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Figuren der Referenz

2013
978-3-7720-5476-1
A. Francke Verlag 
Christiane Krusenbaum-Verheugen

Die Studie widmet sich mit der sog. ,Gottesfreundliteratur' einem Komplex spätmittelalterlicher geistlicher Schriften, dessen literarhistorische Bedeutung bislang auf die Kuriosität der ,Fälschung' des ,Gottesfreundes aus dem Oberland' reduziert wurde. Demgegenüber bietet die Arbeit auf der Grundlage einer detaillierten Beschreibung der Tradierung des Corpus eine textkritische Untersuchung und literaturwissenschaftliche Analyse seiner Kompositionsverfahren, welche die ,Gottesfreundliteratur' an einem Schnittpunkt zentraler mediävistischer Fragestellungen zu Textualität, Autorschaftskonzeption und Funktionsgeschichte mystischer Literatur ansiedeln können.

Bibliotheca Germanica HANDBÜCHER, TEXTE UND MONOGRAPHIEN AUS DEM GEBIETE DER GERMANISCHEN PHILOLOGIE HERAUSGEGEBEN VON HUBERT HERKOMMER , SUSANNE KÖBELE UND URSULA PETERS 58 A. FRANCKE VERLAG TÜBINGEN UND BASEL Christiane Krusenbaum-Verheugen Figuren der Referenz Untersuchungen zu Überlieferung und Komposition der ‚Gottesfreundliteratur‘ in der Straßburger Johanniterkomturei zum ‚Grünen Wörth‘ Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Satz: Christiane Krusenbaum-Verheugen Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISSN 0067-7477 ISBN 978-3-7720-8476-8 Inhalt Vorwort ................................................................................................................................. IX 1. Figuren der Referenz: Einleitung ............................................................... 1 1.1 Auto(r)biographie: Positionen der Forschung ........................................ 1 1.2 Textgeschichte(n): Ziele und Methoden der Studie .......................... 29 2. Zimelien der Hausliteratur und Handbücher religiöser Gebrauchsliteratur: Die Überlieferung der ‚Gottesfreundliteratur‘ .............................................................................. 41 2.1 Methodische Vorüberlegungen ................................................................... 41 2.1.1 Zur Anlage der Handschriftenbeschreibungen ................................... 41 2.1.2 Zur Einrichtung der Zitate...................................................................... 42 2.2 Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei zum ‚Grünen Wörth‘ ................................................................... 45 2.2.1 Handschriftenbeschreibungen................................................................ 45 ‚Großes deutsches Memorial‘ (A) .......................................................... 45 ‚Briefbuch‘ (B) ........................................................................................... 75 ‚Zweites übriggebliebenes Lateinbuch‘ (C ) ........................................ 129 ‚Pflegermemorial‘ (d) .............................................................................. 140 ‚Pflegermemorial‘ (D; Abschrift d. 15. Jh.) ........................................ 153 ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ (E; Abschrift d. 18. Jh.) ................... 159 ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ (F; Abschrift d. 16. Jh.).................... 164 ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (G; Abschrift d. 18. Jh.) ...... 172 Das ‚Autograph‘ des ‚b ch von den zwey menschen‘ (H ) .............. 200 Das ‚Autograph‘ des ‚b ch von den nún veilsen‘ (J) ........................ 209 2.2.2 Die ‚Gottesfreundliteratur‘ im Archiv der Eigengeschichte: Handschriften als Medien institutioneller Identitätsbildung........... 217 2.3 Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei zum ‚Grünen Wörth‘ ................. 231 2.3.1 Die Überlieferung der Traktate des ‚Großen deutschen Memorials‘ (A) ..................................................... 231 2.3.1.1 ‚B ch von dem geuangen ritter‘......................................... 231 2.3.1.2 ‚B ch von einre heiligen Closenerin, hies Vrsula‘ .......... 236 2.3.1.3 ‚B ch von einem egenwilligen, weltwisen manne‘ ......... 240 2.3.2 Die Überlieferung des ‚b ch von den zwey menschen‘................... 240 2.3.3 Die Überlieferung des ‚b ch von den fúnf mannen‘........................ 248 2.3.4 Die Überlieferung des ‚b ch von den nún veilsen‘ .......................... 257 2.3.4.1 Volkssprachliche Fassungen .............................................. 257 Inhalt VI 2.3.4.1.1 Die Fassung Rulman Merswins .......................................... 257 Die längere Fassung .............................................................. 257 Kurzredaktionen der Fassung Rulman Merswins ........... 267 Die Bearbeitung des Adam Walasser................................. 272 2.3.4.1.2 Die Kurzfassung .................................................................... 274 2.3.4.2 Lateinische Fassungen .......................................................... 291 2.3.4.2.1 Übertragungen der Fassung Rulman Merswins ............... 291 2.3.4.2.2 Übertragungen der Kurzfassung......................................... 293 2.3.5 Die ‚Gottesfreundliteratur‘ im Textuniversum der Exempel: Handschriften als Medien individueller informatio ............................. 294 2.3.5.1 Für Gottesfreunde im oberlant und niderlant: Geographische Verbreitung und Chronologie der Überlieferung außerhalb der Johanniterkomturei .. 294 2.3.5.2 Laikale Klosterliteratur: Rezipientenkreise und Gebrauchsformen der Überlieferung außerhalb der Johanniterkomturei .......... 308 2.3.5.2.1 Exempla der Reform: Die ‚Gottesfreundliteratur‘ im Straßburger Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis............... 308 2.3.5.2.2 Anleitung zur laikalen Meditation: Das ‚b ch von den nún veilsen‘ in der Kultur der Devotio moderna ............................................... 318 3. Textreliquien vs. Textspeicher: Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ ................ 323 3.1 Methodische Vorüberlegungen: Zur Anlange der überlieferungsgeschichtlichen Untersuchung ..................................... 323 3.2 Die Tradierung der ‚Gründungsgeschichte‘ ........................................ 330 3.3 Die Tradierung des ‚b ch von den vier ioren‘ ................................... 343 3.4 Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ ............................ 371 3.5 Auto(hagio)graphie und Schriftkontinuum: Textgeschichte als Institutionengeschichte ......................................... 411 4. Ûslesen und ûsschriben: Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ ................................... 421 4.1 Methodische Vorüberlegungen: Zu literaturwissen- schaftlichen Differenzierungsversuchen von Fakten, Fiktionen und Fälschungen ........................................................................ 421 4.2 Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio ............. 433 4.2.1 Überblick über die Fassungen des ‚Neunfelsenbuches‘................... 433 Inhalt VII 4.2.2 Erweiterung und Reduktion als Mittel der Komposition: Die volkssprachlichen Fassungen des ‚b ch von den nún veilsen‘....................................................................................... 438 4.2.2.1 Didaxe vs. Meditation: Ein Vergleich der volkssprachlichen Kurz- und Langfassung des ‚b ch von den nún veilsen‘ .................. 440 4.2.2.2 Textaneigung: Die Tradierung der Fassung Rulman Merswins ............. 463 4.3 Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio ........................ 486 4.4 Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio ........................................... 518 4.4.1 Phänomenologie der visio - Artifizielles vs. authentisches Erleben ................................................ 518 4.4.2 Personalisierung und Didaktisierung - Kopierpraxen des ‚b ch von den zwey menschen‘ .......................... 531 4.4.2.1 Zeugnis der amicitia spiritualis - Das ‚b ch von den zwey menschen‘ in der Johanniterkomturei zum ‚Grünen Wörth‘ ....................... 533 4.4.2.2 exempel der nach volgung - Die Tradierung des ‚b ch von den zwey menschen‘ in der dominikanischen Ordensreform des 15. Jahrhunderts ............................................................ 547 4.5. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ ..................... 567 4.5.1 Die exemplarisch-spirituelle Lektüre: Erfahrung durch topische Referenz .................................................... 567 4.5.1.1 Ambiguität der Textsignale ................................................ 567 4.5.1.1.1 Dementi der Faktizität ......................................................... 569 4.5.1.1.2. Figuren der Referenz ............................................................ 579 4.5.1.2 Die literarische Tradition: Exempla des Erlebens und Repräsentationen eines Heiligkeitskonzepts ........... 582 4.5.2 Die pragmatisch-historische Lektüre: Sinnstiftung durch imaginäre Referenz............................................... 588 4.5.2.1 Das Fundament der historisch-pragmatischen Lektüre: Das ‚Gottesfreundcorpus‘ als Dokument einer heimelich frúntschaft .................................... 589 4.5.2.2 Sinn-Stifter .............................................................................. 594 4.5.2.3 Doppelcodierungen............................................................... 600 4.5.2.4 Fehllektüren: Von der referenzlosen Poetik zur referentialisierenden Lektüre ........................... 602 5. Bibliographie .......................................................................................................... 617 5.1 Quellen ................................................................................................................. 617 5.1.1 Handschriften .......................................................................................... 617 5.1.2 Inkunabeln und frühe Drucke .............................................................. 618 Inhalt VIII 5.1.3 Textausgaben ........................................................................................... 619 5.1.3.1 Texte der ‚Gottesfreundliteratur ‘ ........................................ 619 5.1.3.2 Weitere Texte ......................................................................... 622 5.2 Forschungsliteratur ......................................................................................... 623 6. Register ......................................................................................................................... 663 7. Bildteil ........................................................................................................................... 683 7.1 Abbildungsverzeichnis ..................................................................................... 683 7.2 Abbildungen ............................................................................................................. 1* Vorwort Mediävisten ist es selten vergönnt, die Welt der von ihnen untersuchten literarischen Imaginationen am ‚eigenen Leib‘ zu erfahren; die vorliegende Studie jedoch wurde durch eine geradezu körperliche Erkenntnis angeregt: Als die Kölner Altgermanistik auf einer ihrer Exkursionen die Suche nach der Johanniterkomturei zum ‚Grünen Wörth‘ - vom Straßburger Dauerregen durchnässt - ergebnislos abbrach, wurde ich auf ein Textcorpus aufmerksam, dessen Spezifikum eben darin begründet liegt, daß es sich auf das Erleben und Schreiben eines Autors beruft, der nie existiert hat. Trotz der Faszination, die das literarische Rätsel ‚Gottesfreund aus dem Oberland‘ von diesem Moment an auf mich ausübte, hätte diese Arbeit ohne die Unterstützung und Mitwirkung vieler nicht zum Abschluß gebracht werden können. Mein größter Dank gilt Professor Hans-Joachim Ziegeler, der das Projekt von Anfang an mit großem Wohlwollen und kritischem Rat begleitet und gefördert hat und es verstand, mich mit seinem Vertrauen und seiner freundschaftlichen Unterstützung gerade in den kritischen Phasen zu ermutigen. Professor Ursula Peters gab nicht nur die entscheidende Anregung für das Thema, sondern betreute die Arbeit auch als Korreferentin. Die für eigene Fragestellungen offene, diese konstruktiv begleitende und allseits unterstützende Arbeitsatmosphäre, die sie über viele Jahre zusammen mit Professor Ziegeler in der Kölner Altgermanistik erschaffen hat, war eine unschätzbare Hilfe. Professor Wilhelm Voßkamp möchte ich herzlich danken für das große Interesse, mit dem er und die Mitglieder seines Doktorandenkolloquiums sich den spezifischen Problemen vormoderner geistlicher Literatur gewidmet haben. Die intensiven Gespräche und wichtigen Anregungen aus neugermanistischer Perspektive haben die Untersuchung sehr bereichert. Ganz besonders verpflichtet bin ich der Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg, den Archives départementales du Bas-Rhin, den Archives de la Ville et de la Communauté urbaine de Strasbourg sowie der Staatsbibliothek Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Ihre großzügige Genehmigung ermöglichte es mir, ihre Handschriften einzusehen und zu untersuchen sowie sie in zahlreichen Abbildungen in diesem Band vorzustellen. All die Bibliotheken, die mir Quellen und Materialien aus ihren jeweiligen Beständen zukommen ließen oder mir hilfreiche Auskünfte gaben, sowie die Fachleute, denen ich wertvolle Hinweise in interdisziplinären Fragen verdanke, angemessen zu würdigen, ist hier leider nicht möglich. Ihr maßgebliches Verdienst an dieser Untersuchung wird auf vielen Seiten dieser Arbeit deutlich. Einige dürfen jedoch nicht ungenannt bleiben. Neben den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagungen ‚Friends of God - Religious elites in the Rhineland and the Low Countries and their literature‘ in Freiburg und Leiden sind dies: Doktor Karin Schneider, München; Marika Ceunen, Leuven; Professor Udo Kindermann, Köln; Doktor Christoph Mackert, Leipzig; die Universitätsbibliotheken Augsburg, Freiburg i.Br. und Leipzig sowie die Stiftsbibliothek in St. Gallen. Der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel sei überdies für die Reproduktionserlaubnis gedankt. Überaus dankbar bin ich den Herausgebern der Bibliotheca Germanica, Professor Huber Herkommer, Professor Susanne Köbele und Professor Ursula Peters, für Vorwort X die Aufnahme in die Reihe und den Mitarbeitern des A. Francke Verlags für die gute Zusammenarbeit. Mein herzlicher Dank richtet sich auch an Doktor Christian Seebald für die jahrelange freundschaftliche Zusammenarbeit und zahlreiche anregende und aufmunternde Gespräche. Die unschätzbaren Mühen des Korrekturlesens haben Reinhold Katers und Susanne Borgards auf sich genommen. Ohne den vielfältigen Beistand meiner Familie schließlich hätte dieses Buch nicht entstehen können: Mein Mann Sven und zuletzt auch unsere Tochter Anne-Sophie schenkten mir Geduld; bei meinen Eltern fand ich jederzeit Verständnis, Aufmunterung und bedingungslose Unterstützung - so viel mehr, als hier zu sagen ist. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet. Die Untersuchung wurde im Wintersemester 2009 von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Sie wurde für den Druck gekürzt und überarbeitet, die Literaturaufnahme war jedoch 2009 abgeschlossen und später erschienene Titel konnten leider nur noch punktuell in die Studie einbezogen werden. Köln, im September 2012 C.K. 1. Figuren der Referenz: Einleitung 1.1 Auto(r)biographie: Positionen der Forschung Die sog. ‚Gottesfreundliteratur‘, 1 die in der Straßburger Johanniterkomturei zum ‚Grünen Wörth‘ zwischen 1352 und 1402 entstand, 2 gilt in der mediävistischen Forschung gemeinhin als eines der „außergewöhnlichsten, wenn auch nicht literarisch bedeutsamsten Phänomene im Umfeld der deutschen Mystik“, 3 da sich die 23 Texte der Sammlung nicht durch ihre „literarische Eigenständigkeit“ oder „spirituelle Originalität“ auszeichneten, 4 sondern allein durch ihre spezifische Autorkonzeption: Der Gottesfreund aus dem Oberland, welcher in den zehn tradierten Handschriften der Johanniter nicht nur als einer der Stifter der Komturei, sondern auch als Autor der Mehrzahl der Traktate, Viten und Mirakelerzählungen benannt und z.T. als ihr Protagonist figuriert wird, müsse aufgrund der widersprüchlichen Angaben zu seiner Vita als „Erfindung und Mystifikation“ 5 bewertet werden; bei den „namhaftesten Werken“ des Corpus handele es sich folglich um nicht mehr als „Redigierungen und Neugestaltungen fremder und zur Hauptsache anonymer mystischer Texte“, 6 deren „Bedeutsamkeit“ 7 für die Literaturgeschichtsschreibung sich in der Kuriosität einer literarischen Fälschung - der Suche nach ihrem Urheber sowie der Identifikation ihrer Funktion - erschöpfe. Diese Bewertung als ‚Sonderfall‘, welcher „abstrus und zugleich einfältig“ anmuten mag, 8 ist dabei doppelt - durch Charakteristika des 1 Der Begriff ‚Gottesfreundliteratur‘ wird im Anschluß an die von Strauch vorgenommenen Editionen der „Schriften aus der Gottesfreund-Literatur“ ausschließlich auf die in der Straßburger Komturei überlieferten Texte bezogen, jedoch gleichermaßen auf jene Werke, die in den Handschriften Rulman Merswin zugeschrieben werden, als auch auf die Schriften, deren postulierter Autor der Gottesfreund aus dem Oberland ist. Texte anderer Provenienz, in denen die aus der aristotelisch-thomistischen Tradition hervorgegangene Idee der Gottesfreundschaft ebenfalls diskutiert wird, werden in die folgende Analyse nur am Rand einbezogen, da Egenter nachweisen konnte: „Daß die Idee der Gottesfreundschaft Grundlage und Motiv der deutschen Gottesfreunde gewesen sei, wird man rundweg verneinen müssen“ (Richard Egenter, Die Idee der Gottesfreundschaft im vierzehnten Jahrhundert, in: Albert Lang, Joseph Lechner und Michael Schmaus [Hgg.], Aus der Geisteswelt des Mittelalters: Studien und Texte. Martin Grabmann zur Vollendung des 60. Lebensjahres von Freunden und Schülern gewidmet, 2 Bde, Münster 1935 [Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, Supplement 3], Bd. 2, S. 1021-1036, hier S. 1031f.; vgl. auch: ders., Gottesfreundschaft. Die Lehre von der Gottesfreundschaft in der Scholastik und Mystik im 12. und 13. Jahrhundert, Augsburg 1928). 2 Vgl. den z.Z. übersichtlichsten Zugang zum Komplex der Straßburger ‚Gottesfreundliteratur‘: Georg Steer, Merswin, Rulman, in: 2 VL Bd. 6 (1987), Sp. 420-442, sowie Johannes Janota, Straßburger Gottesfreunde, in: ders., Vom späten Mittelalter zum Beginn der Neuzeit. Teil 1: Orientierung durch volkssprachliche Schriftlichkeit (1280/ 90-1380/ 90), Tübingen 2004 (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit, hg. von Joachim Heinzle, Bd. III, 1), S. 129- 140. 3 Ulla Williams, Merswin, Rulman, in: Walther Killy (Hg.), Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache Bd. 8 (1990), S. 124f., hier S. 124. 4 Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 438. 5 Ibid., Sp. 437. 6 Ibid., Sp. 438. 7 Ibid. 8 Johannes Janota, Straßburger Gottesfreunde, S. 140. Figuren der Referenz: Einleitung 2 Textcorpus selbst sowie durch die an ihm erprobte literaturwissenschaftliche Praxis - motiviert. Zunächst verschließen sich die überlieferten Texte einem einfachen interpretatorischen Zugriff, da ihr Status als ‚Hausliteratur‘, 9 die für den ‚Grünen Wörth‘ geschaffen wurde und zumeist auch dort verblieb, einen verläßlichen Überblick über die Überlieferungslage erschwert: Die Schriften sind in einer Reihe von ‚Memorialen‘ tradiert, deren Funktion es war, die memoria an die Geschichte der Komturei, an ihren vom Stifter durchgesetzten rechtlichen Status sowie an ihre spirituellen Grundlagen für die verschiedenen laikalen und klerikalen Gruppen in der Gemeinschaft des ‚Grünen Wörth‘ festzuhalten. Aus dieser nach Rezipientengruppen differenzierten Anlage der Handschriften resultieren zahlreiche Rück- und Querverweise sowie Überschneidungen im Textbestand der Codices, durch welche die Überlieferungssituation - trotz ihrer lokalen Konzentration - nur schwer zu durchschauen und die gegenseitige Abhängigkeit der Handschriften allein mit Hilfe der in ihnen gegebenen Informationen erschlossen werden kann. Die in den Manuskripten postulierte Textgeschichte, welche die enge Beziehung der Exempla, Traktate und Briefe zur Straßburger Institution ausweist, wird jedoch durch erste textkritische Untersuchungen ‚unter Verdacht‘ gestellt, d.h. als nachträgliche Vereinnahmung anonymer Vorlagen, als Fälschung bewertet; die in den Codices gegebene Textgeschichte kann daher nicht als zuverlässiger Wegweiser durch den Überlieferungskomplex dienen. Über die Behinderung eines zuverlässigen Überlieferungsbefundes hinaus trägt der problematische Status der paratextuellen Rahmen zwischen Fälschung und Fiktion maßgeblich zu der in der neueren Forschung stets betonten Einzigartigkeit des Textcorpus bei: Die in Neben- und Haupttext der Handschriften gegebenen, ausführlichen Beschreibungen der Genese der ‚Gottesfreundliteratur‘ präsentieren nicht allein den historisch verbürgten Patrizier, reichen Kaufmann und Stifter der Johanniterkomturei Rulman Merswin (wahrscheinlich 1307-1382) als Autor von sechs Texten der Sammlung; 17 Schriften werden darüber hinaus dem Gottesfreund aus dem Oberland zugeschrieben, der sich trotz seiner detaillierten Figuration einer Identifikation entzog und somit als eine Mystifikation bewertet werden mußte, die entweder von Rulman Merswin selbst oder seinem Vertrauten, dem Priester, Redaktor und Schreiber einer Reihe von Handschriften, Nikolaus von Löwen, geschaffen wurde. Diesen überlieferungsgeschichtlichen wie produktionsästhetischen Spezifika des Corpus - einer durch ein beziehungsreiches Kopier- und Verweissystem bedingten, undurchsichtigen Überlieferungslage und einer diffizilen, nach modernen Maßstäben ‚falsifikatorischen‘ Autorkonzeption - sucht die germanistische Philologie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, aus der nahezu die gesamte Forschungsliteratur zu Rulman Merswin und dem Gottesfreund aus dem Oberland stammt, mit ihrer paradigmatischen Leseanweisung zu begegnen und reduziert hierdurch die Textsammlung auf eine eindimensionale Fragestellung: Der biographischen Lektüre verpflichtet, setzt die Forschung zur ‚Gottesfreundliteratur‘ die Historizität der Texte voraus und sieht ihre Aufgabe in einem Sammeln von Informationen anhand der „hermeneutischen Suchregel“ Autor, d.h., sie untersucht jeden Text 9 Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 438. Auto(r)biographie: Positionen der Forschung 3 auf seinen „biographen Belegcharakter“ 10 hin und integriert jedes Textelement in eine nachträglich zu rekonstruierende Autorvita. Auf der Basis unzureichender, da die Überlieferung nur begrenzt beachtender Editionen beschränkt sich die Forschung so entweder darauf, den Gottesfreund aus dem Oberland zu identifizieren, oder Rulman Merswin bzw. Nikolaus von Löwen als den ‚betrügerischen‘ Erfinder dieses Gottesfreundes aufzuzeigen. Aufgrund des skizzierten engen Bezugs zwischen den bisher an den Komplex der ‚Gottesfreundliteratur‘ herangetragenen Fragestellungen und der spezifischen Problematik dieses Textcorpus erscheint es angebracht, die intensiven, mittlerweile 150 Jahre andauernden Bemühungen der Forschung um diese Schriften am Anfang dieser Arbeit zu skizzieren. Trotz aller Meriten der Forschungsbeiträge, ohne deren Vorarbeiten die in mancher Hinsicht einzigartige Stellung der für den ‚Grünen Wörth‘ geschriebenen Literatur kaum erkannt wäre, gelingt es ihnen nicht, den äußerst vielschichtigen Überlieferungskomplex durchsichtig zu machen. Der im folgenden gegebene Forschungsüberblick zielt daher nicht auf eine detaillierte Wiedergabe jeder einzelnen Forschungsposition in ihrem engen diskursiven Bezug zu anderen Beiträgen, sondern will zum einen die bisherigen Erkenntnisse über den Gegenstand der Arbeit und die ihm inhärenten Schwierigkeiten vorstellen, zum anderen den Grund für das weithin ungenügende Textverständnis der Forschung analysieren, um den eigenen methodischen Ansatz zu gewinnen. Die chronologisch erste, 11 die Forschung Jahrzehnte dominierende Auseinandersetzung mit dem Corpus erfolgt in zahlreichen Studien von Charles/ Karl Schmidt, welcher die Texte als historische Dokumente begreift, deren z.T. anonyme Figuren identifiziert und historisch kontextualisiert werden müßten. Durch die Vermutung, Rulman Merswin sei der Verfasser des ‚b ch von den nún veilsen‘, 12 auf die Gottesfreundbewegung aufmerksam geworden, entwirft Schmidt 1841 mit „patriotische[r] Verehrung f r Tauler“ 13 die Lebensgeschichte des Predigers und überträgt die im ‚b ch von dem meister‘ dargestellte Bekehrung eines Priesters durch einen Laien auf die Biographie des Dominikaners, da die „in der historia enthaltenen Predigten“ zahlreiche, wenn auch von Schmidt nicht näher benannte Parallelen zu den „als cht anerkannten“ Predigten Taulers aufwiesen. 14 Aufgrund der Lokalisierung der Handlung glaubt Schmidt auch die zweite Hauptfigur des ‚Meisterbuchs‘ - den nicht genauer bezeichneten Laien - historisch verifizieren zu können: Da die Bekehrung 10 Jost Hermand, Geschichte der Germanistik, Hamburg 1994, S. 67. 11 Vor Schmidts Arbeiten werden die Gottesfreunde lediglich in Bezug auf die Geschichte des „religiösen Volkslebens“ im Mittelalter in den Blick genommen (vgl. Timotheus Wilhelm Röhrich, Die Gottesfreunde und die Winkeler am Oberrhein. Ein Beitrag zur Kenntnis des religiösen Volkslebens in dem Mittelalter, in: Zeitschrift für die historische Theologie 10 [1840], S. 118-161). 12 Carl Schmidt, Ueber den wahren Verfasser des dem Mystiker Suso zugeschriebenen Buches von den neun Felsen, in: Zeitschrift für die historische Theologie 9 (1839), S. 61-66. Obwohl Schmidt „den wahren Verfasser mit völliger Gewissheit anzugeben“ verspricht (S. 62), bleibt sein einziger Nachweis für die These, Rulman Merswin sei der Autor des ‚b ch von den nún veilsen‘, die redaktionelle Zuschreibung, die in den ‚Erweiterten Pflegermemorialen‘ vorgenommen wird (vgl. ibid., S. 64). 13 Carl Schmidt, Johannes Tauler von Straßburg. Beitrag zur Geschichte der Mystik und des religiösen Lebens im vierzehnten Jahrhundert, Hamburg 1841 [Unveränderter Neudruck Aalen 1972], S. VIII. 14 Ibid., S. 25, Anm. 8 [S. 27]. Figuren der Referenz: Einleitung 4 nicht wie bislang angenommen in Köln, sondern in Straßburg stattgefunden habe, handele es sich bei dem im ‚Meisterbuch‘ im Unbestimmten gelassenen, „30 Meilen (Stunden)“ entfernten Wohnort des Laien um Basel, 15 wodurch der Gottesfreund aus dem Oberland als Nicolaus von Basel identifiziert werden könne, „welcher gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts in Frankreich [recte in Wien] als Ketzer verbrannt worden ist“. 16 Da Schmidt auch in der im Anhang gegebenen ‚Lebensgeschichte‘ des Gottesfreundes aus dem Oberland 17 - nichts anderes als eine Kompilation aus „verschiedene[n] noch unbenutzte[n] Documenten“, 18 genauer den in der Johanniterkomturei tradierten ‚Viten‘ des Gottesfreundes und der ‚Sentenz gegen Martin von Mainz‘, den ‚Jünger‘ des Nicolaus von Basel 19 - keine Begründung für diese Gleichsetzung gibt, beruht sein Identifikationsvorschlag ausschließlich auf „Combinationen und Suppositionen“: 20 Während Schmidt die Konkretisierung des Laien als Gottesfreund aus dem Oberland der Straßburger Überlieferung entnehmen kann, stützt er die Charakterisierung als waldensischen Häretiker allein auf die Lokalisierung der Handlung des ‚Meisterbuchs‘ in Straßburg und Basel, wozu er wiederum gelangt war, weil er Tauler und Nicolaus von Basel als die Hauptfiguren des Textes ausmachte. 21 Schmidts Identifikation beruht folglich auf einer Petitio principii; dennoch leistet seine Untersuchung eine „Fixierung des großen Gottesfreundes im Oberland“, 22 die er in ‚Die Gottesfreunde im vierzehnten Jahrhundert‘ (1854) und ‚Nicolaus von Basel und die Gottesfreunde‘ (1856), 23 welche nur in Nuancen voneinander abweichen, ohne eine ausführlichere Erklärung wiederholt. Obwohl die Monographie zu den Gottesfreunden durch eine „unlängst wieder aufgefundene Handschrift“, 24 das ‚Briefbuch‘, motiviert ist und Schmidt diesen „merkwürdigen Codex“ nutzen will, um „das früher über die Gottesfreunde Gesagte theils zu ver- 15 Ibid. 16 Ibid., S. 28; vgl. ebenso: Charles Schmidt, Plaintes d’un Laïque allemand du quatorzième siècle sur la Décadence de la Chrétienté, opuscule publié pour la première fois à l’occasion du quatrième anniversaire de l’invention de l’imprimerie d’après un manuscrit de la bibliothèque de la ville de Strasbourg, Straßburg 1840, Notice (o.S.). Schmidts Vermutung, Nicolaus von Basel sei in Vienne in der Diözese Poitiers von der Inquisition verurteilt worden, beruht auf einem Fehler in dem Schmidt zunächst ausschließlich vorliegenden Druck von Niders ‚Formicarius‘. Dort heißt es: Wiennae in pictaviensi diocesi. Mit Hilfe der Handschriften in Göttweig, Melk und Straßburg konnte Denifle jedoch in pataniensi korrigieren (Heinrich Seuse Denifle, Das Leben der Margaretha von Kentzingen. Ein Beitrag zur Geschichte des Gottesfreundes im Oberland, in: ZfdA 19 [1875], S. 478-491, hier S. 490, Anm. 1). 17 Carl Schmidt, Johannes Tauler von Straßburg, S. 191-208. 18 Ibid., S. VI. 19 Ibid., S. 237-240. 20 Carl Schmidt, Johannes Tauler von Straßburg, S. VII. 21 Vgl. auch: John Bernhard Dalgairns, The German mystics of the fourteenth century, London 1858 (wieder in: Dublin Review 44 [1858]), S. 17. 22 Gottfried Fischer, Geschichte der Entdeckung der deutschen Mystiker Eckhart, Tauler und Seuse im XIX. Jahrhundert, Freiburg/ Schw. 1931, S. 66. 23 Carl Schmidt, Die Gottesfreunde im vierzehnten Jahrhundert. Historische Nachrichten und Urkunden, Jena 1854 (Beiträge zu den theologischen Wissenschaften 5); Karl Schmidt, Nicolaus von Basel und die Gottesfreunde, in: Basel im XIV. Jahrhundert. Geschichtliche Darstellungen zur 5. Säcularfeier des Erdbebens am S. Lucastage 1356, hg. von der Basler historischen Gesellschaft, Basel 1856, S. 253-302. 24 Carl Schmidt, Die Gottesfreunde im vierzehnten Jahrhundert, S. 3. Auto(r)biographie: Positionen der Forschung 5 vollständigen theils zu berichtigen“, 25 modifiziert er seine erste Veröffentlichung nicht im Grundsatz, sondern verzichtet - angeregt durch Gieselers Kritik 26 - allein auf die Differenzierung zwischen den „kirchlichen“ Gottesfreunden um Tauler und Merswin und jenen (von Nicolaus von Basel geführten) „waldensischen“ Amici Dei. 27 Der Gewinn der neuen Studien Schmidts lag somit ausschließlich in den Textbeilagen, die Auszüge aus den Handschriften des ‚Grünen Wörth‘ zum ersten Mal kenntlich machten. Leider geben sie den Textverlauf teilweise ungenau wieder und isolieren die Texte durch ein „gelegentliches, dilettantisches Herausgreifen aus einer beliebig [...] zu verwendenden Handschriftenmasse“ 28 aus dem Überlieferungszusammenhang der ‚Hausliteratur‘, so daß die Editionen „wissenschaftlich-kritisch[en]“ Maßstäben nicht genügen. 29 Erst mit der Wiederentdeckung des ‚Großen deutschen Memorials‘ 30 wird die Zuordnung des anonymen Gottesfreundes aus dem Oberland an eine historisch verifizierte Person in ‚Nicolaus von Basel. Leben und ausgewählte Schriften‘ (1866) differenzierter begründet und durch die Präsentation im Genre der Biographie, das dem Postulat der Historizität unterliegt, diskursintern etabliert. Schmidt sucht seine „vollständigere und treuere Darstellung von des Nicolaus Leben und Treiben“ 31 durch drei Argumente zu plausibilisieren. Ausgangspunkt der zu beweisenden Identität des Gottesfreundes mit Nicolaus ist ein übereinstimmendes Element in ihrer spirituellen Lehre. Ein Grundgedanke der ‚Gottesfreundliteratur‘, die Unterwerfung des eigenen Willens unter die Führung des Gottesfreundes, könne auch in der ‚Sentenz gegen Martin von Mainz‘ - der einzigen Quelle, in der Nicolaus von Basel namentlich erwähnt wird - nachgewiesen werden: Der Hauptvorwurf, den die Kölner Inquisition 1393 gegen den Benediktiner erhob, bestand darin, er habe sich dem Laien an Gottes Statt unterworfen (funditus te submisisti ). 32 In dieser übereinstimmenden Abweichung von traditionellen Glaubensinhalten erkennt Schmidt einen Beleg für die Identität der „Personen“ 33 und kann postulieren: „Aus der Biographie des Nicolaus wird man ersehn, dass auch die meisten übrigen, dem Benediktiner vorgeworfenen Sätze zu den Ansichten der Gottesfreunde gehören.“ 34 Die aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung erschlossene Identität des Protagonisten der ‚Gotte sfreundliteratur‘ erlaubt es Schmidt in einem zweiten Schritt, die Texte, die in der Johanniterkomturei entstanden, als „Hauptquellen“ 35 für seine Biographie des Nicolaus von Basel zu nutzen: Auch wenn „des Gottesfreundes Name [...] weder in seinen eigenen Schriften, noch in den Urkundenbüchern des Grünen Wörths, noch 25 Ibid. 26 Johann Carl Ludwig Gieseler, Lehrbuch der Kirchengeschichte. 4., neu durchgearbeitete Auflage, 6 Bde, Bonn 1844-1855, Bd. 2, T. 2 (1848), S. 251. 27 Carl Schmidt, Die Gottesfreunde im vierzehnten Jahrhundert, S. 7. 28 Gottfried Fischer, Geschichte der Entdeckung der deutschen Mystiker, S. 77. 29 Ibid., S. 67, Anm. 7. 30 Karl Schmidt, Nicolaus von Basel. Leben und ausgewählte Schriften, Wien 1866, S. VIIf. 31 Ibid., S. VI. 32 Ibid., S. XIV. 33 Ibid. 34 Ibid. 35 Ibid., S. VI. Figuren der Referenz: Einleitung 6 in den Tractaten Rulmann Merswins jemals genannt“ werde, 36 weise das einheitliche Werkniveau Nicolaus von Basel nicht nur als den Verfasser jener Texte aus, in denen die Idee einer vollständigen Unterwerfung unter einen spirituellen Führer artikuliert werde, vielmehr erlaubten es die stilistischen Übereinstimmungen zwischen den Texten, alle Traktate „als Quellen der Geschichte des Nicolaus“ 37 zu nutzen. Mit Hilfe dieser (lediglich durch ein wiederholtes Motiv des mystischen Diskurses verbundenen) breiteren Textbasis verfaßt Schmidt unter Ausnutzung seiner „Monopolstellung“ 38 im Zugang zu den Handschriften eine ausführliche Biographie des Nicolaus von Basel, „die er aus der - eigentlich erst zu beweisenden - Identität [... mit dem] Gottesfreund[ ] aus dem Schrifttum der Johanniter [...] konstruiert“, 39 d.h., er selektiert alle relevanten Informationen mit Hilfe der Regel der Kohärenz und verbindet sie „romanhaft[ ]“ 40 - dem Erzählmuster der Biographie entsprechend - zu einer Lebensgeschichte. 41 Alle Elemente, die dieser narrativen Struktur nicht entsprechen, werden entweder auf die ideologisch gefärbten, da inquisitorischen Quellen 42 oder auf die Zeit, „wo die Herrschaft der Phantasie so mächtig war, und wo man den Glauben an Wunder [...] überall so zu sagen mit der Luft einathmete“, 43 zurückgeführt, als nicht authentisch erklärt und folglich nicht berücksichtigt. Der durch die Suggestionskraft der Biographie plausibilisierte Identifikationsvorschlag wird zuletzt mit Hilfe einer Einordnung in die Kirchengeschichte festgeschrieben: Indem Schmidt auf eine Notiz in Johannes Niders ‚Formicarius‘ verweist, die davon berichtet, ein Laie namens Nicolaus sei kurz vor dem Konzil in Pisa aufgrund der Verbreitung der Lehre der Begharden als Ketzer verbrannt worden, 44 rubriziert er das Textcorpus als kirchenpolitisch brisantes Dokument einer antiinstitutionellen Laienfrömmigkeit und kanonisiert somit das historisch-biographische Deutungsmuster der ‚Gottesfreundliteratur‘. Die Reaktion der Forschung auf diese Fixierung verläuft in zwei Schritten. Im ersten wird die These Schmidts, meist ohne weitere Untersuchung, 45 weitgehend übernommen und einer sekundären, konfessionellen Interpretation unterzogen. Die Untersuchungen der ‚Gottesfreundliteratur‘, die eine konfessionelle Kategorisierung der Lehren des Gottesfreundes anstreben, sind maßgeblich durch das vorherr- 36 Ibid., S. XIV. 37 Ibid., S. VI. 38 Gottfried Fischer, Geschichte der Entdeckung der deutschen Mystiker, S. 77. 39 Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin. Textgeschichte und Teiledition, Diss. [masch.] Eichstätt 1992 [Mikrofiche-Ausg. ca. 1996], S. 40. 40 Gottfried Fischer, Geschichte der Entdeckung der deutschen Mystiker, S. 64. 41 Karl Schmidt, Nicolaus von Basel. Leben und ausgewählte Schriften, S. 3-57; ders., Die Gottesfreunde im vierzehnten Jahrhundert, S. 17-32. 42 Die Inquisition hat die Lehre des Nicolaus „theils falsch verstanden, theils absichtlich verfälscht“ (Karl Schmidt, Nicolaus von Basel und die Gottesfreunde, S. 207). 43 Ibid., S. XIII. 44 Ibid. 45 Gottfried Fischer, Geschichte der Entdeckung der deutschen Mystiker, S. 19. So z.B. bei: U. G. Rudelbach, Christliche Biographie. Lebensbeschreibungen der Zeugen der christlichen Kirche als Bruchstücke zur Geschichte derselben, Leipzig 1850, S. 203-209; Joseph Bach, Meister Eckhart, der Vater der deutschen Speculation. Als Beitrag zu einer Geschichte der deutschen Theologie und Philosophie der mittleren Zeit, Wien 1864, S. 155-158. Auto(r)biographie: Positionen der Forschung 7 schende interpretatorische Paradigma der G e i s t e s wissenschaft im 19. Jahrhundert zu erklären: Im „heiligen protestantischen Reich deutscher Nation“ 46 dient die Beschäftigung mit dem Spätmittelalter der Konstruktion einer organischen Entwicklung des deutschen Volksgeistes, die den Bruch zwischen Mittelalter und Renaissance aufzuheben versucht: „Die Wurzeln des (deutschen) 16. Jahrhunderts sind danach nicht in Italien und der Antike, sondern im deutschen Spätmittelalter zu suchen.“ 47 Dies gelingt, indem die Antike nicht als historische Epoche verstanden, sondern als eine Geisteshaltung definiert wird, die durch eine harmonische Verbindung von Freiheit und Gesetz geprägt sei. Insofern der Protestantismus als „ein Evangelium der Freiheit, die mit dem Gesetz zusammenstimmt“, charakterisiert werden könne, manifestiere sich diese Idee auch in der Reformation, die so als „deutsche Klassik“ gedeutet wird. 48 Aufgrund der prominenten Position der Reformation in der literaturwissenschaftlichen Forschung versuchen Untersuchungen mystischer Texte, diese in die Tradition der Reformation einzubinden. So zielen viele der nach Schmidts Interpretation vorgelegten Studien darauf, die Gottesfreunde als „Reformatoren vor der Reformation“ 49 zu erweisen. Die Verfolgung des Nicolaus von Basel durch die Inquisition wird in diesem Zusammenhang zum maßgeblichen Argument: „Die hauptsächlichsten Aeusserungen nun dieses reformatorischen Lebensprincipes, die nachdrücklichsten Protestationen noch vor dem Protestantismus treten uns entgegen in dem zahlreichen buntgemischten Heere der ketzerischen Secten des Mittelalters.“ 50 Obwohl die Gottesfreunde die „Kirche nicht verläugnen[ ] und nicht von der Kirche verstossen[ ]“ 51 würden, träten sie in die Nähe „reformatorischer Ketzerei“, 52 deren Anliegen - die „Wiederherstellung des Urchristenthums 46 Karl Kupisch, Zwischen Idealismus und Massendemokratie. Eine Geschichte der evangelischen Kirche in Deutschland von 1815-1945, Berlin 1955, S. 85. 47 Thomas Cramer, Geistesgeschichte und Spätmittelalter, in: Christoph König und Eberhard Lämmert (Hgg.), Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 1910 bis 1925, Frankfurt/ M. 1993, S. 58-72, hier S. 60. 48 Ibid., S. 61. 49 Karl Ullmann, Reformatoren vor der Reformation, vornehmlich in Deutschland und den Niederlanden, 2 Bde, Bd. II: Die positiven Grundlagen der Reformation auf dem populären und wissenschaftlichen Gebiete. Johannes Wessel, der Hauptrepräsentant reformatorischer Theologie im 15ten Jahrhundert; nebst den Brüdern vom gemeinsamen Leben, namentlich: Gerhard Groot, Florentius Radewins, Gerhard Zerbolt und Thomas von Kempen; und den deutschen Mystikern: Ruysbroek, Suso, Tauler, dem Verfasser der deutschen Theologie und Staupitz in ihrer Beziehung zur Reformation, Gotha 2 1866. 50 Wilhelm Wackernagel, Die Gottesfreunde in Basel. Oeffentlicher Vortrag, gehalten am 1. Merz 1842, in: Beiträge zur vaterländischen Geschichte 2 (1843), S. 111-163, wieder in: ders., Kleinere Schriften, 3 Bde, Leipzig 1872-1874, Bd. 2: Abhandlungen zur deutschen Literaturgeschichte, Leipzig 1873, S. 146-188, hier S. 146. 51 Ibid., S. 161; Wackernagel wiederholt diese Einschätzung der Gottesfreunde in: ders., Geschichte der deutschen Litteratur. Ein Handbuch, Basel 1848 (Deutsches Lesebuch, 4. Theil: Handbuch der Litteraturgeschichte), S. 334f.; Altdeutsche Predigten und Gebete aus Handschriften gesammelt und zur Herausgabe vorbereitet von Wilhelm Wackernagel. Mit Abhandlungen und einem Anhang, Basel 1876, S. 381-383. 52 Wilhelm Wackernagel, Die Gottesfreunde in Basel, S. 161. Figuren der Referenz: Einleitung 8 und die Reinigung der christlichen Kirche zu ihrer ursprünglichen Einfalt und Lauterkeit“ 53 - als „Vorzeichen [... der] Reformation“ 54 gewertet werden könne. In der zweiten Phase der Rezeption Schmidts, die gleichzeitig die zweite Periode der biographisch zentrierten Forschung zur ‚Gottesfreundliteratur‘ einleitet, kommt es zu einer Umkehrung: Die lediglich behauptete Identität, an der bereits Böhringer 55 aufgrund innerer Widersprüche in der Sinneinheit des ‚Werkes‘ Zweifel geäußert hatte, wird 1879/ 80 von Denifle widerlegt, der so den Paradigmenwechsel innerhalb der biographischen Lesart der Forschungsliteratur zum Gottesfreund aus dem Oberland einleitet. Angeregt durch einen Hinweis in Pregers ‚Vorarbeiten zu einer Geschichte der Mystik‘ 56 stößt Denifle auf ein historisches Dokument - die in Johannes Meyers ‚Buch der Reformacio Predigerordens‘ inserierte ‚Vita‘ der Margaretha von Kentzingen 57 -, mit dem er beweisen kann, daß „der Gottesfreund im Oberlande [...] nicht ein und dieselbe Person mit Nikolaus von Basel“ sein könne: Während die vorbildliche Schwester Margaretha den Rat des über 100 Jahre alten Gottesfreundes, in das reformierte Dominikanerinnenkloster Unterlinden einzutreten, nicht vor dessen Übertritt zur strengen Observanz im Jahr 1419 erhalten haben könne, sei Nicolaus von Basel bereits 1409 verbrannt worden. 58 Neben diesem „äußeren“ Be- 53 Friedrich Gustav Lisco, Die Heilslehre der ‚Theologia deutsch‘. Nebst einem auf sie bezüglichen Abriß der christlichen Mystik bis auf Luther, Stuttgart 1857, S. 138-157 und 257-271, hier S. 138. 54 August Neander, Allgemeine Geschichte der christlichen Religion und Kirche, 6 Bde, Hamburg 1826-1852, Bd. 6: Welcher die Kirchengeschichte von Bonifacius VIII. bis zum Baseler Konzil enthält, Gotha 1852, bes. S. 502-545, hier S. 519. Vgl. zur nicht-wissenschaftlichen Rezeption der ‚Gottesfreundliteratur‘ als Anleitung zur „inneren Mission“ auch die neuhochdeutsche Übertragung des ‚Meisterbuchs‘ (Eduard Böhmer, Nicolaus von Basel und Tauler, in: Damaris. Eine Zeitschrift von Ludwig Giesebrecht und Eduard Böhmer, Stettin 1865, S. 148-210) und des ‚Neunfelsenbuchs‘ (Die neun Felsen oder Wie und wo stehe ich? Ein Mahnruf an alle Menschen über die Wichtigkeit des Erden-Lebens dessen Ursprung und Ziel. Vor über fünfhundert Jahren empfangen von Oben durch Rulmann Merswin, Kaufherrn in Straßburg, nach Lämmert’s Ausgabe von 1850 im Auftrag für Freunde in bequemem Neudruck herausgegeben mit dem früheren Anhang und neuer Beigabe von C.F.L., Bietigheim 1899). 55 Zwar zweifelt Böhringer an der Gleichsetzung des Gottesfreunds mit dem Häretiker Nicolaus, denn „ersterer trage einen reinen mystischen Charakter“ (Gottfried Fischer, Geschichte der Entdeckung der deutschen Mystiker, S. 70), allerdings macht der Forscher allein das Unverständnis der Inquisition und ihren „unwahrsten, unverständigsten, rohesten Ketzerverfolgungsfanatismus“ für die Unstimmigkeiten verantwortlich (Friedrich Böhringer, Die Kirche Christi und ihre Zeugen, oder die Kirchengeschichte in Biographien, 9 Bde, Zürich 1842-1858, II. Bd.: Mittelalter. 3. Abtheilung: Die Deutschen Mystiker des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts. Johannes Tauler, Heinrich Suso, Johannes Rusbroek, Gerhard Groot, Florentius Radevynzoon, Thomas von Kempen, Zürich 1855, S. 38). 56 Wilhelm Preger, Vorarbeiten zu einer Geschichte der deutschen Mystik im 13. und 14. Jahrhundert, in: Zeitschrift für die historische Theologie 39 (1869), S. 3-145, hier S. 137-145. Preger ist zwar die lateinische Lebensbeschreibung Margarethas von Kentzingen bekannt (R. P. Bernardus Pez‚ Bibliotheca ascetica antiquo-nova. Hoc est: Collectio veterum quorundam et recentiorum opusculorum asceticorum, quae hucusque in variis mss. codicibus et bibliothecis delituerunt, 12 Bde, Regensburg 1723-1740, hier Bd. 8 [1725] [zit. nach dem Exemplar der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, GB IV88-7/ 8], S. 400-412), ihre Bedeutung für die Lebensdaten des Gottesfreundes erkennt er jedoch nicht. 57 Heinrich Seuse Denifle, Der Gottesfreund im Oberlande und Nikolaus von Basel, in: Historischpolitische Blätter für das katholische Deutschland 1 (1875), S. 17-38, 93-122, 245-266, 340-354. 58 Ibid., S. 32f. Aufgrund einer eingehenden Quellenkritik Jundts, welcher Meyers Bericht in Frage stellt, da dieser die Aufzeichnungen des Basler Dominikanerinnenklosters St. Maria Magdalena an den Steinen wahrscheinlich durch seine Kenntnisse der Handschriften des ‚Grünen Wörth‘ ergänzt Auto(r)biographie: Positionen der Forschung 9 weis des Anachronismus führt Denifle „innere“ Gründe an, die auf der Vorstellung eines kohärenten Autoren uvres beruhen. Denifle zeigt, daß die Texte des Gottesfreundes und die durch die Verurteilung des Martin von Mainz überlieferten Thesen kein einheitliches Werkverständnis zulassen: Während die 16 Sätze, die Martin von der Inquisition vorgeworfen werden, der Lehre der Begharden entsprächen, sei die Lehre des Gottesfreundes „keine häretische, resp. beghardische, sondern durch und durch katholisch[ ]“. 59 Weil Schmidt auch nach der Untersuchung Denifles „die brochüre Nicolaus von Basel bericht von der bekehrung Taulers [... publicierte,] in welcher er sowol auf dem titelblatte als im vorworte den gottesfreund mit Nicolaus in einer weise identificiert, als wäre ein zweifel an dieser hypothese gar nicht möglich“, 60 d.h. an seinem „lang gehegte[n] und lang gepflegte[n] schosskind“ 61 festhält, untermauert Denifle 1876 nicht nur seine Argumente durch die Edition des „hauptactenstück[s]“ gegen Schmidt, 62 sondern kann darüber hinaus drei Jahre später durch eine konsequent biographische Lektüre des ‚Meisterbuchs‘ diese Methode als grundsätzlich inadäquat für die Beschäftigung mit der ‚Gottesfreundliteratur‘ erweisen. Von einer Notiz Quétifs und Echards ausgehend, welche das ‚Meisterbuch‘ als parabolicum nec ad litteram interpretierte, 63 stellt Denifle eine faktographische Lektüre des Textes in Frage und kommt aufgrund historischer, philologischer wie überlieferungsgeschichtlicher Argumente zu dem Schluß, der Prediger im ‚b ch von dem meister‘ dürfe nicht mit Tauler gleichgesetzt werden. Begreife man das ‚Meisterbuch‘ als historische Quelle und suche die biographischen Indizien, welche der Text über den „Meister der heiligen Schrift“ enthalte, in die bekannte Lebensgeschichte Taulers zu integrieren, stoße man auf unauflösbare Widersprüche: Weder sei Tauler Meister der Heiligen Schrift (sein Name fehle auf den Doktorenlisten in Paris und Köln) 64 noch könne der im ‚Meisterbuch‘ berichtete zweijährige Rückzug aus dem Ordensleben mit Taulers Biographie vereinbart werden. Seien die Zeitangaben des ‚Meisterbuchs‘ bereits textinhärent widersprüchlich - die Predigt, welche die 1346 begonnene zweijährige Weltabgeschiedenheit beende, könne nicht am Samstag, dem Tag der heiligen Gertrud, gehalten worden sein, da dieser 1348 auf einen Sonntag habe (Les Amis de Dieu au quatorzième siècle, Paris 1879, S. 322-324, Anm. 1), muß Denifle 1880 diesen ‚handfesten‘ Beweis widerrufen: „Margaretha mag auf den rat irgend eines gottesfreundes, der im Oberelsass in den Vogesen lebte und um die reformation in Unterlinden wuste, in dieses kloster eingetreten sein. woher hätte aber der G. im oberl. dieses ausser dem Elsass wol nur im orden bekannte ereignis wissen können? Meyer identificierte dann jenen gottesfreund mit dem G.