zu Füssen im 15. Jahrhundert. Tübingen 1999 (Studia Augustana 10); W illing , Antje: Literatur und Ordensreform im 15. Jahrhundert. Deutsche Abendmahlsschriften im Nürnberger Katharinenkloster. Münster [u.a.] 2004 (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 4); R üther : Schreibbetrieb, Bücheraustausch und Briefwechsel: Der Konvent St. Katharina in St. Gallen während der Reform; S chromm : Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries. Grundlegend zum Zusammenhang von Verschriftlichung und monastischer Reform hat Klaus S chreiner gearbeitet und seiner Studie «folgende Annahme» zugrunde gelegt: «Reformstreben hoch- und spätmittelalterlicher Mönchsorden wirkte als Schubkraft von Schriftkultur. Monastischer Erneuerungswille gab verschriftlichten Lebensgewohnheiten eine neue Qualität; er brachte neue Formen der Schriftlichkeit hervor, indem er für bestimmte Kommunikations- und Entscheidungsprozesse die Schrift zum obligaten Medium machte. Anders und allgemeiner gesagt: Verstärkte Schriftlichkeit im Mönchswesen des hohen und späten Mittelalters ist der lesbare Niederschlag klösterlicher Verbandsbildung, deren Ziel es war, mit Hilfe generalisierbarer Lebensgewohnheiten Reform zu einem dauerhaften Merkmal monastischer Lebensführung zu machen.» (Verschriftlichung als Faktor monastischer Reform. Funktionen von Schriftlichkeit im Ordenswesen des hohen und späten Mittelalters. In: Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter. Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen. Akten des Internationalen Kolloquiums 17. - 19. Mai 1989. Hrsg. v. Hagen Keller, Klaus Grubmüller und Nikolaus Staubach. München 1992 (Münstersche Mittelalter-Schriften 65), S. 37-75, hier S. 42). 133 G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, hier S. 112; vgl. auch S. 152. Eine Replik Werner W illiams -K rapp s auf die von Klaus G raf geäußerte Kritik findet sich in dem Aufsatz «Die Bedeutung der reformierten Klöster des Predigerordens für das literarische Leben in Nürnberg im 15. Jahrhundert», v.a. S. 311ff. Vgl. dazu auch W illing : Literatur und Ordensreform im 15. Jahrhundert, S. 1f. und R oth : Literatur und Klosterreform, S. 10f. 134 M ertens , Dieter: Klosterreform als Kommunikationsereignis. In: Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter. Hrsg. v. Gerd Althoff. Stuttgart 2001 (Vorträge und Forschungen 51), S. 397-420, hier S. 409; vgl. auch D ers .: Monastische Reformbewegungen des 15. Jahrhunderts: Ideen - Ziele - Resultate. In: Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz (1414-1418) und Basel (1431- 1449). Konstanz-Prager Historisches Kolloquium 11. bis 17. Oktober 1993. Hrsg. v. Ivan Hlavá c ek u. Alexander Patschovsky. Konstanz 1996, S. 157-181, bes. S. 181. auch für die Erforschung der Literatur dieser Klöster. Eines der wenigen Beispiele ist die Untersuchung der Memorialkultur des Basler Augustiner-Chorfrauenstifts, bei dem die Reform scheiterte, durch Gabriela S ignori . 135 Die Diskussion um den Zusammenhang von Ordensreform und Literaturproduktion ist, wie schon angedeutet, eingebettet in eine übergeordnete Debatte über die Reformen überhaupt, zu der mittlerweile eine gestiegene Zahl von Untersuchungen vorliegt. Diese haben nicht nur ein differenzierteres Bild der Reformen selbst ergeben, sondern sich auch kritisch mit den Vorwürfen gegen die Klöster auseinandergesetzt. 136 Da die These, erst die Reformen hätten den enormen Anstieg der Schriftlichkeit bewirkt, letztlich voraussetzt, daß das kulturelle Leben der nichtreformierten Klöster tatsächlich daniederlag und diese nicht in der Lage waren, an diesem Prozeß teilzunehmen, scheint es mir wichtig, diese Ergebnisse der historischen Forschung heranzuziehen. Auch um verstehen zu können, inwiefern die Reformen die Schriftlichkeit der (Frauen)konvente nachhaltig veränderten, sind die Ergebnisse historischer Untersuchungen speziell zur Geschichte zisterziensischer Frauenklöster, wie sie gerade in jüngster Zeit zahlreich entstanden sind, grundlegend. Sie erst geben eine Vorstellung davon, wie die Verhältnisse in den Konventen zur Zeit der Reformen waren. Zumal die Überlieferungslage hinsichtlich der Literaturproduktion viele Fragen offen läßt, stellen diese Kontexte ein wichtiges Korrektiv für literaturwissenschaftliche Überlegungen dar. 137 Forschungsgeschichtlich war zunächst die Neubewertung der Reformen wichtig, die sich im deutschsprachigen Raum insbesondere mit dem Namen 318 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 135 S ignori , Gabriela: Leere Seiten. Zur Memorialkultur eines nicht regulierten Augustiner-Chorfrauenstifts im ausgehenden 15. Jahrhundert. In: Lesen, Schreiben, Sticken und Erinnern, S. 151-186. Vgl. auch W illiams -K rapp : Die Bedeutung der reformierten Klöster des Predigerordens. Er untersucht die vor der Reform im Katharinenkloster vorhandenen Handschriften, die vermutlich überwiegend nach dem gescheiterten ersten Reformversuch ins Kloster gelangten. Johanna T hali untersucht die Literatur des Klosters Engelthal, das im 15. Jahrhundert die Reform verweigerte (Beten - Schreiben - Lesen. Literarisches Leben und Marienspiritualität im Kloster Engelthal. Tübingen/ Basel 2003 (Bibliotheca Germanica 42)). 136 Vgl. z.B. Bernhard N eidiger : Die Bettelorden im spätmittelalterlichen Rheinland. In: Rheinische Vierteljahrsblätter 57 (1993), S. 50-74, hier S. 65f. und 71f. zu den Hintergründen des Ansehensverlustes der Mendikanten. Eine wichtige Rolle spielten hier wie bei anderen Orden die Krisen des 14. Jahrhunderts, v.a. die Folgen der Pest, des abendländischen Schismas und ökonomischer Umbrüche. 137 Die literaturwissenschaftliche Auswertung dieser Arbeiten wird allerdings dadurch erschwert, daß zwar «die Historiker sich in den letzten Jahren intensiv den politischen und sozialgeschichtlichen Implikationen der Kirchen- und Ordensreform gewidmet», aber «der literatur- und geistesgeschichtlichen Dimension des Themas nur geringe Aufmerksamkeit entgegengebracht» haben (G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 100f.). Umgekehrt gehen Studien zur Literatur der Klöster bisweilen kaum auf deren Geschichte ein, so daß man beispielsweise nicht erfährt, ob Reformen durchgeführt wurden. Kaspar E lm verbindet. Er weist darauf hin, daß u.a. die veränderte Sicht auf das Spätmittelalter insgesamt zu einer positiveren Einschätzung auch der Reformen beitrug. 138 Die intensivierte Auseinandersetzung mit diesem Thema hat schließlich zu einer differenzierteren Betrachtungsweise geführt, die auch die methodischen Schwierigkeiten offengelegt hat. Schon der Begriff ‹Reform› weist in mehrfacher Hinsicht Probleme auf, angefangen mit der Diskrepanz zwischen seiner Verwendung im Mittelalter und seinen heutigen Implikationen. 139 «Dem modernen Leser sind der prospektive Charakter von Reformkonzeptionen, das Konnotieren von Fortschrittsvorstellungen und die emphatische Bewertung selbstverständlich. Doch dies ist das Produkt einer jüngeren Begriffsentwicklung. Deshalb sollten im Gegenzug zu einem solchen Vorverständnis möglichst die vornehmlich juristischen Bedeutungen des Wiederherstellens und Wiederaufrichtens - Wiederherstellens im rechtlichen, organisatorischen und baulichen Sinn -, des Zurückerstattens und Abänderns gehört und sollte die Übersetzung mit dem Lehnwort Reform möglichst lange vermieden werden.» 140 Die Schwierigkeit des Begriffs liegt auch darin, daß darunter ein ganzes Spektrum an Reformprozessen der Kirche subsumiert wird, von denen die Ordens- und Klosterreformen nur einen Teil ausmachen. Aber selbst der Terminus Klosterreform, zumal im Singular, suggeriert eine Einheitlichkeit, die die tatsächlichen Differenzen hinsichtlich der Ziele und Motivationen der verschiedenen Initiatoren verdeckt. 141 Mit der Übernahme dieses Begriffs durch die Forschung wurde jedoch auch das zeitgenössische «binäre[ ] Ordnungsschema» - Observante versus Nichtobservante - übernommen, das die «Reformunwilligen» damals wie heute von vornherein diskreditiert und die Komplexität der Verhältnisse verschleiert. 142 Aus monastischer Sicht stehen die Reformen des 15. Jahrhunderts in einer langen Tradition solcher Erneuerungsprozesse. Die Ordensreform, Frauenklöster und Literaturproduktion 319 138 E lm , Kaspar: Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen. In: Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen. Hrsg. v. dems. Berlin 1989 (Berliner historische Studien 14: Ordensstudien 6), S. 3f.; D ers .: Verfall und Erneuerung des Ordenswesens im Spätmittelalter. Forschungen und Forschungsaufgaben. In: Untersuchungen zu Kloster und Stift, S. 188-238, hier S. 188. 139 Dazu sehr erhellend M ertens : Klosterreform als Kommunikationsereignis, bes. S. 398- 410. Reformatio war demnach schon im 15. Jahrhundert «zum unschlagbaren Schlagwort geworden». Einen aufschlußreichen Überblick bietet auch Johannes H elmrath : Theorie und Praxis der Kirchenreform im Spätmittelalter. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 11 (1992), S. 41-70. 140 M ertens : Klosterreform als Kommunikationsereignis, S. 406. 141 Vgl. E lm : Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, S. 10ff. 142 M ertens : Klosterreform als Kommunikationsereignis, S. 409; vgl. G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 105: «Erst in den letzten Jahren beginnt sich die Forschung von dem durch die zeitgenössische ‹Reformrhetorik› (K. Halliger) suggerierten Klischee zu lösen und Konvente, die sich nicht bedingungslos der observanten Partei unterstellten, als nicht reformgesinnt oder gar sittlich ‹verkommen› zu disqualifizieren.» in der abendländischen Geschichte des Mönchtums immer wieder notwendige Erneuerung im Sinne einer Anpassung an veränderte Bedingungen, wurde häufig formuliert als ein ‹Zurück zu den Ursprüngen›; die angestrebten Verhältnisse wurden in die Vergangenheit zurückprojeziert, um die gegenwärtigen zu kritisieren und die Veränderungen zu legitimieren. 143 So definierte das Generalkapitel 1494: Wir wissen, daß eine Reform nicht die Einführung neuartiger Erfindungen, sondern vielmehr die Rückkehr zu Leben, Zeremonien und Einrichtungen der heiligen Väter beabsichtigen muß. 144 Neben der Begriffsproblematik stößt die Forschung zu den Klosterreformen auf methodische Schwierigkeiten hinsichtlich der Quellen bzw. der bei der Beurteilung der Klöster zugrunde gelegten Maßstäbe. 145 Die Ordenshistoriographie - nicht selten von Ordensmitgliedern selbst verfaßt - übernahm in ihrer Darstellung der Zustände vor der Reform häufig die Beschreibung der Quellen, die in der Regel entweder von denjenigen stammten, die die Reform anordneten, oder aber im Rückblick von Mitgliedern eines bereits regulierten Klosters verfaßt wurden. 146 Dies hängt auch damit zusammen, daß bei erfolgreicher Durchführung Quellen fehlen, die den Standpunkt der Reformgegner dokumentieren. Wenngleich die Beschreibung der Verhältnisse in den Klöstern in mancher Hinsicht durchaus zutreffend sein mochte, gilt doch zu berücksichtigen, daß die Texte das Ziel verfolgten, die Notwendigkeit einer Reform deutlich zu machen und damit das Vorgehen der Initiatoren der Reform zu legitimieren. Stellt man diese Absicht zur Legitimierung der Reform in Rechnung, bei der es ja auch nicht nur um die Erneuerung des Klosterlebens 320 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 143 Zur zeitgenössischen Sicht vgl. Klaus S chreiner : Dauer, Niedergang und Erneuerung klösterlicher Observanz im hoch- und spätmittelalterlichen Mönchtum. Krisen, Reform- und Institutionalisierungsprobleme in der Sicht und Deutung betroffener Zeitgenossen. In: Institutionen und Geschichte. Theoretische Aspekte und mittelalterliche Befunde. Hrsg. v. Gert Melville. Köln/ Weimar/ Wien 1992 (Norm und Struktur 1), S. 295-341, hier S. 337f. 144 Cap. Gen. 1494, 38, Can. VI, 90 (zit. nach P fister : Reformen des Zisterzienserordens im 16./ 17. Jahrhundert, S. 345). 145 Zur Frage nach den Maßstäben der Bewertung des monastischen Lebens durch die Forschung vgl. E lm : Verfall und Erneuerung des Ordenswesens im Spätmittelalter, S. 191; D ers ./ F eige , Peter: Der Verfall des zisterziensischen Ordenslebens im späten Mittelalter. In: Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, S. 237-242, hier S. 237 u. 241. 146 Vgl. E lm : Verfall und Erneuerung des Ordenswesens im Spätmittelalter, S. 189ff. Er bezeichnet die Quellen als «propagandistisch gefärbt» (S. 191); M ertens : Klosterreform als Kommunikationsereignis, S. 410 (mit weiteren Literaturangaben in Anm. 72); S ignori : Leere Seiten, S. 151. Zur Darstellung der Reform in der Geschichtsschreibung ausführlich: P roksch : Klosterreform und Geschichtsschreibung im Spätmittelalter, Kap. 2.1: Das Bild der Klosterreform in der städtischen Chronistik; vgl. dazu auch G leba , Gudrun: «Ock grote Arbeyt myt Scryven vor dyt convent ged n.» Die spätmittelalterlichen Klosterreformen Westfalens in ihrem liturgischen und pragmatischen Schriftgut, S. 121f. und D ies .: Reformpraxis und materielle Kultur, S. 115-133. ging, sondern auch um politische und wirtschaftliche Interessen, dann muß der Zeugniswert dieser Quellen jedoch zumindest mit Einschränkungen versehen werden. Dies gilt wohl in noch stärkerem Maße für die Frauenklöster, da ihrer Beurteilung neben monastischen speziell ‹weibliche› Normen zugrunde gelegt wurden, die ihre Gültigkeit bis in die Gegenwart behalten haben und daher auch von der modernen Forschung akzeptiert wurden. 147 Obwohl die Frauenklöster, in denen die Reform ausblieb, wie gesagt, weniger gut erforscht sind, werden sie «als ‹Kontrastfolie›» benutzt, um die Leistungen der regulierten Klöster herauszustellen. 148 Daß die Quellenlage für die observanten Klöster offensichtlich besser ist, stützt freilich die These, daß die Reformen die Schriftlichkeit stärkten. 149 Es muß jedoch die Gegenprobe gemacht werden, ob auch unter den Bedingungen vor der Reform bzw. ohne Reform Literatur im Kloster eine Rolle spielen konnte und wie diese gegebenenfalls aussah. Auch die Motive für die Durchführung monastischer Reformen waren, wie eben angedeutet, vielfältig. Dies hängt zusammen mit den unterschiedlichen Initiatoren der Reform. Kaspar E lm unterscheidet hier zwischen den Ordensleuten selbst, also der Ordensleitung, den Konventen, den Äbten und Äbtissinnen, Pröpsten, Prioren, Magistern und Mönchen und Nonnen, sowie den Außenstehenden wie «Päpsten und Königen, geistlichen und weltlichen Fürsten, adeligen Herren, städtischen Ratsherren, gebildeten Humanisten, frommen Männern und Frauen». 150 Vergegenwärtigt man sich diese Spannbreite derjenigen, die die Reformen in Gang gesetzt oder mitgetragen haben, wird auch das Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen absehbar, die die jeweiligen Personen oder Institutionen zur Befürwortung oder eben auch Ablehnung der Reformvorhaben bewogen. 151 Diese Interessen konnten sogar Ordensreform, Frauenklöster und Literaturproduktion 321 147 S ignori : Leere Seiten, S. 149f. 148 Ebd., S. 174. 149 Das betrifft wohl nicht nur die Geschichtsschreibung, sondern auch theologische Werke, vgl. W einbrenner , Ralph: Klosterreform im 15. Jahrhundert zwischen Ideal und Praxis. Der Augustinereremit Andreas Proles (1429-1503) und die privilegierte Observanz. Tübingen 1996 (Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe 7), S. 5: «Man wird sagen dürfen, daß es insbesondere das observante Mönchtum war, welches im 15. Jahrhundert eine eigene theologische Produktivität entfaltet hat.» Auch Ulrich K öpf sieht in den Reformbewegungen des 15. Jahrhunderts eine der grundlegenden Voraussetzungen für die Wiederbelebung der (als Begriff nicht unumstrittenen) monastischen Theologie im 15. Jahrhundert (Monastische Theologie im 15. Jahrhundert. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 11 (1992), S. 117-135). 150 E lm : Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, S. 12f.; D ers .: Verfall und Erneuerung des Ordenswesens im Spätmittelalter, S. 219f.; vgl. dazu auch G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 103-108. 151 Ralph W einbrenner verteidigt die durchaus frommen Absichten der Landesherren, die nicht von den politischen Interessen getrennt werden dürften (Klosterreform im 15. Jahrhundert zwischen Ideal und Praxis, S. 17ff.). Das ist sicher nicht falsch, aber der Widerstand der Reformgegner erklärt sich gerade aus dieser Verquickung von Interessen. Auch muß man dann darauf hinweisen, daß die Reformgegner ebenfalls nicht nur Privivon Kloster zu Kloster unterschiedlich sein, wie das Beispiel des Rates der Stadt Augsburg zeigt. 152 Die Haltung der Orden zu den Reformen war durchaus verschieden. Die exemten Orden fürchteten beispielsweise einen Verlust ihrer Privilegien. 153 Insbesondere von den Zisterziensern nahm man an, daß sie den Reformen skeptisch gegenüberstanden. «Im Falle der Zisterzienser galt es bis vor wenigen Jahren als ausgemacht, daß nach der von Benedikt XII. geforderten Reform erst wieder im 16. Jahrhundert Reformen und Kongregationsbildungen eingesetzt hätten. Dabei wurde übersehen oder nicht in Rechnung gestellt, daß sich auch unter den grauen Mönchen bereits am Ende des 14. und im Verlauf des 15. Jahrhunderts Reformbemühungen regten, die weniger im Mutterland des Ordens als vielmehr in Böhmen und Mähren, in Süd- und Südwestdeutschland, in Spanien, Italien und Irland, vor allem aber in den Niederlanden, im Rheinland und in Westfalen zu einer tiefgreifenden Erneuerung ihres Ordenslebens führten.» 154 Das hier vorgestellte Lichtenthal ist ein Beispiel für 322 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen legien oder ‹Mißstände› verteidigten, sondern eine Form monastischen Lebens, die sie aufgrund von Tradition und Anpassung an die jeweiligen Umstände als richtig ansahen. Ähnliche Überlegungen wie W einbrenner äußert auch Gudrun G leba (Reformpraxis und materielle Kultur, S. 53). Sie konstatiert aber auch, daß es in den Dokumenten zur Reform des Münsterschen Damenstifts Überwasser in den Auseinandersetzungen «zwischen den adligen Stiftsdamen und ihren Familien auf der einen Seite und dem Bischof mit den städtischen Vertretern auf der anderen Seite» keineswegs um die geistlichen Reformziele ging, sondern «um die Eingriffe in die klösterliche Entscheidungsautonomie, um notwendig einzuhaltende Formalia, um organisatorische Schwierigkeiten, um Konflikte zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und um die finanziellen Belastungen, die dem Stift durch die Reformbemühungen aufgebürdet und die sorgfältig unter der Rubrik ‹Ausgaben› registriert wurden.» (ebd., S. 71). Ein Bild der komplizierten Interessenlagen im Zusammenhang mit Reformvorhaben zeichnet auch der folgende Aufsatz: M ötsch , Johannes: Reform vor der Reformation. Die gescheiterte Reform der thüringischen Frauenklöster Allendorf und Zella/ Rhön im Spannungsfeld benediktinischer, wettinischer, hennebergischer und fuldischer Interessen. In: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte 53 (1999), S. 25-43. 152 G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 105ff. 153 M ertens : Reformkonzilien und Ordensreform im 15. Jahrhundert. In: Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, S. 431- 457, hier S. 447. Zu den ordensspezifischen Unterschieden hinsichtlich der Konsequenzen aus der Reform für das Verhältnis zur Landesherrschaft vgl. D ers .: Monastische Reformbewegungen, S. 165. 154 E lm : Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, S. 8. Vgl. dazu: D ers .: Westfälisches Zisterziensertum und spätmittelalterliche Reformbewegung. In: Westfälische Zeitschrift 128 (1978), S. 9-32 [Wieder in: Ders.: Mittelalterliches Ordensleben in Westfalen und am Niederrhein. Paderborn 1989 (Studien und Quellen zur westfälischen Geschichte 27), S. 66-86]; D ers .: Reformbemühungen und Reformen im Zisterzienserorden. In: Zisterzienser zwischen Zentralisierung und Regionalisierung. 400 Jahre Fürstenfelder Äbtetreffen. Fürstenfelder Reformstatuten von 1595-1995. Teil 1. Hrsg. v. Hermann Nehlsen u. Klaus Wollenberg. Teil 1. Frankfurt a. M. [u.a.] 1998, S. 71-87; D ers ./ F eige , Peter: Der Verfall des zisterziensidiese vom Orden selbst vorgenommenen Reformen, 155 die jedoch bei den Zisterzienserinnen häufig auf Widerstand stießen. 156 Aufschlußreich im Hinblick auf die Zustände in deutschen Zisterzienserinnenklöstern des 14. Jahrhunderts ist Anja O strowitzki s Untersuchung der Paternitätsausübung durch den Himmeroder Abt, ausgehend von dem noch unedierten Liber dictaminum, der den Schriftverkehr der Äbte enthält. Die von den Visitatoren vorgebrachten Beanstandungen und Verbote hinsichtlich der Einhaltung der Klausur, der Beschäftigung von Mägden, der Speise- und Kleidungsgewohnheiten sowie der Vernachlässigung der Gebetspflichten entsprechen dem Bild, das gemeinhin von den spätmittelalterlichen Frauenklöstern entworfen wird. Allerdings zeigt sich auch, daß die Lockerung der Disziplin eine seitens des Ordens bis zu einem gewissen Grad durchaus akzeptierte Praxis war. Die gleichzeitige Ahndung von Zuständen, die dieses Maß überschritten, läßt aber auch Erneuerungsbemühungen erkennen, die Anja O strowitzki zufolge einen weiteren Hinweis auf die ordensinternen Reformbestrebungen darstellen und den berechtigten Zweifel an der Annahme stützen, «daß der Zisterzienserorden im Spätmittelalter stärker als andere Orden von ‹Verfallserscheinungen› betroffen gewesen sei.» 157 Aufgrund der eingeschränkten Autonomie und des häufig weniger klaren rechtlichen Verhältnisses zum Orden erweist sich die Lage der Frauenklöster Ordensreform, Frauenklöster und Literaturproduktion 323 schen Ordenslebens im späten Mittelalter. In: Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, S. 237-242; D iess .: Reformen und Kongregationsbildungen der Zisterzienser in Spätmittelalter und früher Neuzeit. In: Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, S. 243-254; P fister : Reformen des Zisterzienserordens im 16./ 17. Jahrhundert; S chreiner , Klaus: Spätmittelalterliches Zisterziensertum im deutschen Südwesten. Spiritualität, gesellschaftliche Rekrutierungsfelder, soziale Verhaltensmuster. In: Anfänge der Zisterzienser in Südwestdeutschland, S. 43-77; K uhn - R ehfus : Zisterzienserinnen in Deutschland, S. 138f. Zum Anteil der Päpste und des Generalkapitels an den Reformen: S chimmelpfennig , Bernhard: Das Papsttum und die Reform des Zisterzienserordens im späten Mittelalter. In: Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, S. 399-410. 155 Vgl. S. 281f. 156 K uhn -R ehfus : Zisterzienserinnen in Deutschland, S. 138. 157 O strowitzki , Anja: Der «Liber dictaminum» des Abtes von Himmerod als Zeugnis für die cura monialium im spätmittelalterlichen Zisterzienserorden. In: Deutsches Archiv zur Erforschung des Mittelalters 55 (1999), S. 157-181, hier S. 181. Vgl. auch G arbisch , Uta: Das Zisterzienserinnenkloster Walberberg (1197-1447). Köln 1998 (Kölner Schriften zu Geschichte und Kultur 25), S. 219. Aufgrund ihrer Untersuchungen zum Frauenkloster Walberberg kommt auch sie zu dem Ergebnis, daß der Zisterzienserorden wohl größere Reformbereitschaft aufwies als bislang angenommen. Jean L eclercq sieht im Generalkapitel in Verbindung mit den regelmäßigen Visitationen «ein Organ beständiger Ordensreform», das zwar nicht Mißstände verhindern konnte, wohl aber ein «Abgleiten in die Dekadenz» (Die Spiritualität der Zisterzienser. In: Die Zisterzienser. Ordensleben im späten Mittelalter, S. 149-156, hier S. 150). Zum Zustand der Männerklöster des Ordens vgl. S chneider , Reinhard: Lebensverhältnisse bei den Zisterziensern im Spätmittelalter. In: Klösterliche Sachkultur des Spätmittelalters, S. 43-71. als noch komplexer. Neben die ordensinternen Reformbeschlüsse traten gerade bei Frauenklöstern die Interessen der weltlichen oder geistlichen Landesherren, insbesondere beim Ausbau der Landesherrschaft, oder auch der Städte. 158 Waren die Klöster nicht exemt, konnten sich die Interessen des Ordens und des zuständigen Diözesanbischofs gegenüberstehen; innerhalb des Ordens konnten Visitationsrechte unter den Männerklöstern umstritten sein, und auch in den Konventen selbst konnte Uneinigkeit herrschen. 159 Beteiligt waren häufig auch Frauenklöster, in denen die Reform schon durchgeführt worden war. Zumal wenn sich die Nonnen widersetzten, brachte man eine - wie im Fall Wienhausens und Lichtenthals - häufig bürgerliche Äbtissin sowie Nonnen aus anderen, bereits reformierten Klöstern in den betreffenden Konvent. 160 Durch Besetzung der wichtigen Ämter, wirtschaftliche Neuorganisation, Beschaffung der notwendigen Bücher, durch Reparatur der Klostergebäude und durch Visitationen setzte man die Reform durch. 161 Daß sich die Abläufe häufig ähneln, ist kein Zufall, sondern erklärt sich durch entsprechende Regelwerke für die Durchführung der Reform. Auch die Begründung konnte entsprechenden Urkundenformularen entnommen werden; entscheidend war dafür, daß «die Übertretung der Gelübde, möglichst aller drei substantialia», also Armut, Keuschheit und Gehorsam, den «entscheidenden Rechtsgrund» für die Reform darstellten. 162 Die Formelhaftigkeit der erhobenen Vorwürfe, wie auch im Falle Lichtenthals, findet hier ihre Erklärung. 324 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 158 «Insbesondere die Frauenklöster wurden aufgrund ihrer Abhängigkeit von der übergeordneten kirchlichen Instanz der Bischofsgewalt zu einem integralen Bestandteil landesherrlicher, weltlicher wie geistlicher Politik, die darauf abzielte, den eigenen territorialen Herrschaftsbereich in weltlichen wie kirchlichen Belangen stärker zu kontrollieren. Wohlgeordnete bzw. wohlreformierte Klöster konnten hier geradezu Vorzeigeobjekte für herrschaftliche Initiative und Durchsetzungskraft sein» (G leba : Reformpraxis und materielle Kultur, S. 39f.). 159 So geht aus der Chronik des Klosters Kirchheim hervor, daß noch Jahre nach der Reform «die Gemeinschaft in Reformanhängerinnen und -gegnerinnen gespalten» war (U ffmann , Heike: Innen und außen: Raum und Klausur in reformierten Nonnenklöstern des späten Mittelalters. In: Lesen, Schreiben, Sticken und Erinnern, S. 185-212, hier S. 206). 160 Vgl. dazu M ertens : Reformbewegungen, S. 180: «Von ähnlichem Gewicht wie die herrschaftliche Radizierung der Reform ist die soziale Umschichtung der Konvente. Die monastischen Reformbewegungen tragen bürgerlichen Charakter. Observanz war Personen adligen Stands nicht zuzumuten. Das Verhältnis des Adels zur freiwilligen Armut und Askese war im späten Mittelalter offenbar ein anderes als im hohen. Durch die Reformen erhielt nunmehr die bürgerliche Schicht Zugang zu einem ihr bisher verschlossenen Anteil des Kirchengutes.» Zur Kritik der Reformbefürworter am Adelsmonopol und den Adelsprivilegien in den Klöstern vgl. auch P roksch : Klosterreform und Geschichtsschreibung im Spätmittelalter, S. 209. 161 Zum «actus reformatoris» vgl. M ertens : Klosterreform als Kommunikationsereignis, S. 410-417. 162 Ebd., S. 411ff. Ludwig S chmugge schildert einen interessanten Fall, in dem sich die Reformgegner mit entsprechenden Gegenvorwürfen zur Wehr setzten: Johann von Ytstein Die Frauen haben nicht selten Widerstand geleistet gegen die Reformversuche, der sich jedoch nicht nur aus der Ablehnung der Reform als solcher speiste, sondern - so Hans-Joachim S chmidt - auch «die asymmetrische Relation im Verhältnis von Männern und Frauen» widerspiegelte. 163 In seiner Studie zum «Widerstand von Frauen gegen Reformen» führt er aus, daß etwa der Reformer Johannes Busch darauf setzte «die Frauen zu isolieren und zu überraschen» und mögliche Auswege abzuschneiden. Die genaue Reglementierung, auf der er bestand, nahm weder Rücksicht auf traditionelle Gewohnheiten, noch auf die Ordenszugehörigkeit des jeweiligen Klosters. Aufgrund ihrer eingeschränkten Möglichkeiten entwickelten die Frauen eigene Formen des Widerstands, indem sie etwa dessen Inszenierung der Liturgie anglichen. 164 Die Unterschiede hinsichtlich der Initiatoren und damit auch der Interessenlage lassen sich an einigen Beispielen illustrieren. Im Zisterzienserinnenkloster Kirchheim ging laut Quellen die Reform von der Äbtissin Magdalena von Oettingen aus, die sie mit Hilfe ihrer Familie - deren Hauskloster Kirchheim war - und gegen den Widerstand zumindest einiger Konventualinnen, die in der Folge aus dem Kloster austraten, durchsetzte. Das Kloster wurde dann Ausgangspunkt der Reform anderer Frauenklöster. 165 Die Reform des Zisterzienserinnenklosters Walberberg wurde dagegen hauptsächlich durch den Erzbischof von Köln, Dietrich von Moers, betrieben. Uta G arbisch arbeitet sehr deutlich die Interessen des für seine Schulden und für seine rigide Finanzpolitik gegenüber den Klöstern bekannten Bischofs heraus, der durch den Abt von Heisterbach in seinem Vorhaben unterstützt wurde. Das Einvernehmen beider Instanzen erklärt sich aus dem ohnehin engen Kontakt zwischen Bischof und Kloster und einem ganz speziellen Grund, denn aus den Einkünften von Walberberg und dem ebenfalls betroffenen Frauenthal sollte ein zisterziensisches Studienkolleg in Köln finanziert werden. 166 Unter diesen Ordensreform, Frauenklöster und Literaturproduktion 325 und die Äbtissin von Tiefenthal, oder: Wie man einen Zisterziensermönch um seinen guten Ruf bringt. In: Vita Religiosa im Mittelalter, S. 249-257. 163 S chmidt , Hans-Joachim: Widerstand von Frauen gegen Reformen. In: Fromme Frauen - unbequeme Frauen? Weibliches Religiosentum im Mittelalter. Hrsg. v. Edeltraut Klueting. Hildesheim/ Zürich/ New York 2006 (Hildesheimer Forschungen 3), S. 143- 180, hier S. 165. Zu dieser asymmetrischen Relation gehören nicht nur die grundsätzlichen Einschränkungen, die Frauen hinnehmen mußten, sondern konkret auch, daß die Reformer zugleich die Rolle des Beichtvaters einnahmen (S. 154). Dieser Aufsatz gibt einen sehr guten Überblick über das Problem der Bewertung der Reformen durch die moderne Forschung und über die speziellen Probleme der Frauenklöster. 164 Ebd., S. 150f., S. 149, S. 160, S. 154. 165 S chromm : Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries; zur Gründungsgeschichte siehe S. 65-85, zur Reform S. 85ff. 166 Zu diesem Zweck wurde Walberberg in ein Priorat umgewandelt und mit Heisterbacher Mönchen besetzt. Die Güter des bei einem Brand zerstörten und verlassenen Klosters Frauenthal waren zuvor Walberberg inkorporiert worden. Die Errichtung des Studienkollegs kam jedoch nicht zustande (G arbisch : Das Zisterzienserinnenkloster Walberberg, S. 203f.). Umständen verwundert es nicht, daß die Vorwürfe gegenüber Walberberg sehr pauschal ausfallen und auch nicht von anderen Quellen gestützt werden. 167 Eher politische Gründe stehen dagegen bei dem von Joachim K empi untersuchten Fall des gescheiterten Reformversuchs des Klosters Nonnenmünster durch den Pfalzgrafen Ludwig IV. im Vordergrund. 168 Hier verknüpft sich das Reformvorhaben mit dem Ziel, Einfluß auf die freie Reichsstadt Worms zu gewinnen, weshalb sich diese auch am Widerstand der Nonnen beteiligte. Dieses Beispiel zeigt auch die Differenzen, die innerhalb des Zisterzienserordens selbst auftraten. Ludwig behauptete, der Abt von Eberbach habe auf sein Visitationsrecht verzichtet, die Reform solle nun u.a. von Maulbronn gesteuert werden. Tatsächlich aber stellte sich auch der Abt von Eberbach auf die Seite der Nonnen und wies, ebenso wie der Erzbischof von Mainz, die Vorwürfe gegen die Nonnen zurück. Durch eine Bulle Nikolaus’ V. wurden schließlich die Aufsichtsrechte Eberbachs anerkannt und die Angelegenheit zugunsten der Nonnen entschieden. Offensichtlich wird hier auch, daß der Widerstand v.a. dann Aussicht auf Erfolg hatte, wenn das Kloster einflußreiche Fürsprecher gewann. 169 Das hing überdies damit zusammen, daß es auch auf juristische Aspekte ankam, ein Wissen also, über das die Nonnen zumindest nicht selbstverständlich verfügten. 170 Auch im Kloster Wald und anderen oberschwäbischen Frauenklöstern blieben im 15. Jahrhundert Reformen aus. Graf Karl von Hohenzollern- Sigmaringen beschuldigte zwar 1589 Kloster Wald eines unklösterlichen Lebenswandels und beantragte Visitation und Reformen, Salem bezeichnete die Vorwürfe jedoch als unzutreffend. 171 Gegen Reformbestrebungen im 16. Jahr- 326 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 167 Zum Zustand des Klosters Walberberg ebd., S. 186-190. Da die Zisterzienseräbte von Heisterbach, Kamp und Altenberg nach erfolgter Visitation ihre Zustimmung gaben, geht Uta G arbisch allerdings von einer gewissen Faktizität der Vorwürfe aus. Doch waren ja auch sie nicht frei von Eigeninteressen in dieser Angelegenheit. 168 K empi , Joachim: Ein Reformversuch Pfalzgraf Ludwigs IV. im Wormser Zisterzienserinnenkloster Nonnenmünster (1446/ 1447). In: Der Wormsgau 21 (2002), S. 19-46. Vgl. auch den ganz ähnlichen Fall der Reform des reichsunmittelbaren Benediktinerklosters St. Peter und Paul in Weißenburg, deren Darstellung durch den Weißenburger Bürger Eikhart Artzt Constance P roksch untersucht hat (Klosterreform und Geschichtsschreibung im Spätmittelalter, S. 82-92). 169 Dies geht auch schon aus Geilers von Kaysersberg Spruch hervor: Das gantz concilium zu Basel war nit so mechtig, das es möcht ein frawenkloster reformieren in einer stat, wan dy stat es hielt mit den frawen (Die Emeis, Straßburg 1516, f. XXIv, zit. nach H elmrath : Theorie und Praxis der Kirchenreform im Spätmittelalter, S. 58, Anm. 78). 170 M ertens : Klosterreform als Kommunikationsereignis, S. 413. Ein gutes Beispiel hierfür bieten die Regensburger Damenstifte Obermünster und St. Paul, die sich erfolgreich gegen die Einführung der Benediktregel wehrten. Sie verlangten im Zuge ihres Widerstands Beratung durch die Domherren mit der Begründung, daß sie als Frauen nicht über ausreichend Schrift-, Latein- und Rechtskenntnisse verfügten. (M ärtl : Pos verstockt weyber? , S. 370). Mit dieser Argumentation und ihrem weiteren Vorgehen stellten sie allerdings unter Beweis, daß sie sich die nötige Sachkenntnis zu verschaffen wußten. 171 K uhn -R ehfus : Das Zisterzienserinnenkloster Wald, S. 276. hundert wehrten sich die Klöster insbesondere mit dem Hinweis auf die Gepflogenheiten seit ihrer Gründung sowie ihre ständische Zusammensetzung. Der schwäbische Adel stellte sich hinter die Interessen der aus seinen Familien stammenden Nonnen. 172 Einerseits bestritt man also die Richtigkeit der Vorwürfe, um der Reform die Rechtsgrundlage zu entziehen, andererseits argumentierte man mit der Ursprünglichkeit bestimmter Gepflogenheiten, stellte also die Rechtmäßigkeit der erhobenen Forderungen in Frage. 173 In der Regel geht man davon aus, daß die Zisterzienserinnen aufgrund der Ordensvorschriften strenge Klausurbestimmungen einhalten mußten und daß diese Vorschriften erst in der sogenannten Phase des Niedergangs gelockert bzw. mißachtet worden seien. 174 Hier jedoch wird ihre Einführung mit der Begründung abgelehnt, diese habe in dem betreffenden Kloster nie bestanden. In dieser Argumentation kann man freilich das Ziel erkennen, die angebliche Wiederherstellung ursprünglicher Verhältnisse durch die Reform als tatsächliche Neuerungen zu diskreditieren, 175 aber angesichts der hohen Zahl von adligen Frauen in den teils nur lose dem Orden assoziierten Zisterzienserinnenklöstern und deren Kontakten zu den benachbarten und verwandtschaftlich verbundenen Adelsfamilien wäre es denkbar, daß die Klausurvorschriften schon von Anfang an nicht im vorgeschriebenen Umfang durchgesetzt wurden. 176 Ordensreform, Frauenklöster und Literaturproduktion 327 172 Ebd., S. 271ff. Vgl. zu dieser Situation M ertens : «Ein systemfremder Kommunikationskreis kommt damit ins Spiel. Ein Laiennetzwerk steht gegen die Ordensstruktur. Er legt offen, daß das Kloster nicht als Alternative zur Welt fungiert, sondern der Welt, einer gesellschaftlichen Gruppierung, einem adligen Verwandtennetz integriert ist. Dies aufzulösen, dient als letztes Mittel die gewaltsame Verbringung eines Teils der Nonnen in ferne Klöster […].» (Klosterreform als Kommunikationsereignis, S. 416). 173 Zu den Einwänden des Adels gegen Klosterreformen vgl. auch N eidiger : Die Bettelorden im spätmittelalterlichen Rheinland, S. 51. 174 Vgl. K uhn -R ehfus : Zisterzienserinnen in Deutschland, S. 130 und 137. Zur grundsätzlichen Begründung der Klausur vgl. M uschiol : Liturgie und Klausur und D ies .: Von Benedikt bis Bernhard - Klausur zwischen Regula und Realität. In: Regulae Benedicti Studia. Annuarium Internationale 19 (1997), S. 27-42; zur Einführung der strikten Klausur bei den Zisterzienserinnen vgl. D egler -S pengler : «Zahlreich wie die Sterne des Himmels», S. 47; zur Klausur in reformierten Frauenklöstern vgl. U ffmann : Innen und außen: Raum und Klausur in reformierten Nonnenklöstern des späten Mittelalters. Sie betont, daß die Klausurbestimmungen des 15. Jahrhunderts zwar nicht neu waren, nun aber «mönchische Reformer, Bischöfe, Stadträte und Landesherren auf die Umsetzung der Bestimmungen drangen» (S. 193, vgl. auch S. 202). 175 Zur zeitgenössischen Kritik an den konkreten Reformmaßnahmen vgl. C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen , S. 26 (siehe oben S. 232); der Augsburger Schreibermönch Johannes Frank urteilt in seiner Chronik über die Visitationen: sie schuffen zuo St. Volrich mer übels dan guotz mit irem visitieren, als vor all visitierer hetten getan (G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 114). 176 Auch Ernst Günther K renig argumentiert, daß die von den Zisterziensern geforderte Klausur gerade für die zahlreichen adligen Nonnen schwer verständlich und erträglich gewesen und daher nicht eingehalten worden sei. Die Klagen über die Mißachtung der Klausur verstummten jedoch im Laufe des 13. Jahrhunderts und setzten erst im 14. Jahr- Auch die Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten von Äbtissin und Priorin, die aus einer strengen Handhabung der Klausur resultierten, mag das bewirkt haben. 177 Einen Anhaltspunkt könnte die Architektur der Klöster geben, doch sind kaum Klausurgebäude aus der Gründungszeit erhalten und erforscht. 178 Die ständigen Bemühungen um die Durchsetzung der Klausur durch das Generalkapitel im frühen 13. Jahrhundert und die Klagen über das Fehlen der Klausur im 14. und 15. Jahrhundert lassen ebenfalls offen, «ob sich die strenge Klausur tatsächlich in allen Klöstern so nach den Buchstaben der Generalkapitelsbeschlüsse durchgesetzt hat oder ob nicht im Hochmittelalter andere Zustände herrschten.» 179 Die Frage, inwieweit in den Zisterzienserinnenklöstern die Einhaltung der Klausur und der vita communis vorauszusetzen ist, hat Einfluß auf die Beurteilung ihrer Bildungs- und Lektüremöglichkeiten. Die Gemeinsamkeiten zwischen den Lüneburger Frauenklöstern beispielsweise deuten auf enge Kontakte hin, die besser zu erklären sind, wenn man nicht von einer strengen Anwendung der Klausur ausgeht. 180 Aus Sicht der Nonnen konnte die Bewahrung solcher Gepflogenheiten also nicht nur einem freizügigeren Lebensstil dienen. 181 Während diese ‹unkontrollierten› Austauschmöglichkeiten eher kritisch gesehen werden, werden die durch die Reform geschaffenen institutionalisierten Verbindungen positiv hervorgehoben. Diejenigen, die eine Intensivierung der literarischen Tätigkeiten durch die Reform sehen, weisen auf die enge Vernetzung der reformierten Klöster hin und die sich dadurch ergebenden Verbreitungswege von Literatur. 182 Und in der Tat steht Regula exemp- 328 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen hundert wieder ein (Mittelalterliche Frauenklöster nach den Konstitutionen von Cîteaux, S. 82f.). Es ist aber zweifelhaft, ob man daraus auf eine Einhaltung der Klausur in der Zwischenzeit schließen darf. Auch gewisse Lockerungen der Klausur durch das Generalkapitel hinsichtlich der Besuchs- und Gesprächsmöglichkeiten von Frauen bzw. «hochstehenden Persönlichkeiten» - K renig denkt hier an die Stifterfamilien - deuten eher auf Zugeständnisse in dieser Richtung hin (ebd., S. 88). Auch Immo E berl bezweifelt, «ob die strenge Klausur im 13. Jahrhundert überhaupt überall durchgesetzt worden war» (Die Frauenzisterzen des Zisterzienserordens, S. 60); vgl. auch D ers .: Stiftisches Leben in Klöstern, S. 290 zur Situation im Zisterzienserinnenkloster Heggbach; O stro witzki : Der «Liber dictaminum» des Abtes von Himmerod als Zeugnis für die cura monialium im spätmittelalterlichen Zisterzienserorden, S. 167f. 177 D egler -S pengler : «Zahlreich wie die Sterne des Himmels», S. 50. 178 Vgl. dazu M ersch : Gehäuse der Frömmigkeit - Zuhause der Nonnen. Zur Geschichte der Klausurgebäude zisterziensischer Frauenklöster im 13. Jahrhundert. 179 E berl : Die Zisterzienser, S. 159. 180 Zur Einhaltung der Klausur vgl. R iggert: Die Lüneburger Frauenklöster, S. 184ff. 181 Hinweise darauf geben auch die Gründe, die von Reformkritikern gegen eine strenge Klausurierung angeführt wurden (vgl. Gabriela S ignori : Wanderer zwischen den «Welten» - Besucher, Briefe, Vermächtnisse und Geschenke als Kommunikationsmedien im Austausch zwischen Kloster und Welt. In: Krone und Schleier, S. 130-140, hier S. 131f.). 182 Vor allem für Werner W illiams- K rapp ist das ein zentrales Argument für den Zusammenhang von Ordensreform und «Literaturexplosion» (vgl. Ordensreform und Literatur im 15. Jahrhundert, v.a. S. 49f.). Bekräftigt wird dies von Andreas R üther : «Die Frage der larisch für eine ganze Reihe weiterer belegbarer Fälle, in denen mit den Mönchen und Nonnen aus bereits reformierten Klöstern nicht nur das Wissen um ein observantes Ordensleben, sondern auch Latein- und Literaturkenntnisse Einzug hielten. 183 Skeptischer äußert sich Klaus G raf , der auf «logistische Probleme der klösterlichen Literaturversorgung» hinweist, die davor warnen sollten «in der Ausbreitung von geistlicher Literatur über Reformklöster vornehmlich einen planmäßig angelegten, von den Reformzentren bewußt gesteuerten Vorgang zu sehen.» Vielmehr sei die Literaturbeschaffung der einzelnen Klöster auch von kontingenten Faktoren bestimmt. 184 Die Quellenlage sei häufig nicht ausreichend, um die exakten Verbreitungswege festzustellen. 185 Auch für Lichtenthal ist nicht genau zu ermitteln, woher Regula ihre Vorlagen bezog. Was den Zusammenhang von wirtschaftlichen Verhältnissen und Reformbedürftigkeit eines Klosters betraf, waren die zeitgenössischen Aussagen widersprüchlich. Verbreitet war die Ansicht, daß es der Reichtum sei, der zu Regelabweichungen und schließlich zum (wirtschaftlichen) Niedergang eines Klosters führe. 186 Andererseits betonen die Chronisten der Reform gerne die ökonomischen Erfolge der Reformäbte und «stellten einen Zusammenhang her zwischen geistiger Blüte und wirtschaftlichem Wohlstand und zwischen Verfall des geistigen Lebens und wirtschaftlichem Niedergang der Klöster.» 187 Aus heutiger Sicht erscheint die private Haushaltung der Nonnen eher als Reaktion auf bestehende wirtschaftliche Probleme. Gegner der Reformen führten an, diese gefährdeten die Existenz des Klosters, da unter diesen Umständen Ordensreform, Frauenklöster und Literaturproduktion 329 Kommunikation innerhalb der südwestdeutschen Observanzbewegung war erheblich für den Erfolg des Reformprozesses. Es war gewissermaßen ein Austauschvorgang zwischen den Institutionen in personeller, materieller und medialer Hinsicht. Konventualinnen und Lektoren wechselten zwischen Konventen, Bücher wurden empfangen, geliehen, verschenkt, Vorlagen verschickt und Briefe ausgesandt.» (Schreibbetrieb, Bücheraustausch und Briefwechsel, S. 666, vgl. auch ebd. S. 670 und 675f.). 183 Siehe Anm. 31. 184 G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 122. 185 Ebd., S. 155f. Vgl. zu dieser Kritik W illiams -K rapp : Die Bedeutung der reformierten Klöster des Predigerordens, S. 311. 186 Zeitgenössische Beispiele für diese Argumentation bietet S chreiner : Dauer, Niedergang und Erneuerung, S. 301-304; vgl. auch G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 152. 187 P roksch : Klosterreform und Geschichtsschreibung im Spätmittelalter, S. 134. Diese unterschiedliche Argumentation reicht bis in die heutige Forschung hinein. M. von B oet ticher beispielsweise führt für das Zisterzienserinnenkloster Höckelheim sehr differenziert vor, daß im 14. Jahrhundert das Kloster als Institution durch die Agrardepression in finanzielle Schwierigkeiten geriet, während die davon nicht betroffenen städtischen Familien ihre im Kloster lebenden Verwandten weiterhin gut versorgen konnten, so daß die ökonomische Einheit des Klosters zerfiel (Höckelheim. In: Germania Benedictina XII, S. 168-191). L. H ein hingegen macht für die Reformbedürftigkeit des Zisterzienserinnenklosters Itzehoe - wie für andere Klöster - allein dessen zunehmenden Wohlstand verantwortlich (Itzehoe. In: Germania Benedictina XII, S. 268-281, hier S. 271). niemand mehr seine Tochter ins Kloster gebe. 188 Die Untersuchung der wirtschaftlichen Verhältnisse zeigt, daß diese Argumentation nicht ganz unbegründet war. Erst die berechtigte Sorge um den lebenslangen Unterhalt der im Kloster lebenden Angehörigen hatte wohl die Familien dazu veranlaßt, Leibrenten für die Nonnen auszusetzen. Wenn man ihnen diese Möglichkeit nahm, mußten sie also um deren Versorgung fürchten. 189 Die Wirtschaftsweise ist nicht ohne Einfluß auf die Literatur im Kloster. Dabei geht es nicht nur darum, ob überhaupt Mittel für die Buchbeschaffung vorhanden waren, sondern auch darum, wer über ihre Verwendung bestimmte. In Klöstern, in denen die Nonnen Privathaushalte führten, also ihr Einkommen selbst verwalteten, dürfte dem Kloster als Institution ein geringerer Etat, auch für den Bucherwerb, zur Verfügung gestanden haben. Dementsprechend war es dann wohl weniger die Äbtissin, die - zusammen mit der cantrix - die Bibliotheksbestände zentral organisierte, sondern die Initiative lag eher bei begüterten Nonnen, die ihre Erwerbungen dem Kloster zur Verfügung stellten oder sie in Privatbesitz behielten und sogar vererbten. 190 Es liegt auf der Hand, daß die Überlieferungsaussichten für derartige Buchbestände ungleich schlechter waren als die von gemeinsam aufgestellten, katalogisierten Beständen im Besitz der Institution Kloster. 191 Zu berücksichtigen ist auch, daß sich 330 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen 188 Aus dem Kloster Derneburg wird berichtet, daß die Verwandten zwar gerne einzelne Klosterfrauen mit Erbe und Renten bedacht hätten, nach der Reform jedoch nicht den Konvent insgesamt (F aust , U.: Derneburg. In: Germania Benedictina XII, S. 108-132, hier S. 110). 189 Vgl. E lm : Verfall und Erneuerung des Ordenswesens im Spätmittelalter, S. 236: «Die wirtschaftliche Regeneration, die Reorganisation des Klosterbesitzes und nicht zuletzt die Rückkehr zu einer verstärkten Armutspraxis in den Städten hatte im 15. Jahrhundert zu Auseinandersetzungen mit Adel und Bürgertum geführt, die um ihre Vorrechte, um ihren Einfluß, ja teilweise um das von ihnen und ihren Kindern in die Klöster eingebrachte Vermögen gekommen waren.» 190 Ein ähnlicher Zusammenhang wird auch für die Bautätigkeit in reformierten Klöstern angenommen (S ydow , Jürgen: Sichtbare Auswirkungen der Klosterreform des 15. Jahrhunderts. Beobachtungen an historischen Quellen südwestdeutscher Klöster - das Beispiel Blaubeuren. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 11 (1992), S. 209- 221, hier S. 209); vgl. zum Zusammenhang von Wirtschaft und Literatur W illiams - K rapp (Ordensreform und Literatur im 15. Jahrhundert, S. 42): «Und nicht immer ist die Dürftigkeit einer Klosterbibliothek auf wirtschaftliche Schwäche eines Klosters zurückzuführen. Vielmehr zeigt sich immer wieder, daß weniger der ökonomische Faktor als eine strenge Observanz als Hauptvoraussetzung für die Entstehung einer umfänglicheren Klosterbibliothek zu gelten hat.» 191 Dieser Aspekt der Überlieferung, den Klaus G raf (Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 134) für Handschriften «aus dem Besitz einfacher Weltkleriker und Laien» geltend macht, läßt sich m.E. auch auf privaten Buchbesitz in Klöstern anwenden, wie zwei Beispiele zeigen: Bei der Aufhebung der Zisterze Lilienfeld wurde die gesamte Bibliothek nach Wien gebracht - mit Ausnahme der sogenannten «kleinen Bibliothek» im Noviziat und der Bücher in den Zellen (M ussbacher , Norbert: Skriptorium und Bibliothek Lilienfeld. In: Die Cistercienser. Geschichte - Geist - Kunst, S. 425-427). In Salem unter diesen Umständen der Buchbesitz anders zusammensetzte. 192 Werner W illiams -K rapp stellte beispielsweise fest, daß ein Großteil der lokalisierba- Ordensreform, Frauenklöster und Literaturproduktion 331 konnten bei dem Brand von 1697 zwar anscheinend die Bestände der Bibliothek gerettet werden, nicht jedoch die Bücher in den Räumlichkeiten des Abtes und in den Privatzellen der Mönche (R oth , Hermann Josef: Bibliothek der Abtei Salem. In: Die Cistercienser. Geschichte - Geist - Kunst, S. 427-429). Nigel P almer vermutet, daß großformatige Handschriften aufgrund ihres bibliophilen und materiellen Wertes größere Überlieferungschancen besaßen und daher für Eberbach unter den kleinformatigen, für Privatlektüre geeigneten Manuskripten die größten Verluste zu verzeichnen sind (Zisterzienser und ihre Bücher, S. 155). Die Intention der Reformer war es, den privaten Buchbesitz abzuschaffen und wieder zu einer gemeinsamen Bibliotheksnutzung zurückzukehren: «Nachdem der von der Regel geforderte Verzicht auf eigenen Besitz wenigstens als Grundsatz durchgesetzt war, war für Mönche der persönliche Erwerb von Büchern nicht mehr möglich; sie mußten ihnen jetzt in der gemeinsamen Bibliothek zur Verfügung stehen» (S ydow : Sichtbare Auswirkungen der Klosterreform des 15. Jahrhunderts, S. 217). Dieser Grundsatz wurde allerdings nicht immer streng befolgt. Im reformierten Katharinenkloster in Nürnberg wurden die Bücher in Privatbesitz, die nach dem Tod der Nonnen meist dem Kloster zufielen, zusammen mit den Bibliotheksbeständen inventarisiert (S chneider , Karin: Die Bibliothek des Katharinenklosters in Nürnberg und die städtische Gesellschaft. In: Studien zum städtischen Bildungswesen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1978 bis 1981. Hrsg. v. Bernd Moeller, Hans Patze u. Karl Stackmann. Göttingen 1983 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse. Dritte Folge 137), S. 70-82, hier S. 71). Anläßlich der Reform wurde der private Buchbesitz der Mönche im Karmeliterkloster zu St. Anna in Augsburg dokumentiert (G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 147; Abdruck des Textes in: M ittelalterliche B ibliothekskataloge D eutschlands und der S chweiz . Hrsg. v. d. Bayerischen Akademie der Wissenschaften in Mündchen. Bd. 3,1: Bistum Augsburg. Bearb. v. Paul Ruf. München 1932/ Nachdruck 1970, S. 24-27). Diese Dokumentationen privater Buchbestände dürften jedoch eher die Ausnahme gewesen sein (vgl. R oth : Bibliothek der Abtei Salem). Arnold S chromm deutet hingegen die Tatsache, daß es kaum Übereinstimmungen zwischen den mittelalterlichen Bibliotheksverzeichnissen und den erhaltenen Buchbeständen, die Kirchheim zugeschrieben werden können, gibt, so, daß es sich bei den überlieferten Handschriften entweder um ausgeliehene und daher nicht inventarisierte Bücher oder um den Privatbesitz der Nonnen handelt, der auch hier in der Regel an das Kloster vererbt wurde (Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries, S. 32f. und S. 51ff.). 192 Zum Verhältnis von individuellen Interessen der Mönche und denen ihrer jeweiligen Abtei vgl. G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 117f. «Der Buchbestand eines Frauenklosters muß, das hat beispielsweise die Erschließung der Kirchheimer deutschen Handschriften durch K. Schneider gezeigt, vor allem als Summe der Sammlungen der einzelnen Nonnen, die Handschriften geschenkt bekamen oder in das Kloster mitbrachten, und den Buchgeschenken von Laien gesehen werden» (ebd., S. 131). Zum privaten Buchbesitz bzw. -gebrauch der Nonnen, der wohl auch nach erfolgter Reform nicht unbedingt auszuschließen ist, vgl. auch S chneider : Die Bibliothek des Katharinenklosters in Nürnberg, S. 71. Bei der Mitte des 15. Jahrhunderts erfolgten Buchinventarisierung des 1428 reformierten Klosters wurde auch der Privatren umfangreichen Legendare aus reformierten Klöstern stammt. 193 Wenn man berücksichtigt, daß die Legendare in den regulierten Klöstern für die institutionalisierten Formen der Lektüre, insbesondere die Tischlesung, bestimmt waren, dann verwundert es nicht, daß in nichtregulierten Klöstern, in denen häufig kein gemeinsames Essen stattfand, kein Bedarf an dieser Art Handschriften bestand. Hingegen spielen die privaten Gebets- und Andachtsbücher eine wichtige Rolle. Hans-Joachim S chmidt stellt fest, daß von dem geforderten Verzicht auf Besitz gerade auch die Objekte der privaten Andacht betroffen waren, darunter neben Andachtsbildern, Kruzifixen etc. eben auch ihre Bücher. Die Reformen bedeuteten also auch einen massiven Eingriff in die Formen der Frömmigkeitsausübung: «Die Zurückdrängung privater Frömmigkeit und die Förderung des gemeinsamen Chorgebets». 194 Damit ist freilich noch nicht geklärt, wie es um das geistige Leben der (noch) nicht reformierten Nonnenklöster bestellt war. Diese Frage läßt sich kaum pauschal beantworten. Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang der grundsätzliche Hinweis von Gabriela S ignori , daß «weltlich» im Hinblick auf das Leben in diesen Klöstern «primär Privatbesitz, Verzicht auf vita communis und strenge Klausur» bedeutete und nicht ohne weiteres mit «‹weltlicher› Gesinnung» gleichgesetzt werden dürfe. 195 Dies bestätigt beispielsweise der Blick auf die letzte Wienhäuser Äbtissin vor der Reform, Katharina von Hoya, die zahlreiche sakrale Gegenstände für ihr Kloster stiftete, die nicht den Eindruck erwecken, als habe das geistliche Leben völlig danieder gelegen. 196 Die Neufassung des Heiligen Grabes und die Herstellung des Heilsspiegel-Teppichs setzen im Gegenteil eine intensive religiöse Praxis als auch beträchtliche Kenntnisse bzw. ein großes Interesse an geistlicher Bildung voraus. Auch die Lichtenthaler Überlieferungssituation muß differenziert werden: Zwar ist es richtig, daß die Buchbeschaffung im 14. und 15. Jahrhundert vor der Reform quantitativ nicht an die dann einsetzende Handschriftenproduk- 332 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen besitz der Schwestern erfaßt: «Es handelt sich allerdings ausschließlich um geistliche Literatur, überwiegend um Gebetbücher, von denen aber immerhin einzelne Schwestern bis zu zehn Exemplaren besaßen. Nach dem Tod der Besitzerin fielen sie zumeist an die Klosterbibliothek.» 193 W illiams -K rapp : Ordensreform und Literatur im 15. Jahrhundert, S. 45ff. Weitere Beispieltexte sind Heinrich Seuses Büchlein der ewigen Weisheit und Thomas Peutners Büchlein von der Liebhabung Gottes. 194 S chmidt : Widerstand von Frauen gegen Reformen, S. 160-162. 195 S ignori : Leere Seiten, S. 151; vgl. auch ihre Beschreibung der Klingentaler Schwestern, ihres Buchbesitzes («unter anderem Breviere, Diurnale, Psalter, Gesangbücher, Meß- und Sequenzbücher sowie neben anderen Legendenwerken eine historie des heiligen Vinzenz»), ihrer Lateinkenntnisse und ihrer Schreibtätigkeit (ebd., S. 173ff.); ähnlich äußert sich auch Immo E berl : «Eine ‹stiftische› Lebensweise in Klöstern mußte deshalb keineswegs bedeuten, daß die Frömmigkeit in den Konventen zurückging, die Bildung verschwand oder auch die Gottesdienste versäumt wurden.» (Stiftisches Leben in Klöstern, S. 314). 196 Siehe oben S. 222f., 233, 247, S. 255 (Anm. 223) und 267. tion heranreicht, aber es sind doch immerhin etliche Codices aus dieser Zeit überliefert. 197 Bei erhaltenen Bibliotheken regulierter Klöster muß damit gerechnet werden, daß während der Reform nicht nur neue Bücher hinzukamen, sondern auch alte Bibliotheksbestände, wie im Fall Wienhausens und der anderen Lüneburger Frauenklöster, vernichtet wurden. 198 Die Weiterverarbeitung alter Codices zu Makulatur ist auch in der Reformzeit belegt. 199 Die Überlieferungschancen für die Literatur aus der Zeit vor der Reform sind wohl als grundsätzlich schlechter anzusehen. Das Beispiel des Wienhäuser Osterspielfragments zeigt, daß wir diesen Text aus der Zeit vor der Reform wohl nur der besonderen Überlieferungssituation des Nonnenchorfundes zu verdanken haben. Bei der Frage nach dem Zusammenhang von Klosterreform und Literatur spielt auch die grundsätzliche Funktion von Schriftlichkeit für die Durchführung von Reformen eine Rolle. Klaus S chreiner belegt an zeitgenössischen Quellen das Bewußtsein der Reformer für die Notwendigkeit der Verschriftlichung von Statuten, Konstitutionen, Visitationsberichten u.ä. Schriftstücken, um den Reformen auch Dauer zu verleihen. 200 Von dieser Art pragmatischen Ordensreform, Frauenklöster und Literaturproduktion 333 197 Felix H einzer (Bibliotheksgeschichte als Spiegel der Klostergeschichte, S. 45) nennt zusammengefaßt folgende Zahlen: 7 Handschriften bzw. Fragmente aus dem 12. Jahrhundert; insgesamt 25 Handschriften aus dem 13. Jahrhundert; 11 Handschriften aus der Zeit um 1300, insgesamt 15 Handschriften aus dem 14. Jahrhundert, 12 Handschriften sind bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden, 5 weitere Handschriften des 15. Jahrhundert sind nicht genauer einzuordnen, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts steigt die Zahl auf 41 Handschriften, dazu kommen 12 um 1500 entstandene Handschriften; im 16. Jahrhundert sind es 38 Handschriften; zum gesamten Handschriftenbestand Lichtenthals vgl. auch H einzer / S tamm : Die Handschriften von Lichtenthal. Hinsichtlich der Schreibtätigkeit der Lichtenthaler Nonnen finden sich unterschiedliche Angaben. Während Felix H einzer diese bereits im 14. Jahrhundert ansetzt («Ut idem libri ecclesiastici et consuetudines sint omnibus» - Bücher aus Lichtenthals Gründungszeit, S. 46), ist sie nach Pia S chindele erst im 15. Jahrhundert nachweisbar (Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 58). Auch Klaus G raf berichtet von der - wenn auch quantitativ bescheideneren - Schreibtätigkeit der Mönche von St. Ulrich und Afra vor der Reform (Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 116). Bernhard N eidiger geht soweit, die Konventualen der Bettelorden «hinsichtlich des Bildungsniveaus sowie der Qualität der Seelsorge und der Predigt» den Observanten gleichzustellen (Die Bettelorden im spätmittelalterlichen Rheinland, S. 67). 198 Vgl. S. 229f.; zur Vernichtung von Büchern während der Reform vgl. auch S chlotheu ber : Ebstorf und seine Schülerinnen, S. 175ff. Nur eine einzige Handschrift aus der Zeit vor der Reform hat sich dort erhalten. 199 Vgl. dazu G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 144. Aus dem Benediktinerinnenkloster Herzebrock ist die Verpfändung besonders kostbarer Handschriften aus Geldnot belegt. Auch auf diesem Wege könnten gerade in den wirtschaftlichen Krisenzeiten des 14. Jahrhunderts den Frauenklöstern Bibliotheksbestände verloren gegangen sein (G leba : Reformpraxis und materielle Kultur, S. 112). 200 S chreiner : Dauer, Niedergang und Erneuerung, S. 311-325. Vgl. dazu auch G leba : «Ock grote Arbeyt myt Scryven vor dyt convent ged n.» Die spätmittelalterlichen Schrifttums - das auch im Corpus der Regula zu finden ist - konnten durchaus Anstöße für die Entstehung eines eigenen Skriptoriums ausgehen. 201 Nicht zu vergessen ist auch der Bedarf an (aktualisierten) liturgischen Büchern. 202 Wie das Beispiel Lichtenthals zeigt, konnten diese aber auch aus anderen, bereits reformierten Klöstern stammen und müssen nicht zwingend eine eigene Buchproduktion in Gang gesetzt haben. Die Haltung der Reformer und Reformkongregationen zu Bildung und Literatur läßt sich zudem nicht vollständig auf einen Nenner bringen, auch wenn die Sorge um die für ein Funktionieren des monastischen Lebens notwendigen Schriften bei allen erkennbar ist. 203 Die anfänglich dominierende «Skepsis gegenüber Wissenschaft und Studien» erklärte sich aus dem Ideal des «monachus simplex»: 204 «Buchlektüre sollte nicht Wissen und Einsicht vermitteln, sondern eine ‹conversio morum› bewirken, die ‹sanctitas conversationis› gewährleisten und dem Wachstum der ‹devotio› 334 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen Klosterreformen Westfalens in ihrem liturgischen und pragmatischen Schriftgut. Kritisch äußert sich wiederum Klaus G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 151ff. Er bestreitet nicht, daß die Verschriftlichung für die Reformbewegung eine wichtige Rolle spielte, weist aber an Beispielen nach, daß diese mitunter erst in «der zweiten oder dritten Reformgeneration» intensiviert wurde. Darüber hinaus fordert er auch hier einen breiteren Untersuchungsansatz ein, der die Schriftlichkeit nichtreformierter Gemeinschaften ebenso einbeziehen müßte wie die «Schriftlichkeit des Territorialstaates und der Städte.» 201 Zur «Reform als auslösende[m] Faktor für die Neuordnung des klösterlichen Schriftgutes» vgl. G leba : Reformpraxis und materielle Kultur, S. 87f., S. 96-106 und S. 111-115. 202 Auf die Anschaffung liturgischer Bücher als Grundlage von Gebetszeiten und Messe wird im Zusammenhang mit der Reform häufig hingewiesen. M.E. kann das kaum bedeuten, daß es solche Bücher im Kloster überhaupt nicht gab, vielmehr haben die vorhandenen wohl nicht den neuen Anforderungen genügt. In Lichtenthal haben sich wie gesagt dreizehn liturgische Handschriften aus der Gründungszeit erhalten, in denen im Zuge der Reform die Sonderregelungen des 13. und 14. Jahrhunderts gestrichen wurden, um die einheitliche Zisterzienserliturgie wiederherzustellen (H einzer : «Ut idem libri ecclesiastici et consuetudines sint omnibus» - Bücher aus Lichtenthals Gründungszeit, S. 44). 203 Der dominikanische Reformtheologe Johannes Nider beispielsweise betrachtete die «Vernachlässigung der religiösen Studien» als einen Grund für den monastischen Niedergang. «Nur die Beschäftigung mit der hl. Schrift und der Theologie der Väter könne der Reform Dauer vermitteln, nur Mönche, die literarische Studien betrieben, könnten den Mönchsberuf für gebildete Weltleute wiederum attraktiv machen; nur wo man die ‹reformatio› ernst nehme, würde die Zahl der Bücher von Tag zu Tag wachsen.» (S chrei ner : Bücher, Bibliotheken und «gemeiner Nutzen», S. 217. Zitiert bzw. paraphrasiert wird hier aus Johannes N ider : De reformatione libri tres. Antverpine 1611, S. 112 und 240. Zu anderen Reformern und Reformkongregationen vgl. ebd., S. 220-224). Vgl. dazu auch B ecker , Petrus: Benediktinische Reformbewegungen und klösterliches Bildungsstreben. Die rheinischen Abteien der Bursfelder Kongregation. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 11 (1992), S. 161-174; P roksch : Klosterreform und Geschichtsschreibung im Spätmittelalter, S. 211f. 204 S chlotheuber : Ebstorf und seine Schülerinnen, S. 179. Zu Lateinkenntnissen vor der Reform und den Bemühungen der Reformer um Lateinkenntnisse vgl. ebd., S. 187f. zugute kommen. Das Mönchsideal, das benediktinische Reformer von damals zum Inbegriff monastischen Daseins machten, war immer noch der ‹monachus simplex›, der sich mit dem zweifelhaften Gepäck weltlicher und theologischer Wissenschaft nicht belasten sollte. Diese Reformkonzeption schuf zwar einen erhöhten Bedarf an Erbauungsliteratur, trug aber gleichzeitig dazu bei, einen umfassenderen Ausbau klösterlicher Büchersammlungen zu verhindern.» 205 Daraus erklärt sich vielleicht auch, weshalb der Widerstand gegen die Reform keineswegs nur aus den Reihen der betroffenen simplices, sondern in Basel und Regensburg auch von Seiten der «intellektuelle[n] Elite der Stadt» kam. 206 Eva S chlotheuber nimmt allerdings an, daß sich die Einstellung der Reformer zur Bildung änderte: «als man erkannte, daß eine Frömmigkeit, der der nötige theologische Hintergrund fehlte, leicht zu Mißverständnissen und Irrlehren führen konnte», sei die ablehnende Haltung den Studien gegenüber aufgegeben worden. 207 Die widersprüchlichen Positionen in dieser Frage scheinen jedoch eher zeitlich nebeneinander statt nacheinander bestanden zu haben und weisen darauf hin, daß die Reformer keineswegs immer einheitliche Ziele verfolgten. 208 Wie verhält es sich nun mit Buchbeständen aus der Zeit der Reform? Das immer wieder untersuchte und zitierte ‹Musterbeispiel› ist das Nürnberger Katharinenkloster mit seinem umfangreichen volkssprachig-geistlichen Buchbestand aus der Zeit der Reform. 209 Den Befürwortern der These vom engen Konnex zwischen Reform und Literaturproduktion geht es neben der Quantität der Überlieferung auch um «reformtypische» Inhalte. 210 Es könnte sich Ordensreform, Frauenklöster und Literaturproduktion 335 205 S chreiner : Bücher, Bibliotheken und «gemeiner Nutzen», S. 223; vgl. dazu auch ebd., Anm. 83, 83a und 83b. Vergleichbar ist damit vielleicht die Auswirkung der Melker Reform auf die Musikpraxis der Klöster: Zwar setzte sie - durch Wiederbelebung älterer (gregorianischer) Traditionen - eine neue Phase in der Musikgeschichte der Klöster in Gang, zugleich wurde jedoch das durchaus vielfältige, aber eher an ‹weltlichen› Formen orientierte Musikleben vor der Reform weitgehend gekappt (A ngerer : Die liturgischmusikalische Erneuerung der Melker Reform). 206 Vgl. S ignori : Leere Seiten, S. 159, Anm. 33; M ärt , Claudia: pos verstockt weyber? Der Streit um die Lebensform der Regensburger Damenstifte im ausgehenden 15. Jahrhundert. In: Regensburger, Bayern und Europa. Festschrift für Kurt Reindel zum 70. Geburtstag. Hrsg. v. Lothar Kolmer und Peter Segl. Regensburg 1995, S. 365-405, hier S. 387ff. 207 S chlotheuber : Klostereintritt und Bildung, S. 149. 208 Vgl. P roksch : Klosterreform und Geschichtsschreibung im Spätmittelalter, S. 222ff. 209 Vgl. u.a. S chneider : Die Bibliothek des Katharinenklosters in Nürnberg; W illiams - K rapp : Die Bedeutung der reformierten Klöster des Predigerordens für das literarische Leben in Nürnberg im 15. Jahrhundert; W illing : Literatur und Ordensreform im 15. Jahrhundert. Deutsche Abendmahlsschriften im Nürnberger Katharinenkloster; H asebrink : Tischlesung und Bildungskultur im Nürnberger Katharinenkloster. 210 R oth unterscheidet zwischen «Schrifttum, das der inneren und äußeren Organisation der Reform diente», «Schriften zur Reformtheorie», «Schrifttum, das aus Reformkreisen der Klöster (Windesheim, Kastl, Melk u.a.) oder Universitäten hervorging» und «Schrifttum, das von ‹Reformern› wie Johannes Gerson, Johannes von Kastl, Johannes allerdings auch um den «Ausdruck einer spezifischen Orientierung des einzelnen Klosters oder Bestandteil einer gruppen- und ständeübergreifenden Frömmigkeitsbewegung» handeln. 211 Auch Christoph R oth räumt ein, daß Schriften aus den Reformkreisen der Klöster und Universitäten «weit über Reformkreise hinaus rezipiert wurden». 212 Dafür spricht auch Karin S chnei der s Fazit zum Nürnberger Katharinenkloster: «Die angeführten Beispiele zeigen auch, daß Werke, die überwiegend als Nonnenlektüre gelten, gerade in Nürnberg zu Anfang des 15. Jhs. meist primär in Laienbesitz gewesen sind; diese später ins Katharinenkloster gelangten Exemplare dienten dann als Vorlage für die im Konvent kopierten Handschriften. Die Provenienzvermerke zu den Büchern des Katharinenklosters liefern eine Reihe von Zeugnissen mehr zu der Tatsache, daß deutschsprachige Erbauungsliteratur unterschiedslos von Klosterfrauen wie von Laien gelesen wurde.» 213 Eine wichtige Begründung für diese Nähe liefert Burkhard H asebrink : Die meisten Nonnen seien erst im Erwachsenenalter in das Kloster eingetreten, hätten also ihre Bildung nicht erst dort erfahren, sondern in den entsprechenden städtischen Einrichtungen. 214 Arnold S chromm konstatiert für das Zisterzienserinnenkloster Kirchheim, daß die Reform «zu einer bis weit in die Zeit der Reformation hinein anhaltenden geistig-geistlichen Aufschwungs- und Blütephase» führte, «die sich vor allem auch in den aus dieser Zeit erhalten gebliebenen Bücherbeständen dokumentiert.» 215 Erstmals lasse sich für Kirchheim ein eigener Schreibbetrieb nachweisen, der daher «als direkter Erfolg der Reform» zu wer- 336 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen Rode, Nikolaus von Siegen, Ulrich von Landau und Christian Tesenpacher zur Lektüre oder zum Studium empfohlen wurde» (Literatur und Klosterreform, S. 17f.). 211 G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 118 (kritische Besprechung dieser reformtypischen Inhalte 117ff.); vgl. auch S. 149 zu den Augsburger Karmelitern: «Bereits vor der Reform standen in den Weilheimer-Handschriften reformerisch gesinnte Texte zur Verfügung, und die Buchbeschaffungen nach 1479 zeigen keinen anderen Zuschnitt als der Buchbesitz Fabris und der beiden Lektoren». Die Problematik solcher Argumentation läßt sich beispielsweise bei Arnold S chromm beobachten. Die vor der historisch belegten Reform entstandenen Kirchheimer Handschriften mit typischer Reformliteratur seien entweder ein Indiz für frühere Reformtätigkeiten oder sie seien eben erst später ins Kloster gekommen (Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries, S. 79f.). 212 R oth : Literatur und Klosterreform, S. 17, Anm. 70. Die neue Wiener Reformtheologie im Bestand von St. Mang stammte v.a. aus «Schenkungen, Stiftungen und Nachlässen schwäbischer Weltgeistlicher», die vielleicht in Wien studiert hatten (S. 244). 213 S chneider : Die Bibliothek des Katharinenklosters in Nürnberg, S. 82. 214 H asebrink : Tischlesung und Bildungskultur im Nürnberger Katharinenkloster, S. 192. 215 S chromm : Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries, S. 90; vgl. auch S. 107: «Bemerkenswert erscheint bei beiden Handschriften die Mischung deutscher und lateinischer Gebetstexte. Dies legt die Vermutung nahe, daß zumindest die hier faßbaren Schreiberinnen des Lateinischen mächtig waren, daß Geistlichkeit und Bildung um 1500 einen hohen Stand erreicht hatten.» Die Äbtissin Magdalena von Oettingen wurde besonders von ihrer Familie, die das Kloster gestiftet hatte, unterstützt, die dem Kloster insgesamt 7 Handschriften schenkte (ebd., S. 48f.). ten sei. 216 Als Beispiel für ein Kloster, das - obwohl nicht reformiert - an der Literaturzunahme des 15. Jahrhunderts partizipierte, kann das Dominikanerinnenkloster Engelthal gelten. Johanna T hali betont, daß sich dessen Bibliothek «nicht grundsätzlich von derjenigen des observanten Katharinenklosters» unterschieden habe und das auch ‹typische› Reformliteratur zum Bestand gehörte. 217 Wichtig ist in diesem Zusammenhang außerdem, daß es sich bei der im 15. Jahrhundert verbreiteten Literatur in der Hauptsache um Texte handelt, die bereits im 14. Jahrhundert entstanden sind. 218 Auch im Hinblick auf die Literarisierung der Laien baute die «Literaturexplosion» auf Entwicklungen des 14. Jahrhunderts auf. 219 Im Zusammenhang damit steht die veränderte Einstellung zu den Laien - zu denen kirchenrechtlich gesehen ebenfalls die Laienbrüder und die Nonnen gehörten - und damit auch zur Volkssprache. 220 Auffällig ist im 15. Jahrhundert der Bibliotheksausbau in vielen Klöstern. Jürgen S ydow beobachtet solche Bemühungen bei allen benediktinischen Reformklöstern, sie bleiben jedoch keinesfalls auf diese beschränkt. 221 Bei den Zisterziensern können sie mit entsprechenden Aufforderungen des Generalkapitels zur Einrichtung und Instandhaltung von Bibliotheken im selben Zeitraum in Verbindung gebracht werden. 222 Dabei ging es offensichtlich nicht nur um die Einrichtung eines eigenen Bibliotheksraumes als Reaktion auf die gestiegene Zahl von Büchern, sondern auch um organisatorische Neuerungen wie die Einführung von Pultbibliotheken mit thematischer Aufstellung der Codices, die ebenfalls mehr Platz beanspruchten. Wichtig ist auch die Frage, wann die Literaturproduktion genau einsetzt. 