“ (Heinrich Seuse Denifle, Die Dichtungen Rulman Merswins, in: ZfdA 24 [1880], S. 463-540 und 25 [1881], S. 101-122, hier 24 [1880], S. 512, Anm. 1). 59 Heinrich Seuse Denifle, Der Gottesfreund im Oberlande und Nikolaus von Basel, S. 93. 60 Heinrich Seuse Denifle, Das Leben der Margaretha von Kentzingen, S. 479. 61 Ibid. 62 Ibid. 63 Jacques Quétif und Jacques Echard, Scriptores Ordinis Pr dicatorum recensiti, notisque historicis et criticis illustrati [...], 2 Bde, Paris 1719-1723 [Unveränderter Nachdruck New York 1959], Bd. 1, 2 (1719), S. 678. 64 Heinrich Seuse Denifle, Taulers Bekehrung. Kritisch untersucht, Straßburg 1879 (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgeschichte der germanischen Völker 36), S. 5-12; ders., Taulers Bekehrung - Antikritik gegen A. Jundt, in: Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland 84 (1879), S. 797-815, 877-897, hier S. 797. 10 falle 65 -, neben diesen Inkongruenzen gehe aus den Briefen Heinrichs von Nördlingen an Margarete Ebner hervor, daß Tauler die Jahre 1347/ 48 durchaus nicht zurückgezogen verbracht habe, sondern als Prediger tätig gewesen sei. 66 Schließlich stimmten sowohl Taulers Todeszeitpunkt 67 als auch -ort 68 nicht mit dem im ‚Meisterbuch‘ Berichteten überein. Während der Prediger neun Jahre nach seiner Bekehrung - also im Jahr 1355 - in seinem Heimatkloster starb, soll sich Tauler an seinem Lebensende 1361 zu seiner Schwester in das Straßburger Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis zurückgezogen haben. Diese strikt historischen Belege gegen eine Interpretation des ‚Meisterbuchs‘ als „Bericht von der Bekehrung Taulers“ stützt Denifle durch philologische Überlegungen. Beziehe man die Geschehnisse der ‚historia‘ auf Tauler, könne für diesen kein einheitliches Werkniveau konstatiert werden, da die hier enthaltenen Homilien sowohl inhaltlich 69 als auch stilistisch stark von den Predigten abwichen, die dem Dominikaner zugeschrieben werden. Im Gegensatz zu den „originell[en]“ Predigten Taulers, 70 gebe der Meister nur „fremde Gedanken“ wieder, 71 die er aber „nicht einmal [...] in Ordnung aneinander zu reihen [wisse], weil er eben seine Vorlage selbst nicht versteh[e]“. 72 Die Unterschiede in der Predigtweise widerlegten eindeutig die Identität Taulers mit der Hauptfigur des Textes: „Die Predigt des Meisters verhält sich zu der Taulers wie abgestandenes laues Wasser zu einer frischen Quelle.“ 73 Ohne auf die altgermanistische Konzeption von Vita und Werk Taulers zu rekurrieren, kann Denifle zuletzt anhand der handschriftlichen Überlieferung des ‚Meisterbuchs‘ nachweisen, daß der Gleichsetzung Taulers mit dem Schriftgelehrten der ‚historia‘ eine sukzessive Konkretisierung der Figur des meisters in den jüngeren Überlieferungsträgern vorausgeht: Nachdem das ‚Meisterbuch‘ einen Überlieferungsverbund mit den Predigten Taulers eingegangen ist, führt das biographische Interesse an den anonymen Protagonisten des Textes zu einer engeren Vernetzung zwischen ‚Meisterbuch‘ und Predigtzyklus: Die Ordenszugehörigkeit Taulers wird auf den Meister übertragen, der nun als Dominikaner figuriert wird. Diese Übereinstimmung läßt den Redaktor des Manuskripts 559 der Leipziger Universitätsbibliothek (1486) 74 vermuten, der begnad und irleucht lerer Br der Johannes Tauler sei im „Meister der heiligen Schrift“ beschriben [...], wan der selbige stilus adder satzung sich gantz und vhast vergleichet allen nachvolgenden Sermonen [Taulers ...], als dan ein fleissiger leszer des wol befinden wirt. 75 Sei in der Handschrift noch diese komplexe Argumentation notwen- 65 Heinrich Seuse Denifle, Taulers Bekehrung. Kritisch untersucht, S. 13. 66 Ibid., S. 23f.; vgl. auch: ders., Taulers Bekehrung - Antikritik gegen A. Jundt, S. 797; A. Chiquot, Histoire ou Légende ...? Jean Tauler et le ‚Meisters/ Buoch‘, Straßburg; Paris 1922, S. 55-57. 67 Heinrich Seuse Denifle, Taulers Bekehrung. Kritisch untersucht, S. 24f.; ders., Taulers Bekehrung - Antikritik gegen A. Jundt, S. 797. 68 Heinrich Seuse Denifle, Taulers Bekehrung. Kritisch untersucht, S. 32f. 69 Ibid., S. 35-80. 70 Ibid., S. 37. 71 Vgl. die Auflistung der Vorlagen: ibid., S. 38-42. 72 Ibid., S. 37. 73 Ibid., S. 78. 74 Ibid., S. 106. 75 Zit. nach ibid., S. 106. Figuren der Referenz: Einleitung dig, um Tauler mit dem Meister zu identifizieren, werde im Leipziger Druck der Predigten Taulers von 1498 schließlich eine affirmative Gleichsetzung vorgenommen: Hier nach volget die hystorien des erwirdigen docters Johannis Thauleri (Bl. 260 ra ). 76 Aufgrund dieses Mosaiks sich ergänzender, unterschiedliche argumentative Ebenen verbindender Beweismittel erkennt Denifle im ‚Meisterbuch‘ eine „tendentiöse Erfindung“ 77 und kann 1880 aufgrund einer erneuten, strikt biographischen Lektüre auch den Gottesfreund als literarische Figur erweisen. Er versucht hierfür zunächst, die Informationen aller auf dem ‚Grünen Wörth‘ tradierten Texte in eine kohärente Biographie zu bringen, stößt aber auf sich widersprechende Angaben (vgl. Tabelle). 78 Alle Versuche, das Oberland genauer geographisch zu lokalisieren, d.h. den Aufenthaltsort des Gottesfreundes zu bestimmen, um ihn als historische Person zu belegen, bleiben zudem erfolglos: Schmidts Vermutung, die Gottesfreunde lebten im Wallfahrtsort Herigswald am Abhang des Pilatus unweit von Engelberg und Klingenau, 79 ist durch Lütolf widerlegt worden. Mit Hilfe der päpstlichen Urkunde zur Gründung einer Kartause, die Johannes Wagner am 4. Mai 1489 erhielt, konnte Lütolf nachweisen, daß vor dieser Einsiedelei keine Niederlassung im Herigswald existierte, man das Haus und die Kapelle der Gottesfreunde, von deren Erbauung das ‚Briefbuch‘ berichtet, im Aargau also vergeblich suche. 80 Auch Lütolfs Gegenthese, die Gottesfreunde hätten auf der Brüdern-Alp am Schimberg gelebt 81 und seien dort 1421 von Branda Castiglione, Kardinal von Piacenza, besucht worden, 82 wurde aufgrund chronologischer Unstimmigkeiten entkräftet: Wurde die Einsiedelei auf dem Schimberg 1343 gegründet, suchten die Gottesfreunde - so rekonstruiert Jundt nach den Angaben im ‚Briefbuch‘ (B, Bl. 1 r , Rieder 1905, S. 65*8-17) - erst zwischen 1365 und 1374 einen angemessenen Ort für ihr gemeinschaftliches, eremitisches Leben. 83 76 Ibid., S. 103; vgl. auch: A. Chiquot, Histoire ou Légende ...? , S. 16-27, mit Bezug auf: ‚Sermon des groß|gelarten in gnaden erlauchten doctor|ris Johannis Thauleri predigerr | ordens. weisende auff den nehesten |waren wegk. yn geiste czu wandern | durch vberschwebenden syn. vnuor|acht von geistes ynnigen vorwandelt | in deutsch manchen menschen zu seligkeit‘, Leipzig: Konrad Kachelouen, 1498. 77 Heinrich Seuse Denifle, Taulers Bekehrung. Kritisch untersucht, S. 124. 78 Die auf den folgenden Seiten gegebene Tabelle beruht auf den Ausführungen in: Heinrich Seuse Denifle, Die Dichtungen des Gottesfreundes im Oberlande, in: ZfdA 24 (1880), S. 200-219, 280- 324, und ders., Die Dichtungen Rulman Merswins, auf die sich auch die in Klammern angegebenen Seitennachweise beziehen. 79 Karl Schmidt, Nicolaus von Basel und die Gottesfreunde, S. 269 und 284. 80 A[lois] Lütolf, Der Gottesfreund im Oberland, in: Jahrbuch für Schweizerische Geschichte 1 (1876), S. 3-46 und 255, hier S. 26f. 81 Ibid., S. 18f. 82 A[lois] Lütolf, Besuch eines Cardinals beim „Gottesfreund im Oberland“, in: Theologische Quartalsschrift 58 (1876), S. 580-592, hier S. 590. 83 Auguste Jundt, Les Amis de Dieu, S. 331-333; vgl. auch: Heinrich Seuse Denifle, Die Dichtungen Rulman Merswins, S. 463f. Auto(r)biographie: Positionen der Forschung 11 ‚b ch von den zwey menschen‘ ‚b ch von einre offenborunge‘ ‚b ch von den zweyen iungen fúnfzehen ierigen knaben‘ ‚b ch von der geistlichen stegen‘ ‚b ch von dem meister‘ ‚b ch von den fúnf mannen‘ Vorleben Seit seinem 20. Lebensjahr hat sich der Gottesfreund allein der Weltliebe verschrieben, in der er ettewie vil jare bleibt und eine Person besonders liebt, doch one alle getat (S. 283). Trotz seiner Weltzugewandtheit, die sich vor allem in der eine[n] súnde mit der tohter, mit der ich das kint mahte, manifestiert, empfindet der Gottesfreund von kind uf ettewas götteliche vorhte und kauft sich ein Kruzifix, vor dem er nachts um ein gottgefälliges Leben bittet (S. 288f.). Der Gottesfreund führt, bis er 26 Jahre alt ist, ein unreine[s] unkúsche[s] lebende (S. 292). Keine Angaben (S. 299) Keine Angaben (S. 295) Zeitpunkt und Motiv der Bekehrung Die Bekehrung wird ausschließlich intrinsisch motiviert: Eines Morgens beginnt der Gottesfreund, über sich und der welte valscheit nachzudenken, erkennt, wie die welt lonet und wie bitter ende die welt git, fällt auf die Knie und bittet Gott um Vergebung. Im gleichen Moment faßt er den Entschluß, sich von der Welt abzukehren (S. 283). Während eines seiner täglichen nächtlichen Gebete vor dem Kruzifix beugt sich dieses zum Gottesfreund und spricht: stant uf und lo die welt und nim din crútze uf dich und volge mir noch (S. 289). Als der Gottesfreund 26 Jahre alt ist, durchdringt ihn eine tiefe Reue über seine Sünden (S. 292). Durch die Lektüre von Heiligenleben wird der Gottesfreund dazu angeregt, über seine Sünden zu reflektieren (S. 296). Um das Jahr 1347 wird dem Gottesfreund eine Vision zuteil, in der ihm gros lidden und we angekündigt werden, die er freudig annimmt (S. 299). Figuren der Referenz: Einleitung 12 Akt der Bekehrung Durch seine Weltabkehr ist seine weltliche Natur so sehr erschüttert, daß dem Gottesfreund Blut aus Mund und Nase rinnt. Nachdem er sich in einem symbolischen Akt mit Gott verlobt und seinen freien Willen aufgegeben hat, bittet er diesen, ihn zu unterweisen, wie er als Laie ein geistliches Leben führen könne (S. 283f.). Der Gottesfreund sagt seine Hochzeit ab und nimmt statt dessen die Mutter Gottes zur Braut (S. 290). Der Gottesfreund ruft Maria Magdalena als Fürsprecherin an, damit Gott ihm seine Sünden vergebe und er sich von der Welt abkehren könne (S. 292). Durch die imitatio des strengen Lebens der Heiligen schwer erkrankt, hört der Gottesfreund eines Morgens eine Stimme, die ihm von den selbst erwählten üebunge[n] abrät. Durch den Rat eines Einsiedlers erkennt der Gottesfreund, daß er seinen eigenen Willen noch nicht vollständig Gott übergeben hat (S. 295f.). Keine Angaben (S. 299) Lohn der Bekehrung In dem Moment, in dem der Gottesfreund seinen Willen aufgibt, erscheint ihm die minnende erbermede gottes und nimmt ihn zu eime gespuntzen (S. 284f.). Keine Angaben (S. 288) Keine Angaben (S. 290f.) Zwei Jahre richtet der Gottesfreund sein Gebet an Maria Magdalena, bis diese ihm erscheint und den aller obersten minner (S. 292) ankündigt, dem der Gottesfreund in einem martelbilde dienen soll (S. 293). Es wird von zahlreichen Verzückungen berichtet (S. 297-299). Keine Angaben (S. 301) Auto(r)biographie: Positionen der Forschung 13 Leben nach der Bekehrung Vom Leben nach der Bekehrung wird ein ausführlicher Bericht gegeben: Im ersten Jahr kasteit sich der Gottesfreund selbst und ihm werden, von einem unio-Begehren durchdrungen, verschiedene Visionen zuteil; doch wird ihm am Ende des ersten Jahres offenbart, es mangele ihm noch an rehter grundeloser [...] gelossenheit (S. 286). In den folgenden drei Jahren muß er die Versuchung der Besessenheit, des Unglaubens und des durchlidens [alle[r] creaturen] überstehen, bevor ihm, von allen bekorungen befreit, die Sünden vergeben werden und ihm prophezeit wird, er müsse nach seinem Tod nicht das Fegefeuer erleiden (S. 288). Die „Freuden“, die dem Gottesfreund zuteil werden, werden nicht näher spezifiziert (S. 288 und 291). Keine Angaben (S. 295) Keine Angaben (S. 299) Keine Angaben (S. 301) Tabelle: Die Darstellung der ‚geistlichen Biographie‘ des Gottesfreundes aus dem Oberland im Textcorpus der Johanniterkomturei Figuren der Referenz: Einleitung 14 Auto(r)biographie: Positionen der Forschung 15 Jundts Vorschlag wiederum, der Gottesfreund habe im Brudertobel der Gemeinde Ganterschwyl gelebt, 84 ist ebenfalls unhaltbar. Denifle kann in einem eingehenden Vergleich des ‚Gründungsberichts‘ der Gottesfreundgemeinschaft mit den Angaben des Bischofs über die Brüder im Tobel nachweisen, daß „die actenstücke, die er [Jundt] für seine hypothese anführt, [...] sammt und sonders bis ins kleinste detail argumente gegen seine hypothese [sind]“. 85 Im einzelnen erkennt Denifle folgende Inkongruenzen: 1. Die Niederlassung der Gottesfreunde lag im Gebiet der Herzöge von Österreich, Brudertobel im Land der Grafen von Toggenburg. 86 2. In der Bestätigungsurkunde des Bischofs von 1375 wird die Lebensweise des Hans von Rútberg als stricta vita heremitica bezeichnet, doch der Lebenswandel der Gottesfreunde entspreche mit den Besuchen fremmede[r] personen und reichhaltigen Speisen durchaus nicht dem eremitischen Ideal. 87 3. Die Eremiten im Brudertobel lebten von Almosen, die Gottesfreunde von ihrem eigenen Vermögen. 88 4. In der eremitischen Gemeinschaft sei nur ein Priester bezeugt, nach den Angaben des ‚b ch von den fúnf mannen‘ haben jedoch drei der Gottesfreunde die Priesterweihe erhalten. 89 Da auch die Reise des Gottesfreundes zu Papst Gregor XI., die sowohl in den redaktionellen Vorbemerkungen als auch in einem der Schreiben des ‚Briefbuchs‘ erwähnt wird (B, Bl. 1 v -2 v , Rieder 1905, S. 66*29-69*11; B, Bl. 44 rv , Rieder 1905, S. 120*7-122*12), aufgrund eines Vergleichs mit historisch verbürgten Reisezeiten nach Rom in das Reich der Dichtung zu verweisen sei, 90 scheitern somit die beiden stärksten Operationen einer Biographisierung für den Gottesfreund - die Erstellung einer Lebensgeschichte und die Lokalisierung einer Person. Denifle zieht daher den Schluß: „der G[ottesfreund] hat als solcher nicht existiert, seine gesellschaft ist eine fiction, und nicht weniger jene historisch nicht beglaubigten personen, die den G[ottesfreund] angetroffen haben.“ 91 Als Urheber dieser Fiktion identifiziert Denifle die einzige historisch beglaubigte Person, die Kontakt zum Gottesfreund hatte 92 - Rulman Merswin: Die annahme dass die ganze Gottesfreund- und Merswinlitteratur von den johannitern in Strassburg erdichtet sei, ist von vorn herein ausgeschlossen. die fälschung müste natürlich 84 Auguste Jundt, Les Amis de Dieu, S. 334-342. 85 Heinrich Seuse Denifle, Die Dichtungen Rulman Merswins, S. 469. 86 Ibid., S. 464. 87 Ibid., S. 465. 88 Ibid., S. 465f. 89 Ibid., S. 466. 90 Heinrich Seuse Denifle, Die Dichtungen des Gottesfreundes im Oberlande, S. 303: Am Ostersonntag (29.3.) 1377 aufgebrochen und am 24. April bereits in das Oberland zurückgekehrt, müßte der Gottesfreund seine Romreise innerhalb einer „unmöglich [...] kurze[n] zeit“ (ibid., S. 310) - in 24 Tagen - bewältigt haben (ibid., S. 305); auch der vorgeschlagene Alternativtermin zwischen Pfingsten (17.5.) und dem 6. Juli sei unhaltbar, weil der Papst den Gottesfreund aufgrund des Fronleichnamsfestes (28.5.) und seiner Reise nach Anagni (30.5.) spätestens am 27.5. empfangen haben könnte (ibid., S. 306). Drei Tage vor der Audienz, d.h. am 25.5., in Rom eingetroffen, habe die Reise über die Alpen nur zehn bis elf Tage gedauert (ibid., S. 307), ein - im Vergleich mit historischen Reiseberichten - nicht allein aufgrund zahlreicher reisefreier Feiertage schlicht unmögliches Reisetempo (ibid., S. 310). 91 Heinrich Seuse Denifle, Die Dichtungen Rulman Merswins, S. 496. 92 Ibid., S. 104. Figuren der Referenz: Einleitung 16 n a c h Merswins tod, also nach dem 18. juli 1382, aber v o r 1385 stattgefunden haben, da in diesem jahre Conrad von Brunsberg bereits von den drei (urkunden-)büchern spricht, in denen nahezu die ganze litteratur enthalten war [...]. alle historischen personen, deren diese schriften erwähnung tun oder an die sie gerichtet waren, hätten entweder sämmtlich gestorben sein (da ja sonst die fälschung augenblicklich ruchbar geworden wäre), oder ein gemeinsames complot eingehen müssen. keine beider annahmen ist möglich. [...] Ist die Gottesfreundlitteratur gefälscht, so kommt nur Merswin als fälscher in betracht. 93 Darüber hinaus überführten die großen Parallelen, die Merswins Texte in „gedanken, ausdruck, stil“ 94 zu den Schriften des Gottesfreundes aufwiesen, den Stifter eindrücklich als ihren wahren Verfasser. 95 Für die Fälschung gibt Denifle zwei Gründe an. Zum einen sollen die Ermahnungen der Texte durch die Fiktion einer Idealgestalt als „einzige[ ] stütze[ ] der christenheit“ 96 an Wirkmächtigkeit gewinnen, zum anderen erkennt Denifle ein persönliches Motiv Merswins: Durch diesen von Merswin fingierten G[ottesfreund] gewann auch Merswin selbst ungemein. er lässt sich in seinen ansichten, plänen und handlungen von einem so ausserordentlichen phänomene leiten und führen: das muste in den augen seiner umgebung zu seiner eigenen erhöhung beitragen. [...] dies war ihm vorzüglich bei seiner stiftung von Grünenwörth und der leitung der dortigen inwohner nach seinem sinne von gröstem nutzen. auf diese weise setzte er alles durch. 97 Denifle nimmt hier den entscheidenden Wechsel innerhalb der Forschung zur ‚Gottesfreundliteratur‘ vor: Die Aussagen der Texte werden nicht länger auf die Erlebnisse des Gottesfreundes bezogen und als authentische Zeugnisse seiner Biographie gelesen, vielmehr wird ihr Dokumentstatus negiert und der Protagonist der Textsammlung als Mystifikation entlarvt. Obwohl die suggestive Leistung des Corpus in der glaubhaften Erschaffung der Gottesfreundfigur durchaus erkannt wird, werden die Texte jedoch keiner literarischen Lektüre unterzogen, welche die Wirkungsmöglichkeit und -funktion der Figur des Gottesfreundes entfalten könnte, vielmehr verbleibt Denifle und mit ihm alle weiteren Untersuchungen bei einer biographischen Lektüre: Indem die Studien Komposition und Funktion der Straßburger ‚Hausliteratur‘ außer acht lassen und sich auf die Frage konzentrieren, wer den Gottesfreund erfunden hat, wird das Paradigma der lebensweltlichen Deutung nicht verabschiedet, sondern lediglich auf den ‚betrügerischen‘ Erfinder der ‚Gottesfreundliteratur‘ übertragen. Pregers Versuch, die Arbeiten Schmidts gegenüber Denifles Deutung des Corpus zu rehabilitieren, konnte nur einzelne seiner Beweisschritte relativieren, jedoch das Fundament der Argumentation - die „Proteusnatur“ 98 des Gottesfreundes - nicht entkräften. 99 Daher dominieren Denifles Thesen die weitere Auseinandersetzung mit 93 Ibid., S. 513f. 94 Ibid., S. 514. 95 Vgl. die minutiöse Auflistung: ibid., S. 514-527. 96 Ibid., S. 108. 97 Ibid., S. 109. 98 Heinrich Seuse Denifle, Die Dichtungen des Gottesfreundes, S. 280. 99 Obwohl Preger im dritten Band seiner ‚Geschichte der Mystik‘ anstrebt, Denifles „innere“ und „äußere“ Belege Schritt für Schritt zu widerlegen - er weist die These der Autographenfälschung auf- Auto(r)biographie: Positionen der Forschung 17 dem Straßburger Überlieferungskomplex. 100 Jundts ‚Les Amis de Dieu au Quatorzième Siècle‘ 101 erscheint kurz nach Denifles ‚Taulers Bekehrung‘ 102 und kann auf die Thesen des Dominikaners nur im Epilog eingehen. Im Hauptteil seiner Arbeit übernimmt Jundt die Grundannahme Schmidts, die Texte der ‚Gottesfreundliteratur‘ seien biographisch zu lesen, und folgt seiner Methode, die Lebensgeschichten Rulman Merswins und des Gottesfreundes in einer Kompilation aller Texte der ‚Gottesfreundliteratur‘ nachzuerzählen. 103 Durch die Einsicht des gesamten Materials kommt er jedoch zu einer anderen Identifikation als Schmidt: Mit Hilfe des Dialekts, der in den Thurgau und ins obere Rheintal bis St. Gallen weise, 104 und der Angaben in den Traktaten müsse Chur der Geburtsort des Gottesfreundes sein, 105 während die Niederlassung der Gottesfreunde in der Einsiedelei Ganterschwyl zu suchen grund der starken Variation in Merswins Schreibung, die keine verläßliche Vergleichsgrundlage biete, als sinnlos zurück (S. 247-254), zeigt eine alternative, mit historisch verifizierten Reisezeiten übereinstimmende Datierung der Romreise auf (S. 258-261) und grenzt das Erzähltalent des Gottesfreundes, das sich in der „dramatischen Lebendigkeit im Erzählen [... und] seiner Herrschaft über den Ausdruck“ zeige (S. 276), gegen den nur „mässig begabte[n] Schriftsteller“ Merswin ab (S. 269) -, kann Preger die ‚Gottesfreundliteratur‘ vom Verdikt der Fälschung allein durch den Nachweis ihres Mißverständnisses in der bisherigen interpretatorischen Praxis befreien: Bei den Texten handele es sich nicht um autobiographische Schriften, die ihre Fundierung in historischen Ereignissen postulierten, sondern um Lehrschriften in biographischer Form, d.h., die Vita des Gottesfreundes diene der Veranschaulichung von Lehre (S. 279-281). Da Preger diesen vielversprechenden Ansatz nicht verfolgt, sondern seine Arbeit - in Anlehnung an die Studien Schmidts, dem er seine Arbeit bezeichnenderweise widmet - in einer erneuten Nacherzählung der ‚Lebensgeschichte‘ des Gottesfreundes münden läßt, bleiben seine Thesen in der Forschung weitgehend ohne Resonanz (Wilhelm Preger, Geschichte der deutschen Mystik im Mittelalter. Nach den Quellen untersucht und dargestellt, III. Teil: Tauler. Der Gottesfreund vom Oberlande. Merswin, Leipzig 1893, S. 245-419). 100 Die Fiktivität des Gottesfreundes wird in ‚neueren‘ Veröffentlichungen lediglich in einem Beitrag bestritten: Wilhelm Rath, Der Gottesfreund vom Oberland. Sein Leben, geschildert auf Grundlage der Urkundenbücher des Johanniterhauses „Zum Grünen Wörth“ in Straßburg, Straßburg 1930 [Unveränderter Nachdruck Stuttgart 1955]. Baumann beschreibt diese Arbeit treffend: „Dieses Machwerk [...] stellt nun [...] für die Gottesfreundfrage den Rückfall sogar in die vor-Schmidtsche Zeit dar. Es bringt, nach einer kurzen Einführung, Übersetzungen von Gottesfreundtexten und zugehörigen Kommentaren, vor allem eine ausführliche Biographie (! ) des Gottesfreunds und die Geschichte seines Bundes. Tauler ist wieder der Meister, der Gottesfreund wieder ein großer Führer und zugleich das Oberhaupt [...] einer Gesellschaft, die im Sinne Rudolf Steiners zu neuen geistigen Wirklichkeiten vorgestoßen war. [...] Man hätte dieses peinliche Buch durchaus mit Stillschweigen übergehen sollen, wenn es nicht [...] 1983 in der vierten Auflage erschienen wäre, und den anzitierten Unsinn [...] einem offensichtlich größer werdenden Publikum von ‚Eingeweihten‘ vermittelt“ (Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 64, Anm. 246). 101 Auguste Jundt, Les Amis de Dieu. Jundts erste Veröffentlichung, in der er Texte aus dem Corpus der ‚Gottesfreundliteratur‘ ediert, kann hier außer acht bleiben, da das ‚baner b chelin‘ und das ‚b ch von den drien durch brúchen‘ für ihn hier lediglich als Quellen für die Geschichte der Brüder des Freien Geistes von Interesse sind (vgl. Auguste Jundt, Histoire du Panthéisme Populaire au Moyen Age et au Seizième Siècle [suivie de pièces inédites concernant les frères du libre esprit, Maître Eckhart, les libertins spirituels, etc.], Paris 1875 [Unveränderter Nachdruck Frankfurt/ M. 1964]). 102 Auch der Artikel Jakob Baechtolds in der ‚Allgemeinen deutschen Biographie‘ (Bd. 9 [1879], S. 456- 460), der den Gottesfreund als historische Person rekonstruiert, ist wahrscheinlich vor der Veröffentlichung von Denifles Thesen entstanden, denn Baechtold schließt sich Denifle später in seiner ‚Geschichte der deutschen Literatur in der Schweiz‘ (Frauenfeld 1892) an. 103 Auguste Jundt, Les Amis de Dieu, S. 71-109 und 253-327 (Vita des Gottesfreundes); S. 110-186 (Lebensgeschichte Rulman Merswins und anderer vom Gottesfreund Bekehrter). 104 Auguste Jundt, Les Amis de Dieu, S. 212-217. 105 Ibid., S. 242. Figuren der Referenz: Einleitung 18 sei; 106 durch diese Lokalisierungen glaubt Jundt den Namen des Gottesfreundes ermitteln zu können: Le fondateur de l’ermitage de Ganterschwyl figure dans nos documents sous trois noms différents. En 1369, Frédéric V de Toggenbourg l’appelle simplement Jean; la même année, l’abbesse de Magdenau le connaît déjà sous le nom Jean de Jonschwyl; enfin, en 1375, Henri III de Constance l’appelle Jean dit de Rutberg. [...] Le véritable nom de l’Ami de Dieu de l’Oberland a donc été Jean. Nous est-il permis ici réunir en une dénomination unique les résultats de la première et de la seconde partie de notre travail, et de composer un nom qui, rappelant les deux localités dans lesquelles s’est passée la vie de l’Ami de Dieu, soit en quelque sorte le résumé de son existence entière? C’est Jean de Coire, dit de Rutberg, qu’il faudra le nommer. 107 Jundt ist von dieser These so überzeugt, daß er - gleichsam den Höhepunkt der biographischen Lesart bildend - eine Kanonisation des Gottesfreundes vorschlägt 108 und einen tabellarischen Lebenslauf des Gottesfreundes bietet, in dem alle Widersprüche durch die Berufung auf die Ungenauigkeit der Quellen harmonisiert sind: 109 Darin liegt das Verdienst des Buches, man möchte sagen im Belletristischen [...]. Die Lektüre der furchtbar langweiligen Originale wird einem dadurch erspart. Wissenschaftlicher Wert entgeht dieser Arbeit fast vollkommen. Denn Jundt fehlt jede unvoreingenommene Prüfung der Gottesfreundfrage. Mit verehrungswürdiger Naivität nimmt er alle Erzählungen des Gottesfreundes als pure Wahrheit, sucht in alles Einklang zu bringen, und müht sich gewaltig ab, gewisse Schwierigkeiten [...] klar zu stellen. Wenn dies nicht gelingen will, findet er leicht die Ausflucht zu Entschuldigungen, wie etwa: freie Auswahl des Schreibers, leicht unterlaufene Irrtümer und Versehen. 110 Erst in dem aufgrund von Denifles Untersuchungen beigefügten Epilog wird Jundt „auf die Hauptschwierigkeiten aufmerksam“, 111 glaubt jedoch Denifles Thesen als falsch zurückweisen zu können 112 und hält im wesentlichen an der Historizität des Meisters und des Gottesfreundes fest. Nicht zuletzt durch Denifles vernichtende Antikritik 113 übernimmt Jundt in seiner 1890 erschienenen Arbeit in weiten Teilen dessen Positionen, 114 weicht von ihnen jedoch insofern ab, als er - die moderne Psychologie zur Hilfe nehmend - davon ausgeht, Rulman habe aufgrund einer Persön- 106 Vgl. die Ausführungen auf S. 11 und 15. 107 Auguste Jundt, Les Amis de Dieu, S. 341f. 108 Ibid., S. 361. 109 Ibid., S. 251f. 110 Gottfried Fischer, Geschichte der Entdeckung der deutschen Mystiker, S. 90. 111 Heinrich Seuse Denifle, Taulers Bekehrung - Antikritik gegen A. Jundt, S. 799. 112 Auguste Jundt, Les Amis de Dieu, S. 417-442. Jundt vollzieht hierfür die von Denifle vorgebrachten Einwände im einzelnen nach und versucht sie durch Ungenauigkeit der Quellen zu entkräften. 113 „Jundts Epilog bleibt eine traurige Arbeit [...]. Man vermengt des Gegners apodiktische Beweise mit den Wahrscheinlichkeitsgründen, die doch der Gegner getrennt wissen will, verdreht oder verstümmelt dessen Aussagen, verschweigt oder erklärt als interpolirt die gravirenden Texte, bedeckt seine wissenschaftlichen Blößen, wälzt die Vorwürfe, deren man sich mit Recht schuldig macht, auf den Gegner, verläßt sich auf Leser, die des Gegners Schrift nicht zu Gesicht bekommen, und dann ruft man zum Schlusse aus: ich bin überzeugt, die historische Kritik wird sich nicht für den Gegner entscheiden! “ (Heinrich Seuse Denifle, Taulers Bekehrung - Antikritik gegen A. Jundt, S. 896f.). 114 Auguste Jundt, Rulman Merswin et l’Ami de Dieu de l’Oberland. Un problème de psychologie religieuse. Avec documents inédits et facsimilés en phototypie, Paris 1890. Auto(r)biographie: Positionen der Forschung 19 lichkeitsspaltung an die Existenz des Gottesfreundes geglaubt und seine Texte in einem halluzinatorischen Zustand geschrieben, in dem sein zweites Ich die Rolle des Gottesfreundes übernommen habe. 115 Nachdem Jundt seine eigene These, der Gottesfreund sei mit Johannes von Chur identisch, widerlegt 116 und die von Denifle angeführten Gründe für die Fiktivität des Gottesfreundes im Detail diskutiert hat, 117 meint er beweisen zu können, Merswin sei kein Betrüger, der Gottesfreund sei für ihn vielmehr real, da Merswins ‚b ch von den vier ioren‘ erst nach seinem Tod aufgefunden worden sei, d.h. als Seelenspiegel geschrieben wurde, und der Gottesfreund auch hier eine prominente Rolle einnehme. 118 Da für Jundt nun feststeht, daß der Gottesfreund nicht existiert hat, Rulman aber an ihn glaubt, bleibt Jundt nur die psychologische Erklärung der Schizophrenie. „Le phénomène de la double personnalité [...] me paraît être la solution naturelle et satisfaisante du problème psychologique qui se trouve posé par nos textes.“ 119 Der Gottesfreund sei eine „réalité intérieure“, die durch eine psychische Krankheit für Merswin „la forme concrète et objective de l’Ami de Dieu de l’Oberland“ 120 einnehme: Die im ‚b ch von den nún veilsen‘ entwickelte Idealgestalt eines Missionars werde für den „bourgeois timide et illettré“ zu einer Projektionsfläche seines religiösen Eifers; 121 diese Imagination werde schließlich so konkret, daß der Gottesfreund zum Zeugen von Merswins eigener religiöser Offenbarung dienen könne. Die hier vorgebrachte Entfaltung der Persönlichkeitsspaltung Rulmans beruht maßgeblich auf einer parallelen Lektüre moderner Berichte über Schizophrenie und daraus ableitbarer charakteristischer Symptome, die Jundt in einer eklektizistischen Lesart in den Texten Merswins wiederzufinden sucht: Die Verwendung der indirekten Rede wird so „un indice d’une disposition au dédoublement de la personnalité“. 122 Jundts Argumentation mündet in einer Rehabilitation Merswins: Er ersetzt die moralische durch eine psychologische Bewertung und verstärkt so das biographische Paradigma. Rieder stellt 1902 und 1905 den prominentesten Gegenentwurf zu Denifles Hypothesen auf. 123 Auf der Grundlage der ersten Beschäftigung mit allen Überlieferungsträgern der ‚Gottesfreundliteratur‘ schafft er ein umfangreiches Werk, das ausführliche Handschriftenbeschreibungen und die erste Edition der Texte im Codexzusammenhang bietet. Neben diesen textkritischen und überlieferungsgeschichtlichen Teilen, die das Verdienst der Arbeit Rieders darstellen, versucht er, die 115 Ibid., S. 94f. 116 Ibid., S. 41-45. 117 Ibid., S. 45-69. 118 Ibid., S. 93f. 119 Ibid., S. 108f. 120 Ibid., S. 95. 121 Ibid., S. 110. 122 Ibid., S. 109. 123 Karl Rieder, Zur Frage der Gottesfreunde. I. Rulman Merswin oder Nikolaus von Laufen? , und ders., Zur Frage der Gottesfreunde. II. Bischof Heinrich III. von Konstanz und die Gottesfreunde, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 56 (N.F. 17; 1902), S. 205-216, 480-496; ders., Der Gottesfreund vom Oberland. Eine Erfindung des Straßburger Johanniterbruders Nikolaus von Löwen, Innsbruck 1905. Figuren der Referenz: Einleitung 20 Urkundenbücher des ‚Grünen Wörth‘ sowohl nach „Entstehung und Verfasser“ 124 als auch nach „ihren einzelnen Bestandteilen“ 125 zu analysieren. Die minutiöse Untersuchung der Handschriften nutzt Rieder jedoch nicht, um unabhängig von gegebenen Autorzuweisungen das Verhältnis der in den Codices überlieferten Texte zu bestimmen, sondern zu einer detaillierten Beschreibung der Schritte, die zur Konstruktion der Gottesfreundfigur führten: Während die Haupttexte die Personen in der Anonymität beließen, würde in den Rubriken - und in einem späteren Stadium auch in den Texten selbst - nachträglich die Identifikation der Personen mit Rulman Merswin bzw. dem Gottesfreund vorgenommen. Diese Konstruktion verlaufe in zwei Phasen. In der ersten (von 1382 bis 1385) seien es lediglich schwankende und allgemeine Andeutungen, die die Figuren mit dem Gottesfreund in Verbindung brächten; in der Zeit von 1390 bis 1400 würden diese so erweitert, daß eine Umwandlung der Memorialbücher notwendig werde, was zum konsequenten Bezug aller Texte auf den Gottesfreund bzw. Rulman Merswin führe. Im zweiten Teil der Studie Rieders mündet die detaillierte Untersuchung der Handschriften in einer biographischen Lektüre, indem der Erfinder der Gottesfreund-Mystifikation und somit der Verfasser der gesamten Urkundenbücher des ‚Grünen Wörth‘ nachgewiesen wird: „Dieser e i n e Verfasser kann nur Nikolaus von Löwen sein, dessen Autorschaft über alle Zweifel erhaben ist; “ 126 Rulman Merswin sei an der Abfassung sämtlicher Texte demgegenüber „vollkommen unbeteiligt“. 127 Rieder stützt seine Interpretation sowohl auf seine Analyse der Codices als auch auf die von ihm erkannte Intention der Textsammlung: Da alle Handschriften, in denen die ‚Gottesfreundliteratur‘ überliefert ist, erst nach dem Tod Merswins in der Manuskriptwerkstatt der Johanniter angelegt worden seien, Nikolaus von Löwen „in den Memorialbüchern an verschiedenen Stellen als Schreiber in der ersten Person eingeführt, an verschiedenen anderen in der dritten Person“ genannt werde 128 und stark um die Verbreitung der ‚Gottesfreundliteratur‘ bemüht gewesen sei, 129 habe der Sekretär Merswins als „geistiger Urheber“ der Urkundenbücher zu gelten. 130 Auch bezeuge die Figuration des Schreibers in den Schriften selbst seine bedeutende Rolle für ihre Entstehung: Von den Johannitern zu Straßburg ist niemand für den angeblichen Gottesfreund mehr begeistert wie Nikolaus von Löwen [...]. Andererseits wird vom Gottesfreund niemand mehr bevorzugt als Nikolaus von Löwen. Er allein von den Brüdern empfängt vom Gottesfreund mehrere Briefe. Und unter allen Briefen ist nur ein einziger, der a n den Gottesfreund gerichtet ist, und dieser einzige stammt von Nikolaus von Löwen. Das allein würde schon genügen, in Nikolaus von Löwen den Verfasser des Briefbuchs und der damit in unlöslichem Zusammenhang stehenden Memorialbücher zu erkennen. 131 124 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 15-73. 125 Ibid., S. 74-259. 126 Ibid., S. 261; ebenso Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 424. 127 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 267. 128 Ibid., S. 261. 129 Vgl. zur Übergabe der Schriften an das Kloster in Engelberg: Alois M. Haas, Mystik und Politik. Bruder Klaus und die Mystik in der Schweiz, in: 500 Jahre Stanser Vorkommnis. Beiträge zu einem Zeitbild, Stans 1981, S. 101-119, hier S. 116f, sowie die Ausführungen auf S. 605-610. 130 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 263. 131 Ibid., S. 262. Auto(r)biographie: Positionen der Forschung 21 Zuletzt könne man aufgrund des Zwecks der Memoriale - der Verherrlichung der Stiftung und der Stifter - nur in Rulmans „langjährigem Vertrauten“ den Verfasser der Schriften erblicken: Wer von den Johanniterbrüdern hätte mehr darauf bedacht sein sollen, Rulmanns Leben und Wirken zu verherrlichen als gerade Nikolaus von Löwen? Und wer hätte mehr als er dafür besorgt sein müssen, daß die Statuten des Hauses unverbrüchlich gehalten werden, [...] wo er den Pflegerbrief und dessen Artikel aufgesetzt und eigenhändig geschrieben hat? 132 Gegen Rieders Hypothesen wurden im wesentlichen zwei Einwände vorgebracht: Strauch vollzog die überlieferungsgeschichtlichen Thesen in einer umfangreichen Rezension anhand der Handschriften „für jeden einzelfall“ nach. 133 Er konnte Rieder dabei nicht nur in Bezug auf Lagenanalysen, angenommene Rasuren, Korrekturen und Zusätze Fehler im Detail nachweisen, sondern auch aufzeigen, daß die kodikologischen und paläographischen Ergebnisse Rieders, die in weiten Teilen durchaus korrekt seien, 134 seine Hauptthese nur durch „übereilend[e] und voreingenommen[e]“ 135 Schlußfolgerungen stützen: „Rieder geht eben immer von seiner vorgefassten meinung über Nikolaus von Löwen aus und construiert schwierigkeiten in die überlieferung hinein, die tatsächlich nicht bestehen“. 136 So sei Rieders These, die gesamte ‚Gottesfreundliteratur‘ gehe auf anonyme mystische Traktate zurück, die Nikolaus von Löwen aus den Niederlanden mitgebracht und als „Gesamtredactor“ aller Urkundenbücher in die Memoriale des ‚Grünen Wörth‘ eingearbeitet habe, allein mit Hilfe der Schriftsprache der tradierten Texte zu widerlegen: Aufgrund der großen Unterschiede zwischen dem Niederdeutschen und dem Oberdeutschen sei es unwahrscheinlich, daß „sein [Rieders] in den Niederlanden geborener held in seiner sprache nirgends eine erinnerung an die heimat durchschimmern lässt“, sondern alle Texte in einem „elsässische[n], [präziser] Strassburger deutsch“ abfasse. 137 Strauch und Chiquot 138 finden neben diesen philologischen Argumenten rein logische Widersprüche in der Argumentation Rieders: Um die Verherrlichung des ‚Grünen Wörth‘ zu erreichen, „hätte es wahrscheinlich nicht eines so komplizierten Apparates bedurft“, 139 der zudem im Prozeß der Entstehung vor dem Leser liege und so leicht zu durchschauen sei. Darüber hinaus wiege die Frage nach der Funktion des ‚Briefbuches‘ schwer: 132 Ibid., S. 263. 133 Philipp Strauch, Rezension zu: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland. Eine Erfindung des Straßburger Johanniterbruders Nikolaus von Löwen, in: ZfdPh 39 (1907), S. 101-136, hier S. 135; vgl. hierzu Rieders Gegendarstellung in der Rezension zu: Karl Bihlmeyer, Heinrich Seuse. Deutsche Schriften im Auftrag der Württembergischen Kommission für Landesgeschichte herausgegeben, Stuttgart 1907, in: Göttingische gelehrte Anzeigen 171 (1909), S. 450-500. 134 Philipp Strauch, Rezension zu Karl Rieder, S. 107. 135 Ibid., S. 101. 136 Ibid., S. 112. 137 Ibid., S. 135. 138 A. Chiquot, Histoire ou Légende ...? , S. 136f. 139 Philipp Strauch, Rulman Merswin und die Gottesfreunde, in: Realencyclopädie für protestantische Theologie und Kirche 17 (1906), S. 203-227, hier S. 226. Figuren der Referenz: Einleitung 22 Diese briefe [...] hatten doch wol für die zeit, in der sie geschrieben, einen zweck zu erfüllen. Wozu sonst die weitschweifigen erörterungen über den bau und die zustände auf dem Grünen wörth [...]? [...] Mir scheint eine behandlung dieser und anderer [...] fragen [...] nach zwanzig jahren, weil gegenstandslos, höchst unwahrscheinlich, ja widersinnig [...]. 140 Obwohl somit auch Rieders Arbeit - trotz ihrer Meriten im Bereich der Überlieferung - die Funktion der ‚Gottesfreundliteratur‘ nicht abschließend klären konnte, 141 widmet sich in ihrem Anschluß keine weitere Monographie dem Überlieferungskomplex. Die Analyse der Schriften wird in übergreifende Fragestellungen integriert, die jedoch keine neuen wirkungsmächtigen Versuche einer Identifikation des Autors vornehmen. So äußert Georg Steer tentativ und nur am Rande seines Aufsatzes zur Stellung des ‚Gottesfreundes‘ innerhalb einer ‚Laienkultur‘ eine neue Identifikationsmöglichkeit. Er bezeichnet zwar Merswin als den Autor des Textcorpus, changiert aber gleichzeitig zwischen einer Autorzuweisung an Heinrich von Nördlingen und einer Identifikation Heinrichs mit dem Gottesfreund aus dem Oberland: Einige Züge des unbekannten Gottesfreundes [...] erinnern an das Leben und Wirken Heinrichs von Nördlingen. [...] Heinrich wirkte lange Zeit im ‚Oberland‘, in Konstanz und Basel, und hielt sich, wie der ‚Gottesfreund‘, in Sulz und Straßburg auf, wo er erstmals im Jahre 1346 Rulman Merswin begegnete. Die ‚Unterwerfung‘ Merswins unter den ‚Gottesfreund‘ könnte [...] bei Heinrichs zweitem Straßburger Aufenthalt 1348/ 49 stattgefunden haben. Auch der Besuch des ‚Gottesfreundes‘ beim Papst ließe sich so auf einen historischen Kern stützen: Heinrich war 1335 in Avignon. [...] Die Unauffindbarkeit des ‚Gottesfreundes‘ [...] ließe sich durch das Dunkel um Heinrichs Lebensende gut erklären. 142 Steers Vermutung, Heinrich habe Rulman bei seinem Aufenthalt in Straßburg kennengelernt, stützt sich im wesentlichen auf eine Textstelle im unikal, in Handschrift Add. 11430 der British Library, tradierten ‚Briefwechsel‘ zwischen Heinrich von 140 Philipp Strauch, Rezension zu Karl Rieder, S. 131. 141 Auf der Basis der Rezension Strauchs wurden Rieders Thesen zur Genese der ‚Gottesfreundliteratur‘ zumeist ablehnend beurteilt (vgl. z.B. Anton E. Schönbach, Rezension zu: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland. Eine Erfindung des Straßburger Johanniterbruders Nikolaus von Löwen, Innsbruck 1905, in: Literarische Rundschau für das katholische Deutschland 31 [1905], Sp. 167-172). Allein Gorceix greift Teile seiner These wieder auf, schließt die Möglichkeit eines einzelnen Autors aus und macht ein Sammler- und Autorenkollektiv für die Redigierung der verschiedenen Texte verantwortlich (Bernard Gorceix, Amis de Dieu en Allemagne au siècle de Maître Eckhart, Paris 1984, S. 110). Zwar polemisiert Baumann gegen Gorceix (Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 72), doch weicht seine Bewertung kaum von der Gorceix’ ab: „Die Frage nach dem Gottesfreund vom Oberland stellt sich daher seit Strauchs Rezension so dar, daß eindeutig Rulman Merswin den Gottesfreund geschaffen und in seinem Sinne benutzt hat. [...] Wie im ‚Zweimannenbuch‘ [...] war jeweils die lehrende und führende Figur unbestimmt und anonym, e i n Freund oder e i n Gottesfreund, aber nicht d e r Gottesfreund vom Oberland, wie ihn Merswin in seinen Briefen präsentierte. Diese, tatsächlich nachträgliche, erst in den Memorialbüchern erfolgte Identifikation geht allerdings auf das Konto des Nikolaus von Löwen. [...] Ob er allerdings von dessen [Merswins] Betrug wußte oder gar Anteil daran hatte, vermag auch heute noch nicht entschieden zu werden“ (ibid., S. 62). 142 Georg Steer, Die Stellung des ‚Laien‘ im Schrifttum des Straßburger Gottesfreundes Rulman Merswin und der deutschen Dominikanermystiker des 14. Jahrhunderts, in: Ludger Grenzmann und Karl Stackmann (Hgg.), Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenbüttel 1981, Stuttgart 1984 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 5), S. 643-660, hier S. 649. Auto(r)biographie: Positionen der Forschung 23 Nördlingen und Margarete Ebner, in welcher der Weltpriester der Dominikanerin ausrichtet: unszer groszer fraind die Merswin ze Strasburg sendet dir das wisz tuch zeinem rock und ze schappler. 143 Neben dem eingeschränkten Aussagewert der Quelle selbst - „nicht nur ihre späte Überlieferung in einer Art Margarete-Sammelhandschrift des 16. Jahrhunderts, auch literaturhistorische Überlegungen zur typenspezifischen Ausprägung von Themen und literarischen Figuren legen [...] eine eher skeptische Einschränkung des biographischen Quellenwertes der Briefe dieses Heinrich von Nördlingen nahe“ 144 - läßt auch die Unschärfe der Formulierung, aus der die Freundschaft zwischen Heinrich und Rulman erschlossen wird, erkennen, daß die von Strauch unterbreitete 145 und von Steer übernommene Zuweisung eher auf einer Assoziation als auf biographischen Fakten beruht: So fehlt bislang jeder Beleg, daß die zitierte Textstelle tatsächlich auf die zweite Frau Merswins, Gertrud von Bietenheim, und nicht auf Merswins Schwester (? ), 146 die Priorin des Straßburger Dominikanerinnenklosters St. Marx, 147 Katharina Merswin, referiert, 148 vor allem da Merswins Engagement auf dem ‚Grünen Wörth‘ erst 1366, somit fünf Jahre nach Margarete Ebners Tod, beginnt. Im Gegensatz zu diesem verstohlenen, gleichwohl in den jüngsten Auseinandersetzungen mit dem Corpus stillschweigend übernommenen Identifikationsversuch 149 beschränken sich die meisten Arbeiten auf eine Wiederholung der Lektüre Denifles. Variationen treten lediglich in Begründung und Bewertung der von Merswin vorgenommenen Mystifikation auf. Eine strikt institutionsgeschichtliche, d.h. auf die Straßburger Johanniterkomturei beschränkte Funktion der Autorfiktion glaubt eine erste Forschergruppe erkennen zu können: Die Figur des Gottesfreundes helfe Merswin, seine Ideen für die von ihm gestiftete Johanniterkomturei mit moralischer und spiritueller Autorität auszustatten, um sie gegen die Führung von Orden und Bistum durchzusetzen. 150 Die Erfindung des Gottesfreundes übernimmt in diesem 143 Philipp Strauch, Margaretha Ebner und Heinrich von Nördlingen. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Mystik, Freiburg/ Br. 1882 [Unveränderter Nachdruck Amsterdam 1966], S. 263. 144 Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum. Zur Vorgeschichte und Genese frauenmystischer Texte des 13. und 14. Jahrhunderts, Tübingen 1988 (Hermaea N.F. 56), S. 153. 145 Philipp Strauch, Margaretha Ebner und Heinrich von Nördlingen, S. 387 zu Z. 81. 146 Vgl. Philippe Dollinger, Strasbourg et Colmar. Foyers de la mystique rhénane (XIII e -XIV e siècles), in: La mystique rhénane. Colloque de Strasbourg 16-19 mai 1961, Paris 1963 (Bibliothèque des Centres d’Études supérieur spécialisés), S. 3-13, hier S. 10. 147 J. Kindler von Knobloch, Das goldene Buch von Straßburg, Wien 1886, S. 192, weist für St. Marx drei Priorinnen aus der Familie Merswin nach: „Katharina 1361, Klara 1373,74, und Katharina 1390“. 148 Vgl. auch: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 259. Vgl. zu Katharina Merswin: Sigrid Schmitt, Geistliche Frauen und städtische Welt. Stiftsdamen - Klosterfrauen - Beginen und ihre Umwelt am Beispiel der Stadt Straßburg im Spätmittelalter (1250-1525), Habilitationsschrift [masch.] Mainz 2001, S. 157, 161. Auch weitere Frauen aus dem Hause Merswin hatten in den 60er bis 80er Jahren des 14. Jahrhunderts wichtige Positionen in St. Marx inne: vgl. ibid., S. 157-162. 149 Vgl. Johannes Janota, Straßburger Gottesfreunde, S. 129, sowie della Croces Vermutung, Heinrich von Nördlingen habe die Texte Merswins überarbeitet, in: Giovanna della Croce, Presentazione, in: Rulman Merswin, Il Libro Del Maestro [Meisterbuch]. Prima versione italiana integrale eseguita sull’originale tedesco del XIV secolo. Note e postfazione di Louise Gnädinger, presentazione di Giovanna della Croce, Milano 1999 (Spiritualità/ Maestri 29), S. 5-8, hier S. 5. 150 Vgl. die Argumentation Denifles ausführlich wiederholend: A. Chiquot, Histoire ou Légende...? ; Gottfried Fischer, Geschichte der Entdeckung der deutschen Mystiker, S. 82; Wilhelm Oehl, Deutsche Mystikerbriefe des Mittelalters 1100-1500, München 1931, S. 403; Anna Groh Seeholtz, Friends Figuren der Referenz: Einleitung 24 Ansatz keine textuelle Funktion, die der Kategorie des ‚Autors‘ eigen ist, vielmehr sind die Traktate und Exempla Hilfsmittel, um den in den Briefen vorgebrachten Ratschlägen zur Einrichtung der Institution mehr Gewicht zu verleihen. Der Gottesfreund bleibt ‚Erfüllungsgehilfe‘, die Texte Indizien eines Betrugs. Eine umfassendere, didaktisch-exemplarische Funktion kommt der Gottesfreundfigur hingegen in einem zweiten Zweig der Analysen zu, welche die Funktion der Autorfingierung nicht auf die lokalen Verhältnisse im ‚Grünen Wörth‘ begrenzt, sondern die Texte als moralische Unterweisungen ansieht, in denen der Gottesfreund als von Gott ausgezeichneter, mystisch begabter Mensch die Überzeugungsfähigkeit der vorgetragenen Lehren auf verschiedene Weisen verstärkt. Schweitzer unterscheidet in diesem Deutungszusammenhang zwei Funktionen des Gottesfreundes: Zum einen statte die Figur Merswin in dessen Texten mit einem Schreibanlaß aus und legitimiere so die Autorschaft des Stifters, zum anderen verbürge der Gottesfreund als Autor eigener Texte deren moralischen Nutzen: Ein weiterer Zweck des „Gottesfreundes“ ergibt sich dann, wenn Merswin über seine eigene Biographie hinaus zur Bekehrungsgeschichte anderer Menschen übergeht. Indem er nämlich diese erbaulichen Bekehrungsgeschichten dem „Gottesfreund“ in den Mund legt, verbürgt dieser zum einen ihre Wahrheit und sorgt zum anderen für ihre unfehlbare moralische Wirkung. 