223 Christoph R oth stellt für das Benediktinerkloster St. Mang in Füssen fest, daß «Erneuerungsphasen und Bücherzuwachs nicht kongruent sind». 224 In Lichtenthal ist der Beginn von Regulas Tä- Ordensreform, Frauenklöster und Literaturproduktion 337 216 Ebd., S. 106. 217 T hali : Beten - Schreiben - Lesen, S. 306. 218 W illing : Literatur und Ordensreform, S. 2; W illiams -K rapp : Frauenmystik und Ordensreform, S. 302. 219 W illiams -K rapp : Ordensreform und Literatur im 15. Jahrhundert, S. 41. 220 Ebd., S. 44 und 51; D ers. : Frauenmystik und Ordensreform, S. 301; S chreiner : Bücher, Bibliotheken und «gemeiner Nutzen», S. 226f.; Klaus G raf akzentuiert anders: «Es war die Allianz von Kirchenreform und Laienfrömmigkeit, die der geistlichen Literatur in deutscher Sprache zu ihrer großen Verbreitung verhalf, nicht ausschließlich oder ‹letztlich› die Ordensreform» (Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 137). 221 S ydow : Sichtbare Auswirkungen der Klosterreform des 15. Jahrhunderts, S. 218. 222 S chneider : Skriptorien und Bibliotheken der Cistercienser. In: Die Cistercienser. Geschichte - Geist - Kunst, S. 395-433, hier S. 407. 223 Klaus G raf insistiert darauf, daß der zeitliche Zusammenhang genauer berücksichtigt werden müsse (Ordensreform und Literatur in Augsburg, v.a. S. 112, 133 und 152). Auch die Dauerhaftigkeit der Reform ist zu berücksichtigen; vgl. R üther : Schreibbetrieb, Bücheraustausch und Briefwechsel, S. 655. 224 R oth : Literatur und Klosterreform, S. 74. Während der älteste in St. Mang geschriebene Text, Heinrichs von Langenstein Tractatus De proprietariis religiosum, unter einem antigkeit noch unter der ersten Reformäbtissin nachweisbar. Allerdings scheint auf sie auch zuzutreffen, daß die Intensivierung der Schriftlichkeit nicht nur auf die Reform zurückgeht, sondern auch eine «persönliche Dimension» aufweist. 225 Entscheidend für die Beurteilung der Reformen und ihrer Ergebnisse insgesamt scheint, entgegen der vielleicht programmatisch angestrebten Einheitlichkeit des Ordenslebens, ihr Beitrag zu dessen Vielgestaltigkeit im ausgehenden Mittelalter zu sein, denn - so Gabriela S ignori - «letztlich bilden die Observanten genauso wie die Reformgegner nur einen Teil einer heterogenen Sakrallandschaft, einen Teil, der sich nicht aus sich selbst heraus verstehen oder erklären läßt, sondern nur im Vergleich mit dem Ganzen.» 226 Dieter M er tens bezeichnet die Wende vom späten 14. Jahrhundert zum frühen 15. Jahrhundert als «ordensgeschichtliche Sattelzeit», die zu einem grundlegenden Wandel des Ordenswesens geführt habe, das dadurch «vielgestaltiger, zerklüfteter und unübersichtlicher» geworden sei. ‹Verfall› und ‹Erneuerung› seien keine aufeinander folgenden, sondern zeitgleiche Charakteristika dieser Sattelzeit. 227 Am Ende des 15. Jahrhunderts steht «ein ‹pluralistisches›, von religiöser ‹Spezialisierung› geprägtes Gesamtbild», 228 das sich auch in Unterschie- 338 Das Buch von den heiligen Mägden und Frauen geblich simonistischen Abt entstand (S. 154), ist ein gezielter Ausbau der Bibliotheksbestände nur unter einem der Reformäbte sicher nachweisbar. 225 G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 153; vgl. auch H ärtel , Helmar: Klosterbibliotheken zwischen Reform und Reformation. Studien zur niedersächsischen Bibliotheksgeschichte im ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhundert. In: Probleme der Bearbeitung mittelalterlicher Handschriften. Hrsg. v. dems. [u.a.]. Wiesbaden 1986 (Wolfenbütteler Forschungen 30), S. 121-131, hier S. 128: «Treibende Kraft beim Bibliotheksauf- und -ausbau ist für diese Zeit die bewußt erwerbende Einzelpersönlichkeit, der Theologe oder Jurist, im Studium, Beruf und bei gelehrten oder reformerischen Neigungen. Er findet sich im Kloster, aber auch außerhalb der Mauern.» Dafür spricht auch die Tatsache, daß in manchen Frauenklöstern die Reform zu einer eigenen Schrifttätigkeit führte, in anderen nicht, vgl. z.B. die Benediktinerinnenklöster Ebstorf und Urspring (E berl : Stiftisches Leben in Klöstern, S. 308). Vgl. auch die Ergebnisse Christoph R oth s zur Bibliothek von St. Mang (Literatur und Klosterreform, S. 241 und 253). 226 S ignori : Leere Seiten, S. 176. 227 M ertens : Monastische Reformbewegungen, S. 170f. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Anja O strowitzki in ihrer Studie zu den Himmerod unterstellten Frauenklöstern, vgl. S. 293. 228 G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 108. Einen weitgreifenderen Ansatz zum Verständnis des Zusammenhangs zwischen Reform und Literatur bietet Berndt H amm . Unter dem Begriff «Frömmigkeitstheologie» faßt er die praxisorientierte, auf christliche Lebensgestaltung gerichtete Theologie der Vorreformationszeit, die nicht nur von den Eliten ausgegangen sei, sondern auf die Bedürfnisse von niederem Klerus, Ordensleuten und Laien reagiert habe. Diese Zeit zeichne sich aus durch «die Entgrenzung der Ideale geistlicher Lebensformung in die Laienwelt hinein» und durch eine «große Durchlässigkeit nach beiden Richtungen». Diese Frömmigkeitstheologie sei auch ein «Medienphänomen», das sich nicht nur in einer großen Zahl von Texten, sondern auch von Bildern niedergeschlagen habe. Dieser Vorgang sei allerdings «nur im größeren Zusammenhang der zunehmenden Verfügbarkeit von Papier und Büchern, den hinsichtlich der Bildung, dem Grad der Schriftlichkeit sowie dem Umfang und der Auswahl von Literatur niedergeschlagen haben dürfte. Wenn man diese Ergebnisse historischer Forschung ernst nimmt, müßten auch die Studien zur Literatur des Reformzeitalters nach deren Diskursvielfalt und Heterogenität fragen und die unterschiedliche Situation des jeweiligen Klosters berücksichtigen. Damit soll nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden, daß von der Reformbewegung im allgemeinen und der Reform eines Klosters im besonderen tatsächlich entscheidende Impulse für die Schriftkultur ausgingen. Man wird wohl kaum daran zweifeln können, daß Regula tatsächlich mit der ersten Reformäbtissin nach Lichtenthal kam und autorisiert durch ein entsprechendes Amt und durch ihr umfangreiches Wissen erheblich zur Durchführung der Reform beitrug. Ihre Konzentration auf volkssprachig-hagiographische Texte für die Tischlektüre entspricht dem Reformziel der (Wieder)einführung der vita communis und paßt zum Spektrum der von den Reformern präferierten Literatur. Das Beispiel Regulas bestätigt aber auch, daß der Anstieg der Lichtenthaler Buchproduktion nach der Reform offenbar stark mit einer Person verbunden ist. Unklar bleibt auch, auf welche Weise Regula ihre Bildung erwarb und woher sie ihre Vorlagen bezog. Ihr ungewöhnlicher, erweiternder Übersetzungsstil paßt nicht in das Bild der ‹reformtypischen› Literatur. Ordensreform, Frauenklöster und Literaturproduktion 339 der steigenden Lesefähigkeit und wachsenden Bildungsbedürfnisse, der voranschreitenden Kodifizierung und präzisen Regulierung bestimmter Lebensbereiche angemessen» deutbar. Die Impulse für diese Entwicklung seien sowohl von der Schultheologie und Seelsorge als auch von Seiten der Laien, Ordensleute und Semireligiosen ausgegangen, deren aktive Rolle man bisher unterschätzt habe (Was ist Frömmigkeitstheologie? Überlegungen zum 14. bis 16. Jahrhundert. In: Praxis Pietatis. Beiträge zu Theologie und Frömmigkeit in der frühen Neuzeit. Wolfgang Sommer zum 60. Geburtstag. Hrsg. v. Hans-Jörg Nieden. Stuttgart [u.a.] 1999, S. 9-45). Ein solcher Ansatz scheint mir geeigneter zu sein, den Einfluß theologischer und kirchlicher Entwicklungen auf die Zunahme der Literatur im 15. Jahrhundert zu erklären. Die Klosterreformen können als Teil eines übergreifenden gesellschaftlichen Prozesses verstanden werden, von dem nichtobservante Klöster nicht grundsätzlich ausgeschlossen waren. 8. Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? Die Wienhäuser Handschrift im Kontext der Überlieferung aus anderen Zisterzienserinnenklöstern Im letzten Kapitel sollen die bisherigen Ergebnisse noch einmal insgesamt im Hinblick auf grundsätzliche Gemeinsamkeiten der Literaturrezeption und -produktion in den untersuchten Klöster diskutiert werden. Daran schließt sich die Frage an, ob solche Übereinstimmungen auch aus der Ordenszugehörigkeit erklärbar sind. Vergleichend werden daher Untersuchungen zu anderen zisterziensischen Konventen und ihrer Literatur herangezogen, insbesondere Helfta, mit dem gleich drei ‹Autorinnen› - Mechthild von Hakeborn, Gertrud von Helfta und Mechthild von Magdeburg - in Verbindung gebracht werden und das damit wie kein anderes Zisterzienserinnenkloster als «literarisches Zentrum» gilt. 1 Über den Zusammenhang zwischen religiös lebenden Frauen und der Entstehung geistlicher Literatur in der Volkssprache ist sich die Forschung - wie bereits dargelegt - weitgehend einig. 2 Wie die Entstehung dieser Literatur im Einzelfall tatsächlich aussah und wie sich diese Einzelfälle wiederum zu einem differenzierten Gesamtbild zusammenfügen lassen, wird erst allmählich durch entsprechende Untersuchungen deutlich. Dies gilt auch für die Frage nach dem Einfluß der Ordenszugehörigkeit auf die produzierte und rezipierte Literatur. Im Hinblick auf die Dominikaner ist schon länger über die Annahme diskutiert worden, daß das Engagement des Ordens in der Seelsorge der Frauenkonvente zur Förderung einer volkssprachigen geistlichen Literatur mit spezieller thematischer Ausrichtung geführt habe. 3 Eine vergleichbare Forschung 1 P eters , Ursula: Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum. Zur Vorgeschichte und Genese frauenmystischer Texte des 13. und 14. Jahrhunderts. Tübingen 1988 (Hermaea N.F. 56), S. 65. 2 Vgl. Kap. 6.1. 3 P eters : Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 9 (mit Literaturhinweisen); einen kritischen Überblick zur cura monialium als Deutungsmuster der mystischen Literatur aus Dominikanerinnenklöstern bietet Susanne B ürkle : Literatur im Kloster. Historische Funktion und rhetorische Legitimation frauenmystischer Texte des 14. Jahrhunderts. Tübingen/ Basel 1999 (Bibliotheca Germanica 38), S. 57-71. In der textimmanenten Analyse der ‹Schwesternbücher› kommt sie zu dem Ergebnis, daß diese sich nicht am hagiographischen Diskurs des Ordens orientieren, sondern hauptsächlich an der Idealisierung des eigenen Klosters interessiert waren (S. 178). Von der Existenz einer Ordensliteratur geht man auch beim Deutschen Orden aus, vgl. M entzel -R euters , Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? zu den Zisterziensern, die dezidiert nach der Literatur des Ordens fragt und dabei auch die deutschsprachige Literatur und die Überlieferung der Frauenklöster einbezieht, gab es lange Zeit nicht. 4 Neben den Arbeiten, die sich mit einzelnen Klöstern beschäftigen, sind zuletzt aber auch solche erschienen, die grundsätzlicher nach dem Beitrag der Zisterzienser zur Buch- und Schriftkultur fragen. Insbesondere Nigel F. P almer hat die Frage nach einer spezifischen Literatur des Zisterzienserordens aufgeworfen. 5 Sie ist allerdings nicht zu trennen von der nach einer Spezifik des Ordens überhaupt. Die Zisterzienserforschung blieb hier lange geprägt von den im 19. Jahrhundert herausgebildeten Schwerpunkten: «die Konzentration auf die wirtschaftliche Tätigkeit und die Organisation des Ordens sowie seine Tendenz zur rationalen Ordnung und weitgehenden Uniformierung, die nicht nur für Ökonomie und Organisation, sondern auch für Liturgie, Spiritualität und nicht zuletzt für die Kunst als charakteristisch angesehen werden.» 6 Die insbesondere seit dem 900-jährigen Jubiläum intensivierte Forschung hat jedoch gerade diese Uniformität zunehmend in Frage gestellt und Differenzierungen herausgearbeitet, die eine bündige Formulierung dieser Spezifik eher erschweren. 7 Die Suche nach der Identität des Ordens richtete sich immer schon auf die Anfänge, in denen die noch unverfälschten Ideale der Gründer sichtbar würden. Doch zeigen die Untersuchungen, daß von einem Orden zunächst einmal nicht die Rede sein konnte, daß die vorbildlich gewordenen Ordensstrukturen sich erst in einem längeren Prozeß herausbildeten und die fundierenden Texte - wie die in drei Fassungen bekannte Carta caritatis, die Beschreibung und Begründung der Ordensinstitutionen, sowie das Exordium cistercii und das Exordium parvum, die Gründungsgeschichte des Ordens - erst in gewissem zeitlichen 342 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? Arno: Arma spiritualia. Bibliotheken, Bücher und Bildung im Deutschen Orden. Wiesbaden 2003 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 47); zu den Bibliotheken der Deutschordensniederlassungen vgl. auch B uzás : Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, S. 83f. 4 Eine Ausnahme in dieser Hinsicht stellen die Arbeiten von Simone R oisin zur Literatur im Umkreis brabantischer Zisterzienserklöster dar: L’efflorescence cistercienne et le courant féminin de piété au XIIIe siècle. In: Revue d’histoire ecclésiastique 39 (1943), S. 342-378; L’hagiographie cistercienne dans le diocèse de Liège aux XIIIe siècle. Louvain/ Bruxelles 1947 (Université de Louvain. Recueil de Travaux d’Histoire et de Philologie 3 e série, 27 e fasc.). 5 P almer , Nigel F.: Deutschsprachige Literatur im Zisterzienserorden. Versuch einer Darstellung am Beispiel der ostschwäbischen Zisterzienser- und Zisterzienserinnenliteratur im Umkreis von Kloster Kaisheim im 13. und 14. Jahrhundert. In: Zisterziensisches Schreiben im Mittelalter, S. 231-266. 6 E lm : Mythos oder Realität? Fragestellungen und Ergebnisse der neueren Zisterzienserforschung. In: Zisterzienser. Norm, Kultur, Reform, S. 3-9, hier S. 4. 7 Zur Geschichte des Zisterzienserordens umfassend E berl , Immo: Die Zisterzienser. Geschichte eines europäischen Ordens. Stuttgart 2002. Einen Überblick über die Lebensweise der Zisterzienser bietet K inder , Terryl N.: Die Welt der Zisterzienser. Würzburg 1997. Abstand zur Gründung des Novum Monasterium entstanden. 8 Auch die Abgrenzung einer spezifisch zisterziensischen Spiritualität oder Identität von der der Benediktiner erweist sich als schwierig. Traditionell sah man sie vor allem in der radikalen Umsetzung der Benediktregel begründet, also der strengen monastischen Lebensweise, durch die sich die Zisterzienser insbesondere von Cluny abheben wollten. 9 Doch nicht nur die Abgrenzung von den Benediktinern stellte die Zisterzienser vor Probleme, sondern auch ihr ‹unkanonischer› Ursprung. Brian M c G uire sieht daher ein Charakteristikum der Zisterzienser in den Erzählungen von den Ursprüngen des Ordens. Diese erklärten sich nicht nur aus dem grundsätzlichen Interesse des Mittelalters an aitiologischen Geschichten, sondern auch aus der durchaus problematischen und daher legitimationsbedürftigen Gründungssituation, dem Bruch der stabilitas loci durch den Auszug aus Molesmes. 10 Auch an den Lehren zisterziensischer Autoren, allen voran Bernhards von Clairvaux, hat man versucht, die Identität des Ordens festzumachen. 11 Als Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 343 8 S chneidmüller , Bernd: Zisterziensischer Aufbruch - Anfänge und Ausbreitung eines europäischen Reformordens. In: Buchmalerei der Zisterzienser. Kulturelle Schätze aus sechs Jahrhunderten. Katalog zur Ausstellung «Libri Cistercienses» im Ordensmuseum Abtei Kamp. Hrsg. v. Hiltrud Reinecke. Stuttgart/ Zürich 1998, S. 19-27, hier S. 23; vgl. auch E berl : Die Zisterzienser, S. 43f. und S. 122ff. und K inder : Die Welt der Zisterzienser, S. 15, zu den Anfängen des Ordens bes. S. 23-35. 9 L eclercq , Jean: Die Spiritualität der Zisterzienser. Für ihn sind die Institutionen Generalkapitel und Visitation entscheidend. Außerdem «der mäßigende und belebende Einfluß», der «von der Lehre des hl. Bernhard und seiner Zeitgenossen ausging» (S. 150). Das «Programm der Gründergruppe» lasse sich in die Begriffe «Einsamkeit und Armut» fassen (S. 151). Vgl. auch S chneider , Ambrosius: Die Geistigkeit der Cistercienser. In: Die Cistercienser. Geschichte - Geist - Kunst, S. 113-142; M ikkers , Edmont: La spiritualité cistercienne. In: Dictionnaire de spiritualité, ascétique et mystique 13, 1988, Sp. 738-814. Caroline Walker B ynum untersucht anhand des Vergleichs von Schriften der Zisterzienser, Benediktiner und Regularkanoniker die Charakteristika der zisterziensischen Auffassung von Gemeinschaft. Für sie liegen sie in der Betonung der Gemeinschaft, dem Spannungsverhältnis zwischen Nächstenliebe und der eigenen Erlösung, Emotionalität sowie Lernen durch Beispiel und Erfahrung (Jesus as mother, S. 59-81). 10 M c G uire , Brian Patrick: Gibt es eine spezifische Zisterzienser-Spiritualität? In: Cistercienser Chronik 104 (1997), S. 337-357, hier S. 339; vgl. auch O berste , Jörg: Visitation und Ordensorganisation. Formen sozialer Normierung, Kontrolle und Kommunikation bei den Cisterziensern, Prämonstratensern und Cluniazensern (12. frühes 14. Jahrhundert). Münster 1996 (Vita regularis. Ordnungen und Deutungen religiosen Lebens im Mittelalter 2), S. 57f. 11 Häufig angeführt wird v.a. das folgende Zitat Bernhards: Unser Orden bedeutet Entsagung, Demut, freiwillige Armut, Gehorsam, Friede und Freude im Heiligen Geist. Unser Orden heißt, sich einem Meister zu unterwerfen, einem Abt, einer Regel, einer Disziplin zu gehorchen. Unser Orden verlangt Schweigen, Fasten und Wachen. Unser Orden ist schließlich Übung des Gebets und der Hände Arbeit. V.a. aber besteht er darin, den vornehmsten Weg zu gehen, der da die Barmherzigkeit ist. (Bernhard von Clairvaux: Ep. 142 (S. Bernardi Opera 7). Rom 1974, S. 340, zit. nach L eclercq : Die Spiritualität der Zisterzienser, S. 152). Einen Überblick über die bedeutendsten zisterziensischen Autoren bieten zentral galt der Beitrag der Zisterzienser zur Marien- und Christusfrömmigkeit. Obwohl «die marianischen Schriften insgesamt einen recht bescheidenen Platz» im Werk Bernhards von Clairvaux einnehmen, gilt er dennoch, speziell in der späteren Legendenbildung, als großer Marienverehrer. 12 Allerdings ist im 12. Jahrhundert in den liturgischen Anweisungen der Zisterzienser eine «Intensivierung der Marienverehrung» feststellbar, die jedoch nicht nur ordensspezifische Züge trägt, wie die breite Rezeption der Schriften des Benediktinerabtes Arnold von Bonneval, in denen «erstmals die Vorstellung der Interzession Marias mit aller Deutlichkeit formuliert wird,» zeigt. 13 Einfachheit und Einheitlichkeit gilt für verschiedene Bereiche als ‹typisch› zisterziensisch. Besondere Aufmerksamkeit widmeten die Zisterzienser der Liturgie. Grundlage sollte auch hier die Benediktregel sein. Angestrebt wurde eine möglichst ursprüngliche und für den ganzen Orden einheitliche Form des Gottesdienstes. Die 1147 vom Generalkapitel genehmigten liturgischen Bücher zeichneten sich entsprechend durch besondere Schlichtheit und Vermeidung moderner Elemente aus, die eine «jahrhundertelange Beibehaltung und Identifizierung» der Zisterzienser mit dieser Liturgie ermöglichten. 14 Ebenfalls gewürdigt wurde die besondere Einheitlichkeit und Schlichtheit zisterziensischer Architektur. Diese Einheitlichkeit ist jedoch nicht, wie die ältere Forschung annahm, auf Bauvorschriften des Generalkapitels zurückführbar, sondern ging von den einzelnen Zisterzienserkonventen selbst aus, die sich aus Gründen der Identität und der darin zum Ausdruck kommenden unanimitas (Einmütigkeit) an der Formensprache der burgundischen Mutterklöster 344 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? S chneider : Die Geistigkeit der Cistercienser, S. 113-142 und M ikkers : La spiritualité cistercienne, Sp. 743-762; E berl : Die Zisterzienser, S. 159-180. Zu Bernhard vgl. u.a. den Sammelband Bernhard von Clairvaux. Rezeption und Wirkung im Mittelalter und in der Neuzeit. Hrsg. v. Kaspar Elm. Wiesbaden 1994 (Wolfenbütteler Mittelalter- Studien 6) und die Monographie von Peter D inzelbacher : Bernhard von Clairvaux. Leben und Werk des berühmten Zisterziensers. Darmstadt 1998. 12 P almer : Zisterzienser und ihre Bücher, S. 214; S ignori , Gabriela: «Totius ordinis nostri patrona et advocata»: Maria als Haus- und Ordensheilige der Zisterzienser. In: Maria in der Welt. Marienverehrung im Kontext der Sozialgeschichte 10.- 18. Jahrhundert. Hrsg. v. Claudia Opitz [u.a.]. Zürich 1993 (Clio Lucernensis 2), S. 253-277. Gabriela S ignori kommt zu dem Schluß, daß sich die Zisterzienser erst vergleichsweise spät der Marienverehrung zuwandten und zwar im Zusammenhang mit der Kanonisierung Bernhards von Clairvaux und mit einem Wandel im Selbstverständnis des Ordens (S. 255f. und 265). 13 P almer : Zisterzienser und ihre Bücher, S. 213ff. 14 W einrich , Lorenz: Die Liturgie der Zisterzienser. In: Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, S. 157-164, Zitat S. 162. Ein interessanter Aspekt der liturgischen Reformen des Zisterzienserordens ist ihr ‹textkritischer› Ansatz, der sich um die Rekonstruktion der Ursprungstexte bemühte und von einer Diskussion, wie dies am besten zu erreichen sei, begleitet wurde (E berl : Die Zisterzienser, S. 180-192; P fister , Peter: Liturgie und Klosterbaukunst bei den Zisterziensern. In: Spiritualität und Herrschaft. Konferenzband zu «Zisterzienser - Multimedia - Museen». Hrsg. v. Oliver H. Schmidt, Heike Frenzel u. Dieter Pötschke. Berlin 1998 (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser 5), S. 58-85). orientierten. 15 Auch bei den zisterziensischen Handschriften hat man ihr einfaches und übereinstimmendes Erscheinungsbild hervorgehoben, das jedoch nicht von Anfang an gegeben war, sondern Ergebnis eines Entwicklungsprozesses. 16 «Die Statuten von 1134 und die Beschlüsse der Generalkapitel verhielten sich im Geiste der Gründer ablehnend gegen prunkvolle Handschriften und wissenschaftliche Tätigkeit. […] Im ersten Jahrhundert schrieben und kopierten die Zisterzienser in klarer, schmuckloser Schrift fast nur bibelexegetische, patristische und aszetische Schriften.» Nach Auffassung von Eckart P ankoke hat diese Reduzierung der Ausstattung und die arbeitsteilige Buchproduktion der Zisterzienser zugleich einen Rationalisierungs- und Innovationsschub der Buchherstellung bewirkt. Im 13. Jahrhundert, mit der Öffnung des Ordens für die Studien, änderten sich die Verhältnisse jedoch und selbst die Buchmalerei hielt in vielen Zisterzen Einzug. 17 Die lectio divina hat sich wahrscheinlich nicht wesentlich von der der Benediktiner unterschieden. Sieht man von dem Bestreben ab, «ein neues Gleichgewicht zwischen der Teilnahme am Stundengebet, der geistlichen Lektüre und der Handarbeit herzustellen», fügt sich «die Betonung einer vom individuellen Mönch außerhalb der gemeinschaftlichen Lesungen praktizierten kontemplativen Lesepraxis [...] in eine für das späte 11. und 12. Jahrhundert insgesamt charakteristische Entwicklung monastischer Spiritualität.» 18 Ergänzt wurde dieses Bild durch die eher reservierte Einstellung des Ordens zu wissenschaftlichen Studien, der erst mit Verspätung - als Reaktion auf die Konkurrenz der Bettelorden - eigene Studienhäuser einrichtete. 19 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 345 15 Diese wiederum zitierten und reduzierten bewußt den von Cluny geprägten burgundischen Baustil, um den zisterziensischen Verzicht zu demonstrieren (U ntermann , Matthias: Gebaute unanimitas. Zu den Bauvorschriften der Zisterzienser. In: Zisterzienser. Norm, Kultur, Reform, S. 239-266; vgl. auch B inding , Günther/ U ntermann , Matthias: Kleine Kunstgeschichte der mittelalterlichen Ordensbaukunst in Deutschland. 3., erg. Aufl. Stuttgart 2001, S. 171-274; P fister : Liturgie und Klosterbaukunst bei den Zisterziensern; E berl : Die Zisterzienser, S. 192-212). 16 P ankoke , Eckart: Libri Cistercienses. In: Buchmalerei der Zisterzienser, S. 15-18; H einzer : Maulbronn und die Buchkultur Südwestdeutschlands im 12. und 13. Jahrhundert; P lotzek -W iederhake , Gisela: Buchmalerei in Zisterzienserklöstern. In: Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, S. 357-378. Vgl. auch E berl : Die Zisterzienser, S. 212-219, zur (weitgehend fehlenden) Ordensspezifik von Schrift und Buchmalerei bes. S. 219. 17 B uzás : Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, S. 62. Vgl. auch die Bildtafeln von Buchmalereien aus zisterziensischen Klöstern in: Die Cistercienser. Geschichte - Geist - Kunst, S. 434-466. 18 P almer : Zisterzienser und ihre Bücher, S. 155. Vgl. dazu auch: S pahr , Kolumban: Die lectio divina bei den alten Cisterciensern. Eine Grundlage des cisterciensischen Geisteslebens. In: Analecta Cisterciensia 34 (1978), S. 27-39. 19 Vgl. L ekai , Louis J.: Studien, Studiensystem und Lehrtätigkeit der Zisterzienser. In: Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, S. 165-170; E berl : Die Zisterzienser, S. 222-227; S chneider : Studium und Zisterzienserorden. Reinhard S chneider weist darauf hin, daß Überlieferung und Forschungslage der einzelnen Die Besonderheit der Zisterzienser hat man auch in ihrer für andere Orden vorbildlich gewordenen Organisation zu fassen gesucht, vor allem in den zentralen Organen Generalkapitel und Direktorium sowie dem Filiations- und Visitationssystem. 20 Ihre Wirtschaftsweise war gekennzeichnet durch das Konverseninstitut und die dadurch mögliche Grangienwirtschaft. 21 Allerdings ist auch hier «das aus der älteren Forschung tradierte vermeintlich einheitliche Bild zisterziensischer Lebensweise und Wirtschaftspraxis im Hoch- und Spätmittelalter» revidiert worden. 22 Eine wichtige Ergänzung des Bildes vom Zisterzienserorden stellten auch die Ergebnisse der Konversenforschung dar. Diese stammten keineswegs nur aus den unteren Schichten, sondern waren ganz unterschiedlicher sozialer Herkunft. Entsprechend groß war auch die Spannbreite an durchaus qualifizierten Tätigkeiten, die v.a. im Bereich der Erwerbspolitik der Klöster angesiedelt waren; selbst in Rechtsgeschäften konnten sie das Kloster vertreten. 23 Dieser kurze Einblick in die Bereiche der Forschung, die gemeinhin als kennzeichnend für die Zisterzienser gelten, kann nur andeuten, wie sehr das Bild des Ordens sowohl in struktureller als auch in historischer Perspektive differenziert worden ist. Betrachtet man nun die Frauenklöster, so kommt zu dieser grundsätzlichen Unschärfe in der Bestimmung der zisterziensischen Ordensspezifik erschwerend hinzu, daß ihr Verhältnis zum Orden, abhängig von der Inkorporationsfrage, unterschiedlicher Natur sein konnte und daß in der Forschung noch immer um die Position des Ordens in dieser Frage gerungen wird. 24 Der Einfluß der Ordenszugehörigkeit, wenn sie denn überhaupt bestand, wurde bei den Frauenkonventen überlagert durch Einflüsse von Bischöfen, 346 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? Zisterzen zu diesem Thema stark differieren. Auch sind «direkte Bezüge des Ordens selbst zu Studium und Universitäten vor der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in der Überlieferung nicht erkennbar», obwohl «es in dieser Zeit eine Reihe studierter Zisterzienser und hochberühmter Gelehrter gab». Bei den Zisterziensern des 12. Jahrhunderts müsse man eher von einer «spezifisch monastischen Gelehrsamkeit» sprechen (S. 322f.). Die Einrichtung des St. Bernhardskollegs in Paris und damit die Öffnung des Ordens zum Studium erfolgte unter Stephan Lexington, der 1243 zum Abt von Clairvaux gewählt worden war, die Kritik daran hielt jedoch bis in die Neuzeit hinein an. In der Folgezeit kam es zu einer Reihe weiterer Gründungen von Studienhäusern, häufig in Universitätsstädten, wobei die Initiative nicht selten von den Landesherren ausging. In Abhängigkeit von der jeweiligen Größe sollte jede Zisterze mindestens einen Mönch in das nächstgelegene Studienhaus bzw. ein bis zwei Mönche nach Paris schicken. Vgl. auch D ers .: Sprachprobleme in zisterziensischen Studienhäusern. In: Vita Religiosa im Mittelalter, S. 217-225. 20 O berste : Visitation und Ordensorganisation. 21 E berl : Die Zisterzienser, S. 227-255; T oepfer , Michael: Die Konversen der Zisterzienser. Untersuchungen über ihren Beitrag zur mittelalterlichen Blüte des Ordens. Berlin 1983 (Berliner historische Studien 10: Ordensstudien 4). 22 S chenk : Süddeutsche Kulturlandschaften unter zisterziensischem Einfluß, S. 211f. 23 T oepfer : Die Konversen der Zisterzienser (zusammenfassend S. 180-189). 24 Vgl. dazu auch Kap. 6.4. Städten, Stiftern oder Reformern. 25 Deutlich werden solche (regionalen) Einflüsse etwa bei den Lüneburger Frauenklöstern, die - unabhängig davon, ob sie Benediktinerinnen oder Zisterzienserinnen waren - in ihrer Organisation, sozialen Zusammensetzung, Architektur und Kultur deutliche Parallelen aufweisen. Dazu kommt, daß die Ordensunterschiede bei den Frauenklöster durch die Verpflichtung auf die strengere Klausur, durch das Angewiesensein auf die nicht selten vom Weltklerus ausgeübte cura monialium sowie vergleichbare organisatorische Strukturen ohnehin weniger ausgeprägt waren. 26 Für Abweichungen von den Männerzisterzen wird außerdem der historisch andere Ursprung der Frauenklöster geltend gemacht: Sie seien nicht wie diese als «Gegenbewegung» zu den Benediktinern bzw. Benediktinerinnen entstanden, sondern aus dem Kontext der «religiösen Frauenbewegung des 12. und 13. Jhs.» 27 Auch durch diesen Ansatz rücken eher Gemeinsamkeiten mit anderen Frauenklöstern in den Blick als ordensspezifische Unterschiede. Es ist also fraglich, inwiefern überhaupt bei den Frauenklöstern der Zisterzienser eine ordensspezifische Ausrichtung festzustellen ist und inwieweit inkorporierte und nichtinkorporierte Konvente diesbezüglich vergleichbar sind. 28 Nicht selten wurde diese Frage bei der Untersuchung der Klöster gar nicht erst gestellt. Allerdings zeichnet sich in der neueren Forschung, wie mir scheint, eine Tendenz ab, den Frauenkonventen nicht nur größere Aufmerksamkeit zu widmen, sondern im Hinblick auf verschiedenste Bereiche - angefangen von der grundlegenden Frage der Ordenszugehörigkeit 29 bis hin zu den Aspekten Architek- Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 347 25 Vgl. Cornelia O efelein : «Im Vergleich zu den Männerklöstern geben die Frauenklöster der verschiedenen religiösen Orden in der Tat ein weniger homogenes Gesamtbild ab. Die einzelnen Frauenkonvente waren eher gezwungen, sich den sie unmittelbar umgebenden, regionalen und gar örtlichen Rahmenbedingungen unterzuordnen, sie mußten sich häufiger gesellschaftlichem Druck beugen, waren häufiger der äußeren Einflußnahme von kirchlichen und weltlichen Kräften aller Art ausgesetzt. Das hatte zur Folge, daß bestimmte ordensspezifische Schwerpunkte bzw. Ideale sich in den Frauengemeinschaften auf Dauer nicht mit aller Konsequenz verwirklichen ließen, sei es die Selbstversorgung durch eigene Feldarbeit der Zisterzienser, das Wandern und Betteln der Franziskaner oder die Predigttätigkeit der Dominikaner.» Als Hauptgrund dafür gelten die strengeren Klausurvorschriften, die wiederum aus dem Jungfräulichkeitsideal resultierten (Moniales grisei ordinis, S. 34f.). 26 D egler -S pengler : «Zahlreich wie die Sterne des Himmels», S. 49. Allerdings gilt das m.E. stärker für die Bettelorden, da den Frauen eine den Mönchen vergleichbare Lebensform untersagt wurde. Die Zisterzienser hielten dagegen im Prinzip am monastischen Leben benediktinischer Prägung fest, das auch für Frauen praktizierbar war. Die Unterschiede lagen hier v.a. in einer Abschwächung der geforderten Askese und der Verpflichtung auf eine strengere Einhaltung der Klausur. 27 W ienand : Die Cistercienserinnen, S. 317f. 28 Vgl. A hlers : Weibliches Zisterziensertum im Mittelalter und seine Klöster in Niedersachsen, S. 101. 29 Vgl. Kap. 6.4. June L. M echam fordert, den Zusammenhang von (weiblicher) Spiritualität und Kunst stärker unter regionalen und ordensspezifischen Gesichtspunkten zu untersuchen, um gemeinsame und trennende Merkmale herauszuarbeiten (Breaking Old Habits: tur und Kunstgeschichte - den Sonderstatus nicht nur zu hinterfragen, sondern auch Übereinstimmungen mit dem Orden herauszuarbeiten und zwar auch für die nichtinkorporierten Klöster. 30 Solche Ansätze regen dazu an, auch im Bereich der Literatur nach derartigen Affinitäten zu fragen. Diese veränderte Perspektive hängt mit der beschriebenen Neuorientierung der Zisterzienserforschung zusammen, die nicht mehr nur die «Uniformierung» als entscheidendes Merkmal der Ordensorganisation ansieht, sondern sich Phänomenen der Diversifizierung zuwendet, 31 denn die Verhältnisse in den Frauenklöstern erscheinen weniger ‹abweichend›, wenn sie mit der sich wandelnden Lebenswirklichkeit der Männerklöster und nicht nur mit den ursprünglichen Ordensidealen verglichen werden. 32 Allerdings ist eine stärker komparatistisch ausgerichtete Untersuchung von Frauen- und Männerzisterzen weniger aus- 348 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? Recent Research on Women, Spirituality, and the Arts in the Middle Ages. In: History Compass 4/ 3 (2006), S. 448-480, hier S. 469). 30 Margit M ersch wendet sich gegen die Meinung, die Bauformen der Zisterzienserinnenklöster seien nicht vom Orden beeinflußt und resümiert aufgrund ihrer Untersuchung von Brenkhausen, das als eine der wenigen deutschen Frauenzisterzen Kirche und Ostflügel aus dem 13. Jahrhundert bewahrt hat: «Die Prägnanz und überhaupt die Entstehung einer einheitlich wirkenden Zisterzienserarchitektur war nicht das Werk des Ordenszentrums und seiner Vorschriften. Vielmehr ging diese Entwicklung von einzelnen Klöstern aus, denen eine Beschränkung auf schlichte Funktionalität nicht genügte, die von sich aus nach der gemeinsamen architektonischen Form, einem sichtbaren Ausdruck von Ordenszugehörigkeit und Ordensideal suchten. […] Auch Frauenklöster (und ihre Stifter), die in den Orden aufgenommen werden wollten, hatten offenbar diese Ambitionen. Sie hätten und haben auch anders bauen können, das Generalkapitel ließ nachweislich unterschiedliche Kirchenbauten zu. Aber zumindest einige Konvente, wie z.B. der von Brenkhausen, wählten eine weit über die Anforderungen des Generalkapitels hinausgehende Anpassung an die mönchischen Bauformen und Raumprogramme. Dabei ging es nicht vordringlich um Funktionalität, sondern um Identität.» (Gehäuse der Frömmigkeit - Zuhause der Nonnen, S. 101); vgl. auch W arnatsch -G leich : Herrschaft und Frömmigkeit, zusammenfassend S. 234-237. Ihr zufolge bezogen sich die großen repräsentativen Zisterzienserinnenklöster des 12. und 13. Jahrhunderts in ihrer Architektur auf die Kanonissenstifte, während sich die späteren deutlicher an der Architektur des Ordens, d.h. der Männerklöster, orientierten (S. 237). Letzteres trifft auch auf das Mutterhaus Helftas in Halberstadt zu. Die Helftaer Kirche war eine ‹typische› Nonnenkirche, nämlich eine rechteckige Saalkirche mit gerade Ostwand, wie andere Zisterzienserinnenkirchen war sie allerdings sehr lang und schmal (46m lang, 15m breit) (O efelein : Grundlagen zur Baugeschichte des Klosters Helfta, S. 26f.). Dies läßt sich auch am Neubau der Helftaer Kirche erkennen, der die Überreste des mittelalterlichen Baus einbezieht (vgl. Abb. 33). J. Hermann H elfta hebt die äußerst schlichte, aber von hohem Gestaltungsvermögen gekennzeichnete Architektur Helftas hervor, die die Nonnen selbst - ohne Bauhütte und Baumeister - verantwortet hätten (Kloster Helfta, S. 10). 31 E lm : Mythos oder Realität, S. 5f. 32 Vgl. dazu auch die Einleitung von Constance H. B erman , in der sie das Verhältnis der Zisterzienser(forschung) zu den Nonnen kritisch kommentiert (Women and monasticism in medieval Europe. Sisters and patrons of the Cistercian Reform. Selected, transl. and with an introd. by Constance H. Berman. Kalamazoo 2002, S. 1-14). geprägt, als man vermuten sollte. In Monographien und Sammelbänden zu den Zisterziensern wird der weibliche Ordenszweig in der Regel nicht grundsätzlich in die Untersuchungen einbezogen, sondern mit einem eigenen Kapitel bzw. Aufsatz bedacht. In den Studien, die sich den Zisterzienserinnen widmen, spielen wiederum die Verhältnisse in den Männerklöstern höchstens eine untergeordnete Rolle. In der gesamten Diskussion um die Inkorporation von Frauenklöstern ist mir beispielsweise keine Arbeit begegnet, die das Aufnahmeverfahren eines Männerklosters in den Orden vergleichend heranzieht. Vereinzelte Hinweise, wie das 1152 vom Generalkapitel erlassene Verbot weiterer Gründungen oder Fälle von abgelehnten Männerklöstern, lassen erahnen, daß es auch hier Regeln und Beschränkungen gab. 33 Hinsichtlich der Diskussion um das Verhältnis der jeweiligen Konvente zum Orden wird vielleicht zu wenig unterschieden zwischen deren Selbstverständnis, der Perspektive des Ordens und den rückblickenden Differenzierungen der Forschung. Zumindest in der Anfangszeit genügte es wahrscheinlich, daß der Gründungskonvent aus einem bestehenden Zisterzienserinnenkloster kam, die Zisterzienserregel befolgte und den Zisterzienserhabit trug, um als Zisterzienserkloster wahrgenommen zu werden. 34 Die Kontakte zum Orden liefen in erster Linie über Beziehungen zu benachbarten zisterziensischen Männer- Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 349 33 Offensichtlich mußten auch Männerklöster ihre Aufnahme beim Generalkapitel beantragen und auch bei ihnen war in der Anfangszeit die Exemtion aus der Diözesangewalt, die bei den Frauenklöstern als Voraussetzung für die Inkorporation gilt, nicht selbstverständlich. Auf die (noch unzureichend erforschte) unterschiedliche Darstellung des Verhältnisses zum Bischof bei Frauenklöstern und Männerklöstern weist auch Immo E berl hin (Die Frauenzisterzen des Zisterzienserordens, S. 54). Zur Exemtion vgl. O berste : Visitation und Ordensorganisation, S. 61-63. J. G ottschalk zitiert einen entsprechenden Antrag Bolkos I. von Schweidnitz für das von ihm gegründete Kloster Grüssau, in dem dafür das Verb incorporare verwendet wird (Can. III, S. 257, Nr. 50, zit. nach G ottschalk : Kloster Helfta und Schlesien, S. 78, Anm. 27). Aufschlußreich sind auch Gerhard B. W inkler s Ausführungen zu Joachim von Fiore, Abt von Corazzo in Calabrien. Dieser hatte sich um Anschluß seines Klosters an den Zisterzienserorden bemüht, war aber wegen wirtschaftlicher und personeller Schwäche von den Zisterzienserklöstern Sambucina und Casamari nicht in die Filiation aufgenommen worden, erst später gelang die Aufnahme durch die Zisterze Fossanova (Die Ausbreitung des Zisterzienserordens im 12. und 13. Jahrhundert. In: Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, S. 87-92, hier S. 92). Auch die Beziehungen zum Orden werden nicht verglichen, obwohl von schlecht besuchten Generalkapiteln, die auf eine Distanzierung hindeuten, berichtet wird (ebd., S. 91; E lm : Mythos oder Realität, S. 6). 34 Indizien dafür können die jeweiligen Selbstbezeichnungen liefern, die sich im Laufe der Geschichte der Klöster auch wandelten. Vgl. dazu P almer : Deutschsprachige Literatur im Zisterzienserorden, S. 242. Im oben formulierten Sinne äußert sich auch Alberich Martin A ltermatt : «Es gab einst um die 800 Z[isterzienserinnen].-Klöster, wobei wegen der versch. Anschlußformen oft nicht leicht festzustellen ist, wieweit sie tatsächlich ‹pleno iure› in den OCist inkorporiert waren. Jedenfalls übernahmen sie alle die Lebensweise u. den Geist der Zisterzienser u. bildeten den einen OCist» (Zisterzienserinnen. In: LThK 10, 2001, Sp. 1470f.). und Frauenkonventen; das galt für inkorporierte wie für nichtinkorporierte Klöster gleichermaßen. 35 Erst als das Generalkapitel zur entscheidenden Instanz wurde, eindeutige Aufnahmebedingungen formulierte und Aufnahmeverbote aussprach, wuchs wahrscheinlich auch bei den betroffenen Klöstern ein Bewußtsein ihres eigenen Status. 36 Inwieweit die Klöster dennoch an der zisterziensischen Lebensform, Spiritualität, Literatur, Architektur etc. partizipierten, darüber sagte eine nicht erfolgte Inkorporation noch nichts aus, wenngleich der Freiraum größer gewesen sein dürfte als bei inkorporierten Klöstern. 37 Cornelia O efelein plädiert daher für «eine erweiterte Definition des Begriffs ‹zisterziensisch› in Bezug auf die Frauenklöster [...], um den zum Teil sehr spezifischen Problemen der Frauenklöster gerecht zu werden.» 38 Inwiefern die Ordenszugehörigkeit im Hinblick auf Spiritualität und Literatur eines Klosters ein ebenso zentraler wie strittiger Punkt ist, läßt sich besonders am Beispiel Helftas ablesen. 39 Galt der Konvent in der älteren Forschung zu- 350 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 35 Zur rechtlichen Stellung der nichtinkorporierten Zisterzienserinnen vgl. A hlers : Weibliches Zisterziensertum im Mittelalter und seine Klöster in Niedersachsen, S. 95-104. 36 Vgl. zur Rolle des Generalkapitels O efelein : Moniales grisei ordinis, S. 39: «In der Forschungsdiskussion wird in diesem Zusammenhang häufig übersehen, daß das Generalkapitel der Zisterzienser erst um die Wende zum 13. Jahrhundert begann, zu einer zentralen gesetzgeberischen Instanz zu werden und sich als solche gegenüber Äbten, Bischöfen und Päpsten durchzusetzen. Erst nachdem die Institutionalisierung und Zentralisierung der Ordensorganisation weiter ausgebildet waren, wurde es möglich, ein rechtlich geordnetes Inkorporationsverfahren für die Frauenkonvente zu entwickeln.» Vgl. auch E berl : Die Zisterzienser, S. 144. 37 Wichtiges Beispiel dafür ist Helfta (K uhn -R ehfus : Zisterzienserinnen in Deutschland, S. 131f.). Sowohl Anja O strowitzki (Die Ausbreitung der Zisterzienserinnen, S. 178) als auch Gerd A hlers (Weibliches Zisterziensertum in Niedersachsen, bes. S. 101) kommen zu dem Schluß, daß die inkorporierten und nichtinkorporierten Klöster, sofern ihre zisterziensische Lebensweise offiziell anerkannt war, als Zisterzienserklöster galten und sich in ihrem monastischen Alltag nicht grundlegend unterschieden. 38 O efelein : Moniales grisei ordinis, S. 41f. 39 Zur Geschichte Helftas siehe v.a. G ottschalk : Kloster Helfta und Schlesien; G rössler , Hermann: Die Blütezeit des Klosters Helfta bei Eisleben. In: Jahres-Bericht über das Königliche Gymnasium zu Eisleben von Ostern 1886 bis Ostern 1887. Eisleben 1887, S. 1-38; S pitzlei , Sabine B.: Erfahrungsraum Herz. Zur Mystik des Zisterzienserinnenklosters Helfta im 13. Jahrhundert. Stuttgart-Bad Cannstatt 1991 (Mystik in Geschichte und Gegenwart. Abteilung 1: Christliche Mystik 9), S. 19-43; A nkermann , Maren: Gertrud die Große von Helfta. Eine Studie zum Spannungsverhältnis von religiöser Erfahrung und literarischer Gestaltung in mystischen Werken. Göppingen 1997 (GAG 640), S. 23-37. Als Quellen werden hier das Urkundenbuch der Grafschaft Mansfeld (meist Abschriften), das Copialbuch des Klosters Helfta, ein Brief der Äbtissin Sophia von Stolberg, in dem sie dem Jacobskloster zu Halberstadt die Klostergeschichte berichtet, die Quernfurtische Chronica (1590), die Sächsische Chronica (1585) sowie die «Dokumente» im Anhang des zweiten Bands der ‹Revelationes Gertrudianae ac Mechtildianae› genannt (ebd., S. 23); B angert , Michael: Demut in Freiheit. Studien zur geistlichen Lehre im Werk Gertruds von Helfta. Würzburg 1997 (Studien zur systematischen und spirituellen Theologie 21), S. 22-38; O efelein , Cornelia: Grundlagen zur Baugeschichte des Klosters nächst als Benediktinerinnenkloster, ist es heute weitgehend Konsens, daß er zumindest im 13. Jahrhundert nach den Konstitutionen von Cîteaux lebte. 40 Einig ist man sich allerdings auch, daß wohl keine Inkorporation erfolgte. Anders als bei Wienhausen gibt es keine Hinweise darauf, daß etwa die Stifter die Inkorporation mit Hilfe der Kurie durchzusetzen suchten. 41 Im Falle Helftas mag man darin allerdings keinen Nachteil sehen, im Gegenteil habe das Kloster dadurch «größere Freiheit und Autonomie in der Gestaltung seines religiösen Lebens, das wohl auf einer Kombination der benediktinisch beeinflußten Regel und Liturgie und der zisterziensischen, auf Kontemplation ausgerichteten Frömmigkeit beruhte», erhalten. 42 Obwohl konkrete Hinweise auf entsprechende Verbindungen mehr als spärlich sind, glaubt man, daß die Seelsorge von Dominikanern übernommen worden sei. 43 Angenommen wird eine geistliche Leitung durch die Dominikaner von Halle und Magdeburg, «durch die den Nonnen scholastisches Gedankengut vermittelt wurde.» 44 Susanne B ürkle Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 351 Helfta. In: «Vor dir steht die leere Schale meiner Sehnsucht». Die Mystik der Frauen von Helfta, S. 12-28; R üttgardt , Antje: Zwischen Reform und Reformation: Das Jungfrauenkloster Neu-Helfta bis 1525. In: Bete und Arbeite! Zisterzienser in der Grafschaft Mansfeld, S. 199-215. 40 «In den Urkunden erscheint das Kloster meist mit seinem Namen, selten wird seine Ordenszugehörigkeit genannt. Geschieht letzteres, überwiegen im 13. Jh. die Bezeichnungen als Zisterzienserinnen-Kloster. Im 14., 15. und 16. Jahrhundert geben die wenigen Urkunden, die eine Ordenszugehörigkeit erwähnen, Helfta als Benediktiner-Kloster an.» (A nkermann : Gertrud die Große von Helfta, S. 33); einen knappen Forschungsüberblick zur Ordenszugehörigkeit Helftas bietet B angert : Demut in Freiheit, S. 22-27; vgl. auch D ers .: Die sozio-kulturelle Situation des Klosters St. Maria in Helfta. In: «Vor dir steht die leere Schale meiner Sehnsucht». Die Mystik der Frauen von Helfta, S. 29-47; D ombi , Markus: Waren die hll. Gertrud und Mechtild Benediktinerinnen oder Cistercienserinnen? In: Cistercienser Chronik 25 (1913), S. 257-268; G ottschalk : Kloster Helfta und Schlesien, S. 65f.; R üttgardt : Zwischen Reform und Reformation, S. 200; S pitzlei : Erfahrungsraum Herz, S. 33. Johanna L anczkowski hält, ohne stichhaltige Begründung, daran fest, daß Helfta ein Benediktinerinnenkloster gewesen sei (Einige Überlegungen zu Mechthilde von Magdeburg, Mechthilde von Hackeborn und Gertrud der Großen von Helfta. In: Erbe und Auftrag. Benediktinische Monatsschrift 63 (1987), S. 424-440). 41 Das Beispiel Wienhausen zeigt jedoch auch, daß politische Gründe hinter einem solchen Antrag stehen konnten (vgl. S. 219f. und 226). 42 A nkermann : Gertrud die Große von Helfta, S. 34. Vgl. dazu H ucker : Stauferzeitliche Zisterziensergründungen und Stiftergräber, S. 305. Er vermutet, daß die Stifter nichtinkorporierte Frauenklöster u.a. deshalb bevorzugt haben könnten, weil die Beisetzung in Memorialbauten innerhalb der Kirche, die den Ordensvorschriften widersprach, dort kein Problem darstellte. 43 Auch franziskanischer Einfluß auf ihr Werk wurde untersucht, vgl. L ampen , Willibrordus: De spiritu S. Francisci in operibus S. Gertrudis Magnae. In: Archivum Franciscanum Historicum 19 (1926), S. 17-28 (zit. nach A nkermann : Gertrud die Große, S. 20 und 267). 44 Vgl. dazu auch G ottschalk : Kloster Helfta und Schlesien, S. 66. Kritisch dazu u.a. P almer : Deutschsprachige Literatur im Zisterzienserorden, S. 253f.: «Die in der Literatur vielfach wiederholte Behauptung, dass die Seelsorge in Helfta von Dominikanern wahrgehat jedoch in ihrer Arbeit zur frauenmystischen Literatur der Dominikanerinnen anhand historischer Quellen gezeigt, daß die cura monialium selbst der inkorporierten Klöster dieses Ordens kaum so eng gewesen sein kann, wie die Texte bzw. die Forschung suggerieren. Insbesondere in ländlich gelegenen Konventen wie Töss wurde die Seelsorge an Weltgeistliche übertragen. 45 Unter diesen Umständen erscheint es grundsätzlich fraglich, daß die Dominikaner für ein Frauenkloster, das nicht ihrem Orden angehörte, irgendeine Form nennenswerter «geistlicher Leitung» übernommen haben könnten. Ein weiteres Indiz für Kontakte zum Predigerorden sieht man in der ‹Begine› Mechthild von Magdeburg, die in fortgeschrittenem Alter in das Kloster eingetreten sei und dort das Fließende Licht der Gottheit vollendet habe. 46 Aber auch Mecht- 352 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? nommen wurde, findet in den Quellen keinen Anhaltspunkt. Vielmehr hat man anzunehmen, dass das Kloster Helfta vielfältige Beziehungen zu Zisterziensern (u.a. zu Sittichenbach), Benediktinern, zum Deutschen Orden, zu Dominikanern und zu Franziskanern unterhielt, wobei unklar bleibt, in welchem Maße Weltpriester an der Seelsorge beteiligt waren»; ebenso S pitzlei : Erfahrungsraum Herz, S. 33-36; vgl. auch P eters : Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 127f.; zu einer möglichen Betreuung Neu- Helftas durch die Bettelorden vgl. R üttgardt : Zwischen Reform und Reformation, Anm. 80. 45 B ürkle : Literatur im Kloster, S. 72-104. 46 Zu Mechthild von Magdeburg liegt inzwischen eine umfangreiche Zahl von Studien vor. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier genannt: A nkermann , Maren: Spielarten erlebnismystischer Texte. Mechthild von Magdeburg: «Das fließende Licht der Gottheit» - Gertrud die Große von Helfta: «Legatus divinae pietatis». In: Europäische Mystik vom Hochmittelalter zum Barock, S. 119-138; B ynum : Jesus as Mother, S. 228-247; G rubmüller , Klaus: Sprechen und Schreiben. Das Beispiel Mechthild von Magdeburg. In: Festschrift Walter Haug u. Burghart Wachinger. Hrsg. v. Johannes Janota [u.a.]. Bd. 1. Tübingen 1992, S. 335-348; G sell , Monika/ S tockmar , René: Lektüre einer Einleitung. Mechthild von Magdeburg, Das fließende Licht der Gottheit I,1. In: Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik 35 (1992), S. 127-148; H aas , Alois M.: Mechthild von Magdeburg - Dichtung und Mystik. In: Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik 2 (1979), S. 105-156; D ers .: Die Struktur mystischer Erfahrung nach Mechthild von Magdeburg. In: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 22 (1975), S. 3-34 [Wieder in: Ders.: Sermo mysticus. Studien zu Theologie und Sprache der deutschen Mystik. Freiburg/ Schweiz 1979, S. 104-135]; H asebrink , Burkhard: ‹Das fließende Licht der Gottheit› Mechthilds von Magdeburg. Eine Skizze. In: Bete und Arbeite! Zisterzienser in der Grafschaft Mansfeld, S. 149-159; D ers .: Spiegel und Spiegelung im ‹Fließenden Licht der Gottheit›. In: Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Fischingen 1998. Hrsg. v. Walter Haug u. Wolfram Schneider-Lastin. Tübingen 2000, S. 157-174; H aug , Walter: Das Gespräch mit dem unvergleichlichen Partner. Der mystische Dialog bei Mechthild von Magdeburg als Paradigma für eine personale Gesprächskultur. In: Ders.: Brechungen auf dem Weg zur Individualität. Kleine Schriften zur Literatur des Mittelalters. Tübingen 1997, S. 550-578; D ers. : Gotteserfahrung und Du-Begegnung. Korrespondenzen in der Geschichte der Mystik und der Liebeslyrik. In: Geistliches in weltlicher und Weltliches in geistlicher Literatur des Mittelalters. Hrsg. v. Christoph Huber, Burghart Wachinger u. Hans-Joachim Ziegeler. Tübingen 2000, hilds eigene Verbindungen zu den Dominikanern sind nicht unumstritten - wenngleich der Orden und sein Gründer im Text mehrfach thematisiert werden -, weil sie erst in der späteren Überlieferung konkretisiert werden. 47 Allerdings lassen sich auch die Verbindungen zu den Zisterziensern kaum genauer fassen. Ähnlich wie bei Wienhausen sind gewisse Kontakte zum benachbarten Zisterzienserkloster Sittichenbach belegt, intensivere Beziehungen zum Zisterzienserorden sind aber zumindest nicht nachweisbar. 48 Am plausi- Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 353 S. 195-212; H eimbach , Marianne: «Der ungelehrte Mund» als Autorität. Mystische Erfahrung als Quelle kirchlich-prophetischer Rede im Werk Mechthilds von Magdeburg. Stuttgart-Bad Cannstatt 1989 (Mystik in Geschichte und Gegenwart. Abteilung 1: Christliche Mystik 6); H eimbach -S teins , Marianne: Gottes und des Menschen «heimlichkeit». Zu einem Zentralbegriff der mystischen Theologie Mechthilds von Magdeburg. In: Contemplata aliis tradere. Studien zum Verhältnis von Literatur und Spiritualität. Festschrift für Alois M. Haas zum 60. Geburtstag. Hrsg. v. Claudia Brinker [u.a.]. Bern [u.a.] 1995, S. 71-86; K asten , Ingrid: Formen des Narrativen in Mechthilds Fließendem Licht der Gottheit. In: Contemplata aliis tradere. Studien zum Verhältnis von Literatur und Spiritualität, S. 1-18; K öbele , Susanne: Bilder der unbegriffenen Wahrheit. Zur Struktur mystischer Rede im Spannungsfeld von Latein und Volkssprache. Tübingen/ Basel 1993 (Bibliotheca Germanica 30), S. 33-40 und 71-96; D ies .: heilicheit durchbrechen. Grenzfälle von Heiligkeit in der mittelalterlichen Mystik. In: Sakralität zwischen Antike und Neuzeit. Hrsg. v. Berndt Hamm, Klaus Herbers u. Heidrun Stein-Kecks. Stuttgart 2007 (Beiträge zur Hagiographie 6), S. 147-169; M argetts , John: Latein und Volkssprache bei Mechthild von Magdeburg. In: Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik 12 (1977), S. 119-136; N eumann , Hans: Beiträge zur Textgeschichte des «Fließenden Lichts der Gottheit» und zur Lebensgeschichte Mechthilds von Magdeburg [1954]. In: Altdeutsche und altniederländische Mystik. Hrsg. v. Kurt Ruh. Darmstadt 1964 (Wege der Forschung 23), S. 175-239; O rtmann , Christa: Das Buch der Minne. Methodologischer Versuch zur deutsch-lateinischen Gegebenheit des ‹Fließenden Lichts der Gottheit› Mechthilds von Magdeburg. In: Grundlagen des Verstehens mittelalterlicher Literatur. Literarische Texte und ihr historischer Erkenntniswert. Hrsg. v. Gerhard Hahn u. Hedda Ragotzky. Stuttgart 1992, S. 158-186; P almer , Nigel F.: Das Buch als Bedeutungsträger bei Mechthild von Magdeburg. In: Bildhafte Rede in Mittelalter und früher Neuzeit. Probleme ihrer Legitimation und ihrer Funktion. Hrsg. v. Wolfgang Harms u. Klaus Speckenbach in Verbindung mit Herfried Vögel. Tübingen 1992, S. 217-235; P eters : Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 53-67 und 116-129; P oor , Sara S.: Gender und Autorität in der Konstruktion einer schriftlichen Tradition. In: Autorität der/ in Sprache, Literatur, Neuen Medien. Vorträge des Bonner Germanistentages 1997. Bd. 2. Hrsg. v. Jürgen Fohrmann, Ingrid Kasten u. Eva Neuland. Bielefeld 1999, S. 532-552; S chmidt , Margot: Mechthilde de Magdebourg. In: Dictionnaire de spiritualité, ascétique et mystique 10, 1980, Sp. 877-885; S eelhorst , Jörg: Autoreferentialität und Transformation. Zur Funktion mystischen Sprechens bei Mechthild von Magdeburg, Meister Eckhart und Heinrich Seuse. Tübingen 2003 (Bibliotheca Germanica 46), S. 83-149; V ollmann - P rofe , Gisela: Mechthild - auch «in Werktagskleidern». Zu berühmten und weniger berühmten Abschnitten des «Fließenden Lichts der Gottheit». In: ZfdPh 113 (1994), S. 144-158. 47 Vgl. dazu P eters : Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 125. 48 Kloster Sittichenbach pflegte ebenfalls Beziehungen zu den Grafen von Mansfeld und unterhielt im 13. Jahrhundert eine angesehene Klosterschule (vgl. W artenberg , Günther: belsten erscheint daher in beiden Klöstern, daß Weltgeistliche für die Lesung der Messe und das Hören der Beichte verantwortlich waren. In Wienhausen wird dies bereits durch den Anschluß an die vorhandene Archidiakonatskirche nahegelegt. 49 Die Verbindungen zu anderen Zisterzienserklöstern konnten auch über familiäre Kontakte laufen, die gerade durch die bereits beschriebene Häufung von Gründungen in bestimmten Adelsfamilien begünstigt worden sein könnten. 50 Der Bruder von Gertrud und Mechthild von Hakeborn, Ludwig I., war beispielsweise mit einer Frau aus der schlesischen Piastenfamilie verheiratet, deren Schwester Äbtissin von Trebnitz war, das vor allem durch seine Stifterin, die schlesische Herzogin und 1267 kanonisierte Hedwig und die Ende des 13. Jahrhunderts entstandene bedeutende Vita maior St. Hedwigis bekannt ist. 51 Michael B angert faßt die Situation für Helfta treffend so zusammen, daß man eher von einer «klostereigenen Spiritualität» ausgehen müsse, «die sich zisterziensisch verstand, aber eine große Variationsbreite vorweist und vielfältige Einflüsse zuließ und nutzte.» 52 Im inkorporierten Lichtenthal wird insbesondere in der Anfangszeit und erneut in der Reformzeit zisterziensischer Einfluß in Form von Paternitätsabteien, Beichtvätern, Textausstattung und dem Reformbeschluß als solchem sichtbar. Schon die an Cîteaux angelehnte Namensgebung und die Wahl der Patronin Maria belegen die eindeutige Ausrichtung auf den Orden. Die Überlieferung der Ordensregeln sowie der Normaltexte der Zisterzienserliturgie dokumentiert, daß - wenn auch mit Abweichungen - die zisterziensischen Gepflogenheiten das Leben in Lichtenthal über Jahrhunderte bestimmt haben. Andere nachweislich inkorporierte Frauenklöster weisen ebenfalls diese Merkmale auf. Allerdings sahen auch in Wienhausen die Reformbestimmungen vor, daß die Zisterzienserliturgie (wieder? ) eingeführt werden sollte. Außerdem wurde die Äbtissin des erst im Zuge der Reform zur Zisterzienserobservanz übergegangenen Klosters Derneburg hinzugezogen, 1489 leistete Wienhausen 354 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? Die Mansfelder Grafen und die Klöster im Mansfelder Land. In: Bete und Arbeite! Zisterzienser in der Grafschaft Mansfeld, S. 59-71, hier S. 65; L aabs , Annegret: Das Jahrgedächtnis für Burkhard VII. von Mansfeld, S. 73; R üttgardt : Zwischen Reform und Reformation, S. 200). Der ehemalige Abt von Sittichenbach, Johann, wird in einer Helfta betreffenden Urkunde vom 15. Juni 1300 nach Albert von Hakeborn und Burchard von Mansfeld als Schiedsrichter genannt (D ombi : Waren die hll. Gertrud und Mechtild Benediktinerinnen oder Cistercienserinnen, S. 261), auch Cornelia O efelein erwähnt urkundlich belegbare Kontakte zu diesem Kloster (Grundlagen zur Baugeschichte des Klosters Helfta, S. 21). 49 Vgl. S. 195f. In Helfta existierten vor dem Bau der Klosterkirche bereits drei Gotteshäuser (H elfta : Kloster Helfta, S. 7). Grundsätzlich zur Frage der cura monialium im Zisterzienserorden F elten : Der Zisterzienserorden und die Frauen, S. 75f. 50 Vgl. Kap. 6.3 Anm. 36. 51 G ottschalk : Kloster Helfta und Schlesien, S. 77f.; D unin -W ¹sowicz , T.: Hedwig. I. H. v. Schlesien. In: LMA 4, Sp. 1985f.; W arnatsch -G leich : Herrschaft und Frömmigkeit, S. 223-231. 52 B angert : Demut in Freiheit, S. 27. die entsprechenden Zahlungen an den Orden für die Inanspruchnahme der Zisterzienserprivilegien, und bei der Wahl der Äbtissin Katharina Remstede im Jahr 1501 wird erstmals von der Anwesenheit des Abtes von Riddagshausen, das 1244 als Paternitätsabtei vorgesehen war, berichtet. 53 Möglicherweise hat die Entscheidung, ob eine Inkorporation angestrebt werden sollte oder nicht, auch schon die Wahl des Mutterhauses beeinflußt. Auffällig ist nämlich, daß die Gründungskonvente Wienhausens und Helftas aus nichtinkorporierten Klöstern kamen, während Kloster Wald, das die ersten Lichtenthaler Nonnen stellte, inkorporiert und Kloster Salem unterstellt war. 54 Das könnte bedeuten, daß auch die Filiation eine nicht unwichtige Rolle bei der Inkorporation spielte. 55 Auch bei den Männerklöstern verlief die Aufnahme in den Orden hauptsächlich nach dem Filiationsprinzip. 56 Damit ist freilich noch nicht geklärt, inwieweit die Nonnen in Helfta und Wienhausen aus eigenem Antrieb nicht nur die Konstitutionen von Cîteaux befolgten, sondern auch die von diesem ausgehende Spiritualität und Literatur rezipierten. Das Selbstverständnis der Nonnen als Zisterzienserinnen läßt sich nicht nur anhand der Bezeichnungen belegen, sondern schlägt sich auch in der künstlerischen Ausstattung und in ordensspezifischen Inhalten der Literatur nieder. Im Wienhäuser Nonnenchor ist Bernhard von Clairvaux zusammen mit Benedikt dargestellt. 57 Neben die Darstellung heiliger Jungfrauen und der Klostergründer als Bestandteile der Identität tritt damit also auch die Ordenszugehörigkeit. In den überlieferten Texten konnten bisher allerdings keine Anhaltspunkte für direkten zisterziensischen Einfluß gefunden werden. In Lichtenthal ist das anders. Hier finden sich sowohl liturgische Handschriften zisterziensischer Prägung als auch die einschlägigen Ordenstexte. Regula berücksichtigte Lichtenthals Ordenszugehörigkeit insofern, als sie in ihr umfangreiches hagiographisches Corpus auch eine ausführliche Version der Bernhard-Vita aufnahm. 58 Für die Beurteilung des zisterziensischen Einflusses in Helfta stehen nur die Texte selbst zur Verfügung. Markus D ombi hat alle Belege aufgeführt, die für eine Befolgung der Zisterzienserregel in Helfta sprechen, und die aus den Texten Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 355 53 C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen , S. 34; F aust : Derneburg, S. 114f.; L eerhoff : Kloster Wienhausen, S. 764; zu Verbindungen zwischen Riddagshausen und Wienhausen vgl. auch ebd., S. 758; zum Erwerb der Ordensprivilegien A hlers : Weibliches Zisterziensertum im Mittelalter und seine Klöster in Niedersachsen, S. 99. 54 S pitzlei : Erfahrungsraum Herz, S. 31; K uhn -R ehfus : Das Zisterzienserinnenkloster Wald, S. 66f. 55 1218 hatte das Generalkapitel einzelnen Frauenklöstern, darunter das schlesische Trebnitz, in der Inkorporationsurkunde sogar zugesichert, daß etwaige Tochtergründungen ebenfalls inkorporiert sein sollten (F elten : Der Zisterzienserorden und die Frauen, S. 53). 56 Vgl. dazu auch O strowitzki : Der «Liber dictaminum» des Abtes von Himmerod als Zeugnis für die cura monialium im spätmittelalterlichen Zisterzienserorden, S. 166f. 57 Horst A ppuhn deutet auch die männliche Gestalt unter den Jungfrauen an der Nordwand als Bernhard von Clairvaux (Kloster Wienhausen (1986), S. 18). 58 Kunze (Hg.): D ie ‹E lsässische L egenda A urea › 2, S. XXV. hervorgehende besondere Verehrung Bernhards von Clairvaux als Ordensvater dargelegt. 59 Johanna L anczkowski hat speziell den Einfluß der Hohelied-Predigten Bernhards analysiert. Im Liber specialis gratiae zählt sie insgesamt zwölf Bezugnahmen bzw. wörtliche Zitate aus dem Hohelied, eine Kenntnis von Bernhards Predigten ist aber wohl nicht nachweisbar. Im Legatus divinae pietatis hingegen finden sich nicht nur wesentlich mehr Hohelied-Zitate, sondern auch Passagen aus den entsprechenden Sermones; 60 mehrfach wird Bernhard explizit genannt und zitiert. 61 Im 4. Buch gibt es ein eigenes Kapitel zum Fest des heiligen Bernhard und im folgenden Kapitel werden Augustinus und Bernhard verglichen: 62 Tunc apparuit etiam ei idem gloriosus Pontifex prope sanctum Bernardum, compar nimirum ipsi in caelesti gloria, qui non impar extiterat tam in sanctissimae conversationis eminentia quam etiam in saluberrimae doctrinae suaviflua affluentia. Diese Gleichstellung sowie die Berufungen auf Bernhard und seine Texte zeugen vom hohen Stellenwert des Zisterzienserabtes in Helfta. Sieht man von der Frage der Inkorporation ab, lassen sich zwischen diesen - und anderen - Konventen Übereinstimmungen feststellen, die jedoch nicht im engeren Sinne ‹zisterziensisch› zu nennen sind. Ein Blick in die Geschichte Helftas zeigt deutlich die Parallelen zur Gründung Wienhausens und Lichtenthals: 63 1229 erfolgte die Gründung des Klosters Beatae Mariae Virginis durch den Grafen Burchard von Mansfeld und seine Frau Elisabeth in unmittelbarer 356 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 59 D ombi : Waren die hll. Gertrud und Mechtild Benediktinerinnen oder Cistercienserinnen, S. 263-266. 60 L anczkowski , Johanna: Einfluß der Hohe-Lied-Predigten Bernhards auf die drei Helftaer Mystikerinnen. In: Erbe und Auftrag. Benediktinische Monatsschrift 66 (1990), S. 17-28. Vgl. auch C asey , Michael: Gertrud von Helfta und Bernhard von Clairvaux: eine neue Einschätzung. In: Cistercienser Chronik 97 (1990), S. 46-69; K öpf , Ulrich: Bernhard von Clairvaux in der Frauenmystik. In: Frauenmystik im Mittelalter. Wissenschaftliche Studientagung der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart 22. bis 25. Februar 1984 in Weingarten. Hrsg. v. Peter Dinzelbacher u. Dieter R. Bauer. Ostfildern bei Stuttgart 1985, S. 48-77; B ynum : Jesus as Mother, bes. S. 209 und 226. 61 Vgl. u.a. Leg. Buch 1, Kap. 5 (S. 146); Buch 1, Kap, 6 (S. 150); Buch 1, Kap. 7 (S. 154), Buch 1, Kap. 9 (S. 160); Buch 2, Kap. 21 (S. 322); Buch 4, Kap. 25. Der lateinische Text des Legatus divinae pietatis wird zitiert nach G ertrude d ’H elfta : Œuvres spirituelles. Bd. II-V: Le Héraut. Introduction, texte critique, traduction et notes par P. Doyère [u.a.]. Paris 1968-1986 (Sources Chrétiennes 139, 143, 255, 331). 62 Leg. Buch 4, Kap. 49 (S. 396-402); Leg. Buch 4, Kap. 50 (S. 402). Daß diese Verehrung Bernhards durchaus vor dem Hintergrund einer ordensspezifischen Textgestaltung zu sehen ist, wird erhärtet durch die ganz parallele Stelle zu Dominikus im Fließenden Licht der Gottheit, in dem der Predigerorden eine wichtige Rolle spielt (M echthild von M agdeburg : ‹Das fließende Licht der Gottheit›. Nach der Einsiedler Handschrift in kritischem Vergleich mit der gesamten Überlieferung hrsg. v. Hans Neumann. Bd. 1: Text, besorgt v. Gisela Vollmann-Profe. München 1990 (MTU 100), Buch 4, Kap. 20-22, S. 136-139). 63 Literatur zur Geschichte Helftas in Anm. 39. Zur Ähnlichkeit der Gründungsvorgänge bei Zisterzienserklöstern vgl. auch S chneidmüller : Zisterziensischer Aufbruch, S. 25. Nähe ihrer Burg. Burchard, dessen Geschlecht zumindest in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts in hochadliger Stellung erscheint, starb noch im selben Jahr. 64 Der Gründungskonvent wurde gebildet aus sieben Nonnen des Zisterzienserinnenklosters St. Jacob und St. Burchard in Halberstadt und auch der Äbtissinnenstuhl wurde mit der Halberstädter Nonne Kunigunde (1229-1251) besetzt. 65 Da Burchard I. 1229 ohne männlichen Erben starb, ging das Erbe - und damit auch das Kloster - an seine beiden Töchter: Gertrud war mit dem Burggrafen von Meißen verheiratet, der fortan auch den Titel übernahm; Sophie war die Gattin des Burggrafen von Querfurt. 66 Beide Linien engagierten sich in der Folgezeit für das Kloster. 1265 stiftete Burchard III. von Querfurt, der Enkel des Stifters, als Grablege der Familie eine Kapelle für das Kloster. 67 Ähnlich wie vermutlich Wienhausen wurde das Kloster um 1234 auf Veranlassung der Gräfin Elisabeth, die selbst als Witwe dort lebte, nach Rodarsdorf 68 zwischen Eisleben und Helbra verlegt. Alle drei Klöster entstanden also in der Hochphase der Gründung von Zisterzienserinnenklöstern in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und wie bei zahlreichen anderen auch ging ihre Fundation von (hoch)adligen Familien aus, für die sie die Funktion eines Hausklosters erfüllten. 69 Daraus resultierte nicht nur eine solide finanzielle Ausgangslage, 70 sondern auch eine bestimmte soziale Zusammensetzung der Konvente. 71 Und sie erfüllten die hinlänglich bekannten geistlichen wie weltlichen Funktionen für die Stifter und ihre Familie: Sie dienten als Orte der Grablege und des Gebets dem Seelenheil und der Me- Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 357 64 B laschke , K.: Mansfeld. In: LMA 6, Sp. 201f. 65 Zu diesem Kloster vgl. Cornelia O efelein : Typiquement atypique, l’abbatiale Saint- Jacob-Saint-Burchard d’Halberstadt. In: Cîteaux et les femmes. Architectures et occupation de l’espace dans les monastères féminins. Modalités d’intégration et de contrôle des femmes dans l’ordre, les moniales cisterciennes aujourd’hui. Sous la dir. de Bernadette Barrière. Textes réunis par Armelle Bonis. Paris 2001 (Rencontres à Royaumont 15), S. 41-54; D ies .: Moniales grisei ordinis, bes. S. 43ff. 66 G ottschalk : Kloster Helfta und Schlesien, S. 62. 67 Ebd. 68 In der Literatur variiert die Schreibweise des Ortsnamens. 69 Die Situation stellt sich bei den Zisterziensern insgesamt allerdings etwas anders dar als bei den Benediktinern: «Im Vergleich zu den Benediktinerklöstern, die oftmals von Königen oder großen weltlichen Feudalherren gegründet worden waren, trat bei vielen Zisterzienserklöstern eine neue Gründerschicht in Erscheinung: kleinere und mittlere Adelsfamilien und sogar Ministerialen» (S chlenker , Gerlinde: Die Wirtschaftsprinzipien der Zisterzienser. Zur Grundherrschaft der Zisterzienserklöster Helfta und Sittichenbach. In: Bete und Arbeite! Zisterzienser in der Grafschaft Mansfeld, S. 81-97, hier S. 82). 70 Zu beachten ist allerdings, daß die Frauenkonvente in der Regel nicht die Wirtschaftskraft eines Männerklosters erreichten, dies gilt für Lichtenthal (vgl. S. 280 u. Anm. 13) ebenso wie für die Zisterzienserinnen der Region Halberstadt (O efelein : Moniales grisei ordinis, S. 48). 71 Vgl. W ienand : Die Cistercienserinnen, S. 327-330; B uzás : Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, S. 86. Auch das Zisterzienserinnenkloster Kirchheim weist diese Merkmale auf (S chromm : Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries, S. 65ff. und 75f.). moria der Stifter, waren Erziehungsstätten für ihre Kinder, 72 Witwensitz für die verheirateten Frauen und boten nicht zuletzt ihren Töchtern eine standesgemäße Alternative zur Ehe. Sie stützten wirtschaftlich und territorial die Herrschaftsansprüche der Gründerfamilie und demonstrierten in einer Zeit, in der sich Kaiser Friedrich II. im Zisterzienserhabit beisetzen ließ, eine zeitgemäße fromme Gesinnung ebenso wie den Anspruch auf Zugehörigkeit zum Hochadel. 73 Daß die Nonnen «viel stärker auf sich selbst und die Lebensweise der Gesellschaftsschichten des Adels und des Bürgertums, aus denen sie stammten, verwiesen» waren, erklärt Elisabeth S chraut auch aus den anderen Voraussetzungen der Frauenklöster, insbesondere der Klausur und ihren wirtschaftlichen Konsequenzen. 74 Bei den Zisterzienserinnenklöstern war der Anteil des Adels besonders hoch. 75 Diese Ansprüche haben ihre Spuren nicht 358 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 72 K uhn -R ehfus : Zisterzienserinnen in Deutschland, S. 134: «Verschiedene Zisterzienserinnenkonvente führten regelrechte Schulen, deren Lehrplan im wesentlichen mit dem der männlichen Klosterschulen übereinstimmte und oft das ganze Trivium und Quadrivium umfaßte. Ein berühmtes Beispiel ist La Cambre in Flandern, aber auch in den westfälischen Abteien Benninghausen und Himmelpforten hielt man schon im 13. Jahrhundert Unterricht ab.» Eva S chlotheuber hat zuletzt allerdings deutlich gemacht, daß nicht selbstverständlich für jedes Frauenkloster angenommen werden darf, daß Mädchen, die nicht für das Klosterleben bestimmt waren, zur Erziehung aufgenommen wurden (Klostereintritt und Bildung, S. 111-120). In Wienhausen gab es eine Sondergenehmigung für die Erziehung von Mädchen aus der Herzogsfamilie; in Lichtenthal wurde für die Frauen bzw. Mädchen aus dem Hause Baden zumindest der numerus taxatus außer Kraft gesetzt. Überlegungen zu Bildung und Schule Helftas bei S pitzlei : Erfahrungsraum Herz, S. 53-61. 73 Gerade die nichtinkorporierten Frauenklöster boten den Landesherren Ansatzmöglichkeiten für ihre Intentionen. Nach den Untersuchungen von Gerd A hlers «liegt die Annahme nahe, daß es gerade die nichtinkorporierten Zisterzienserinnenklöster waren, die im Gegensatz zu den dem Orden angeschlossenen Zisterzienser- und Zisterzienserinnenklöstern, den diözesan eingebundenen Prämonstratenserinnenkonventen oder den zwar exemten, aber durchweg städtischen Konventen der Bettelorden kaum zu überbietende territorialpolitische Vorteile boten. Denn auf dem Weg der Überführung eines Klosters in die kirchenrechtliche Kategorie ‹ordo cisterciensis› ohne eine Ordensinkorporation war es möglich, die päpstlich garantierte rechtliche Absicherung der in Klostergut umgewandelten Ländereien zu realisieren, ohne daß dabei notwendigerweise wesentliche Aufsichtsrechte an einen Orden abgegeben werden mußten. Schon die nominelle Zugehörigkeit zum privilegierten Ordensverband reichte als Rechtsgrundlage für den zukünftigen Bestand einer Klosterstiftung gegen den Zugriff konkurrierender Territorialfürsten, während demgegenüber eine Inkorporation mit der Übertragung der Verantwortlichkeit für die Temporalien und Spiritualien an den Orden zugleich den Verlust wesentlicher Herrschaftsrechte mit sich gebracht hätte.» (Weibliches Zisterziensertum im Mittelalter und seine Klöster in Niedersachsen, S. 106). 