151 Sucht die institutionshistorische Interpretation der Gottesfreund-Mystifikation deren Funktion außerhalb und unabhängig von den in den Traktaten und Exempeln präsentierten Inhalten, d.h. a-literarisch, zu erklären, benutzt die didaktisch-exemplarische Lektüre die Figur des Gottesfreundes als Manifestation der spirituellen Lehre Merswins. Beide Lektüreverfahren beschränken den Wert der Texte somit auf eine Hinweisfunktion: Ihre Struktur und ihre Erzählverfahren mißachtend, sehen die Analysen ihren Aussagegehalt in moralischer Belehrung erschöpft, die entweder als ‚Tarnmantel‘ persönlicher Interessen oder als Ausdruck einer laikalen Frömmigkeitsbewegung gedeutet wird und somit Merswin als Betrüger oder Reformer ausweist. Die wenigen in den letzten Jahren veröffentlichten Beiträge zur ‚Gottesfreundliteratur‘ suchen die Frage nach dem Urheber der Mystifikation und die hieraus resultierenden Schwierigkeiten zu vermeiden, indem sie sich auf die Analyse spezifischer Fragestellungen oder einzelner Texte konzentrieren, um so einen unvoreingenommenen Blick auf die Texte zu erhalten. Die ‚Gottesfreundliteratur‘ war dabei für die Forschung unter zwei Fragestellungen von Interesse: Die konfessionelle Lesart des 19. Jahrhunderts aufgreifend, wurde zum einen kontrovers diskutiert, ob die Au- of God - Practical Mystics of the Fourteenth Century, New York 1934, S. 149; Rufus M. Jones, The Flowering of Mysticism. The Friends of God in the Fourteenth Century, New York 1939 [Unveränderter Nachdruck New York 1971], S. 111f.; Lothar Schreyer, Mystik im Elsaß. Mit einer Einleitung von Brian Keith-Smith, Lewiston 1992, S. 120. 151 Franz-Josef Schweitzer, Der Freiheitsbegriff der deutschen Mystik. Seine Beziehung zur Ketzerei der „Brüder und Schwestern vom freien Geist“, mit besonderer Rücksicht auf den pseudoeckartischen Traktat „Schwester Katrei“ (Edition), Frankfurt/ M. 1981 (Europäische Hochschulschriften 378), S. 176. Auto(r)biographie: Positionen der Forschung 25 torschaft von Laien als Ausweis einer spezifischen Laienfrömmigkeit zu bewerten sei, die auf eine „Laienherrschaft im Religiösen gegenüber einer Priesterschaft, die weder geistlich noch lebensmäßig mehr vorbildlich war“, 152 ziele. In der Tradition einer vorreformatorischen Interpretation des ‚Gottesfreundcorpus‘ erkennt Gorceix im Gottesfreund den Kristallisationskern einer spirituellen Laienbewegung, die die Gleichstellung von Laien und Klerikern fordert: Rulman Merswin articule [...] pour la première fois aussi explicitement, cette revendication du laïc en matière spirituelle, qui, en face de la décadence des Eglises, ne veut plus être l’idiot, au sens étymologique du terme, mais celui qui, au même titre que le clerc, plus encore que lui, est enseigné et dirigé par l’Esprit saint. 153 Demgegenüber sucht Steer nachzuweisen, daß Laien zwar großen Einfluß in der Verwaltung der Johanniterkomturei ausübten, das in den Texten inhärente spirituelle Programm aber „mit dem Laien [... schlicht gesagt] nichts vor habe“, 154 da sich keine der Schriften Merswins an Laien richte und auch keine spezielle Lebensform, „die dem Stand der Laien Rechnung“ trage, 155 für den ‚Grünen Wörth‘ vorgesehen gewesen sei: Von einer speziellen „Verherrlichung der Laienfrömmigkeit“ (Walter Muschg) mit gar antihierarchischer Tendenz kann im Schrifttum Merswins und des sog. ‚Gottesfreundes‘ nicht die Rede sein. Nicht eine spirituelle Lebensform der Laien, nicht eine „Mystik der Laien“ liegt Merswin am Herzen, sondern eine praktizierbare geistliche Lebensordnung für gottes friunde. 156 Die Lehre der ‚Gottesfreundschaft‘ jedoch habe Merswin von Tauler und Meister Eckhart übernommen, und es seien somit nicht die Laien, sondern die Religiosen, die das „christliche Vollkommenheitsleben nicht mehr an monastische Lebensformen“ bänden und hiermit eine „Aufwertung des Laien“ erreichten. 157 Die Schlußfolgerungen Steers ergeben sich aus einem engen Begriff der Laienfrömmigkeit: Bedingung einer „Mystik der Laien“ i.S. Steers ist eine originär laikale Autorschaft, der die Rezeption und Tradierung der von Klerikern entwickelten Idee der ‚Gottesfreundschaft‘ im Wege steht. Durch die Konzentration auf die Produktion tritt die Frage nach der Funktion der Texte in den Hintergrund, die für ihren Status in der Ausbildung eines genuin laikalen religiösen Bewußtseins jedoch von entscheidender Bedeutung gewesen wäre. 152 Alois M. Haas, Deutsche Mystik, in: Ingeborg Glier (Hg.), Die deutsche Literatur im späten Mittelalter. 1250-1370. Zweiter Teil: Reimpaargedichte, Drama, Prosa, München 1987 (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart, begründet von Helmut de Boor und Richard Newald, Bd. 3, 2), S. 234-305, bes. S. 299-303, hier S. 303. 153 Bernard Gorceix, Amis de Dieu en Allemagne, S. 259. 154 Georg Steer, Die Stellung des ‚Laien‘, S. 645. 155 Ibid., S. 646. 156 Ibid., S. 648. Steer bezieht sich hier auf Walter Muschg, Die Mystik in der Schweiz 1200-1500, Frauenfeld; Leipzig 1935, S. 371-381, der in der „tendenziöse[n] Verherrlichung der Laienfrömmigkeit“ das „Bezeichnendste an der Legende vom Gottesfreund“ erkennt (S. 380f.). 157 Georg Steer, Die Stellung des ‚Laien‘, S. 654, Anm. 1. Figuren der Referenz: Einleitung 26 Die zweite Fragestellung, unter der die Texte Rulman Merswins und des Gottesfreundes in der jüngeren Forschung in den Blick genommen wurden, war ihre spezifische strukturelle wie stilistische Ausprägung, die divergierende Deutungen erfuhr. Susan Clark und Julian Wasserman verstehen das ‚Neunfelsenbuch‘ unter völliger Mißachtung des Corpuszusammenhangs wiederholt als „apocalyptic parable“, 158 die sowohl auf inhaltlicher als auch auf formaler Ebene eine „doctrine of election“ predige, 159 d.h. die Prädestinationslehre einer elitären spirituellen Bewegung propagiere. 160 Während diese isolierte Betrachtung des ‚Neunfelsenbuches‘ allein ein unreflektiertes Vorverständnis der ‚Gottesfreundliteratur‘ als Selbststilisierung einer religiösen Sondergruppe zu bestätigen vermag, aber kaum das Verständnis der Textsammlung fördert, wählt Antje Rings das ‚Neunfelsenbuch‘ als Grundlage ihrer Studie über „Strukturen der Prosa religiöser Laien“, 161 um die in der älteren Forschung herausgestellten Eigentümlichkeiten von Merswins Stil einer Revision zu unterziehen, d.h. die „ermüdende Monotonie“ 162 und „Geschwätzigkeit“ 163 auf ihre Funktion zu befragen. Durch einen „punktuellen“ Vergleich 164 der kürzeren, seit Strauchs Untersuchung 165 als vorgängig interpretierten Fassung des ‚b ch von den nún veilsen‘ mit der Bearbeitung Rulman Merswins will Rings nachweisen, daß die scheinbaren stilistischen Unzulänglichkeiten als kommunikative Strategien des genus deliberativum zu bewerten sind: „Lere“ und „núzze“ sind die beiden Leitworte aus dem Prolog zu R. Merswins Neunfelsenbuch. Mit ihnen wird sehr deutlich gemacht, daß der Traktat in seiner Gesamtaussage dem genus deliberativum verpflichtet ist. Dieses Prinzip wird für R. Merswin Programm. Lehre bedeutet belehren. Und Belehrung ist das dringende Anliegen des R. Merswin. Die Inhalte, die vermittelt werden sollen, übernimmt er nahezu komplett aus seiner Vorlage. Interessant ist allein, auf welche Weise er die Lehre an seine Rezipienten vermittelt. R. Merswin bedient sich dazu konsequent der Prosa-Dialogform im Sinne eines Lehrgesprächs. Die Aufmerksamkeit seiner Rezipienten sichert er sich, indem er sie mit Hilfe von formelhaften Wendungen als hervorstechende Prosastrukturelemente gezielt anspricht und somit geschickt in seine Argumentationen hineinzieht. Durch das dynamische Prinzip der Wechselrede gewinnt R. Merswin sein Publikum, denn seine Prosa-Dialogform mit ihrem lebendigen Stil, wie die geschickt eingesetzten Anaphern und die dramatisch sich zuspitzenden Aufzählungen, spricht die Rezipienten direkt an. Dieser Prosastil läßt sie willig in die ihnen vorgeführten Denkprozesse einschwenken. Somit wandeln sich die von den Kritikern beanstandeten ermüdenden Monotonien und die so oft monierte 158 Susan L. Clark und Julian N. Wasserman, Purity and Das Neunfelsenbuch. The Presentation of God’s Judgment in two Fourteenth-Century Works, in: arcadia 18 (1983), S. 179-184, hier S. 181. 159 Susan L. Clark und Julian N. Wasserman, The soul as salmon: Merswin’s Neunfelsenbuch and the idea of parable, in: Colloquia Germanica 13 (1980), S. 47-56, hier S. 55. 160 Ibid., S. 53, sowie Susan L. Clark und Julian Wasserman, Purity and Das Neunfelsenbuch, S. 181. 161 Antje Rings, Strukturen der Prosa religiöser Laien. Beobachtungen an Rulman Merswins Neunfelsenbuch, in: Franz Simmler (Hg.), Textsorten deutscher Prosa vom 12./ 13. bis 18. Jahrhundert und ihre Merkmale. Akten zum Internationalen Kongress in Berlin 20. bis 22. September 1999, Berlin [usw.] 2002 (Jahrbuch für Internationale Germanistik Reihe A, Kongressberichte 67), S. 139-147. 162 Wilhelm Preger, Geschichte der deutschen Mystik im Mittelalter, S. 267. 163 Philipp Strauch, Rulman Merswin und die Gottesfreunde, S. 207. 164 Antje Rings, Strukturen der Prosa religiöser Laien, S. 143. 165 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage. I. Das Neunfelsenbuch, in: ZfdPh 34 (1902), S. 235-311. Auto(r)biographie: Positionen der Forschung 27 vorgebliche Geschwätzigkeit R. Merswins in eine Formqualität seiner Prosadiktion, die von der funktionalen Kommunikationssituation der Belehrung bestimmt ist. 166 Die Untersuchung der textuellen Strukturen mündet so in die Verfahren der biographischen Lektüre: Da die Bedeutung der Texte in Merswins „missionarischem Eifer“ erkannt wird, 167 gilt es, die konstatierte Intention auch auf der Ausdrucksebene nachzuweisen. Die stilistische Analyse dient dabei der Aufwertung des ‚Autors‘ Merswin, dessen Ziel zwar nicht Innovation, doch Rhetorisierung zur Didaktisierung sei. Der hier praktizierte, unvoreingenommene Blick auf den ‚Wert‘ der Texte bietet durch zahlreiche, aus der Forschung schlicht übernommene Prämissen neben der Rehabilitierung des ‚Autors‘ kaum einen interpretatorischen Zugewinn. Weder wird das Verhältnis des ‚b ch von den nún veilsen‘ zu der angeblich primären, kürzeren Fassung auf der Grundlage handschriftlich überlieferter und nicht editorisch rekonstruierter Texte untersucht, noch werden die Arbeitstechniken Merswins im Umgang mit seinen Vorlagen eigenständig charakterisiert. Ziel ist ausschließlich die literarische Aufwertung der Texte, eine neue Einordnung des Autors in den Kanon. Demgegenüber sucht die jüngste literaturwissenschaftliche Interpretation eine Charakterisierung des Gesamtcorpus in Abgrenzung von vergleichbarer mystischer Literatur. Anhand einer Untersuchung des ‚b ch von zweyen heiligen closter frowen in peyerlant‘ und des ‚b ch von den fúnf mannen‘ erkennt Wand-Wittkowski eine „Mystik der Distanz“, die einmal durch das Fehlen eines „emotionale[n] Sprachstil[s] und phantasieanregende[r] Bildlichkeit“, 168 das andere Mal durch die humoristische Darstellung einer der Nebenfiguren, des Knechts Ruprecht, erreicht werde: Im Fünfmannenbuch und in der Geschichte über Margarete und Katharina läßt die Struktur des Erzählens somit deutlich eine nüchterne Einstellung zum Gnadengeschehen erkennen: Bildarmut, Außenperspektive, Einführung distanzierender Figuren, Normalität der Gnaden. Im Gegensatz zum emotionalen Überschwang vergleichbarer mystischer Literatur vermitteln diese Texte eine eher verhaltene mystische Begeisterung und dürfen in einem Klima religiöser Euphorie als Plädoyer für Besonnenheit verstanden werden. 169 Ein Vergleich mit anderen Texten des Corpus zeige jedoch „keine einheitliche Tendenz distanzierenden Erzählens“, 170 es seien auch agitatorische Elemente zu erkennen. 171 Durch die genaue Betrachtung des Erzählvorgangs gelingt es Wand- Wittkowski, Besonderheiten einzelner Texte herauszuarbeiten und die Vielfalt des Corpus gegenüber einseitigen Charakterisierungen aufzufächern, die Funktion der beobachteten Textelemente bleibt aber aus der Analyse ausgeschlossen. 166 Antje Rings, Strukturen der Prosa religiöser Laien, S. 145f. 167 Ibid., S. 142. 168 Christine Wand-Wittkowski, Mystik und Distanz. Zu religiösen Erzählungen Rulman Merswins, in: Mediaevistik 13 (2000), S. 117-134, hier S. 122. 169 Ibid., S. 130. 170 Ibid., S. 133. 171 Vgl. Ulla Williams, Merswin, Rulman, S. 125. Figuren der Referenz: Einleitung 28 Die auf einzelne Texte beschränkten Analysen nutzen somit die eröffnete Möglichkeit einer neuen Sicht auf die ‚Gottesfreundliteratur‘ nur bedingt, da sie jener (der kontextfreien Methode inhärenten) Gefahr erliegen, die charakteristische Eigenart des Überlieferungskomplexes nicht zu erfassen. So gelingt es den Analysen durchaus, Teilaspekte des Corpus zu beleuchten, die gewonnenen Erkenntnisse helfen jedoch nicht, die bisher zu konstatierende Undurchsichtigkeit der Schriften grundsätzlich aufzuheben. Trotz der erzielten grundlegenden Neubewertung des historischen Aussagewerts der Textsammlung und der damit verbundenen, durchaus unterschiedlich akzentuierten Korrekturen in der Gesamtinterpretation des Corpus prägt die Forschungsgeschichte der ‚Gottesfreundliteratur‘ eine durchgehend autorzentrierte Perspektive. 172 Geleitet von dieser biographischen Disposition, führen die substantiellen Erkenntnisfortschritte, welche die Besonderheit des Straßburger Überlieferungskomplexes zum ersten Mal aufzeigten, die referierten Untersuchungen nicht zu einer methodischen Reflexion über vormoderne Paradigmen von Autorschaft und Textherrschaft, sondern ließen sie in kriminalistischen wie psychologischen ‚Fallgeschichten‘ 173 münden, welche die Textsammlung als „literarische Fälschung“, 174 d.h. als Corpus mit contrafaktischen paratextuellen Zuschreibungen 175 und das meint zugleich mit einem irreführenden Anspruch auf authentisches ‚Erleben‘, dekuvrieren. Obwohl eine solche Inkriminierung durch die Dramaturgie des Verdachts und der Enthüllung durchaus spannende Untersuchungen hervorbringt, kann sie weder die literarische Qualität noch die Funktion der ‚Gottesfreundliteratur‘ adäquat erfassen, weil sie die Frage nach Genese und Geltungsanspruch der Texte auf die subjektiven, fehlgeleiteten Motive des Urhebers der ‚Fälschung‘ beschränken muß. 176 172 Es entbehrt nicht der Ironie, daß gerade Michel Foucault, der im kollektiven Gedächtnis als ‚Bilderstürmer‘ der Autorkategorie verankert ist, die Fingiertheit der ‚Gottesfreund‘-Figur nicht erkannte. In einer 1978 am Collège de France gehaltenen Vorlesung mit dem Titel ‚Sicherheit, Territorium, Bevölkerung‘ wählt Foucault die „Gottesfreunde aus dem Oberland“ als Beispiel einer Form des „Gegen- Verhaltens“ gegen die im Mittelalter bestimmende Form der „Gouvernementalität“, den „Dimorphismus zwischen Klerikern-Laien“ (Michel Foucault, Geschichte der Gouvernementalität I: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung. Vorlesung am Collège de France 1977-1978, hg. von Michel Sennelart, Frankfurt/ M. 2004, S. 306). Aus einer dem Vorlesungstext von Michel Sennelart beigegebenen Anmerkung geht hervor, daß Foucault „die beiden Personen [Merswin und den Gottesfreund] nicht deutlich [unterscheidet]“ (ibid., S. 329) und somit die zentrale Problematik des Corpus verfehlt. 173 Anne-Kathrin Reulecke, Fälschungen - Zu Autorschaft und Beweis in Wissenschaften und Künsten. Eine Einleitung, in: dies. (Hg.), Fälschungen. Zu Autorschaft und Beweis in Wissenschaften und Künsten, Frankfurt/ M. 2006 (stw 1781), S. 7-43, hier S. 27. 174 Klaus Weimar, Fälschung, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft Bd. 1 (1997), S. 562- 564, hier S. 562. 175 Vgl. zur Definition von ‚Fälschungen‘ im Zusammenhang mit Texten: Anne-Kathrin Reulecke, Fälschungen, S. 21f., bes. S. 22, Anm. 42; Umberto Eco, Nachahmung und Fälschung, in: ders., Die Grenzen der Interpretation, München 1992, S. 217-255. 176 Auch die von Fuhrmann initiierte und in einem sechs Bände starken Symposionsbericht kumulierende Forschung zum mittelalterlichen Verständnis von ‚Fälschungen‘, die aus der Tatsache, daß die „Welt des Spätmittelalters voll von Fälschungen [ist]“, auf ein von der Moderne differentes Bewertungsschema für Fälschungen schließt, nivelliert die singulären Charakteristika des Corpus, indem sie die Texte nur in eine Tradition der „Fälschungen im Gewande der Frömmigkeit“ einreihen kann (František Graus, Fälschungen im Gewand der Frömmigkeit, in: Fälschungen im Mittelalter. Internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica, München 16.-19. September 1986, 6 Bde, 1.2 Textgeschichte(n): Ziele und Methoden der Studie Die Skizze der Forschungslage im vorangehenden Abschnitt hat verdeutlicht, daß die von den Texten suggerierte, bisher vornehmlich praktizierte Konzentration der Untersuchungen auf die Identität des Gottesfreundes bzw. seines ‚betrügerischen‘ Erfinders zentrale Aspekte des auf dem ‚Grünen Wörth‘ überlieferten Textcorpus nicht zu erklären vermag. Fragestellung, Vorgehen und Methode der Arbeit zielen daher dezidiert nicht auf einen weiteren Beitrag zur Identität des Autors der Textsammlung oder auf eine Aufklärung seiner persönlichen - ökonomischen, spirituellen oder sozialen - Interessen, sondern wollen grundlegender danach fragen, inwiefern die Kategorie der ‚Fälschung‘ dem zeitgenössischen Verständnis und der Funktion des Textcorpus entspricht, d.h., welches Konzept von Autorschaft, Original und Authentizität für die ‚Gottesfreundliteratur‘ konstitutiv ist. Als Schlüssel zu diesen materiell-medialen, diskursiven und epistemischen Grundlagen der Schreibpraxen des ‚Grünen Wörth‘ dient die Überlieferung der Texte - die sie konstituierende Einbindung in die Handschriften der Johanniterkomturei, die text- und quellenkritische Rekonstruktion ihrer Genese sowie ihre Adaptation für weitere Gebrauchszusammenhänge -, weil diese sowohl einen von der Kategorie des Autors unabhängigen Einblick in das Verständnis von Textualität und Originalität als auch eine Rekonstruktion des literarischen wie institutionsgeschichtlichen Entstehungskontextes ermöglicht und so die zeitgenössische Interpretation der ‚Gottesfreundliteratur‘ und ihres Protagonisten, des Gottesfreundes, einsichtig macht. Aufgrund dieses neuen, von der bisherigen Forschung abweichenden Blickwinkels kann die folgende Arbeit in weiten Teilen nur die Grundlage für eine intensivere literaturwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Corpus sein und beschränkt sich auf drei Fragestellungen: 177 Die Studie wird durch eine Erfassung der „textexternen“ Überlieferungsgeschichte 178 eröffnet, d.h. durch eine detaillierte Beschreibung aller Überlieferungsträger 179 i.S. einer „Erforschung ihrer Entstehung, ihrer Schreiber, ih- Hannover 1988 [Schriften der Monumenta Germaniae Historica 33], Teil V: Fingierte Briefe; Frömmigkeit und Fälschung; Realienfälschung, S. 261-282). Brown wirft Teilen der Fälschungsforschung zu Recht eine Simplifizierung vor, die am differenzierten mittelalterlichen Diskurs zum Thema ‚Fälschung‘ abgelesen werden könne: Elizabeth A. R. Brown: Falsitas pia sive reprehensibilis. Medieval Forgers and Their Intentions, in: Fälschungen im Mittelalter: Internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica, München 16.-19. September 1986, 6 Bde, Hannover 1988 (Schriften der Monumenta Germaniae Historica 33), Teil I: Kongreßdaten und Festvorträge; Literatur und Fälschung, S. 101-119. 177 Die im folgenden gegebene Skizze der Arbeit führt nur grundlegend in ihre Fragestellung und ihren Aufbau ein; die Aufarbeitung von Forschungskontroversen, detaillierte Methodenreflexionen sowie ausführliche Legitimationen der einzelnen Arbeitsschritte erfolgen in den Einleitungen zu den drei Untersuchungsteilen. 178 Georg Steer, Gebrauchsfunktionale Text- und Überlieferungsanalyse, in: Kurt Ruh (Hg.), Überlieferungsgeschichtliche Prosaforschung. Beiträge der Würzburger Forschergruppe zur Methode und Auswertung, Tübingen 1985 (TTG 19), S. 5-36, hier S. 35. 179 Von der Analyse der Überlieferung ausgeschlossen bleibt das ‚Leben Jesu‘, da die von Linder versuchte Zuschreibung an Rulman Merswin unsicher ist (Rulman Merswins ‚Leben Jesu‘. Untersuchung und kritische Ausgabe des Textes auf Grund einer neugefundenen Handschrift, Diss. [masch.] Heidelberg 1960). Die Dissertation nimmt ihren Ausgang vom 1746 von Johannes Witter erstellten Kata- Figuren der Referenz: Einleitung 30 rer Leser, ihrer literarhistorischen Umgebung“. 180 Diese Beschreibungen sollen dabei vom autorzentrierten Eindruck der Editionen wegführen und einen ersten Anhaltspunkt für den ‚Sitz im Leben‘ 181 der Manuskripte geben. Das Ziel der eingehenden Beschäftigung mit den materialen Grundlagen des Textcorpus ist dabei nach dem Entstehungsort der Handschriften differenziert: Die Analyse der Einrichtung, des textuellen Programms sowie der Entstehungsgeschichte der Codices, die in der Manuskriptwerkstatt des ‚Grünen Wörth‘ entstanden (Kapitel 2.2), will die ‚Gottesfreundliteratur‘ als ‚Hausliteratur‘ der Straßburger Johanniterkomturei profilieren, d.h. die Situiertheit der Texte in den administrativen, legitimatorischen und memorialen Zusammenhängen der Komturei aufzeigen. Der enge Bezug zwischen den Handschriften der Johanniter und der spezifischen Organisationsform der Kommu- log der Straßburger Johanniterbibliothek, in dem unter den Werken Merswins folgende Schrift aufgelistet wird: Ein Buch, welches seit von unsers Herren Christus Liden, das er hat gelitten in der Zit und von seiner Herschaft die er hat in der Ewikeit. M.4 (Johannes Jacob Witter, Catalogus Codicum Manuscriptorum, in Bibliotheca Sacri Ordinis Hierosolymitani Argentorati Asservatorum, Argentorati 1746, S. 56). Für die Gleichsetzung dieser Schrift mit dem in Handschrift 101 der Privatsammlung Eis (Heidelberg) tradierten Text gibt Linder im wesentlichen drei Argumente: Auffallend seien erstens die Übereinstimmungen zwischen der von Witter gegebenen Überschrift und zahlreichen in der Handschrift vorgenommenen Rubrizierungen, in denen die im ‚Titel‘ aufgerufene Dichotomie zwischen Weltzeit und Heilszeit in der leitmotivischen Gegenüberstellung des in der zit Geschehenen und dessen Bedeutung in ewikeit wiederkehre (Waltraut Linder, Rulman Merswins ‚Leben Jesu‘, S. 36). Da die von Linder detailliert aufgelisteten Parallelen folglich auf der allegorischen Grundstruktur des Textes beruhen, beweisen sie nicht zwingend eine Textidentität. Stichhaltiger erscheint demgegenüber auf den ersten Blick das zweite vorgebrachte Argument: „Ganze zusammenhängende Abschnitte“ des ‚Leben Jesu‘ kehrten „innerhalb anderer Bücher Merswins“ wieder (ibid., S. 47). Der Nachweis textueller Parallelen hat jedoch nur begrenzte Aussagekraft, da beide als Beispiel angeführten Texte - das ‚b ch von den drien durch brúchen‘ und die ‚Siben werg der erbermede‘ - auf Vorlagen beruhen (‚Von den drîn fragen‘, Matthäusevangelium), die minutiös aufgeführten Übereinstimmungen somit nicht allein durch einen gemeinsamen Autor, sondern auch durch das produktive Verfahren der Retextualisierung, d.h. die Gründung auf gemeinsame Quellen, erklärt werden können. Ähnlich problematisch ist auch der dritte, aufgrund der Breite der Darstellung wohl gewichtigste ‚Beweis‘ der Autorschaft Rulman Merswins: die einheitliche Metaphorik der Texte. Obwohl sich Linder bis in den Gang ihrer Argumentation an der Arbeit Dehnhardts orientiert (Ernst Dehnhardt, Die Metaphorik der Mystiker Meister Eckhart und Tauler in den Schriften des Rulman Merswin, Diss. Marburg 1940), der für zwölf bildspendende Bereiche nachweisen konnte, daß Merswin in mystischen Schriften übliche Metaphern aufgreift und nur wenig Eigenständiges hinzusetzt, erkennt sie auch hier nicht die zweifelhafte Prämisse ihres Vorgehens: Die Methode des Textvergleichs, die auf der Vorstellung der Werkkohärenz beruht, ist für ein Corpus ungeeignet, dessen Originalität in Frage steht. Da die von Linder untersuchte Handschrift zudem nicht im Straßburger Raum anzusiedeln ist, bleibt die Zuweisung an Merswin so lange unsicher, bis eine eigenständige Untersuchung die weitere Überlieferung des Textes sichtet (u.a. Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. III.1.4° 34; Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 1585; Einsiedeln, Stiftsbibliothek, Cod. 278; St. Gallen, Benediktinerabtei, Bibliothek, Cod. 986 und 1015; München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 214, 628, 841, 4880; Salzburg, Universitätsbibliothek, M I 476; Würzburg, Universitätsbibliothek, M. ch. f. 66). 180 Georg Steer, Stand der Methodenreflexion im Bereich der altgermanistischen Editionen, in: Ludwig Hödl und Dieter Wuttke (Hgg.), probleme der edition mittel- und neulateinischer texte. Kolloquium der DFG. Bonn 26.-28. Februar 1973, Boppard 1978, S. 117-129, hier S. 122. 181 Der Begriff ‚Sitz im Leben‘ umschließt hier nicht - wie ursprünglich im Rahmen der Analysen des Alten Testaments - allein pragmatische Faktoren der Textproduktion, sondern den gesamten Kontext der Texte (vgl. Konrad Ehlich, Der ‚Sitz im Leben‘ - eine Ortsbestimmung, in: Martin Huber und Gerhard Lauer [Hgg.], Nach der Sozialgeschichte. Konzepte für eine Literaturwissenschaft zwischen Historischer Anthropologie, Kulturgeschichte und Medientheorie, Tübingen 2000, S. 535- 549). Textgeschichte(n): Ziele und Methoden der Studie 31 nität hilft dabei zugleich, die „einmalige Ausformung[ ]“ 182 der Texte in den einzelnen Codices des ‚Grünen Wörth‘ nicht als Wegweiser zu den Fälschungspraktiken der Schreibstube zu nutzen, sondern die Einzelhandschrift und ihr Programm als Konstituens der Texte zu verstehen: Die ‚Gottesfreundliteratur‘ ist keine Sammlung autonom fixierter Einzeltexte, sondern ein Corpus, in dem die Texte allein in nach Zielgruppen differenzierten Codices existieren, die durch ihre Integration in sinnlichmemoriale, spirituell-semiotische und repräsentative Praxisdimensionen die differente Gestaltung der Texte bestimmen. Der Überblick über jene Textzeugen, deren Provenienz nicht auf dem ‚Grünen Wörth‘ liegt (Kapitel 2.3), verfolgt demgegenüber ein ausschließlich rezeptionsgeschichtliches Interesse: Neben dem Nachweis, daß keiner der Texte des Corpus - entgegen Rieders Vermutung - vor der Aufzeichnung in der Kommende tradiert ist, die Überlieferung somit von hier ihren Ausgang nahm, erlaubt die Analyse des Textverbundes, d.h. der diskursiven und genrespezifischen Einordnung der ‚Gottesfreundliteratur‘, sowie des aus Einrichtung und Ausstattung der Codices extrapolierten, neuen Gebrauchszusammenhangs 183 Rückschlüsse auf das zeitgenössische Verständnis der ‚Gottesfreundliteratur‘ und die Lektürepraxen, die ihre Rezeption außerhalb des Stiftungszusammenhangs steuerten und motivierten (Kapitel 2.3.5). Auf der Grundlage dieser ersten Charakterisierung der Überlieferung soll eine textkritische Untersuchung die in den Codices selbst beschriebene Überlieferungsgeschichte überprüfen, d.h. Prinzipien und Verfahren der Textkopie und -tradierung analysieren, um zugleich die bislang einzige und somit maßgebliche Charakterisierung des Überlieferungskomplexes als „Fälschung“ einer eingehenden Revision zu unterziehen. In seiner kodikologisch-textkritischen Pionierstudie beschreibt Rieder die Prinzipien der Textgenese als gebrauchsfunktionale Integration anonym überlieferter Traktate in die Institution der Johanniterkomturei: Als Nikolaus von Löwen die beiden ersten Memorialbücher [...] anlegte, waren ihm die darin gesammelten Traktate bekannt in der Form anonymer, auf Pergament geschriebener Traktate, von denen jeder für sich besonders gebunden war [...]. Parallel mit diesen Vorgängen [der Trennung des ‚Ersten lateinischen Memorials‘ in zwei separate Handschriften] sucht er die anonymen, mystisch-aszetischen Traktate in wirkliche Erlebnisse umzudeuten und ihnen eine Beziehung zu dem Stifter des Johanniterhauses, Rulmann Merswin, zu geben, der nachweisbar weder irgend einen der Traktate verfaßt, noch kompiliert oder auf Wachstafeln geschrieben hat. Diese Versuche sind anfänglich unklar und unsicher, ja vielfach widerspruchsvoll, läutern sich aber von Stufe zu Stufe, wie wir es an der Hand der verschiedenen, zeitlich getrennten Teile der Urkundenbücher verfolgen können. 184 Da die Textgeschichte des Corpus auf dem ‚Grünen Wörth‘ folglich durch Verfahren der Bearbeitung, Umdeutung und Textaneignung geprägt zu sein scheint, ist der 3. Untersuchungsteil den Methoden der „überlieferungsgeschichtlichen Prosafor- 182 Georg Steer, Stand der Methodenreflexion, S. 122. 183 Vgl. Ursula Schulze, Gebrauchszusammenhang, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft Bd. 1 (1997), S. 666f. 184 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 120. Figuren der Referenz: Einleitung 32 schung“ 185 verpflichtet, obwohl die ‚Gottesfreundliteratur‘ nur in Teilaspekten den Charakteristika spätmittelalterlicher Gebrauchsprosa entspricht: Um „Rezeptionsprozesse, Bedingungen und Wandel literarischer Texte des Spätmittelalters“ 186 erforschen zu können, mußte die von 1973 bis 1982 bestehende Würzburger Forschergruppe Methoden der Textkritik und Edition entwickeln, welche die „Natur“ 187 der Werke adäquat erfassen konnten. Die reiche Überlieferung und Verbreitung in unterschiedlichen Gebrauchszusammenhängen, die zu einer ständigen Aktualisierung und Anpassung der Texte an unterschiedliche Bedürfnisse führte, erforderte eine textkritische Analyseform, die diese Dynamik nicht in der Rekonstruktion eines „authentische[n] Text[es]“ 188 nivelliert, sondern die Textgeschichte, d.h. die „Gebrauchsformen und -situationen, in denen die Texte ‚lebten‘“, 189 rekonstruiert und real überlieferte Textformen zugänglich macht. Obwohl die Überlieferungssituation der untersuchten Textcorpora somit charakteristisch voneinander abweicht - die Überlieferungsgeschichte analysiert unübersichtliche, „offene[ ] Überlieferungsform[en] [... mit] zahlreichen Textmutationen“, 190 die Tradierung der ‚Gottesfreundliteratur‘ ist als ‚Hausliteratur‘ auf den ‚Grünen Wörth‘ konzentriert -, stimmt die Intention der textkritischen Analyse des 3. Untersuchungsteils mit dem Leitbild der überlieferungsgeschichtlichen oder - wie Steer in der Programmschrift 1985 präzisiert - textgeschichtlichen Methode 191 überein: Da nur die Dokumentation der Textgeschichte, d.h. eine detaillierte Charakterisierung der einzelnen Textversionen der ‚Gottesfreundliteratur‘, erweisen kann, inwiefern die Variabilität der textuellen Überlieferung als Beweis einer allmählichen Umdeutung anonymer Texte zu (auto)biographischen Stifterviten und somit als Beweis der Fälschung interpretiert werden darf, wird die Untersuchung der Genese und Überlieferung der Texte die Methoden und das begriffliche Instrumentarium des textgeschichtlichen Verfahrens (Kapitel 3.1) übernehmen. Primäres Interesse des 3. Kapitels ist es daher, die unterschiedlichen Textausprägungen zu identifizieren und sie ihren spezifischen Gebrauchsformen zuzuordnen, um die Vorstellung einer einsinnigen Textgeschichte zu hinterfragen. Obwohl für die textkritische Rekonstruktion des Handschriftengebrauchs und 185 Grundlegend: Klaus Grubmüller, Peter Johanek, Konrad Kunze, Klaus Matzel, Kurt Ruh und Georg Steer, Spätmittelalterliche Prosaforschung. DFG-Forschergruppe-Programm am Seminar für deutsche Philologie der Universität Würzburg, in: Jahrbuch für Internationale Germanistik 5 (1973), S. 156-176; sowie die zusammenfassende Würdigung durch Werner Williams-Krapp, Die überlieferungsgeschichtliche Methode. Rückblick und Ausblick, in: IASL 25 (2000), S. 1-21. 186 Klaus Grubmüller et al., Spätmittelalterliche Prosaforschung, S. 159. 187 Klaus Kirchert, Text und Textgeschichte. Zu überlieferungsgeschichtlichen Editionen spätmittelalterlicher Gebrauchsprosa, in: Georg Stötzel (Hg.), Germanistik - Forschungsstand und Perspektiven. Vorträge des Deutschen Germanistentages 1984. 2. Teil: Ältere Deutsche Literatur. Neuere Deutsche Literatur, Berlin; New York 1985, S. 51-71, hier S. 53. 188 Klaus Grubmüller et al., Spätmittelalterliche Prosaforschung, S. 160. 189 Rüdiger Schnell, Was ist neu an der ‚New Philology‘? Zum Diskussionsstand in der germanistischen Mediävistik, in: editio 8 (1997), S. 61-95, hier S. 68. 190 Kurt Ruh, Votum für eine überlieferungskritische Editionspraxis, in: Ludwig Hödl und Dieter Wuttke (Hgg.), probleme der edition mittel- und neulateinischer texte. Kolloquium der DFG. Bonn 26.- 28. Februar 1973, Boppard 1978, S. 35-40, hier S. 35. 191 Georg Steer, Textgeschichtliche Edition, in: Kurt Ruh (Hg.), Überlieferungsgeschichtliche Prosaforschung. Beiträge der Würzburger Forschergruppe zur Methode und Auswertung, Tübingen 1985 (TTG 19), S. 37-52, hier S. 38. Textgeschichte(n): Ziele und Methoden der Studie 33 der Tradierungsverfahren alle Texte, die mehrfach auf dem ‚Grünen Wörth‘ und z.T. auch außerhalb der Johanniterkomturei überliefert sind, vollständig kollationiert und miteinander verglichen wurden, 192 stehen im 3. Teil die ‚Gründungsgeschichte‘ (Kapitel 3.2) und die ‚Viten‘ der beiden Stifter (Kapitel 3.3 und 3.4) im Mittelpunkt, da sie ihren Ursprung auf dem ‚Grünen Wörth‘ haben und als historischer wie spiritueller Nukleus der ‚Gottesfreundliteratur‘ einen paradigmatischen Zugang zur Textpraxis der Manuskriptwerkstatt versprechen. Gedanklicher Zielpunkt der Ermittlung und Systematisierung der Unterschiede zwischen den Textzeugen ist die Frage, inwiefern die Schriftpraxen des ‚Grünen Wörth‘ durch ein philologisches, auf Textidentität zielendes Kopierverfahren geprägt sind, da nur im Rahmen des Paradigmas der Textstabilität Varianz als Indiz einer Fälschung und nicht als gebrauchsfunktionale Adaptation eines Textes charakterisiert werden kann. Die textkritische Untersuchung soll so in eine Analyse des spezifischen Textverständnisses der ‚Gottesfreundliteratur‘ münden (Kapitel 3.5). Vor dem Hintergrund der - in Auseinandersetzung mit der ‚Material Philology‘ z.T. vehement geführten - Debatte 193 um ein vormodernes Textverständnis soll nach dem der Überlieferung inhärenten Status von Textualität, ‚Original‘ und ‚Kopie‘ gefragt und sollen Instanzen der Autorisation des Textes ermittelt werden, um korpusimmanente Maßstäbe zur Bewertung des Vorwurfs der ‚Fälschung‘ zu erhalten. Während die ‚Material Philology‘ in ihren überlieferungskritischen Positionen 194 die vormoderne Schriftkultur durch variance konstituiert sieht, 195 d.h. ‚offene‘ Texte nicht als gattungsspezifische Besonderheiten, sondern als Charakteristikum vormodernen Textverständnisses begreift und die anachronistische Idee des ‚Textes‘ 196 durch die Materialität des Codexes ersetzen will, 197 sind weder die im 3. Untersuchungsteil erlangten Ergebnisse der Textkritik noch die eingehende, corpusinterne Kommentierung der textuellen 192 Das ‚b ch von dem meister‘ wurde - trotz seiner Überlieferung im ‚Großen deutschen Memorial‘ (A, Bl. 229 r -262 v ) - aus der Analyse ausgeschlossen, da Markus Baumann die gesamte Überlieferung des ‚Meisterbuchs‘ in seiner Eichstätter Dissertation untersucht. Ihre Ergebnisse werden in Kapitel 4.3 referiert. 193 Vgl. für einen Überblick über die Auseinandersetzung zwischen ‚alter‘ und ‚neuer‘ Philologie: Freimut Löser, Postmodernes Mittelalter? ‚New Philology‘ und ‚Überlieferungsgeschichte‘, in: Arthur Groos und Hans-Jochen Schiewer (Hgg.), Kulturen des Manuskriptzeitalters. Ergebnisse der Amerikanisch- Deutschen Arbeitstagung an der Georg-August-Universität Göttingen vom 17. bis 20. Oktober 2002, Göttingen 2004 (Transatlantische Studien zu Mittelalter und Früher Neuzeit 1), S. 215-236; zur sachlichen Gegenüberstellung: Freimut Löser, Überlieferungsgeschichte und ‚New Philology‘. Methodische Varianten in der Altgermanistik, Habil. [masch.] Würzburg 2000 (erscheint in der Reihe: Imagines Medii Aevi. Interdisziplinäre Beiträge zur Mittelalterforschung). 194 Zur Differenzierung der textkritischen und literaturtheoretischen Anliegen innerhalb der ‚Material Philology‘ vgl. Stephen G. Nichols, Introduction: Philology in a Manuscript Culture, in: Speculum 65 (1990; Sonderheft: Stephen G. Nichols [Hg.], The New Philology), S. 1-10, hier S. 1; Peter Strohschneider, Situationen des Textes. Okkasionelle Bemerkungen zur ‚New Philology‘, in: ZfdPh 116 (1997; Sonderheft: Helmut Tervooren und Horst Wenzel [Hgg.], Philologie als Textwissenschaft. Alte und neue Horizonte), S. 62-86. 195 Bernard Cerquiglini, Éloge de la variante. Histoire critique de la philologie, Paris 1989, S. 111. 196 Gerald L. Burns, The Originality of Texts in a Manuscript Culture, in: Comparative Literature 32 (1980), S. 113-129, hier S. 127. 197 Stephen G. Nichols, Why Material Philology? Some Thoughts, in: ZfdPh (Sonderheft: Helmut Tervooren und Horst Wenzel [Hgg.], Philologie als Textwissenschaft. Alte und neue Horizonte), S. 10- 30, hier S. 10f. Figuren der Referenz: Einleitung 34 Entfaltung und Tradierung der ‚Gottesfreundliteratur‘ unter einem homogenen, vormodernen Textkonzept zu subsumieren. Vielmehr läßt - so kann hier vorweggenommen werden - die gleichzeitige Applikation von Verfahren der Textproduktion, die im Sinne des ‚Wiedergebrauchs‘ Varianz erzeugen, und Formen der Textvervielfältigung, die auf Textstabilität bestehen, auf Interferenzen zwischen einem offenen und einem auf Zeichenidentität insistierenden Textkonzept schließen. Da jedoch gerade jenen Kopierpraxen, die auf einen autorisierten, invariablen ‚Standardtext‘ zielen, eine Textfixierung ohne den Rückgriff auf die Kategorie des ‚Autors‘ gelingt, während die ‚Autographen‘ der beiden Stifter ihre Dignität nicht als auktoriale ‚Originale‘, sondern durch ihre Materialität erreichen, wird deutlich, daß der Status und die Geltung von Texten auf dem ‚Grünen Wörth‘ nicht durch die philologische Norm eines textkonstituierenden ‚Originals‘ bestimmt wird. Der 3. Untersuchungsteil schließt daher mit einer historischen Differenzierung des Textbegriffs, welche die Poetik der Texte jenseits der Faktographie verortet und eine Auseinandersetzung mit dem Corpus unter dem Leitbild der Referenz in Frage stellt. Weist die textkritische Analyse des 3. Kapitels der Studie einen von modernen Formen der Schriftpraxis kategorial abweichenden Textgebrauch nach und kann das Konzept der Autorisation und des authentischen, den Willen des Urhebers verbürgenden Autortextes als für die Textproduktion der Johanniterkomturei nicht zutreffend ablehnen, soll im 4. Teil die hierin implizierte Relativierung des Authentizitätsanspruchs auf die textuelle Behauptung des ‚Erlebens‘ übertragen werden. Hierfür ist eine Ausweitung des Textbegriffs gegenüber den üblichen Verfahren der überlieferungsbzw. textgeschichtlichen Forschung notwendig: Während diese ihren Ausgangspunkt stets in einer konkreten Textform sucht, ohne die Texte auf ihnen vorgängige Motive, Themenkomplexe oder einzelne Textpassagen zu analysieren, und somit einen zwar ‚offenen‘, jedoch auf Textkohärenz basierenden Textbegriff zur Grundlage hat, ist das Verständnis der ‚Gottesfreundliteratur‘ und der ihr zugrundeliegenden Poetizität maßgeblich durch die Frage der Originärität der Texte auf dem ‚Grünen Wörth‘ bestimmt. Daher setzt die Analyse des 4. Untersuchungsteils bei der Identifizierung der Vorlagen für das Textcorpus an (Kapitel 4.1), um in einem eingehenden Vergleich beispielhafter Texte des Corpus mit ihren Prätexten die der Textproduktion zugrundeliegenden Verfahren der Retextualisierung 198 zu ermitteln (Kapitel 4.2.1; 4.3; 4.4.1). Dabei wird untersucht, ob die für hagiographische Textgattungen charakteristische Umschreibepraxis 199 auf die i.w.S. mystische Textproduktion übertragen werden kann. Durch diese Rekonstruktion der Arten des Wiederge- 198 Der „generelle und neutrale Begriff der Retextualisierung, der die verschiedensten Ebenen und Aspekte vormoderner ‚Arbeit am Text‘ als Interaktion von Prä- und Re-Text faßt“ (Joachim Bumke und Ursula Peters, Einleitung, in: ZfdPh 124 [2005; Sonderheft: Joachim Bumke und Ursula Peters [Hgg.], Retextualisierung in der mittelalterlichen Literatur], S. 1-6, hier S. 2), soll die stark wertende Kategorie der „schablonenhaft[en] [...] oft hausbackenen und geschwätzigen“ Fälschung ersetzen (Ulla Williams, Merswin, Rulman, S. 125). 199 Frank Bezner, Zwischen Sinnlosigkeit und Sinnhaftigkeit. Figurationen der Retextualisierung in der mittellateinischen Literatur, in: ZfdPh 124 (2005; Sonderheft: Joachim Bumke und Ursula Peters [Hgg.], Retextualisierung in der mittelalterlichen Literatur), S. 205-237, hier S. 218; vgl. auch: Walter Berschin, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter, 6 Bde, Stuttgart 1986-2004 (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 8; 9; 10; 12,1 und 12,2; 15). Textgeschichte(n): Ziele und Methoden der Studie 35 brauchs, sie einschränkender diskursiver Regeln und gattungsbezogener Rezeptionsvorgaben soll es möglich sein, den Status der Texte zwischen authentischer Erfahrung und literarischer Verarbeitung von Vorgängigem zu charakterisieren. Damit greift die Arbeit die Forschungsdebatte um den „literarischen Status“ mystischer Texte auf. Obwohl seit der Neuorientierung der Forschung durch Ringlers Untersuchung der ‚Viten- und Offenbarungsliteratur‘ 200 eine Interpretation mystischer Texte als „authentische[ ] unmittelbare[ ] Erlebnisbericht[e]“ 201 in der literaturwissenschaftlichen Analyse nicht mehr angängig ist, läßt sich noch immer ein eher realistischer Zugang von nominalistischen Lesarten differenzieren: 202 Gerade Ringler, der das Verhältnis von literarischer Gestaltung und historischem Erfahrungsgehalt in mystischen Texten durch eine ausführliche Sammlung textueller Parallelen zwischen dem ‚Gnaden-Leben des Friedrich Sunder‘ und den programmatischen Gestaltungen heiligmäßigen Lebens in der Hagiographie neu fassen konnte, hält an der grundsätzlichen „Erfahrungshaftigkeit“ der mystischen Viten fest. So lehnt er zwar eine Charakterisierung des ‚Gnadenlebens‘ als schlichtes Abbildungsmedium „mystischen Erlebens“ ab - es handele sich um „mystische Lehre in legendarischer Form“, 203 d.h., die Texte suchten mystische Spiritualität und ihr inhärente Konzepte eines exemplarischen Lebens über „legendarische Bilder, Szenen und Lebensläufe“ zu vermitteln; 204 durch die redaktionsgeschichtliche Scheidung eines autobiographischen Kerns von überarbeiteten, „legendarisierten“ Fassungen 205 führt Ringler jedoch den „von ihm kritisierten ‚Erlebnisgehalt‘ als Kategorie frauenmystischer Texte, quasi durch die ‚Hintertür‘“ wieder ein: 206 Die mystische ‚Viten- und Offenbarungsliteratur‘ sei eine topische Überformung vorgängigen prädiskursiven Erlebens. Folgen die meisten Forscher Ringlers Thesen, 207 spitzen sowohl Ursula Peters, die sich in ihrer Studie ‚Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum‘ 208 mit den kulturgeschichtlichen Voraussetzungen sowie der spezifischen Spiritualität frauenmystischer Literatur auseinandersetzt, als auch Susanne Bürkle, die „die Viten- und Offenbarungsliteratur der Dominikanerinnen des 14. Jahrhunderts [...] über ihre Partizipation an Hagiographie, weiblichem Heiligkeitsdiskurs und Geschichtsschreibung 200 Siegfried Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur in Frauenklöstern des Mittelalters. Quellen und Studien, München 1980 (MTU 72). 201 Peter Dinzelbacher, Mittelalterliche Frauenmystik, Paderborn [usw.] 1993, S. 312. 202 Rudolph M. Bell und Donald Weinstein, Saints and Society. The Two Worlds of Western Christendom, 1000-1700, Chicago; London 1982, S. 1. 203 Siegfried Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 14. 204 Ibid. 205 Ibid., S. 80. 206 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster. Historische Funktion und rhetorische Legitimation frauenmystischer Texte des 14. Jahrhunderts, Tübingen; Basel 1999 (Bibliotheca Germanica 38), S. 278. 207 Vgl. zuletzt: Margarete Hubrath, Erweitertes Sinnpotential oder kontaminiertes Original? Zum Werkbegriff einer mystischen Offenbarungsschrift im Kontext ihrer lateinischen und deutschen Überlieferung, in: Peter Wiesinger (Hg.), Akten des X. Internationalen Germanistenkongresses Wien 2000: Zeitenwende - Die Germanistik auf dem Weg vom 20. ins 21. Jahrhundert, Bern [usw.] 2002 (Jahrbuch für Internationale Germanistik, Reihe A: Kongressberichte 57), S. 281-286. 208 Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum. Zur Vorgeschichte und Genese frauenmystischer Texte des 13. und 14. Jahrhunderts, Tübingen 1988 (Hermaea N.F. 56). Figuren der Referenz: Einleitung 36 [...] als spezifisch monastische Texttradition zu konturieren“ sucht, 209 die Debatte um das in frauenmystischen Texten erkennbare Verhältnis von historisch-authentischer Erfahrung und literarischer Fiktion nochmals zu, indem sie jegliche Extrapolation eines Erfahrungssubstrats aus den Texten als methodisch unzulässigen Kurzschluß zwischen Text und Welt ablehnen. Mit Hilfe der religionssoziologischen, an Funktion und Konzeption von Heiligkeit interessierten Hagiographieforschung 210 würden nämlich nicht nur die als ‚Erlebnisberichte‘ inszenierten Nonnenviten und einzelpersönlichen Offenbarungsschriften als „zweckgerichtete Montage[n] von biographischen Materialien, hagiographischen Stereotypen und thematischen Schwerpunkten“ 211 erwiesen, auch die in Viten enthaltenen Berichte ihrer „gnadenhaften Entstehung“, 212 die Ringler als authentische Beschreibungen der Textgenese begriff und die ihn zur Annahme eines realweltlichen Erlebenskerns führten, könnten auf einer „programmatischen Ebene der Lebensdarstellung“ angesiedelt werden: 213 Gerade die extensive Thematisierung des Schreibaktes, die durch die implizierten Authentisierungs- und Beglaubigungsstrategien nicht unwesentlich zur Lektüre der Texte als Erfahrungsberichte beitrage, gehe so auf „literarische Themen zurück [...], die in der Hagiographie zur Aura des Heiligen gehören: der Schreibbefehl, Gottes Wunsch nach Verbreitung seiner Wundertaten, das Aufzeichnen spiritueller Erfahrungen in der Abgeschiedenheit, die heimliche Niederschrift durch einen Außenstehenden, der Beistand einer vertrauten Person und die Begnadung beim Schreiben“. 214 Diese Ausrichtung der frauenmystischen Texte an einem topischen Arsenal von Heiligkeitsvorstellungen weise sowohl die in die ‚convent chronicles‘ integrierten Lebensbeschreibungen der Dominikanerinnen als auch die einzelpersönlichen Viten als „literarisch konzipierte und intentional ausgerichtete Texte [aus], die eine Unterscheidung hinsichtlich ihrer Nähe zu einem möglichen religiösen Erfahrungssubstrat nicht zulassen“. 215 Da die skizzierte Kontroverse für die Analyse der ‚Gottesfreundliteratur‘ von entscheidender Relevanz ist - die diskurstraditionellen und gattungsbezogenen Vorgaben im Hinblick auf den ‚Erfahrungsgehalt‘ mystischer Texte können die ‚Gottesfreundliteratur‘ unter das Postulat der Authentizität stellen oder sie vom Verdikt der Fälschung befreien -, versucht der 4. Untersuchungsteil zu einer Neubewertung des ontologischen Status mystischer (Erzähl)Texte zu gelangen. Um das Schlüsselpro- 209 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 6. 210 Vgl. Jean-Claude Schmitt, La fabrique des saints, in: Annales 39 (1984), S. 286-300; Joseph-Claude Poulin, L’idéal de sainteté dans l’Aquitaine carolingienne d’après des sources hagiographiques (750- 950), Québec 1975 (Travaux du Laboratoire d’Histoire Religieuse de l’Université Laval 1); André Vauchez, La sainteté en Occident aux derniers siècles du Moyen Age d’après les procès de canonisation et les documents hagiographiques, Rom 1981 (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome 241). 211 Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 36. Vgl. zum folgenden auch: Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 105-157. 212 Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 194. 213 Ibid., S. 191. Vgl. zur rhetorischen Gestaltung und spirituellen Programmatik textimmanenter Figurationen des Schreibens ausführlich: Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 193-233. 214 Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 191. 