74 S chraut , Elisabeth: Zisterzienserinnen in Franken. Aspekte des Lebens der Nonnen. In: Zisterzienser in Franken. Das alte Bistum Würzburg und seine einstigen Zisterzen. Hrsg. v. Wolfgang Brückner u. Jürgen Lenssen. 2. Aufl. Würzburg 1994 (Kirche, Kunst und Kultur in Franken 2), S. 29-36, hier S. 36; vgl. auch O efelein : Moniales grisei ordinis, S. 48. 75 Ladislaus B uzás hat die Frage aufgeworfen, ob es eigentlich Zufall war, daß gerade die Zisterzienser «die meisten adeligen Frauenklöster» hatten und hebt auf die Mariennur in der Ereignisgeschichte der Klöster hinterlassen, sondern ebenso sehr auf das Selbstverständnis und das kulturelle Leben gewirkt, was besonders durch die zahlreichen Stiftungen sichtbar wird. Daß offenbar auch der Orden selbst Wert legte auf Verbindungen zwischen den Frauenklöstern und ihren Stiftern, zeigen die Statuten von 1394: Mit tiefstem Schmerz sehen wir, daß in so manchen Frauenklöstern die frommen Absichten der Gründer und Wohltäter nicht mehr erfüllt werden, daß gegen deren Erwarten und Verlangen ihre Seelen der Gebete und Tröstungen der Kirche verlustig gehen, sei es wegen des ungenügenden Einkommens und dadurch verminderten Personalstandes, sei es wegen der Erschlaffung des klösterlichen Lebens, die eingetreten ist. So werden die Messen, die einst den Gründern versprochen wurden, nicht mehr gelesen und wird das Offizium divinum nicht mehr gehalten. Statt den Weltleuten ein Beispiel der Heiligkeit zu geben und sie zur Frömmigkeit anzuleiten, ein Vorbild vollkommenen Gehorsams zu sein, wie es Pflicht ist, sind diese Kommunitäten - man kann es nicht ohne Erröten sagen - ein Gegenstand des Spottes, Veranlassung zu Skandal und Ursache der Verachtung des Ordens geworden. 76 Auffällig an der hier geäußerten Kritik ist das besondere Insistieren auf den Verpflichtungen gegenüber den Klostergründern. 77 Auch die aus den Zisterzienserinnenklöstern überlieferten Texte reflektieren dieses enge Verhältnis. Die Verpflichtung zur Memoria der Stifterfamilie und die Sorge für deren Seelenheil durch den Konvent wird auch vom Legatus divinae pietatis und dem Liber specialis gratiae deutlich formuliert. 78 In der Wienhäuser Chronik werden die ersten Nonnen in das Kloster gebracht unter der Bedingung, daß sie Tag und Nacht vor sich und alle Gläubige absonderlich vor die Stiffterin fleißig bethen und in dergleichen guten dingen sich üben sollten. 79 Für die Literatur ist dies relevant, weil sich daraus möglicherweise bestimmte Interessen ableiten lassen, vor allem aber, weil die Frauenklöster wichtige ‹Schanierstellen› zwischen geistlicher und weltlicher Kultur darstellten. 80 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 359 verehrung Bernhards von Clairvaux ab (Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, S. 86). 76 Can. III, S. 638; 1394/ 5 (zit. n. S chindele : Die Abtei Lichtenthal (1984), S. 121f.). 77 In der Tat scheint man den Fürbitten durch regulierte Frauenklöster einen hohen Stellenwert beigemessen zu haben, wie Gabriela S ignori anhand der Verteilung von Schenkungen an Basler Konvente zeigen konnte. Das hielt die Familien allerdings nicht davon ab, ihre Töchter auch weiterhin nichtobservanten Klöstern anzuvertrauen (Leere Seiten, S. 156). Bei den Männerklöstern scheint die Sorge um die Memoria bei den Reformmaßnahmen dagegen weniger im Vordergrund gestanden zu haben (vgl. G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 139). 78 H ubrath , Margarete: Schreiben und Erinnern. Zur «memoria» im Liber Specialis Gratiae Mechthilds von Hakeborn. Paderborn [u.a.] 1996. Zum Totengedenken vgl. auch L aabs : Das Jahrgedächtnis für Burkhard VII. von Mansfeld (1353) und die Totenfürsorge im Zisterzienserorden. 79 C hronik und T otenbuch des K losters W ienhausen , S. 4. 80 Schon Ladislaus B uzás (Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, S. 86) räumt den Frauenklöstern eine wichtige «Vermittlerrolle auf dem Gebiet der Bildung» ein und Nigel F. P almer plädiert dafür, ‹zisterziensisch› nicht in einem exklusiven Sinne zu definieren. Statt dessen favorisiert er ein topographisches Konzept dieser Literatur bzw. ihrer Träger, in das sich auch ordensübergreifende Zusammenhänge integrieren lassen. 81 Dies ist vor allem für die Frauenklöster ein sinnvoller Ansatz, da bei ihnen das Verhältnis zum Orden insgesamt schwerer definierbar ist, der Einfluß anderer Faktoren hingegen deutlicher. Zwar lassen sich die bei Helfta, Lichtenthal, Wienhausen und anderen Zisterzienserinnenklöstern zu beobachtenden Übereinstimmungen insofern nicht unter ein topographisches Konzept subsumieren, als sie ja in unterschiedlichen weltlichen wie geistlichen Einflußgebieten lagen. Auffällig sind jedoch die Parallelen der Klöster hinsichtlich der Gründungsumstände und ihrer jeweiligen ‹topographischen› Verankerung. Der Forschungsstand zur Bibliotheksgeschichte mittelalterlicher Nonnenklöster ist noch sehr bescheiden, das gilt besonders für die Zisterzienserinnen. 82 Dies hängt auch mit dem insgesamt schlechten Erhaltungszustand der Frauenklosterbibliotheken zusammen. Sie scheinen noch häufiger als die der Männerklöster zerstreut oder vernichtet worden zu sein. Über die Gründe für diese Überlieferungssituation lassen sich nur Vermutungen anstellen. Neben den immer wieder vorkommenden Verwüstungen, von denen die Männerklöster 360 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? Herbert G rundmann nimmt an, daß die Frauen eine maßgebliche Rolle bei der Entstehung volkssprachiger Literatur spielten, weil sie «die Bildungsgrenze zwischen Klerus und Laientum überschneiden und verwischen und dadurch die strenge Scheidung zwischen lateinischem Schrifttum und nicht-schriftfähigem ‹Sprachtum› beseitigen» (Die Frauen und die Literatur im Mittelalter. Ein Beitrag zur Frage nach der Entstehung des Schrifttums in der Volkssprache. In: Archiv für Kulturgeschichte 26 (1936)/ Nachdruck 1965, S. 129-161, hier S. 139); in jüngster Zeit haben etwa Susan Groag B ell (Medieval Women Book Owners: Arbiters of Lay Piety and Ambassadors of Culture. In: Signs. Journal of Women in Culture and Society. Summer 1982, Volume 7, Number 4, S. 742-768) und Jürgen W olf die Rolle adliger Frauen und Nonnen für die Vermittlung von Schriftkultur an die höfische Gesellschaft betont (saltervrouwen. Schlüssel zur Bildungswirklichkeit des weltlichen Hofes? In: Zisterziensisches Schreiben im Mittelalter, S. 305-321; vgl. auch D ers .: vrouwen phlegene ze lesene. Beobachtungen zur Typik von Büchern und Texten für Frauen. In: Text und Text in lateinischer und volkssprachiger Überlieferung des Mittelalters. Freiburger Kolloquium 2004. In Verbindung mit Wolfgang Haubrichs u. Klaus Ridder hrsg. v. Conrad Eckart Lutz. Berlin 2006 (Wolfram- Studien 19), S. 169-190), ebenso, wenn auch mit Einschränkungen im Hinblick auf ihre Selbständigkeit, H amburger (Frauen und Schriftlichkeit in der Schweiz im Mittelalter. In: Bibliotheken bauen. Tradition und Vision/ Building for Books. Traditions and Visions. Hrsg. v. Susanne Bieri u. Walther Fuchs. Basel/ Bosten/ Berlin 2001, S. 71-121, hier S. 81). Es scheint sich hier eine Tendenz in der Forschung abzuzeichnen, deutlicher auf die enge Vernetzung von lateinisch-klerikaler und volkssprachig-laikaler Sphäre abzuheben und die Bedeutung von Schriftlichkeit für den Adelshof früher anzusetzen (W olf : saltervrouwen, S. 319). 81 P almer : Deutschsprachige Literatur im Zisterzienserorden, S. 241. 82 S chromm : Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries, S. 1; O efelein : Moniales grisei ordinis, S. 54. genauso betroffen gewesen sein müssen, ist die entscheidende Frage, was mit den Bibliotheksbeständen nach der Auflösung der Klöster geschah. Ladislaus B uzás weist darauf hin, daß die Bibliotheken der Bettelorden ebenso schlecht erhalten sind wie die der Frauenklöster und führt dies auf die dem Ordensideal entsprechenden, schmucklosen und billig produzierten Handschriften zurück, die keine begehrten Sammlerobjekte darstellten. 83 Albert B ruckner formuliert für den Schweizer Raum den Eindruck, daß die Behörden, die für die Auflösung der Klöster verantwortlich waren, sich eher um den Erhalt der Bibliotheken aus Männerklöstern einsetzten, während sie für die der Frauenklöster kein besonderes Interesse zeigten. 84 Die Buchbestände aus Zisterzienserinnenklöstern gelten jedoch nicht nur im Vergleich zu den Männerklöstern, sondern auch im Vergleich zu den Dominikanerinnen, den Klarissen oder den Frauenklöstern der Windesheimer Kongregation als bescheiden. 85 Aufschluß über ursprünglich vorhandene Buchbestände können Bibliothekskataloge geben, die allerdings oft nicht auf Vollständigkeit angelegt waren und meist erst die spätmittelalterlichen Verhältnisse dokumentieren. 86 Aus Kirchheim am Ries ist ein Bücherverzeichnis von 1436/ 37, Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 361 83 B uzás : Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, S. 71. Jeffrey F. H amburger betont: «In ganz Deutschland ist nur eine einzige Bibliothek einer klösterlichen Frauengemeinschaft, die von St. Walburg in Eichstätt, an ihrem ursprünglichen Ort geblieben - und selbst dort nicht an ihrem mittelalterlichen Platz.» (Frauen und Schriftlichkeit in der Schweiz im Mittelalter, S. 78). 84 B ruckner , Albert: Weibliche Schreibtätigkeit im schweizerischen Spätmittelalter. In: Festschrift für Bernhard Bischoff zu seinem 65. Geburtstag dargebracht von Freunden, Kollegen u. Schülern. Hrsg. v. Johanne Autenrieth u. Franz Brunhölzl. Stuttgart 1971, S. 441-448, hier S. 442. 85 W ilts , Andreas: Alltag und Sachkultur in spätmittelalterlichen Frauenzisterzen. In: Faszination eines Klosters. 750 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthal, S. 49-61, hier S. 52; P lotzek -W iederhake : Buchmalerei in Zisterzienserklöstern, S. 368. 86 S chneider : Skriptorien und Bibliotheken der Cistercienser, S. 407: «Die meisten spätmittelalterlichen Bücherverzeichnisse sind ausgesprochene Standortkataloge und geben die auf den Bibliothekspulten befindlichen Bücher an; insofern treffen sie kaum den tatsächlichen Bestand.» Eine Vorstellung vom Buchbestand der Gründungszeit vermittelt das Bücherverzeichnis des Zisterzienserklosters Marienfeld, das Hermann D egering für die «Überweisungs- oder Schenkungsurkunde» über diejenigen Handschriften hält, die dem Kloster anläßlich seiner Gründung 1185 von den Stiftern bzw. dem Orden und dem Mutterkloster Morimond übergeben wurden. Das Inventar verzeichnet insgesamt 75 Bände, im wesentlichen «Schriften, die für den Klosterbetrieb direkt notwendig waren» bzw. «von Angehörigen des Cisterzienserordens» (Der Katalog der Bibliothek des Klosters Marienfeld vom Jahre 1185. Berlin 1913 (Sonderabdruck aus: Beiträge zum Bibliotheks- und Buchwesen)). D egering datiert den Katalog damit aufgrund inhaltlicher und paläographischer Argumente früher als Wilhelm D iekamp , der eine Entstehung Anfang des 13. Jahrhunderts annahm (Ein Marienfelder Bibliotheksverzeichnis. In: Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde Westfalens 43 (1885), S. 161, zit. nach ebd., S. 53); vgl. dazu auch E lm , Kaspar: Das männliche und weibliche Zisterziensertum in Westfalen von den Anfängen bis zur Reformation. In: Monastisches Westfalen - das insgesamt etwa 74 Einzelbände zählt, und der Bibliothekskatalog von 1545 mit etwa 143 Bänden, davon 120 lateinische, erhalten, 87 aus Günterstal bei Freiburg i. Br. ein Bücherverzeichnis von 1457 über etwa 200 Bände - «bibelexegetische, homiletische, aszetische, chronikalische und liturgische Bücher in lateinischer und deutscher Sprache». 88 Im Vergleich dazu nennt der Bibliothekskatalog des Männerklosters Amelungsborn von 1412 etwa 440 Titel, 89 aus dem Zisterzienserkloster Eberbach ist ein Katalog von 1502 überliefert, der 754 Bände verzeichnet. 90 Was erhaltene bzw. rekonstruierbare Buchbestände aus Zisterzienserinnenklöstern betrifft, werden insbesondere Lichtenthal, 91 Wöltingerode 92 und Kirchheim am Ries 93 genannt. 94 Auch die Zisterzienserinnenabteien St. Marienthal bei Görlitz und St. Marienstern bei Kamenz (beide Oberlausitz) konnten mittelalterliche Bibliotheksbestände bewahren. 95 Unter den rund 250 Handschriften Mariensterns vom 13. bis 19. Jahrhundert befinden sich 31 nichtliturgische Handschriften aus der Zeit vor der Reform. 96 362 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? Klöster und Stifte 800-1800. Hrsg. v. Géza Jászai. Münster 1982, S. 45-59 [Wieder in: D ers .: Mittelalterliches Ordensleben in Westfalen und am Niederrhein, S. 45-67, hier S. 53]. 87 S chromm : Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries, S. 80-85 und 123-126. 88 B uzás : Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, S. 91; M ittelalterliche B ibliothekskataloge D eutschlands und der S chweiz . Hrsg. v. d. Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Bd. 1: Die Bistümer Konstanz und Chur. Bearb. v. Paul Lehmann. München 1918/ Nachdruck 1969, S. 149-152. 89 R üthing : Die mittelalterliche Bibliothek des Zisterzienserinnenklosters Wöltingerode, S. 190. 90 P almer : Zisterzienser und ihre Bücher, S. 181f. Der Katalog ist im Anhang vollständig ediert und kommentiert. 91 H einzer / S tamm : Die Handschriften von Lichtenthal. 92 R üthing : Die mittelalterliche Bibliothek des Zisterzienserinnenklosters Wöltingerode. 93 S chromm : Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries. 94 Aus dem 1256 gegründeten Zisterzienserinnenkloster Gravenhorst sind zwar insgesamt 732 Titel überliefert, jedoch kaum mittelalterliche Bestände. Bei dem ältesten Band handelt es sich um einen Druck von 1477, der aus dem Zisterzienserkloster Marienfeld, das 1484 die cura monialium übernahm, dorthin gelangte (F eldmann , Reinhard: Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters zu Gravenhorst. Einige historische Anmerkungen. In: D ers ./ P ophanken , Elke: Die Klosterbibliothek Gravenhorst. Katalog der Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Gravenhorst. Mit Beiträgen v. Kaspar Elm u. Eef Overgaauw. Münster 1993 (Schriften der Universitäts- und Landesbibliothek Münster 10), S. 17-20, hier S. 17). 95 W inzeler , Marius: Die Bibliothek der Zisterzienserinnenabtei St. Marienstern. Zu Geschichte und Bestand einer frauenklösterlichen Büchersammlung des Mittelalters. In: Studien und Texte zur literarischen und materiellen Kultur der Frauenklöster im späten Mittelalter, S. 331-356, hier S. 331. Vgl. auch: D er S t . M arienthaler P salter . Im Auftrag der Zisterzienserinnenabtei Klosterstift St. Marienthal hrsg. v. Helmut Engelhart. Mit einem Geleitwort von Äbtissin Sr. M. Regina Wollmann OCist u. Beiträgen v. Sr. M. Hildegard Zeletzki OCist, Helmut Engelhart u. Gisela Kornrumpf. Regensburg 2006. 96 W inzeler : Die Bibliothek der Zisterzienserinnenabtei St. Marienstern, S. 333 und 348. Das Beispiel Wienhausen zeigt allerdings, daß auch weniger umfangreiche Bestände bedeutende und aufschlußreiche Texte enthalten können. Um die Überlieferungslage der Männerzisterzen ist es durchaus nicht immer besser bestellt. 97 Die Bibliotheken der Zisterzienser in Norddeutschland sind nur spärlich überliefert. 98 «Aus keinem der Männerklöster ist der Buchbestand auch nur annähernd vollständig überliefert.» 99 Der bedeutendste Bestand aus diesem Raum stammt aus Amelungsborn; im deutschsprachigen Raum besaßen - gemäß spätmittelalterlicher Bücherverzeichnisse - Altzelle, Grünhain, Heilsbronn, Himmerod, Lehnin und Zwettl umfangreiche Bibliotheken, die sich zahlenmäßig zwischen 500 und 2000 Bänden bewegten. 100 Die im Prinzip immer anzunehmenden, mehr oder weniger großen Verluste erschweren die Beurteilung der mittelalterlichen Bibliotheken beträchtlich. Nur bedingt ist es möglich, sich mit Hilfe weiterer Quellen wie den schon angesprochenen Bibliothekskatalogen, Rechnungsbüchern und dergleichen ein Bild von dem Verlorenen zu machen. Das Verfahren, diese Lücken mit Hilfe der Buchbestände anderer Frauenklöster oder mit Hilfe des aus anderen, meist späteren Zeiten Überlieferten ‹aufzufüllen›, erscheint methodisch problematisch. 101 Es besteht die Gefahr, historische, regionale und individuelle Unterschiede einzuebnen zugunsten des vermeintlich ‹Typischen› und ‹Erwartbaren›, mit dem man gerade bei den Frauenklöstern schnell bei der Hand ist. Überhaupt scheint eine Tendenz der Forschung zu bestehen, die erhaltenen Buchbestände von Frauenklöstern am Maßstab einer ‹typischen mittelalterlichen Nonnenbibliothek› zu beurteilen. 102 Arnold S chromm legt den Akzent auf die Frage, Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 363 97 Vgl. auch die Übersicht über Bibliotheksbestände von deutschen Zisterzienserklöstern in: D ie C istercienser . Geschichte - Geist - Kunst, S. 406-433; B uzás : Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, S. 63: «In den Klöstern der Zisterzienser gab es kaum weniger bedeutende Bibliotheken als in denen der Benediktiner, wenn sie auch an der Überlieferung der Kirchenväter und der antiken Klassiker nur insoweit einen bescheidenen Anteil hatten, als sie alte Bücherbestände aus verarmten Benediktinerklöstern an sich brachten und für die Nachwelt bewahrten. Da in den Hauptniederlassungsgebieten der Zisterzienser der große Bauernkrieg und die Reformation das mittelalterliche Klosterwesen fast völlig vernichtet haben, stößt die Rekonstruktion der Zisterzienserklöster oft auf große Schwierigkeiten.» Anders ist die Situation in Österreich, vgl. ebd., S. 65. Ausführlicher dazu K napp , Fritz Peter: Zisterziensisches Schrifttum in den österreichischen Ländern des Mittelalters. In: Zisterziensisches Schreiben im Mittelalter, S. 207-218. 98 F aust : Zisterzienser in Norddeutschland, S. 25; B uzás : Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, S. 66. 99 R üthing : Die mittelalterliche Bibliothek des Zisterzienserinnenklosters Wöltingerode, S. 189. 100 S chneider : Skriptorien und Bibliotheken der Cistercienser, S. 407f. 101 Zur Problematik des «argumentum e silentio» vgl. G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 150. Zur unterschiedlichen Bewertung von Männer- und Frauenklöstern hinsichtlich fehlender Überlieferung vgl. G leba : Reformpraxis und materielle Kultur, S. 111. 102 Vgl. dazu C hrist : Mittelalterliche Bibliotheksordnungen für Frauenklöster, S. 1 und 7; S chromm : Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries, ob es sich bei den rekonstruierten Kirchheimer Beständen des Spätmittelalters um die ‹typische› Bibliothek eines Frauenklosters handelt. Zusammenfassend beschreibt er den gesamten Kirchheimer Bestand folgendermaßen: «Inhaltlich sind bei der groben Durchsicht des überlieferten Kirchheimer Buchmaterials zwei dominierende Themenbereiche zu erkennen: Zum einen jener der Liturgika, zum anderen der zahlenmäßig dominierende Bereich der Gebets- und religiösen Betrachtungsliteratur. Während die Texte der vorliegenden Antiphonarien, Psalterien, Breviarien, Offizien und Prozessionalien nach Vorgabe der römischen Liturgie durchwegs in lateinischer Sprache gehalten sind und höchstens einmal bilingual lateinisch-deutsch abgedruckt sind, finden sich die Gebets- und Betrachtungstexte, Erbauungstraktate, Predigten, Heiligenviten, ergänzt durch Ordensregeln und allgemeine Vorschriften für das klösterliche Leben, überwiegend in deutscher Sprache abgefaßt. Wissenschaftliche, das heißt lateinische Literatur im strengen Sinn aus den klassischen Bereichen Theologie, Jurisprudenz oder Medizin fehlt.» 103 Arnold S chromm hält - auch wenn er durchaus selbst eine «Individualitätsklausel» einräumt - die Bezeichnung «Normalbibliothek eines Frauenklosters» für durchaus zulässig. 104 Woher aber nimmt man diesen Maßstab, wenn doch die Erforschung dieser Bibliotheken bekanntermaßen noch am Anfang steht? Sieht man zunächst einmal von der Dominanz der Volkssprache ab, könnte man m.E. mit gleichem Recht von einer typisch monastischen Bibliothek sprechen, wie sie gerade für Zisterzienserklöster kennzeichnend war. Peter H. K amber faßt beispielsweise den Buchbestand des Zisterzienserklosters St. Urban im Kanton Luzern folgendermaßen zusammen: 364 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? S. 57ff.; W inzeler : Die Bibliothek der Zisterzienserinnenabtei St. Marienstern, S. 354f. Heinrich R üthing betont dagegen die regionalen Unterschiede zwischen der Bibliothek Wöltingerodes gegenüber den Beständen der süddeutschen Klöster Lichtenthal und Kirchheim (Die mittelalterliche Bibliothek des Zisterzienserinnenklosters Wöltingerode, S. 211) und Eva S chlotheuber arbeitet in ihrer Studie die historischen Differenzen in Bildung und Bibliotheksbestand der Benediktinerinnenklöster Lamspringe und Lippoldsberg im Frühmittelalter und im Zuge der Klosterreform des 12. Jahrhunderts heraus. Dabei macht sie deutlich, daß die Gelehrsamkeit der Nonnen nicht abnahm, sondern einem gewandelten Ideal angepaßt wurde (Die gelehrten Bräute Christi. Geistesleben und Bücher der Nonnen im Hochmittelalter. In: Die gelehrten Bräute Christi. Geistesleben und Bücher der Nonnen im Hochmittelalter. Vorträge. Mit einer Einführung von Helmar Härtel. Hrsg. v. Helwig Schmidt-Glintzer. Wiesbaden 2008 (Wolfenbütteler Hefte 22), S. 39-81). 103 S chromm : Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries, S. 53. 104 Ebd., v.a. S. 64. Problematisch erscheint mir dieses Ergebnis v.a. deshalb, weil in der Einleitung bereits entsprechende Erwartungen, z.B. hinsichtlich der Inhalte und der Volkssprachigkeit, formuliert werden (ebd., S. 1ff.). Aspekte des Kirchheimer Buchbestandes, die nicht in dieses Bild passen, wie z.B. lateinische Texte, werden aufgrund dieser Prämissen in ihrer Bedeutung eingeschränkt (S. 53f.) oder den männlichen Seelsorgern zugeschrieben (S. 84). «Die Sammlung bietet den zisterziensischen Grundbestand: eine grosse Zahl an Liturgica, die Bibel samt Kommentaren, Heiligenviten, die Werke des hl. Bernhard, die Ordensregel, wenig Theologie und Kirchenrecht, von den Kirchenvätern nur Origines. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Teil der Kirchenväterliteratur in der Verlustliste von 1513 (Augustinus, Beda, Gregor, Hrabanus Maurus) schon im 13. Jahrhundert vorhanden gewesen sein kann.» 105 Zwar stehen übergreifende Untersuchungen zu den Zisterzienserbibliotheken und Skriptorien, die prüfen, ob es einen solchen «zisterziensischen Grundbestand» wirklich gab oder ob es sich möglicherweise auch hier um eine unzulässige Verallgemeinerung handelt, noch aus, die Einzeluntersuchungen bestätigen zunächst einmal dieses Bild. 106 Charakteristika der Salemer Bibliothek bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts sind nach den Untersuchungen von Andrea F leischer die zahlreichen Liturgica, die - nicht untypische - dürftige Überlieferung von Autoren des Zisterzienserordens, 107 eine große Zahl von Heiligenviten, bei den Zisterziensern beliebte und verbreitete Mirakelsammlungen und Visionsberichte, Kirchenväterliteratur, aber auch einige Werke jüngerer Schriftsteller, wie z.B. der Viktoriner, dann die Etymologiae des Isidor von Sevilla, Texte für die Schullektüre sowie Schriften, die sich aus den Beziehungen des Klosters zu den Staufern erklären. 108 Den Grund für diesen Bibliothekszuschnitt sieht man in der dezidiert monastischen Ausrichtung des Ordens und der damit verbundenen, bereits erwähnten Zurückhaltung gegenüber der Wissenschaft, wie sie etwa bei Bernhard von Clairvaux mehrfach explizit formuliert wird. 109 Dazu paßt auch «der konservative, biblische Charakter der zisterziensischen Tisch- Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 365 105 K amber , Peter H.: Die Bibliothek der Zisterzienserabtei St. Urban von 1194 bis heute. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige 110 (1999), S. 73-97, hier S. 77. 106 F leischer , Andrea: Zisterzienserabt und Skriptorium. Salem unter Eberhard I. von Rohrdorf (1191-1240). Wiesbaden 2004 (Imagines Medii Aevi. Interdisziplinäre Beiträge zur Mittelalterforschung 19), S. 141 und Anm. 22 mit weiteren Literaturangaben; B uzás : Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, S. 63. Einen Überblick über die Zisterzienserbibliotheken im deutschsprachigen Raum bietet S chneider [u.a.]: Skriptorien und Bibliotheken der Cistercienser; zum Grundbestand einer Zisterzienserbibliothek vgl. im selben Band, S. 26f. 107 Zumindest scheint die Zugehörigkeit eines Autors zum eigenen Orden nicht das entscheidende Kriterium für die Anschaffung eines Buches gewesen zu sein (vgl. K ottje , Raymund: Kloster Kamp und seine Bücher im Mittelalter. In: Buchmalerei der Zisterzienser, S. 28-34, hier S. 32). 108 F leischer : Zisterzienserabt und Skriptorium, S. 154-162. 109 Zur Einstellung der Zisterzienser zu den Wissenschaften vgl. ebd., S. 138-142; L eclercq , Jean: Wissenschaft und Gottverlangen. Zur Mönchstheologie des Mittelalters. Düsseldorf 1963, S. 234ff. Allerdings wird auch auf die Existenz scholastischer Literatur in Zisterzienserbibliotheken hingewiesen, die durch das St. Bernhardskolleg in Paris befördert worden sein könnte (H einzer : Maulbronn und die Buchkultur Südwestdeutschlands im 12. und 13. Jahrhundert, S. 164f.; K ottje : Kloster Kamp und seine Bücher im Mittelalter, S. 31). lesungen», wie er etwa aus einem Verzeichnis der Lesungen der Abtei Heiligkreuz bei Wien hervorgeht. 110 Daß Bernhard selbst freilich hochgebildet war, stellt insofern keinen Widerspruch dar, als es sich um programmatische Aussagen zur Formulierung des zugrundeliegenden Mönchsideals handelt. Auch werden nicht alle Zisterzienserbibliotheken zu allen Zeiten diesem Muster entsprochen haben. Wichtig scheint mir jedoch, die Bibliotheken der Frauenklöster nicht von vornherein unnötig weit von denen der Männerklöster fortzurücken, ohne damit die durchaus vorhandenen Unterschiede leugnen zu wollen. 111 Insbesondere für die Zeit der monastischen Reformen wird die Frage nach einer ordensspezifischen Zusammensetzung von Bibliotheken verneint. Man geht davon aus, daß die Zugehörigkeit zur observanten bzw. konventualen Richtung die Ordenszugehörigkeit überlagerte. Für die Zeit der Reform konstatiert Klaus G raf : «Ordensgrenzen spielten bei der Rezeption von Literatur, die über die Reformbewegungen verbreitet wurde, kaum eine Rolle. […] Signifikante Unterschiede zwischen den von Benediktinern für Benediktinerinnen oder andere Frauenklöster zusammengestellten Büchern und den in den Dominikanerinnenklöstern vorhandenen Textsammlungen sind mir nicht aufgefallen und m.W. auch bislang nicht von der Forschung erörtert worden.» 112 Ob weitere Untersuchungen diese Beobachtung stützen, bleibt abzuwarten. Diese Übereinstimmungen hängen möglicherweise ebenfalls mit den monastischen Idealen zusammen, die für die Zisterzienser grundlegend waren und die die Reformer reaktivieren wollten. 113 Dazu kommt, daß die Reformer des 15. Jahrhunderts die Frauenklöster - ebenso wie die Laien insgesamt - ausdrücklich in ihre Reformbestrebungen einbezogen. 114 Der Kenntnisstand hinsichtlich der Buchproduktion in Zisterzienserinnenklöstern ist ebenfalls noch bescheiden. Christa B ertelsmeier -K ierst kommt zu dem Ergebnis, daß «der Anteil zisterziensischer Ordensfrauen an der Buch- 366 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 110 P almer : Zisterzienser und ihre Bücher, S. 168f. 111 B uzás : Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, S. 87f.: «Für die Bücher, die die Nonnen für ihr eigenes Kloster schrieben, war der Gottesdienst und die in allen Mönchsregeln enthaltene geistliche Lesung, vor allem die gemeinsame Tischlesung von großer Bedeutung. Die Texte waren zunächst dieselben wie in den Männerklöstern, die erbaulichen Schriften der Kirchenväter und -schriftsteller, Legendare, Predigtsammlungen, Betrachtungen.» Allerdings schränkt auch er ein, daß die Lesung schon früh und oft in der Volkssprache gehalten wurde und die für Frauen bestimmte Literatur von der Erbauung und nicht von der Wissenschaft ausging. 112 G raf : Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 130. 113 Vgl. dazu K öpf : Monastische Theologie im 15. Jahrhundert. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 11 (1992), S. 117-135. 114 Vgl. B uzás : Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, S. 88: «Der Basler Dominikaner, Chronist und Seelsorger in mehreren Frauenklöstern Johannes Meyer († 1485) gab in seinem 1454 verfaßten ‹Buch der Ämter der Schwestern des Predigerordens› sehr ausführliche Instruktionen für die Tischlesung und für die Verwaltung der Klosterbibliothek.» Auch die Ceremoniae sanctimonialium ordinis S. Benedicti sub observantia Bursfeldensi famulantium sahen Buchherstellung und Lateinkenntnisse der Nonnen vor. produktion des 13. Jahrhunderts» aufgrund der schlechten Überlieferungslage kaum zu ermitteln sei. Auch fehlten noch weitgehend entsprechende Untersuchungen ihrer Skriptorien. 115 Immerhin kann sie eine ganze Reihe von meist liturgischen Codices aus Zisterzienserinnenklöstern präsentieren, die exemplarisch für deren Handschriftenproduktion stehen können. Auch Elisabeth S chraut hat bei näherem Hinsehen Handschriften aus den fränkischen Zisterzienserinnenklöstern, bei denen Ernst Günther K renig keine kulturellen Leistungen hatte feststellen können, entdeckt. Es sind zwar wenige, doch belegen sie für die Entstehungszeit die Existenz von Skriptorien. Von besonderem Selbstbewußtsein zeugt ein Antiphonar aus Billigheim. Der Hauptteil der auf 1344 datierten Handschrift wurde von Alheidis Quidenbeumen geschrieben. Sie nennt sich nicht nur in einem Kolophon auf 15r, sondern auch am Ende jeder Lage und auf Blatt 227r zusammen mit ihrem Wappen. Auch an zehn der zahlreichen Zierinitialen hat sie ihren Namen gesetzt. 116 Carl B aur hat ebenfalls solche Spuren eines Skriptoriums im Kloster Wald ausmachen können. 117 Auch für die norddeutschen Zisterzienserinnen sind Skriptorien nachweisbar. Für das Kloster Rulle bei Osnabrück sind Ende des 13. Jahrhunderts zwei namentlich genannte scriptrices belegt. 118 In Lilienthal, dessen Handschriften nicht überliefert sind, ist vom 13. bis 15. Jahrhundert ein eigener Schreibbetrieb nachweisbar. 119 Das gleiche gilt für Medingen, unter dessen Handschriften sich auch mehrere illustrierte Codices befinden. 120 Eine als scrittorix bezeichneten Zeugin einer Konventsurkunde des Klosters Bersenbrück, aus dem sich nur eine einzige um 1300 entstandene Handschrift Super Apokalipsim erhalten hat, macht die Existenz einer Schreibstube um die Mitte des 14. Jahrhunderts wahrscheinlich. 121 Auch Nigel F. P almer kommt für die Salem unterstellten Frauenklöster zu dem Ergebnis, daß die Zeugnisse zwar rar sind, aber immerhin doch belegen, daß die Nonnen Handschriften kopierten. «The degree of literacy and liturgical knowledge required for the copying of such books, even under supervision, should not be underestimated.» 122 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 367 115 B ertelsmeier -K ierst : Beten und Betrachten - Schreiben und Malen, S. 174. 116 S chraut , Elisabeth: Zum Bildungsstand fränkischer Zisterzienserinnenkonvente. In: Württembergisch Franken 72 (1988), S. 43-67, hier S. 49. 117 B aur : Mittelalterliche Schreibkunst im Kloster Wald. 118 D elbanco , W.: Rulle. In: Germania Benedictina XII, S. 636-654, hier S. 645. Der nach der Stifterin, der Nonne Gisela von Kerssenbrock, benannte Codex Gisle, ein vor 1300 entstandenes Graduale und «die beste niedersächsisch-westfälische Handschrift zwischen 1250 und 1400», ist wahrscheinlich nicht in Rulle entstanden (K roos : Der Codex Gisle, S. 117 und 128). 119 J arck , H.-R.: Lilienthal. In: Germania Benedictina XII, S. 282-307, hier S. 290f. 120 R einhardt , U.: Medingen, S. 535. Zu den Medinger Handschriften vgl. demnächst Henrike L ähnemann . (Arbeitstitel des Projekts: ‹Christ is vpstande›. Die Medinger Handschriften und die Entwicklung volkssprachiger Andachtsformen). 121 A hlers , G.: Bersenbrück. In: Germania Benedictina XII, S. 63-89, hier S. 78. 122 P almer , Nigel F.: Daughters of Salem. The Literary and Visual Culture of Cistercian Nuns in South-West Germany. In: Frauen - Kloster - Kunst, S. 85-97, hier S. 91. Die erhaltenen Handschriften in Wienhausen, Lichtenthal und Helfta stammen aus zeitlich und historisch unterschiedlichen Zusammenhängen. Dennoch lassen sich in den untersuchten Klöstern Faktoren ausmachen, die offensichtlich Entstehung und Gebrauch von Literatur über die unerläßliche Grundausstattung hinaus begünstigten, allerdings nicht nur für zisterziensische Frauenklöster von Bedeutung sind. In Wienhausen zeigt die Überlieferung von Literatur sowie Bildzeugnissen, die Literatur voraussetzen, das kontinuierlichste Bild: Der jeweiligen Phase wie Gründung oder Reform entsprechend finden sich verschiedene Gattungen wie Chronik, Legendar, Spiel, Gebet- und Liederbuch. Hier wird also nicht nur Literatur ‹bewahrt›, sondern nimmt einen festen Platz im Selbstverständnis ein und partizipiert an aktuellen literarhistorischen Entwicklungen. Ein ganz ähnliches Bild bietet auch die kunsthistorische und architektonische Ausstattung des Klosters. Kennzeichnend für diese Literatur ist ihre Zweisprachigkeit und die Verbindung geistlich-lateinischer wie weltlich-volkssprachiger Elemente. Daß Wienhausen ein solches Spektrum an Kunst und Literatur zu bieten hat, verdankt sich auch der Tatsache, daß es zwar in ein evangelisches Damenstift umgewandelt, aber nie aufgelöst wurde. Fragt man nach den möglichen Gründen für diese Kontinuität, so scheint der Status als ‹Welfenkloster› der konstanteste und sichtbarste Faktor der Klostergeschichte zu sein. Dies zeigt sich in der Anwesenheit von Frauen aus der Herzogsfamilie, in den Wappendarstellungen der Bildteppiche und in der Ausrichtung der Klosterchronik. Die Frage nach den maßgeblichen Instanzen der Literaturproduktion ist aufgrund fehlender Quellen schwierig zu beantworten. 123 Dort, wo die Texte selbst - wie in der frauenmystischen Literatur - ihre Entstehung thematisieren, sind ihre Aussagen programmatisch und funktional eingebunden in die Gesamtintention der Texte und nur mit gewissen Vorbehalten verwendbar, um zu Aussagen über die Kompetenzverteilung innerhalb der Klöster im Hinblick auf Literatur zu gelangen. Die Wienhäuser Chronik nennt für die Vita der Stifterin Äbtissin und Propst als Initiatoren. Die etwa zeitgleiche Hs. 3 könnte ebenfalls von ihnen in Auftrag gegeben worden sein. Im Hinblick auf das Re- 368 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 123 Klaus G raf konstatiert für das Augsburger Dominikanerinnenkloster St. Katharina: «Ob die Lektüre der Nonnen von ihren Betreuern und Seelsorgern kontrolliert oder gar ‹zensiert› wurde, muß mangels Quellen offengelassen werden» (Ordensreform und Literatur in Augsburg, S. 135). Werner W illiams -K rapp geht davon aus, daß die Lektüre der Nonnen von den männlichen Betreuern beeinflußt wurde (Frauenmystik und Ordensreform, bes. S. 302 und 312). Auch Arnold S chromm nimmt an, daß das Zisterzienserkloster Kaisheim durch die von ihm gestellten Beichtväter in dieser Hinsicht auf das ihm unterstellte Frauenkloster Kirchheim Einfluß nahm. Wie in Lichtenthal scheinen aber auch hier v.a. liturgische und das Ordensleben betreffende Texte von dort gekommen zu sein. Daß Kaisheim die andernorts in Auftrag gegebenen oder gestifteten Handschriften in irgendeiner Weise kontrollierte, ist nicht belegt (Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries, S. 37ff.). Mir erscheint daher «das Übergewicht männlichen Einflusses auf die Literaturauswahl in Frauenklöstern» weniger deutlich als S chromm (ebd., S. 60). gula-Corpus kommt die Frage hinzu, inwieweit seine Entstehung sich mit der Reform verrechnen läßt und inwieweit die Interessen der Verfasserin, der jeweiligen Äbtissin, der Vertreter des Ordens und schließlich des Konvents selbst parallel oder konträr liefen. Regulas Kommentare liefern aber immerhin Hinweise, daß sich die Literaturauswahl und Literaturproduktion eines Frauenkonvents zur Zeit der Reform in diesem Spannungsfeld bewegte. Bei allen zu konzedierenden Einflüssen spricht jedoch einiges dafür, daß die Auswahl und Gestaltung - natürlich innerhalb eines von der Ordensregel vorgeschriebenen Rahmens - weitgehend ihr überlassen war. 124 Und sie scheint ihren Spielraum genutzt zu haben, um mit dem von ihr konzipierten Literaturprogramm das Selbstbewußtsein sowie das literarische Interesse der Klosterfrauen zu fördern. Da sie dies mit großer Wahrscheinlichkeit in ihrer Funktion als Buchmeisterin oder cantrix tat, kann man vermuten, daß auch in anderen Frauenklöstern im Prinzip diese Möglichkeit bestand. Voraussetzung war allerdings, daß eine ähnlich gebildete und tatkräftige Nonne für dieses Amt zur Verfügung stand. Tatsächlich gibt es auch Nachrichten über solche Frauen, so daß Regula vielleicht eine weniger exzeptionelle Figur der spätmittelalterlichen Frauenklöster ist, als es auf den ersten Blick scheinen mag. 125 Die literarische Überlieferung aus Helfta konzentriert sich auf einen vergleichsweise kurzen Zeitraum am Anfang seiner Geschichte, der auch in anderen Zisterzienserinnenklöstern als «Blütezeit» bezeichnet wird. Das Zusammentreffen und Zusammenspiel offenbar mehrerer literarisch und theologisch ambitionierter Frauen scheint hier den Ausschlag gegeben zu haben. Eine dauerhafte Produktion von Literatur ist dadurch wahrscheinlich nicht initiiert worden. Allerdings muß man auch hier wiederum die Geschichte und die davon abhängende Überlieferung berücksichtigen. 1251 übernahm Gertrud von Hakeborn das Äbtissinnenamt. Unter ihrer Ägide erfolgte - offiziell aus wasser mangel - die zweite Verlegung 1258 nach Helfta bei Eisleben (Abb. 33), 126 das sich zu dieser Zeit unter der Herrschaft ihrer Brüder, der Freiherren Albrecht und Ludwig von Hakeborn, befand und zum Bistum Halberstadt bzw. zum Erzbistum Magdeburg gehörte. 127 Die Familie von Hakeborn war mit den Grafen von Mansfeld bzw. Querfurt verwandt und befreundet. 128 Nachdem 1262 der Erzbischof Ruprecht von Magdeburg, Enkel des Klosterstifters, dem Kloster den Hof ge- Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 369 124 Zur selbstbewußten Haltung von Zisterzienserinnen gegenüber den Beichtvätern vgl. auch O strowitzki : Der «Liber dictaminum» des Abtes von Himmerod als Zeugnis für die cura monialium im spätmittelalterlichen Zisterzienserorden, S. 176f. 125 Vgl. etwa die bei Ladislaus B uzás (Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, S. 89f.) genannten Beispiele; siehe auch H einzer : Lichtenthaler Bibliotheksgeschichte als Spiegel der Klostergeschichte, S. 52f. und S chmidt : Kleben statt Malen: Handschriftenillustration im Augustiner-Chorfrauenstift Inzigkofen, S. 270ff. 126 Zur Geschichte des Ortes Helfta vgl. W artenberg : Die Mansfelder Grafen und die Klöster im Mansfelder Land, S. 64. Zur Erklärung der häufig zu beobachtenden Umzüge der Klöster vgl. Kap. 6.3 Anm. 24. 127 A nkermann : Gertrud die Große von Helfta, S. 24f. 128 G ottschalk : Kloster Helfta und Schlesien, S. 76. schenkt hatte, auf dem es eingerichtet worden war, fällt der gezielte Ausbau des Besitzes in Helfta durch Schenkungen der drei genannten Adelsfamilien auf. Insbesondere die Äbtissin Gertrud und ihre beiden Brüder forcierten den Aufstieg des Klosters, indem sie zunächst für dessen wirtschaftliche Fundierung sorgten. 129 Die Entsendung von zwölf Nonnen nach Hedersleben 1262 wird in der Forschung ebenfalls als Indiz für die Prosperität des Klosters gewertet. 130 Gertruds Einfluß hängt sicherlich mit ihrer verwandtschaftlichen Bindung an die Familien, die das Kloster in entscheidender Weise unterstützten, zusammen, und ihre lange Amtszeit bis 1292 dürfte zu einer kontinuierlichen Entwicklung des Kloster beigetragen haben. Interessant ist auch hier wiederum, wie die Helftaer Texte die Bedeutung der Äbtissin reflektieren. Es geht hier nicht darum, die Textaussagen auf die historische Person Gertruds zu beziehen. Es ist unverkennbar, daß die Texte ihre Vita mit hagiographischen Topoi schmücken, die sie zu einer heiligmäßigen Äbtissin und Gründungsfigur stilisieren, 131 ähnlich wie die Wienhäuser Chronik Agnes von Meißen als fromme Stifterin darstellt. Wenn aber in einem Frauenkloster, in dem anerkanntermaßen anspruchsvolle geistliche Literatur hervorgebracht wurde, die Entstehung dieser Literatur und die Rolle der Äbtissin dabei in dieser Literatur selbst thematisiert wird, lohnt es sich, noch einmal genauer hinzuschauen. Die Art und Weise, wie sowohl im Liber specialis gratiae, der Mechthild von Hakeborn zugeschrieben wird, als auch im Legatus divinae pietatis, in dessen Zentrum Gertrud von Helfta steht, die Äbtissin und ihre Sorge für das Kloster, insbesondere für den Unterricht, ausführlich dargestellt werden, verleiht ihr die Rolle einer Schlüsselfigur. 132 Daß Mechthild und die Äbtissin Gertrud als geistliche und 370 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 129 Gerlinde S chlenker vergleicht die Wirtschaftsweise von Helfta mit der des benachbarten Sittichenbach. Im Gegensatz zu diesem sind für Helfta wie auch für andere Frauenklöster zwar keine Grangien nachweisbar. Dennoch gelang es dem Kloster umfangreichen Besitz zu erwerben und diesen in bestimmten Dörfern, v.a. Helfta selbst, zu konzentrieren (Die Wirtschaftsprinzipien der Zisterzienser, S. 83-88; vgl. auch D ies .: Helfta (Sachsen). In: Repertorium der Zisterzen in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Hrsg. v. Gerhard Schlegel unter Mitarbeit v. Michael Berger, Christa Cordshagen u. Annelie Kansy für den Verein der Katholischen Kirchengeschichte in Mecklenburg e.V. Bergheim 1998, S. 287-291). 130 Zur Größe des Konvents vgl. G ottschalk : Kloster Helfta und Schlesien, S. 69; A nker mann : Gertrud die Große von Helfta, S. 25; O efelein : Grundlagen zur Baugeschichte des Klosters Helfta, S. 17. Die von Caroline Walker B ynum angegebene, offenbar dem Legatus divinae pietatis (Buch 5, Kap. 1) entnommene Zahl von etwa hundert Nonnen gegen Ende des 13. Jahrhunderts ist mehrfach kritisiert worden (Jesus as mother, S. 175). J. Hermann H elfta rechnet sogar nur mit «wenig mehr als zehn Nonnen und doppelt so vielen Konversen» (Kloster Helfta. Ehemalige Zisterzienserinnen-Abtei St. Maria. 2. Aufl. Regensburg 2000 (Schnell-Kunstführer 2219), S. 7). 131 Vgl. B angert : Die sozio-kulturelle Situation des Klosters St. Maria in Helfta, S. 39-42. 132 Lib. Buch 6, Kap. 1-9; Leg. Buch 5, Kap. 1. Der Text des Liber specialis gratiae wird zitiert nach: Sanctae Mechtildis Virginis Ordinis Sancti Benedicti Liber specialis gratiae, accedit Sororis Mechtildis ejusdem Ordinis Lux divinitatis. Opus ad codicum fidem nunc primum integre editum solesmensium o.s.b. monachorum cura et opera. Pictavii et leibliche Schwestern vorgestellt werden, betont die Rolle der Familie und ihren Einfluß im Kloster. Mechthild ist mittels historischer Dokumente zwar nicht als Angehörige der Familie nachzuweisen, 133 aber laut Text werden hier gleich zwei Töchter der Familie von Hakeborn, von der die Neugründung des Klosters in Helfta ausging, in je eigener Weise zu Heiligen stilisiert. 134 Mechthild selbst ist es, die als Visionärin ihre Schwester an deren Jahrtag im Himmel erblickt und ihre ‹Botschaft› an den Konvent weitergibt. 135 Unabhängig davon, ob Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 371 Parisiis 1877 (Revelationes Gertrudianae ac Mechtildianae 2). Übersetzung: Leben und Offenbarungen der heiligen Mechthildis und der Schwester Mechthildis (von Magdeburg), Jungfrauen aus dem Orden des heiligen Benediktus. Hrsg. nach den neuesten lateinischen Ausgaben v. J. Müller. 2 Bde. Regensburg 1880/ 81. 133 Die Literatur zu Mechthild von Hakeborn ist längst nicht so umfangreich wie die zu Mechthild von Magdeburg. Historische Dokumente zu ihrer Person liegen nicht vor. Die in der Literatur, insbesondere den Lexikoneinträgen, vorgestellte ‹Biographie› ist ausschließlich aufgrund der Helftaer Texte erstellt, auch wenn das nicht immer explizit formuliert wird. B ynum : Jesus as Mother, S. 209-227; C aron , Ann Marie: The continuum of time and eternity in the Liber specialis gratiae of Mechtild of Hackeborn (1241-99). In: Time and eternity. The medieval discourse. Hrsg. v. Gerhard Jaritz u. Gerson Moreno- Riaño. Turnhout 2003 (International medieval research 9), S. 251-269; H aas , Alois M.: Mechthild von Hackeborn. Eine Form zisterziensischer Frauenfrömmigkeit. In: Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit. Ergänzungsband, S. 221-239; H ubrath , Margarete: The Liber specialis gratiae as a Collective Work of Several Nuns. In: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 11 (1999), S. 233-244; D ies .: Der Liber specialis gratiae Mechthilds von Hakeborn. In: Bete und Arbeite! Zisterzienser in der Grafschaft Mansfeld, S. 169-182; D ies .: Schreiben und Erinnern; K öbele : Bilder der unbegriffenen Wahrheit, S. 104-122; K olletzki , Claudia: «Über die Wahrheit dieses Buches». Die Entstehung des «Liber Specialis Gratiae». In: «Vor dir steht die leere Schale meiner Sehnsucht». Die Mystik der Frauen von Helfta, S. 156-179; S chmidt , Margot: Elemente der Schau bei Mechthild von Magdeburg und Mechthild von Hackeborn. Zur Bedeutung der geistlichen Sinne. In: Frauenmystik im Mittelalter, S. 123-151; D ies .: Mechthilde de Hackeborn. In: Dictionnaire de spiritualité, ascétique et mystique 10, 1980, Sp. 873-877; D ies .: Mechthild von Hackeborn. In: 2 VL 6, 1987, Sp. 251-260; W iberg P edersen , Else Marie: Gottesbild - Frauenbild - Selbstbild. Die Theologie Mechthilds von Hackeborn und Gertruds von Helfta. In: «Vor dir steht die leere Schale meiner Sehnsucht». Die Mystik der Frauen von Helfta, S. 48-66. 134 Es finden sich auch in anderen Nonnenklöstern Hinweise auf verwandte Frauen, die sich miteinander für den Konvent einsetzten: In Kirchheim ist in der Allerheiligenkapelle das gemeinsam Grabmal zweier Schwestern erhalten, die wohl auch die Wandmalereien dieser Kapelle stifteten; die Äbtissin Maria von Oettingen wurde v.a. von ihrer Mutter bei der Ausstattung des Klosters unterstützt (S chromm : Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries, S. 77f. und 48). Ähnlich verhält es sich bei der Wienhäuser Äbtissin Katharina von Hoya, deren Mutter als Witwe ebenfalls im Kloster lebte, und die beide für das Kloster stifteten (vgl. S. 267). Daß man die Anzahl von verwandten Nonnen im Kloster häufig zu begrenzen suchte, zeigt die Furcht seitens des Ordens oder Diözesanherrn vor solchen einflußreichen Verbindungen; vgl. dazu S ignori : Leere Seiten, S. 167. 135 Lib. Buch 6, Kap. 9 (S. 390): Tunc illa quae haec videbat, dixit ad eam: «Mi soror carissima, quid maxime a nobis desideras observari? » Quae respondit: «Humilem subjectionem, diese Idealisierung nur durch die Texte erfolgte oder auch tatsächlich gelebt wurde, zeugt dies von den Ambitionen der Familie. In dieser Hinsicht vergleichbar ist ein lateinischer Text aus dem noch vor 1179 gegründeten und damit ältesten deutschen Zisterzienserinnenkloster St. Thomas an der Kyll. In diesem erscheint die erste, vor 1205 verstorbene Äbtissin des Klosters der Priorin, um auf diese Weise ihre Lehre an die Klostergemeinschaft zu richten. Auch hier wird die Äbtissin als zentrale Figur vorgestellt, die auch noch nach ihrem Tod gemeinschaftsstiftend wirkt, und auch hier deutet der Text eine Verwandtschaftsbeziehung zwischen Äbtissin und Priorin an, bei denen es sich um die Tochter und wahrscheinlich die Enkelin der Stifter, also Tante und Nichte handelt, und auch die Mutter der Priorin tritt in einer ihrer Visionen auf. 136 Auffällig ist auch die mehrmalige Erwähnung von Mitgliedern der Stifterfamilie im Liber specialis gratiae. 137 Mechthild sieht während der für den Stifter Burchard von Mansfeld gehaltenen Messe seine Seele vor Gott stehen; Kleid und Krone der Seele sind geschmückt aufgrund der Verdienste durch die Klostergründung. 138 Im Kapitel 15 des 5. Buches bittet die Äbtissin (Sophie von Mansfeld) Mechthild, etwas über ihren Vater zu erfahren. Mechthild sieht seine durch Tugenden geschmückte Seele, unter denen besonders die oblatio seiner Tochter hervorsticht. Und auch im Kapitel 20 des 7. Buches geht es noch einmal um die Memoria des Stifters. Seine Seele ist mit einer Tunica geschmückt, die sie bei der Auffahrt der Äbtissin Gertrud empfing: Tunc illa quae haec videbat ait illi: «Unde Vobis tantarum virtutum tam copiosa varietas.» Cui anima: «Non meis meritis hanc tam magnificam promerui gratiam, sed ex Dei mei pietate et virtutibus dilectae mihi Congregationis utor. Hanc autem tunicam omnibus virtutibus redimitam, in ascensu magnificae reginae, videlicet Domnae Gertrudis Abbatissae accepi. Ipsam denique velut regina praepotens, innumeris virtutibus, divitiis, coeleste palatium in insigni gloria intravit; ut de illa dici possit illud Regum: Et ingressa regina in Hierusalem, etc. (III. Reg. x. 2.).» 139 372 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? amabilem in invicem charitatem, et fidelem ad Deum in omnibus intentionem.» Et adjecit: «Eia, da cor tuum amori totum, et omnes ama homines: tunc amor Dei et omnium qui unquam Deum dilexerunt, totus tuus erit. Similiter si humilis es, humilitas Christi et omnium qui se pro ejus nomine humiliaverunt, vere tua erit. Et si misericordiam proximo feceris, Dei misericorida et Sanctorum ejus etiam tua erit; et sic de aliis virtutibus esse scias.» 136 R issel , M. Hiltrud: Ein Zeugnis vom geistlichen Leben in der Frühzeit: Die sogenannten «Visionen» von St. Thomas. In: St. Thomas an der Kyll, S. 55-84. Der Text ist in einer Handschrift des 15. Jahrhunderts überliefert zusammen mit den Schriften Elisabeths von Schönau und Briefen Hildegards von Bingen, deren Vorlage ein Himmeroder Codex des 12./ 13. Jahrhunderts war. Zur Klostergeschichte siehe M üller , Edmund: Die Geschichte des Konvents der Zisterzienserinnen von St. Thomas an der Kyll bis 1802. In: St. Thomas an der Kyll, S. 25-53. 137 Lib. Buch 5, Kap. 10, 11, 15; Buch 7, Kap. 20. Vgl. auch Leg. Buch 5, Kap. 17. 138 Lib. Buch 5, Kap. 10 (S. 334f.). 139 Lib. Buch 7, Kap. 20 (S. 416). Ausdrücklich betont wird noch einmal der Nutzen der Feier seines Jahrtages für ihn und die Seelen im Fegefeuer. Bestandteil ihrer Darstellung als vorbildliche Äbtissin ist auch die Sorge für Bücher und Bildung der Nonnen 140 und ihr Anteil an der Entstehung der Schriften über Leben und Offenbarungen Mechthilds: Benedictus sit Dominus Deus monis gratiae, cujus dono et voluntate hic Liber editus est; nequaquam propria deliberatione et praesumptione scribentium, sed consilio et praecepto Domnae Abbatissae et consensu suae et consensu Praelati sui. Ipsa etiam Christi ancilla, cui haec omnia a Deo sunt inspirata et revelata, librum hunc legit, approbavit et correxit; quod hoc modo evenit. 141 Der göttliche wie weltliche Schreibbefehl ist zwar innerhalb des Textes als Topos anzusehen, sagt aber dennoch etwas darüber aus, wie man sich die Legitimierung eines im Kloster entstandenen Textes vorstellt: 142 Die Äbtissin ist in Kenntnis gesetzt, mehr noch, von ihr geht die Initiative aus und der ‹Prälat› hat seine Zustimmung gegeben. Wer unter dem letzteren zu verstehen sei und wie genau er den Text prüfte, bleibt ähnlich vage wie bei Regula, die das Urteil von Beichtvätern zitiert, um ihre Texte zu legitimieren. Zwischen 1292 und 1303 übernahm Äbtissin Sophie von Mansfeld, die Urenkelin des Stifters, die Führung des Klosters. Diese Kontinuität spiegeln auch die Texte. 143 Über die Zeit dieser Äbtissinnen hinaus sind keine in Helfta entstandenen Texte bekannt. Dies mag seinen Grund in der Überlieferung haben, aber auch in der weiteren Geschichte des Klosters, denn 1346 mußte der Konvent aufgrund der Zerstörungen infolge des Halberstädter Bischofsstreits Helfta verlassen und sich nahe der Stadtmauer Eislebens einen neuen Standort nehmen. Graf Burchard von Mansfeld hatte dem Kloster Land für diese Neugründung, die sich fortan Neu-Helfta - ein Zeichen der angestrebten Kontinuität - nannte, geschenkt. Vermutlich sind bei Plünderung und Brand des Klosters die Bibliothek und das Archiv, die Grundlage jeder literarischen Betätigung, weitgehend vernichtet worden. 144 Auch der für das Kloster so maßgebliche Einfluß der Familie von Hakeborn dürfte zu Ende gegangen Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 373 140 Lib. Buch 6, Kap. 1 (S. 374f.): Divinam Scripturam valde studiose et mira delectatione quandocumque poterat legebat, exigens a subditis suis ut lectiones sacras amarent, et jugi memoria recitarent. Unde omnes bonos libros quos poterat, ecclesiae suae comparabat, aut transcribi a Sororibus faciebat. Studiose et hoc promovebat, ut puellae in liberalibus artibus proficerent, ita dicens, si studium scientiae deperierit, cum amplius divinam Scripturam non intellexerint, Religionis simul cultus interibit. Unde et juniores minus litteratas amplius addiscere saepe cogebat, et magistras eis providebat. 141 Lib. Buch 5, Kap. 31 (S. 369). 142 Auch Arnold S chromm berichtet über das Zisterzienserinnenkloster Kirchheim, daß die Äbtissin für die Buchbeschaffung verantwortlich war und über einen eigenen Buchbestand verfügte (Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries, S. 48). 143 Zur Wahl der nächsten Äbtissin vgl. Lib. Buch 4, Kap. 14. 144 O efelein : Moniales grisei ordinis, S. 46. sein, da sie ihre Herrschaft Wippra 1328 an das Erzstift Magdeburg und Helfta 1346 an die Grafen von Mansfeld verkauften und sich räumlich neu orientierten. 145 In der Reformationszeit wurde das Kloster erneut durch aufständische Bauern zerstört; einige Schätze wurden nach Schloß Mansfeld gebracht, die meisten Nonnen flüchteten nach Halle, einige bezogen aber auch ein verlassenes Kloster in Mähren. Auf Betreiben der Äbtissin und mit Unterstützung des Grafen Hoyer von Mansfeld wurde das Klostergebäude und die Marienkirche Alt-Helftas wieder hergerichtet, doch 1542 wurde auch diese Kirche für den evangelischen Gottesdienst geöffnet, bald darauf das Klosters säkularisiert und schließlich verkauft. Im 17. Jahrhundert wurden die Gebäude durch einen Brand zerstört, im 18. Jahrhundert erfolgte die Umwandlung des Klostergutes in eine königliche Domäne. 146 Im Gegensatz zu Wienhausen oder Lichtenthal ist daher von der ursprünglichen Ausstattung, auch von dem anzunehmenden, sicher nicht unbedeutenden Buchbesitz nur wenig erhalten. 147 Das Einsetzen einer eigenen Literaturanschaffung und -produktion sowie der Überlieferung hängen also eng mit der Klostergeschichte, auch über dessen Auflösung hinaus, zusammen. Daß uns die Helftaer Texte erhalten sind, verdankt sich allein der ungewöhnlichen Tatsache, daß sie über das Kloster selbst hinaus verbreitet und bekannt waren. Dies wirft möglicherweise ein Licht auf die Überlieferung aus Frauenklöstern: Die Helftaer Nonnen waren Vorreiterinnen auf theologischem wie literarischem Gebiet, vor allem aber waren diese Texte und ihre Entstehung explizit an ein Frauenkloster gebunden und blieben also auch außerhalb ihres ursprünglichen Kontextes als solche kenntlich. Für Literatur aus Frauenklöstern, die sich im Rahmen dessen bewegte, was auch in Männerklöstern geschrieben und gelesen wurde, gilt das hingegen nicht. Das erklärt das besondere Interesse auch für andere frauenmystische Texte damals wie heute, die dadurch auch besonders das Bild von Leben und Literatur mittelalterlicher Frauenklöster prägen. Lichtenthal wiederum bietet ein Beispiel dafür, wie die Reform eines Klosters die Initialzündung für die Literaturproduktion sein konnte. Es hat jedoch den Anschein, als sei die Reform in diesem Fall zwar eine notwendige, jedoch keine hinreichende Begründung für diesen Vorgang. Vielmehr scheint der Wissenstransfer in der Person der Schwester Margaretha, der personifizierten 374 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 145 G ottschalk : Kloster Helfta und Schlesien, S. 75; W artenberg : Die Mansfelder Grafen und die Klöster im Mansfelder Land, S. 64f. Zur Geschichte der Familie von Hakeborn und der fehlenden festen Verbindung mit einem bestimmten Territorium vgl. auch B erg , Arnold: Die Herren von Hackeborn. In: Genealogie und Heraldik. Zeitschrift für Familiengeschichtsforschung und Wappenwesen 2 (1950), S. 65-70, hier S. 67. 146 Inzwischen wurde an diesem Ort ein neues Zisterzienserinnenkloster errichtet und Überreste der alten Abtei in den Neubau einbezogen. 147 Die Bibliothek wurde 1342 und 1525 zerstört; Reste der jüngeren Bibliothek von Neu-Helfta wurden vor nicht langer Zeit in der Turmbibliothek der St. Andreaskirche in Eisleben gefunden (O efelein : Moniales grisei ordinis, S. 54f.; R üttgardt : Zwischen Reform und Reformation, Anm. 80). Regula, deren strenge Befolgung für die Reform steht, der entscheidende Impuls gewesen. Wie auch in Helfta ist dieser sprunghafte Anstieg der Klosterliteratur verbunden mit Frauen, die durch ihre Begabung, ihren Zugang zu Bildung und ihr Amt in der Lage und willens waren, durch Literatur die Identität ihres Klosters zu formen. Der Vergleich macht auch deutlich, wie in einem Kloster Literatur nur aus einem Zusammenspiel von Personen entstehen kann: Es ist sicherlich kein Zufall, wenn sowohl in Helfta mit Gertrud von Hakeborn und Sophie von Mansfeld als auch in Lichtenthal mit den Reformäbtissinnen Elisabeth Wiest und Anna Strauler jeweils Frauen an der Spitze des Konventes standen, die das Kloster - mit Unterstützung der Landesherren - zu wirtschaftlicher Prosperität führten und offenbar auch eigener Literaturproduktion offen gegenüberstanden und sie förderten. Selbst wenn davon nicht explizit berichtet wird, ist schon die Bereitstellung entsprechender Ressourcen nicht ohne ihre Zustimmung denkbar, dazu gehörten die benötigten Materialien, aber auch Räumlichkeiten, Nonnen, die für das Schreiben, Malen und natürlich auch die Weitergabe dieses Wissens freigestellt wurden. Und es erforderte darüber hinaus Außenkontakte, über die aktuelle Literatur beschafft werden konnte. 148 Es muß nicht weiter betont werden, daß dazu das Einverständnis und die Unterstützung der Äbtissin unabdingbar waren. 149 In personeller Hinsicht war mindestens noch eine Nonne notwendig, die die Schreibtätigkeiten leitete und koordinierte, also das Amt der cantrix inne hatte. Schon die Anweisungen Abaelards für die Frauen von Paraklet sehen darin das wichtigste Amt nach der Äbtissin, das mit einer äußerst gelehrten Frau besetzt werden müsse. Je nach Zuschnitt umfaßte dieses Amt aber nicht nur die Bücherpflege, sondern beispielsweise auch die Verantwortung für die Gottesdienste, die Sitzordnung im Chor, die Vergabe der Wochenämter und die Pflege der Totenroteln. 150 Ernst Günther K renig beschreibt die Pflichten Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 375 148 Werner W illiams -K rapp kommt aufgrund seiner Untersuchungen zu dem Schluß, daß nicht die Wirtschaftskraft entscheidend war für den Ausbau des Buchbesitzes sondern die Observanz (Ordensreform und Literatur im 15. Jahrhundert, S. 42). Das hängt sicher auch vom Ausmaß des Literaturbetriebs ab: Gelegentliche Buchankäufe oder Schenkungen setzten keinen größeren organisatorischen Aufwand voraus, ein eigenes Skriptorium hingegen schon. Regulierte Klöster, die in der Regel straffer organisiert waren und in denen - u.a. durch die Abschaffung des Privatbesitzes - umfangreichere zentrale Einnahmen zur Verfügung standen, boten dafür möglicherweise bessere Voraussetzungen. 149 In den Vorschriften verschiedener Orden bzw. Klöster wird das Schreiben ohne Erlaubnis des Abtes ausdrücklich untersagt (C hrist : Mittelalterliche Bibliotheksordnungen für Frauenklöster, S. 6f.; B uzás : Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, S. 75). 150 Ihr Aufgabenbereich wird von Abaelard folgendermaßen beschrieben: Cantrix toto choro providebit, et divina disponet officia, et de doctrina cantandi vel legendi magisterium habebit, et de eis quae ad scribendum pertinent vel dictandum. Armarium quoque librorum custodiet, et ipsos inde tradet atque suscipiet, et de ipsis scribendis vel aptandis curam suscipiet, vel sollicita erit. Ipsa ordinabat quomodo sedeatur in choro, et sedes dabit, et a quibus legendum sit vel cantandum providebit: et inscriptionem componet sabbatis recitandam in capitulo, ubi omnes hebedomadariae describentur. Propter quae maxime litteder Kantorin bei den Zisterziensern so: «Die Ordnung des Kirchengesanges und des Chorgebets waren ihr anvertraut; sie legte die Stundenbücher in der Kirche auf. In ihren Händen lag ferner die Verwaltung der Bibliothek und des Archivs.» Bei den Zisterziensern waren also das Amt der cantrix und der armaria vereint, Unterstützung durch eine Subkantorin war möglich. 151 Es ist daher sehr plausibel, daß die Lichtenthaler Reformäbtissin dieses besonders für die Durchführung von Reformen strategisch wichtige Amt mit einer Nonne aus ihrem Heimatkloster besetzte, die bezeichnenderweise den Beinamen Regula erhielt. 152 Im Tagesablauf der Mönche bzw. Nonnen waren mehrere Gemeinschaftslesungen vorgesehen: im Gottesdienst, bei der Kapitelversammlung, bei den Mahlzeiten und bei der Kollationslesung. Die Koordination der eng verbundenen Lesungen der Stundengebete und bei Tisch oblag ebenfalls dem Kantor bzw. der Kantorin. Während allerdings bei den liturgischen Texten strenge Vorschriften galten und diese, wie wir für Kloster Lichtenthal gesehen haben, in der Hauptsache durch die Paternitätsabteien gestellt und kontrol- 376 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? ratam eam esse convenit, et praecipue musicam non ignorare. Ipsa etiam post diaconissam toti disciplinae providebit (Petri Abaelardi Opera, ed. V. Cousin I. Paris 1849, S. 175, zit. nach C hrist : Mittelalterliche Bibliotheksordnungen für Frauenklöster, S. 3f.). Dieser Aufgabenbereich entspricht dem des armarius bei den Cluniazensern, allerdings konnte er in deren Consuetudines auch auf zwei Ämter, Kantor und Armarius, verteilt sein. Wenn beide Ämter vereint waren, konnten die Schwerpunkte unterschiedlich gesetzt sein, bei den Viktorinern etwa war die Betreuung der Buchbestände vorrangig (ebd., S. 4f.). Die Zuständigkeit für die Totenbücher, die Karl C hrist erwähnt, würde die cantrix außerdem in Verbindung bringen mit den Außenkontakten des Klosters und der Sorge für die Memoria der Stifter. Zu den Ämtern Sakristan, Kantor und Bibliothekar bei den Zisterziensern vgl. auch K inder : Die Welt der Zisterzienser, S. 81f. 151 K renig : Mittelalterliche Frauenklöster nach den Konstitutionen von Cîteaux, S. 63f.; B uzás : Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, S. 91; Beschreibung des Amtes auch bei P almer : Zisterzienser und ihre Bücher, S. 158. Berichtet wird auch von Übergabeprotokollen, also Bestandslisten, an eine neue Kantorin (ebd.). Auch in Kirchheim ist die cantrix in Verzeichnissen des 15. Jahrhunderts belegt; die Klosterbibliothek wurde, z.B. im Bücherinventar von 1545, als ‹sangeramt› bezeichnet (S chromm : Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries, S. 31f.). Beschreibung der Entwicklung des Amtes unter dem Einfluß der Melker Reform aus musikwissenschaftlicher Perspektive bei A ngerer : Die liturgisch-musikalische Erneuerung der Melker Reform, S. 150-160 und 166-171; hier scheint der Schwerpunkt allerdings auf der Leitung von Chorgebet und -gesang gelegen zu haben. 152 Eine zeitgenössische Beschreibung des Amtes der Buchmeisterin findet sich im Buch der Ämter der Schwestern des Predigerordens (1454) des dominikanischen Reformers Johannes Meyer. Dieses ist hier verbunden mit dem Amt der Briefmeisterin (Archivarin), der Schwerpunkt liegt auf den bibliothekarischen Aufgaben, die die Veränderungen der Bibliotheken des 15. Jahrhunderts widerspiegeln, wie z.B. die Sorge für einen genügend großen, belüfteten Raum, die Aufbewahrung und thematische Ordnung der Bücher in Schränken und Pulten und die Katalogisierung der Bestände (H auber , A.: Deutsche Handschriften in Frauenklöstern des späteren Mittelalters. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 31 (1914), S. 341-373, hier S. 354f.; B uzás : Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, S. 94). liert wurden, scheint bei der Tischlektüre eine gewisse Freiheit bestanden zu haben. 153 Die wenigen Hinweise, die sich diesbezüglich aus Regulas Kommentaren entnehmen lassen, sprechen dafür, daß dies durchaus auch für Frauenklöster galt. Inwieweit ein solcher Spielraum genutzt wurde, hing freilich von der Amtsinhaberin ab. Ob mit der im Legatus divinae pietatis genannten cantrix tatsächlich Mechthild von Hakeborn gemeint ist, ist nicht völlig gewiß und erst recht nicht, ob sie dieses Amt tatsächlich innehatte. 154 Die Zuschreibung ist dennoch so bezeichnend wie überzeugend: Die geistlichen wie leiblichen Schwestern Gertrud und Mechthild hätten damit die entscheidenden Positionen besetzt, um nicht nur die äußeren Geschicke, sondern auch die innere Entwicklung des Klosters zu lenken. Um Texte wie den Liber specialis gratiae oder den Legatus divinae pietatis hervorzubringen, muß man tatsächlich eine enge Zusammenarbeit von Äbtissin und Kantorin voraussetzen. 155 In Lichtenthal ebenso wie in Helfta sind darüber hinaus eine Reihe von Schreiberinnen anzunehmen, die in Lichtenthal teils auch namentlich zu verifizieren sind und in den Helftaer Texten im Zusammenhang mit den komplexen Entstehungsgeschichten ins Spiel kommen. Insbesondere der Liber specialis gratiae wurde in der Forschung als «Gemeinschaftsproduktion der Nonnen» in den Blick gerückt. Um Bildung und Literatur fest im Leben des Klosters zu verankern, mußte dies vorbereitet werden. 156 Gerade weil der Wissenstransfer von außen sich schwieriger gestaltete, 157 war ein guter Unterricht wichtig. In den Helftaer Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 377 153 Ausführlich zu «Lektüre und Lesungen» der Zisterzienser P almer : Zisterzienser und ihre Bücher, Kap. 5, hier bes. S. 158, 163 und 166. 154 Leg. Buch 5, Kap. 4. 155 Die Bedeutung dieser Ämter für das Kloster zeigt sich auch in ihrer selbstbewußten Darstellung in Handschriften. Im berühmten Codex Gisle aus dem Zisterzienserinnenkloster Rulle wird die Stifterin der Handschrift in ihrer Funktion als Kantorin abgebildet, wie sie - als einzig namentlich bezeichnete Nonne - eine Gruppe von Schwestern im Chorgesang unterrichtet (B ertelsmeier -K ierst : Beten und Betrachten - Schreiben und Malen, S. 172 und Anm. 32). Die Äbtissin und zugleich Gründerin des Zisterzienserinnenklosters Aula in Altbrünn läßt sich in einem Exemplar der Benediktinerregel aus dem frühen 14. Jahrhundert darstellen, wie sie mehreren Nonnen die Regel erklärt; daneben ist Benedikt abgebildet, der zu Mönchen spricht (H amburger : Am Anfang war das Bild, S. 21). Auch die erste Äbtissin der Abtei von Notre-Dame-des-Prés (Douai), Elissende d’Assonville, wird in einer Handschrift des Klosters mit Äbtissinnenstab und Lehrgestus vor den Nonnen stehend präsentiert (L achambre -C ordier , Gaelle: Les moniales de Notre- Dame-des-Prés de Douai à travers un martyrologe gothique. Le manuscrit 838 de la Bibliothèque municipale de Valenciennes. In: Cîteaux et les femmes, S. 249-265, Abb. S. 257). 156 Es verwundert daher nicht, daß die Texte erst gegen Ende von Gertruds Amtszeit entstanden. 157 Für das spätere Mittelalter hat man die These aufgestellt, daß speziell die Frauenklöster von der Entstehung der Universitäten betroffen gewesen seien. Verloren die Klöster damit allgemein ihre Stellung als zentrale Bildungsinstitutionen, galt dies um so mehr für die Frauenkonvente, die keine Nonnen an die Studienhäuser entsenden oder Universitätsabsolventen aufnehmen konnten. Aufgrund des Mangels an gelehrtem Nachwuchs von außen habe daher für die Frauenklöster die Gefahr eines sinkenden Bildungsniveaus Texten finden sich mehrfach Hinweise auf die Wertschätzung von Bildung. Gertruds von Helfta conversio vollzieht sich von der Grammatikerin zur Theologin. 158 Ihre Lateinkenntnisse setzt sie aber weiterhin ein, um weniger begabten Nonnen die Heiligen Schriften näher zu bringen: Unde et quaecumque 378 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? bestanden (vgl. z. B. F errante , Joan M.: The Education of Women in the Middle Ages in Theory, Fact, and Fantasy. In: Beyond their Sex. Learned Women of the European Past. Ed. by Patricia H. Labalme. New York/ London 1984, S. 9-42, hier S. 17f.). Beide Argumente sind nicht von der Hand zu weisen, von einem «bildungspolitischen Teufelskreis» zu sprechen, scheint mir jedoch zu pessimistisch (S chromm : Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries, S. 58). Der bereits thematisierte Austausch von besonders gebildeten Nonnen war ein Weg, diesem Problem zu begegnen. Auch die für Frauenklöster tätigen Geistlichen konnten eine Möglichkeit sein, an den universitären Entwicklungen zu partizipieren. Pia S chindele geht davon aus, daß sich unter den Lichtenthaler Beichtvätern auch solche befanden, die in dem 1387 gegründeten Ordenskolleg St. Jakob in Heidelberg studiert hatten («Hie focht an die ordenung und reformacion Benedicti des bapstes des XII. ...», S. 297). Nicht zuletzt waren Nonnen in der Lage mit Hilfe von Handschriften ihre Bildung zu aktualisieren. Nicht zu vergessen sind auch die verwandtschaftlichen Beziehungen der Konventualinnen und die Kontakte zu den Stifterfamilien, die Verbindungen zu anderen geistlichen Institutionen ermöglichten, wie z.B. die familiären Kontakte der Grafen von Mansfeld nach Schlesien zu den Gründern von Heinrichau, Grüssau und Trebnitz. Die Möglichkeit, daß ein Frauenkloster unter günstigen Bedingungen aus eigener intellektueller und spiritueller Kraft bzw. im Selbststudium und in Weitergabe und Erweiterung des vorhandenen Wissens sich die nötigen Voraussetzungen für die Produktion einer ambitionierten Literatur schaffen konnte, scheint man durch die Frage nach den Einflüssen von außerhalb von vornherein auszuschließen. Auch Burkhard H asebrink plädiert dafür, nicht die «Bildungsgeschichte auf eine reine Schul- und Universitätsgeschichte» zu verengen, sondern die spezifischen Formen von Bildung in den Frauenklöstern miteinzubeziehen. «Um aber unter die Oberfläche der Dichotomie von gelehrt-klerikalem Männerorden und belehrungs- und betreuungsbedürftigem Frauenorden zu dringen, sind die Stellen zu suchen, an denen sich im Dominikanerinnenorden selbst Ansprüche und Notwendigkeiten einer schriftorientierten Bildungskultur zu Wort melden» (Tischlesung und Bildungskultur im Nürnberger Katharinenkloster, S. 188 und S. 191). Zu bedenken ist auch die zeitgenössische Kontroverse um die richtige Form monastischer Bildung. Der Zisterzienser Caesarius von Heisterbach war davon überzeugt, «daß mönchisches Studium sich im Kloster zu vollziehen habe, im Dialog mit dem Novizenmeister etwa und mit den Büchern der Klosterbibliothek» (S chneider , Reinhard: Wandlungen im Verständnis von Studium und Wissenschaft bei den Zisterzienser. In: Die rheinischen Zisterzienser. Neue Orientierungen in rheinischen Zisterzen des späten Mittelalters. Hrsg. v. Norbert Kühn u. Karl Peter Wiemer. Köln 1999 (Zisterzienser im Rheinland 4), S. 35-44, hier S. 42). Zur Frage der Nonnenbildung vgl. auch S chlotheuber : Die gelehrten Bräute Christi; D ies .: Klostereintritt und Bildung, S. 268f.; S chraut : Zum Bildungsstand fränkischer Zisterzienserinnenkonvente, S. 46f., G leba : Reformpraxis und materielle Kultur, S. 107ff. 158 Leg. Buch 1, Kap. 1 (S. 120); diese Passage ist nur im Druck von Lanspergius, nicht in den Handschriften überliefert. Pierre D oyère hält es daher für wahrscheinlich, daß es sich um eine Ergänzung des Herausgebers handelt (Introduction. In: Gertrude d’Helfta: Œuvres Spirituelles, Bd. 2, S. 32). Diese conversio läßt sich beziehen auf die monastische in Scripturis sanctis inveniebat utilia, si videbantur sensui minus intelligentium difficilia, latino mutato, stylo describebat planiori, quo legentibus fierent utiliora. 