215 Ibid., S. 192. Textgeschichte(n): Ziele und Methoden der Studie 37 blem der Debatte - die unterschiedliche Bewertung des Realitätsgehalts von Topoi 216 - zu vermeiden, unterzieht die Studie die ‚Gottesfreundliteratur‘ keiner Untersuchung im Hinblick auf ihre rhetorische Gestaltung, sondern weist den identischen Wiedergebrauch vorgängigen Textmaterials nach, der jeglichen textuellen Bezug auf realweltliches Geschehen i.S. eines vormedialen Erlebens ausschließt. Damit sucht die Analyse nicht nur den wohl singulären Aspekt des Corpus - die Fingiertheit seines Protagonisten - in seiner Genese zu beschreiben, sondern kann durch die Rekonstruktion des Textgebrauchs außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ (Kapitel 4.2.2; 4.3; 4.4.2.2) die für die ‚Gottesfreundliteratur‘ konstitutive Praxis, Texte um- und fortzuschreiben, als gebräuchliches Schreibverfahren des Diskurses erweisen. Um das zentrale Verständnisproblem der Textproduktion und -aufzeichnung auf dem ‚Grünen Wörth‘ - die Frage, ob der Gottesfreund als contrafaktischer Mitstifter oder als fiktionale Exempelfigur zu charakterisieren sei - in den Blick zu nehmen, genügt es nicht, die Textproduktion auf dem ‚Grünen Wörth‘ als ein Schreiben in literarischen Paradigmen zu erfassen, da die retextualisierenden Schreibpraxen nur die Fiktivität, die Nicht-Wirklichkeit des Dargestellten, dokumentieren können. 217 Zur Differenzierung der Täuschung von der Fiktion müssen darüber hinaus die innerdiegetischen und vor allem paratextuellen Textentstehungsgeschichten und Figurationen von Autorschaft analysiert werden, da diese durch den Ausweis oder die Verschleierung des Fingiertseins der Texte die Rezeption i.S. eines Erfahrungsberichtes oder einer fiktionalen Erzählung lenken. Die Konzentration auf das „Beiwerk und [die] Rahmenstücke eines Textes“ 218 vom Vorwort über Inhaltsverzeichnisse bis hin zur Titulatur und Kommentierung in den Rubriken ist dabei doppelt motiviert: Da der Paratext als „Schwelle“ zwischen Text und Nicht-Text, 219 als Summe der „lektüresteuernde[n] Hilfselemente“ zum ‚eigentlichen Text‘, 220 die ‚Gottesfreundliteratur‘ in einen „Sprachhandlungszusammenhang oder Interaktionskontext“ 221 stellt und so den literarischen und/ oder historischen Rahmen, in den das Corpus eingeschrieben werden soll, präzisiert, kann ein diachroner Kurzschluß zwischen modernen Fiktionalitätssignalen und zeitgenös- 216 Vgl. Urban Küsters und Otto Langer, Rezension zu: Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum. Zur Vorgeschichte und Genese frauenmystischer Texte des 13. und 14. Jahrhunderts (Hermaea N.F. 56), Tübingen 1988, in: Arbitrium 9 (1991), S. 37-41. 217 Zur Differenzierung von Fiktivität und Fiktionalität vgl. zuletzt: Jan-Dirk Müller, Literarische und andere Spiele. Zum Fiktionalitätsproblem in vormoderner Literatur, in: Poetica 36 (2004), S. 281- 311, hier S. 283-285. 218 Burkhard Moennighoff, Paratext, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft Bd. 3 (2003), S. 22f., hier S. 22. 219 Vgl. zu Definition, Unterformen und Systematik des Paratextes: Gérard Genette, Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches, Frankfurt/ M.; New York 1989; zu Eingrenzungsversuchen des sehr weiten und z.T. unpräzisen Konzeptes vgl.: Burkhard Moennighoff, Paratexte, in: Heinz Ludwig Arnold und Heinrich Detering (Hgg.), Grundzüge der Literaturwissenschaft, München 3 1999, S. 349- 356. 220 Werner Wolf, Paratext, in: Ansgar Nünning (Hg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze - Personen - Grundbegriffe, Stuttgart; Weimar 1998, S. 413f., hier S. 413. 221 Frank Zipfel, Fiktion, Fiktivität, Fiktionalität. Analysen zur Fiktion in der Literatur und zum Fiktionsbegriff in der Literaturwissenschaft, Berlin 2001 (Allgemeine Literaturwissenschaft - Wuppertaler Schriften 2), S. 37. Figuren der Referenz: Einleitung 38 sischem Verständnis der Texte ausgeschlossen werden: Anders als die ‚Entdeckung der Fiktionalität‘ als eines genuin literarischen Konzepts in der ‚Artusliteratur‘ steht die Frage nach der ‚Fiktionalität‘ mystischer Texte nicht im Fokus des mediävistischen Forschungsinteresses; 222 sie hat daher noch kein allgemein akzeptiertes Instrumentarium der Analyse und Interpretation entwickelt. Denn auch wenn die Applikation des integumentum-Konzeptes auf Offenbarungstexte nachzuweisen ist, 223 ist die Rekonstruktion der historischen Semantik des fictio-Begriffs in der lateinischen Literaturtheorie und Frühscholastik 224 nur mit Einschränkungen auf das volkssprachliche, wahrscheinlich unter tätiger Mitwirkung eines Laien verfaßte Corpus übertragbar. Das synchrone Fiktionsverständnis ist daher einzig durch die impliziten wie expliziten Leseanweisungen der Paratexte zu erfassen. Zugleich sucht die Studie mit Hilfe einer eingehenden Analyse der paratextuellen Umgebung der ‚Gottesfreundliteratur‘ die widerspruchsvolle und kaum überschaubare literaturtheoretische Debatte um die Dichotomie ‚fiktional / nicht fiktional‘ 225 auf einen operationalisierbaren Fiktionsbegriff zu reduzieren. Da für das adäquate Verständnis der ‚Gottesfreundliteratur‘ eine historische Differenzierung der Authentizitäts- und Fiktionalitätskategorie notwendig erscheint, ist eine systematische Bestimmung von Fiktionalität über eine rein formale Minimal-Definition nicht möglich: Im folgenden meint Fiktionalität die textuelle Darstellung contra-faktischer (fingierter) Sachverhalte oder Geschehensabläufe, deren Fingiertsein nicht - wie bei der Fälschung - praktischen Interessen folgt, sondern als textuelle Operation erkannt werden soll. 226 Für die Fragestellung der Arbeit ungleich bedeutender als diese Definition literarischer Fiktionalität ist die ihr inhärente Möglichkeit, die Untersuchung des Corpus im Hinblick auf seine Fiktionalität heuristisch zu vereinfachen: Für die Bestimmung des ontologischen Status der ‚Gottesfreundliteratur‘ kann auf die zahlreichen, von der Sprechakttheorie 227 erarbeiteten, doch allein wegen ihrer 222 Vgl. Alois M. Haas, Geschichte und Fiktionalität in mystischen Texten, in: Gabriela Scherer und Beatrice Wehrli (Hgg.), Wahrheit und Wort. Festschrift für Rolf Tarot zum 65. Geburtstag, Bern [usw.] 1996, S. 175-200. 223 Peter von Moos, Was galt im lateinischen Mittelalter als das Literarische an der Literatur? Eine theologisch-rhetorische Antwort des 12. Jahrhunderts, in: Joachim Heinzle (Hg.), Literarische Interessenbildung im Mittelalter. DFG-Symposion 1991, Stuttgart; Weimar 1993 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 14), S. 431-451. 224 Vgl. u.a. Fritz Peter Knapp, Mittelalterliche Erzählgattungen im Lichte scholastischer Poetik, in: Walter Haug und Burghart Wachinger (Hgg.), Exempel und Exempelsammlung, Tübingen 1991 (Fortuna Vitrea 2), S. 1-22; Peter von Moos, Poeta und Historicus im Mittelalter. Zum Mimesis-Problem am Beispiel einiger Urteile über Lucan, in: PBB 98 (1976), S. 93-130. 225 Zur Fülle der Publikationen und zu den verschiedensten methodischen Ansätzen zum komplexen Problem der Fiktionalität vgl. die - wenn auch eklektizistische - Zusammenschau bei: Frank Zipfel, Fiktion, Fiktivität, Fiktionalität. 226 Vgl. zu dieser basalen Definition von Fiktion bzw. Fiktionalität: Gottfried Gabriel, Fiktion, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft Bd. 1 (1997), S. 594-598; Natascha Würzbach, Fiktionalität, in: EM Bd. 4 (1984), Sp. 1105-1111; Jan-Dirk Müller, Literarische und andere Spiele, S. 284. 227 Vgl. z.B.: John L. Searle, The Logical Status of Fictional Discourse, in: New Literary History VI (2) (1975), S. 319-332; Richard M. Gale, The Fictive Use of Language, in: Philosophy 46 (1971), S. 324- 340. Textgeschichte(n): Ziele und Methoden der Studie 39 mangelnden historischen wie genrespezifischen 228 Variabilität zweifelhaften Kataloge linguistischer Fiktionalitätssignale verzichtet werden; die Entscheidung zwischen Fiktion und Fälschung basiert allein auf dem Differenzkriterium der „Entblößung“. 229 Die vorliegende Studie geht - im Unterschied zur rezeptionsästhetischen Fiktionalitätsforschung, die das Konzept des ‚Fiktionsvertrages‘ entwickelte - nicht davon aus, daß der „Kontrakt zwischen Autor und Leser“, 230 die Situationsspaltung zwischen interner Sprechsituation und externer Rezeptionssituation, 231 allein auf der Grundlage sozialen und literarischen Wissens geschlossen wird, vielmehr erkennt die Untersuchung im Zusammenspiel dieser diskurstraditionellen Vorgaben mit der paratextuellen Rezeptionslenkung das basale Instrument, um den ontologischen Status der Texte an die Leser zu kommunizieren: Der Paratext weist die Anschlußformen des Textes an den Kontext aus und bestimmt somit die intendierte Relation des Rezipienten zum Text. Der 4. Untersuchungsteil kann so die unterschiedlichen, in der Studie eröffneten Perspektiven auf das ‚Gottesfreundcorpus‘ in einer Fragestellung bündeln, die zugleich das Erkenntnispotential des Corpus über die Aufklärung des literarischen ‚Ausnahmefalls‘ hinaus aufzuzeigen und die eingehende Beschäftigung mit der Textsammlung sowie die partielle Überbewertung ihres literarischen Stellenwertes zu legitimieren vermag (Kapitel 4.5): Sowohl die Bestimmung des für das Corpus konstitutiven Konzepts von Textualität als auch die Rekonstruktion der Poetik des medialen Wiedergebrauchs, zuletzt die Historisierung der Authentizitätskategorie erweisen offenbar eine moderne Dichotomie als das zentrale Verständnisproblem der Textsammlung. Die Forschungsdiskussion um die angemessene Interpretation mystischer Texte spiegelnd, war das erkenntnisleitende Interesse der Analysen der ‚Gottesfreundliteratur‘ stets eine eindeutige Bestimmung des ontologischen Status der Schriften, eine interpretatorische Klassifizierung des Corpus als täuschende Imitation mystisch-hagiographischer Textmuster oder als authentische Verschriftlichung vorreflexiven Erlebens, d.h., die Analysen spitzten das zentrale Verständnisproblem des Corpus auf eine im modernen Verständnishorizont kategorische Alternative zu: Wird die ‚Gottesfreundliteratur‘ durch textuelle Figuren oder Referenz auf außertextuelles Geschehen konstituiert? 228 Vgl. zur Kritik an linguistischen Versuchen der Definition von Fiktionalität: Wolfgang Iser, Das Fiktive und das Imaginäre. Perspektiven einer literarischen Anthropologie, Frankfurt/ M. 1991 (stw 1101), S. 18; Klaus W. Hempfer, Zu einigen Problemen einer Fiktionalitätstheorie, in: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur (1990), S. 109-137, hier S. 125. 229 Vgl. zu diesem dritten Akt des Fingierens, welcher der Selektion aus „historische[r] Lebenswelt“ und „Literatur“ und ihrer Re-Kombination folgen muß: Wolfgang Iser, Die Wirklichkeit der Fiktion - Elemente eines funktionsgeschichtlichen Textmodells der Literatur, in: Rainer Warning (Hg.), Rezeptionsästhetik: Theorie und Praxis, München 1975, S. 277-324, hier S. 287f.; ders., Akte des Fingierens oder Was ist das Fiktive im fiktionalen Text? , in: Dieter Henrich und Wolfgang Iser (Hgg.), Funktionen des Fiktiven, München 1983 (Poetik und Hermeneutik X), S. 121-151, hier S. 125f., 135f. 230 Wolfgang Iser, Die Wirklichkeit der Fiktion, S. 294-299; ders., Akte des Fingierens, S. 135. 231 Rainer Warning, Der inszenierte Diskurs. Bemerkungen zur pragmatischen Relation der Fiktion, in: Dieter Henrich und Wolfgang Iser (Hgg.), Funktionen des Fiktiven, München 1983 (Poetik und Hermeneutik X), S. 183-206, hier S. 197. 2. Zimelien der Hausliteratur und Handbücher religiöser Gebrauchsliteratur: Die Überlieferung der ‚Gottesfreundliteratur‘ 2.1 Methodische Vorüberlegungen 2.1.1 Zur Anlage der Handschriftenbeschreibungen Die Text- und Überlieferungsgeschichte der ‚Gottesfreundliteratur‘ erfordert innerhalb der folgenden Handschriftenbeschreibungen eine Differenzierung zwischen jenen Codices, deren Provenienz in der Straßburger Johanniterkomturei liegt, und den außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ entstandenen Manuskripten. Die Genese des Textcorpus in der Schreibstube der Johanniter führt nicht nur zu einer lokalen Konzentration der Überlieferung, sondern bindet die ‚Gottesfreundliteratur‘ auch funktional an die Johanniterkomturei. Der Gebrauchszusammenhang der Texte kann folglich nur durch eine detaillierte Beschreibung aller Überlieferungsträger, die auf dem ‚Grünen Wörth‘ geschrieben wurden, rekonstruiert werden. Die Studie wird daher durch ein Verzeichnis der Textzeugen des ‚Grünen Wörth‘ eröffnet, dessen Reihenfolge sich an den von Rieder vergebenen Siglen orientiert, um eine Verbindung zur bisher maßgeblichen Untersuchung der Überlieferung zu erleichtern, auch wenn die Benennung durch die neu hinzutretenden Textzeugen teilweise inkonsistent wird. Den Siglen folgen jeweils die in der Straßburger Überlieferung üblichen Bezeichnungen der Handschriften sowie der heutige Aufbewahrungsort, die besitzende Bibliothek und die Signatur der Handschrift. Ehemalige Signaturen sind hier ebenfalls verzeichnet, um die Referenz auf die durchgehend ältere Forschungsliteratur zu erleichtern. Die Beschreibung der einzelnen Handschriften gliedert sich in drei Teile: Die Erfassung der ‚äußeren‘ Daten der Handschrift, ihre kodikologische Beschreibung (Beschreibstoff, Umfang/ Anzahl und Art der Lagen, Format/ Schriftraum, Schrifttyp/ Hände, Einrichtung/ Buchschmuck, Einband), dient ihrer Einordnung in die Handschriftenkultur des Mittelalters, d.h., die Manuskripte sollen in ihrer ‚realen‘ Ausformung vor Augen geführt werden, um das einzeltextzentrierte und daher verfälschende Bild der vorhandenen Editionen zu ersetzen; zum anderen soll die Beschreibung von Einrichtung und Ausstattung der Handschriften den intendierten Gebrauchszusammenhang der Codices rekonstruieren helfen, so daß der enge Bezug zwischen Handschriften und Organisation der Stiftung deutlich wird. Den zweiten Arbeitsschritt der Handschriftenbeschreibungen bildet eine detaillierte Auflistung der inhaltlichen Struktur, die Inhaltsangaben der Texte und den Verweis auf die teilweise sehr verstreuten Editionen umfaßt, um einen Überblick über die zahlreichen Überschneidungen, Rück- und Querverweise im Textbestand der Handschriften zu bieten und den Überlieferungs z u s a m m e n h a n g der Einzeltexte in den Vordergrund zu stellen. Zimelien der Hausliteratur und Handbücher religiöser Gebrauchsliteratur 42 Erst auf der Grundlage dieser kodikologischen Analysen sowie einer kritischen Auseinandersetzung mit den in den Handschriften gegebenen Datierungen kann die Entstehungsgeschichte der Codices rekonstruiert und eine relative Chronologie der Memoriale erstellt werden. Entgegen den Gepflogenheiten der DFG-Richtlinien zur Handschriftenkatalogisierung 1 findet sich die Datierung der Codices folglich erst am Ende ihrer Untersuchung, da die in den Urkundenbüchern postulierte Textgeschichte und die hier benannten Beziehungen zu anderen Manuskripten das zentrale Analyseproblem der vorliegenden Handschriftensammlung darstellen. Die übliche, dem schnellen Zugriff zuträglichere Positionierung der Entstehungszeit in der Schlagzeile der Beschreibung würde daher eine Bestimmtheit und Exaktheit suggerieren, welche die signifikanten Schwierigkeiten der Analyse eines Corpus, dessen Kopierpraxen bislang als Fälschung charakterisiert wurden, nivellieren und somit das Spezifikum der Textsammlung unkenntlich machen würde. Die im Anschluß gegebene, nach Texten geordnete Zusammenstellung der Überlieferung außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ ist demgegenüber stärker „gebrauchsfunktional“ angelegt und daher - trotz identischen Aufbaus - deutlich kürzer gehalten, da die Daten ausschließlich als „Informationsquelle für die historische Einschätzung, Wirksamkeit und Gebrauchsvielfalt de[r] Texte[ ]“ 2 genutzt werden. Die kodikologischen Daten sowie der Überlieferungsverbund sind nur insofern von Bedeutung, als sie teilweise auf Anspruchsniveau und potentiellen ‚Sitz im Leben‘ schließen lassen. Im Zentrum der Analyse stehen jedoch die überlieferungsgeschichtlich relevanten Faktoren der Entstehungszeit und des -ortes sowie die Besitzer und Benutzer der Handschrift; die hier zusammengestellten Informationen zu den Institutionen, in denen die ‚Gottesfreundliteratur‘ überliefert wurde, sowie die beigegebenen Erörterungen möglicher Beziehungen zum ‚Grünen Wörth‘ übersteigen übliche Handschriftenbeschreibungen in bezug auf ihre Ausführlichkeit, sollen es jedoch in Kapitel 2.3.5 erlauben, die diskursive Einbindung der ‚Gottesfreundliteratur‘ außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ über die Ebene des Einzeltextes hinaus zu bestimmen, d.h. zu ermitteln, von wem die Texte in welchem Kontext rezipiert und tradiert wurden. 2.1.2 Zur Einrichtung der Zitate Da die bisher erstellten Editionen der ‚Gottesfreundliteratur‘ zumeist vom Prinzip des ‚Autortextes‘ geleitet waren und sich somit an den ausgewiesenen ‚Autographen‘ orientierten, kann sich die im folgenden gegebene textkritische Analyse nicht an den Ausgaben orientieren, sondern muß sich möglichst eng an die Textzeugen anlehnen. 3 Um sowohl die Vergleichbarkeit als auch das Textverständnis zu erleichtern, wurde die Einrichtung der Zitate jedoch in einigen Bereichen reguliert. 1 Richtlinien zur Handschriftenkatalogisierung. Deutsche Forschungsgemeinschaft Unterausschuß für Handschriftenkatalogisierung, 5., erw. Auflage, Bonn-Bad Godesberg 1992, bes. S. 9. 2 Georg Steer, Gebrauchsfunktionale Text- und Überlieferungsanalyse, S. 35. 3 Auf die vorhandenen Ausgaben der Texte wird jedoch, trotz ihrer Defizite, zur leichteren Orientierung des Lesers stets in Klammern verwiesen. Methodische Vorüberlegungen 43 Der Grundsatz der höchstmöglichen Handschriftentreue gilt zunächst für die Graphie der Manuskripte, da eine Normalisierung den Usus der Handschriften und somit die Bindung des Textes an bestimmte - individuelle wie institutionelle - Schreibkonventionen und -traditionen verstellen würde. Die Zitate sind folglich, wenn möglich, buchstabengetreu, jedoch nicht kalligraphisch an das Erscheinungsbild der Handschriften angepaßt. Daraus ergeben sich im einzelnen folgende Grundsätze: Falls in den Handschriften vorhanden, wird das Schaft-< > durch rundes <s>, geschwänztes < > durch <z> ersetzt. Die <u>, <v>, <w>- und <i>, <j>, <y>-Schreibungen werden, soweit differenzierbar, beibehalten; Erläuterungen zu vokalischem oder konsonantischem Gebrauch finden sich in den einzelnen Handschriftenbeschreibungen. Alle diakritischen Zeichen werden nicht reguliert, d.h., die in den Handschriften verwendeten Formen werden beibehalten: ‚fehlende‘ Umlautzeichen ebensowenig ergänzt wie ‚überflüssige‘ getilgt. Neben den üblichen Umlautzeichen < >, < >, < > treten Haken über <u> und <w> auf, die nur z.T. eine lautliche Differenzierung leisten, jedoch stets wiedergegeben werden. Die z.T. ungewöhnliche Getrennt- und Zusammenschreibung wird, trotz der durch sie möglicherweise entstehenden Verständnisprobleme, beibehalten, da sie für die Identifizierung von Schreibern bzw. Redaktoren von Bedeutung sein kann. Dies gilt insbesondere für die Wortabteilung bei den Verben mit abtrennbaren Präfixen sowie Substantiv- und Adjektivkomposita. Groß- und Kleinschreibung wird - dem Prinzip der Handschriftentreue entsprechend - nicht reguliert; trotz unterschiedlicher Regelungen dominiert in den Handschriften bei weitem die Kleinschreibung, Majuskeln werden nur für die Markierung von Satzpausen oder -grenzen (s. Interpunktion) oder die Hervorhebung wichtiger Begriffe eingesetzt. Korrekturen der Schreiber der Handschriften werden in den Text übernommen und durch runde Klammern markiert. Abbreviaturen werden nach Maßgabe der ausgeschriebenen Formen stillschweigend aufgelöst. Wie üblich gilt: Nasalstrich und Tilde sind <n>, <m> oder <en> oder <e> vor <n> bzw. <m>; der r-Haken steht für <r> oder <er>, teilweise ist jedoch auch <ra> zu ergänzen. Einige der jüngeren Manuskripte verwenden zudem ein dem <ß> ähnliches, langes Schaft-<s>, dessen Bogen abgeknickt unter die Zeile reicht; es wird als die Nachsilbe <-ser> aufgelöst. dz und wz erscheint in den Zitaten als das und was, v als vmb und v / u als vnd/ und. Alle Abkürzungen werden in der zu erwartenden Form aufgelöst, in Zweifelsfällen wird dabei auf der Basis der üblichen Praxis des Textzeugen oder der Kollation entschieden. Die aus dem lateinischen Schriftwesen übernommenen Abkürzungen der nomina sacra hingegen sowie den Handschriften eigentümliche Abbreviaturen wurden beibehalten. Zimelien der Hausliteratur und Handbücher religiöser Gebrauchsliteratur 44 Die Interpunktion in Editionen von Prosatexten des Spätmittelalters war immer wieder Gegenstand der Forschungsdiskussion, 4 da die historische Textgliederung, die auf Rhythmus und Rhetorik basiert, von der grammatikalisch-syntaktischen Zeichensetzung des 19. Jahrhunderts abweicht. Das vorliegende Textcorpus birgt das zusätzliche Problem, daß - trotz der teilweise komplexen syntaktischen Konstruktionen - nicht alle untersuchten Textzeugen eine konsequente mittelalterliche Zäsurierung aufweisen. Soweit vorhanden und möglich, wird versucht, die historische Textgliederung durch Majuskeln und Rubrizierung der jeweiligen Handschrift entsprechend wiederzugeben, da sie das syntaktische Verständnis der Texte erhellt. Die von den Codices verwendeten Strukturierungshilfen werden in den einzelnen Handschriftenbeschreibungen erörtert, um zu analysieren, inwiefern die Einrichtung des Textes auf Sinneinheiten abzielt. Grundsätzlich werden die in den Manuskripten verwendeten Gliederungsmittel dabei in moderne Satzzeichen umgesetzt; hierfür gelten folgende Regeln: Die Grobgliederung des Textes durch Caputzeichen und Initialen wird jeweils unter dem Punkt ‚Textgliederung‘ untersucht, Initialen werden in den Zitaten durch Fettdruck und eine größere Schrifttype wiedergegeben; die syntaktische Gliederung der Handschriften wird zumeist durch den schlichten punctus vorgenommen, der - um eine Differenzierung von der modernen Interpunktion zu ermöglichen - durch einen Punkt auf der Mitte der Zeile wiedergegeben wird ( ); 5 die dominante Verwendung des punctus, der sowohl das Satzende als auch die Abgrenzung eines Teilsatzes oder die Hervorhebung eines Wortes markieren kann, zwingt die Mehrzahl der Handschriften, sich unterschiedlicher Formen der littera notabiliores zu bedienen, um eine Unterscheidung der Pausenlänge zu ermöglichen; diese Mittel der Zäsurierungen durch Majuskeln und/ oder Rubrizierung (rote Virgeln oder Strichelungen) werden durch Großbuchstaben und/ oder Fettdruck gekennzeichnet. Zusätzlich zu dieser historischen Ebene der Interpunktion macht es die komplexe syntaktische Konstruktion der Texte notwendig, eine dem heutigen Leseempfinden angemessene und somit den neuhochdeutschen Gepflogenheiten entsprechende Interpunktion einzufügen. Da diese nicht den Anspruch auf Verbindlichkeit erhebt, jedoch das Textverständnis ebenso wie den Vergleich der Handschriften erleichtern soll, werden nur für diese Zusätze die neuhochdeutschen Interpunktionszeichen verwendet, um sie als Eingriffe in die historische Textgestalt zu markieren. 4 Kurt Gärtner, Zur Interpunktion in den Ausgaben mittelhochdeutscher Texte, in: editio 2 (1988), S. 86-89; Anthon van der Lee, Zur Satzinterpunktion dreier frühneuhochdeutscher Prosatexte, in: Neophilologus 61 (1977), S. 90-99. 5 Nigel F. Palmer, Von der Paläographie zur Literaturwissenschaft. Anläßlich von Karin Schneiders, Gotische Schriften in deutscher Sprache, Bd. I, in: PBB 113 (1991), S. 212-250; Malcolm Beckwith Parkes, Punctuation or Pause and Effect, in: James J. Murphy (Hg.), Medieval Eloquence. Studies in the Theory and Practice of Medieval Rhetoric, Berkeley [usw.] 1978, S. 127-142; ders., Pause and Effect. An Introduction to the History of Punctuation in the West, Berkley 1993. 2.2 Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei zum ‚Grünen Wörth‘ 2.2.1 Handschriftenbeschreibungen A ‚Großes deutsches Memorial‘ Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 739 (olim L als. 96a) B ESCHREIBUNG : Adolf Becker, Handschriftliche Beschreibung für das Handschriftenarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (17 Bll.; 1912); Rieder 1905, S. 15-27; Strauch, Rezension zu Rieder, S. 102-106; Strauch 1927a [ATB 22], S. IXf.; Ernest Wickersheimer, Catalogue général des manuscrits des bibliothèques publiques de France. Départements, Tome XLVII: Strasbourg, Paris 1923, S. 202-206. B ESCHREIBSTOFF : Pergament B LATTZAHL / A NZAHL UND A RT DER L AGEN : 280 Bll. mit moderner Bleistiftfoliierung am oberen rechten Rand, die jedoch nicht durchgängig ist; 25 Lagen: III 6 + 9 VI 114 + (V-1) 123 + IV 131 + 12 VI 275 + I 276 + II 280 . Um die erste Lage wurde ein Schmutzblatt geschlagen, dessen zweite Hälfte herausgetrennt wurde; die Falz findet sich zwischen Bl. 6 und 7, auf ihr sind Rubrizierungen zu erkennen. 6 Aufgrund der neuen Bindung wurden die Seiten neu beschnitten und die ursprüngliche Lagenzählung ist nur noch teilweise erkennbar, da sich allein vereinzelt Reklamanten auf der letzten Versoseite der vorangehenden Lage finden (Bl. 78 v , 90 v , 102 v , 123 v , 143 v , 167 v , 179 v , 203 v , 239 v , 251 v ). Die in schwarzer Tinte vorgenommene, arabische Numerierung der jeweils ersten Rectoseite einer neuen Lage (fortlaufend 2 [Bl. 7 r ] bis 25 [Bl. 276 r ]) wurde erst sekundär, wahrscheinlich im Zusammenhang der neuen Bindung vorgenommen, denn die Kustode auf Bl. 132 r wurde auf den nachträglich eingefügten Notandum-Zettel (s. unten) aufgetragen. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ (Bl. 192 v -229 r ) und das ‚b ch von dem meister‘ (Bl. 229 r -262 v ) sind jeweils eigenständig am oberen rechten Rand in schwarzer Tinte von der Hand Franz Joseph Ignatius Goetzmanns (vgl. Sigle G) paginiert. B LATTGRÖSSE / S CHRIFTRAUM : Die Handschrift mißt 29-29,4 x 20,8-21 cm, der Schriftspiegel durchgehend 24,5 x 15 cm. Jede Seite ist blindliniert und besteht aus 43 Zeilen, nur Bl. 7 r -9 r sind mit jeweils 55 Zeilen enger beschrieben. 7 S CHRIFTTYP / S CHREIBER / H ÄNDE : Textualis mit Zierstrichen. Strauch unterscheidet vier Hände, 8 die er anhand der z-Form identifiziert: 1. (Haupt)Hand Bl. 6-276 r (bis Z. 28) (deren Schriftduktus sich aufgrund der Versform auf Bl. 274 v -276 r [bis Z. 28] ändert? ) (Abb. 6b-7b) 6 Karl Rieder (Der Gottesfreund vom Oberland, S. 15) vermutet einen grundsätzlich einfacheren Lagenaufbau: III 6 + 23 VI 275 + 5 280 . Dieser Strukturierung widerspricht jedoch schon Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 103, Anm. 1. 7 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 15, gibt versehentlich 53 Zeilen an. 8 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 103. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 46 2. Hand Bl. 1-2 v (bis Z. 20) (Abb. 1, 2a, b und 3a) 9 3. Hand Bl. 2 v (ab Z. 21)-5 r (Abb. 3a-5b); 10 277 r -280 v Bl. 5 v Bildseite (Abb. 6a) 4. Hand Bl. 276 r ab Z. 29 (Nekrolog Konrads von Braunsberg) Rieder glaubt, in Nikolaus von Löwen den Schreiber der gesamten Handschrift erkennen zu können, der lediglich auf Bl. 5 r von einer zweiten Hand abgelöst werde. 11 Sein Hauptargument - Nikolaus von Löwen führe sich mehrfach in der ersten Person als Schreiber der Handschrift ein (Bl. 1 v , Rieder 1905, S. 4*17; Bl. 2 r , Rieder 1905, S. 6*14; Bl. 3 v , Rieder 1905, S. 10*24) 12 - ist für die Identifikation der Haupthand jedoch nicht ausreichend, da die angeführten Textstellen zu den Abschriften der urkundlichen Aufzeichnungen über die Stiftung Heinrich Blankharts und seiner Frau gehören: 13 Wenn Nikolaus von Löwen hier in erster person spricht, so mag das immerhin beweisen, dass der passus ursprünglich von ihm herrührt, nicht aber kann daraus so ohne weiteres auf eine redactionelle oder gar directe tätigkeit an dem uns vorliegenden Grossen memorial geschlossen werden, um so weniger, als die citate abschnitten mit verschiedenem schriftcharakter angehören. 14 Da Strauchs Vermutung, Nikolaus von Löwen habe die Bemerkungen zu seiner Lebensgeschichte eigenhändig an das Ende des ‚Briefbuches‘ eingetragen (B, Bl. 83 r ; Rieder Tafel 1), 15 durchaus plausibel ist, da weitere Quellen über den ersten Priester der Johanniterkommende fehlen, 16 ist Nikolaus aufgrund des unterschiedlichen Schriftduktus in A und in der Biographie in B als Schreiber des ‚Großen deutschen Memorials‘ auszuschließen. Auch Rieders Erklärung für den abweichenden Schriftcharakter auf Bl. 5 r , Nikolaus habe sich „beim Schreiben der Hilfe anderer, etwa seiner beiden Genossen, des Nikolaus Zorn gen. Lapp und des Heinrich von Andlau bedient“, 17 ist wenig überzeugend, weil weder Nikolaus Zorn 18 noch Heinrich von Andlau, 19 die „ältesten Konventbrüder des Johanniterhauses“, als Schreiber oder - wie Rieder 9 Vgl. auch: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, Tafel 9. 10 Vgl. auch: ibid., Tafel 10. 11 Ibid., S. 27. 12 Ibid., S. 24. 13 Vgl. zu Heinrich Blankharts Stiftungen: Urkundenbuch der Stadt Straßburg, 7 Bde, Straßburg 1879- 1900, hier: Bd. 7: Privatrechtliche Urkunden und Ratslisten von 1322 bis 1400, bearbeitet von Hans Witte, Straßburg 1900 (im folgenden UBSt VII), Nr. 1478 (S. 431), Nr. 1544 (S. 449) und Nr. 1617 (S. 469). 14 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 105. 15 Ibid., S. 106. 16 Vgl. den geradezu inhaltslosen Eintrag im Anniversar der Johanniter unter dem 3. April (Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752, Bl. 16 r ): O. frater nicolas de l fen, primus conuentualis huius domus, Anno Domini M cccc ij. Im Urkundenbuch der Stadt Straßburg ist er zum ersten Mal als Begünstigter und Vollstrecker des Testaments Heinrich Blankharts am 22. September 1371 bezeugt (UBSt VII, Nr. 1478, S. 431), danach bestätigt er ausschließlich Schenkungen und Seelgerätsstiftungen für den ‚Grünen Wörth‘: Nr. 1646 (S. 478), Nr. 1892 (S. 547), Nr. 1924 (S. 555f.), Nr. 1988 (S. 575), Nr. 2050 (S. 591), Nr. 2065 (S. 595), Nr. 2232 (S. 643), Nr. 2352 (S. 679). Das letzte Mal ist Nikolaus am 4. Februar 1390 (Nr. 2471, S. 713) bezeugt. 17 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 27. 18 Nikolaus Zorn, genannt Lapp, erscheint im Anniversar des ‚Grünen Wörth‘ (Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752) unter dem 11. Mai 1404: O. frater nicolaus zorn dictus lapp conuentualis huius domus. Anno Domini M cccc iiij qui dedit redditus xviij solidorum (Bl. 22 v ). 19 Heinrich von Andlau ist im Anniversar des ‚Grünen Wörth‘ (Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752, Bl. 6 v ) folgendermaßen verzeichnet: Febr. 4. II. non.: O. frater heinrich de andelow conuentualis huius domus qui fundauit duas missas perpetuas in nostra ecclesia ante ingressum ordinis. ‚Großes deutsches Memorial‘ (A) 47 formuliert - als „Verbündete[ ]“ 20 des Nikolaus von Löwen, sondern allein als Zeugen für die ursprüngliche Lage des Grabes des ersten Stifters, Werners von Hüneburg, belegt sind (vgl. A, Bl. 5 r ; Rieder 1905, S. 13*9-30). Auf Bl. 192 v , am Beginn des ‚b ch von den zwey menschen‘, findet sich am unteren Seitenrand eine Notiz von Goetzmanns Hand: NB. Diße zwein menschen seind deß Rúlmans heimlicher freünt im oberland so der jünger genannt wird, der zwe te ist Rúlman selbst, so der älter genannt wird. Siehe [? ] lib: C. pag: 69. S CHRIFTSPRACHE : Alemannisch G RAPHIE : Obwohl sich (mindestens) vier Hände in der Handschrift unterscheiden lassen, ist die Graphem-Phonem-Korrespondenz weitgehend einheitlich geregelt: <i> ist das ausschließlich verwendete Graphem für den kurzen, hellen Vokal, wird jedoch auch zur Bezeichnung des Konsonanten / j/ gebraucht, für den nur selten <j> eintritt. <y> ist nur vereinzelt für den Lautwert / i/ zu verzeichnen, z.B. kyrche und leye (beide Bl. 7 r ). Die Grapheme <u> und <v> können, wie häufig, sowohl konsonantischen als auch vokalischen Wert haben, wobei ein verstärkter Gebrauch des <u> für den Vokal, des <v> für den Konsonanten zu beobachten ist, der allerdings in folgenden, sehr häufig auftretenden Lexemen durchbrochen ist: vnd, vns(er), vnder, vmb. <f> steht ausschließlich für / f/ . Zu den üblichen diakritischen Zeichen < >, < > und < > tritt ein Haken über dem <u>: <ú>, der zumeist als Umlaut des langen / u/ , normalisiert <iu>, gelesen werden muß. In bezug auf die Graphie der Konsonanten ist folgendes zu bemerken: Die Handschrift schreibt / s/ zumeist als < >, das runde <s> wird nur in Schlußpositionen und vereinzelt in der Verbindung <sch> gebraucht. Wie bereits von Strauch bemerkt, ist das wesentliche Unterscheidungsmerkmal der Hände das Graphem <z> bzw. < >. Die dominante Form der Haupthand ist von Bl. 6-53 v das geschwänzte < >, dann, nach kurzem Schwanken auf Bl. 53 v -55 r , <z>, außer in der Verbindung <t > und bei der Abkürzung d . Die letztgenannte Verteilung nimmt auch die zweite Hand (Bl. 1-2 v ) vor, während die dritte Hand (Bl. 2 v -5 r ; 277 r -280 v ) ausschließlich die geschwänzte Form des Graphems verwendet. Der Schreiber, der den Nekrolog Konrads von Braunsberg ergänzte, verwendet ein doppelstöckiges <z>. 21 Die in der Handschrift zu verzeichnenden Abbreviaturen sind die üblichen: Neben Nasalstrich tritt der r-Haken ( ), der auch als Abkürzung für zu ergänzendes ra eingesetzt wird (z.B. sp ch, Bl. 32 r ) und, allerdings deutlich seltener, d und w . E INRICHTUNG / B UCHSCHMUCK : Die Handschrift wird auf Bl. 1 r (Abb. 1) mit einer über 14 Zeilen geschriebenen historisierenden Initiale eröffnet, welche auf Heinrich Blankharts Meßstiftung zu Ehren des heiligen Jacobus rekurriert, deren Entstehung und Bedingungen in der Einleitung des ‚Großen deutschen Memorials‘ (Bl. 1 r -2 v ; Rieder 1905, S. 3*-7*27) erläutert werden. Im ovalen, mit mattiertem Goldgrund gefüllten Binnenfeld des D findet sich eine in Deckfarbenmalerei ausgeführte Darstellung des Jüngers, welche auf unterschiedliche Traditionslinien in der Ikonographie des Heiligen Bezug nimmt. 22 Weisen ihn seine thronende Sitzposition sowie die Idealtracht der Apostel - eine blaue Tunika und ein violetter Mantelüberwurf, der durch eine Schließe in der Form seines Attributs individualisiert wird - als treuen Verkünder aus, greifen die beiden beigegebenen Attribute die seit dem 13. Jahrhundert ver- 20 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 24. 21 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 103. 22 Vgl. S. Kimpel, Jacobus der Ältere (Major), Zebedäus, Bruder des Johannes, in: LCI Bd. 7 (1974), Sp. 23-39. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 48 breitete Darstellung des Jacobus als Pilger auf: 23 In der rechten hält er einen Pilgerstab, in der linken Hand trägt er das Abzeichen der Compostela-Pilger, die Muschel. Eine abschließende kunsthistorische Einordnung dieser Initial-Miniatur gelang bislang nicht, da sich „von der Malerei des Oberrheins aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts [...] so gut wie nichts erhalten“ 24 hat. Im Rahmen breiterer kunsthistorischer Fragestellungen wurden zwei Versuche einer Lokalisierung in der Kunstlandschaft des ausgehenden 14. Jahrhunderts vorgenommen. Während Jeffrey Hamburger - angeregt durch die augenfälligen kompositorischen Unterschiede zwischen dem eher traditionellen kalligraphischen Schmuck des Buchstabenkörpers und der moderneren Anlage der Figur des Jacobus im Binnenfeld der Initiale - eine Affinität der Miniatur zur niederländischen Handschriftenillumination, insbesondere zur Figur eines Propheten im ‚Wiesbadener Rapiarium‘ (Wiesbaden, Hessisches Hauptstaatsarchiv, Abt. 3004, B 10), 25 zu erkennen glaubt, 26 identifiziert Christian von Heusinger in einem der wenigen bewahrten elsässischen Altarbilder, der ‚Colmarer Kreuzigungstafel‘ (Colmar, Musée d’Unterlinden, Nr. 57), das stilistische Pendant zur Jacobus-Initiale. 27 Aufgrund des gemeinsamen Formenvokabulars in der Figurendarstellung müsse die Initiale der gleichen Hand wie das Altarbild zugewiesen werden, welches durch dendrochronologische Untersuchungen auf die Wende zum 15. Jahrhundert datiert 28 und dessen Straßburger Provenienz mit Hilfe motivgeschichtlicher und technischer Parallelen zur Straßburger „Buchmalerwerkstatt von 1418“ 29 erwiesen werden konnte. Sowohl bei der Jacobus-Figur als auch der Darstellung des Johannes auf dem Colmarer Tafelbild „umhüllt ein dichtes Gewand eine schlanke Gestalt mit ruhigem, verhaltenen Umriss, teilt dieselbe kurze Bewegung der Arme den Mantel und lässt das in parallele Faltenstege geraffte Gewand darunter hervortreten, wirft sich der Mantel in der gleichen Schwerfälligkeit und kurvenden Säumen. Die Leidgebärde des Johannes ist um Weniges heftiger und lauter, der Grad der Intensität der Bewegungen aber ist der gleiche, gleich auch die Verhaltenheit im Ausdruck“. 30 Diese stilkritische Zuschreibung der Initiale an den Meister der ‚Colmarer Kreuzigung‘ scheint durch Fischels Untersuchung einer „Werkstattarbeit“ 31 seines Ateliers gestützt zu werden: Das um 1420 entstandene ‚Bergheimer Antependium‘ (Colmar, Musée d’Unterlinden, Nr. 63), welches die Bildkomposition der Kreuzigungsszene und die Formgebung der Figuren des Tafelbildes aufgreife, 32 könne u.a. durch die charakteristische, der Straßburger Johanniterkirche vergleichbare Ikonographie in der Darstellung Johannes des Täufers und Johannes des Evangelisten 33 in die Johanniterkomturei Bergheim bei Colmar gewiesen werden. Obwohl die Auftragsarbeit für die Bergheimer Kommende, die seit 1388 dem ‚Grünen Wörth‘ inkorporiert war, die Verbindung der Straßburger Stiftung zur Werkstatt der ‚Colmarer Kreuzigung‘ zu belegen scheint und die kunsthistorische Einordnung 23 Ibid., Sp. 25. 24 Christian von Heusinger, Studien zur oberrheinischen Buchmalerei und Graphik im Spätmittelalter, Diss. [masch.] Freiburg/ Br. 1953, S. 111. 25 Marta O. Renger, The Wiesbaden Drawings, in: Master Drawings 25/ 4 (1987), S. 390-410 und Abb. 23-44, hier Abb. 25. 26 Jeffrey Hamburger sei herzlich für seine freundliche schriftliche Auskunft gedankt. 27 Christian von Heusinger, Studien zur oberrheinischen Buchmalerei, S. 112. 28 Lieselotte E. Saurma-Jeltsch, Spätformen mittelalterlicher Buchherstellung. Bilderhandschriften aus der Werkstatt Diebold Laubers in Hagenau, 2 Bde, Wiesbaden 2001, Bd. 1, S. 29. 29 Lilli Fischel, Eine Straßburger Malerwerkstatt um 1400, in: Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst, 3. Folge, Bd. 1 (1950), S. 159-169, hier S. 164-167 und 169. 30 Christian von Heusinger, Studien zur oberrheinischen Buchmalerei, S. 21. 31 Lilli Fischel, Eine Straßburger Malerwerkstatt um 1400, S. 163. 32 Ibid., S. 164. 33 Vgl. hierzu auch: Christian Heck, Baldung Grien’s Grünen Wörth Altarpiece and Devotion to the Two St. Johns, in: Metropolitan Museum Journal 27 (1992), S. 85-99, hier S. 92-94. ‚Großes deutsches Memorial‘ (A) 49 der Initiale folglich sozialgeschichtlich plausibilisiert wird, reichen die aufgezeigten Parallelen kaum, um nachzuweisen, daß das Atelier die Illumination des ‚Großen deutschen Memorials‘ vornahm. Ohne eine eingehende kunsthistorische Untersuchung, die über mögliche überregionale Einflüsse wie detaillierte stilistische Parallelen zu Illuminationen religiöser Handschriften Auskunft gibt, kann die Initiale allein dem Idiom der Kunstlandschaft der Bistümer Konstanz, Basel und Straßburg 34 im frühen 15. Jahrhundert zugeschrieben werden. 35 Gegenüber dieser eher vagen Charakterisierung der buchmalerischen Komposition des ‚Großen deutschen Memorials‘ gestattet der im folgenden überwiegende, kalligraphische Schmuck eine spezifischere Einordnung des Codexes in die Tradition oberrheinischer Illumination. Weil sich Aufbau, Farbigkeit und Motivik der Initialen an „altertümlichen Motiven [orientieren], die schon im mittleren 14. Jahrhundert charakteristisch für die oberrheinischen Filigraninitialen waren“, 36 bietet Ellen J. Beers Pionierstudie zu den oberrheinischen Fleuronnéformen der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts 37 umfassendes Vergleichsmaterial für den Filigranschmuck des ‚Großen deutschen Memorials‘. Bereits die Gestaltung der Buchstabenkörper auf Bl. 1 r weist die Initiale als charakteristisches Beispiel oberrheinischer Filigraninitialen aus: 38 Wie seit dem 13. Jahrhundert in der oberrheinischen Buchmalerei üblich, 39 sind die Buchstabenschäfte des D in Rot und Blau gespalten; die konträren Farbflächen grenzen jedoch nicht unmittelbar aneinander, sondern werden durch zoomorphe Füllornamente voneinander getrennt - wie man sie vor allem aus liturgischen Handschriften oberrheinischer Dominikanerklöster der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts kennt (vgl. Gruppe 2 bei Beer): 40 Die den hellen Pergamentgrund freilassenden, nur z.T. mit grünen und gelben Farbspritzern versehenen Konturenlinien nehmen die Form tiermenschlicher Mischwesen an, aus deren drachenartigen Schweifen und menschlichen Köpfen mit Herz- und Pfeilblättern belaubte Ranken herauswachsen. Die Orientierung an traditionellem Formgut der oberrheinischen Skriptorien wird besonders durch die Technik der Besatzornamente deutlich: Das in blau-rot konturierte, mit der Farbe des Buchstabenkörpers kontrastierende Knospenfleuronné, welches sich in Blattspiralen und Dolden rings um den Buchstabenkörper zieht und in einem Fleuronnéstab ausläuft, knüpft an den Initialschmuck an, welcher für dominikanische und zisterziensische Antiphonare seit der Wende zum 14. Jahrhundert typisch ist (vgl. in Beers Katalog Nr. 6, 15, 26, 27, 30 und 23, 29). 41 Auch die hierarchisch untergeordneten Initialen auf Bl. 2 r -4 r zeigen charakteristische Elemente der oberrheinischen Filigrantradition. Das über sieben Zeilen geführte, als littera duplex in Rot und Blau gestaltete D auf Bl. 2 r (Abb. 2b) verbindet so das für die zweite Entwicklungsstufe des oberrheinischen Initialschmucks charakteristische Froschlaichfiligran 42 mit dem „heraldischen Stil“, der im Laufe des 14. Jahrhunderts 34 Vgl. zur Charakterisierung dieser Kunstlandschaft: Lieselotte Esther Stamm, Die Rüdiger-Schopf- Handschriften. Die Meister einer Freiburger Werkstatt des späten 14. Jahrhunderts und ihre Arbeitsweise, Aarau [usw.] 1981, S. 205. 35 Lieselotte E. Saurma-Jeltsch, Spätformen mittelalterlicher Buchherstellung, Bd. 1, S. 29. 36 Ibid., Bd. 1, S. 115. 37 Ellen J. Beer, Beiträge zur oberrheinischen Buchmalerei in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Initialornamentik, Basel; Stuttgart 1959. 38 Lieselotte E. Saurma-Jeltsch, Spätformen mittelalterlicher Buchherstellung, Bd. 1, S. 115. 39 Ellen J. Beer, Beiträge zur oberrheinischen Buchmalerei, S. 10. 40 Ibid., S. 22. Vgl. zur allgemeinen Charakterisierung der zweiten Handschriftengruppe: ibid., S. 22-25, sowie ihres Prototyps, des ‚Engelberger Bibly‘, S. 9-12. Zu den Provenienzen der Handschriften vgl. den kritischen Katalog ibid., S. 56-126. 41 Ibid., S. 22. 42 Ibid., S. 23. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 50 sowohl im Gebiet des Bodensees als auch am Oberrhein verbreitet war. 43 Indem sowohl der Fleuronnéschmuck der schriftzugewandten Seite des Buchstabenkörpers mit blauem Blattfiligran als auch die Füllung des Binnenraums der beiden punktverdickten Endstellen des D mit einem rot konturierten Froschlaichmotiv im Vergleich zur Eröffnungsseite des Codexes zurückhaltend gestaltet sind, wird die Aufmerksamkeit auf das Binnenfeld der Initiale gelenkt, in dessen mit Palmettenfleuronné umgebenen Zentrum eine Variation des Wappens der Leuvener Patrizierfamilie der Blankharts zu erkennen ist: Obwohl das anscheinend nachträglich korrigierte heraldische Binnenfeld mit keiner der drei in Willem Boonens ‚Antiqui Lovani‘ 44 dokumentierten Varianten des Familienwappens vollständig identisch ist, kann aufgrund der augenfälligen Parallelen (ein rotes Schildhaupt sowie drei blaue Pfähle in Gold) von einer textbezogenen Komposition des Buchschmucks ausgegangen werden: Wahrscheinlich handelt es sich um das Wappen Heinrich Blankharts, des Stifters der Jakobsmesse, für das ein Vergleichsobjekt sowohl in den Archivalien in Leuven als auch in den Straßburger Urkunden fehlt. 45 Die heraldische Komposition der Initiale dient so gleichsam zur Besiegelung der auf Bl. 2 r gegebenen Ordnung der Jakobsmesse, d.h., die spezifischen Regeln der Pfründenstiftung werden jenseits der schriftlichen Rechtshandlung der beglaubigten Urkunde autorisiert, indem diese heraldisch als der Wille Heinrichs ausgewiesen werden. Während die beiden ersten Initialen somit eine historisierende und legitimierende Funktion haben, beschränkt sich der Buchschmuck auf Bl. 2 v (Abb. 3a) und 4 v (Abb. 5a) auf die kunstvolle Verzierung der siebenbzw. sechszeiligen Initialen und greift damit die Dominanz des kalligraphischen Schmucks in der oberrheinischen Tradition 46 programmatisch auf. Für die Initiale zu Beginn des Verzeichnisses der an die Johanniterkommende gemachten Stiftungen ist allein der Gegensatz zwischen der kompakten, in Rot geschriebenen Lombarde und dem zartgewobenen, punktsymmetrisch angeordneten Knospenfleuronné kennzeichnend; die Gestaltung der Initiale auf Bl. 4 v ist - trotz der Aussparung weißer, mit schwarzer Tinte nachkonturierter Mischwesen in den Buchstabenschäften - im Wesentlichen durch ein feines, knospendes Fleuronné geprägt, welches das ovale Binnenfeld in vier Felder gliedert, in denen sich jeweils zwei Knospengarben in einer s-förmig geschwungenen Spirale anordnen. Erst die am aufwendigsten gestaltete, vollständig in roter Tinte geschriebene Seite des ‚Großen deutschen Memorials‘, Bl. 6 r , führt die Elemente der heraldischen Illumination mit verschiedenartigen kalligraphischen Schmuckformen zusammen: Die größte Initiale der Handschrift, ein über 18 Zeilen gemaltes, in Rot und Blau gespaltenes D (Abb. 6b), welches sich in der Wiederholung der von Bl. 1 r bekannten Fabelwesen des oberrheinischen Idioms der anthropomorphisierten bzw. zooisierten Buchstabenschäfte bedient, nutzt eine weitere Besonderheit des Initialschmucks dieser Kunstlandschaft, um das heraldische Programm der Handschrift zu entfalten: Während die beiden kleineren der drei für den elsässischen Stil kennzeichnenden Rundmedaillons, 47 welche in das von Knospengeflecht durchzogene Binnenfeld des D eingelassen sind, von weißen, kompositen Monstren bevölkert werden, d.h. die bereits bekannten Drolerie-Elemente aufgreifen, tritt aus dem zentralen, durch einen rot-blau gebogten Ring hervorgehobenen Medaillon das Wappen der Johanniter für den Kriegsdienst 43 Lieselotte Stamm, Der „heraldische Stil“: Ein Idiom der Kunst am Ober- und Hochrhein im 14. Jahrhundert, in: Revue d’Alsace 107 (1981), S. 37-54, hier S. 37. 44 Vgl. Een cort verhael oft memorieboeck van de hertoghen van Brabant, van den ouderdom der stadt Leuven, van de seven oude origineele geslachten der selver stadt ende haere Sinte-Peetersmannen bedeylt in vier deelen oft capittelen (1593) (Leuven, Stadtarchiv, Nr. 40-41). 45 Marika Ceunen, Stadtarchivarin in Leuven, sei für ihre freundliche Unterstützung herzlich gedankt. 46 Ellen J. Beer, Beiträge zur oberrheinischen Buchmalerei, S. 42. 