159 Diese Beschreibung und Begründung ihrer Schreibtätigkeit erinnert an die Intentionen Regulas. 160 Allerdings übersetzt Gertrud nicht, sondern formuliert den lateinischen Text um. Ausgehend von wenigen Andeutungen im Text hat man angenommen, daß Mechthild von Magdeburg sich als Begine vor der Verfolgung durch die Magdeburger Geistlichkeit um 1270 nach Helfta zurückgezogen habe. Dieser Ansicht ist bereits widersprochen worden. Aus Sicht des Textes kann es sich um einen Topos der imitatio Christi handeln, wie er auch aus anderen Mystik- Texten bekannt ist. Aus historischer Perspektive ist das damit verbundene Bild vom gesellschaftlichen Status der Beginen in Frage gestellt worden. Aber auch aus der Perspektive Helftas ist diese These zweifelhaft, denn das Kloster war mit eben der Magdeburger Geistlichkeit, durch die Mechthild verfolgt worden sein soll, verwandtschaftlich verbunden: Bis 1266 war Ruprecht von Querfurt, der Enkel des Stifters, Erzbischof von Magdeburg. Burchard, Sohn des Burggrafen Gebhard V. und Schwager Sophies von Hakeborn (einer Nichte Mechthilds und Gertruds von Hakeborn) war 1255 bis 1290 Domherr Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 379 Diskussion über den Gegensatz zwischen der Berufung zum Mönch und dem Studium weltlicher Wissenschaften (L eclercq . Wissenschaft und Gottverlangen, S. 223). 159 Leg. Buch I, Kap. 7 (S. 152). 160 Literatur zu Gertrud von Helfta: A nkermann : Gertrud die Große von Helfta; D ies .: Spielarten erlebnismystischer Texte. Mechthild von Magdeburg: «Das fließende Licht der Gottheit» - Gertrud die Große: «Legatus divinae pietatis». In: Europäische Mystik vom Hochmittelalter zum Barock, S. 119-138; D ies ./ S roka , Anja: Probleme der Authentizität im Schrifttum des Spätmittelalters am Beispiel des Legatus’ Gertruds der Großen. In: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 9 (1996/ 97), S. 275-291. B an gert , Michael: Demut in Freiheit. Studien zur geistlichen Lehre im Werk Gertruds von Helfta. Würzburg 1997 (Studien zur systematischen und spirituellen Theologie 21); D ers .: Heilige Orte - Innige Gebärden: Körperrhetorik und Raumerfahrung in der Mystik Gertruds von Helfta. In: Erbe und Auftrag. Benediktinische Monatsschrift 81 (2005), S. 120-138; B ynum : Jesus as Mother, S. 186-209; D oyère , P.: Gertrude d’Helfta. In: Dictionnaire de spiritualité, ascétique et mystique 6, 1967, Sp. 331-339; E liass , Claudia: Die Frau ist die Quelle der Weisheit. Weibliches Selbstverständnis in der Frauenmystik des 12. und 13. Jahrhunderts. Pfaffenweiler 1995 (Frauen in Geschichte und Gesellschaft 28); G rimes , Laura M.: Bedeutung der Liturgie im Werk Gertruds von Helfta. In: «Vor dir steht die leere Schale meiner Sehnsucht». Die Mystik der Frauen von Helfta, S. 68-80; D ies .: Writing as Birth: The Composition of Gertrud of Helfta’s Herald of God’s Loving-Kindness. In: Cistercian Studies Quarterly 42.3 (2007), S. 329-345; G rubmüller , Klaus: Gertrud von Helfta. In: 2 VL 3, 1981, Sp. 7-10; K öbele : Bilder der unbegriffenen Wahrheit, S. 56ff., 104-122; L ewis , Gertrud Jaron: Maria im mystischen Werk Gertruds von Helfta. In: «Vor dir steht die leere Schale meiner Sehnsucht». Die Mystik der Frauen von Helfta, S. 81-94; R ingler : Die Rezeption Gertruds von Helfta im Bereich süddeutscher Frauenklöster; R uh , Kurt: Gertrud von Helfta. Ein neues Gertrud-Bild. In: ZfdA 121 (1992), S. 1-20; W iberg P edersen : Gottesbild - Frauenbild - Selbstbild. Die Theologie Mechthilds von Hackeborn und Gertruds von Helfta. in Magdeburg und Ruprecht, der Bruder der späteren Äbtissin Sophie von Mansfeld war von 1275 bis 1306 ebenfalls Domherr im Magdeburger Stift. Die Herren von Querfurt hatten als Lehnsleute des Erzbischofs von Magdeburg außerdem lange Zeit das Burggrafenamt in Magdeburg inne. 161 Es ist kaum vorstellbar, daß das aufstrebende Kloster unter diesen Umständen eine Frau aufgenommen hätte, die seinen eigenen Ruf gefährden konnte. 162 Schon eher drängt sich die Vermutung auf, daß auf diese Weise der Kontakt zwischen Mechthild und dem Kloster, die das gemeinsame literarische Interesse verband, hergestellt worden sein könnte. 163 Der Vergleich mit Lichtenthal zeigt allerdings, daß es verschiedene Situationen sein konnten, die eine Literaturproduktion auslösten: Im einen Fall ist es die Phase des Aufbruchs nach der Konsolidierung des neugegründeten und zweimal umgesiedelten Klosters Helfta, im anderen Fall der Neubeginn in Folge der Reform. In beiden Fällen wird aber auch sichtbar, daß es - wie erläutert - Personen bedurfte, die konkret die literarische Ausstattung des Klosters vorantrieben. Sowohl bei der Gründung als auch bei der Reform war es im Prinzip ausreichend, die Nonnen mit dem für den Klosterbetrieb ausreichenden Handschriften zu versorgen. Wienhausen wiederum ist ein Beispiel für eine ungewöhnliche Kontinuität der Literaturrezeption; selbst im krisengeschüttelten 14. Jahrhundert brach der Zugewinn an kultureller und literarischer Ausstattung nicht ab. 164 Das spricht wiederum dafür, daß Literatur fest in den Traditionen und im Selbstverständnis des Klosters verankert war. Eine standesbewußte und vermögende Äbtissin wie Katharina von Hoya, die letzte vor der Reform, die nachweislich erheblich zur Ausstattung des Klosters in literarischer, künstlerischer wie baulicher Hinsicht beigetragen hat, konnte an diese Traditionen anknüpfen. Und auch ihre Nachfolgerin, die erste Reformäbtissin Susanna Pothstock, hat ihre Aktivitäten fortgesetzt, wenn vielleicht auch mit anderen Akzentsetzungen. Wie sah nun diese Literatur aus, in der die Interessen des Konvents nach Identitätsbildung und die der Stifter und Förderer nach Repräsentation konvergieren sollten? Für alle untersuchten Texte lassen sich enge Bezüge zu den Rezipientinnen und ihrem Kloster feststellen. Sie machen ein Identifikationsangebot an das Kloster als Gemeinschaft und an die einzelne Nonne durch den 380 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 161 B laschke , K.: Querfurt. In: LMA 7, Sp. 364. 162 Vgl. H ubrath : Schreiben und Erinnern, S. 32, Anm. 41. 163 Meist wird in der Forschung eher angenommen, daß Mechthild von Magdeburg die Helftaer Nonnen erst zu eigenen Texten inspirierte. Dagegen spricht erstens, daß diese Texte einen längeren Vorlauf voraussetzen, zweitens wird sich Mechthild sicherlich für ein Kloster entschieden haben, in dem sie ihre literarische Tätigkeit fortsetzen konnte, vorausgesetzt sie hatte mit diesen tatsächlich vor ihrem Eintritt schon begonnen. Zur möglichen Bedeutung des Klosters Helfta für die Entstehung des Fließenden Lichts der Gottheit vgl. P eters : Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 65ff. 164 Auch das nahegelegene Zisterzienserkloster Amelungsborn befand sich im 14. Jahrhundert in einer Blütezeit (H eutger : Kloster Amelungsborn in der deutschen Literaturgeschichte). Bezug auf die Geschichte des jeweiligen Klosters und auf das monastische Leben. Zentral erscheint die immer wieder feststellbare, wenn auch unterschiedlich ausgeprägte Anbindung an die Liturgie und damit den vorgegebenen Tagesablauf jeder Nonne, in den die Literatur selbst - sei es als Gemeinschafts- oder Privatlesung - integriert war. 165 Die Helftaer Texte reflektieren explizit diesen Zusammenhang, der sich bei den Wienhäuser Handschriften erst aus der Rekonstruktion ihrer Kontexte und in Regulas Corpus vor allem aus ihren organisatorischen Bemerkungen ergibt. Im Legatus divinae pietatis wie im Liber specialis gratiae sind die Gnadenerlebnisse eingebettet in die Abläufe des Kirchenjahres und in die liturgischen Handlungen; die Protagonistinnen sind Mitglieder einer klösterlichen Gemeinschaft, ihre Gnadenerfahrungen entstehen in der Interaktion mit dieser Gemeinschaft. Auffällig ist in allen drei Fällen die besondere Berücksichtigung weiblicher Protagonistinnen, die der Identifikation nach innen und der Formulierung der eigenen Position innerhalb der Kirche nach außen dienten. Während die Wienhäuser Handschrift und das Buch von den heiligen Mägden und Frauen dafür eine etablierte Gattung wählten, zeichnen sich die Helftaer Texte durch ihre literarischen wie theologischen Neuakzente aus, auch wenn die Mystikerinnen hier dezidiert in einen monastischen Kontext gestellt werden. In allen drei Klöstern lassen sich lateinische und volkssprachige bzw. gemischtsprachige Texte nachweisen. Das Verhältnis der beiden Sprachen in den Frauenklöstern scheint daher mit einem Rückgang der Lateinkenntnisse im Sinne einer nachlassenden Bildung der Nonnen nicht angemessen erklärt zu werden. Die lateinischen und gemischtsprachigen Texte aus Wienhausen, die lateinischen und volkssprachigen Texte aus Helfta und die Übersetzungen Regulas sprechen eher dafür, daß die Produktion volksprachiger Texte sich primär aus dem Umgang mit der lateinischen Literatur speiste und nicht aus deren Unverständnis heraus. Die Tatsache, daß zu Beginn des 14. Jahrhunderts in oder für Wienhausen Teile der Legenda aurea in die Volkssprache übersetzt wurden, obwohl doch noch das ganze Jahrhundert hindurch die in der Regel privat genutzten Gebetbücher lateinisch blieben, spricht für die These, daß der Zisterzienserorden, speziell die Zisterzienserinnen sich stärker um die Volkssprache bemühten, als bisher angenommen. 166 Die Abnahme lateinischsprachiger Texte wäre dann eher als Reaktion auf eine zunehmende Verwendung und Aufwertung der Volkssprache als Medium geistlicher Literatur zu Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 381 165 Vgl. H asebrink : Tischlesung und Bildungskultur im Nürnberger Katharinenkloster, S. 188. Zur «Liturgie als Dichtung» vgl. L eclercq : Wissenschaft und Gottverlangen, Kap. 10. 166 P almer : Deutschsprachige Literatur im Zisterzienserorden, S. 232 und 265; D ers .: Zisterzienser und ihre Bücher, S. 138-142; B ertelsmeier -K ierst : Beten und Betrachten - Schreiben und Malen, S. 175f. Damit ist ja keineswegs ausgeschlossen, daß auch denjenigen gedient war, die kaum oder kein Latein verstanden. Zu den vergleichsweise geringen Überlieferungszahlen deutschsprachiger Literatur aus Zisterzienserklöstern vgl. H ayer , Gerold: Hans Sachs in der Klosterbibliothek. Deutsche Handschriften in der Stiftsbibliothek Rein. In: Zisterziensisches Schreiben im Mittelalter, S. 193-205, hier S. 203f. werten. 167 Problematisch erscheint daher die Unterscheidung zwischen der lateinischen ‹wissenschaftlichen› Literatur auf der einen Seite und der volkssprachigen ‹erbaulichen› auf der anderen. 168 Die Wahl der Sprache hat unterschiedliche Gründe: Das Wienhäuser Legendar und das Fließende Licht der Gottheit orientieren sich an Gattungen und Formen volkssprachiger Literatur. Die gemischtsprachigen Texte erzeugen mit der Verschränkung beider Sprachen eine eigene Ästhetik. Die Verwendung der lateinischen Sprache in den Helftaer Texten signalisiert dagegen den Anspruch auf Teilhabe an wissenschaftlichen Traditionen und Standards. Im 15. Jahrhundert kann dieser Anspruch auch für volkssprachige Texte erhoben werden, wie Regulas Beispiel zeigt. Allerdings ist das Erlernen des Lateinischen damit keinesfalls völlig aufgegeben worden, wie ihre Bemühungen um die lateinische Grammatik belegen. 382 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 167 Ähnlich argumentiert Niklaus L argier im Hinblick auf die volkssprachigen Texte der ‹Frauenmystik›. Nicht mangelnde Lateinkenntnisse, sondern das Interesse an einer «volkssprachigen Neukonzeption des theologischen Diskurses, das es den Schreiberinnen ermöglicht, eine Bildsprache und eigene theologische Konzepte einzuführen und zu entwickeln», stünden hinter der Sprachwahl (Von Hadewijch, Mechthild und Dietrich zu Eckhart und Seuse? Zur Historiographie der ‹deutschen Mystik› und der ‹deutschen Dominikanerschule›. In: Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Fischingen 1998. Hrsg. v. Walter Haug u. Wolfram Schneider-Lastin. Tübingen 2000, S. 93-117, hier S. 101). Ursula P eters sieht die Unterschiede zwischen den Helftaer Texten und Mechthilds von Magdeburg Werk vor allem in der «Opposition von Latein und Volkssprache» und entsprechend typenbestimmenden Ausprägungen begründet. «Denn während Gertrud und Mechthild von Hackeborn bzw. die an der Entstehung ihrer Texte beteiligten, aber ungenannten Schwestern in ihren ‹Lebensberichten› an die monastische Vitentradition anknüpfen und sie zumindest stellenweise zu einer Art Gesamtbild der Vitae sororum eines vorbildlichen Konvents erweitern, bedient sich Mechthild von Magdeburg auch volkssprachiger Formen der geistlichen und weltlichen Literatur, die sie zu einem flexiblen Neben- und Ineinander von Dialog, Gebet, Meditation, Traktat und Visionsbericht zusammenbindet.» (Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 66). Zum Verhältnis volkssprachiger und lateinischer Metaphorik vgl. K öbele : Bilder der unbegriffenen Wahrheit. Zur Struktur mystischer Rede im Spannungsfeld von Latein und Volkssprache. 168 Die Kritik richtet sich zunächst auf den problematischen Begriff der ‹Erbauung›. Selbst wenn man die mittelalterliche aedificatio streng von der pietistischen Auffassung von Erbauung trennt, zeigt doch die Verwendung als Gegenbegriff zur ratiogeleiteten Wissenschaft, daß man mit ihr in erster Linie einen affektiven Zugang zur Religion verbindet. Damit einher geht die Gegenüberstellung des Lateinischen als rationaler Sprache der Wissenschaft einerseits und des Deutschen als ‹emotionaler› Sprache des Volkes bzw. der Frauen andererseits. Natürlich spielt dieser Gegensatz im Mittelalter eine Rolle, mir scheint jedoch, daß diese fundamentalen kulturellen Dichotomien z.T. in der Forschung fortgesetzt werden, anstatt sie zum Gegenstand der Reflexion zu machen. Fraglich ist auch, ob die Funktion der Texte damit adäquat beschrieben wird. Häufig genug findet der Begriff Erbauung dann Verwendung, wenn bessere Bezeichnungen fehlen oder eine intensivere Betrachtung erforderten. Vgl. dazu W olpers : Die englische Heiligenlegende des Mittelalters, S. 37; R uhrberg : Der literarische Körper der Heiligen, S. 148f. Die hier vorgestellten Texte aus Zisterzienserinnenklöstern stehen nicht alleine. Nigel F. P almer hat auf die häufig noch unerschlossene, meist anonym und unikal überlieferte volkssprachige Zisterzienserliteratur aufmerksam gemacht. 169 Da den Laienbrüdern zumindest gemäß den Ordensvorschriften der Zisterzienser jedweder Buchbesitz untersagt war, richtet sich der Blick hier auf die den Männerklöstern unterstellten Frauenklöster, um die Funktion dieser Literatur zu erklären. 170 Ob die entsprechenden Vorschriften wirklich so streng umgesetzt wurden, ist noch nicht endgültig geklärt. Zumal wenn man die Ergebnisse der Studie von Michael T oepfer zu den vielfältigen und qualifizierten Tätigkeiten der Konversen bedenkt, 171 wachsen die Zweifel an dieser Annahme. Die Lateinkenntnisse der Chormönche werden nicht in Frage gestellt, nur Oskar P ausch verweist auf einen Generalkapitelsbeschluß von 1188, nach dem nobiles laici, die ins Kloster eintreten wollten, Mönche und nicht Konversen werden sollten. 172 Zwar ist die deutschsprachige Überlieferung aus den Männerklöstern nicht sehr umfangreich, es gibt aber durchaus Texte, die für die Laienbrüder bestimmt gewesen sein könnten. Dazu zählen z.B. Übersetzungen der Konversenregel aus Zwettl und der Benediktregel aus Salem und Hohenfurt. In letzterem gehörte sie bereits zu der aus dem Kloster Wilhering stammenden Gründungsausstattung des 13. Jahrhunderts. 173 Die älteste Hand- Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 383 169 Gerold H ayer betont unter Hinweis auf die Überlieferung aus Ebrach, Heiligkreuz, Lilienfeld, Wilhering und Zwettl hingegen den geringen Umfang deutschsprachiger Literatur aus Zisterzienserklöstern (Hans Sachs in der Klosterbibliothek, S. 203f.). Man sollte die Bedeutung dieser Texte jedoch nicht nur an der Quantität festmachen, sondern sie zunächst hinsichtlich ihrer Inhalte, ihrer Entstehungszeit und ihrer (möglichen) Funktion auswerten. Von den insgesamt 144 Signaturen nichtliturgischer Handschriften aus Salem enthalten immerhin 17 überwiegend oder zum großen Teil deutsche Texte, v.a. hagiographische und historiographische Texte, deutschsprachige Rechtstexte, «Mystik und Erbauungsliteratur», Gebetbücher sowie eine deutsch-lateinische Benediktregel und einen deutsch-lateinischen Psalter, überwiegend aus dem 15. Jahrhundert (W erner , Wilfried: Die mittelalterlichen nichtliturgischen Handschriften des Zisterzienserklosters Salem. Wiesbaden 2000 (Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg 5), S. LXII-LXV). 170 P almer : Deutschsprachige Literatur im Zisterzienserorden, S. 232. 171 Vgl. S. 346. Eine Zwettler Konversenliste, die bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts fortgesetzt wurde, nennt einen Symon litteratus. Oskar P ausch vermutet, daß diese Ausnahme die Regel, daß die Laienbrüder Analphabeten waren, eher bestätige, hält aber auch für möglich, daß die entsprechenden Vorschriften in der Praxis nicht eingehalten wurden (Am Beispiel Zwettl: Beiträge zur deutschen geistlichen Literatur des Mittelalters im Stift Zwettl. In: Kuenringer-Forschungen. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich N.F. 46/ 47 (1981), S. 400-423 mit Abb., hier S. 402ff.). Vgl. auch S chreiner : Spätmittelalterliches Zisterziensertum im deutschen Südwesten, S. 63. 172 P ausch : Am Beispiel Zwettl, S. 405. 173 H ayer : Hans Sachs in der Klosterbibliothek, S. 204; W erner : Die mittelalterlichen nichtliturgischen Handschriften des Zisterzienserklosters Salem; B ok , Václav: Literaturpflege im Kloster Vyšší Brod/ Hohenfurt vom 13. bis zum 15. Jahrhundert. In: Zisterziensisches Schreiben im Mittelalter, S. 179-191, hier S. 181. Fritz Peter K napp hält die Produktion von deutschsprachigen Dichtungen für die Tischlesung der Laienbrüder für schrift des Buchs von der geistlichen Lehre, einer Kompilation geistlicher Prosatexte, entstand in der Zeit um 1300 und ist im Bibliotheksbestand der Zisterzienserabtei Stams, die 1273 durch Mönche aus Kaisheim besiedelt wurde, überliefert. Da das Kloster keine Frauenkonvente betreute, könnte dieser Codex für Stams selbst bestimmt gewesen sein. 174 Oskar P ausch zeigt Beispiele volkssprachiger Texte der Bibliothek Zwettls vom 12. bis zum 16. Jahrhundert und betont besonders den «Reichtum an mariologischem Schrifttum», wobei er exemplarisch zwei deutsche, dort verfaßte Mariendichtungen des 13. und 14. Jahrhunderts vorstellt. 175 Lyrik, besonders Marienlyrik, bildet auch den Schwerpunkt der Ende des 14. Jahrhunderts einsetzenden volkssprachigen Überlieferung aus dem Zisterzienserkloster Hohenfurt. Wie in Wienhausen ist auch hier ein lateinisch-deutsches Liederbuch aus der Mitte des 15. Jahrhunderts oder wenig später überliefert; außerdem ein weiterer Codex von 1410, der neben zahlreichen lateinischen Gesängen auch sieben geistliche Lieder in tschechischer Sprache enthält. 176 Bei manchen volkssprachigen Texten wird die Sprachwahl darauf zurückgeführt, daß sie vornehmlich an Laien gerichtet waren. Das gilt besonders für die Gründungslegenden, 384 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? möglich; eine kleine Verslegende über Johannes den Täufer (vor 1146/ 48) könnte ein Beispiel dafür sein (Zisterziensisches Schrifttum in den österreichischen Ländern des Mittelalters, S. 208; vgl. auch S. 212). Zu deutschsprachiger Literatur aus Zisterzienserklöstern vgl. auch Z otter , Hans: Die Bibliothek des Zisterzienserstiftes Neuberg in der Steiermark. In: Zisterziensisches Schreiben im Mittelalter, S. 89-100. 174 P almer : Deutschsprachige Literatur im Zisterzienserorden, S. 258f. Literaturproduktion ist auch aus brabantischen Zisterzienserinnenklöstern belegt, für die ebenfalls ordensübergreifende Zusammenhänge geltend gemacht werden. Es handelt sich um im 13. Jahrhundert entstandene Viten über das Leben und die Begnadungen von Frauen, die «in brabantischen Zisterzienserinnenkonventen, Spitalgemeinschaften oder als Reklusen im Umkreis von Klöstern und Stiften der Diözese Lüttich besondere Formen einer vita religiosa» verwirklichten. Zu nennen sind hier Beatrix von Nazareth, Ida von Nivelles und Ida von Leeuw (P eters : Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 14-18; D ies .: Vita religiosa und spirituelles Erleben. Frauenmystik und frauenmystische Literatur im 13. und 14. Jahrhundert. In: Deutsche Literatur von Frauen. Hrsg. v. Gisela Brinker-Gabler. Bd. 1: Vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. München 1988, S. 88-109 u. 502, S. 88-95; R oisin : L’efflorescence cistercienne et le courant féminin de piété au XIIIe siècle; vgl. auch D ies .: L’hagiographie cistercienne dans le diocèse de Liège aux XIIIe siècle). 175 P ausch : Am Beispiel Zwettl. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Überlieferung eines deutschen Marienliedes in einem um 1270 entstandenen lateinischen Psalter aus dem Zisterzienserkloster Aldersbach bei Passau verwiesen. Am Rand sind deutsche Gebetsanweisungen eingetragen; das Marienlied wurde wahrscheinlich noch im 13. Jahrhundert auf der letzten freien Seite notiert. Unklar ist allerdings, für wen die Handschrift ursprünglich gedacht war; Benutzerspuren belegen die zisterziensische Nutzung bald nach der Mitte des 14. Jahrhunderts (K ornrumpf , Gisela: Ein deutsches Marienlied des 13. Jahrhunderts, eine Cantio - und eine Minnelied-Melodie? In: Fata Libellorum. Festschrift für Franzjosef Pensel zum 70. Geburtstag. Hrsg. v. Rudolf Bentzinger u. Ulrich- Dieter Oppitz. Göppingen 1999 (GAG 648), S. 101-112). 176 B ok : Literaturpflege im Kloster Vyšší Brod/ Hohenfurt vom 13. bis zum 15. Jahrhundert, bes. S. 186f. und 189f. in denen, wie gesagt, die Stifter häufig auch eine wichtige Rolle spielten. 177 Ein größerer Freiraum für volkssprachige Literatur macht sich seit dem 15. Jahrhundert auch in den Männerklöstern bemerkbar. 178 Die Überlieferung der Literatur aus Zisterzienserinnenklöstern setzt verstärkt Ende des 13. Jahrhunderts ein. Dies erklärt sich aus der Geschichte der weiblichen Zisterzen, die überwiegend in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründet wurden und deren erste «Blüte» entsprechend in die zweite Hälfte des 13. bzw. die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts fällt. 179 Einen wichtigen Bestandteil der volkssprachigen Überlieferung bilden normative Texte wie die deutschsprachige Benediktinerregel der Eberbacher Überlieferung aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die sich explizit an Nonnen richtet, oder zwei deutsche Fassungen der Ecclesiastica officia aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bzw. der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 180 Auch bei den anderen Texten handelt es sich in der Regel um Übersetzungen, die wie das Wienhäuser Legendar anonym überliefert sind. Eine Ausnahme bildet die 1282 entstandene Übersetzung des Secretum secretorum, einer verbreiteten Fürstenlehre. Hier gibt sich in der Vorrede eine allerdings nicht namentlich genannte Nonne aus Zimmern als Übersetzerin zu erkennen 181 - ein auch für die Wienhäuser Handschrift wichtiger Hinweis darauf, daß sich Zisterzienserinnen tatsächlich als Übersetzerinnen betätigten. Aus der im Umkreis der Kaisheim unterstellten Zisterzienserinnenklöster entstandenen Literatur führt Nigel F. P almer außerdem die mittelhochdeutsche Übersetzung der Goldenen Epistel des Wilhelm von Saint-Thierry, ein besonders durch den Zisterzienserorden verbreiteter Text, vom Ende des 13. Jahrhunderts an. 182 Aus der bereits erwähnten Abtei Marienstern sind insgesamt 15 deutsche nichtliturgische Hand- Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 385 177 Vgl. S. 229f.; zu nennen sind hier etwa die Gründungsgeschichte des Zisterzienserinnenklosters St. Bernhard von 1350/ 51 (K napp : Zisterziensisches Schrifttum in den österreichischen Ländern des Mittelalters, S. 211), der deutsche Versprolog der sogenannten Zwettler «Bärenhaut» (1327/ 8) und die ebenfalls versifizierte und im 14. Jahrhundert entstandene Gründungsgeschichte Waldsassens (P atze : Klostergründung und Klosterchronik, S. 117f.). 178 K napp : Zisterziensisches Schrifttum in den österreichischen Ländern des Mittelalters, S. 212f. Vgl. auch die von Nigel F. P almer genannte deutsche Handschrift aus Eberbach, deren volkssprachige Texte für die Lektüre von Mönchen bestimmt waren (Zisterzienser und ihre Bücher, S. 142). 179 Vgl. E lm : Das männliche und weibliche Zisterziensertum in Westfalen von den Anfängen bis zur Reformation, S. 52f. 180 P almer : Zisterzienser und ihre Bücher, S. 140. 181 In dieser Vorrede berichtet sie auch von der Erlaubnis ihrer Äbtissin Elsbeth und der Anregung des Kaisheimer Mönches Rudolf von Hürnheim zu dieser Übersetzung (P almer : Deutschsprachige Literatur im Zisterzienserorden, S. 259). Zur Kritik an der bisherigen Zuschreibung an die Nonne Hiltgart von Hürnheim ebd., S. 260. 182 Ebd., S. 236-239. Er macht an diesem Beispiel die Schwierigkeit deutlich, «die erhaltenen Denkmäler zu einer Literatur-‹Geschichte› zusammenzufassen», da sich zwar die Vorlage, nicht aber die Übersetzung ohne weiteres mit dem Zisterzienserorden in Verbindung bringen läßt. schriften überliefert. Es handelt sich «um Sammelhandschriften mit Meditationen über das Leiden Christi, Sermones über die Zehn Gebote, die Sieben Werke der Barmherzigkeit, das Buch der Weisheit» sowie Psalmenübersetzungen und einen Auszug aus Bruder Philipps Marienleben. 183 Auch ein Exemplar des Liber specialis gratiae in deutscher Sprache aus dem 15. Jahrhundert gehört zur Bibliothek. 184 Unter den aus Salem stammenden volkssprachigen Handschriften befinden sich auch deutschsprachige mystische Texte, die für die Salem unterstellten Nonnenklöster verfaßt wurden und laut Klaus S chreiner Einflüsse der oberdeutschen Frauenmystik aufweisen. 185 Insgesamt ergibt sich - wie Nigel F. P almer in seiner Untersuchung zur deutschsprachigen Literatur des Zisterzienserordens resümiert - kein «einheitliches Bild». «Einzelne beliebte Themen wie die Gottesliebe oder die Brautmystik zeichnen sich ab, aber es bedürfte einer Gesamtdarstellung der Zisterzienserliteratur in den deutschsprachigen Ländern, um prüfen zu können, ob Hinweise dieser Art sich zu einem Gesamtbild zusammenfügen.» 186 Dieses Ergebnis hängt nicht nur mit der unvollständigen Überlieferungslage zusammen, sondern wohl auch mit ordensübergreifenden Zusammenhängen, in denen die Literatur der einzelnen Klöster situiert war. Daß es sich bei dem Wienhäuser Legendar um ein frühes Rezeptionszeugnis der Legenda aurea, also um den Text eines dominikanischen Autors handelt, macht das besonders deutlich. Die Klöster waren nicht nur institutionell mit dem eigenen Orden verbunden, sondern unterhielten Kontakte zu Mitgliedern anderer Observanzen, zu Weltgeistlichen und nicht zuletzt zu Laien. Daß in den Frauenklöstern die Volkssprache - soweit die Überlieferungslage und der bisherige Forschungsstand das erkennen lassen - eine besondere Rolle spielte, dürfte daher auch durch ihre vielfältigen Verbindungen mit der laikalen Welt außerhalb der Klöster bedingt sein. Die enge Vernetzung der Schriftkultur der Nonnen und ihrer Familien zeigt sich vor allem auch bei den Buchstiftungen für die Klöster. Ein besonders schönes Beispiel ist das einzig bekannte illuminierten Zisterziensermartyrologium der Abtei Notre-Dame-des-Prés in Douai, das von der wohlhabenden Familie Lefant aus diesem Ort gestiftet wurde, deren Tochter Nonne des Klosters war. Die etwa 400 Miniaturen der Handschrift zeigen nicht nur die Nonnen selbst, sondern auch Familienmitglieder und Laien bei ihrer täglichen Arbeit. 187 Die Gleichzeitigkeit lateinischer Gebetbücher, der volkssprachigen Legenden und der Tristan-Teppiche in Wienhausen um 1300 ist aus dieser Perspektive kein Kuriosum, sondern Ausdruck dafür, daß die Frauenklöster zwischen 386 Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 183 W inzeler : Die Bibliothek der Zisterzienserinnenabtei St. Marienstern, S. 348 und 352. 184 Ebd., S. 338. 185 S chreiner : Spätmittelalterliches Zisterziensertum im deutschen Südwesten, S. 55f. 186 P almer : Deutschsprachige Literatur im Zisterzienserorden, S. 265f. 187 L achambre -C ordier : Les moniales de Notre-Dame-des-Prés de Douai à travers un martyrologe gothique, S. 254f. Kleriker- und Laienkultur, zwischen Volkssprache und Latein standen. An dieser Schnittstelle erbrachten sie wohl nicht nur wichtige kulturelle Transferleistungen in beide Richtungen und trugen so zur Auflösung dieser Dichotomie bei, sondern wurden auch selbst produktiv tätig. Die erhaltenen Texte aus Wienhausen, Lichtenthal und Helfta belegen ein aktives Interesse und einen bedeutenden Literaturbetrieb in diesen Konventen; in Wienhausen sogar über einen langen Zeitraum hinweg. Die Zeugnisse aus anderen Frauenklöstern deuten darauf hin, daß sie nicht die einzigen Zisterzienserinnen waren, auf die das zutraf. Ordensspezifische Literatur in Frauenkonventen? 387 9. Abkürzungsverzeichnis Allgemeine Abkürzungen Hs./ Hss. Handschrift/ Handschriften Hd. Hochdeutsch Jh. Jahrhundert Lat. Lateinisch Md. Mitteldeutsch Mhd. Mittelhochdeutsch Mnd. Mittelniederdeutsch Nd. Niederdeutsch Nl. Niederländisch Nnsächs. Nordniedersächsisch Nordnd. Nordniederdeutsch Ostfäl. Ostfälisch st stark stv starkes Verb swv schwaches Verb Westfäl. Westfälisch Texte An van S’ agneten (Hs. 3) At van S’ agathen (Hs. 3) C van S’ Cecilien (Hs. 3) ELA Elsässische Legenda aurea FLG Das fließende Licht der Gottheit K van sunte katerinen (Hs. 3) Km van der kermissen (Hs. 3) L van S’ lvcien (Hs. 3) LA Legenda aurea Leg. Legatus divinae pietatis Lib. Liber specialis gratiae MG van der bort vnser vrowen (Hs. 3) MH van vnser vrowen hymelvart (Hs. 3) MM van S’ Marien Magdalenen (Hs. 3) Mnd LA Mittelniederdeutsche Legenda aurea Ms van der missen (Hs. 3) N en narede der missen (Hs. 3) Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis RDO Rationale Divinorum Officiorum SAM De sacro altaris mysterio Smndl LA Südmittelniederländische Legenda aurea Nachschlagewerke, Reihen und Zeitschriften Can. Canivez, Joseph-Maria (Hg.): Statuta Capitolorum Generalium Ordinis Cisterciensis GAG Göttinger Arbeiten zur Germanistik LCI Lexikon der christlichen Ikonographie LMA Lexikon des Mittelalters LThK Lexikon für Theologie und Kirche MGH Monumenta Germaniae historica MGH SS Monumenta Germaniae historica. Scriptores MTU Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters RDK Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte RL Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft PL Patrologia latina VL Verfasserlexikon ZfdA Zeitschrift für deutsches Altertum ZfdPh Zeitschrift für deutsche Philologie 390 Abkürzungsverzeichnis 10. Bibliographie 10.1 Handschriften Aufgeführt werden nur selbst eingesehene oder ausführlicher behandelte Handschriften. Klosterarchiv Wienhausen, Hs. 3 (Wienhäuser Verslegendar und Meßallegorese). Klosterarchiv Wienhausen, Hs. M 7 (früher Hs. D), 1r-6r (Wienhäuser Osterspielfragment). Klosterarchiv Wienhausen, Hs. 9 (Wienhäuser Liederbuch). Klosterarchiv Wienhausen, Hs. 20 (Wienhäuser Chronik). Klosterarchiv Wienhausen, Hs. 1 (Wienhäuser Totenbuch). Kloster Lichtenthal, Hs. 108 (Tischleseordnung). Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe, 65/ 323 (Ordensregel, von Regula von Lichtenthal korrigiert). Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Hs. L 65 (geistliche Sammelhandschrift, geschrieben von Regula von Lichtenthal). Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Hs. L 69 (Regula von Lichtenthal: Buch von den heiligen Mägden und Frauen). Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Hs. L 70 (illustrierte Übersetzung der Vita Christi und Anfang der Elsässischen Legenda aurea, geschrieben von Regula von Lichtenthal). Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Hs. L 74 (deutsche Übersetzung der Vitas patrum, geschrieben von Regula von Lichtenthal). Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Hs. L 79 (aszetische Sammelhandschrift, von Regula von Lichtenthal kompiliert und geschrieben). Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Hs. L 82 (deutsche Übersetzung der Legenda beatae Catharinae Senensis des Raimund von Capua (2r-140v) und der Legende von den 10.000 Märtyrern (142r-157r), von Regula von Lichtenthal geschrieben). Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Hs. L 88 (Grammatikhandschrift, Nachtrag und Korrekturen von Regula von Lichtenthal). Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg, Ms. 2542 (all. 517 2°) (Fortsetzung der Elsässischen Legenda aurea, von Regula von Lichtenthal geschrieben). Staatsbibliothek München, cgm 5264 in kl. 4° (Der maget krone). Universitätsbibliothek Uppsala, cod. 497, 1r-42v (Passienbüchlein der vier Hauptjungfrauen). Bibliographie 10.2 Wörterbücher und Nachschlagewerke D ictionnaire de spiritualité , ascétiqué et mystiqué . Doctrine et histoire. Fondé par M. Viller. 17 Bde. Paris 1937-1995. G eorges , Karl Ernst: Ausführliches Lateinisch-deutsches Handwörterbuch. Aus den Quellen zusammengetragen und mit besonderer Bezugnahme auf Synonymik und Antiquitäten unter Berücksichtigung der besten Hilfsmittel. Unveränderter Nachdruck der 8., verbesserten und vermehrten Aufl. v. Heinrich Georges. Nachdruck Darmstadt 1998. G rimm , Jacob/ G rimm , Wilhelm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bde. Leipzig 1854-1960. H abel , Edwin/ G röbel , Friedrich (Hrsg.): Mittellateinisches Glossar. Mit einer Einführung v. Heinz-Dieter Heimann. Nachdruck der 2. Aufl. Paderborn [u.a.] 1989 (Uni-Taschenbücher 1551). L asch , Agathe: Mittelniederdeutsche Grammatik. Halle a. d. Saale 1914 (Sammlung kurzer Grammatiken Germanischer Dialekte A. Hauptreihe 9). [2., unveränd. Aufl. 1974]. L exer , Matthias: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Zugleich als Supplement und alphabetischer Index zum Mittelhochdeutschen Wörterbuche von Benecke- Müller-Zarncke. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1872-1878 mit einer Einleitung v. Kurt Gärtner. 3 Bde. Stuttgart 1992. L exikon der christlichen I konographie . Begründet v. Engelbert Kirschbaum, hrsg. v. Wolfgang Braunsfeld. 8 Bde. Rom [u.a.] 1968-1976. L exikon der L iturgie . Mit Ergänzungen auf Grund der Dekrete des II. Vatikanischen Konzils. Ein Überblick für die Praxis v. Gerhard Podhradsky. Innsbruck [u.a.] 1967. L exikon des M ittelalters . 10 Bde. München und Zürich 1980-1999. L exikon für T heologie und K irche . Begründet v. Michael Buchberger. 3., völlig neu bearb. Aufl. hrsg. v. Walter Kasper. 11 Bde. und ein Registerbd. Freiburg i. Br. [u.a.] 1993-2001. L übben , August: Mittelniederdeutsche Grammatik nebst Chrestomathie und Glossar. Leipzig 1882. M ittelhochdeutsches W örterbuch . Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1854-1866 mit einem Vorwort und einem zusammengefaßten Quellenverzeichnis v. Eberhard Nellmann sowie einem alphabetischen Index v. Erwin Koller, Werner Wegstein u. 