47 Ibid., S. 10. ‚Großes deutsches Memorial‘ (A) 51 (in Rot ein weißes Kreuz) aus einer blauen, mit Dreipunktmuster verzierten Vierpaßblüte hervor. Weitere Rundmedaillons, die als Akzente auf die Ecken des Buchstabenkörpers gesetzt sind, sind mit korrespondierenden Ornamenten gefüllt: Das Rundbild am oberen linken Rand führt den heraldischen Verweis auf die Johanniter weiter - auf goldenem Grund ist das Wappen der Ordensgeistlichen abgebildet (in Schwarz ein weißes Kreuz) -, die beiden Medaillons, die sich an die Schriftseite der Initiale anschließen, zeigen weitere Drolerien, das vierte Rundbild endlich, am unteren linken Rand, schließt eine Rosette ein. Auch in der Komposition der Zierleiste, welche - von den Medaillons bzw. dem Besatz der Initiale ausgehend - den gesamten Schriftspiegel umfaßt, wird ein in den dominikanischen und zisterziensischen Handschriften des Oberrheins besonders gepflegtes Formelement 48 mit der heraldischen Symbolsprache verbunden: Die rote oder blaue, beidseitig mit Silhouettenmotiven in der Gegenresp. Komplementärfarbe begleitete Mittellinie wird von insgesamt sieben weiteren, von zartem Filigran umspielten Medaillons verziert, in denen neben den charakteristischen Fabelwesen die aus dem Buchstabenbesatz bekannten Wappen wiederkehren: Neben dem im Kriegsdienst gebräuchlichen Wappen der Johanniter in der Mitte rechts ist unten rechts und in der Mitte links das Wappen Merswins zu erkennen: in Gold mit rotem Schildrand ein schwarzer, schräggestellter Eber. 49 Beim dritten Wappen am unteren linken und oberen rechten Rand (in Rot drei weiße Rauten) handelt es sich um das Wappen des Johannitermeisters in deutschen Landen, welcher die auf Bl. 6 v zitierte Urkunde über die drei Urkundenbücher ausstellen ließ. 50 Die Versoseite dieses Blattes (Abb. 7a) entspricht in der graphischen Anlage dem gleichen, weniger aufwendig ausgeführten kalligraphisch-heraldischen Muster. In den Schäften der blauroten, über fünf Zeilen eingerückten Groß-Initiale W sind erneut Mischwesen ausgespart, auch läuft die Initiale in einer dreifarbigen Medaillonranke aus, welche der heraldischen Schmuckleiste der Rectoseite entspricht: Wieder findet sich das Wappen der Johanniter auf grünem, mit Ranken versehenen Grund in der linken oberen und unteren Ecke sowie - in ein rotes Medaillon eingelassen - am rechten oberen Rand; das Wappen Merswins kehrt in der Mitte der linken und am unteren Rand der rechten Leiste wieder. Neben diese tritt, in der Mitte der rechten Schmuckleiste, erneut das Wappen des Johannitermeisters. Auch die einzige Miniatur der Handschrift folgt dem heraldischen Schmuckprogramm und erinnert somit an das am Ende des 14. Jahrhunderts wahrscheinlich in Straßburg entstandene ‚Uffenbachsche Wappenbuch‘: 51 Auf der Bildseite 5 v (Abb. 6a), welche durch einen hellblauen, mit vegetabilen Motiven geschmückten Leistenrahmen umgeben ist, findet sich auf rotem, mit dunklen Laubornamenten und gelben Blumen versehenen Mustergrund eine Abbildung des Vollwappens des ersten Stifters des ‚Grünen Wörth‘, des Marschalls Werner von Hüneburg: Das geneigte, schwarz-silbern geteilte Schild, in dessen Schildhaupt rechts ein silberner Schwanenhals zu sehen ist, wird von einem mit schwarzen Federn besetzten Helm überhöht, in dessen Helmzier die Schildfigur in zwei silberfarbenen, voneinander abgewandten Schwanenrümpfen wiederkehrt. 52 48 Ibid., S. 23. 49 Es handelt sich nicht - wie Strauch (Gottesfreundfrage I, S. 262) und Rieder (1905, S. 49*) behaupten - um ein „Meerschwein“ (Delphin). Vgl. J. Kindler von Knobloch, Das goldene Buch von Straßburg, S. 192 und Abb. 250. 50 Vgl. die Urkunde über die Stiftung der Bibliothek Heinrichs von Wolfach an die Johanniter, an der sich das Siegel des Johannitermeisters erhalten hat: Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 1369 6 . 51 Für diesen Hinweis sei Jeffrey Hamburger herzlich gedankt. Vgl. Das Uffenbachsche Wappenbuch. Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 90b in scrinio. Farbmikrofiche-Edition. Einführung und Beschreibung der heraldischen Handschrift von Werner Paravicini, München 1990. 52 Vgl. J. Kindler von Knobloch, Das goldene Buch von Straßburg, S. 130. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 52 Dieses auf Bl. 5 v und 6 rv entfaltete heraldische Panorama läßt die Einbindung des ‚Großen deutschen Memorials‘ in pragmatisch-rechtliche, gemeinschaftlich-integrative und repräsentativ-memoriale Praxisdimensionen erkennen: Der legitimierenden Funktion der heraldischen Initiale auf Bl. 2 r vergleichbar, dient die Wappenzierleiste, welche den Schriftspiegel auf Bl. 6 rv umrahmt, in einer strikt textbezogenen Lektüre als Beglaubigungsmittel der gegebenen Urkundenabschrift. Die Erstellung und Aufbewahrung der drei Urkundenbücher, welche die Kenntnis der spirituellen Grundlagen und exemplarischen historia der Kommende in der Gemeinschaft des ‚Grünen Wörth‘ gewährleisten sollen, kann in der Urkundenkopie nicht durch die corroboratio des Siegelbefehls autorisiert werden (Des z urkúnde hant wir, der vorgenant br der Conrat von brunsperge, meister in tútschen landen, vnser ingesigel har an gehencket ; Bl. 6 v ; Rieder 1905, S. 16*6-8), vielmehr bedient sich der Codex des Randdekors, um die Verbindlichkeit des Dokuments ohne die Beweiskraft des sigillum pendens, allein durch die Zeichenfunktion des Wappens des Urkundenausstellers zu verbürgen. Die Wappenhäufung der Medaillonranke sowie die beigegebene Miniaturseite mit Wappen und Helmzier des ersten Stifters führen jedoch vor Augen, daß der heraldische Buchschmuck neben der evidenten legitimatorischen Funktion des Siegel-Ersatzes an weiteren gemeinschaftsstiftenden Aufgaben des ‚Großen deutschen Memorials‘ partizipiert. Die Zusammenstellung der Wappen der beiden Stifter, des laikalen und klerikalen Zweigs des Ordens sowie des Meisters der Johanniter in deutschen Landen demonstriert nicht nur die Einigkeit zwischen Stiftern und Ordensvertretern und ruft zum beständigen Einvernehmen der unterschiedlichen Gruppen der Stiftung auf; die Sammlung der Wappen des Patriziergeschlechts der Merswin, des „uralte[n] Dynastengeschlecht[s]“ der Hüneburg 53 und der Blankharts, einer der ältesten und einflußreichsten Leuvener Patrizierfamilien, bindet die Stiftung zugleich in die Herrenschicht Straßburgs ein und umreißt damit die sozialgeschichtliche Gruppe, aus der sich Pfründner wie Stifter des Johanniterhauses im 15. und 16. Jahrhundert vornehmlich rekrutieren werden. Das Wappenprogramm des ‚Großen deutschen Memorials‘ artikuliert folglich die soziale Abgrenzung und das distinguierte Selbstverständnis der Gemeinschaft und integriert die Handschrift - unabhängig von den in ihr versammelten Texten - in die repräsentativen Praxen der Selbstdarstellung und Vergegenwärtigung der institutionellen Identität. Durch die Verschränkung retrospektiv-begründender und prospektiv-festschreibender Momente hat die heraldische Prägung des Buchschmucks folglich maßgeblichen Anteil an der namensgebenden Funktion der Handschrift: der memoria an Stifter und Geschichte der Komturei. Erlaubt die inhaltliche Konzentration des Buchschmucks der ersten Lage somit eine erste Annäherung an die Funktion des ‚Großen deutschen Memorials‘, erkennt man an den beiden formalen Charakteristika der Illumination - dem programmatischen Aufgreifen traditioneller Formelemente oberrheinischer Buchmalerei sowie der Qualität des Fleuronnés (Christian von Heusinger bezeichnet „die Anlage eines Memorialen dieser Art für ein Kloster [... als] singulär“ 54 ), daß die kalligraphische Auszeichnung der Handschrift wahrscheinlich nicht von den Johannitern selbst, sondern von einer erfahrenen Illuminatorenwerkstatt durchgeführt wurde. Cames, der Beers Untersuchungen auf elsässische Fleuronnéformen des 14. und frühen 15. Jahrhunderts ausweitet, 55 nimmt an, das Urkundenbuch des ‚Grünen Wörth‘ habe seinen kalligraphischen Schmuck in einem Predigerkloster erhalten. Ausgangspunkt dieser Zuweisung ist der in Handschrift 446 der Colmarer Bibliothèque Municipale tradierte Psalter, dessen liturgische Einteilung ihn den Straßburger Johannitern zuweise. Die großen Ähnlichkeiten, 53 Ibid., S. 130. 54 Christian von Heusinger, Studien zur oberrheinischen Buchmalerei, S. 20. 55 Gérard Cames, Dix siècles d’enluminure en Alsace, Colmar 1989. ‚Großes deutsches Memorial‘ (A) 53 welche die eröffnende Initiale des Psalters in Aufbau und Motivik des Fleuronnéschmucks 56 zur Komposition der Initialen in einem dominikanischen Antiphonar vom Anfang des Jahrhunderts (Colmar, Bibliothèque Municipale, Ms. 308) 57 aufweise, bezeugten, daß die Johanniter die kalligraphische Ausstattung ihrer Psalter-Handschrift in einem dominikanischen Skriptorium in Auftrag gaben „et qu’il en soit de même pour le Mémorial de Saint-Jean rehaussé de motifs analogues“. 58 Da Cames’ Argumentation z.T. auf voreiligen Schlußfolgerungen beruht - so erkennt er den Textbezug der Jacobusinitiale auf Bl. 1 r nicht, sondern nutzt die Darstellung des Heiligen als weiteres Indiz für die Illumination der Handschrift bei den Dominikanern, da diese aufgrund ihrer ersten Niederlassung in Paris in der „rue St. Jacques“ den Beinamen Jakobiner trügen 59 -, solange die hier vorgenommene Zuweisung an eine dominikanische Schreibstube allein auf assoziativen Verknüpfungen basiert, lassen die stilistischen Parallelen zu den von Beer beschriebenen dominikanischen Liturgiehandschriften aus dem Städtedreieck Freiburg - Basel - Straßburg zwar vermuten, daß die kalligraphische Auszeichnung des ‚Großen deutschen Memorials‘ in einem Predigerkloster vorgenommen wurde, bewiesen ist jedoch allein die Genese in einer Schreibwerkstatt eines oberrheinischen Klosters. Der Rest der Handschrift, der kaum Buchschmuck aufweist, ist durchgängig rubriziert und sehr übersichtlich gestaltet: Um die Texte bzw. Kapitel leichter zu lokalisieren, steht ab Bl. 10 in der Kopfzeile jedes Blattes eine römische Zahl in Rotschrift: Auf Bl. 10 r bis 130 r auf der Rectoseite plaziert, bezeichnet sie die Nummer des Traktates; von Bl. 132 r bis 262 v verweist die Ziffer auf die Kapitel der jeweiligen materie und wechselt ihre Position - je nach Textbeginn - zwischen Recto- und Versoseite. Zusätzlich stehen die Nummern der Traktate und Kapitel jeweils am Beginn des Textes in römischen Zahlen am Seitenrand; ab Bl. 263 r sind die Texte nicht mehr gezählt. In der gesamten Handschrift werden blaue und rote Initialen zur Markierung des Textbeginns verwendet. Auf Bl. 10 bis 130 folgen den rubrizierten Überschriften der Traktate Lombarden unterschiedlicher Größe, um den Anfang des Textes hervorzuheben. Der zweite Hauptteil der Handschrift (Bl. 132 r bis 262 v ) nimmt eine weitere Differenzierung zwischen Text- und Kapitelbeginn vor: Nur der Anfang der materien wird neben der Rubrizierung der Überschriften und der Kapitelnummern in den beigegebenen Inhaltsverzeichnissen durch eine blaue, dreizeilige Initiale ausgezeichnet, die zum Teil mit rotem Knospenfleuronné (Bl. 192 v ; 229 r ) besetzt ist; der eigentliche Textbeginn wird unterschiedlich hervorgehoben: Das ‚b ch von den nún veilsen‘ wird durch eine rote, vierzeilige Initiale eröffnet, das ‚b ch von den zwey menschen‘ und das ‚b ch von dem meister‘ wiederholen mit einer blauen Initiale über drei Zeilen die Schmuckform des Titels. Die Überschriften der weiteren Kapitel entsprechen der schlichteren Einrichtung der Traktatüberschriften des ersten Teils: Sie sind rubriziert, der erste Buchstabe des Kapitels ist eine Initiale, zumeist von dreifacher Zeilenhöhe. Die Kennzeichnung des Textbeginns der Traktate und Gedichte, die im Inhaltsverzeichnis der Handschrift nicht aufgezählt werden, ist weniger einheitlich gestaltet: Während die ersten vier Texte die Auszeichnungsformen des zweiten Hauptteils der Handschrift übernehmen (rubrizierten Überschriften mit überwiegend blauen, dreizeiligen Initialen folgen rote Initialen von gleicher Höhe am Textanfang), beschränken sich die Nachträge ab Bl. 276 r auf die Mittel der Rubrizierung zur Hervorhebung der Überschriften und Initialen. In der Handschrift werden zudem die Möglichkeiten der Rubrizierung zur Textgliederung genutzt, indem jene Texte, die dialogisch strukturiert sind, zusätzlich zu der üblichen Auszeich- 56 Ibid., S. 91, Abb. 141. 57 Ibid., S. 94f., Abb. 151-153. 58 Ibid., S. 90. 59 Ibid. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 54 nung von Überschriften, Lombarden und Paragraphenzeichen die Inquitformeln rot unterstreichen bzw. rubrizieren (das ‚b ch von dem fúnckelin in der selen‘ markiert den Sprecherwechsel zunächst - ebenso wie der vorangehende Traktat ‚von der geistlichen stegen‘ - durch Unterstreichen mit roter Tinte, dann, ab Bl. 82 r , durch Rubrizierung; die ‚letze wart eime iungen br dere gegeben‘ rubriziert die Dialogeinleitung; das ‚b ch von eime eginwilligen, weltwisen manne‘ hebt die Sprecherwechsel ab Bl. 92 r durch Rubrizierung hervor; im ‚b ch von den nún veilsen‘ wird der Sprecherwechsel von Bl. 132 r bis 137 v [Z. 10] durch Unterstreichen der Inquitformel markiert, ab Bl. 137 v durch Rubrizierung; das ‚b ch von den zwey menschen‘ und das ‚b ch von dem meister‘ schließlich heben die Dialogeinleitung durchgehend durch Rotschrift hervor). E INBAND : Roter Ledereinband des 18. Jahrhunderts, auf dem mit Blumenbesatz geschmückten Buchrücken ist in goldenen Großbuchstaben eingeprägt Eines von den dreyen urkund-bücher von unserem stiffter Rulman Merschwein. Auf dem vorderen Schmutzblatt ist zu lesen: Memorial (Urk. Buch) des Klosters zum Gr. Wörth zu Strasburg. Vor Bl. 132 r ist, wahrscheinlich im Zuge der Neubindung im 18. Jahrhundert, ein Blatt eingeklebt, auf dem Schweigheuser, der die fehlenden Seiten in J (s. unten) ergänzte, bemerkt: Notandum Daß Originale dießes buchs Von den Neün Felßen mit Rulman Merschwin deß Stiftters e gener hand geschriben ist Anno 1708. in der Commenda zu Schlettstatt gefunden, vnd den 23. en Jul wider nach Straßburg gebracht worden; aber zu bedauern daß biß zehen bläter davon verlohren, welche jedoch auß disem gegenwärtigen Exemplar von wort zu wort wider ersetzt worden seindt. 60 60 Vgl. auch den Eintrag in J (Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 2798) auf der Innenseite des vorderen Deckels. ‚Großes deutsches Memorial‘ (A) 55 I NHALT 1. Lage (Bl. 1- 6) I. [Geschichtliche Einleitung] 1. 1 r -4 r [Stiftungen an die Komturei durch Heinrich Blankhart von Löwen und andere] 61 [vgl. Abb. 1-4] i. 1 r -2 r Rubrik: D is ist ein memoriale, usser was sachen man die ewige messe in sancte Jacobs ere tegeliche schuldig ist z haltende von heinrich Blanghartes seligen wegen von l fen, eins burgers z strasburg, alse sich der Conuente z m Gr nenwerde verbunden het in eime besigelten latine briefe [Vorgeschichte der Jakobsmesse] Heinrich möchte einen Mord durch eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela büßen, muß jedoch in Avignon umkehren und stiftet stattdessen eine Jakobsmesse und einen Altar bei den Johannitern zum ‚Grünen Wörth‘. Heinrich stirbt, bevor die Stiftung eingerichtet ist; da die von ihm in seinem Testament bestimmte Summe von 160 Pfund Straßburger Pfennigen für seine Stiftung nicht ausreicht, stiftet seine Frau, Luitgard, weitere 80 Pfund. Als die Johanniter sich weigern, die Messe täglich zu lesen, wird ein Kartäuser befragt, der sie zur Verrichtung verpflichtet. Nikolaus von Löwen hängt in der Sakristei des ‚Grünen Wörth‘ eine Tafel auf, die die Ordnung der Jakobsmesse festhält. Ausgabe: Rieder 1905, S. 3*-6*38. ii. 2 rv Rubrik: D is ist eine tofele, wie man die ewige messe in sancte Jacobs ere tegeliche schuldig ist z haltende von heinrich blangharts seligen wegen von l fen, eins burgers z strasburg, alse es sin vollef rer gemeinet het in dem beginne der vertigunge des besigelten briefes, der dar úber geh rt 61 Die in Kursive gegebenen Überschriften sind die aus der Handschrift entnommenen, die in eckige Klammern gesetzten Bezeichnungen bezeichnen zunächst die im folgenden verwendete, an der Überschrift des Inhaltsverzeichnisses und der Rubrik orientierte, vereinheitlichte mittelhochdeutsche Form des Titels bzw., falls sich keine Titulatur findet, neuhochdeutsche Kurztitel, im Anschluß die seit Strauch und Steer in der Forschung üblichen Titel: Vgl. Philipp Strauch, Einleitung, in: Sieben bisher unveröffentlichte Traktate und Lektionen, hg. von Philipp Strauch, Halle/ S. 1927 (ATB 22; Schriften aus der Gottesfreund-Literatur 1. Heft), S. V-XXI, hier S. IXf.; Georg Steer, Merswin, Rulman. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 56 [Tafel der Ordnung der Jakobsmesse] Die Abschrift der Tafel, die in der Sakristei der Johanniterkomturei zu finden ist, erläutert, wann die von Heinrich gestiftete Messe gefeiert werden muß: An allen Sonntagen (außer an Hochfesten) und Festtagen der heiligen von drigen letzen muß eine Messe und Kollekte zu Ehren des heiligen Jakobs gehalten werden, am Festtag des Heiligen ist eine singende messe zu halten und weitere zu sprechen. Für die Hochfeste und die Fastenzeit sind Sonderregelungen zu beachten. Ausgabe: Rieder 1905, S. 6*39-7*27. iii. 2 v -4 r Rubrik: D is ist die ordenunge vnd anderunge der ahtzig pfunde strazburger pfennige, die der vorgeschriben Heinrich blanchart von l fene vnd lutkart, sine eliche fr we, gesundes libes einhellecliche vor gerihte in eime gemeinen selgerete briefe vnder anderme irme selgerete besattent vnserm spittol z dem gr nenwerde der ouch mit anderme gebuwe verandert wart z den ziten vnd in die wise, also hie noch geschriben stot [Weitere Stiftungen an den ‚Grünen Wörth‘] 1367 Rulman Merswin stiftet die Kapelle zu Ehren der Elftausend Jungfrauen. 1369 Peter von Keiserberg baut vor diese Kapelle ein Haus für die Zisterzienser, die zu dieser Zeit um den ‚Grünen Wörth‘ werben. 1371 Rulman Merswin baut das erste Spital für die Johanniter; für dieses spenden Heinrich Blankhart von Löwen und seine Frau vier Pfund Straßburger Pfennige, die jährlich an den Maler Andreas Claman ausgezahlt werden sollen; für weitere 72 Pfund Straßburger Pfennige läßt Rulman Merswin gleichzeitig einen Gang um den Garten bauen. 1377 Im Zuge des Baus des neuen Chors werden die Kapelle zur Ehre der ‚Großes deutsches Memorial‘ (A) 57 Elftausend Jungfrauen, das Zisterzienserhaus und das Spital abgerissen; die Stiftung Luitgards wird umgewandelt. 1381 Ein neues Spital wird gebaut und die Jahreszeitenstiftung Heinrichs und Luitgards wird in einem selgeret brief neu geregelt: Die vier Pfund Straßburger Pfennige fallen - nach dem Rat des Johannes von Schaftoltzheim - an die Bedürftigen zurück, sobald Nikolaus von Löwen verstorben ist. 1382 Luitgard stiftet zwei ewige Lichter für den Marien- und den Jakobsaltar. Ausgabe: Rieder 1905, S. 7*28-12*4. [Rest von Bl. 4 r unbeschrieben] 2. 4 v -5 r [Stiftung des Klosters auf dem ‚Grünen Wörth‘ durch Werner von Hüneburg im Jahr 1150 und sein Grab; vgl. Abb. 5] Incipit: D er aller erste vrsprung vnd aneuang vnsere kirchen vnd dez alten gebuwes z dem Gr nenwerde beschach der heilgen triualtikeit z eren vmbe die zit, alse man zalte von gottes gebúrte lfhundert ior vnd fúnfzig ior [...] Explicit: wenne es ist z gloubende bi diser gnodenrichen ersten stiftungen vnd bi sime andehtigeme, ernsthaften kere hie vor vnd in den vrkúnde b chern geschriben daz er ein grosser gottes frúnt gewesen sige In dez gemeinsame wir billiche gerne sin súllent Got losse vns sin vnd aller siner vzerwelten, lieben frúnde ewecliche geniessen amen. Marschall Werner von Hüneburg stiftet 1150, nachdem er eine innere Umkehr vollzogen hat, das Trinitätskloster auf dem ‚Grünen Wörth‘ und wird in der Kirche in einem Steinsarg begraben, über dem sein Wappen gemalt ist; dieses läßt Rulman Merswin, nachdem er das Kloster 1366 von den Benediktinern erworben hat, mit der Auferstehung Christi übermalen und den Steinsarg entfernen; das Grab wird jedoch zunächst nicht verlegt. Als Erinnerung an den ersten Stifter folgt auf der nächsten Seite - ebenso wie im ‚Kleinen deutschen Memorial‘ - ein Bild des Wappens der Familie von Hüneburg. Ausgabe: Rieder 1905, S. 12*4-14*14. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 58 2. Lage (Bl. 7- 18) [Rest von Bl. 5 r unbeschrieben] 3. 5 v Bildseite: Wappen des Werner von Hüneburg [vgl. Abb. 6a] II. [Vorbemerkungen zur Handschrift] 1. 6 r [Titel des Memorials; Seite in rot geschrieben; vgl. Abb. 6b] Incipit: D is ist der drier vrkúnde b cher eins das andere vnd ist gliche gros an modele dem ersten latine b che [...] Explicit: I tem dise drú urkúnde b cher s llent ewikliche bliben in dem vor genanten huse z dem gr nen werde vnd ligen an einre gemeinen stat z eime ewigen memoriale also das nieman keine eigenschaft dar ane haben welle dar úber hant die drie weltlichen leyen vnd pflegere einen besigelten brief von dem obersten meistere des ordens in tútschen landen der hie ane vohet vnd alsus sprichet Ausgabe: Rieder 1905, S. 14*16-15*3. 2. 6 v [Urkundliche Beglaubigung der drei Urkundenbücher durch den Johannitermeister in der deutschen Provinz, Konrad von Braunsberg; vgl. Abb. 7a] Incipit: W ir, br der Conrat von Brunsberg, meister in tútschen landen sancte Johans ordens des heiligen spitoles von Jherusalem, bekennent in diseme briefe, das mit vnserme willen vnd wissende z latine vnd z tútsch in drú b ch geschriben ist alle die l ffe, alse wir vernommen vnd geh ret hant von erbern personen, wie das hus z dem gr nen werde in dem aller ersten ursprunge von alter ist har kummen Explicit: Des z urkúnde hant wir, der vorge br der Conrat von brunsperge, meister in tútschen landen, vnser ingesigel har an gehencket vnd wart gegeben an der lieben heiligen Jungfrowen sant agnes tag In dem iore, do men zalte von gottes gebúrte dritzehen hundert ior ahtzig vnd fúnf iore Ausgabe: Rieder 1905, S. 15*4-16*10. 3. 7 r -7 v [Vorwort und Inhaltsverzeichnis des ‚Ersten, lateinischen Memorials‘; vgl. Abb. 7b] Incipit: I n dem nammen vnsers lieben herren ihesu xpi Ist hie in g ter, fruhtbringender, gebesserlicher meinunge versamelt vnd namhaftikliche intytulieret vnd verzeichent alle die tútschen b chere die vnsere gnodenrichen stiftere R leman merswin selige vnd der liebe, súnderliche, verborgene gottes frúnt in berlant sin heimelicher geselle, beide geschriben hant [...] ‚Großes deutsches Memorial‘ (A) 59 Explicit: I tem das b ch von den nún veilsen ist ouch z latine geschriben bi disen egenanten versamelten b chern von worte z worte glich als wir es ouch in tútsch hant wanne die selben bilde alle geoffenboret wurdent R lmanne merswine, vnserme stiftere vnd ch der b cher eins ist, das er schriben m ste alse die date vnd die minnerichen wort der vier iore sines ane vohenden lebendes hellent das er sich des schribendes von grundeloser dem tikeit der selben vier iore so gr sliche werte z glicher wise alse ouch in dem anevange der nún veilse geschriben stot Ausgabe: Rieder 1905, S. 17*1-19*30. 4. 7 v -9 r [Vorwort und Inhaltsverzeichnis des ‚Großen deutschen Memorials‘] Incipit: Item alsus seit das latine b ch von allen disen vorgenanten b chern vnd vohet hie an ein ander b ch z tútsche In dem sint geschriben die úberigen b cher der egenanten vnserre zweyer stiftere die nút in dem latine b che geschriben stont vnd súnderliche so schreip der liebe gottes frúnt in berlant R lemanne, vnserme stiftere, gar vil b chere in sime ersten ane vange do er sich der welte abe tet Die selben b cher R leman von grosser dem tikeit wol drissig ior gar heimeliche vnd verb rgenliche gehielt das er si niemanne offenboren wolte vnd wol vier ior vor sime tode do engetorste er (sú am Rand nachgetragen) von Consciencien nút wol me lenger verhelen vnd sinen eben menschen vnd ouch die br dere der gnoden vnd der frúhte ber ben vnd schreip si (do durchgestrichen) [8 r ] do erst mit sin selbes hant in wahs [...] Explicit: I tem z iúngest noch der egenanten hindersten materien, die do seit von der fúrkummenen gnoden vnd von der verdienlichen gnoden, ist ouch in tútsch geschriben die drú búch von den nún veilsen von den zwein menschen vnd von dem meister mit dem a b c iegeliches mit einre vorgonden, súnderlingen tofelen vnd nuwen ane vohenden zale, die uf ein iegelich capitel vnderscheidenliche wiset Ausgabe: Rieder 1905, S. 19*31-23*34. [Rest von Bl. 9 r unbeschrieben] III. [Erster Hauptteil: Sechzehn mystische Traktate] 1. 9 v -20 v Rubrik: Item N hebent die Tútschen b cher hie ane vnd sint alle nocheinander geschriben in dis gegenwertige b ch noch ordenunge, alse die nammen hie vor z aller neheste intytulieret sint (Tilgung: vnd men sol allewegent in den selben b cheren vorston in dem niderlender R leman merswines namme vnd bi dem berlender sines heimelichen gesellen namme des lieben frúnt gottes in berlant wo vnd wie dicke es iergent in allen drien Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 60 3. Lage (Bl. 19- 30) 4. Lage (Bl. 31- 42) 5. Lage (Bl. 43- 54) 6. Lage (Bl. 55- 66) b cheren vnd materien geschriben stot ) Item das erste b ch ist von den zweyen iungen knaben vnd seit, wie der liebe berlender eins richen koufmannes sun was, der in mit ime f rte infr mede lant vnd in koufmans schatz lerete also ouch in dem latinen b che die materie vnd die artikele mit kurtzen worten begriffen sint wie er sich gesellete z eines wol gebornen, edlen ritters sun der ch in sime altere was fúnfzehen ierig also der texst seit von puncte z puncte der hie ane vohet vnd alsus sprichet [‚B ch von den zweyen iungen fúnfzehen ierigen knaben‘] Inhaltsangabe: Steer, IV 3. Ausgabe: Schmidt 1866, S. 79-101. 2. 20 v -46 r Rubrik: Dis ist das b ch von dem geuangen ritter, des der liebe frúnt gottes in berlant kuntschaft hette vnd ouch sin heimelicher rotgebe was in geistlichen sachen, noch dem do ime die úbernatúrliche, g tteliche gnode wart vnd us der geuengnisse kam Des selben geuangenen ritters leben vnd alle die grossen, tr stlichen mirackele, die got mit ime wirkete in der geuengnisse vnd dar noch nún ior Das schreip der liebe gottes frúnt in berlant R leman merswine, vnserme stiftere, sime lieben, heimelichen gesellen, von worte z worte, alse dis b ch seit, das hie ane vohet vnd alsus sprichet [‚B ch von dem geuangen ritter‘] Inhaltsangabe: Steer, IV 4. Ausgabe: Schmidt 1866, S. 139-186. 3. 46 r -61 v Rubrik: Dis ist gar ein tr stlich exemplar allen menschen, die do sint in der grossen, gnodenrichen beungen der vnluteren bekorungen, durch die vnser herre sine aller liebesten frúnt bet also diser lieben, heiligen Closenerin ursula beschach vnd einre wol gefrúndin, sch nen, richen iungfrowen, hies adelheit, die der selben closenerin heimeliche gespile vnd iúngerin was vnd ir beider leben geschriben gobent in welscher sproche dem lieben gottes frúnde in berlant der es do noch z Tútsche her abe schreip sime súnderlichen, heimelichen frúnde R leman merswine, vnserme lieben, getruwen stiftere Der selbe r leman es den br deren z dem gr nen werde mit sin selbes hant in eine wahs tofele schreip Des iores, do men zalete von gottes gebúrte dritzehen hundert sibentzig vnd súben iare vnd vohet hie ane vnd sprichet alsus [‚B ch von einre heiligen Closenerin, hies Vrsula‘; ‚Von den beiden Klausnerinnen Ursula und Adelheid‘] Inhaltsangabe: Steer, IV 5. Ausgabe: Jundt 1879, S. 363-391. ‚Großes deutsches Memorial‘ (A) 61 7. Lage (Bl. 67- 78) 8. Lage (Bl. 79- 90) 4. 61 v -69 v Rubrik: Diser zweiger nochgeschribener heiliger closter frowen leben schreip der liebe gottes frúnt in berlant her abe vnserme lieben stifter R lemanne merswine z eime gebesserlichen, tr stlichen exemplar Der selbe R leman merswin es den br dern z dem gr nenwerde mit sin selbes hant in eine wahstofele schreip des iores, do men zalete von gottes gebúrte dritzehen hundert sibentzig vnd ahte iore [‚B ch von zweyen heiligen closter frowen in peyerlant‘; ‚Von zwei bayerischen Klosterfrauen, Margarete und Katharina‘] Inhaltsangabe: Steer, IV 6. Ausgabe: Strauch 1927a (ATB 22), S. 1-21. 5. 69 v -77 r Rubrik: Dis ist die geistliche stege, die dem lieben gottes frúnde in berlant in eime sloffe geoffenboret wart alse er selber seite eime andern grossen gottes frúnde, der in do frogete noch eime fúrsich gonden wege In dem iubiliore, do men gen rome f r In dem iore, do man zalte von gottes gebúrte dritzehen hundert vnd fúnftzig ior [‚B ch von der geistlichen stegen‘] Inhaltsangabe: Steer, IV 7. Ausgabe: Jundt 1890, S. 119-136. 6. 77 r -81 v Rubrik: Dis ist von der geistlichen leiteren, wie der mensche von dem heiligen geiste wurt geleret uf gon von einre tugent z der anderen von dirre selben leiteren [77 v ] der liebe gottes frúnt in berlant eime anderen seite in einen pfingesten, also sú mitteinander redende wurdent von den schedelichen, súntlichen loiffen der cristenheit vnd ouch von zweyger leye got minnender menschen [‚B ch von einre geistlichen leitern‘] Inhaltsangabe: Steer, IV 8. Ausgabe: Jundt 1890, S. 137-146. 7. 81 v -87 r Rubrik: Das fúnckelin in der selen, das der heilige geist noch vil grosser bekorungen t t wahssen in eime iegelichen got minnenden menschen, alse lange vntze das z iúngest ein gros, inbrúnstig, hitzig minnen fúr dar ús wurt [‚B ch von dem fúnckelin in der selen‘] Inhaltsangabe: Steer, IV 9. Ausgabe: Strauch 1927a (ATB 22), S. 21-35. 8. 87 r -89 r Rubrik: Item eine letze wart eime iungen br dere gegeben in eime orden, wie er leren solte alle vntugent úber winden Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 62 9. Lage (Bl. 91- 102) 10. Lage (Bl. 103 -114) [‚Eine letze wart eime iungen br dere gegeben‘; ‚Eine letze (lectio) an einen jungen Ordensbruder‘] Inhaltsangabe: Steer, IV 10. Ausgabe: Strauch 1927a (ATB 22), S. 35-41. 9. 89 r -96 r Rubrik: Item von eime eginwilligen, weltwisen manne, der von eime heiligen waltpriestere gewiset wart uffe dem tige gehorsamme [‚B ch von eime eginwilligen, weltwisen manne‘] Inhaltsangabe: Steer, IV 11. Ausgabe: Strauch 1927a (ATB 22), S. 42-60. 10. 96 r -103 r Rubrik: Dis ist die offenborunge, die dem lieben gottes frúnde in berlant in einre kristnaht geoffenboret wart in den ziten, do die grossen, erschr ckenliche ertbideme alle koment [‚B ch von einre offenborunge‘; ‚Sendschreiben an die Christenheit‘] Inhaltsangabe: Steer, IV 12. Ausgabe: Schmidt 1840, S. 1-15; Schmidt 1841, S. 220-233; Schmidt 1866, S. 187-201. 11. 103 r -105 v Rubrik: Dis ist gar eine gnodenriche, bewegenliche materie, wie ein junger, weltlicher, wol gefrúnder man in tútschenherren orden kam vnd priester wart us g ttelicheme tribende vnd ouch us rote eines erlúhteten, wolgebornen priesters, sines nehesten moges Alse es der liebe gottes frúnt in berlant R lemanne, vnserme stiftere, her abe schreip [‚Materie von eime jungen, weltlichen, wol gefrúnden manne‘; ‚Geschichte eines jungen Weltkindes‘] Inhaltsangabe: Steer, IV 13. Ausgabe: Jundt 1890, S. 147-152. 12. 105 v -106 v Rubrik: Dis ist eine tofele des lieben frúnt gottes in berlant vnd seit, wie sich ein iegelicher mensche oben sol bende vnd morgens, der gerne sin leben bessern wil vnd ewickliche behalten werden vnd vohet alsus ane vnd sprichet [‚Die tofele‘] Inhaltsangabe: Steer, IV 14. Ausgabe: Schmidt 1866, S. 202-204. 13. 106 v -111 r Rubrik: Dis ist das baner b chelin vnd warnet alle g thertzige menschen gar eigentliche mit grosseme erneste, wie sú sich h ten s llent vor alleme valschen rote ‚Großes deutsches Memorial‘ (A) 63 11. Lage (Bl. 115 -123) [‚Baner b chelin‘] Inhaltsangabe: Steer, III 2. Ausgabe: Jundt 1875, S. 211-214 (Auszug); Jundt 1879, S. 393-402. 14. 111 r -119 r Rubrik: Dis ist das b ch von den drien durch brúchen vnd von eime wol gelereten, richen pfaffen, der alle natúrliche, lipliche lúste vers hte vnd doch noch sinre m twilligen meinunge in allen creaturen keinen vollekomenen lust noch gen gede me vinden kunde, vntze noch sinen fúnf vnd zwentzig ioren das er sich mit erneste wart z [111 v ] gotte kerende vnd ein begnodeter, erlúhteter, andehtiger priester wart do vant er alrest rehte gen gede vnd gantzen vollekomenen friden vnd fr ide in dem heiligen geiste, dar us er meister Eckeharten, den grossen lerer, stroffete vnd gr sliche gebesserte, alse dis b ch seit das R leman merswin, vnser lieber stifter, mit sin selbes hant den br deren z einre gebesserlichen lere in wahs schreip vnd hie ane vohet vnd alsus sprichet [‚B ch von den drien durch brúchen‘] Inhaltsangabe: Steer, III 4. Ausgabe: Jundt 1875, S. 215-230. 15. 119 r -122 r Rubrik: Dis sint die siben werg der erbermede, die vnser lieber herre geistliche wúrket mit eime iegelichen menschen, alse dicke er in wirdikliche enpfohet in dem heiligen sacramente die schreip R leman us eins Juristen b ch vnd verbarg dar in sine hitzige, inbrúnstige, begirliche meinunge das die wort gemerret wurdent die er sime eben menschen von minnen wol gunde vnd sú doch von dem tikeit gegen niemanne wolte ffenliche us sprechen vnd ist ouch ein iegelich werg der erbermede beweret mit der heiligen [119 v ] sprúche vnd ouch die siben goben des heiligen geistes dar z geschriben usser eime anderen b che, das die bewereten lerer gemaht hant dar us ouch hie z geschriben ist, wie sich der mensche bereiten sol das er m ge wúrdeklich enpfohen das heilige sacramente, durch das got mit ime m ge gewúrken die vorgenanten siben werg der erbermede noch aller wise, alse sú hie noch an diseme gegenwertigen b che geschriben stont das alsus ane vohet vnd sprichet [‚Siben werg der erbermede‘; ‚Sieben Werke der Barmherzigkeit‘] Inhaltsangabe: Steer, III 6. Ausgabe: Strauch 1927a (ATB 22), S. 85-92. 16. 122 r -130 r Rubrik: Dis ist das b ch von der fúrkomenen gnoden vnd von der verdienlichen gnoden, in dem ouch geschriben stot die siben goben des heiligen geistes in einre anderen wise do z der liebe stif- Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 64 12. Lage (Bl. 124 -131) ter R leman merswin von gotte betwungen wart, das er dis selbe b ch schriben m ste, in sime aller hindersten siechetagen der grossen geswulst des er ouch z hant dar noch starp vnd do er sich dis schribendes usser grosser dem tikeit werete vnd sine lipliche grosse krangheit fúrbot do mitte er sich des schribendes gerne entslagen hette Do wart innerliche von gotte z ime gesprochen, was ime die krangheit sines libes schatte, got liesse ime doch das houbet gesunt vnd starg vnd er endorfte es ouch ime selber nút z legen er solte es in das brunlouf b chelin schriben vnd die ere gotte geben vnd das werg z legen br der Johanse von rúsebr ch, dem lieben heiligen waltpriestere in brobant do mitte ouch dise selbe materie ane gefangen vnd begriffen ist vnd alsus sprichet [‚B ch von der fúrkomenen gnoden‘] Inhaltsangabe: Steer, III 5. Ausgabe: Obd. Fassung vgl. Eichler 1969, S. 39f., sowie S. 81f. (Buch I, Z. 1-32), S. 83-88 (Buch I, Z. 53-165); S. 132-135 (Buch II, Z. 333- 380); S. 145-149 [! ] (Buch II, Z. 622-689 [! ]); S. 190-198 (Buch II, Z. 1684-1897); S. 199- 202 (Buch II, Z. 1922-1992); Engelhardt 1838, S. 347-382 (nach München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 818). [Rest von Bl. 130 r unbeschrieben] IV. Zweiter Hauptteil: ‚b ch von den nún veilsen‘, ‚b ch von den zwey menschen‘ und ‚b ch von dem meister‘ 1. 130 v -131 v Rubrik: H ie vohet anderwerbe ane drie tofelen mit iren materien Die erste seit von dem b che mit den nún veilsen Die andere von dem b che der zweyer menschen Die dirte von des meisters b ch mit der bersten zilen der drie vnd zwentzig b staben des abecees Dise selben drú húndersten b cher wurdent nút gemeinet z schribende in kein dirre zweyer tútschen memoriale b cher alse ouch die Rubericke seit z aller vorderst in dem kleinen tútschen b che Aber durch das ir von vnahtsamkeit deste minre verogesset werde vnd ouch nút verlorn werdent vnd den br dern vnder zogen von us lihendes wegen so ist ane gesehen, das me leyen denne pfaffen sint in des lieben sancte Johans orden wanne er uffe ritterschaft gestiftet ist, der cristenheit z eime schirme vnd súnderliche dis hus z dem Gr nenwerde us g ttelicher fúrsihtikeit ist ernuwert worden z eime fluhthufe [sic! ] g thertziger menschen, in dem noch vil leyen m htent wonende werden, die nút latine kúnnent, den doch die tútschen b cher gar nútze vnd tr stlich sint Also das die pfaffen vnd die leyen von allen disen materien bestetiget und gesterket werdent in minnen vnd in z uersiht, do mitte sú in selber gemeinsament vnd fruhtber ‚Großes deutsches Memorial‘ (A) 65 13.-17. Lage (Bl. 132 -191) 18.-20. Lage (Bl. 192 -227) 21. Lage (Bl. 228 -239) machent die br derliche truwe vnd geselleschaft der wúrdigen patronen vnd der minnenrichen, erlúhteten stifter vnd der grossen genoden dirre heiligen houestat vnd alles das g t, das got in zit vnd in ewikeit mit solichen sinen frúnden, vnseren getruwen vetteren, in úber natúrlicher wise ie gewúrkete, alse z latine vnd z tútsche in disen drien gemeinen memoriale b cheren geschriben stot Die selben materien ouch alle dar vmb alsus hie versamelt sint in der meinunge, das sú den br deren vnd allen personen z dem Gr nenwerde alle zit stetikliche deste gegenwertiger sint, z weler zit sú ieman bruchen oder haben wil, das men ir denne keinen mangel niemer gewinne, alse men tete, obe sú zespreitet vnd geteilet werent bliben iegeliche in ein sunder b ch, des einre alleine gewaltig were vnd eigenschaft dar ane haben wolte, vnd vil anderre personen nút dar von enwustent In solicher wise sint die Cappittele des b ches von den nún veilsen in diser ersten tofelen alle hie genennet vnd namhaftekliche intytulieret vnd mit der zale gezeichent, die selbe zale dar noch an alle bletter eines iegelichen Cappittels súnderliche geschriben stot, es sige kurtz oder lang [Vorwort zu den drei ‚Materien‘; Inhaltsverzeichnis und Vorbemerkung zu Rulman Merswins ‚b ch von den nún veilsen‘] Ausgabe: Rieder 1905, S. 35*19-38*13. [Rest von Bl. 131 v unbeschrieben] 2. 132 r -192 v Rubrik: I tem das erste capitel ist die vor rede, dem sprichet ein prologus, vnd seit von dem nutze dirre warnenden lere [‚B ch von den nún veilsen‘] Inhaltsangabe: Steer, III 3. Ausgabe: Schmidt 1859 (nach J); Strauch 1929 (nach J). 3. 192 v -229 r Rubrik: D is ist die ander tofele dis hindersten teiles, in der die capitele von den zweyen menschen alle von erst hie genennet sint vnd namhaftikliche intytulieret vnd mit der zale gezeichent Die selbe zale dar noch an alle bletter eins iegelichen capitels súnderliche geschriben stot es si kurtz oder lang [‚B ch von den zwey menschen‘; ‚Buch von den zwei Mannen‘] Inhaltsangabe: Steer, IV 1. Ausgabe: Schmidt 1866, S. 205-277; Lauchert 1896 (nach H). 4. 229 r -262 v Rubrik: D ie dirte materie dis hindersten teiles ist des meisters b ch mit dem a b c der drie vnd zwentzig b staben, das der liebe gottes frúnt in berlant, R lman merswins geselle, des selben Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 66 22. Lage (Bl. 240 -251) 23. Lage (Bl. 252 -263) 24. Lage (Bl. 264 -275) meisters geistlicher sun vnd getruwer rotgebe, in eime bapire mit sin selbes hant geschriben her abe sante vnd ouch gar eine gnodenriche, besserliche missiue, einen sende brief, den br dern z dem gr nen werde in den ziten, do die weltlichen priestere die kirche besungent vnd regiertent us ben munge vnd gunste des bobestes, vor dem es in erworben wart, des iares, do men zalte von gottes gebúrte dritzehen hundert iar sehtzig vnd nún iar Die selbe missiue vnd ouch eine bredige von dem heiligen sacramente ist hie vnder wegen gelossen wenne sú geschriben stont in dem xxviii capitele des andern kleinen tútschen memoriale b ches vnd vohet hie ane eine tofele, in der die capitele von des selben vorgenanten meisters leben vnd bungen alle von erst hie genennet sint vnd namhaftikliche intytulieret vnd mit der zale gezeichent die selbe zale dar noch an alle blettere eins iegelichen capitels súnderliche geschriben stot, es sige kurtz oder lang [‚B ch von dem meister‘] Inhaltsangabe: Steer, IV 17. Ausgabe: Schmidt 1875. 5. 262 v -272 r Rubrik: D is ist ein exemplar der grossen, grundelosen g te vnd erbermede gottes, das billiche alle súnder reissen sol z eime geworen ruwen vnd do bi sú ouch m gent geleret werden, wie sú sich halten súllent noch der bekerden alse ein alter, gnodenricher, erlúhteter, heiliger br der in eime closter lerete einen iungen, súndigen priester, hies br der walther dem ein grosser, starker, vnbetrogener, kreftiger ruwe wart vmb alle sine súnde durch das wirdige liden vnsers herren in einre karfritag naht z mettin Dis selbe exemplare wart ouch R lman merswine, vnserme stifter, in sime ersten kere her abe geschriben von sime heimelichen gesellen, dem lieben gottes frúnde in berlant [‚Exemplar [...] alse ein alter, gnodenricher, erlúhteter, heiliger br der in eime closter lerete einen iungen, súndigen priester, hies br der Walther‘; ‚Dialog eines Klosterbruders mit einem jungen Priester namens Walther‘] Inhaltsangabe: Steer, IV 15. Ausgabe: Strauch 1927a (ATB 22), S. 60-84. 6. 272 r -273 r Rubrik: D is ist gar eine nútzliche letze allen den, der sich got (korrigiert aus gottes) mit sunderheite ane genummen het, das er sú f ren vnd leiten wil die neheren, sicheren, gerehten wege ettewas noch irme vermúgende ime noch durch manigfaltig, verborgen, heimelich liden innerlicher vnd usserlicher fr meder bekorungen Dise selbe letze mit dem gebette, das do vor stot, wart gegeben einre erberen iungfrowen von irme bihter, den selben bihter R lman, vnser stifter, gr sliche minnete vnd vil sinre heimelicheite wuste vnd vohet das gebet von erste alsus ane ‚Großes deutsches Memorial‘ (A) 67 [‚Nútzliche letze‘; ‚Nützliche Lehre an eine Jungfrau mit vorangehendem Gebet‘] Auf ein Gebet folgt die Lehre eines Beichtvaters an eine Jungfrau, wie sie mit den ihr von Gott auferlegten Prüfungen umgehen solle. Wie ein Ritter sich nur durch Tapferkeit im Kampf auszeichnen könne, so solle auch sie das Leiden nicht fliehen, sondern es dankbar in der Nachfolge Christi annehmen. Ausgabe: Strauch 1927a (ATB 22), S. 93-96. 7. 273 rv Rubrik: Dis ist ein andehtig, g t gebet vnd ermanunge von dem lidende vnsers herren, nútzliche vnd fruhtber allen den menschen, die es tegeliche ben vnd betten wellent mit begirlicheme hertzen, mit g ttelicher meinunge vnd misseval irre súnden die m gent vil grosser gnoden von der milten, grundelosen erbermede gottes dar durch erwerben vnd enpfohen vnd sunder allen zwifel ewekliche niessen [‚Ein andehtig, g t gebet vnd ermanunge von dem lidende vnsers herren‘; ‚Schürebrand‘] Inhaltsangabe: Kurt Ruh, ‚Schürebrand‘, in: 2 VL Bd. 8 (1992), Sp. 876-880. Ausgabe: Strauch 1903. 8. 273 v -274 v Rubrik: Dis ist eine warnende lere vor den verschuldeten, kúnftigen pflogen gottes schreip der gnodenriche, erlúhtete lerer Br der Johans tauweler von sancte dominicus orden eime simme lieben frúnde in den ziten, do die grossen, erschr ckenlichen ertbidemen alle koment Des Jores, do man zalte von gottes gebúrte dritzehen hundert ior fúnfzig vnd sehs Jare [‚Warnende lere [...] schreip der gnodenriche, erlúhtete lerer Br der Johans tauweler‘] Der Text warnt vor den sich abzeichnenden Plagen des Jüngsten Gerichts, die nur durch festen Glauben und Gehorsam gegenüber der Kirche zu bestehen sind. Ausgabe: Jundt 1879, S. 403-405. 9. 274 v -276 r [Ermahnung und Gebet in Reimen] Incipit (rot geschrieben): Welle n ieman gerne dise materien lesen | vnd in der selben menschen zale wesen | Die s llent sich regieren irme bilde noch [...] Explicit: Des helfent vns, ir lieben heiligen, alle bitten | vnsern herren ihesum xp die grundelose g te | Das er vns vor alleme vnheile ewekliche beh te amen Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 68 Bl. 276 25. Lage (Bl. 277 -280) Ausgabe: Rieder 1905, S. 45* 11-35; Lanczkowski, S. 313-316 (Übertragung ins Nhd.). 10. 276 r [Tod Konrads von Braunsberg] Incipit: A nno D m ccc lxxxx an sunnentage vor sant lucien tage sci tercie Iú decembris Do starp der erwúrdige geistliche herre [...] Explicit: Das sú vnser herren deste flisseclicher fúr in bittent als sú schuldig sint ze t nde vnd sunderlich die br der z dem Gr nenwerde den er vil truwen vnd minnen bewiset het mit grosser stúre vnd helfe als etteliche ire b cher vnd briefe wol wisent Ausgabe: Rieder 1905, S. 46* 1-12. [Bl. 276 v unbeschrieben] 11. 277 r -278 r Rubrik: Dis ist ein tofele h rt bi ein gemeltze von dem Júngesten gerihte, wie vnser herre vrteilet alle kúnne der menschen, einen ieglichen noch sime verdienende [Gedichte im Anschluß an ein Gemälde des Jüngsten Gerichts] Ausgabe: Rieder 1905, S. 46*14-47*3. 12. 278 v -280 v Rubrik: D is ist eine tofele von dem sterbenden menschen h ret z einer gemoleten figuren wie die túfele kriegent vmbe die sele, Die frúnt vmbe daz g t vnd die wurme vmbe den lip [Gedicht im Anschluß an ein Gemälde zur Todesstunde] Ausgabe: Rieder 1905, S. 47*5-30. [Rest von Bl. 280 v unbeschrieben] D ATIERUNG : Die bisher vorgenommenen Untersuchungen der Handschrift datieren diese in die letzten drei Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts: Während Schmidt annimmt, das Manuskript sei zwischen 1389 und 1390 entstanden, 62 nennt Rieder als terminus post quem das Jahr 1391; 63 Krebs hingegen grenzt den Entstehungszeitraum auf 1371 bis 1391 ein. 64 Eine genauere zeitliche Bestimmung der Genese des Manuskripts wird durch widersprüchliche Angaben im Codex selbst erschwert: Zwar erlaubt die ausgewiesene Entstehungszeit der Texte eine frühe Datierung - die Einleitung des ‚Vrsula‘-Traktates berichtet, der Text sei Des iores, do men zalete von gottes gebúrte dritzehen hundert sibentzig vnd súben iare auf Wachstafeln geschrieben worden 62 Karl Schmidt, Nicolaus von Basel. Leben und ausgewählte Schriften, S. VII. 63 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 22. 64 Engelbert Krebs, Merswin, Rulmann, in: 1 VL Bd. 3 (1943), Sp. 355-368, hier Sp. 355. ‚Großes deutsches Memorial‘ (A) 69 (Bl. 46 r ; Rieder 1905, S. 26*13), und auch das ‚b ch von zweyen heiligen closter frowen in peyerlant‘ wird auf 1378 datiert (Bl. 61 v ; Rieder 1905, 26*35); innerhalb der Einleitung zum ersten Teil des Manuskripts (Bl. 7 r , Rieder 1905, S. 17*4; Bl. 7 v , Rieder 1905, S. 20*2; Bl. 8 v , Rieder 1905, S. 23*8) und in der Rubrik zum ‚b ch von der fúrkomenen gnoden‘ (Bl. 122 r ; Rieder 1905, S. 34*7) ist jedoch vom Tod Rulman Merswins die Rede. Der Todestag Merswins, der 18. Juli 1382, bildet somit einen terminus post quem für die Entstehung der Handschrift. Die in der ersten Lage enthaltenen Urkundenabschriften geben zudem weitere Hinweise, wann der Codex in seiner überlieferten Gestalt fertiggestellt wurde. Auf Bl. 6 v (Rieder 1905, S. 15*4ff.) findet sich die Kopie einer Urkunde Konrads von Braunsberg, die am 21. Januar 1385 ausgestellt wurde. In dieser bestätigt der Johannitermeister, das mit vnserme willen vnd wissende z latine vnd z tútsch in drú b ch geschriben ist alle die l ffe, alse wir vernommen vnd geh ret hant von erbern personen, wie das hus z dem gr nen werde in dem aller ersten ursprunge von alter ist har kummen (Bl. 6 v ; Rieder 1905, S. 15*4-9). Laut Eintrag auf Bl. 6 r (Rieder 1905, S. 14*16, 25) handelt es sich bei einem der in dieser Urkunde bestätigten Urkundenbücher um das vorliegende ‚Große deutsche Memorial‘. Obwohl die Kopie der Urkunde erst nach deren Ausstellungsdatum, dem 21. Januar 1385, in A eingetragen worden sein kann, muß der Codex in seinem Grundstock, d.h. ab Bl. 7 r , somit bereits zuvor, genauer zwischen dem 18. Juli 1382 (Merswins Todestag) und dem 21. Januar 1385 (Ausstellungsdatum der Urkunde, deren Abschrift auf Bl. 6 v erhalten ist), entstanden sein, um im Original der Urkunde erwähnt werden zu können. Dieser Datierung widerspricht jedoch eine Notiz auf Bl. 1 v : Über die Stiftungsurkunde der Jakobsmesse durch Heinrich Blankhart von Löwen wird berichtet, sie sei nach ihrer Ausstellung im Jahr 1372 úber núntzehen ior [d.h. bis in das Jahr 1391 ...] in dem latine urk nde b che enthalten gewesen (A, Bl. 1 v ; Rieder 1905, S. 5*2). 65 Aus diesen widersprüchlichen Angaben - das ‚Große deutsche Memorial‘ ist 1385 bezeugt, berichtet jedoch von Ereignissen des Jahres 1391 - schließt Rieder, „daß die schon im Jahre 1385 ausgestellte Urkunde Konrads von Braunsberg nicht das Große Deutsche Memorial in seiner jetzigen, erst ums Jahr 1391 vollendeten Gestalt im Auge haben konnte“, 66 sich vielmehr ausschließlich auf den ersten Teil der Handschrift (Bl. 7- 131), die 16 mystischen Traktate, beziehe und den Leser somit in die Irre führe, indem sie eine Autorisation des vorliegenden Codex durch den Meister der Johanniter in deutschen Landen suggeriere. 