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(mit Anm. 301 ), 280, 282f., 285 (mit Anm. 31 ), 302 (mit Anm. 84 ), 321, 324f., 328, 330, 332, 336 215 , 337ff., 354f., 357, 368-377, 380, 385 181 Agatha, hl. (Legende) 8 (mit Anm. 15 ), 114, 120-122, 173f., 270 (mit Anm. 277 ), 271 281 , 272, 311 121 , 315f. 129 , 389, Abb. 25, et passim Agnes, dt. Königin u. Kaiserin 214 Agnes, hl. (Legende) 8 (mit Anm. 15 ), 9 16 , 116-120, 149 100 , 154-159, 161 124 , 163, 166f., 172, 174f. (mit Anm. 150 ), 199 59 , 200 63 , 209, 242f., 256, 270-273 (mit Anm. 277,287 ), 311 121 , 315 129 , 389, Abb. 26, et passim Agnes von Meißen (Landsberg), Stifterin des Klosters Wienhausen 212f. (mit Anm. 22 ), 215f. (mit Anm. 30,37 ), 218ff., 221 70 , 222 78 , 235f. (mit Anm. 139 ), 237- 243, 270, 273, 275, 278, 312, 370, Abb. 7-9 Agnes von Staufen 218, 266, 278 Agnesa Maria von Hohnhorst, Äbtissin von Wienhausen 235 Albert von Hakeborn 354 48 Albertus Magnus, Super Missam 37, 123, 204 Albrecht I. von Braunschweig-Lüneburg 220, 241 160 Albrecht II., Herzog von Braunschweig- Grubenhagen 263 Albrecht, Freiherr von Hakeborn 369 Alexander, hl. 236, 239 (mit Anm. 153 ), 259 238 , 269, 273 294 , Abb. 7, 23 Alexander de Villa Dei, Alphabetum maius, Doctrinale puerorum 284 (mit Anm. 26 ), 300 Allegorese 128f. (mit Anm. 17f. ), 148, 203 83 , 263 250 - anagogische/ eschatologische 128 (mit Anm. 17 ), 202 - rememorative 128f. (mit Anm. 17f. ), 132 36 , 138, 145, 185, 202, 211, 234 - tropologische/ moralische 128 (mit Anm. 17 ), 202, 204 - typologische 128f. (mit Anm. 17f. ), 202, 211 Allerheiligen, Prämonstratenserkloster 216 Amalar von Metz, De ecclesiasticis officiis 134 57 , 202 (mit Anm. 73 ) Anastasia, hl. 311 121 Andachtsbild (erzählerisches) 185, 232 (mit Anm. 125 ), 274, 313 Andachtsbuch 230, 246, 332 Anna, hl. 90ff., 168, 233 126 , 271, 315f. 129 , Wienhausen, Anna-Teppich Anna von Nassau 255 Register Register Apollonia, hl. 316 129 Apostrophe 125-128, 137ff., 142, 144, 148, 180, 184, 307 Apparat, gelehrter 178, 184, 187, 197, 211 Armarius/ Armaria 376 (mit Anm. 150 ) Arnold von Bonneval, Benediktinerabt 344 Arnold von Lübbeck, Chronica Slavorum 238 148 Artzt, Eikhart 326 168 Augustinerchorherren, -frauen 281 16 , 318 Augustinus 228, 356, 365 Backnang 278 (mit Anm. 4 ) Baden, Markgrafen 217, 278-283, 358 72 Barbara, hl. 270, 272 (mit Anm. 287 ), 311 (mit Anm. 121 ), 315f. 129 , Abb. 25 Bartholomäus von Trient, Epilogus in gesta sanctorum 151 (mit Anm. 109 ), 192 Basel 281 16 , 326 169 (Konzil), 335 Beatrix von Nazareth 384 174 Beda Venerabilis 228, 365 Benedikt von Nursia 355 Benedikt XII., Benedictina 280f. 15 , 322 Benediktiner(orden) 227, 281 16 , 335, 337, 343f. (mit Anm. 9 ), 345, 347 (mit Anm. 26 ), 351, 351f. 44 , 357 69 , 363 97 , 366 Benediktinerinnen 347, 366 Benediktinerregel 239 151 , 288, 343f., 351, 377 155 , 383 (mit Anm. 169 ), 385 Bernhard von Anhalt 218 51 Bernhard von Clairvaux 228, 234, 239 151 (Vita prima), 240, 243, 311 121 , 343 9,11 , 344 (mit Anm. 12 ), 355 (mit Anm. 57 ), 356 (Hohelied-Predigten), 365f. Bernward, Bischof von Hildesheim, hl. 214 26 , 233 126 Berthold von Regensburg, Von der Messe 136, 142f., 205f. Berthold, Zisterziensermönch in Maulbronn 292 (mit Anm. 54 ), 300 (mit Anm. 80 ) Bettelorden 333 197 , 345, 347 26 , 358 73 Bibel 26, 129, 138 70 , 171, 178, 184, 211, 233 126 , 287 38 , 291 51f. , 295, 310 116 , 365, et passim, Hohelied Bibelexegese 202, 304, 345, 362 Bibliothekskatalog Bücherverzeichnis Bolko I. von Schweidnitz 349 33 Bonaventura, Franziskus-Legende 288, 307 Braunschweig 214 25 , 27, 217, 219f., 241 160 , 264 (mit Anm. 255 ), 265 256 , 275 301 Braunschweiger Reimchronik 241 (mit Anm. 160 ) Brautmystik 209, 386 Bruder Philipp, Marienleben 386 Bücherverzeichnis, Bibliothekskatalog 331 191 , 361ff. (mit Anm. 86 ), 376 151 Burchard, Domherr in Magdeburg 379f. Burchard I., Graf von Mansfeld, Stifter der Klosters Helfta 356f., 372 Burchard III., Graf von Mansfeld-Querfurt 357 Burchard IV., Graf von Mansfeld-Querfurt 354 48 Burchard VI., Graf von Mansfeld-Querfurt 373 Busch, Johannes, Klosterreformer 223, 252, 254f., 325 Cäcilia, hl. (Legende) 8 (mit Anm. 15 ), 108- 113, 161 124 , 165 (mit Anm. 129 ), 167 132 , 174f., 200 63 , 270 (mit Anm. 277 ), 272, 311 121 , 315 129 , 389, Abb. 24, et passim Caesarius von Heisterbach 378 157 Cantor/ cantrix, Kantor/ Kantorin 229, 284, 286, 299, 330, 369, 375ff. (mit Anm. 150ff.,155 ) Celle 12 33 , 24, 214 (mit Anm. 25 ), 219, 238 149 Ceremoniae sanctimonialium ordinis S. Benedicti sub observantia Bursfeldensi famulantium 366 114 Chor 133ff., 137 (mit Anm. 66 ), 244, 249 (mit Anm. 194 ), 375 (mit Anm. 150 ), Schola cantorum Chorgebet 376 (mit Anm. 151 ) Chorgesang 377 155 Clara, hl. Thomas von Celano, Clara- Legende Clement, Claude, Jesuit 299 75 Cluny, Cluniazenser 343, 345 15 , 376 150 Codex Gisle 367 118 , 377 155 Cristina, hl. 311 121 Deutscher Orden 198, 341f. 3 , 352 44 Devotio moderna 254 (mit Anm. 217 ) Dietrich von Moers, Erzbischof von Köln 325 434 Register Dietrich (Thidericus) von Prome, Propst von Wienhausen 235f. (mit Anm. 137,141 ), 368, Abb. 7 Dominikaner(orden) 153 114 , 192f., 195, 211 16 , 341, 351ff. (mit Anm. 44 ), 386 Dominikanerinnen 288 42 , 341 (mit Anm. 3 ), 347 25 , 352, 361, 366, 378 157 Dominikus, hl. 356 62 Donatus 300 Dorothea, hl. 270ff. (mit Anm. 277 ), 311 (mit Anm. 121 ), 314, 315f. 129 , Abb. 26 Durandus, Wilhelm, Bischof von Mende, Rationale divinorum officiorum 26 (mit Anm. 4 ), 39, 59f., 65f., 68, 123 (mit Anm. 6 ), 128 16 , 129 (mit Anm. 19 ), 132 42 , 135, 137 (mit Anm. 65 ), 147 95 , 178 161 , 186 169 , 202ff. (mit Anm. 83 ), 211 16 , 234, 390 Eberhard von Rohrdorf, Abt von Salem 226 92 Ebstorf, Benediktinerinnenkloster 219, 228, 234, 236 139 , 333 198 , 338 225 Ebstorfer Liederbuch 251f. (mit Anm. 208 ) Eilhart von Oberg, Tristrant 263-266, Wienhausen, Tristan-Teppiche Eisleben 357, 369, 373, 374 147 Elevation 143f., 187 - Hostie 59, 62, 127, 131f. (mit Anm. 35 ), 139ff., 203f., 247 189 - Kelch 59, 62, 127, 139, 203 Elftausend Jungfrauen 271 280 , 298 73 Elisabeth III. von Braunschweig, Äbtissin von Wienhausen 222 Elisabeth von Polen (Mutter von Agnes von Meißen) 213 18 , 216 Elisabeth von Schönau 372 136 Elisabeth von Schwarzburg, Stifterin des Klosters Helfta 356f. Elisabeth von Thüringen, hl. 237, 251, 258 Elissende d’Assonville, Äbtissin von Notre-Dame-des-Prés 377 155 Elsässische Legenda aurea 173 143 , 195f., 200, 287f., 288 43 , 391, Margaretha von Lichtenthal, Elsässische Legenda aurea Elsbeth, Äbtissin von Zimmern 385 181 Engelthal, Dominikanerinnenkloster 318 135 , 337 Ernst («der Bekenner»), Herzog von Braunschweig-Lüneburg 223 Erzähler, Erzählinstanz 124 9 , 155 117 , 163- 168, 172, 177, 184f., 187f., 273, 294 61 , 305, 310 118 , 313f. Etymologie (des Heiligennamens) 160 (mit Anm. 121 ), 197, 296, 298 74 , 306 (mit Anm. 101 ) Eucharistie 124, 141, 147, 187, 201f., 205, 240, 247 189 Frank, Johannes, Augsburger Schreibermönch 327 175 Franziskaner(orden) 347 25 , 351f. 43f. Franziskus Bonaventura, Franziskus- Legende Frauenalb 282 Frauenmystik 316, 352, 368, 374, 382 167 , 386 Friedrich II., dt. König und Kaiser 218f., 278 4 , 358 Fronleichnamsfest 240 158 , 247 189 Gebetbücher, Orationalien 1, 206, 229, 245 180 , 257f. (mit Anm. 229f. ), 270f. 277 , 331f. 192 , 368, 381, 383 169 , 386 Gebhard V., Burggraf von Querfurt 379 Geiler von Kaysersberg 326 169 Gertrud von Hakeborn, Äbtissin von Helfta 369-373, 375, 377 (mit Anm. 156 ), 379, 382 Gertrud von Helfta 341, 370, 382 167 - Legatus divinae pietatis 356 (mit Anm. 61f. ), 359, 370 (mit Anm. 132 ), 372 137 , 377ff. (mit Anm. 154,158f. ), 381, 389 Gertrud von Mansfeld (Gemahlin des Burggrafen von Meißen) 357 Gisela von Kerssenbrock 367 118 Grablege 213 22 , 215ff., 278, 351 42 , 357, 371 134 Gregor I., der Große 183, 228, 365 Gründungslegende, -geschichte 235-241 (mit Anm. 139,143,151,159 ), 342, 384f. (mit Anm. 177 ) Guillaume d’Auxerre, Summa de officiis ecclesiae 151 109 Register 435 Halberstadt 348 30 , 357 (mit Anm. 70 ), 369, 373 Halle 351, 374 Hauskloster 216, 221, 236 143 , 266, 278, 281, 325, 357 Hedwig I., Herzogin von Schlesien, hl. 237, 354 (Vita maior St. Hedwigis) Der Heiligen Leben 196, 198 Heiligen-Zyklus des Schwarzwälder Predigers 193f. Heinrich II., dt. König u. Kaiser, hl. 302f. Heinrich III., dt. König und Kaiser 214 Heinrich (VII.), dt. König 219 62 Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen und Bayern 212, 216ff., 264 255f. , 266 Heinrich (V.), Pfalzgraf bei Rhein, Stifter des Klosters Wienhausen 212f. (mit Anm. 22 ), 215, 216 37 , 217f., 219f. 62 , 242, 264 255 , 266, 270, 278, Abb. 9 Heinrich von Langenstein, Tractatus De proprietariis religiosum 337f. 224 Heinrich von Veldeke, Servatius 294 61 Helfta 1, 3, 214 24 , 228, 341, 348 30 , 350f. (mit Anm. 37,44 ), 354ff. (mit Anm. 48f. ), 358 72 , 360, 368-375, 377-382 (mit Anm. 163,167 ), 387, Abb. 33 Hermann V., Markgraf von Baden 278 Hermann von Fritzlar, Heiligenleben 258 232 Herzebrock, Benediktinerinnenkloster 333 199 Herzog Ernst 265 Hieronymus 198, 228, 288 Hildegard von Bingen 131 32 , 304 96 , 372 136 Hildesheim 12 33 - Bistum 20 76 , 219f. (mit Anm. 62 ), 227, 239, 242 164 , 264 (mit Anm. 255 ) - Diözese 240 158 - Lüchtenhof 253 (mit Anm. 213 ) - St. Michael, Benediktinerkloster 252 - St. Godehard, Stift 252 Hiltgart von Hürnheim, Zisterzienserin in Zimmern 385 181 Himmelsrichtungen - Norden 44, 126, 130f. (mit Anm. 32 ) - Osten 39, 125, 130f. (mit Anm. 32 ) Hinkmar von Reims, Remigius-Vita 310 116 Hohelied (Cantica canticorum) 82, 171, 304 (mit Anm. 96 ), 311 121 , 356 Honorius Augustodunensis, Gemma animae 132 36 , 151 109 Hoyer, Graf von Mansfeld 374 Ida von Leeuw 384 174 Ida von Nivelle 384 174 Innozenz III. (Lothar von Segni), De sacro altaris mysterio 26 (mit Anm. 4 ), 39, 52-55, 57, 59f., 64ff., 68f., 123, 129 (mit Anm. 19 ), 132 42 , 135, 138 70 , 142 78 , 146f. (mit Anm. 95 ), 184, 202f., 205, 390 Innozenz IV. 95, 279 Inzigkofen, Augustinerchorfrauenstift 286, 295 Irmgard von Baden, Stifterin des Klosters Lichtenthal 217, 278f., 299 76 , Abb. 31 Irmgard von Staufen (Henneberg) 217 Isidor von Sevilla, Etymologiae 365 Jacobus de Voragine, Legenda aurea 1f., 26 (mit Anm. 4 ), 30-33, 77, 80, 82, 84- 89, 91-96, 98ff., 104, 107, 109, 111-115, 117-122, 123 (mit Anm. 1 ), 148-183, 185, 191-200, 204, 209, 211 16 , 234 (mit Anm. 132 ), 258 (mit Anm. 232 ), 270, 271 281 , 273, 277, 297 72 , 306 102 , 312, 381, 386, 389 - Chronica de civitate Ianuae 192 - Sermones de Sanctis 123, 192, 234 Jäck, Anna, Priorin von Inzigkofen 295 Jakob I., Markgraf von Baden 281, 283 Jan von Brunswik 263 Jean de Mailly, Abbreviatio in gestis et miraculis sanctorum 151 (mit Anm. 108f. ), 192 Jerusalem, Himmlisches 242, 256, 269f. (mit Anm. 274 ), Abb. 9 Joachim von Fiore, Abt von Corazzo 349 33 Johann, Abt von Sittichenbach 354 48 Johann I. von Braunschweig-Lüneburg 220 Johanna von Leiningen, Äbtissin von Lichtenthal 280 Jordan von Blankenburg, welfischer Seneschall 266 Juliana, hl. 311 121 Jutta von Braunschweig-Lüneburg, Äbtissin von Wienhausen 222, 264 436 Register Kanon 126f., 133, 136, 138f., 144, 206, 272 Kantorin Cantor Karl II., Graf von Hohenzollern-Sigmaringen 326 Kastl, Benediktinerkloster 236 143 , 335 210 Katharina, hl. (Legende) 7f. (mit Anm. 15 ), 71-80, 138 69 , 154 116 , 159-165, 168f., 175ff. (mit Anm. 154 ), 186, 199, 270- 273 (mit Anm. 277,287 ), 296-299, 306 100 , 310 119 , 311, 315f. 129 , 389, Abb. 27, et passim Katharina von Hoya, Äbtissin von Wienhausen 222f., 233, 246f., 250, 252ff. (mit Anm. 209,211f. ), 255 223 , 267, 332, 371 134 , 380 Katharina von Siena Raimund von Capua, Legenda maior der Katharina von Siena Kesselhuthen, Dorothea Maria 235 Kirchweihe, Kirchweihtext 2, 8f. (mit Anm. 15 ), 27-34, 123 1 , 127, 151 (mit Anm. 109 ), 177-184, 186 (mit Anm. 169 ), 272f., 389 Kommunion 68, 127, 131 35 , 133f. Konrad, Onkel Heinrichs des Löwen und Mönch in Cîteaux 217 Konrad II., Bischof von Hildesheim 213 19 , 219 (mit Anm. 62 ) Konrad, Markgraf von Meißen (Landsberg-Niederlausitz) 213 (mit Anm. 18 ) Konrad von Soltau, Glossa super Psalterium 288, 291 Konrad von Staufen, Pfalzgraf bei Rhein 217f. Konstanz, Konzil 281 16 Konversen, Laienbrüder, -schwestern 256, 337, 346, 370 130 , 383f. (mit Anm. 171,173 ) Kümmernis, hl. 271 280 Kunigunde, erste Äbtissin von Helfta 357 Kunigunde, dt. Königin u. Kaiserin, hl. 302f. Laien 136, 143, 146, 186f., 206-209, 233, 255 225 , 327 172 , 330f. 191f. , 336f. (mit Anm. 220 ), 338f. 228 Laienbrüder, -schwestern Konversen Lamspringe, Benediktinerinnenkloster 364 102 Laurentius, hl. 238 149 , 239 Leben Jesu Vita Christi Lefant, Familie aus Douai 386 Legenda nova 192, Abbreviation Legendar - Verslegendar 5f., 190f., 198f., 200, 208, 310ff. - Prosalegendar 190f., 195, 200, 208, 312 - kalendarisch, per circulum anni 151, 192, 195, 199f., 287f. - nach Heiligentypen (Frauen) 199f. (mit Anm. 56 ), 209f., 211, 243, 270, 277f., 310-316 Legende 1f., 123f., 145, 148-178, 180f., 183- 188, 189-200, 201, 206, 208f., 233, 237ff., 241, 243, 258f., 263, 268-276, 277f., 287f., 301-310, 311-316, 383f. 173 , 386, et passim (s. auch einzeln indizierte Heilige) Lexington, Stephan, Abt von Clairvaux 346 19 Liber virginum 186, 199 Lichtenthal 2, 217, 277-288, 292 (mit Anm. 53f. ), 294f. (mit Anm. 65 ), 298 73 , 299f., 312, 316, 322ff., 329, 332, 333 197 , 334 (mit Anm. 202 ), 337ff., 339, 354ff., 357 70 , 358 72 , 360, 362, 364 102 , 368f. (mit Anm. 123 ), 374-377, 378 157 , 380, 387, 391, Abb. 30 Liederbuch der Anna von Köln 251f. (mit Anm. 208 ) Liederbuch der Catharina Tirs 251f. (mit Anm. 208 ) Lippoldsberg, Benediktinerinnenkloster 364 102 Liturgie 123 2 , 125-134, 136, 139f., 143ff., 184-187, 191, 201, 203 (mit Anm. 83,89 ), 205f. (mit Anm. 116 ), 208, 228, 246, 248, 251, 255f., 272 (mit Anm. 285 ), 274f., 313, 325, 342, 344, 351, 381 - Gewänder 30, 34f., 125, 131, 181, 128 16 - Handschriften 8, 229 110 , 233, 253, 285f., 299f. (mit Anm. 76 ), 302 86 , 334 (mit Anm. 202 ), 355, 362, 364f., 367, 368 123 , 376 - Ostern 244f. 175,180 - Zeichen 124 8 , 186 172 - Zisterzienser Zisterzienser, Liturgie Lothar von Segni Innozenz III. Register 437 Lucia, hl. (Legende) 8 (mit Anm. 15 ), 113- 116, 160 123 , 161 124 , 163, 167, 174, 270ff. (mit Anm. 277 ), 298 74 , 306 100 , 310 119 , 311 121 , 316 129 , 389, Abb. 24, et passim Lucidarius 206 116 Ludolf von Dahlum, welfischer Ministeriale 217 Ludolf von Sachsen (Leben Jesu) 287 39 Ludwig I., Freiherr von Hakeborn 354, 369 Ludwig IV., Pfalzgraf bei Rhein 326 Ludwig, Weihbischof von Hildesheim 275 301 Lüne, Benediktinerinnenkloster 229, 259f. (mit Anm. 240 ) Lüneburg 24 110 , 197 (mit Anm. 42 ), 217, 219f., 222, 244 Lüneburger Frauenklöster 1, 222 78 , 227ff. (mit Anm. 104 ), 231, 328, 333, 347 Luthgard II. von Braunschweig-Lüneburg, Äbtissin von Wienhausen 222, 264 Märterbuch 198, 208 Magdalena von Oettingen, Äbtissin von Kirchheim 325, 336 215 , 371 134 Magdalena von Wickersheim 286 Magdeburg 351, 369, 374, 379f. Der maget krone 200, 310f. (mit Anm. 121f. ), 313-316, 391 Margaretha, hl. 270ff. (mit Anm. 277,280,297 ), 310 119 , 311 (mit Anm. 121 ), 315 129 , Abb. 27 Margaretha (genannt Regula) von Lichtenthal 2f., 199, 277f., 283-310, 312, 315, 328f., 334, 337f., 339, 355, 368f., 373-377, 379, 381f., 391 - Elsässische Legenda aurea 284, 287f., 391 - L 65 284, 291f., 295, 391 - L 69 (Buch von den heiligen Mägden und Frauen) 2, 199, 277f., 283f., 288, 296-298, 301-310, 312, 315, 381, 391, Abb. 32 - L 70 284, 287f. (mit Anm. 39 ), 292- 295, 300, 391 - L 74 284, 298f. (mit Anm. 75 ), 391 - L 79 284, 307 (mit Anm. 106 ), 391 - L 82 284, 391 - L 88 283f., 289ff., 300, 391 - Ordensregel 284, 391 - Tischleseordnung (Kl. L. 108) 284, 286, 287 38 , 288, 291 51 , 298 (mit Anm. 73 ), 391 Margaretha II. von Schöningen, Äbtissin von Wienhausen 235f. (mit Anm. 137,141 ), 368, Abb. 7 Margarethe von Baden, Äbtissin von Lichtenthal 283 Maria von Brabant (Gemahlin Ottos IV.) 216 37 Maria, Gottesmutter 171, 192, 231, 236, 239, 249 196 , 258, 267 264 , 271 (mit Anm. 279 ), 273 294 , 311 (mit Anm. 121 ), 315 129 , 344 (mit Anm. 12 ), 354, 358f. 75 , 384 (mit Anm. 175 ), Abb. 7 - Maria-Geburt-Legende 8 (mit Anm. 15 ), 90-98, 160 (mit Anm. 123 ), 166, 168, 172, 199 (mit Anm. 159 ), 258, 389, et passim - Maria-Himmelfahrt-Legende 7f. (mit Anm. 15 ), 80-90, 153 114 , 154 116 , 159ff. (mit Anm. 124 ), 163f., 169, 171, 176f., 199 (mit Anm. 59 ), 389, et passim Maria Magdalena, hl. (Legende) 8 (mit Anm. 15 ), 48, 98-107, 145, 159f. (mit Anm. 118 ), 162f., 165-171, 174f. (mit Anm. 149 ), 199 (mit Anm. 59 ), 244, 246 182 , 247ff. (mit Anm. 189,191f.,194f. ), 271 (mit Anm. 278 ), 272 287 , 306 98 , 315f. 129 , 389, et passim Martha, hl. 306 98 Mathilde von England (Gemahlin Heinrichs des Löwen) 266 (mit Anm. 259 ) Mechthild, Herzogin von Braunschweig-- Lüneburg (Gemahlin Ottos I.) 215f. 33 Mechthild von Braunschweig-Lüneburg (Schwester Ottos II.) 222 Mechthild von Braunschweig-Lüneburg (Mutter Katharinas von Hoya) 222, 267 (mit Anm. 264 ), 371 134 Mechthild von Hakeborn 341, 354, 370- 373, 377, 379, 382 167 - Liber specialis gratiae 356 (mit Anm. 62 ), 359, 370-373, 377, 381, 386, 389 Mechthild von Magdeburg 341, 352f. (mit Anm. 46 ), 379f. (mit Anm. 163 ) 438 Register - Das fließende Licht der Gottheit 352, 356, 380 163 , 382 (mit Anm. 167 ) Mechthild von Sachsen, Äbtissin von Wienhausen 222 Melker Reform 256, 335 205 , 210, 376 151 Memmingen, Schottenkloster 216 Meßallegorese, -auslegung, -erklärung 2, 26 4 , 123-148, 150, 153, 163, 168, 177, 178 161 , 180f. (mit Anm. 165 ), 183 167 , 185- 188 (mit Anm. 172 ), 191, 201-206, 207 1 , 234, 240, 275, 315 Messe Elevation, Eucharistie, Kanon, Kommunion, Liturgie, Wandlung Meyer, Johannes, Buch der Ämter der Schwestern des Predigerordens 366 114 , 376 152 Michael de Massa, Augustinereremit (Vita Christi) 287 39 Mieszko III. von Polen 213 18 Mirakel 159 (mit Anm. 118 ), 160-167, 169 135 , 175 (mit Anm. 152 ), 197, 236 143 , 238f., 297f. (mit Anm. 72 ), 307, 313, 365 Mitteldeutsch 10 (mit Anm. 24 ), 16 51 , 18, 21, 23, 24 111 , 194, 311, 398 Mittelhochdeutsch 10-24, 26, 389 Mittelniederdeutsch 5, 9-24, 26, 141f. 77 , 191, 194, 196ff., 200, 243, 250 (mit Anm. 201f. ), 257ff., 310 119 , 389 - Nordniederdeutsch 10 (mit Anm. 28 ), 17, 21-24, 197 42 , 389 - Baltisch 10, 22, 24 - Groningisch-Ostfriesisch 10, 22 (mit Anm. 98 ), 24 - Nordniedersächsisch 10 (mit Anm. 28 ), 22ff. (mit Anm. 98,110 ), 389 - Ostelbisch 10 (mit Anm. 28 ), 22, 24 - Ostfälisch 9f., 12 33 , 16-24, 389 - Elbostfälisch 10, 17, 22ff. (mit - Anm. 97 ), 44 - Ostanhaltisch (Zerbstisch) 10, 23f. - Südmärkisch 10 (mit Anm. 28 ), 17 52 , 23f. - Westfälisch 10, 15-24, 389 - Ijsselländisch 10, 23f. Mittelniederdeutsche Legenda aurea 149 100 , 160, 197, 389 Nekrolog, Totenbuch 215, 231 120 , 232ff. (mit Anm. 126,131 ), 235f. (mit Anm. 137 ), 258, 267 264 , 282 21 , 284, 300 80 , 376f. 150 , 391, Wienhausen, Totenbuch Nider, Johannes, Dominikaner 293 57 , 334 203 Niederländisch 15, 18, 20, 22 98 , 23f., 151 107 , 166 121 , 189, 195f. (mit Anm. 35 ) Nienhagen 213, 238 (mit Anm. 149 ) Nikolaus V. 326 Nikolaus von Dinkelsbühl 293f. 59 Nikolaus von Lyra, Postilla litteralis super totam Bibliam 291 (mit Anm. 52 ) Nonnenkunst 231f. 125 , 259ff. (mit Anm. 240 ) Nordmittelniederländische Legenda aurea 196 35 Nothelfer 106, 272 (mit Anm. 287 ) Nürnberg 288 42 , 295 65 - Katharinenkloster 318 135 , 331f. 191f. , 335f. - Klarissenkloster 295 65 Obermünster, Damenstift (Regensburg) 326 170 , 335 Observanz 301 81 , 317, 319 (mit Anm. 142 ), 321 (mit Anm. 149 ), 324 160 , 329 (mit Anm. 182 ), 330 190 , 333 197 , 337f., 359 77 , 366, 375 148 , Reform Orationalien Gebetbücher Ordenshistoriographie 225, 320 Ostmittelniederdeutsche Legenda aurea I 196f. (mit Anm. 36 ) Ottilia, hl. 271 280 Ottilia, Markgräfin von Baden 282 22 Otto I. («das Kind»), Herzog von Braunschweig-Lüneburg 213 (mit Anm. 22 ), 218ff., 226 Otto II., Herzog von Bayern, Pfalzgraf bei Rhein 218 Otto II., Herzog von Braunschweig-Lüneburg 222, 264 Otto III., Herzog von Braunschweig-Lüneburg 222 Otto IV., dt. König und Kaiser 216 37 , 218, 264 255 , 265 257 Otto V., Herzog von Braunschweig-Lüneburg 223 Otto von Braunschweig-Lüneburg, Bischof von Hildesheim 220 Paraklet 375 Passienbüchlein von den vier Hauptjungfrauen 199, 310f., 313f., 391 Register 439 Passional 193, 198, 208 Patron, Patrozinium 219, 231, 236, 238f. (mit Anm. 149 ), 257, 259 238 , 269, 273 294 , 354 Pecia-System 193 (mit Anm. 18 ), 204 (mit Anm. 90 ), 211 16 Perpetua und Felicitas, hll. 302 Peutner, Thomas, Büchlein von der Liebhabung Gottes 332 193 Pfaffe Konrad, Rolandslied 265 Pius V., Missale 203 86 Pothstock, Susanna, Äbtissin von Wienhausen 233 (mit Anm. 129 ), 252ff., 380 Preventa und Adoptata, hll. 310 119 Priscian, Institutiones grammaticae 284 26 Quidenbeumen, Alheidis, Zisterzienserin in Billigheim 367 Raimund von Capua, Legenda maior der Katharina von Siena 288 (mit Anm. 42 ) Reform (der Klöster u. Orden) 3, 223, 227, 229-235, 240 159 , 250-258, 277f., 280-283, 285f. (mit Anm. 31 ), 293 57 , 294, 299 76 , 300f. 81 , 302 (mit Anm. 84 ), 308f., 312, 316-339, 354, 359 77 , 364 102 , 366, 368f., 374ff., 380, Observanz Reformation 223, 230, 275, 336, 363 97 , 374 Regula Margaretha von Lichtenthal Remstede, Katharina, Äbtissin von Wienhausen 233, 267 264 , 275 (mit Anm. 301 ), 355 Richard Löwenherz 265 257 Rodarsdorf 357 (mit Anm. 68 ) Rudolf von Hürnheim, Zisterzienser in Kaisheim 385 181 Ruprecht von Mansfeld, Domherr in Magdeburg 380 Ruprecht von Querfurt, Erzbischof von Magdeburg 369f., 379 Schola cantorum 133, 137 66 , Chor Schorkopp, Johannes, Kanoniker des St. Blasius-Stifts Braunschweig 275 301 Secretum secretorum 385 Seneca, Lucius Annaeus, Epistulae morales ad Lucilium 289ff. (mit Anm. 48 ) Sermo humilis 192, 293 Seuse, Heinrich, Büchlein der ewigen Weisheit 332 193 Siegfried II., Graf von Blankenburg 264 255 Sophia von Stolberg, Äbtissin von Helfta 350 59 Sophie von Braunschweig-Lüneburg 222 Sophie von Hakeborn 379 Sophie von Mansfeld (Gemahlin des Burggrafen von Querfurt) 357 Sophie von Mansfeld, Äbtissin von Helfta 372f., 375, 380 Speculum ecclesiae, Predigtsammlung 204 Speculum humanae salvationis 259, 267 263 , Wienhausen, Heilsspiegel-Teppich Speculum virginum 272 Sprecher 124f. (mit Anm. 9 ), 127f., 130f., 134-142, 146ff., 163f., 180ff., 184f., 188, 210f., 245, 256 St. Anna, Karmeliterkloster (Augsburg) 331 191 , 336 211 St. Katharina, Dominikanerinnenkloster (Augsburg) 368 123 St. Mang, Benediktinerkloster (Füssen) 336 212 , 337f. (mit Anm. 224 ) St. Maria Maggiore (Rom) 239 152 St. Paul, Damenstift (Regensburg) 326 170 , 335 St. Peter (Salzburg) 205 99 St. Peter und Paul, Benediktinerkloster (Weißenburg) 326 168 St. Ulrich und Afra, Benediktinerkloster (Augsburg) 300 81 , 327 175 , 333 197 St. Walburg (Eichstätt) 361 83 Steingaden, Prämonstratenserkloster 216 Stifter, Klostergründer 211 16 , 212-223, 235- 243, 266ff., 270, 273, 275, 278f., 283, 299f. 76 , 312, 327f. 176 , 336 215 , 346f., 348 30 , 351 (mit Anm. 42 ), 354f., 356-359, 368ff., 372f., 376 150 , 378 157 , 379f., 384f., Abb. 7, 8, 9, 31 Strauler, Anna, Äbtissin von Lichtenthal 282f., 375 Südmittelniederländische Legenda aurea 195-198, 199 59 , 209, 390 Super Apokalipsim 367 Tagzeiten, Horen 28ff., 103, 145 87 , 179f., 182, 186, 334 202 , Chorgebet Tekla, hl. 297 71 440 Register Thalbacher Legenda aurea 196 (mit Anm. 36 ) Thidericus Dietrich von Prome Thomas von Aquin 204 Thomas von Celano, Clara-Legende 288, 299 75 Tischleser(in), Tischlesung, Tischleseordnung 191, 195, 286ff. (mit Anm. 38 ), 291 51 , 292 55 , 295 65 , 297 71 , 298 (mit Anm. 73 ), 300f., 306, 308, 332, 339, 366 111,114 , 376f., 383 173 , 392, Zisterzienserinnen, Lectio divina Töss, Dominikanerinnenkloster 352 Topik, Topos 147, 237, 294, 370, 373, 379 - Bescheidenheit 135, 140, 147, 181, 313f. - Infirmitas, Unfähigkeit 137ff., 140, 148, 164 - Brevitas, Kürze 128 (mit Anm. 14 ), 137, 145, 148 Totenroteln 375 Translationsstrategie 2, 148 (mit Anm. 99 ), 187f., Übersetzen Übersetzen, Übersetzung 11, 128, 130, 132f., 135f., 148f. (mit Anm. 99f. ), 151- 188, 193-200, 206, 209 10 , 244, 247 190 , 273, 286ff., 294ff., 303, 309, 339, 379, 381, 385 Überwasser, Damenstift (Münster) 322 151 Urspring, Benediktinerinnenkloster 338 225 Ursula, hl. 271 280 , 311 121 , 315f. 129 Usuard, Martyrologium 302 (mit Anm. 86 ) Väterbuch 193f., 198 Verena, hl. 305 (mit Anm. 97 ) Viktoriner 228, 365, 376 150 Vita Christi, Leben Jesu 287 (mit Anm. 39 ), 292ff. (mit Anm. 55,62 ), 300, 391 Vita communis 282, 328, 332, 339 Vita maior St. Hedwigis Hedwig I., Herzogin von Schlesien Vitas patrum 198, 232f. 126 , 288, 391 Vocabularius latino-germanicus (L 72) 295 65 Waldemar, König von Dänemark 219 Wandlung 126f., 138-141, 203 84 , 206 Welf VI. 216 Welfen 212-223, 227, 237 143 , 241f. (mit Anm. 160 ), 249 197 , 264-268, 316, 368 Weingarten, Benediktinerkloster 216, 221 (mit Anm. 70 ) Werdener Liederbuch 251f. (mit Anm. 208 ) Wettiner 212, 216, 218 Wettemann, Heinrich, Propst von Wienhausen 253, 255 Wienhausen - Bildteppiche 1, 258-268, 275, 368, Abb. 15-20 - Anna-Teppich 258 (mit Anm. 232 ), 259 238 , 273 294 - Elisabeth-Teppich 258 - Heilsspiegel-Teppich 259, 266f. (mit Anm. 264 ), 332, Abb. 18 - Jagd-Teppich 259 (mit Anm. 235 ), 267, Abb. 20 - Parzival-Teppich 262 (mit Anm. 248 ) - Passionsteppich 245 178 - Propheten-Teppich 259 (mit Anm. 234 ), 267, Abb. 19 - Thomas-Teppich 245 178 , 247, 258 (mit Anm. 232 ) - Tristan-Teppiche 12 33 , 231 122 , 259, 261-268, 386, Abb. 15-17 - Wappen-Teppich der Äbtissin Katharina Remstede 267 264 - Chronik 213ff., 221 70 , 222 75 , 230f. (mit Anm. 120f. ), 233 (mit Anm. 129 ), 234-244, 253ff. (mit Anm. 214 ), 269, 273, 275, 327 175 , 354f., 359, 368, 370, 391 - Glasfenster 232 125 , 240, 267 - Handschrift 3 passim, bes. Meßallegorese, Kirchweihtext, Legende - Abkürzung, Abbreviatur 6, 25 (mit - Anm. 2 ) - Fragezeichen 7 (mit Anm. 13 ), 25, 138, - 140 74 , 142 - Heilig-Blut-Reliquie 221 (mit Anm. 69 ), 240 - Heiliges Grab 223 (mit Anm. 81 ), 245ff. (mit Anm. 184,187 ), 249 (mit Anm. 196 ), 274 (mit Anm. 298 ), 332, Abb. 11-13 - Kreuzgänge 6 4 , 236 (mit Anm. 141 ), 242, 272 287 , Abb. 7 - Liederbuch 1, 242f., 247 189 , 250- 258, 263, 268, 273 (mit Anm. 290 ), 275, 368, 391, Abb. 14 Register 441 - Nonnenchor 1, 221f. (mit Anm. 75 ), 230, 231 122 , 233 126 , 247 187 , 253 (mit Anm. 215 ), 268, 274, Abb. 3, 21, Chor - Nonnenchorausmalung 1, 122, 231 (mit Anm. 121 ), 239 153 , 242f. (mit Anm. 164,167 ), 245, 250f. 198 , 268-276, 312f., 315, 355, Abb. 9, 22-29 - Nonnenchorfund 229f., 232, 333 - Notizbuch der Äbtissinnen 267 264 - Osterspielfragment 1, 230, 243-249, 256f., 274f., 333, 368, 391, Abb. 10 - Papierreliefs 232 (mit Anm. 125 ) - Prozessionale 231, 245 180 , Abb. 4 - Totenbuch 215, 231 120 , 232ff. (mit Anm. 126f.,131 ), 235f. (mit Anm. 137 ), 258, 267 264 , 391 - Westflügel 221f. (mit Anm. 75 ), 236 (mit Anm. 141 ), Abb. 3, 7 Wiest, Elisabeth, Äbtissin von Lichtenthal 282f., 285, 375 Wilhelm von Saint-Thierry, Goldene Epistel 385 Windesheimer Kongregation 223, 227, 252, 335 210 , 361 Zachäus 272f., Abb. 29 Zeitzer Legenda aurea 194 (mit Anm. 26 ), 200 Zisterzienser(orden) 1, 3, 7 13 , 133 48 , 194f., 203 (mit Anm. 89 ), 211 16 , 213-217, 220 67 , 221 69 , 223-227, 229, 238ff. (mit Anm. 151,158 ), 244, 255, 263, 272, 279ff. (mit Anm. 15,16 ), 283f., 286, 287 38 , 292 54 , 296, 298 73 , 299 76 , 302 (mit Anm. 86 ), 308f., 322f. (mit Anm. 157 ), 326ff., 337, 341-387 - Architektur 344f. (mit Anm. 15 ), 348 30 - Bibliothek 288 43 , 299 76 , 337, 360-367, 374 147 , 376 151f. , 378 157 - Carta caritatis 342 - Ecclesiastica officia 298 73 , 385 - Exordium cistercii 342 - Exordium parvum 342 - Generalkapitel 217, 224ff., 240 158 , 279f., 281f. 18,19 , 320, 323 157 , 328 (mit Anm. 176 ), 343 9 , 344ff., 348 30 , 349f. (mit Anm. 33,36 ), 355 55 , 383 - Grangien 346, 370 129 - Konstitutionen 224, 238, 351, 355 - Liber dictaminum 323 - Liber usuum 295 - Liturgie 255, 272 (mit Anm. 284 ), 302 86 , 298 73 (festum duplex), 302 86 , 334 202 , 344 (mit Anm. 14 ), 354f. - Marienverehrung 271 279 , 344 (mit Anm. 12 ) - Normalcodex 299 76 , 302 86 , 354 - Privilegien 224 85 , 279, 322, 354f. - St. Bernhardskolleg (Paris) 211 16 , 346 19 , 365 109 - St. Jakobskolleg (Heidelberg) 378 157 Zisterzienser von (s. auch separat indizierte Klöster) - Aldersbach (bei Passau) 384 175 - Altenberg 326 167 - Altzelle 216, 363 - Amelungsborn 263, 362f., 380 164 - Casamari 349 33 - Cîteaux 217, 302 86 , 354f. - Clairvaux 221 69 , 346 19 - Dobrilugk 216 - Eberbach 195, 199 56 , 238 148 , 298 73 , 326, 331 191 , 362, 385 (mit Anm. 178 ) - Ebrach 280 13 , 383 169 - Fossanova 349 33 - Grünhain 363 - Grüssau 349 33 , 378 157 - Heiligkreuz (bei Wien) 366, 383 169 - Heilsbronn 363 - Heinrichau 378 157 - Heisterbach 325f. (mit Anm. 166f. ) - Herrenalb 281 (mit Anm. 18 ), 286, 295 65 , 299, 300 80 - Himmerod 217, 323, 338 227 , 363, 372 136 - Hohenfurt 383f. - Kaisheim 285 31 , 368 123 , 384f. - Kamp 326 167 - Lehnin 363 - Lilienfeld 330 191 , 383 169 - Loccum 226, 239 151 , 263 - Lützel 281 (mit Anm. 18 ) - Marienfeld 361 86 , 362 94 - Maulbronn 225 92 , 281 (mit Anm. 18 ), 282 (mit Anm. 20 ), 285f. (mit Anm. 37 ), 289f., 292 (mit Anm. 54 ), 300 (mit Anm. 78,80 ), 326 - Michaelstein 226 - Morimond 281 16 , 361 86 442 Register - Neuburg (bei Hagenau) 299 76 , 300 80 - Riddagshausen 214 27 , 217f., 226, 355 (mit Anm. 53 ) - Salem 226 92 , 326, 330f. 191 , 355, 365, 367, 383 (mit Anm. 169 ), 386 - Sambucina 349 33 - Schönau 217 - Sittichenbach 268, 352 44 , 353f. (mit Anm. 48 ), 370 129 - St. Urban (Kanton Luzern) 364f. - Stams 384 - Volkenrode 281 - Waldsassen 385 177 - Wilhering 383 (mit Anm. 169 ) - Zwettl 236f. 143 , 363, 383 (mit Anm. 169,171 ), 384, 385 177 Zisterzienserinnen(klöster) - Architektur 137, 187, 221f., 268f., 328, 344f. (mit Anm. 15 ), 347f. (mit Anm. 30 ), 350 - Beichtvater 195, 230f., 232f. (mit Anm. 126 ), 290, 296, 300 (mit Anm. 80 ), 308, 325 163 , 354, 368f. (mit Anm. 123f. ), 373, 378 157 - Cura monialium, Seelsorge 214, 223f., 341 (mit Anm. 3 ), 347, 351-354, 362 94 - Definitiones 286 - Exemtion 225ff., 324, 349 33 - Gründung 212-220, 224, 278f., 282, 312, 327f., 334 202 , 349, 354-357 (mit Anm. 55 ), 360, 361 86 , 368, 370-373, 380, 383, Gründungslegende - Inkorporation 195, 220, 223-227, 279, 11, 281, 346-351 (mit Anm. 33-37,42 ), 354ff. (mit Anm. 55 ), 358 73 , Zisterzienserinnen, Ordenszugehörigkeit - Klausur 187, 215 27 , 224f., 238, 260, 264, 282f., 323, 327f. (mit Anm. 174,176,181 ), 332, 347 (mit Anm. 25f. ), 358 - Lectio divina 287 (mit Anm. 38 ), 308, 345 - Ordenszugehörigkeit 1, 325, 341, 346f., 348 30 , 350f. (mit Anm. 40 ), 355, 366, Zisterzienserinnen, Inkorporation - Paternität 238 148 , 282, 299 76 , 300 (mit Anm. 80 ), 323, 354f., 376 - Verlegung 213f. (mit Anm. 24 ), 239, 357, 369, 373, 380 - Visitation, Visitationsrechte 255 (mit Anm. 224 ), 275, 279 11 , 281 16 , 323f. (mit Anm. 157 ), 326 (mit Anm. 167 ), 327 175 , 333, 343 9 , 346 - Vita communis 282, 328, 332, 339 Zisterzienserinnen von (s. auch separat indizierte Klöster) - Aula (Altbrünn) 377 155 - Benninghausen 358 72 - Bersenbrück 367 - Brenkhausen 348 30 - La Cambre (Flandern) 358 72 - Derneburg 232 Anm. 126 , 252 (mit Anm. 210 ), 330 188 , 354 - Frauenthal (Erftland) 325 (mit Anm. 166 ) - Frauenthal (bei Creglingen) 280 13 - Gravenhorst 362 94 - Günterstal (bei Freiburg i. Br.) 362 - Hedersleben 370 - Heggbach 302 84 - Heiliggeist (Alzey) 195 - Heilig-Kreuz (bei Braunschweig) 237 143 , 255f. - Himmelpforten 358 72 - Höckelheim 329 187 - Isenhagen 215 (mit Anm. 32 ), 222 78 - Itzehoe 329 187 - Kirchheim am Ries 271 280 , 285 31 , 324 159 , 325, 331 191f. , 336 (mit Anm. 211,215 ), 357 71 , 361f., 364 (mit Anm. 104 ), 368 123 , 371 134 , 373 142 , 376 151 - Königsbrück (bei Hagenau) 279 7 , 282 (mit Anm. 20f. ), 285f. (mit Anm. 34 ), 298 73 - Kumbd 238 148 - Locus imperatricis (bei Binderen i. Brabant) 216 37 - Lilienthal 367 - Marienstuhl (bei Egeln) 197 - Medingen 214 24 , 228 (mit Anm. 106 ), 236 139 , 243 167 , 244 175 , 245 180 , 255 224 , 367 (mit Anm. 120 ) - Nonnenmünster 326 - Notre-Dame-des-Prés (Douai) 377 155 , 386 - Rulle (bei Osnabrück) 367 (mit Anm. 118 ), 377 155 - Seligenthal (bei Landshut) 304 96 - St. Agnes (Lauingen) 285 31 Register 443 - St. Bernhard 237 143 , 385 177 - St. Jacob und St. Burchard (Halberstadt) 348 30 , 350 39 , 357 - St. Marienstern (bei Kamenz) 362, 385 - St. Marienthal (bei Görlitz) 362 - St. Thomas an der Kyll 271 279 , 372 (mit Anm. 136 ) - Trebnitz 354f. (mit Anm. 55 ), 378 157 - Walberberg 323 157 , 325f. (mit Anm. 166f. ) - Kloster Wald 279, 299 76 , 326, 355, 367 - Wechterswinkel 304 96 - Wöltingerode 215 (mit Anm. 28 ), 218, 227ff., 238 (mit Anm. 148 ), 244 175 , 256, 362, 364 102 - Zimmern 385 Zürn, Johannes 299 444 Register 12. Bildteil 12.1 Abbildungsverzeichnis und Bildnachweis Abb. 1 Klosterarchiv Wienhausen, Hs. 3, Einband (Christine Greif, Kloster Wienhausen) Abb. 2 Klosterarchiv Wienhausen, Hs. 3, Bl. 27v und 28r (Christine Greif, Kloster Wienhausen) Abb. 3 Kloster Wienhausen, Westflügel und Giebel des Nonnenchors (Wolfgang Brandis, Kloster Wienhausen) Abb. 4 Klosterarchiv Wienhausen, Hs. 29, Wienhäuser Prozessionale, Osterseite (Wolfgang Brandis, Kloster Wienhausen) Abb. 5 Miniatur des Auferstandenen (Kloster Wienhausen) (Wolfgang Brandis, Kloster Wienhausen) Abb. 6 Holzskulptur des Auferstandenen (Kloster Wienhausen) (Wolfgang Brandis, Kloster Wienhausen) Abb. 7 Stiftungsbild im Obergeschoß des westlichen Kreuzgangflügels: Agnes von Meißen bringt die Kirche der Gottesmutter mit dem Kind und dem Klosterpatron Alexander dar, rechts neben ihr Äbtissin Margaretha und Propst Dietrich mit dem neuerbauten Westflügel (Kloster Wienhausen) (Wolfgang Brandis, Kloster Wienhausen) Abb. 8 Figur der Klosterstifterin Agnes von Meißen (Kloster Wienhausen) (Wolfgang Brandis, Kloster Wienhausen) Abb. 9 Herzog Heinrich und Agnes von Meißen zusammen mit Äbtissinnen und Pröpsten des Klosters im Himmlischen Jerusalem (Ausmalung des Wienhäuser Nonnenchors) (Bildarchiv Foto Marburg) Abb. 10 Klosterarchiv Wienhausen, Hs. 36, Wienhäuser Osterspielfragment, Bl. 3v und 4r mit nachgetragener Thomas-Szene (Christine Greif, Kloster Wienhausen)er Abb. 11 Thomas-Szene auf der Innenseite des Klappendeckels des Heiligen Grabes (Kloster Wienhausen) (Bildarchiv Foto Marburg) Abb. 12 Heiliges Grab (Kloster Wienhausen) (Bildarchiv Foto Marburg) Abb. 13 Heiliges Grab (Kloster Wienhausen) (Babette Hartwieg, Berlin) Abb. 14 Klosterarchiv Wienhausen, Hs. 9, Wienhäuser Liederbuch, Bl. 15r (Gudden rat hebbe ik vornomen) (Wolfgang Brandis, Klosterarchiv Wienhausen) Abb. 15 Wienhäuser Tristan-Teppich I (Ulrich Loeper, Celle) Abb. 16 Fragmente des Wienhäuser Tristan-Teppichs II (Ulrich Loeper, Celle) Abb. 17 Wienhäuser Tristan-Teppich III (Ulrich Loeper, Celle) Abb. 18 Wienhäuser Heilsspiegel-Teppich (Ulrich Loeper, Celle) Abb. 19 Wienhäuser Propheten-Teppich (Ulrich Loeper, Celle) Abb. 20 Wienhäuser Jagd-Teppich I (Ulrich Loeper, Celle) Abbildungsverzeichnis und Bildnachweis Abbildungsverzeichnis und Bildnachweis Abb. 21 Wienhäuser Nonnenchor (Dieter Zimmerling, ehemals Hamburg) Abb. 22 Kloster Wienhausen (Ausmalung des Wienhäuser Nonnenchors) (Bildarchiv Foto Marburg) Abb. 23 Heiliger Alexander, Klosterpatron (Ausmalung des Wienhäuser Nonnenchors) (Bildarchiv Foto Marburg) Abb. 24 Martyrien der heiligen Cäcilia und Lucia (Ausmalung des Wienhäuser Nonnenchors) (Bildarchiv Foto Marburg) Abb. 25 Martyrien der heiligen Barbara und Agatha (Ausmalung des Wienhäuser Nonnenchors) (Bildarchiv Foto Marburg) Abb. 26 Martyrien der heiligen Agnes und Dorothea (Ausmalung des Wienhäuser Nonnenchors) (Bildarchiv Foto Marburg) Abb. 27 Martyrien der heiligen Katharina und Margaretha (Ausmalung des Wienhäuser Nonnenchors) (Bildarchiv Foto Marburg) Abb. 28 Hortulanus-Szene (Ausmalung des Wienhäuser Nonnenchors) (Bildarchiv Foto Marburg) Abb. 29 Christus und Zachäus (Ausmalung des Wienhäuser Nonnenchors) (Bildarchiv Foto Marburg) Abb. 30 Kloster Lichtenthal (Landesmedienzentrum Baden-Württemberg) Abb. 31 Grabmal der Stifterin Irmengard von Baden (Archiv des Klosters Lichtenthal) Abb. 32 Landesbibliothek Karlsruhe L 69, Bl. 45v und 46r (Buch von den heiligen Mägden und Frauen) (Mikrofilm-Kopie) Abb. 33 Kloster Helfta, wiedererrichtete Klosterkirche (Gerhard Schillinger, Berlin) 446 Abbildungsverzeichnis und Bildnachweis