67 Dieser These, dem zunächst selbständig gebundenen ersten Teil der Handschrift würden erst „einige Jahre später“ das ‚b ch von den zwey menschen‘, das ‚b ch von dem meister‘ und das ‚b ch von den nún veilsen‘ angefügt, 68 widerspricht jedoch die große kompositorische und kalligraphische Ein- 65 Das hier erwähnte lateinische Urkundenbuch ist nicht überliefert, da es bereits kurz nach seiner Erstellung in zwei Handschriften aufgeteilt wurde, von denen eine, das ‚Zweite übriggebliebene Lateinbuch‘ (Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2184 [C]), im Original, der andere Teil nur in einer ‚Abschrift‘ (Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 738 [G]) erhalten ist (für eine nähere Erläuterung des Verhältnisses dieser Handschriften zum hier erwähnten lateinischen Urkundenbuch s. unten, S. 135-139). 66 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 23. 67 Ibid., S. 22. 68 Ibid., S. 18. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 70 heitlichkeit des ersten und zweiten Teils, die zudem von der gleichen Hand geschrieben wurden. Geht man daher gegen Rieder davon aus, daß die Neukonzeption der Handschrift noch während ihrer Fertigstellung, d.h. ohne einen größeren zeitlichen Abstand, vorgenommen wurde (s. unten: Geschichte der Handschrift, S. 70-73), liegt der Urkundenabschrift auf Bl. 6 rv keine Täuschungsabsicht zugrunde. Die von Konrad von Braunsberg bezeugte Anfertigung der Urkundenbücher sowie die von ihm erlassenen Regeln ihrer Aufbewahrung eröffneten ehemals den Codex, d.h. der um zwei Blätter verminderte Quaternio am Beginn des Manuskripts (Bl. 1-6) wurde zunächst nur auf Bl. 6 rv mit einem Titel versehen, blieb ansonsten aber unbeschrieben. Allein auf diesen durchgängig von der Haupthand geschriebenen Teil der Handschrift (Bl. 6 r -276 r ) bezieht sich das 1385 ausgestellte Dokument, während die Bemerkungen zu den Stiftungen Heinrich Blankharts und Werners von Hüneburg ebenso wie der Nekrolog auf den 1390 verstorbenen Konrad von Braunsberg (Bl. 276 r ), welche durch den Bezug auf das Jahr 1390 bzw. 1391 zu den benannten Schwierigkeiten in der Datierung führten, von drei weiteren Händen nachträglich ergänzt wurden. G ESCHICHTE DER H ANDSCHRIFT : Die Anlage der Handschrift wurde während ihrer Niederschrift verändert. Nachdem eine Inhaltsangabe des ‚Ersten, lateinischen Memorials‘ gegeben wurde, wird das Konzept des ‚Großen deutschen Memorials‘ auf Bl. 7 v folgendermaßen beschrieben: Item alsus seit das latine b ch von allen disen vorgenanten b chern vnd vohet hie an ein ander b ch z tútsche In dem sint geschriben die úberigen b cher der egenanten vnserre zweyer stiftere die nút in dem latine b che geschriben stont (Bl. 7 v ; Rieder 1905, S. 19*31-34). Auf Bl. 130 v heißt es, dem ‚b ch von den nún veilsen‘ beigegeben, dann jedoch: H ie vohet anderwerbe ane drie tofelen mit iren materien Die erste seit von dem b che mit den nún veilsen Die andere von dem b che der zweyer menschen Die dirte von des meisters b ch mit der bersten zilen der drie vnd zwentzig b staben des abecees Dise selben drú húndersten b cher wurdent nút gemeinet z schribende in kein dirre zweyer tútschen memoriale b cher alse ouch die Rubericke seit z aller vorderst in dem kleinen tútschen b che Aber durch das ir von vnahtsamkeit deste minre verogesset werde vnd ouch nút verlorn werdent vnd den br dern vnder zogen von us lihendes wegen so ist ane gesehen, das me leyen denne pfaffen sint in des lieben sancte Johans orden wanne er uffe ritterschaft gestiftet ist, der cristenheit z eime schirme vnd súnderliche dis hus z dem Gr nenwerde us g ttelicher fúrsihtikeit ist ernuwert worden z eime fluhthufe [sic! ] g thertziger menschen, in dem noch vil leyen m htent wonende werden, die nút latine kúnnent, den doch die tútschen b cher gar nútze vnd tr stlich sint Also das die pfaffen vnd die leyen von allen disen materien bestetiget vnd gesterket werdent in minnen vnd in z uersiht, do mitte sú in selber gemeinsament vnd fruhtber machent die br derliche truwe vnd geselleschaft der wúrdigen patronen vnd der minnenrichen, erlúhteten stifter vnd der grossen genoden dirre heiligen houestat vnd alles das g t, das got in zit vnd in ewikeit mit solichen sinen frúnden, vnseren getruwen vetteren, in úber natúrlicher wise ie gewúrkete, alse z latine vnd z tútsche in disen drien gemeinen memoriale b cheren geschriben stot Die selben materien ouch alle dar vmb alsus hie versamelt sint in der meinunge, das sú den br deren vnd allen personen z dem Gr nenwerde alle zit stetikliche deste gegenwertiger sint, z weler zit sú ieman bruchen oder haben wil, das men ir denne keinen mangel niemer gewinne, alse men tete, obe sú zespreitet vnd geteilet werent bliben iegeliche in ein sunder b ch, des einre alleine gewaltig were ‚Großes deutsches Memorial‘ (A) 71 vnd eigenschaft dar ane haben wolte, vnd vil anderre personen nút dar von enwustent (A, Bl. 130 v ; Rieder 1905, S. 35*19-36*14). [Hier beginnen nochmals drei Tafeln mit ihren Materien: Die erste berichtet vom Buch mit den neun Felsen, die zweite vom Buch der zwei Menschen, die dritte über das Meisterbuch mit der höchsten Zeile der 23 Buchstaben des Alphabets. Dieselben drei letzten Bücher waren nicht dazu bestimmt, in eines der zwei deutschen Memorialbücher geschrieben zu werden, wie auch die Rubrik am Anfang des kleinen deutschen Buches vermerkt. Aber damit sie durch Unachtsamkeit um so weniger vergessen werden und auch nicht verloren werden und auch den Brüdern nicht durch Ausleihen entzogen werden, so wurde berücksichtigt, daß mehr Laien als Kleriker im lieben Johanniterorden sind, da er auf Ritterschaft gegründet wurde, der Christenheit zum Schutz; und besonders dieses Haus zum ‚Grünen Wörth‘ wurde aus göttlicher Vorsicht zu einer Zuflucht (? ) gutherziger Menschen erneuert, in der zukünftig noch zahlreiche Laien leben können, die kein Latein können, denen aber die deutschen Bücher sehr nützlich und trostreich sind, so daß die Kleriker und Laien durch all diese Materien befestigt und gestärkt werden in der Liebe und Zuversicht, durch die sie selber teilhaben an und förderlich sind der brüderlichen Treue und Gemeinschaft der würdigen Patrone und der liebevollen, erleuchteten Stifter und der großen Gnade dieser heiligen Wohnstätte und all dem Guten, das Gott in Zeit und in Ewigkeit mit diesen seinen Freunden, unsern getreuen Verwandten, in übernatürlicher Weise jemals wirkte, wie in Latein und Deutsch in diesen drei gemeinschaftlichen Memorialbüchern geschrieben steht. Dieselben Materien werden auch mit der Absicht hier versammelt, daß sie den Brüdern und allen Personen auf dem ‚Grünen Wörth‘ stets um so gegenwärtiger sind, wann auch immer sie jemand benutzen oder haben will, daß man dann niemals einen Mangel an ihnen erleide, wie man es täte, wenn sie jeweils in ein gesondertes Buch zerstreut und verteilt geblieben wären, über das einer allein die Gewalt habe und es in Besitz nehmen wollte, und viele andere Personen wüßten nichts darüber.] Aus diesen Angaben läßt sich eine zweistufige Genese der Handschrift erschließen. Zunächst wurden Bl. 7 r -130 r (Lage 2 bis 12) 69 mit sechzehn Traktaten samt Vorbemerkung und Inhaltsverzeichnis geschrieben. 70 Zu einem späteren Zeitpunkt wird die Konzeption der Handschrift verändert und drei weitere ‚Materien‘ angeschlossen, für die die Lagen 13 bis 23 (Bl. 132-275) an die Handschrift gebunden wurden. Die unbeschriebenen Schlußseiten der 12. Lage (Bl. 130 v -131 v ) werden für Vorbemerkungen und Inhaltsangabe dieses zweiten Teils genutzt (Rieder 1905, S. 35*19- 38*13), danach das ‚b ch mit den nún veilsen‘, das ‚b ch von den zwey menschen‘ und das ‚b ch von dem meister‘ bis Bl. 262 v ergänzt. Diese Erweiterung der Handschrift um drei materien wird im Inhaltsverzeichnis zu Beginn des Codexes (Bl. 7 v -9 r ) nicht - wie für die 16 Traktate des ersten Hauptteils üblich - Text für Text aufge- 69 Auch der veränderte Aufbau der elften und zwölften Lage deutet auf einen zunächst hier geplanten Abschluß: Die elfte Lage besteht aus fünf statt der üblichen sechs Doppelblätter, vom inneren Doppelblatt wurde die zweite Hälfte, das ursprüngliche Bl. 120, herausgetrennt. Auch Lage 12 bildet nur einen Quaternio. 70 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 103; Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 17f. Ob Bl. 7 r -9 r tatsächlich, wie von Rieder aufgrund der höheren Zeilenzahl angenommen, erst nach dem Text der Traktate beschrieben wurde, ist nicht abschließend zu klären. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 72 führt und einzeln numeriert, sondern wird summarisch und somit wahrscheinlich nachträglich als 17. Punkt in die Inhaltsübersicht aufgenommen: xvij. I tem z iúngest noch der egenanten hindersten materien, die do seit von der fúrkummenen gnoden vnd von der verdienlichen gnoden, ist ouch in tútsch geschriben die drú búch von den nún veilsen von den zwein menschen vnd von dem meister mit dem a b c iegeliches mit einre vorgonden, súnderlingen tofelen vnd nuwen ane vohenden zale, die uf ein iegelich capitel vnderscheidenliche wiset (A, Bl. 9 r ; Rieder 1905, S. 23*29-34). Da die Varia, welche den Codex beschließen (Bl. 262 v -276 r ), in dieser Aufstellung fehlen und die 23. Lage zudem mit Bl. 263 endet, ist es möglich, daß der sekundär angefügte zweite Teil des ‚Großen deutschen Memorials‘ diese Traktate ursprünglich nicht umfaßte, es sich folglich um Ergänzungen handelt; eine Veränderung im Schriftduktus der Handschrift ist allerdings nicht zu erkennen: Der gesamte Haupttext (Bl. 7-276, Z. 28; Abb. 7b) ist von einer Hand geschrieben, d.h., die Umgestaltung ist wahrscheinlich noch während der Fertigstellung des Manuskripts vorgenommen worden. Nun werden die erste (Bl. 1-6) und letzte Lage (Bl. 277-280) angefügt und von gleicher Hand zunächst zur Erstellung eines Titelblatts, das bereits beide Teile der Handschrift benennt (Bl. 6 r ; Rieder 1905, S. 14*16-15*3; Abb. 6b), und für die Kopie einer Bestätigungsurkunde des Meisters der Johanniter in deutschen Landen genutzt (Bl. 6 v ; Rieder 1905, S. 15*4-16*10; Abb. 7a). Erst im Nachhinein fügen eine zweite (Abb. 1, 2a, b und 3a) und dritte Hand (Abb. 3a-5b) auf Bl. 1-5 Bemerkungen über die Jahreszeitenstiftung Heinrich Blankharts und seiner Frau Luitgard und die Stiftung Werners von Hüneburg hinzu. Der gleiche Schreiber, der die Aufzeichnungen auf Bl. 2 v bis 5 r anschließt, trägt auch die ‚Bildgedichte‘ auf der letzten Lage ein (Bl. 277 r -280 v ; vgl. das Digitalisat unter: www.bnu.fr/ collections/ la-bibliotheque-numerique/ la-mystique-rhenane). Der Nekrolog auf Konrad von Braunsberg (Bl. 276 r ab Z. 29, terminus post 11. Dezember 1390; vgl. das Digitalisat unter: www.bnu.fr/ collections/ la-bibliotheque-numerique/ la-mystique-rhenane) ist ein späterer Nachtrag einer vierten Hand. Die skizzierte sukzessive Erstellung des Codexes ermöglicht eine differenzierte Datierung: Auch wenn was Manuskript durch den Anschluß der drei materien des ‚b ch von den nún veilsen‘, des ‚b ch von den zwey menschen‘ und des ‚b ch von dem meister‘ eine wesentliche Erweiterung erfuhr (Bl. 132-275) wurde der gesamte, von einer Hand geschrieben Hauptteil der Handschrift (Bl. 6 r -276 r , Z. 28) zwischen dem 18. Juli 1382 (Todestag Merswins; vgl. Bl. 122 r ) und dem 21. Januar 1385 (Urkundliche Beglaubigung der drei Urkundenbücher; vgl. Bl. 6) fertiggestellt, da die Umgestaltung bereits während der Anlage des Manuskripts stattfand. Der Nachtrag des Nekrologs Konrads von Braunsberg (Bl. 276 r ab Z. 29) wurde nach 1390, die Zusätze am Anfang (Bl. 1 r -5 r ) und Ende des Codexes (Bl. 277 r -280 v ) wahrscheinlich im Jahr 1391 vorgenommen. Nach seiner Fertigstellung scheint der Codex zunächst über 400 Jahre im Besitz der Johanniter geblieben zu sein, da er sich auch nach der Zerstörung der Komturei im Zuge der Verstärkung der Stadtbefestigung im Jahr 1633 und der sich 1686/ 87 anschließenden Umsiedlung in die Kirche St. Marx noch im Besitz der Johanniter befindet, wie das Ex libris verdeutlicht, das die Handschrift auf der Innenseite des ‚Großes deutsches Memorial‘ (A) 73 Vorderdeckels dem Domus ordinis S. Joannis Hierosol mitani, ad uiridem Insulam Dicta Argentinae A o 1633 destructa zuweist. Dieses Ex libris wurde also erst nach der Umsiedlung, wahrscheinlich erst im 18. Jahrhundert, erstellt. Es ist möglich, daß es 1746 im Zuge der Zusammenlegung der Straßburger Bibliothek mit jener der Schlettstatter Komturei unter Komtur Johann Baptist Kentzinger in die Handschriften eingeklebt wurde. Nach der Französischen Revolution wurde die Johanniterbibliothek aufgelöst, und das vorliegende Manuskript gelangte - wie die Mehrzahl der konfiszierten Bücher elsässischer Klosterbibliotheken - in den Bestand der Straßburger Stadtbibliothek. 71 V ERHÄLTNIS ZU ANDEREN H ANDSCHRIFTEN : Das ‚Große deutsche Memorial‘ zählt nach den in den Handschriften der Johanniterkomturei gemachten Angaben zu den drie[ ] vrkúnde b cher[n] (A, Bl. 6 r ; Rieder 1905, S. 14*16), d.h. zur zweiten Überlieferungsstufe der Handschriften auf dem ‚Grünen Wörth‘, die gleich nach der auf Wachstafeln und z.T. in ‚Autographen‘ überlieferten, ersten Niederschrift der Texte entstanden ist: D is ist der drier vrkúnde b cher eins das andere, vnd ist gliche gros an modele dem ersten, latine b che. In dis selbe gegenwertige andere b ch ist z samene geschriben alle die t tschen b chere die R lman merswin selige, vnser lieber stifter, vnlange vor sime tode den br dern in wahs schreip von vil mirackeln vnd von grossen, úber natúrlichen, fr meden wundern, die got mit ettelichen sinen frúnden gewúrcket het alse dem vorgenanten R lman merswine z eime exemplare von berlant her abe geschriben wart in sime ersten ane fange, do er begunde sin leben z bessernde vnd der welte urlob z gebende I tem dar z ist ouch har in dis andere b ch z tútsch geschriben die drie materien von den nún veilsen, von den zwein menschen vnd von dem meistere mit dem a b c , die in dem ersten b che z latine geschriben stont vnd in dem dirten, dem minnesten, vnder wegen sint gelossen (A, Bl. 6 r ; Rieder 1905, S. 14*16-28). [Dies ist eines der drei Urkundenbücher, das zweite, das dasselbe Format hat wie das erste, lateinische Buch. In demselben vorliegenden zweiten Buch sind alle deutschen Bücher zusammengetragen, die der selige Rulman Merswin, unser lieber Stifter, kurz vor seinem Tod den Brüdern auf Wachstafeln aufschrieb von vielen Zeichen und großen, übernatürlichen, sonderbaren Wundern, die Gott mit manchen seiner Freunde gewirkt hat, so wie es Rulman Merswin in einer Vorlage aus dem Oberland herab geschrieben wurde in seinem ersten Anfang, als er begann sein Leben zu bessern und sich von der Welt abzukehren. Darüber hinaus sind auch in dieses zweite Buch in Deutsch die drei Materien der neun Felsen, der zwei Menschen und des Meisters mit dem ABC geschrieben, die im ersten Buch in Latein aufgeschrieben sind und im dritten, dem kleinsten, weggelassen wurden.] Neben dem ‚Großen deutschen Memorial‘ - dem zweiten Urkundenbuch - existierte folglich ein erstes, lateinisches Memorial und ein kleine[s] vrkúnde b che (A, Bl. 4 r ; Rieder 1905, S. 12*4, 35*26), das wörtlich mit dem lateinischen Urkundenbuch übereinstimmte und lediglich das ‚Neunfelsenbuch‘, das ‚Zweimannenbuch‘ und das ‚Meisterbuch‘ gegen drei Artikel der Ordensregel austauschte: 71 Julius Rathgeber, Die handschriftlichen Schätze der früheren Straßburger Stadtbibliothek. Ein Beitrag zur elsässischen Bibliographie, Gütersloh 1876, S. 9 und 132f. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 74 Item das selbe dirte b ch z tútsche geliche seit von worte z worte dem ersten, latine b che, us genomen diser selben vorgenanten drier materien wenne das die drie artikele kúschikeit, gehorsame vnd arm t, aller geistlicher ergebener lúte gel bede, ouch dar inne stont z aller nehest noch vnsers ordens regele vnde nút in dem ersten latine b che (A, Bl. 6 r ; Rieder 1905, S. 14*29-33). [Dasselbe dritte Buch berichtet auf Deutsch wörtlich dasselbe wie das erste lateinische Buch, mit Ausnahme der zuvor genannten drei Materien, weil die drei Artikel Keuschheit, Gehorsam und Armut, die Gelübde aller geistlichen, entsagenden Menschen, zuletzt auch darin stehen im Anschluß an unsere Ordenregel und nicht in dem ersten, lateinischen Buch.] Das (chronologisch) erste Urkundenbuch ist das lateinische, da A bereits eine komplette Inhaltsangabe desselben innerhalb des ältesten Teils der Handschrift geben kann (A, Bl. 7 r ; Rieder 1905, S. 17*25-19*30). Dieses lateinische Memorial diente aber nicht - wie Rieder annimmt 72 - als Vorlage für A, vielmehr sollten sich die beiden Handschriften ergänzen: Item alsus seit das latine b ch von allen disen vorgenanten b chern vnd vohet hie an ein ander b ch z tútsche In dem sint geschriben die úberigen b cher der egenanten vnserre zweyer stiftere die nút in dem latine b che geschriben stont (A, Bl. 7 v ; Rieder 1905, S. 19*31-34). [So berichtet das lateinische Buch über alle die zuvor benannten Bücher und hier beginnt ein zweites Buch auf Deutsch, in diesem sind die übrigen Bücher unserer zuvor genannten zwei Stifter aufgezeichnet, die nicht in das lateinischen Buch geschrieben wurden.] Nur der zweite Teil des ‚Großen deutschen Memorials‘ (Bl. 130 v -280 v ), der erst nachträglich in die Handschrift eingefügt wurde, enthält, wie oben erläutert, Texte, die - laut Inhaltsangabe in A - auch im lateinischen Memorial vorhanden waren. Dieser gegenseitigen Ergänzung scheinen Überlegungen zu den unterschiedlichen Lesergruppen der Handschriften zugrundezuliegen: Während das lateinische Urkundenbuch sich an die Ordensgeistlichen richtet, soll das ‚Große deutsche Memorial‘ den Laienbrüdern zur geistlichen Stärkung und Ermahnung an die Tradition der Stiftung dienen. Das Verhältnis zum dritten Urkundenbuch, dem ‚Kleinen deutschen Memorial‘, ist nur schwer zu erschließen, da diese Handschrift nicht überliefert ist und neben der oben gegebenen, sehr allgemeinen Inhaltsangabe nur zwei Einzelstücke des Memorials in anderen Manuskripten identifiziert werden: Das 18. Kapitel bildete die ‚hinderste stroffunge Rulmans‘ (C, Bl. 55 r ; Rieder 1905, S. 146*26-28), das 28. Kapitel die Sakramentspredigt und den Begleitbrief zum ‚Meisterbuch‘ (A, Bl. 229 r ; Rieder 1905, S. 42*14f.). Da der Codex in der Einleitung zum zweiten Teil des ‚Großen deutschen Memorials‘ erwähnt wird (Bl. 130 v ), muß auch die kleine volkssprachliche Handschrift bereits vorgelegen haben, als die Umgestaltung von A vorgenommen wurde. 72 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 26. ‚Briefbuch‘ (B) 75 B ‚Briefbuch‘ Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2185 B ESCHREIBUNG : Rieder 1905, S. 50-62; Alfons Semler, Handschriftliche Beschreibung für das Handschriftenarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (1 Bl.; 1916); Spach, Handschriftliche Beschreibung im Bezirksarchiv Straßburg, Bd. 32, S. 512f.; Strauch, Rezension zu Rieder, S. 112-116; Philipp Strauch, Schürebrand. Ein Traktat aus dem Kreise der Strassburger Gottesfreunde, Halle/ S. 1903, S. 54-56; Adolar Zumkeller, Manuskripte von Werken der Autoren des Augustiner-Eremitenordens in mitteleuropäischen Bibliotheken, Würzburg 1966 (Cassiciacum 20), S. 266 (Nr. 582). B ESCHREIBSTOFF : Während die beiden eingenähten Teile der Handschrift (Bl. 4 r -11 v ; 33 r -43 v ) vollständig auf Papier geschrieben sind, enthält jede Lage des Hauptteils des ‚Briefbuches‘ ein Doppelblatt Pergament (in der ersten Lage die beiden Außenblätter, in Lage 2 bis 4 das äußerste und das innerste Blatt, in Lage 5 und 6 nur das mittlere). Aufgrund der Dicke des Papiers der beiden ‚Autographen‘ konnten eventuelle Wasserzeichen in Merswins ‚b ch von den vier ioren‘ und dem ‚b ch von den fúnf mannen‘ des Gottesfreundes ohne Betaradiographie nicht erkannt werden, die aus konservatorischen Gründen nicht möglich ist; auch die Erstellung eines Siebabdrucks ist schwierig. Die wenigen zu identifizierenden Details (relativ dikke Bodendrähte in einem Abstand von 3 mm; äußerst schwache Binddrähte in einem Abstand von 4 cm) erlauben jedoch zwei Schlußfolgerungen: Zum einen scheint Rieders These, für die Niederschriften der beiden geistlichen ‚Viten‘ sei das gleiche Papier verwendet worden, 73 bestätigt, da sich der Siebabdruck weitgehend entspricht. Die gebrauchten Papierbögen müssen dabei im Reale-Format vorgelegen haben, das für das ‚b ch von den fúnf mannen‘ (30 x 20,7- 21 cm) zwei Mal, für das ‚b ch von den vier ioren‘ (20,8 x 15 cm) drei Mal gefaltet wurde. Die Verwendung des für die frühe Papierherstellung typischen Großformats 74 könnte auch die unregelmäßige Beschneidung des ‚b ch von den vier ioren‘ erklären, dessen Seitenränder z.T. regelrechte Kanten aufweisen. Zum anderen schließt der Siebabdruck eine Datierung der ‚eigenhändigen‘ Niederschriften in der Mitte des 14. Jahrhunderts nicht aus, da er einige Charakteristika mit italienischem Papier der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts teilt: Da die Bindedrähte in der frühen italienischen Papierproduktion aus Haar gefertigt wurden, bilden sie nur einen schwachen Abdruck in der Fasermasse; 75 die besonders starken Bodendrähte sind für die Herstellung im Zeitraum zwischen 1347 und 1385 76 ebenso typisch wie die runden Ecken für die Frühzeit des europäischen Papiers. 77 Falls sich darüber hinaus bestätigen sollte, daß das Papier keine Wasserzeichen aufweist, wäre dies ein weiteres Indiz für eine frühe Datierung des Beschreibstoffs, da die Papiermühlen in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts auf diese Kennzeichnung ihrer Produkte verzichteten. 78 Ohne eine eingehende Untersuchung 73 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 189. 74 Mein herzlicher Dank gilt Nigel F. Palmer für diesen Hinweis im Rahmen der Freiburger Tagung ‚Friends of God - Religious elites in the Rhineland and the Low Countries and their literature I‘. 75 Richard L. Hills, Early Italian Papermaking. A Crucial Technical Revolution, in: Produzione e commercio della carta e del libro secc. XIII-XVIII. Atti della ‚Ventitreesima Settimana di Studi‘, 15-20 aprile 1991. A cura di Simonetta Cavaciocchi, Prato 1992, S. 73-97, hier S. 90. 76 Ibid. 77 Mein herzlicher Dank gilt Erik Kwakkel für diesen Hinweis im Rahmen der Freiburger Tagung ‚Friends of God - Religious elites in the Rhineland and the Low Countries and their literature I‘. 78 Mein herzlicher Dank für diesen Hinweis gilt Christoph Mackert. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 76 durch einen Papierhistoriker bleibt die von Rieder angenommene nachträgliche Fälschung der beiden ‚Autographen‘ ohne Beweis. 79 Jenseits der beiden Einschübe zeigen die Papierdoppelblätter des ‚Briefbuches‘ zwei Variationen des Wasserzeichens ‚Horn um 90° gedreht - Band auf dem Horn sichtbar‘: In Lage 1 bis 3 findet sich ein Zeichen, das Piccard-Online Nr. 119831 (Friedberg um 1400) ähnelt; in den Lagen 5 und 6 erscheint neben einem nicht zu identifizierenden Motiv (Bl. 63, 68) eine Form, die Piccard-Online Nr. 119945 (Straßburg 1381) gleicht. Obwohl somit weder für die ‚Autographen‘ noch für den Hauptteil der Handschrift eine genaue Datierung mit Hilfe der Wasserzeichenuntersuchung möglich ist, kann eine nachträgliche Erstellung der beiden ‚Autographen‘ im Rahmen der Anlage des ‚Briefbuches‘ ausgeschlossen werden, da sich die verwendeten Papierbögen nicht allein deutlich voneinander unterscheiden, sondern mit einiger Wahrscheinlichkeit auch verschiedenen Perioden der Papierproduktion zuzuordnen sind. B LATTZAHL / A NZAHL UND A RT DER L AGEN : 82 Bll. Das ‚Briefbuch‘ besteht aus fünf Sexternionen, denen eine Lage mit drei Doppelblättern vorangeht. Der ersten und letzten Lage ist je ein Pergamentblatt beigefügt, das als Spiegelblatt verwendet wird. Beide Spiegelblätter wurden von Rieder vom Einband getrennt, so daß ihre Beschriftung auf Recto- und Versoseite jetzt lesbar ist (s. Einband). In die Handschrift sind zwei ehemals selbständig gebundene 80 Papierquaternionen eingenäht (in der Mitte der ersten Lage [Bl. 4-11; Abb. 10b; 11] und in der Mitte der dritten [Bl. 33-40; Abb. 12, 13]). Die Lagenstruktur der Handschrift stellt sich schematisiert also folgendermaßen dar: Lage 1 Bl. I, 1-3 und 12-14 (1 + III) zwischen Bl. 3 und 12 die eingeschobene Lage Bl. 4-11 (IV) Lage 2 Bl. 15-26 (VI) Lage 3 Bl. 27-32 und Bl. 41-46 (VI) zwischen Bl. 32 und 41 die eingeschobene Lage Bl. 33-40 (IV) Lage 4 Bl. 47-58 (VI) Lage 5 Bl. 59-70 (VI) Lage 6 Bl. 71-82, Spiegelblatt (VI+1) Zur Verstärkung ist jedes Blatt der beiden Einschübe auf der Außen- und Innenseite des Längsfalzes mit schmalen Pergamentstreifen beklebt worden: Während auf den hauchdünnen Pergamentstücken, welche dem ‚b ch von den vier ioren‘ Stabilität verleihen, keine Schriftzüge zu erkennen sind, war der Umbug des ‚b ch von den fúnf mannen‘ mit einem rubrizierten, lateinischen Text eng beschrieben. Diese Verstärkung scheint - zumindest beim ‚Autograph‘ des Gottesfreundes - nachträglich angebracht worden zu sein, da dem Falzstreifen Anzeichen der horizontalen Faltung fehlen, welche die Blätter des Einschubs in der Mitte (bei ca. 14 cm Höhe) zeigen. Beide Einschübe werden in römischen Ziffern am unteren linken Rand jeder Blattseite gezählt. Obwohl die Form der Paginierung für das Autograph des ‚b ch von den fúnf mannen‘ (Bl. 4-11; ‚Gottesfreund‘) und des ‚b ch von den vier ioren‘ (Bl. 33-40; ‚Rulman Merswin‘) übereinstimmt, kann aufgrund der unterschiedlichen Buchstabenformen des <v> (nur die Hand des ‚Gottesfreundes‘ führt den Schaftanfang des <v> auf die Schreiblinie) sowie der unterschiedlichen Nuancen in der Tintenfarbe (die Seitenzählung des ‚b ch von den vier ioren‘ ist dunkler) ausgeschlossen werden, daß die Paginierung von der gleichen Hand 79 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 192. 80 Vgl. die gut erkennbaren Einstichlöcher für die Fadenbindung des ‚b ch von den vier ioren‘. ‚Briefbuch‘ (B) 77 vorgenommen wurde. 81 Da die Seitenzählung der beiden ‚Autographen‘ jeweils mit 1 beginnt und ihre Position im ‚Briefbuch‘ nicht in die Zählung einbezieht, scheinen die beiden Texte zunächst eigenständig bewahrt worden zu sein, 82 wie auch die stark abgegriffenen und z.T. eingerissenen Fuß- und Seitenstege des ‚b ch von den fúnf mannen‘ sowie die deutliche Abdunklung der äußeren Seiten (bes. Bl. 33) des ‚b ch von den vier ioren‘ belegen. Das auf dem unbeschriebenen hinteren Versoblatt des ‚Autographs‘ des Gottesfreunds ergänzte redaktionelle ‚Nachwort‘, welches die Bedeutung der Handschrift für den ‚Grünen Wörth‘ erläutert, entspricht folglich der im Archiv des ‚Grünen Wörth‘ üblichen Beschriftung von Urkunden: Auf der Rückseite zahlreicher in den Archives départementales verwahrten Dokumente, die für die Johanniter im 14. Jahrhundert erstellt wurden, finden sich volkssprachliche Dorsalnotizen, welche die Bedeutung der Urkunde für die Stiftung beschreiben. B LATTGRÖSSE / S CHRIFTRAUM : Der Hauptteil der Handschrift und der erste Einschub haben Folioformat (30 x 20,7-21 cm), der zweite Einschub mißt dagegen nur 20,8 x 15 cm. Durch die unterschiedliche Blattgröße und Konzeption ergeben sich auch abweichende Beschriftungsräume: Der Hauptteil hat einen Schriftspiegel von 24,6 x 16,3 cm, im ersten Einschub sind die einzelnen Blätter in ihrer gesamten Größe beschrieben, der Schriftraum entspricht folglich der Blattgröße; der Beschriftungsraum des zweiten Einschubs mißt 19,3 x 15 cm. Obwohl der Schriftspiegel für den Hauptteil der Handschrift einheitlich festgelegt ist, sind die einzelnen Seiten mit einer unterschiedlichen Anzahl von Zeilen versehen, da eine Liniierung - bis auf wenige Ausnahmen (Bl. 1, 2, 13-15, 26) - fehlt. Die Dichte der Beschriftung variiert dabei mit dem Beschreibstoff: Auf Papier sind 37-43 Zeilen geschrieben, auf Pergament hingegen 34-48. 83 Da es sich bei den beiden Einschüben um flüchtige Notizen handelt, für die keine Linien auf dem Papier vorgezogen wurden, variiert auch hier die Zeilenzahl pro Seite stark, bei Einschub 1 zwischen 60 und 67 Zeilen, bei Einschub 2 zwischen 40 und 44 Zeilen. S CHRIFTTYP / S CHREIBER / H ÄNDE / G RAPHIE : Der Hauptteil des ‚Briefbuches‘ ist in der jüngeren Form der gotischen Kursive, die Einschübe sind in der einfachsten Form der Textualis (‚b ch von den vier ioren‘) bzw. in Kursive (‚b ch von den fúnf mannen‘) geschrieben. Abgesehen von den eingelegten Büchern stammt die Handschrift von einer Haupthand (Abb. 9b, 10a, 11 [Bl. 12 r ], 12 [Bl. 32 v ], 13 [Bl. 41 r ], 14a [bis Z. 16], 14b; Rieder 1905, Tafel 2), die nur für einzelne Zusätze von einer zweiten abgelöst wird: die Lebensbeschreibung des Nikolaus von Löwen auf Bl. 83 r (Rieder 1905, Tafel 1), die Abschrift eines Gedichts aus dem ‚Meistermemorial‘ auf Bl. 11 v (Rieder 1905, S. 72*16; Abb. 11 [Bl. 11 v , ab Z. 26]) sowie der auf Bl. 75 v ergänzte Begleitbrief zum ‚b ch von den fúnf mannen‘ (Rieder 1905, S. 154*8; Abb. 14a [ab Z. 17]), das Datum der Briefe auf Bl. 16 r (Rieder 1905, S. 81*23), Bl. 19 v (Rieder 1905, S. 88*31), Bl. 29 r (Rieder 1905, S. 108*7), Bl. 44 v (Rieder 1905, S. 122*12), Bl. 51 v (Rieder 1905, S. 137*20), sowie die Korrekturen ab Bl. 56. Eine dritte Hand fügte den Begleitbrief der drei Pfleger zum ‚Meistermemorial‘ hinzu (Bl. 82 rv ). Zudem trug Schweigheuser, der auch die verlorenen Blätter in der Einzelhandschrift des ‚b ch von den nún veilsen‘ (vgl. Sigle J) ergänzte, im 18. Jahrhundert das Todesdatum im Lebenslauf des Nikolaus von Löwen nach (Bl. 83 r ), notierte am Rand der Bl. 2 v und 17 v das Abfassungsdatum der Briefe und fügte auf dem vorderen Spiegelblatt (Abb. 9a) lateinische Erläuterungen zum ‚Briefbuch‘ an (s. Einband). 81 Vgl. demgegenüber: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 190. 82 So auch: Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 130. 83 Vgl. auch: Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 116, gegen Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 51. 78 Die beiden in den Codex eingenähten, ehemals selbständigen Handschriften werden in den sie begleitenden Einleitungen als Autographen eingeführt, so heißt es über das ‚b ch von den fúnf mannen‘: I tem der selbe leige vnd gottes frúnt, R leman Merswins, vnsers stifters, geselle, schreip den br dern z dem Gr nenwerde mit sin selbes eigener hant an vier bogene Bappires sin vnd siner br der leben Daz wir nennent daz b ch von den fúnf mannen. Die selbe geschrift, dez lieben gottes frúndes eigene hant, man billich halten sol in groszer wirdikeit glich eime heilt me, also ch me hienoch geschriben stot Darvmbe sint die selben vier bogene, dez frúnt gottes hant, z aller nehst hie noch geordent vnd in gebunden in aller der gestalt vnd forme vnuerandert, z glicher wise alse es (R reht durchgestrichen) R preht, dez lieben frúnt gottes diener, selber brohte R leman Merswine, vnserme stifter, z dem Gr nenwerde, der es den br dern gap mit einer missiven, die ch hienoch vor dem b che geschriben stot, In den pfingesten anno domini M o ccc lxxvij (Bl. 3 r ; Rieder 1905, S. 69*12-23). Auch das ‚b ch von den vier ioren sines anevohenden lebendes‘ wird als ein Autograph ausgewiesen, es sei von R lman Merswines vnsers stifters eigene hant geschrieben (Bl. 32 v ; Rieder 1905, S. 115*15). Ein Schriftvergleich mit der ebenfalls als Autograph Merswins bezeichneten Handschrift Ms. 2798 der Universitätsbibliothek Straßburg (J) bestätigt zunächst, daß beide Manuskripte - der Einschub in B und J - von der gleichen Hand stammen (vgl. Abb. 15). Deren Zuweisung an Rulman Merswin wird durch einen Vergleich mit dem Besitzeintrag in Ms. 2745 (H) wahrscheinlich, da der Vermerk, das Buch gehöre froewe gertrvt r leman merswin, den gleichen Schriftduktus aufweist wie die Texte in B und J (vgl. Abb. 15). Der Einschub des ‚b chs von den fúnf mannen‘ wurde ebenfalls im Elsaß geschrieben, wie ein Vergleich der Schreibkonventionen der drei Handschriften zeigt: 84 84 Die in der folgenden Tabelle dokumentierte Schriftsprache Basels und St. Gallens wurde aus zwei Gründen als Vergleichspunkt für die Orthographie des ‚b ch von den fúnf mannen‘ gewählt: Zum einen verorten die wenigen dialektalen Analysen der ‚Gottesfreundliteratur‘ die Schreibsprache des Gottesfreundes aus dem Oberland entweder im oberen Rheintal bis St. Gallen (Auguste Jundt, Les Amis de Dieu, S. 417-442) oder im „baslerischen Lokaldialekt“ (L. Tobler, Die Sprache des Gottesfreundes im Oberland, in: Anzeiger für Schweizerische Geschichte 3 [1880], S. 243f., hier S. 244). Zum anderen handelt es sich um ausreichend dokumentierte Extrempunkte des Hochalemannischen, die es erlauben, das ‚b ch von den fúnf mannen‘ in das vielfältige mundartliche Spektrum einzuordnen. In der Tabelle wird auf folgende Forschungsliteratur verwiesen: Wolfgang Kleiber, Konrad Kunze, Heinrich Löffler, Historischer Südwestdeutscher Sprachatlas. Aufgrund von Urbaren des 13. bis 15. Jahrhunderts, Bd. I: Einleitung, Kommentare, Dokumentation, Bd. II: Karten, Bern; München 1979 (Bibliotheca Germanica 22); Karl Weinhold, Alemannische Grammatik, Berlin 1863 (Grammatik der deutschen Mundarten 1); Hermann Paul, Mittelhochdeutsche Grammatik, 25. Auflage, neu bearbeitet von Thomas Klein, Hans-Joachim Solms und Klaus-Peter Wegera. Mit einer Syntax von Ingeborg Schröbler, neubearbeitet und erweitert von Heinz-Peter Prell, Tübingen 2007 (Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte A. Hauptreihe Nr. 2); Bruno Boesch, Untersuchungen zur alemannischen Urkundensprache des 13. Jahrhunderts. Laut- und Formenlehre, Bern 1946; Leo Jutz, Die alemannischen Mundarten. Abriss der Lautverhältnisse, Halle/ S. 1931; Erwin Haendcke, Die mundartlichen Elemente in den elsässischen Urkunden des Straßburger Urkundenbuches, Straßburg 1894 (Alsatische Studien 5); Hans Schmid, Die St. Galler Urkundensprache in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts, Zürich 1953; Ernst Erhard Müller, Die Basler Mundart im ausgehenden Mittelalter, Bern 1953 (Basler Studien zur deutschen Sprache und Literatur 14). Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei Graphem Korrespondierendes Graphem in ‚normalisiertem Mittelhochdeutsch‘ Orthographie des Zur Einordnung in den Dialekt ‚b ch von den nún veilsen‘ in J ‚b ch von den vier ioren‘ in B ‚b ch von den fúnf mannen‘ in B Straßburgs Basels St. Gallens VOKALISMUS Kurzvokale <a> <o> (beschränkt auf das Wort van) van van van Mhd. Gr. § L 27 <e> für <a> in schwach betonten Silben: a. Tonschwächung von Adverbia und Pronomina in der Komposition derz derz derz Boesch, S. 127, kann das Phänomen in den Mundarten Basels, Colmars, Freiburgs, Töss’ und Zofingens nachweisen. b. Tonschwächung in Präfixen entwrte entwrte entwurte In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Haendcke, S. 5. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Haendcke, S. 5. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 27f., 79. c. man erscheint als men men men men Boesch, S. 128, kann das Phänomen in den Mundarten Basels, Colmars, Freiburgs nachweisen. d. durch ei in der Folgesilbe ausgelöster Umlaut erbeit erbeit erbeit Das Phänomen tritt in den meisten Mundarten des Alemannischen auf: Mhd. Gr. § E 31,6. als Graphem des Sekundärumlauts von <a> gemmerlich gemmerlich In Übereinstimmung mit der Normal- In Übereinstimmung mit der Normal- Nicht in Übereinstimmung mit der ‚Briefbuch‘ (B) 79 und des Umlauts von < â > (< >, < >) schreibung des Dialekts nach HSWS K 10; Haendcke, S. 9. schreibung des Dialekts nach HSWS K 10. Normalschreibung des Dialekts ( ) nach Schmid, S. 35, 38. als monographische Variante des <ei> in den Worten beide, heilig und einander bedde helgen (heilig) mitenander bedde ABER heilig bedde ABER heilig mittenander In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 55: bede, K 56: helig, K 59: einander, enander, anander; Haendcke, S. 17f., 24f. Nur teilweise in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 55: bede, K 56: heilig, K 59: einander. Schmid, S. 68, kann zwar eine monographische Variante des <ei> nachweisen (Normalschreibung <ai>), in den untersuchten Worten wird jedoch das Graphem <a> genutzt: mit anander, haligen. als Graphem der Delabialisierung a. des < > bzw. <ö> schenne helle sercliche daneben < > n ther h ren schenne helle sercliche daneben < > b se schenne leffel serclichen daneben < > b se, bese In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 85; Jutz, S. 149; Weinhold, S. 93. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 85. Die Delabialisierung kann erst später in der Basler Mundart nachgewiesen werden (Müller, S. 48, 49, und Jutz, S. 148). Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 52-58. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 80 b. des <üe> weste weste weste Die Entrundung ist für das Elsaß charakteristisch, allerdings wird sie in der Normalschreibung des Dialekts mit <i>, <ie> wiedergegeben (HSWS K 86; Haendcke, S. 16). Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 86. Die Delabialisierung kann erst später in der Basler Mundart nachgewiesen werden (Müller, S. 40- 42). <i> 1. für <e> a. in Präfixen (neben ) inist inist inist Das Phänomen tritt in den meisten Mundarten des Alemannischen auf: Boesch S. 126; Weinhold, S. 25. b. in gedeckter Endsilbe bei unbetontem Vokal eigin eigin eigin In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Haendcke, S. 19f., 23. In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach Boesch, S. 137. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 80. 2. für <ie> si fillent si fillent si fillent In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach HSWS K 65; ALA Bd. 1 K 62, 245, 259. Nach HSWS K 65 finden sich in Basel weitaus weniger Belege für dieses Phänomen als in Straßburg. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 67. ‚Briefbuch‘ (B) 81 <ie> neben <i> im Demonstrativ- und Possessivpronomen diese dien ABER geschriben dinne diese dien ABER geschriben diesan dien ABER schribbende Das Phänomen tritt in den meisten Mundarten des Alemannischen bei den Demonstrativpronomina sowie geschrieben ein: HSWS K 18; Boesch, S. 89f. <o> 1. als Graphem der Verdumpfung des <â> gnode strose mosen onne gnode jor strose obbende mosen onne gnode jor strosan obbenda mosen onne In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach HSWS K 38, 39, 41; Haendcke, S. 6-9; Boesch, S. 73f.; Jutz, S. 28, 33. Die Verdumpfung wird nur in der Sonderschreibung des Dialekts und nicht durchgehend durch <o> angezeigt (HSWS K 41), z.B.: HSWS K 38: jor, j r; HSWS K 39: str ze. Die Markierung des Phänomens tritt in der Sonderschreibung erst nach der Mitte des 14. Jahrhunderts, in der Normalschreibung ab der Mitte des 15. Jahrhunderts ein (Müller, S. 23). Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts, der zunächst < > und erst ab dem 15. Jahrhundert <o> als Graphem der Verdumpfung nutzt (Schmid, S. 32, 34). 2. für <e> in Ableitungssilben criston criston criston Das Phänomen tritt in den meisten Mundarten des Alemannischen auf: Weinhold, S. 28. 3. Rundung des <u> zu <o> nach <w> woste woste woste In Übereinstimmung mit der Normal- Nicht in Übereinstimmung mit der - Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 82 schreibung des Dialekts nach Boesch, S. 77. Normalschreibung des Dialekts nach Müller, S. 55. 4. für <ou> vrlobe urlob irlobet urlob irlobet In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Haendcke, S. 18; Weinhold, S. 43, 100. Nach Müller, S. 51, ist diese Schreibung nur vereinzelt in Basel belegt. In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 71. <u> nach / w/ , vor / r/ und / n/ ist <u> regelmäßig unterdrückt wrdent vnwrdige wrt entwrte wrdent vndwrdige wrst gewrket wrdent vnwrdige wrt Möglicherweise ist der Ausfall Reflex der Sonderform der 3. Sg. Ind. Präs. von werden (Normalschreibung er wurt) im Elsässischen (HSWS K 26), der Ausfall des Vokals ist allerdings nur für das Substantiv bezeugt. < >, < >, < > für <i> a. in verlihen f r l hen virl hen virlúhen, fvrluhen verluhen ist alemannische Nebenform zum Part. Prät. verlihen. Die Schreibkonvention für das Partizip unterscheidet sich in den unterschiedlichen Regionen des Alemannischen: HSWS K 23: verlúhen, verl hen, verluhen. In Straßburg kann darüber hinaus < > in In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS In Übereinstimmung mit der Sondeschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 48. ‚Briefbuch‘ (B) 83 der Normalschreibung <v> ersetzen (Haendcke, S. 15). K 23: verlúhen, verl hen. b. in n t n t, nút, nvt n t, nút n t In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 24: nút, nit. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 24: nút. c. in hinder h nder h ndersten h ndern, hvnder In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 25; Haendcke, S. 11-13. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 25: hinder. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 47-50. 2. für <û>, <u> l ter geb ren, gebvren l ter (neben l ter) geb ren l ter geb ren Vor allem am Westrand der Germania hat <û> einen stark palatalen Charakter angenommen. Dieser wird im linksrheinischen Süden und Westen durch Indizierung, im Norden und Nordwesten durch < >, <u> u.ä. deutlich gemacht. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 53; Boesch, S. 97- 99; Jutz, S. 94f.; Haendcke, S. 14f., 16f. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 53. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts, allerdings ist < > einzeln zu belegen (Schmid, S. 62f.). 3. für <iu> r we getr we g ngesten r we el te r we In Übereinstimmung mit der Normal- Nicht in Übereinstimmung mit der Nicht in Übereinstimmung mit der Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 84 vntr we schreibung des Dialekts nach HSWS K 53. Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 53. Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 64f. 4. Präfixe a. ver- f r numft f rlorn f rdriessen vir numft vir stonde f r stunt vir n mft vir lorn f r gessen In der Normalschreibung des Dialekts sind nach Haendcke, S. 20f., vir-, vur- und vúrbelegt. In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach Boesch, S. 126. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 80. b. ererbarmen rschrecket erschrecket rbermen rschrag rbermede rschrecken In der Normalschreibung des Dialekts sind nach Haendcke, S. 21f., ir-, ur- und ürbelegt. In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach Boesch, S. 126. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 80. Langvokale und Diphthonge < > 1. für <e> geh bet, gehebet sch deliche l sen Anzeichen der Diphthongierung vor / n/ , / d/ , / t/ , / z/ , / st/ , / r/ , Labial und Guttural, die normalerweise mit <ei> wiedergegeben wird (Boesch, S. 76f.). 2. für <öu> fr de ged fet fr de ged fet fr de ged fet In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 80. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 80; Müller, S. 52. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 71. <ee> tritt nur mit <w> auf eewig eewig eewig Die Dopplung des <e> ist im Alemannischen vornehmlich im Adverb ehe bezeugt (Boesch, S. 87). ‚Briefbuch‘ (B) 85 < > für <ou> h bet h bet h bet Das Phänomen tritt vor allem im Westen des Alemannischen (Breisgau, Elsaß) auf: Boesch, S. 117; HSWS K 77. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 77; Müller, S. 50f. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 72. < > 1. für <o> h ffart, hoffart f l hofestat f l, folle h ffart f l, folles Diakritische Zeichen über ahd. <o> sind typisch für weite Teile des Alemannischen, besonders in hof und Komposita. Am oberen Oberrhein, besonders im mittleren Elsaß und in Straßburg, ist darüber hinaus eine Konzentration von < > vor <l> zu erkennen. In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach HSWS K 28f.; Haendcke, S. 14. Vor <l> in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 29. In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 54. 2. für <â> m le, mole m le, mole mole In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach HSWS K 42. Nicht in Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach HSWS K 42. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 29-32. 3. für <ou> ch ch l f In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 75. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 75; Müller, S. 49-52. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 71-75. <uo> für <u> creatuor - - In Übereinstimmung mit der Schreibung Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 86 lateinischer Suffixe nach HSWS K 84. <ve> als Palatalisierungsgraphem für <u>, <uo> vebele veber veberig vebunge vebele veber veberig vebunge vebele veber veberig vebunge In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Boesch, S. 119f.; Weinhold, S. 33, 100. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Müller, S. 59f., 61- 64. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 60f., 76- 78. KONSONANTISMUS Sonore <g> 1. für / k/ im Auslaut werg werg werg In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Haendcke, S. 36; Weinhold, S. 181. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 116f. 2. für <j> im Anlaut gvngen gvdde g ngesten g belierende gudden j belierenda jude In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 105; Jutz, S. 265- 267. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 105. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 129. 3. ersetzt zwischenvokalisches <j> (bes. nach <ei>, <î>) drigge frigge drigge frigge drigge frigge Der Ersatz des <j> durch nicht geminiertes <g> steht in Übereinstimmung mit der Normal- Der Ersatz des <j> durch nicht geminiertes <g> steht in Übereinstimmung mit der Normal- Der Ersatz des <j> durch nicht geminiertes <g> steht in Übereinstimmung mit der Normal- ‚Briefbuch‘ (B) 7 8 schreibung des Dialekts nach Boesch, S. 186. schreibung des Dialekts nach Boesch, S. 186. schreibung des Dialekts nach Schmid, S. 130. 4. Gemination triggende froggem triggende froggem triggende froggen In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Weinhold, S. 184. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Weinhold, S. 184. In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 120f. 5. Ausfall frote junfroewe frote junfroewe frote In Übereinstimmung mit der Normalschreibung im Westen des Alemannischen, vor allem im Elsaß (Boesch, S. 168). In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 120f. 6. <gk> als Normalschreibung für <ck> digke bligke digke sagkermente flegke digke sagkermente bagken In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Haendcke, S. 36. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Boesch, S. 161-163, 167f. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 117f. <ch> steht neben <g> im Auslaut schuldich zoch sch ldig zoch schuldig In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach HSWS K 200f. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 200f. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 88 Liquide <l> Gemination heillige selle heillige selle heillige selle In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach Weinhold, S. 163. In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach Weinhold, S. 163. In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 128. <r> 1. Gemination lerre irre lerre irre lerre irre In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach HSWS K 116-118; Weinhold, S. 167. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Weinhold, S. 167. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 127. 2. <r> für <rr> here dire here dire here dire In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Weinhold, S. 167; Boesch, S. 183. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Weinhold, S. 167. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 127. 3. r-Metathese dirthen dirthen dirthen In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 113; Boesch, S. 184. In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach HSWS K 113; Boesch, S. 184. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Boesch, S. 184. Nasale <m> 1. für <n> vor Labial fúrnumftigen virnumft virnumft Das Phänomen tritt in den meisten Mundarten des Alemannischen auf: Boesch, S. 180; Jutz, S. 245; Schmid, S. 125. ‚Briefbuch‘ (B) 89 2. Gemination eimme eimme eimme In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Haendcke, S. 38f. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 124. <n> 1. sekundärer Einschub schennensten bebbensten wening wening Das Phänomen tritt in den meisten Mundarten des Alemannischen auf: HSWS K 125; Boesch, S. 180; Haendcke, S. 39. 2. Ausfall, zumeist bei der Partizipialendung <-ende> bekennede gedenkede bekennede gedenkede bekennede Das Phänomen tritt als Sonderschreibung in einigen Mundarten des Alemannischen auf: Weinhold, S. 349, 380. 3. Gemination onne meinnende onne meinnende onne meinnende In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Weinhold, S. 173f. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Weinhold, S. 173f. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 126f. Labiale <ph> für / p/ pheter phine phinlicher phine ephisteln In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung im äußersten Norden des Alemannischen nach HSWS K 131; Haendcke, S. 37f. Nicht in Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach HSWS K 131f. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 96. <b> 1. Gemination abber habbe gebben abber gehebbet gebben abbar habbe gebban Haendcke, S. 31f., kann dieses Phänomen nur in den Texten der ‚Gottes- Nach Weinhold, S. 121, in Übereinstimmung mit unterschiedlichen aleman- Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 90 freundliteratur‘ nachweisen; Weinhold, S. 121, auch in anderen Quellen. nischen Mundarten. Schmid, S. 91-93. 2. fällt aus in gebent gibt gent git - gent git In Übereinstimmung mit der Normalbzw. Sonderschreibung des Dialekts nach HSWS K 142f.; Boesch, S. 144. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 142f. <p> Gemination appet appetgette In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach Weinhold, S. 117f. In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach Weinhold, S. 117f. In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 95. Dentale <c> 1. für / tz/ a. Initialposition cit, zit zit, cit zit In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts vor 1350 nach Haendcke, S. 35 . In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach Boesch, S. 153. Nach Schmid, S. 107, ist <c> für / tz/ im Anlaut die Ausnahme. b. nach Vokal lúccel seccen lúccel seccen, siczen, sitzen cr ze, krucze lúccel seccen, siczet, sitzen crveze, cruze In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts vor 1350 nach Nicht in Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach ‚Briefbuch‘ (B) 91 n cber nvcber HSWS K 150; Haendcke, S. 35. HSWS K 150f. Schmid, S. 107. c. nach <l>,<n>, <r> vnce ganc herce vnze ganc, ganz k rce vnze ganz k rc In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts vor 1350 nach HSWS K 152; Haendcke, S. 35. Nicht in Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach HSWS K 153. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 108. 2. für / k/ in Verbindung mit <l>, <r> creatvren cleinnest creat ren cleine creatvren cleine In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Weinhold, S. 174f. Nach Schmid, S. 115, findet sich initiales <c> vorwiegend in Worten aus der Kirchensprache. <d> 1. Austauschbarkeit von Media und Tenuis im Anlaut gedar dage d fel, th fel ABER trucken getrenge gedar dag d fel ABER trucken getrenge gedar dage dvfel ABER trucken getrenge In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 154; Boesch, S. 147; Haendcke, S. 33. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 154. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 100. 2. in Medialposition dode dode dode In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 158; Boesch, S. 148; Haendcke, S. 33. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 158. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 100. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 92 3. im Auslaut mid gedanked In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Haendcke, S. 34; Jautz, S. 190. In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 101. 4. Gemination odder lidden sidder odder lidden sidder odder lidden sidder Haendcke, S. 34, kann dieses Phänomen nur in den Texten der ‚Gottesfreundliteratur‘ nachweisen. Auch Weinhold, S. 144, bietet vorwiegend Beispiele aus den Texten Merswins, fügt aber an: „Dieses dd nach Kürzen ist heute noch elsässisch: Fedder, Ledder, Redde, widder, Judde u.a.“ <s> 1. Wandel von ahd. <sl, sw, sm, sn> zu mhd. <schl, schw, schm, schn> ist nur für <sl> im Ansatz durchgeführt swer geswinde menslich ABER menschlich swerlich geswind menslich ABER beschliessen swere geswinde mensliche ABER beschlossen, schlof, schleht In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 173-176. Nicht in Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 173-176. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 113. ‚Briefbuch‘ (B) 93 2. für <hs> wassende uswas usgewasen In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach HSWS K 206. In Übereinstimmung mit der Sonderschreibung des Dialekts nach HSWS K 206. Gutturale <h> 1. Ausfall in welch weller weller weller In Straßburg nur vereinzelt belegt nach HSWS K 209. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach HSWS K 209. In Übereinstimmung mit der Normalschreibung des Dialekts nach Schmid, S. 119. 2. Gemination sehhen beschehhen sehhen beschehhen sehhen beschehhen 3. Unsicherheit beim Schreiben von <ht>: Das Phänomen ist im Mittelstreifen des Alemannischen reicher belegt als im rechtsrheinischen Norden und Südwesten (HSWS K 208). Haendcke, S. 37f., weist es für Straßburg nach. a. umgekehrte Schreibung (<th>) ferthe brothe d the ferthe m the d the fvrthende m the dúthe b. hybrides <ht> oder <th> für <t> welthe thrifaltikeit gethorste welthe thrifaltikeit gethorste welthe thrifaltikeit gethorste c. Buchstabenhäufung etthewas rehthe bihthe mehthe etthewas rehther gedochthe bihter etthelich rehthe gedochthte bihthe Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 94 ‚Briefbuch‘ (B) 95 Die Gegenüberstellung der Schreibkonventionen 85 der drei ‚autographen‘ Handschriften erlaubt ihre Einordnung in die elsässische Schreiblandschaft, da sie niederalemannische bzw. elsässische Schibboleths aufweisen. Im Vokalismus weisen maßgeblich vier Phänomene der drei Textzeugen in das Elsaß: 1. Die Delabialisierung des < > bzw. <ö> zu <e>, die im gesamten alemannischen Sprachraum erst ab dem 15. Jahrhundert nachweisbar ist, ist im 14. Jahrhundert, in dem alle drei Überlieferungsträger entstanden, allein im Elsaß und besonders in Straßburg zu belegen. 86 2. Auch die Kennzeichnung der Verdumpfung mit Hilfe der Substitution des <â> durch <ô> weist ins Elsässische bzw. Niederalemannische, da die hochalemannische Normalschreibung <ô> als Ausdruck der Verdumpfung erst ab dem 15. Jahrhundert kennt. 87 3. Während die Vermeidung des Diphthongs <öu> als Graphem der Palatalisierung des <ou> für den gesamten alemannischen Schreibraum charakteristisch ist, zeigen die stellvertretend gebrauchten Formen eine deutliche regionale Differenzierung: Präferieren die Schreiber im Süden < > und andere <o>-basierte Grapheme, sind für den Norden <e>-haltige Zeichen charakteristisch 88 - wie das in den Texten gebräuchliche < >. 4. Die Substitution des <û> bzw. <u> und - hiervon ausgehend - des <iu> durch < > als Ausdruck einer palatalen Aussprache der Bezugslaute ist ein spezifisches Sprachmerkmal des Nordwestens des Alemannischen. 89 Auch die Besonderheiten im Konsonantismus bestätigen eine Verortung der Textzeugen im Elsässischen: Deutet bereits die Verwendung des Allographs <ph> für / p/ 90 auf eine Entstehung der Handschriften im äußersten Nordwesten des Alemannischen hin, folgen die Überlieferungsträger mit der r-Metathese 91 und der fehlenden Unterscheidung von Media und Tenuis des alveolaren Plosivs in Initial- und Medialposition 92 charakteristischen elsässischen Schreibkonventionen. Die signifikante Gemination beinahe aller Konsonanten schließlich scheint eine vorwiegend in der ‚Gottesfreundliteratur‘ zu belegende Generalisierung einer alemannischen Sonderschreibung zu sein: So ist die Verdopplung des <l>, <r>, <n> und <p> auch für einige Schreiber in St. Gallen belegt 93 und Haendcke weist die Gemination des <m> für andere Straßburger Quellen nach, 94 dies gilt jedoch nicht für die Doppelschreibungen des <g>, <b>, <d> und <h>. Während Haendcke diese Schreibweise nur aus der ‚Gottesfreund- 85 Vgl. auch: Philipp Strauch, Die Schreibung in den drei sogenannten Autographen, in: Merswins Vier anfangende Jahre. Des Gottesfreundes Fünfmannenbuch (Die sogenannten Autographa), hg. von Philipp Strauch, Halle/ S. 1927 (ATB 23; Schriften aus der Gottesfreund-Literatur 2. Heft), S. VII- XVI, und Heinrich Seuse Denifle, Die Dichtungen Rulman Merswins, S. 529-536. 86 Wolfgang Kleiber, Konrad Kunze, Heinrich Löffler, Historischer Südwestdeutscher Sprachatlas, K 85f. 87 Ibid., K 38f., 42. 88 Ibid., K 80. 89 Ibid., K 53; Erwin Haendcke, Die mundartlichen Elemente, S. 14f., 16f. 90 Ibid., K 131; Erwin Haendcke, Die mundartlichen Elemente, S. 37f. 91 Ibid., K 113; Bruno Boesch, Untersuchungen zur alemannischen Urkundensprache, S. 184. 92 Ibid., K 154, 158; Bruno Boesch, Untersuchungen zur alemannischen Urkundensprache, S. 147, 148; Erwin Haendcke, Die mundartlichen Elemente, S. 33. 93 Hans Schmid, Die St. Galler Urkundensprache, S. 128, 127, 126f., 95. 94 Erwin Haendcke, Die mundartlichen Elemente, S. 38f. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 96 literatur‘ kennt, 95 kann Weinhold - dessen ‚Alemannische Grammatik‘ erschien, bevor der Gottesfreund als Mystifikation erkannt wurde - das Phänomen zwar vereinzelt auch in anderen alemannischen Quellen nachweisen, das Lautgesetz leitet er jedoch aus der ‚Gottesfreundliteratur‘ ab, so daß die Häufung der Gemination als Charakteristikum des Textcorpus gelten kann. 96 Neben diesen Spezifika in der Lautung weisen zwei Wortformen die Handschriften eindeutig nach Straßburg: Sowohl das Ortsadverb zwissent als auch die Präposition h nder sind in der zitierten Schreibung nur in einem sehr begrenzten Raum zu belegen: Handelt es sich bei der ersten Form um eine Besonderheit Straßburgs, 97 bleibt h nder auf Straßburg und Mühlhausen beschränkt. 98 Die Zusammenstellung der Besonderheiten der drei Textzeugen zeigt so deutlich, daß sie elsässischen Schreibkonventionen folgen, und macht es darüber hinaus - aufgrund der annähernden Identität der Orthographie 99 - wahrscheinlich, daß sie in der gleichen Schreibstube aufgezeichnet wurden. Die Übereinstimmung der beiden im ‚Briefbuch‘ eingenähten Einschübe ist dabei besonders bemerkenswert, weil der Gottesfreund aus dem Oberland nicht als Elsässer figuriert wird, obwohl er - so der Begleitbrief zu den ‚fúnf mannen‘ - des Elsässischen mächtig ist (vgl. Schreibdialekt). Die festgestellten Ähnlichkeiten führten daher die Forschung zu der Annahme, beide Manuskripte seien von gleicher Hand geschrieben. 100 Die auf den ersten Blick grundverschiedenen Schriftcharaktere werden dabei entweder als Verstellung gedeutet („Die ganze Kunst des Schreibers bestand darin, das [sic! ] er das Fünf- Mannenbuch im Gegensatze zu der einfachen Schrift der Vier-Jahre mit den verschiedensten Schnörkeln versah“) 101 oder auf die Verwendung unterschiedlicher Schriftarten zurückgeführt: „an Stelle der kalligraphisch ausgeführten gotischen Minuskel in den Neun Felsen und Vier Jahren“ 102 tritt - so Jundt und Strauch - im ‚b ch von den fúnf mannen‘ eine flüchtigere Kursivschrift. 103 Betrachtet man die Alphabete der beiden ‚Autographen‘ genauer, so ist zu erkennen, daß beide Argumente zu kurz greifen (Abb. 15): Die Abweichungen zwischen der Hand Rulmans und der des ‚Gottesfreundes‘ beschränken sich nicht auf einfache Addition einiger Schnörkel, vielmehr sind für charakteristische Buchstaben völlig andere Formen zu erkennen. 104 Der Schriftduktus des ‚Gottesfreundes‘ zeigt durchweg durchgezogene Schleifen an den Oberlängen der Buchstaben <b>, <d>, <h>, <k> und <l>, die in den von Merswin geschriebenen Manuskripten nur vereinzelt (für <d> und <h>) zu finden sind. Auch ist das 95 Ibid., S. 31f., 34. 96 Karl Weinhold, Alemannische Grammatik, S. 121, 144. 97 Wolfgang Kleiber, Konrad Kunze, Heinrich Löffler, Historischer Südwestdeutscher Sprachatlas, K 19. 98 Ibid. 99 Die wenigen, von Denifle herausgestellten Unterschiede in der Schreibung des ‚b ch von den nún veilsen‘ und des ‚b ch von den vier ioren‘ lassen sich - soweit sie nicht auf Schmidts mangelhafte Editionen zurückgehen - wahrscheinlich durch eine unterschiedliche Abfassungszeit erklären: So ist z.B. die Verwendung des <c> für / tz/ am Wortanfang sowie nach / l/ , / n/ und / r/ , die im ‚b ch von den nún veilsen‘ reich zu belegen ist, vor 1350 die Normalschreibung in der elsässischen Schreiblandschaft, das im ‚b ch von den vier ioren‘ präferierte <z> wird hingegen ab 1350 üblich (vgl. Heinrich Seuse Denifle, Die Dichtungen Rulman Merswins, S. 530f.; Erwin Haendcke, Die mundartlichen Elemente, S. 35). 100 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 190f.; Philipp Strauch, Rulman Merswin und die Gottesfreunde, S. 218; Auguste Jundt, Rulman Merswin et l’Ami de Dieu, S. 87. 101 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 191. 102 Philipp Strauch, Rulman Merswin und die Gottesfreunde, S. 218. 103 Ibid.; Auguste Jundt, Rulman Merswin et l’Ami de Dieu, S. 87. 104 Mein herzlicher Dank gilt Karin Schneider und Erik Kwakkel für ihre freundliche Unterstützung und Expertise. ‚Briefbuch‘ (B) 97 ‚Autograph‘ des ‚b ch von den fúnf mannen‘ für die Buchstaben <m> und <n> durch stark ausgeprägte Unterlängen gekennzeichnet, die teilweise die „fünf- und sechsfache Länge“ 105 des Grundstrichs erreichen; Merswin verlängert die beiden Konsonanten dagegen nur selten (und unbedeutend) unter die Zeile. Besonders auffällig ist Merswins Graphem für das geminierte <l>, das sowohl in J als auch im ‚Autograph‘ des ‚b ch von den vier ioren‘ deutlich unter der Schreiblinie angesetzt ist, während dem ‚b ch von den fúnf mannen‘ dieses Charakteristikum durchgehend fehlt. Für die Hand des ‚Gottesfreundes‘ ist demgegenüber das kursiv in einem Federzug geschriebene <g> spezifisch, dessen geschlossene Unterlänge vom offenen, leicht nach links ausgezogenen <g> Merswins klar zu trennen ist. Bei beiden mündet das Schaft-<s> in einer Querlinie, die jedoch in jenem dem Gottesfreund zugeschriebenen ‚Autograph‘ stärker ausgeprägt ist und z.T. sogar auf die Grundlinie zurückgeführt wird. Die Form des <w> und <v> schließlich versieht die Hand des ‚b ch von den fúnf mannen‘ im Anlaut mit einem zusätzlichen Bogen. Das zweite vorgebrachte Argument (die Schrifttype des ‚b ch von den fúnf mannen‘ erlaube eine größere Flüchtigkeit, die die veränderten Schriftzüge erklären könne) scheint den Duktus der ‚nún veilsen‘ ebenso wie den des ‚b ch von den vier ioren‘ kalligraphisch zu hoch zu bewerten. Der Einschub in B ist in der einfachsten Form der Textualis, J in einer halbkursiven Übergangsschrift geschrieben, d.h. in „einfachere[r] und eilige[r] Buchschrift“, 106 die ebenso wie die im ‚b ch von den fúnf mannen‘ gebrauchte Kursive als Notizschrift zu charakterisieren ist und auch in den Handschriften als solche beschrieben wird. Obwohl die Unterschiede des Schrifttypus eher gradueller Natur sind, verbieten sie abschließende Aussagen über die Identität oder Differenz des Schreibers der beiden ‚Autographen‘. Aufgrund der paläographischen Unterschiede der beiden Hände gibt es jedoch keinen Grund, den gleichen Schreiber anzunehmen. Die Übereinstimmung in der Orthographie der beiden ‚Autographen‘ verdeutlicht auf der anderen Seite, daß beide Textversionen zwar nicht von der gleichen Hand, aber wohl im (elsässischen) Umkreis des ‚Grünen Wörths‘, genauer Rulman Merswins, entstanden sind und die in der Einleitung und im Begleitbrief der ‚fúnf mannen‘ gegebene Genese zu hinterfragen ist. Die Vermutung Denifles, Rulman habe einen Dritten beauftragt, der das ‚Autograph‘ der ‚fúnf mannen‘ nach seinem Entwurf abgeschrieben habe, erscheint durchaus plausibel. 107 Seine weitere Annahme, diese Hand habe ihre Schriftzüge an die Merswins angeglichen, ist jedoch wenig überzeugend: De plus, il est absolument incohérent: l’intervention d’un copiste ne peut se rapporter qu’au désir que Merswin aurait eu de déguiser son écriture, et cette intervention devient superflue du moment que le copiste ne devait que reproduire cette même écriture. 108 Die Untersuchungen der Hände der beiden als Autographen ausgewiesenen Einschübe in B lassen somit die Schlußfolgerung zu, daß beide Texte im ‚Grünen Wörth‘, jedoch von unterschiedlichen Schreibern, aufgezeichnet wurden: Das ‚b ch von den vier ioren sines anevohenden lebendes‘ kann durchaus von der Hand des Stifters selbst stammen, das zweite ‚Autograph‘ ist von anderer Hand, aber wahrscheinlich nach einer Vorlage Merswins geschrieben. 105 Wilhelm Preger, Geschichte der deutschen Mystik, S. 246f. 106 Karin Schneider, Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten. Eine Einführung, Tübingen 1999 (Sammlung Kurzer Grammatiken Germanischer Dialekte. B. Ergänzungsreihe Nr. 8), S. 57. 107 Heinrich Seuse Denifle, Merswins Betrug in der Gottesfreundfrage, in: Deutsche Litteraturzeitung 1 (1880), Sp. 244f., hier Sp. 245. 108 Auguste Jundt, Rulman Merswin et l’Ami de Dieu, S. 85. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 98 Die Graphie der Haupthand des ‚Briefbuches‘ weist demgegenüber wenig Eigentümlichkeiten auf. Wie häufig, sind <i> und <j> in der konsonantischen Verwendung austauschbar, <i> steht (neben seltenem <y>) für / i/ . Sowohl <u> als auch <v> können vokalischen wie konsonantischen Wert annehmen: <u> repräsentiert dabei häufiger den Vokal, <v> tritt nur in einigen Lexemen (vnd, vnser, vf ) und in einigen Präfixen (vr-, vn-) an seine Stelle, zumeist bezeichnet es den Konsonanten / f/ (nur vereinzelt tritt in dieser Verwendung <u> auf). Eine ähnliche Konstellation findet sich für das diakritische Zeichen des langen Umlautes des / u/ , normalisiert <iu>: Zumeist durch einen Haken über <u> gekennzeichnet, ist < > sein Pendant im Personalpronomen ch. Die Grapheme der Konsonanten orientieren sich an verbreiteten Schreibgewohnheiten: Der Schreiber verwendet durchgehend die geschwänzte Form des < > und das Schaft-< > (nur am Wortende benutzt er die runde Variante des Buchstabens). In der Gemination nimmt das zweite <s> die Form des geschwänzten < > an. S CHRIFTSPRACHE : Der Hauptteil der Handschrift und der Einschub des ‚b ch von den vier ioren‘ zeigen Merkmale des Alemannischen, genauer des Elsässischen (vgl. Schrifttyp/ Schreiber/ Hände/ Graphie, S. 78-96), die Schriftsprache des ‚b ch von den fúnf mannen‘ bedarf einer näheren Erläuterung. Im Begleitbrief zum ‚b ch von den fúnf mannen‘ entschuldigt sich der ‚Gottesfreund aus dem Oberland‘ für die mundartliche Prägung des von ihm an die Johanniter gesendeten Textes: Vil lieben br der, Ich hette ch gar gerne alle ding in úwer sproche geschriben, alse ich ch wol kunde vnd wolte es geton haben, also vergas es mir gar vil vnd habe vwer sproche vnd vnser sproche vnderenander geschriben [...]. Mir waz not, ich schreip alle dise ding in fúnf dagen, wan ich m ste R preht hin weg senden (B, Bl. 3 r ; Rieder 1905, S. 70*7-12) Tatsächlich zeigt das ‚b ch von den fúnf mannen‘ - trotz der oben skizzierten, auffälligen Übereinstimmung mit den Schreibgewohnheiten des ‚b ch von den nún veilsen‘ und des ‚b ch von den vier ioren‘ - eine sprachliche Auffälligkeit gegenüber den Texten Rulman Merswins, die dem Schreiber eine differente mundartliche Herkunft zu bestätigen scheinen: In den Flexions- und Ableitungssilben wird der Vokal / e/ immer wieder durch / a/ ersetzt. 109 Als Charakteristikum des Hochalemannischen scheinen die vollen Endsilbenvokale eine spezifischere Lokalisierung des ‚Oberlands‘ - etwa als höhere, vielleicht am Oberlauf des Rheins gelegene Region im Süden des Reichsgebiets - zu suggerieren, doch die Verteilung der Substitution zeigt charakteristische Abweichungen gegenüber den Textzeugnissen aus der hochalemannischen Sprachlandschaft. Im ‚b ch von den fúnf mannen‘ tritt die Endung -an hauptsächlich in der Nominalflexion der starken Feminina der ehemaligen ôbzw. jô-Deklination sowie - deutlich seltener - im Dativ Plural und Nominativ und Akkusativ Singular der ehemaligen â-Deklination ein, d.h., <a> steht nicht für ein etymologisches, ahd. <â>, sondern ist Graphem für den Stimmtonverlust aller ehemals vollen Nebensilben. Während ein vielfältiger, nicht lautgesetzlich motivierter Gebrauch des offenen Vokals in den Flexionssilben durchaus mit den mundartlichen Konventionen übereinstimmt, 110 machen es die spezifischen syntaktischen Positionen, in denen die volle Nebentonsilbe erscheint, wahrscheinlich, daß der Text nicht durch den hochalemannischen Dialekt seines Schreibers überformt wurde, sondern daß er das charakteristische Sprachmerkmal dieser Schriftsprachen lediglich imitiert. Ist die erkennbare Konzentration der an-Endung auf den Dativ Plural des starken Femininums der ehemaligen ô-Stämme durch die ahd. Dativendung -om, -ôm, -on sprachgeschichtlich abzulei- 109 Vgl. auch: Heinrich Seuse Denifle, Die Dichtungen Rulman Merswins, S. 527. 110 Bruno Boesch, Untersuchungen zur alemannischen Urkundensprache, S. 138; Hans Schmid, Die St. Galler Urkundensprache, S. 86. ‚Briefbuch‘ (B) 99 ten, 111 und sind die vollen Nebentonsilben im Nominativ und Akkusativ Plural eben dieser Deklinationsklasse in unterschiedlichen hochalemannischen Mundarten bezeugt, 112 erscheint das Flexiv -an im ‚b ch von den fúnf mannen‘ auch in Kasus, in denen es in anderen Quellen aus der Schreiblandschaft nicht nachgewiesen werden kann: So bleibt die Endung im Dativ Singular des starken Femininums der ô-Klasse 113 und im Dativ Plural des starken Maskulinums der â-Klasse 114 auf einzelne Sonderschreibungen beschränkt. Belege für das Flexiv -an im Dativ Plural der starken Neutra sowie im Nominativ und Akkusativ Singular der ehemaligen â-Deklination fehlen außerhalb der ‚Gottesfreundliteratur‘ völlig. Die Markierung des Dativs Singular dieser Deklinationsklasse schließlich ist allein als Nebenform in deutlich älteren Quellen bezeugt. 115 Der hier gewonnene Eindruck, beim ‚b ch von den fúnf mannen‘ handele es sich um eine Nachahmung altertümlicher hochalemannischer Sprachformen, wird durch die Verbalflexion bestätigt. Zwar kann Schmid den offeneren Vokal in der Infinitivendung der schwachen Verben der II. und III. Klasse in St. Galler Quellen des 14. Jahrhunderts nachweisen 116 und auch der Ausgang der unflektierten Form starker Verben auf -an ist mundartlich bezeugt, 117 die Endung der 2. Singular Indikativ Präsens auf -ast, 118 der 1. und 3. Plural Indikativ Präsens auf -ant 119 sowie der 3. Singular Konjunktiv Präsens wie Präteritum auf -a 120 sind jedoch für deutlich frühere Aufzeichnungen charakteristisch. Ein Zeugnis für die volle Nebentonsilbe -an im Partizip Präteritum eines starken Verbs fehlt zudem außerhalb der ‚Gottesfreundliteratur‘ völlig. Zu den Eigentümlichkeiten der Sprachform des ‚Autographs‘ zählt auch die quantitative Verteilung der Substitution; sie ist durchaus nicht - wie durch das beigefügte Schreiben suggeriert - über den gesamten Text sporadisch zu finden, sondern tritt in einigen Passagen gehäuft auf: J’ajoute, pour compléter la physionomie du livre au point de vue grammatical, que les mots où paraît ce dialecte, si on les souligne dans le texte [...], se détachent nettement sur le fond du traité en une série de groupes plus ou moins étendus; entre ces groupes, ils n’apparaissent plus qu’à l’état sporadique, et il est même des passages assez longs où ils ne paraissent plus du tout, où la langue alsacienne est parfaitement pure. 121 Die Artifizialität der Schriftsprache des ‚b ch von den fúnf mannen‘ wird über den inflationären Gebrauch der vollen Nebentonsilben hinaus durch das Fehlen weiterer hochalemannischer Sprachmerkmale besonders deutlich. Der Einschub in B nimmt so weder eine Differenzierung der obliquen Kasus der schwachen Feminina in Singular- und Pluralformen vor, die für die südlichen und östlichen Mundarten des Alemannischen typisch ist, 122 noch ist <i> im 111 Hans Schmid, Die St. Galler Urkundensprache, S. 86; Bruno Boesch, Untersuchungen zur alemannischen Urkundensprache, S. 138f. 112 Für Belege vgl. Bruno Boesch, Untersuchungen zur alemannischen Urkundensprache, S. 138f., und Hans Schmid, Die St. Galler Urkundensprache, S. 86f. 113 Hans Schmid, Die St. Galler Urkundensprache, S. 138. 114 Karl Weinhold, Alemannische Grammatik, S. 416. 115 Vgl. ibid., S. 413 und 423. 116 Hans Schmid, Die St. Galler Urkundensprache, S. 87. 117 Karl Weinhold, Alemannische Grammatik, S. 347. 118 Ibid., S. 335. 119 Ibid., S. 337 und 338f.; Hans Schmid, Die St. Galler Urkundensprache, S. 151. 120 Karl Weinhold, Alemannische Grammatik, S. 340 und 345. 121 Auguste Jundt, Rulman Merswin et l’Ami de Dieu, S. 83. 122 Wolfgang Kleiber, Konrad Kunze, Heinrich Löffler, Historischer Südwestdeutscher Sprachatlas, K 89-90. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 100 absoluten Auslaut der femininen Eigenschaftsabstrakta erhalten 123 oder das hochalemannische Schibboleth kilche belegt. 124 Selbst die lautliche Eigentümlichkeit des Textes - die Überfüllung der Flexions- und Ableitungssilben mit dem offenen Vokal <a> - tritt nicht in allen Positionen ein, in denen sie dialektal belegt ist: Die hochalemannischen Quellen verwenden <a> sowohl im absoluten Auslaut im Nominativ und Akkusativ Plural der femininen ô-Stämme 125 als auch als Endung der 3. Singular Präteritum Indikativ. 126 Obwohl eine eingehende dialektgeschichtliche Untersuchung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ - gerade vor dem Hintergrund der Vielgestaltigkeit des Alemannischen - einen genaueren Einblick in die spezifischen Entstehungsmechanismen der ‚Vita‘ des Gottesfreundes geben würde und daher ein Desiderat der Forschung bleibt, verdeutlicht bereits dieser sporadische Überblick über die Besonderheiten der Schriftsprache des Textes, daß es sich um eine Dialektfälschung handelt: „Der dialect des Fünfmannenbuches ist bis auf eine eigentümlichkeit vollständig und bis in die kleinsten nüancen der dialect Merswins.“ 127 E INRICHTUNG / B UCHSCHMUCK : Die Handschrift weist wenig Buchschmuck auf, welcher jedoch den Aufbau des Codexes als formlose Dokumentensammlung unmittelbar einsichtig macht: Während die Einführungen, Zusammenfassungen und Kontextualisierungen, die jedem der Briefe vorangehen, durch Rubrizierung und Verzierung mit einer (zumeist zweizeiligen) Initiale ausgewiesen sind und der Beginn des Haupttextes der Schreiben des Gottesfreundes darüber hinaus durch rote Lombarden unterschiedlicher Größe markiert ist, werden die ausführlicheren, redaktionellen Erläuterungen, die das ‚Briefbuch‘ zu einer Brieffolge oder einzelnen Texten gibt, durch blaue Initialen hervorgehoben. Nicht nur die Einleitung der Handschrift, welche das Programm der folgenden Textsammlung umreißt (Bl. 1 r ; Abb. 9b), auch die allegorische Auslegung des Begleitbriefs zum ‚Meisterbuch‘ (Bl. 17 v ), die Erläuterung des Entstehungs- und Gedankenzusammenhangs der Briefe 6-10 (Bl. 17 v / 18 r ), die in roter Tinte geschriebenen Vorbemerkungen zu Merswins ‚Autograph‘ des ‚b ch von den vier ioren‘ (Bl. 32 v ; Abb. 12 [32 v ]) und schließlich die Liste der Pfleger auf Bl. 80 v sind - obwohl dem Codex ein Inhaltsverzeichnis fehlt - durch die Verzierung mit blauen, zweizeiligen Lombarden leicht zu finden. Auch die Orientierung innerhalb längerer Texte wird durch eine Binnenstrukturierung mittels einer Hierarchisierung der Initialen gewährleistet: Sowohl der ‚Schürebrand‘-Traktat (Bl. 56 r -73 r ) als auch die sich anschließenden Gedichte (Bl. 73 r -75 v ) differenzieren den Textbeginn, welcher durch dreizeilige Initialen markiert wird, von untergeordneten Sinnabschnitten, deren erster Buchstabe nur über zwei Zeilen geführt wird. Zwei Briefe heben sich in der Gestaltung ihrer Initiale von diesem Formrepertoire ab: Sowohl die Abschrift des ersten Briefs, den der Gottesfreund an den ‚Grünen Wörth‘ richtete (Bl. 16 v ), als auch des einzigen Schreibens, das a n den Gottesfreund gerichtet wurde (Bl. 47 r ), nutzen die Aussparungen pergamentfarbener Laubranken in den roten Buchstabenschäften, um die Anfangsbuchstaben der Rubrik bzw. des Textes zu verzieren. Diese eher schlichte Ausstattung wird allein für die Gestaltung des Gedichts auf ‚Jesu Namen‘ durchbrochen: Der Beginn des Textes (Bl. 76 r ; Abb. 14b) ist mit aufwendigem Buchschmuck versehen, der an die Illumination der ersten Lage des ‚Großen deutschen Memorials‘ anschließt: Die über 20 Zeilen eingerückte Initiale J ist in Rot und Blau gespalten; die Farbflächen sparen - wie die Initialen auf Bl. 1 r , 6 rv des zweiten Urkundenbuches - Fabelwesen mit Menschenköpfen aus, die in Schwarz kontu- 123 Ibid., K 95. 124 Ibid., K 114. 125 Bruno Boesch, Untersuchungen zur alemannischen Urkundensprache, S. 133. 126 Ibid. 127 Heinrich Seuse Denifle, Die Dichtungen Rulman Merswins, S. 529. ‚Briefbuch‘ (B) 101 riert sind und z.T. mit grünen oder roten Nuancen versehen wurden. Von dieser zoomorphisierten Initiale, die mit einem roten, rechtwinklig zusammengeführten Knospenähren- Fleuronné besetzt ist, geht eine Zierleiste aus, die den gesamten Schriftraum umgibt: Der Komposition des ‚Titelblatts‘ des ‚Großen deutschen Memorials‘ (Bl. 6 rv ) entsprechend sind auf den Eckpunkten der Schmuckleiste - eine rote bzw. blaue Mittellinie, welche auf der schriftabgewandten Seite von floral umspielten Kopfstempelmustern (horizontale Leiste) oder geometrischen Silhouettenmotiven (vertikale Leiste) begleitet wird - vier von rotem Fleuronné umspielte Rundmedaillons gesetzt, in denen weiße Mischwesen auf grünem Grund zu sehen sind. Allein die Komposition des Incipits des Textes zeigt gegenüber dem Buchschmuck in A ein neues Formelement: Der Textanfang ist durch farbige Unterlegung hervorgehoben. Jhesus wird durch Chrysographie auf gelbem Grund ausgezeichnet, auf einer roten, mit weißem Dreipunktmuster versehenen Fläche ist s sser in gelb aufgetragen, auf der letzten, dunkelgrünen Folie ist namme in Rot geschrieben. Der Fleuronnébesatz des <J> wird in der Ornamentik der drei untergeordneten Initialen im Verlauf des Textes aufgegriffen: Die beiden roten Initialen auf Bl. 77 v und 80 r wiederholen die Schmuckform in der Knospenähre ihres Binnenfelds, die blaue Lombarde auf Bl. 79 r umgibt ein rot konturiertes Knospengeflecht, das in einem menschlichen Kopf ausläuft. Die auffällige Konzentration des Buchschmucks auf Bl. 76-80 ließ Rieder vermuten, diese Blätter seien aus „eine[m] anderen kostbaren Urkundenbuch[ ]“ ausgeschieden und in das weniger anspruchsvolle ‚Briefbuch‘ integriert worden. 128 Obwohl Strauch zu Recht gegen diese These einwendet, daß „auch bl. 78-80 [...] papierdoppelblättern an[gehören] und [...] deshalb nicht von bl. 73-75 getrennt werden [können]“, 129 folgt daraus nicht zwingend, daß der ‚Schürebrand‘-Traktat, der auf Bl. 73 r endet, aber bereits in der vierten Lage begonnen wurde, „ebenfalls [...] in jener kostbaren vorlage gestanden haben“ müßte: 130 Bei Bl. 76/ 77 handelt es sich um das mittlere Pergamentblatt der sechsten Lage, das durchaus - mit dem Anfang des Gedichts Jhesus s sser namme beschriftet - in den Papierquaternio eingelegt worden sein kann, auf dessen zweiter, für den ‚Schürebrand‘-Traktat nicht mehr benötigten und somit unbeschriebenen Hälfte der Gedichttext fortgesetzt wurde. Da sich aber „die schrift auf bl. 76/ 77 [...] in tinte und ductus in nichts von dem unterscheidet, was unmittelbar vorhergeht und folgt“, 131 muß das Pergamentdoppelblatt entweder - entgegen den Gepflogenheiten mittelalterlicher Skriptorien - erst nach der buchmalerischen Ausstattung und der angenommenen neuen Kontextualisierung von der Haupthand des ‚Briefbuches‘ beschriftet worden sein oder der Textinhalt, ein Lobgedicht, gab „auch in dieser sonst schmucklosen umgebung um seiner selbst willen anlass zu prächtigerer umrahmung“, 132 d.h., die Auszeichnung des Blatts wurde nicht aus einer anderen Handschrift übernommen, sondern für das ‚Briefbuch‘ vorgenommen. Aufgrund der großen Übereinstimmungen in Anlage, Motivik und Farbkomposition des Blatts mit dem Buchschmuck der ersten Lage in A ist davon auszugehen, daß die Illumination in der gleichen Werkstatt vorgenommen wurde. Die beiden Einschübe nutzen keine Mittel zur Text- oder Satzgliederung. 128 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 55. 129 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 113. 130 Ibid. 131 Ibid. 132 Ibid. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 102 E INBAND : Die Vorderseite des mit weißem Leder überzogenen Holzdeckels des Originaleinbands (Abb. 8a), 133 auf dem Reste von zwei Schließen zu erkennen sind, ist beschriftet: Liber Iste Religiosi est custodiendus, auf der Rückseite des Deckels ist ein Pergamentstreifen aufgeklebt, auf dem zu lesen ist: Dis ist das briefebúchel (Abb. 8b). Anscheinend war dieser Pergamentstreifen mit Messingstäbchen umrahmt und durch Marienglas geschützt. 134 Als vorderes Spiegelblatt (Abb. 9a) wurde ein bereits beschriebenes Pergamentblatt verwendet, auf dessen Rectoseite zu lesen ist: „p[rese]ntet [ur] d [omi]no C. Co[n]rado de Geispolezheim de Bynogia (lies Rynogia Rheinau) et c[etera] dare (lij [? ] ausgewischt) xij g[r]oss[os].“ 135 Auf der Versoseite findet sich eine Urkunde Papst Urbans, „worin dieser den Propst, Kantor und Thesaurar [von Straßburg] beauftragt, dem Heinrich genannt B. von Ettenheim bei der Erwerbung einer vom Papste reservierten Pfründe behilflich zu sein“. 136 Auf der Versoseite des hinteren Spiegelblattes, welches nur z.T. vom Einband gelöst ist, sind Namen Straßburger Familien eingetragen, die zumeist im Urkundenbuch der Stadt Straßburg nachgewiesen werden können: Zeile Eintrag Beleg in UBSt VII 1 Margarete de... 2 Gerlingi Retwinin.e...k 3 eius filie / Elysabeta... 4 fem. Else de zelle / ... d[e] guggengeim et katharina eius filie Katharina Guggenheim ist am 12. Oktober 1335 (Nr. 108, S. 35) und am 23. April 1336 (Nr. 128, S. 41) urkundlich bezeugt. 5 C nrado z dem Eber et else eius vxori C nrado z dem Eber ist von 1365 (Ratsmitglied, S. 919) bis zum 20. August 1389 (Nr. 2436, S. 704f.) urkundlich bezeugt. 6 Dine Symundin Burcardo meiger / Hermanno filio pistoris de Schuttern 7 Gertrudi Rel[ic]te quondam hugonis zorn milites / et katharine eius sorori Gertrud Zorn ist am 13. Juli 1394 (Nr. 2666, S. 774f.), Katharina Zorn am 12. Oktober 1394 (bereits verstorben Nr. 2673, S. 777) urkundlich bezeugt. 8 Katharine de schaftolczheim Katharina von Schaftoltzheim ist am 12. August 1390 (Nr. 2503, S. 723) urkundlich bezeugt. 9 Nicolao humbreht et margarete eius vxori Nikolaus Helmbrecht ist vom 21. Januar 1334 (Nr. 45, S. 14) bis zum 5. August 1394 (Nr. 2667, S. 775) urkundlich bezeugt. 10 agneti eius pedisseque 11 Conrado z der Megde / et else filie sui fratris Conrad zu der Megede ist vom 18. Februar 1364 (Nr. 1129, S. 331f.) bis zum 1. Juli 1400 (Nr. 2969, S. 875) 133 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 51. 134 Ibid., S. 51f. 135 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 115. 136 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 50. ‚Briefbuch‘ (B) 103 urkundlich bezeugt. 12 Conrado múller Juniori / et else eius vxori Conrad Müller ist vom 7. September 1391 (Nr. 2564, S. 740) bis zum 16. April 1396 (Nr. 2758, S. 803) urkundlich bezeugt. 13 Else de heiligenstein Else von Heiligenstein ist vom 7. September 1391 (Nr. 2564, S. 740) bis zum 27. Januar 1399 (Nr. 2911, S. 854) urkundlich bezeugt. 14 Gertrudi Rel[ic]te nicolai de geispolcheim 15 Dyne de haselahe / katherine z der wogen Katharina zu der Wagen ist am 31. März 1376 (S. 238) urkundlich bezeugt. 16 16a [getilgt: Joh[ann]i Rinman p[res]b[yt]ero argent.; daneben von anderer Hand vermerkt: no[n] ponat[ur] quia fuit hic in p[ro]pria p[er]sona | h[oc] in fine] 17 Sophye de colonia 18 Else famule m[a]g[ist]ri waltheri 19 …rberin et...ne eius filie 20ff. Sophye l selerin / Item g czoni de grosstein myliti filio quondam hansonis de grosstein miles Sophye Löselin ist vom 27 Oktober 1384 (Nr. 2180, S. 627) bis zum 27. November 1388 (Nr. 2390, S. 690) urkundlich bezeugt. Hans von Grosstein ist vom 22. Februar 1366 (Nr. 1130, S. 332) bis zum 22. Oktober 1389 (Nr. 2425, S. 701) urkundlich bezeugt. Da die meisten der hier angeführten Personen „im letzten decennium des 14. jahrhunderts [...] urkundlich zu belegen“ 137 sind, nimmt Strauch an, bei dem Namensverzeichnis handele es sich um eine Zeugenliste. 138 Da einige der Genannten oder ihre Verwandten darüber hinaus als Pfleger, Stifter oder Pfründner des ‚Grünen Wörth‘ bezeugt sind, könnte das Verzeichnis für die Kommende angelegt worden sein: Das Anniversar des ‚Grünen Wörth‘ verzeichnet Katharina Wagnerin so unter dem 10. März, 139 mehrere Mitglieder der Familie Zorn sind in der Johanniterkirche begraben, 140 auch übte die Familie mehrfach das Pflegeramt aus; 141 Conrad zu der Megde stiftete nicht nur das Johanniterspital, 142 sondern ersetzte auch Rulman Merswin als Pfleger des ‚Grünen Wörth‘. 143 Die Familien von Heiligenstein, von Grosstein und Löselin nutzen die Johanniterkirche als Grablege. 144 137 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 115. 138 Ibid. 139 Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752, Bl. 12 r . 140 Vgl. ibid., Bl. 3 v (17. Januar: Nesa Z rnin), Bl. 18 v (18. April: Heilcka Z rnin). 141 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 2.3.2. 142 Vgl. UBSt VII, Nr. 1978, S. 570. 143 Vgl. die Liste der Pfleger in B, Bl. 82 r . 144 Vgl. die Einträge im Anniversar (Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752): Barbara de Heiligenstein (13. Juni, Bl. 28 r ), Helena de Heiligenstein (30. September, Bl. 46 r ), Walther de Heiligenstein (30. November, Bl. 56 r ); Greta de Grosstein (8. Februar, Bl. 7 r ), Johannes de Grosstein (18. März, Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 104 Auf einem nachträglich auf das Spiegelblatt (Abb. 9a) eingeklebten Papierstreifen befindet sich das Ex libris des ‚Grünen Wörth‘, unter das - auf einem zweiten Pergamentstreifen - von Schweigheusers Hand geschrieben wurde: Hic est ille Liber Epistolarum familiarium in antiquissimis Domus Viridis Insul monumentis dictus Daß BrieffBüchlin, continens vltra bo: [bon ] mem. [memori ] D. Rulmanni Merschwin Fundatoris, et eius in partibus Superioribus incogniti Amici proprijs ipsorum manibus scriptam sanctissimam eorundem et Sociorum vitam, multa c lestia mirabilia circa originem et progressum eiusdem Domus Viridis Insul , ac Salutaria monita Fratribus tunc in ea pr sentibus et futuris relicta. [Dies ist jenes Buch mit freundschaftlichen/ vertraulichen Briefen, in sehr alten Dokumenten des Hauses zum ‚Grünen Wörth‘ das ‚Briefbüchlein‘ genannt. Es enthält neben den Viten des seligen Gründers Rulman Merswin und seines unbekannten Freundes in höher gelegenen Gegenden [ = im Oberland], die sie mit ihren eigenen Händen über ihr und ihrer Gefährten heiligstes Leben geschrieben haben, auch viele göttliche Wunder hinsichtlich des Ursprungs und des Fortgangs dieses Hauses zum ‚Grünen Wörth‘ und heilbringende Ermahnungen den damals in ihm gegenwärtigen und den zukünftigen Brüdern hinterlassen.] Bl. 13 v ); Adam L selin (17. Januar, Bl. 3 v ), Johannes L selin (1. April, Bl. 15 v ), Johannes L selin, miles (4. April, Bl. 16 r ) und Adelheidis L selin (14. September, Bl. 43 v ). ‚Briefbuch‘ (B) 105 I NHALT 1. Hälfte der 1. Lage (Bl. 1-3) I. Einleitung des Redaktors 1 r Titel und Inhalt der Handschrift 145 [vgl. Abb. 9b] Rubrik: D is ist daz brief b chelin in dem versammelt sint alle die Missyven, die der liebe, verborgene gottes frúnt in berlant, R leman Merswines, vnsers stifters seligen, heimelicher geselle, ie z mole her abe geschriben het den priestern vnd personen z dem Gr nenwerde von den wercken gottes vnd ettelicher fr meder offenborunge vnd von maniger leige geschiht ires vnd ouch vnsers gebuwes wie sich die verl ffen hant, Sider der zit, daz dis hus z dem Gr nenwerde wart z dem ersten angefangen z ernuwende, Also es der vorgenante R leman Merswin von den von Altdorf enpfangen vnd in genomen hette vnd es mit sinen (weltlichen nachgetragen) Priestern besatte, die dar in zugent vnd die kirche anefingent z besingende an sante Lucas tage Anno d M° ccc° lxvj Text: I tem diser selben briefe vnd missiven sint etliche z latine vnd z Tútsch geschriben in die drú vrkúnde b cher dez vorgenant huses z dem Gr nenwerde, doch nuwent die notdurftigesten sinne, die in gezúgnisze z den selben materien geh rent, vnd sint vil worte vnd sinne vnderwegen bliben die hie in disem gegenwertigen b che gantz geschriben stont noch ordenunge der materien, alse sú nochenander geh rent vnd eine vf die andere wiset wie doch etliche briefe werdent vorstonde die vil lihte z hinderste koment vnd noch der daten Júnger sint, abe den nieman irren sol in vúrwitziger zwifelunge wenne sú sint vf daz aller mercklicheste nochenander geordent mit fúrsatze durch daz die sinne aller menglich verston kúnne nu vnd harnoch ewicliche Ausgabe: Rieder 1905, S. 64*1-65*7. 1 rv Geschichte der Gottesfreunde und ihrer Niederlassung im Oberland Rubrik: nicht durch Rubrik, durch Paragraph und Initiale abgetrennt Incipit: I tem der liebe gottes frúnt in berlant mit siner geselleschaft die in vnsern drien vrkúnde b chern z latine vnd z Tútsch geschriben stont vnd genennet sint die fúnf manne vingent ch iren gebu an vnlange vor dem beginne vnsers gebuwes [...] Explicit: [...] vnd blep vil iore also stonde, daz sin die lieben gottes frúnde kein ahte me hettent vnd sich z mole dar vf vertr stetent 145 Die Titel und Inhaltsangaben der Handschriftenbeschreibung sind jeweils um die einleitende Rubrik ergänzt, da alle im ‚Briefbuch‘ gesammelten Briefe nur in den hier vorliegenden Abschriften existieren, diese jedoch durch die beigegebenen, redaktionellen Zusätze nicht nur gesammelt, sondern auch - am deutlichsten zu Beginn des Manuskripts - in ein (narratives) Programm integriert werden, das mit Hilfe der Rubriken verdeutlicht werden soll. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 106 vnd es vz den sinnen sl gent vnd kein gedencken me dar noch hettent in gantzer geloszenheit Der Gottesfreund und seine im ‚b ch von den fúnf mannen‘ erwähnten Mitbrüder möchten sich nach Gottes Willen niederlassen. Ihnen wird ein schwarzer Hund gesandt, der die Stätte ihrer Ansiedlung offenbaren soll. Die Gottesfreunde beginnen, ihr Haus an einem abgeschiedenen Ort im Land des Herzogs von Österreich zu erbauen, werden aber durch einen Krieg an der Fertigstellung gehindert. Ausgabe: Rieder 1905, S. 65*8-66*28; Schmidt 1854, S. 176f.; Schmidt 1866, S. 58f. 1 v -2 v Romreise des Gottesfreundes Rubrik: nicht durch Rubrik, durch Paragraph und Initiale abgetrennt Incipit: Item do noch beschach es bi Bobest Gregorius ziten vor der zisma scilicz Anno d M° ccc lxxvij, Daz der vorgenant gottes frúnt R lmannes heimelicher geselle der leige, [2 r ] vnd siner priester einer, der Juriste, m stent z dem selben Bobeste Gregorio varen [...] Explicit: [...] Nu waz der Bobest dar nach der g ttelichen botschaft vnahtsam vnd volgete ir nút vnd starp in dem selben iore also ime die zwene gottes frúnde geproficiget hattent scilicz circa Letare Anno d M ccc lxxviij Der Gottesfreund und einer seiner Mitbrüder, ein gelehrter Jurist, fahren 1377 zu Papst Gregor nach Rom, um diesen und die gesamte Christenheit vor ihren Sünden und Vergehen zu warnen. Nachdem der Papst die Gottesfreunde nicht dazu überreden kann, bei ihm in Rom zu bleiben, möchte er sie bei der Fertigstellung ihrer Niederlassung im Oberland unterstützen und händigt ihnen hierzu ein Empfehlungsschreiben aus. Da sich der Papst jedoch - entgegen seinem Gelöbnis - nicht von seinen Sünden abkehrt, stirbt er - wie vom Gottesfreund prophezeit - binnen eines Jahres. Ausgabe: Rieder 1905, S. 66*29-69*11; Schmidt 1854, S. 177-180; Schmidt 1866, S. 59-62. II. ‚b ch von den fúnf mannen‘ 3 r Einleitung des Redaktors Text: I tem der selbe leige vnd gottes frúnt, R leman Merswins, vnsers stifters, geselle, schreip den br dern z dem Gr nenwerde mit sin selbes eigener hant an vier bogene Bappires sin vnd siner br der leben daz wir nennent daz b ch von den fúnf mannen. Die selbe geschrift, dez lieben gottes frúndes eigene hant, man billich halten sol in ‚Briefbuch‘ (B) 107 Einschub 1 (Bl. 4-11) groszer wirdikeit glich eime heilt me, also ch me hienoch geschriben stot Darvmbe sint die selben vier bogene, dez frúnt gottes hant, z aller nehst hie noch geordent vnd in gebunden in aller der gestalt vnd forme vnuerandert, z glicher wise alse es (R reht durchgestrichen) R preht, dez lieben frúnt gottes diener, selber brohte R leman Merswine, vnserme stifter, z dem Gr nenwerde, der es den br dern gap mit einer missiven, die ch hie noch vor dem b che geschriben stot, In den pfingesten Anno domini M ° ccc lxxvij Ausgabe: Rieder 1905, S. 69*12-23. 3 rv Begleitbrief des Gottesfreundes aus dem Oberland vom Mai 1377 Rubrik: D is ist eine abegeschrift einer Missiuen, die der liebe gottes frúnt in berlant her abe sante den br dern z dem Gr nenwerde mit dem b che von den fúnf mannen, daz hie noch geschriben stot mit sin selbes hant Nachdem der Gottesfreund erläutert hat, er habe das Leben seiner Mitbrüder und vor allem seine eigene Biographie nur auf den ausdrücklichen Wunsch der Brüder des ‚Grünen Wörth‘ und allein zu ihrer spirituellen Erbauung aufgezeichnet, regelt er die weitere Tradierung des Textes: Da er aufgrund der schnellen Aufzeichnung immer wieder in seinen heimatlichen Dialekt verfallen sei, solle der Text in den elsässischen Dialekt übertragen werden, insofern der Komtur der Johanniter dies für angemessen hält. Ausgabe: Rieder 1905, S. 69*24-71*22; Schmidt 1866, S. 309-311. 4 r -11 r Text [vgl. Abb. 10b] Rubrik [3 v ; vgl. Abb. 10a]: H ie vohent ane die vier bogene, daz b ch, von dem do vor geseit ist Also es der liebe gottes frúnt mit sin selbes eigener hant den Johansern z dem Gr nenwerde geschriben het von dem lebende sin vnd siner geselleschaft in berlant Incipit: in cristo Jesu, minan vil lieban br dern, mir wart etthewas in gesprochan vnd habbe och do nach gedocht, vnd ich wil ch etthewas vssar gettelichar minnan vnd vssar cristenlichar br derlichar tr wan van vnsar br dar lebban etthewas schriban [...] Explicit: [...] p wele, lo dir gen gen mit miner gnoden; dernoch do gesties der liebe sant p wels der liddenden gnoden nie me abbe, wanne das er si gerne habben wolthe Inhaltsangabe: Steer, IV 2. Ausgabe: Schmidt 1854, S. 79-119; Schmidt 1866, S. 102- 138; Strauch 1927b (ATB 23), S. 28-83. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 108 2. Hälfte der 1. Lage (Bl. 12-14) 11 v Nachwort des Redaktors [vgl. Abb. 11] Rubrik: - Incipit: Dis ist daz b ch, daz vnser lieber vatter, der grosse, heilige gottes frúnt in berlant, R leman merswines, vnsers lieben stifters seligen, heimelicher geselle, mit sin selbes hant selber geschriben het [...] Explicit: [...] vnd er befalch es ouch sunderliche mit grosseme erneste in eime briefe, daz man dis gegenwertige b ch abe solte schriben vnd die selben heimelichen artickele alle vsse liesse, also daz sú niemanne fr medes z lesende wúrdent Das Nachwort erklärt, warum das ‚Autograph‘ des ‚b ch von den fúnf mannen‘ aufbewahrungswürdig ist, und weist auf heimeliche rede und artickele hin, die nur im ‚Autograph‘ und nicht in dessen Abschriften enthalten sind. Ausgabe: Rieder 1905, S. 71*28-72*15. 11 v Nachtrag: Gedicht aus dem ‚Meistermemorial‘ [vgl. Abb. 11] Dis ist eine Roberike in des meister(s) memoriale b ch z nehest noch dem briefe ber die dr vrkúnde b cher Ausgabe: Rieder 1905, S. 72*16-32. III. Sammlung von Briefabschriften 12 r -14 r Brief 1: Schreiben des Gottesfreundes vom Tag der heiligen Margarete (13. Juli) 1377 an den Johanniterkomtur Rubrik: Dis ist ein [sic! ] missive dez lieben frúnt gottes, kam in den ziten do wir den beschlossenon kor ane gevangen hattent mit vil wider drieszes, der vf den gebu viel wenne es vz natúrlicher neiglicheit beschach one rot dez heilgen geistes, Alse die vrkúnde b cher sagent. Dise selbe Missiue seit drie sinne: Der erste sin, wie er vnd R preht, sin diener, rietent, daz wir die kirche soltent haben vmb gekert, des wolte aber die heilge Triualtikeit nút, Alse er in diser nehsten, nochgonden Missiuen anderwerbe schribet vnd disen gegenwertigen, ersten rot widerr ffet Der ander sin diser ersten Missiuen seit wie die pfafheit vnd der rot vnd daz gemeine volg in berlant den gebu der lieben gottes frúnde so gar begirliche gehullent mit gemeiner stimme Der dirte sin seit von etlicher offenborunge, wie der liebe frúnt gottes in berlant vnd R lman Merswin, vnser stifter, betwungen wúrdent mit grossem lidende we vnd getrenge z der stiftunge dez Gr nenwerdes vnd vohet die Missiue alsus an vnd sprichet z dem Commendúre, der hies do z mole Br der heinrich von wolwasch Der Brief enthält drei wesentliche Aspekte: Zum einen gibt er den Rat des Boten R preht weiter, daß der neue Chor des ‚Grünen Wörth‘ nicht nach den Vorstellungen Rul- ‚Briefbuch‘ (B) 109 2. Lage (Bl. 15-26) mans, sondern nach dem Plan des Komturs zu errichten sei; zum anderen berichtet er von den Fortschritten des Baus der Gottesfreunde im Oberland, die nun auch die Unterstützung des Bischofs und des Rates der nahegelegenen Stadt erhalten; zuletzt führt der Gottesfreund aus, wie es zur Gründung des ‚Grünen Wörth‘ kam. Ausgabe: Rieder 1905, S. 73*-77*14; Schmidt 1854, S. 142-146; Schmidt 1866, S. 311-315. 14 r -15 r Brief 2: Schreiben des Gottesfreundes vom Tag des heiligen Paulus (1. August) 1377 an Rulman Merswin Rubrik: I tem Dise nochgonde Missiue schreip der liebe frúnt gottes R lemanne Merswine, vnserme stifter, z hant vf den vorgeschribenen brief vnd ist die offenborunge, wie der kor vnd die sacristige vnd der nuwe gebu in der kirchen geordent sint, Alse es die heilge Triualtikeit mit g ten wortzeichen haben wolte vnd den vorgonden Rot des ersten briefes wider sprichet alsus sprechende Eine Offenbarung der Heiligen Dreifaltigkeit in der Nacht des heiligen Jacobus zwingt den Gottesfreund aus dem Oberland, den im ersten Brief gegebenen Rat bzgl. des Neubaus des Chors zurückzunehmen und statt dessen vorzuschlagen, die alte Kirche nur ausreichend instand zu setzen und nicht umzubauen. Ausgabe: Rieder 1905, S. 77*15-79*33; Schmidt 1866, S. 315-319. 15 v -16 r Brief 3: Schreiben des Gottesfreundes vom Tag der heiligen Cäcilia (22. November) 1377 an die Brüder des ‚Grünen Wörth‘ Rubrik: I tem dis ist eine figure dez huses vnd der br dere z dem Gr nenwerde, die dem lieben gottes frúnde geoffenbart wart in der stat z Lutringen, von eime neste mit siben blutten vogeln, do er vf siner Metzer vart waz, also die vorgonde missiue wiset, in den selben ziten worent der br der nút me danne siben, dez waz einre vast siech vnd starp darnoch kúrtzlich. Do vor vnlange worent zwene br dere von dem gr nenwerde kummen in andere conuente, ein viertzig ieriger priester vnd ein ahtzehen ieriger dyacone, wenne der br dere worent vormols in dem selben iore núne gewesen, do ch die visiune geschriben wart den berigen siben br dern in eime frúntlichen briefe alsus sprechende Der Gottesfreund träumt von sieben Vögeln, die in einem Nest sitzen und über denen ein Adler kreist, der sie auffordert, ihm zu folgen, sobald sie bereit dazu seien; einer der Vögel möchte auf die Schwingen des Adlers springen, fällt Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 110 jedoch zu Boden; der Adler warnt die Vögel, in ihrem Nest zu bleiben. Vom Gottesfreund um eine Auslegung des Traums gebeten, bezieht der neue Mitbruder der Gottesfreunde, Johannes, diesen auf den ‚Grünen Wörth‘. Ausgabe: Rieder 1905, S. 79*34-81*23; Schmidt 1854, S. 147-149; Schmidt 1866, S. 319-321. 16 rv Brief 4: Schreiben des Gottesfreundes vom Freitag nach dem Tag des heiligen Valentin (19. Februar) 1378 an den Komtur (Auszug) Rubrik: I tem dis ist eine widerrede dez lieben frúnt gottes von drier br dere wegen, die z siner geselleschaft koment in den ziten, do sú iren gebu meindent z vollef rende, Alse der vor gonde vierde brief seit, daz er vns der selben br dere baz gegúnnet hette denne ime selber, daz in z hant dar noch ber vnd ime leit were gesin, wanne ez sich nit vant noch sime wone vnd noch iren worten, alse er nu anderwerbe schribet dem Commendúre in eime groszen briefe, vnder vil andern worten von dez obersten meisters wegen, alsus sprechende Der Gottesfreund berichtet von drei neuen Mitbrüdern in der Gemeinschaft zum Oberland. Ausgabe: Rieder 1905, S. 81*24-82*7; Schmidt 1866, S. 321. 16 v -17 v Brief 5: Schreiben des Gottesfreundes vom Montag vor Mariä Lichtmeß (29. Januar) 1369 mit anschließender Erläuterung; Begleitbrief zum ‚b ch von dem meister‘ Rubrik: D is ist der aller erste brief, den der liebe gottes frúnt in berlant den br dern z dem Gr nenwerde ie gesante mit dem b che von dem Meister, der die oberste zile des abeces von ime gelert wart, noch dem do der selbe meister eine bredie geton hette von xxiiij stúcken eins volkomenden lebendes daz selbe b ch vnd ch der brief koment in den ziten, do die weltlichen priestere die kirche z dem Gr nenwerde besungent vnd regiertent vnd von dem r mschen st le dar in gesetzet wurdent mit einer bliginen pullen dez Bobestes vnd vohet dez lieben gottes frúndes missiue alsus ane vnd sprichet Nachwort des Redaktors: Nu meinde der vorgenante erlúhtete gottes frúnt in dez vogelhundes spúre vnd in dem wilden daz verborgene heilig leben R lman Merswines, vnsers stifters z dem Gr nenwerde, sines heimelichen gesellen Alse er es ouch mit sin selbes hant in bappire geschriben hatte vnd noch sime tode funden wart mit sime eigenen silberinen Ingesigele mit eime riemen darangehencket vmbe sante Margreden dag Also ch der selbe R lman Merswin verschiet vnd die vrkúndeb cher sagent scilicet Anno d m ccc lxxxij ‚Briefbuch‘ (B) 111 Neben der Aufforderung, das ‚b ch von dem meister‘ für den beigelegten Gulden abschreiben zu lassen, enthält der Begleitbrief vor allem Ermahnungen zur Einmütigkeit der Brüder und zum Gehorsam gegenüber der Leitung des ‚Grünen Wörth‘. Ausgabe: Rieder 1905, S. 82*8-84*19; Schmidt 1854, S. 124-126; Schmidt 1866, S. 281-284. 17 v -18 r Einleitung des Redaktors zu den folgenden Briefen Incipit: D is ist die vzgerechente hinderste zit, wlgariter daz me, in dem die cristenheit vil iore gestanden ist [...] Explicit: [...] Do kam ein brief, in dem wart dem Commendúre geschriben vnder andern worten alsus Ausgabe: Rieder 1905, S. 84*20-85*20. 18 r Brief 6: Schreiben des Gottesfreundes vom Tag des heiligen Georg (23. April) 1375 an den Johanniterkomtur Rubrik: siehe Explicit der Einleitung des Redaktors Incipit: U il lieber frúnt, Ich kon nit wol geloszen, ich m s ch schriben, daz ich von vil gottes frúnden vernumen han vnd ch von ir ein teil selber geh rt habe, daz gar sere etwaz z v rhtende sige [...] Explicit: [...] Ich wil geswigen der súnden, die in dem fleische verborgen ist et cetera. Dirre brief wart geben vmb sant Gergen dag des Jores, do man zalte von Gotzgeburte Drúzehenhundert Sibentzig vnd fúnf Jore Der Gottesfreund fürchtet, daß der Zustand der Kirche, für den weltliche wie geistliche Führer verantwortlich seien, Gott zu Strafen zwingen wird. Daher richtet der Gottesfreund eine Bitte zur Errettung der Christenheit an ihn. Ausgabe: Rieder 1905, S. 85*20-85*39. 18 r -19 v Brief 7: Schreiben des Gottesfreundes vom Freitag nach dem Tag des heiligen Valentin (18. Februar) 1379 an den Johanniterkomtur Rubrik: V nd noch dis vorgeschribenen briefes z kunft vier iore, do bobest Gregorius vnd keiser karle, die zwei obersten houbet der cristenheit, beide gesturbent, do koment aber die heimelichen, erlúhteten gottes frúnde in gros getrenge vnd wart in von gotte geoffenbort vil groszer, erschr ckenlicher pflogen, die man in den ziten wartende waz, alles von vnserre grossen súnde wegen darvs aber vnder andern worten dem Commendúre in war nemender wise alsus geschriben wart Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 12 Der Brief vereinigt verschiedene Gesichtspunkte. Erneut wird vor den zu erwartenden Strafen Gottes gewarnt; es schließen sich konkrete Anweisungen an den Komtur an, dem von einer Reise zu den Gottesfreunden abgeraten wird, statt dessen solle er für Brüder und Haus des ‚Grünen Wörth‘ Sorge tragen, als müsse er noch in diesem Jahr sterben. Am Schluß des Briefes finden sich die schon im ersten Brief berichteten Umstände der Gründung des ‚Grünen Wörth‘. Ausgabe: Rieder 1905, S. 86*1-88*31; Schmidt 1854, S. 149-152; Schmidt 1866, S. 322-325. 19 v -20 v Brief 8: Schreiben des Gottesfreundes vom Samstag nach Ostern (16. April) 1379 an den Johanniterkomtur Rubrik: Vnd von groszer angest vnd not vnd erschr ckenlicher, gruwelicher, kúnftiger roche, so den lieben gottes frúnden in disen vorgeschriben drien vorhtsamen ioren vnd hindersten ziten geoffenboret wart vnd sú tegeliche wartende worent, So koment ir ehtewe berein vnd wurdent z rote, daz sú woltent einhellecliche von minnen vnd von groszer truwe vnd von sunderlicher erbermede vúr die cristenheit bitten vnd einen vfslag von gotte erwerben. vnd mahtent einen dag vnd sammeltent sich in einre groszen, hohen, wilden gebirge vnd logent vnserme lieben herren mit flissigem gebette obe nún tage lang. vnd do die bette geschach vnd der dag verging, do schreip aber der eine liebe gottes frúnt dem Commendúre, waz in z entwurte von gotte worden waz vnd sprichet der brief alsus Auf einem hohen Berg versammelt, bitten acht Gottesfreunde Gott um Gnade für die Welt. Am Tag Mariä Verkündigung verfinstert sich der Himmel und ein starker Wind zieht auf, bevor die Boten der úbeln geiste[ ] durch ein gleißendes Licht vertrieben werden, aus dem die Stimme eines Engels verkündet, ihr Gebet habe einen Aufschub der göttlichen Strafen um ein Jahr bewirkt. Ausgabe: Rieder 1905, S. 88*32-91*4; Schmidt 1854, S. 152-155, Schmidt 1866, S. 325-327. 20 v -21 v Brief 9: Schreiben des Gottesfreundes vom Tag Petri Stuhlfeier (22. Februar) 1380 an Rulman Merswin Einleitung des Redaktors, jedoch nicht durch Rubrik, sondern durch Paragraphenzeichen und Majuskel abgetrennt: V nd do alsus der himelsche vatter sinen frúnden abe seite vnd sú missetroste, daz sú noch dem iore dis vfslages nút me bitten d rffent vnd ouch bi gehorsame nút me bitten getorstent also dirre vorgeschriben 1 ‚Briefbuch‘ (B) 113 nehste brief seit, do noch kam es die liebe, erbarmhertzige, gnodenriche, milte m ter maria, die aller oberste kúnigin himelriches vnd erteriches, selber an den himelschen vatter dez winnaht obendes, do man zalte von Gotzgebúrte drúzehenhundert sibenzig vnd nún Jare, ebe der vorgeschriben vfslag vz kam vnd bat in mit ernste vúr die cristenheit, daz er die kúnftige pfloge noch drú ior vf sl ge vnd ir so lange zil gebe. des sú der himelsche vatter von irre dem tigen, ernsthaften bete wegen geweren m ste, wenne er ir nút versagen mag, Aber er wolte, daz do noch, z den kúnftigen ostern, drizehen der heimelichen, erlúhteten, verborgenen gottes frúnde kement in daz hohe, wilde gebirge vf die selbe stat, do vormols, z den nehsten vergangenen ostern, ir ehtewe woren gesin vnd ein ior den vfslag erwurbent. vnd wie es ouch den selben drizehen gottes frúnden in bernatúrlicher wise mit g ten wortzeichen verkúndet vnd geoffenbaret wart, daz su versammelt wurdent vnd in das hohe, wilde gebirge f rent, daz seit dirre nehste noch gonde brief, der von den selben drizehen gottes frúnden eime her abe gesendet wart R lman Merswine, vnserme stifter, alsus sprechende Der Gottesfreund erhält zu Weihnachten 1379 in einer Vision den Auftrag, sich zu Ostern des nächsten Jahres mit weiteren 12 Gottesfreunden zu treffen; da weitere Gottesfreunde die gleiche Offenbarung erhalten, werden Vorbereitungen zu ihrer Versammlung getroffen. Ausgabe: Rieder 1905, S. 91*5-93*35; Schmidt 1854, S. 157-160; Schmidt 1866, S. 329-332. 22 r -24 v Brief 10: Schreiben des Gottesfreundes vom Tag des heiligen Ambrosius (4. April) 1380 an Rulman Merswin Rubrik: W ie nu dise selben lieben, drizehene gottes frúnde von diseme tage schiedent vnd waz in geoffenbart wart vnd wes sú sich verbinden vnd versprechen m stent, Daz wart R lmanne, vnserm stifter, von sime heimelichen frúnde geschriben alsus sprechende Der Brief berichtet detailliert von der Zusammenkunft der Gottesfreunde zu Ostern 1380: Nach teuflischen Versuchungen ertönt am Karfreitag eine himmlische Stimme, die von der Gottesmutter an die Gottesfreunde gesandt wurde und ihnen einen Brief ankündigt, der ihnen die Bedingungen nennt, durch die ein Aufschub des Jüngsten Gerichts um weitere drei Jahre möglich ist. Nach dreitägiger Beratung willigen die Gottesfreunde am Ostersonntag in die Bedingungen des himmlischen, in allen Sprachen verständlichen Briefes ein und übergeben sich für drei Jahre Gott als Pfand. Aufgrund dieser gelobten, radikalen Weltabkehr bricht der Gottesfreund den Briefwechsel mit Rulman ab und fordert diesen auf, sein Pflegeramt niederzulegen und sich aus dem Gemeinschaftsleben des ‚Grünen Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 114 Wörth‘ zurückzuziehen, um als Gefangener Gottes ebenfalls für die Christenheit zu bitten. Ausgabe: Rieder 1905, S. 93*36-98*29; Schmidt 1854, S. 160-166; Schmidt 1866, S. 332-338. 24 v -25 r Abschrift des von den Gottesfreunden erhaltenen Himmelsbriefes Rubrik: V nd die abegeschrift von dem selben g ttelichen her abe gefallenden briefe vnder die drizehene frúnde gottes vohet hie an vnd sprichet alsus Die Gottesmutter kann einen weiteren Aufschub des Jüngsten Gerichts bewirken, wenn sich dreizehn Gottesfreunde Gott als Pfand übergeben, indem sie ein dreijähriges Schweigegelübde ablegen und mittwochs, freitags und sonntags die Kommunion empfangen. Ausgabe: Rieder 1905, S. 98*30-99*37; Schmidt 1854, S. 167f.; Schmidt 1866, S. 338-340. 25 r -26 v Ermahnung der Brüder des ‚Grünen Wörth‘ durch die Johanniter, wie die vorangehenden Briefe zu verstehen sind Rubrik: I tem alle die vorgeschribenen Robericken vnd dise allernehste nochgonde ernstliche vermanunge hant die br dere z dem Gr nenwerde sante Johans orden hie z geschriben vnd geordent, vmbe daz man den sin vnd meinunge der lieben gottez frúnde vnd diser gegenwertigen briefe vnd materien deste eigenlicher verstan vnd gemerken kúnne nu vnd hie noch ewicliche vnd vohet die vermanunge alsus ane vnd sprichet Ausgabe: Rieder 1905, S. 99*38-103*13; Schmidt 1854, S. 172-176. 26 v -27 v Brief 11: Schreiben des Gottesfreundes vom 1. Juni 1379 an den Johanniterkomtur Rubrik: D isen brief schreip der liebe gottes frúnt dem Commendúre in warnender wise in dem ersten anfange der zisma vnd gespannes der zweier bebeste vrbanus vnd Clemens noch der ersten offenborunge, die dem selben gottes frúnde selb ahteste vf die ostern in dem wilden gebirge beschach, mit der vngehúren, dicken vinsternisze einer gantzen stunden lang, also do vor in einer siner missiuen geschriben stot Dem Gottesfreund werden die durch das Schisma zu erwartenden Leiden offenbart. Ausgabe: Rieder 1905, S. 103*14-105*7; Schmidt 1854, S. 155-157; Schmidt 1866, S. 327-329. ‚Briefbuch‘ (B) 115 1. Hälfte der 3. Lage (Bl. 27-32) 27 v -29 r Brief 12: Schreiben des Gottesfreundes vom Freitag vor dem Tag des heiligen Georg (20. April) 1380 an den Johanniterkomtur Rubrik: D is ist der aller hinderste brief, den der liebe gottes frúnt her abe schreip dem Commendúre z dem Gr nenwerde z entwurte sins briefes, den er ime do vorgeschriben hette von dez obersten meisters wegen in Tútschenlanden, Br der C nrates von Brunsperg, in den ziten, alse die vorgeschriben drizehen gottes frúnde sich drú ior in beschliessen m stent, alse in vf die ostern in dem wilden gebirge von gotte in groszen mirackeln verkúndet wart, do ch der gespan vnd zisma zwúschent den zweien bebsten Vrbanus vnd Clemens ein gantzes ior gesin waz vnd gewert hette In disem selben briefe rotet der liebe gottes frúnt dem vorgenanten obersten meistere mit ordenunge von dem meister Ampt z werbende von s rglicher anderunge wegen aller l uffe, daz er ime doch vormols gar dicke wider roten het, nút von dem Ampt z werbende in vil briefen, die er ouch dem Commendúre von des meisters wegen schreip Der Gottesfreund gibt dem Meister der Johanniter in deutschen Landen einen Ratschlag, da dieser gerne von seinem Amt entbunden werden möchte; der Komtur soll den Anweisungen des Ordens bzgl. des Schismas folgen. Ausgabe: Rieder 1905, S. 105*8-108*7; Schmidt 1854, S. 168-172; Schmidt 1866, S. 340-343. 29 r -32 r Brief 13: Schreiben des Gottesfreundes vom Tag des heiligen Georg (23. April) 1377 an den Johanniterkomtur Rubrik: D is ist ein missiue, schreip der liebe gottes frúnt in berlant dem Commendúre in den ziten, do er vz grosser besessenheit einen gew lbeten kor one g tlichen rot an gefangen hette vnd wider abgebrochen vnd daz fundament vszer dem grunde getolben wart, vnd ch do man den ersten alten spittal buwete vnd wider abe brach vnd ch meinde der lf tusent megde Cappelle ab z brechende Vsser diser selben missiuen sint zwene sinne vorgeschriben in dis gegenwertige brief búchelin. der eine sin ist wie ime vnd R leman in sante dyonisius naht glichliche in eime tr me vúr kam, das sú ein kloster z strazburg machen soltent, dar vs ch der Gr newert ernuwet worden ist vnd anderwerbe gebuwen der ander sin, der ch in allen b chern von dem me geschriben stot, ist von dem kúnftigen groszen getrenge der heiligen kirchen als es ime von vil gottes frúnden vúr kam vnd geseit wart diser selben missiuen anefang sprichet alsus Der Gottesfreund ist darüber erfreut, daß der Komtur nicht an seinem Plan zum Neubau des Chores festhält, da dieser zwar ehrenvoll gewesen wäre, jedoch nicht dem Wil- Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 116 len Gottes entsprochen hätte. Er fügt eine Traumvision an, in der er eine Kapelle mit einem Altar zu Ehren der 11.000 Jungfrauen und einem Altar zu Ehren der Märtyrer betritt. Es folgt ein erneuter Bericht der bereits im ersten Brief erzählten Umstände der Gründung des ‚Grünen Wörth‘. Zum Ende des Briefes kehrt der Gottesfreund zum Thema des Neubaus des Chores zurück und rät davon ab, die Ruine der Kapelle der 11.000 Jungfrauen als Grundlage für eine neue Sakristei zu verwenden. Vielmehr solle die Kapelle ganz abgetragen, an einem anderen Ort neu errichtet werden und die Sakristei einen Neubau erhalten. Ausgabe: Rieder 1905, S. 108*8-114*3; Schmidt 1854, S. 135-142; Schmidt 1866, S. 300-307. 32 r Brief 14: Schreiben des Gottesfreundes an den Komtur (undatiert) Rubrik: D is ist eine bedeckete stroffunge, schreip der liebe gottes frúnt dem Commendúre vmb sin angestberes, vngelossenes missetruwen so er hette in dem anefange der zweier l belichen heilgen sante Johansen gebu also der selbe gottes frúnt in dem commendúre wol bekante vnd ist der sin siner missiuen mit eime stumppfen anefange vnd ende alsus sprechende Rüge für das Mißtrauen einem neuen Bauprojekt gegenüber Ausgabe: Rieder 1905, S. 114*4-114*18; Schmidt 1866, S. 300. 32 r Brief 15: Schreiben des Gottesfreundes vom Tag des heiligen Georg (23. April) 1377 an Nikolaus von Löwen Rubrik: D is ist ein minnenriche, dem tige entschuldigunge, vmb waz sache der liebe gottes frúnt br der Clausen von l fene nút me schreip noch schriben wolte vnd manet in z groszer dangberkeit vnd z gehorsamkeit in diser hindersten missiuen alsus sprechende Bitte um Entschuldigung für die lange Schreibpause Ausgabe: Rieder 1905, S. 114*19-115*12; Schmidt 1866, S. 307f. IV. ‚b ch von den vier ioren sines anevohenden lebendes‘ 32 v Einleitung des Redaktors (in rot geschrieben) [vgl. Abb. 12] Incipit: D is kleine sexsternelin bappires mit den ahte blettern ist daz selb selbe b ch R lman Merswines, vnsers stifters, eigene hant, ‚Briefbuch‘ (B) 117 Einschub 2 (Bl. 33-40) 2. Hälfte der 3. Lage (Bl. 41-46) alse er es selber schreip vnd schriben m ste, von den ersten vier ioren sines anevohenden lebendes [...] Explicit: [...] vnd ch bede mitenander geschriben wurdent in den ziten, do R l man Merswin vnser stifter von gotte betwungen wart, b cher z schribende, alse die daten sagent, die bede glich sprechent in disen zweien b chern, den nún velsen vnd den vier ioren, R lman Merswines anefang, wenne in ir ieglicheme sunderliche geschriben stot, daz es volbroht wurde dez iores, do man zalte von gotz gebúrte M ccc fúnfzig vnd zwei ior. Ausgabe: Rieder 1905, S. 115*13-116*23; Strauch 1927b (ATB 23), S. 1f. 33 r -40 v Text [Abb. 12, 13] Incipit: Allen den si k nt geton, die dis b chelin lesent oder herent l sen, was her an geschribben stot, das es also ist [...] Explicit: [...] vnd do diese ding van dem fierden jare alles geschribben wart, das beschach in dem jore, do man zallete von gottes geb rt mccc jor vnd lii jor. Inhaltsangabe: Steer, III 1. Ausgabe: Schmidt 1854, S. 54-76; Rieder 1905, S. 191*- 198* (re. Sp.); Strauch 1927b (ATB 23), S. 1-27. V. Varia 41 r -42 v Prolog und Inhaltsangabe des ‚Meistermemorials‘ Rubrik: D is ist die vor rede, dem man sprichet ein prologus, mit der tofeln erzalende vnd vnderscheidenliche nennende vier vnd zwentzig Cappittele in dem memoriale b che eins obersten meisters sant Johans orden in Tútschen landen vnd der drier weltlicher pfleger dez huses z dem Gr nenwerde, alse ir ieglicher besunder eins in siner gewalt het vnd alle ir noch kummen haben súllent nu vnd her noch ewiclich vnd sint die materien vnd Cappittele der selben tofeln hie in diseme gegenwertigen b che vngeschriben bliben, vmbe daz sú in den drien vrkúnde b chern z Tútsch vnd z latine gar eigentlich geschriben sint, also ouch diser prologus seit, der hie ane vohet vnd alsus sprichet Ausgabe: Rieder 1905, S. 116*27-119*30. 42 v -44 r 25. Kapitel des ‚Pflegermemorials‘: Bemerkungen zu den zwei ‚übriggebliebenen Lateinbüchern‘ Rubrik: Dis ist daz xxv cappittele vnd daz hinderste, alse es in der drier weltlicher pflegere memoriale b ch geschriben stet vnd nút in dez meisters b ch noch in keime andern b che, wenne in den zweien berblibenen latinen b chern, von den es ouch seit, in weler wise sú die pflegere múgent vz lihen vnd in weller minnen vnd frúntlicheit sich ch die pflegere halten súllent gegen dem ordene vnd gegen den br dern Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 118 z dem Gr nenwerde, durch daz sú in g ttelicher, minnesamer einm tikeit ewicliche deste baz blibent Ausgabe: Rieder 1905, S. 119*31-120*6 und 60*26-63*4 (nach C). 44 rv Brief 16: Schreiben vom Freitag in der Fronfasten nach dem ersten Fastensonntag (12. März) 1377 an den Johanniterkomtur Rubrik: Dis ist eine missiue, schreip der liebe gottes frúnt dem commendúre bi Bobest Gregorius ziten, ein ior vor der zisma vnd dem gespanne der zweiger bebeste vrbanus vnd Clemens, do er vnd der iuriste von gotte mit g ten vrkúnden vermanet wurdent daz sú z dem selben Bobeste gregorio faren m stent, alse hie vor in dem anefange dis brief b chelins geschriben stot vnd seit dise missiue von eime nuwen miracke (l nachträglich ergänzt) in oberlanden, daz die lúte wines vnd kornes vil hattent vnd doch gebresten liden m stent dar vmbe die zwene gottes frúnde, der leyge vnd der iuriste, nút zere geltes gn g vf bringen m htent z der selben Romefart vnd her Johans, ir núwer br der, R pprehten meinde z sendende mit sinen briefen z moyses, sinem br der, vnd z susannen, siner swester, die Juden worent vnd grosse begirde hattent, mit allen irme geslehte selbe drissigeste kristen z werdende, alse dise missiue seit, alsus anefohende Die Romreise des Gottesfreundes droht an Geldmangel zu scheitern; der neue Mitbruder der Gottesfreunde, Johannes, bittet seine Geschwister Moses und Susanna, die zum christlichen Glauben übertreten möchten, um Unterstützung. Ausgabe: Rieder 1905, S. 120*7-122*12; Schmidt 1854, S. 132-135; Schmidt 1866, S. 297-299. 45 r Redaktionelle Zwischenbemerkung Text: D er liebe gottes frúnt, vnser getruwer vatter in berlant, het gar begirliche vnd minnesamkliche vz gúteme getruwende vnd in einfaltigeme minnenricheme glouben in ettelichen disen gegenwertigen briefen gar vil geschriben von drien weltlichen priestern der wise vnd meinunge ime gar wol gefiel die ire nuwe br dere worent vnd gerne bi vns z dem Gr nenwerde kummen woltent sin, daz sich gar z hant dar noch anders erz ugete, alse hie vor geschriben stot z aller nehst noch der visiunen, die dem lieben gottes frúnde in der eilf tusent megede naht z lutringen in eime sloffe fur kam, von eime neste mit siben blutten vogeln glich einer figuren dez huses vnd der br dere z dem Gr nenwerde Ausgabe: Rieder 1905, S. 122*13-24. ‚Briefbuch‘ (B) 119 4. Lage (Bl. 47-58) 45 r -46 v Brief 17: Brief an Johannes von Schaftoltzheim (1363) Rubrik: Dis ist eine missiue, schreip der liebe gottes frúnt in berlant sub anno d M ccc lxiij dem erbern, gelerten, got meinenden lesemeistere Br der Johansen von Schaftolczheim sante Augustinus orden, der ch penitencier vnd vicarie vil iore gewesen ist in geistlichen sachen in dem bist me z strozburg, vnd er hatte ettewaz eine z faste stroffende, vnfrideliche, enge concienczie, die in irrete der bernatúrlichen, liehtrichen gnoden dez heiligen geistes, alse dise missiue seit vnd ch der liebe gottes frúnt in dar inne wiset vffe dem tige, gotte wol getruwende geloszenheit, Alsus sprechende Durch das Gleichnis von zwei Dienern, von denen einer seinen Herrn für das Geleistete um Lohn bittet, während der zweite ihm ergeben, ohne Erwartungen dient, führt der Gottesfreund Johann von Schaftoltzheim vor Augen, daß seine Begierde nach einer Offenbarung des heiligen Geistes geistige Hoffart sei und er seinen Willen Gott noch nicht vollständig übergeben habe. Ausgabe: Rieder 1905, S. 122*25-125*24; Schmidt 1854, S. 120-124; Schmidt 1866, S. 278-281. 46 v Pflegereid Rubrik: I tem dis ist ein forme, in weler meinunge die drie weltlichen pflegere gesworn hant vnd nu fúrbaz me ein ieglich pfleger sweren sol alle stúcke in dem pflegeren briefe z hanthabende noch sime besten vermúgende Ausgabe: Rieder 1905, S. 125*25-126*23. 47 r -49 v Brief 18: Schreiben des Nikolaus’ von Löwen an den Gottesfreund von 1371 Rubrik: D is ist ein abgeschrift einer missiuen br der Clauses von l fene die er noch ettelichen vorgonden missiuen schreip dem lieben gottes frúnde in berlant, ebe er in den orden kam vnd ein weltlich priester noch do waz vz solicheme groszem getrange, daz in duhte, er wolte alle widerwertikeit vnd hindernisze vúrkummen in rehter g ttelicher minne vnd meinungen dar vmbe in der selbe liebe gottes frúnt minnesamcliche stroffet in der entwurte siner missiuen hie noch volgende vnd schetzet in vúr einen vnerlúhteten vngeloszenen, z sorgueltigen br der, alse ouch sin angestber schriben bezúget, daz hie ane vohet vnd geschriben wart in den ziten, alse die Johanser daz hus z dem Gr nenwerde von R lemanne Merswine enpfangen vnd angenomen hattent sub anno d M° ccc lxxj alsus sprechende Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 120 Nikolaus hat dem Gottesfreund Gehorsam geschworen und bittet ihn daher um Rat: Er möchte gerne dem Johanniterorden beitreten, hat jedoch verschiedene Bedenken; zum einen ist ihm der Orden zu weltlich ausgerichtet, er fürchtet daher um seine innere Einkehr, zum anderen glaubt er, im Orden lebten zu wenige Priester. Daher ist er besorgt, daß er den ‚Grünen Wörth‘ verlassen muß, wenn er dem Orden beitritt. Nikolaus möchte deswegen bei der Gemeinschaft der Gottesfreunde Zuflucht suchen. Ausgabe: Rieder 1905, S. 126*24-132*25; Schmidt 1866, S. 284-291. 49 v -51 r Brief 19: Schreiben des Gottesfreundes an Nikolaus von Löwen (undatiert), Antwort auf Brief 18 Rubrik: I tem dis ist eine entwúrte die der liebe gottes frúnt in oberlant herwider abe schreip br der Clause von l fene gegen der vorgonden missiuen alsus entwurtende in stroffender wise Der Gottesfreund kann die Bedenken Nikolaus’ zerschlagen und rät ihm, in den Orden der Johanniter einzutreten. Ausgabe: Rieder 1905, S. 132*26-136*35; Schmidt 1854, S. 127-132; Schmidt 1866, S. 291-296. 51 v Brief 20: Schreiben des Gottesfreundes vom Freitag nach Invocavit (20. Februar) 1377 an Nikolaus von Löwen Rubrik: D is ist die meinunge dez lieben gottes frúnt, die er br der Clausen von L fene vnder andern worten z entwurte wider schreip siner klage, daz er z vil z gerihte gon m ste, daz nút von gotte an gesehen wart, daz priestere z dem gr nenwerde soltent (sin gestrichen) mit der welte vnd mit zitlichen sachen bekúmbert sin Der Gottesfreund stimmt Nikolaus zu, daß die Priester des ‚Grünen Wörth‘ sich nicht zu sehr mit weltlichen Dingen beschäftigen sollten, und wird Rulman bitten, Abhilfe zu schaffen. Ausgabe: Rieder 1905, S. 136*36-137*20; Schmidt 1866, S. 299f. 51 v -55 v Vom Redaktor gegebene, ‚historische‘ Nachrichten über die Gottesfreunde Rubrik: - Incipit: I tem dise vorgeschribenen lieben frúnde gottes sint ch dez huses vnd der br dere z dem Gr nenwerde stiftere vnd vettere vnd súnderliche frúnde gesin [...] ‚Briefbuch‘ (B) 121 Explicit: [...] do durch volget vns ouch iemer werende, grosze fruht, der wir ewicliche mangeln vnd enbern mustent, obe wir es von vnahtsamkeit verwerffen vnd nút glouben woltent Der regelmäßige Briefkontakt Rulmans und des Gottesfreundes wird durch zwei geheime Boten erklärt. Angeschlossen ist eine Zusammenfassung der verschiedenen Versuche, die Gottesfreunde im Oberland zu besuchen. Während die erste Suche der Straßburger Bürger erfolgreich endet, die Reisenden jedoch nicht erkennen, daß sie bei den Gottesfreunden angelangt sind, sind alle späteren Nachforschungen zum Scheitern verurteilt: Weder die vierwöchige Expedition eines Ritters und eines Bürgers noch der Besuch des Nikolaus von Löwen bei Johannes von Bolsenheim, prior zu Engelberg, gelangen zu einem Resultat. Auch die Bemühungen Heinrichs von Wolfach in Friburg in htelant bleiben ohne Erfolg. Gott scheint die Gottesfreunde verbergen zu wollen. Im Anschluß werden Ereignisse aus Rulmans Leben berichtet. Ausgabe: Rieder 1905, S. 137*21-148*22; Schmidt 1854, S. 180-191; Schmidt 1866, S. 62, Z. 10-S. 65 (in Auszügen). 55 v -56 r Brief 21: Schreiben des Gottesfreundes an Nikolaus von Löwen (undatiert) Rubrik: I tem des selben glich beschach es sub Anno d M ccc lxxj, daz br der Clawes von l fene in eime sinem briefe vnder andern worten den selben lieben gottes frúnt in berlant mit groszeme flisse vnd ernste bat vúr einen weltlichen man, Daz er dem etteliche ernstliche vermanunge schribe z besserunge sines lebendes, wenne er gar gancz waz noch irdenscheme g te vnd mit alleme flisse do noch stalte dar vmb sin hertze gar vaste bek mbert waz mit witsweiffikeit zitliches gewerbes vnd weltliches kumbers vnd hette doch vil stroffendes vnd groszen vnfriden in siner conciencien. Do schreip der selbe liebe gottes frúnt z antwurte her wider vmb alsus Redaktionelle Nachbemerkung: Der selbe weltliche man dar noch gar kúrtzliche starp, alse ouch der liebe gottes frúnt vormoles in parabelen her abe schreip vnd es br der Clausen von l fene vnd des selben weltlichen mannes wip propheciete wenne er sú ch dar inne meinde vnd sante ir dez z vrkúnde ein silberin meszer, do (Verbesserung) mitte sú abe sniden solte alle berflúszikeit dez zitlichen g tes vnd dez weltlichen kumbers vnd anhanges der creaturen, der selben [56 r ] prophecien sú ch volgete vnd kerte sich von aller (li gestrichen) vnlidikeit der welte mit groszer beszerunge vnd lebete lf ior noch irs mannes tode vnd nam do ein gnodenrich, selig ende cristenlich vnd bescheidenlich in groszer andaht vnd vernunft Sú Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 122 5. Lage (Bl. 59-70) 6. Lage (Bl. 71-82) m ste anders ch in den selben ziten, alse ir man, gr pliche gestorben sin noch dez lieben frúnt gottes meinunge, alse sin prophecie do z mole seite der oren habe, der h re Der von Nikolaus erbetene Mahnbrief an einen der Welt verschriebenen Mann kann vom Gottesfreund nicht geschrieben werden. Der Mann stirbt ohne Umkehr, seine Frau wird jedoch vom Gottesfreund bekehrt. Ausgabe: Rieder 1905, S. 148*23-149*16. 56 r -73 r ‚Schürebrand‘ (mit Regeln des Nikolaus von Blaufelden) Rubrik: - Incipit: D is ist des heilgen geistes minne glúnsenden ganeisterlins schúrebrant wart geschriben zweien got minnenden, erbern, Jungen Jungfr wen vnder ahtzehen ioren [...] Explicit: [...] daz schencke ch vwer geminter z eime g ten Jore amen Inhaltsangabe: Kurt Ruh, ‚Schürebrand‘, in: 2 VL Bd. 8 (1992), Sp. 876-880. Ausgabe: Rieder 1905, S. 149*17-25; Strauch 1903. Die Reihenfolge der Abschnitte des Traktates ist im Vergleich zu Strauchs Ausgabe vertauscht; hier 1-54, 57-60, 63, 66-67, 73-81, 55-56, 65, 61, 62, 64, 82-84, 69-72, 85, 68; Rieder 1905, S. 149*26-151*9. 73 r -73 v Figuren und Gedichte des ‚Meistermemorials‘ Rubrik: D is sint fyguren, Also sú in dez obersten meisters memoriale b ch von des gr nenwerdes stiftunge gemolet sint, vmbe daz es ime deste lústlicher vnd ahtberer sige, dicke sich darinne z ergetzende vnd die materien z lesende durch der gerúmeten sprúche willen, die bi ieglicher gemoleten figuren blo vnd rot geschriben stont noch diser ordenunge Alsus sprechende Ausgabe: Rieder 1905, S. 151*12-153*26. 74 r -75 v Gedicht als Mahnung zur Umkehr Rubrik: D is ist ein vúrsihtige warnunge aller menschen, daz nieman sinen ruwen vnd besserunge z lange sol sparen vnd sich sinnen der erbermede gottes vnd siner wirdigen m ter vnd aller engele vnd heilgen helffe vnd gegenwertikeit in sterbender not, So vns die b sen geiste werdent erschreckende mit vil vngehúren bilden vnd vúrwúrffen vnd die m ter maria iren sun ihesum solte vúr vns bitten mit z ugende ire megetlichen brúste vnd der sun sime himelschen vatter ir bette solte vúrbaz vf tragen mit z ugende sine [sic! ] wunden, die er an dem heilgen crúze von minne vúr vns erlitten het Ausgabe: Rieder 1905, S. 153*27-154*7 (Auszug). ‚Briefbuch‘ (B) 123 75 v Nachtrag: Brief 22: Schreiben des Gottesfreundes von Pfingsten (17. Mai) 1377 an Nikolaus von Löwen [vgl. Abb. 14a] Rubrik: Dis ist eine missiue, schreip der liebe gottes frúnt in berlant Br der Clausen von l fene vnd seit von der fúnf manne b ch, wie er daz solte abe schriben Begleitbrief des ‚b ch von den fúnf mannen‘ mit der Bitte, dieses abzuschreiben Ausgabe: Rieder 1905, S. 154*8-34; Schmidt 1866, S. 308f. 76 r -80 v Gedicht auf Jesu Namen [vgl. Abb. 14b] Incipit: Jhesus s sser namme | sige allen den kunt geton | Die Jhesu z eren wellent andern kumber lon Explicit: [...] vs solicher andaht ist dise zale ihesu z eren erdoht | vierdehalphundert ihesus nammen sinen geliden vollebroht Ausgabe: Rieder 1905, S. 154*35-155*5 (Auszug). 80 v -81 r Namen und Lebensdaten der Pfleger Rubrik: D is sint der weltlichen pfleger namen, der doten vnd der lebenden. vnd also dicke ein nuwer pfleger gekosen vnd erwelt wurt Den sol man z stunt hie z schriben an dez stat, der denne abegegangen ist, z eime ewigen Memoriale aller pfleger, die ie gewesen sint in dem huse z dem Gr nenwerde Sider ez sant Johans orden gegeben wart In gegenwertikeit Br der C nrates von Brunsperg, dez selben sante Johans ordens berste meister in Tútschen landen der es von dem Stifter enpfing vnd in nam dez sunnendages dem man sprichet Judica scilicz decimo kallendas Aprilis Anno d M° ccc lxxprimo Ausgabe: Rieder 1905, S. 155*6-30. [Rest von Bl. 81 r und Bl. 81 v unbeschrieben] 82 r -82 v Nachtrag: Begleitbrief der drei Pfleger zum ‚Meistermemorial‘ Rubrik: Dis ist eine abgeschrift einer Missiuen, also die drige weltlichen p(f )legere des huses z dem gr nenwerde dem obersten meister in Tútzschen landen sant Johans orden schribent mit dem b che, das sú ime gobent von dez selben huses ordenunge vnd stiftunge, also in disem gegenwertigen b che der prologus vnd die tofel von xxiiij capitteln hie vor geschriben stot z aller nehst noch dem kleinen sexsternlin R lman Merswins, vnsers stiffters, leben vnd eigen hant Ausgabe: Rieder 1905, S. 155*31-156*25. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 124 Spiegelbl. [Rest von Bl. 82 v unbeschrieben] 83 r Lebensbeschreibung des Nikolaus von Löwen Incipit: A nno d m ° ccc xxxix an mittewoche in der pfingesten wart geborn ich, br der Clawes von l fene [...] Explicit: [...] do z alle br dere vnd personen billiche g tteliche minne vnd br derliche trúwe bewegen sol dieser stiftunge vnd ch den stiftern z liebe, mit den ich alsus z dem aller meisten har kommen bin in grosser minnen vnd truwe, die ich z der stiftunge gehebet habe nach allen minem vermúgende (Nachtrag: Anno 1402. die 3. Aprilis obijt iste F. Nicolaus de Louanio primus Conventualis huius Domus ad Viridem Insulam, ibidem sepultus sub lapide AA Fratrum Ita liber vit sub dicta die 3. a Aprilis ) Ausgabe: Rieder 1905, S. 156*26-157*29. D ATIERUNG : Die Datierung der Handschrift ist aufgrund der in ihr erwähnten Personen möglich: Da Rulman Merswin auf Bl. 1 r (Rieder 1905, S. 64*4) bereits als selig und damit verstorben bezeichnet wird, muß die Handschrift nach dem 18. Juli 1382 geschrieben sein. Rieder weist außerdem darauf hin, daß der erste Brief an den Komtur gerichtet ist, der d o z m o l e Br der heinrich von wolwasch hieß (Bl. 12 r ; Rieder 1905, S. 73*17); daher kann der terminus post quem auf das Jahr 1391 festgesetzt werden, weil Heinrich zwar bereits 1390 nach Freiburg im Üchtland zurückkehrte, sein Nachfolger, Erhart Thome, aber erst am 30. Juli 1391 bezeugt ist. 146 Auf Bl. 80 v -81 r (Rieder 1905, S. 155*6-30) bietet die Handschrift zudem eine Zusammenstellung aller Pfleger des ‚Grünen Wörth‘, in der Johannes von Kageneck (vor 1391 zum ersten Mal, 1408 zum letzten Mal als Pfleger erwähnt), 147 Nikolaus Jung (zwischen 1392 und 1408 als Pfleger bezeugt) 148 und Adam Löselin (1395 zum Pfleger ernannt, 1411 verstorben) 149 als amtierende Verwalter aufgeführt werden. Dies läßt auf einen Ent- 146 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 4.5.2.4. 147 Vgl. den Eintrag im Verzeichnis der Pfleger in G, Bl. 155 r : Joannes de Kageneck Profectus aulo [? ] Episcopi argentinensis. Subrogatus in locum Nicolai Zorn de Bulach ante annum 1391 reperitur in monumentis usque ad annum 1408, cum Nicolao Zorn dicto Lappe, et Nicolao Junge ordinavit Iuramentum Tutorum. obiit 30 augusti 1408. Der Todestag wird durch den Eintrag in das Anniversar der Johanniter (Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752, Bl. 41 r ) bestätigt. 148 Vgl. den Eintrag im Verzeichnis der Pfleger in G, Bl. 154 v : Nicolaus Junge electus loco Conradi zúo Megde circa annum 1392, anno 1408 obiit. Zwar verzeichnet der Eintrag Konrads zu der Megede im Anniversar der Johanniter nur seinen Todestag (30. April), nicht sein Todesjahr, so daß eine genauere Bestimmung der Wahl des Nikolaus Jung nicht möglich ist (vgl. Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752, Bl. 20 v ), allerdings müßte diese - falls Konrad sein Amt nicht bereits vor seinem Tod niederlegte - deutlich später als bei Goetzmann angenommen stattgefunden haben, da Konrad zu der Megede noch am 1. Juli 1400 als commorans in domo dicta z dem Gr nenwerde bezeugt ist (UBSt, VII, Nr. 2969, S. 875). 149 Vgl. den Eintrag im Verzeichnis der Pfleger in G, Bl. 155 r : Adam Löselin loco Pauli Mosung eius prima memoria extat [? ] in actis anni 1406 ac postmodum anno 1408. Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 60, scheint sich bei seiner Datierung allein auf das Verzeichnis Goetzmanns zu stützen, da er über Adam Löselin ausführt: „Wie lange er vorher [vor 1406] schon sein Pflegeramt ausübte, steht nicht fest, da das Todesjahr seines Vorgängers Paul Mosung, der als Pfleger um das Jahr 1393 erscheint, unbekannt ist“, und somit G, Bl. 155 r , zitiert: Paulus Mosung intravit loco Nicolai Zorn dicti Lappe, eiusque ‚Briefbuch‘ (B) 125 stehungszeitraum zwischen 1395 und 1408 schließen. Da die Lebensbeschreibung des Nikolaus von Löwen auf Bl. 83 r darüber hinaus den Tod des Johanniterpriesters am 3. April 1402 erst als Nachtrag von anderer Hand erwähnt, ist davon auszugehen, daß Nikolaus noch lebte, als die Handschrift verfaßt wurde. Das ‚Briefbuch‘ ist somit auf die Jahre 1395-1402 zu datieren - eben jenen Zeitraum, für den zumindest ähnliches Papier bezeugt ist (vgl. Beschreibstoff). G ESCHICHTE DER H ANDSCHRIFT : Rieder glaubt für das ‚Briefbuch‘, wie bereits beim ‚Großen deutschen Memorial‘, eine mehrstufige Genese rekonstruieren zu können: Er geht davon aus, daß die ersten beiden Lagen des Codexes (Bl. 1-26) zunächst ein „abgeschlossenes Ganzes“ 150 bildeten, das aus Einleitung, zehn Briefen und einer Schlußermahnung bestanden habe, denen als Einschub das ‚b ch von den fúnf mannen‘ beigegeben worden sei. Dieser erste Teil sei jedoch - so Rieder weiter - nicht in der überlieferten Reihenfolge geschrieben worden, vielmehr habe der Schreiber auf der zweiten Hälfte der ersten Lage angefangen, die zehn Briefe einzutragen, habe sodann eine Schlußermahnung und die Einleitung auf den ersten beiden Blättern der ersten Lage angefügt und das dritte Blatt für die Vorbemerkung für das eingenähte ‚Autograph‘ reserviert. Erst zum Schluß habe der Redaktor die Rubriken ergänzt und gleichzeitig den Plan gefaßt, eine dritte Lage anzuschließen, da in den Überschriften zu den Briefen 6-10 auf Brief 11 verwiesen wird, der am Ende der zweiten und zu Beginn der dritten Lage eingetragen ist. Dieser Brief ist nach Aussage Nikolaus von Löwens wie die Briefe 6-10 einer der „letzten Briefe“, welche der Gottesfreund an Rulmann Merswin und an den Komtur gerichtet hat. Er handelt von demselben Gegenstand wie 6-10, aber dennoch schreibt ihn Nikolaus von Löwen nicht vor die Schlußermahnung zu den fünf Briefen (6-10), wo er sach- und zeitgemäß hingehört, sondern beginnt mit ihm eine neue Serie. Diese Erscheinung ist nur erklärlich, wenn er seinen ursprünglichen Plan änderte. 151 Die begonnene dritte Lage habe der Schreiber sodann bis Bl. 32 r mit weiteren Briefen gefüllt - „das Material schwillt [... ihm] gleichsam unter den Händen an“ 152 -, Bl. 32 v , das dem in der Mitte der Lage eingeschobenen ‚b ch von den vier ioren‘ unmittelbar vorausgeht, aber auch hier für eine redaktionelle Vorbemerkung zum ‚Autograph‘ des Stifters freigehalten. Nach diesem Einschub sollte - so schließt Rieder aus den im 15. Brief enthaltenen Abschiedsworten des Gottesfreunds - das ‚Briefbuch‘ zum zweiten Mal seinen Abschluß finden. Die Bemerkungen zu ‚Pfleger‘- und ‚Meistermemorial‘ dienten folglich nur der Komplettierung der dritten Lage (Bl. 41-46) und seien zu diesem Zweck „mit der Anlage des Briefbuchs erst ge- nomen uti Tutoris habetur anno 1394, quandiu [? ] in officio permanferit nullibi constat. Das Anniversar der Johanniter gibt hierüber jedoch Auskunft, da unter dem 29. Januar 1395 zu lesen ist: Ob. Paulus mosung tutor huius domus (Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752, Bl. 5 v ). Da dieselbe Handschrift den 17. Januar 1411 als das Todesdatum Adam Löselins ausweist (ibid., Bl. 3 v ), kann sein Amt als Pfleger auf die Jahre 1395-1411 eingegrenzt werden. 150 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 55. 151 Ibid., S. 56. 152 Ibid. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 126 schrieben worden“ 153 - wie der Bezug der anscheinend aus den beiden anderen Handschriften kopierten Kapitel auf das ‚Briefbuch‘ eindeutig belege. Der hier geplante Abschluß werde jedoch bereits bei der Beschriftung der Lage erneut verworfen, weitere Briefe nachgetragen und der Codex um drei zusätzliche Lagen (die Lagen 4-6) ergänzt, auf denen - ohne erkennbare Struktur - Briefe, Traktate und Nachrichten über die Gottesfreunde eingetragen würden. 154 Die mangelnde Komposition und die wiederkehrende Bezeichnung verschiedener Briefe als hinderste[ ] briefe (Bl. 17 v ; Rieder 1905, S. 84*33, bezogen auf die Briefe 6 bis 10, und Bl. 27 v ; Rieder 1905, S. 105*8, auf Brief 12) bzw. hinderste missive (Bl. 32 r ; Rieder 1905, S. 114*22, gemeint ist Brief 12) seien nur zu erklären, wenn die Briefe sukzessive bei der Anlage des Codexes entstanden seien, „und zwar nicht nach einem einheitlichen, sondern bloß zufällig sich ergebenden Plane, je nachdem der Platz der Handschrift dafür reichte oder nicht. So handelt aber niemand, der bereits vorhandene Briefe einfach zu ordnen, abzuschreiben und allenfalls noch mit einer Einleitung zu versehen hatte.“ 155 Rieder gelangt zu dem Schluß, daß das gesamte ‚Briefbuch‘ gleichsam „angeschwollen“ sei: „Ein einmal geschriebener Brief ruft neue Gedanken hervor und weckt den Entschluß, weitere zu schreiben, ohne daß sich der Verfasser selbst über die Gründe dazu Rechenschaft geben kann.“ 156 Strauch setzt sich in seiner Rezension eingehend und kritisch mit dieser Entstehungstheorie auseinander, die er als „gewaltsam und in jeder beziehung unbegründet“ 157 ablehnt. Indem er versucht, das ‚Briefbuch‘ als eine „das einzelne lose aneinander reihende sammlung“ 158 von Dokumenten zu erweisen, deren freie Zusammenstellung kein Zufallsprodukt, sondern Konstituens des Codexes sei, widerlegt er zugleich die Kernpunkte der Theorie Rieders: 1. Der Aufbau der einzelnen Lagen aus Papier und Pergament zeige eine große Einheitlichkeit, die mit einer sukzessiven Genese der Handschrift nicht zu vereinbaren sei. 159 2. Die von Rieder unterschiedenen ‚Entwicklungsstufen‘ der Handschrift seien nicht nachvollziehbar, da nach Rieders Argumentation klar voneinander abgrenzbare Bestandteile häufig über Lagengrenzen hinweg geschrieben seien; so beginne Brief 11, der den Anfang des zweiten Teils der Handschrift markiere, auf dem letzten Blatt der zweiten Lage (Bl. 26 v ), Rieders vierter Teil, der ‚Schürebrand‘- Traktat, schließe sich unmittelbar an Brief 21 an (Bl. 54 r ), beginne also in der vierten Lage und ende auf Bl. 73 r , d.h. in der sechsten Lage. 160 3. Die Annahme, die Rubriken in der ersten und zweiten Lage seien erst nach dem Haupttext geschrieben, ist für Rieders Ausgangsthese, die Handschrift habe zunächst nach der zweiten Lage ihren Abschluß gefunden, von entscheidender Be- 153 Ibid., S. 58. 154 Ibid. 155 Ibid., S. 57. 156 Ibid., S. 56f. 157 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 112. 158 Ibid., S. 113. 159 Ibid., S. 112. 160 Ibid., S. 112f. ‚Briefbuch‘ (B) 127 deutung, da in der Einleitung des Redaktors zu den Briefen 6-10 (Bl. 17 v -18 r ) bereits auf den elften Brief Bezug genommen wird, der nach Rieders These die zweite Entwicklungsstufe der Handschrift einleitet. Strauch kann nun durch eine genaue Betrachtung der Seitengestaltung beweisen, daß ein Nachtrag der Rubriken aufgrund ihrer nahtlosen Integration in den Fließtext ausgeschlossen ist: „Gerade [...] jene längere rubrik, aus der Rieder wichtige folgerungen zieht, erstreckt sich über bl. 17 b und 18 a und hätte unmöglich im voraus so genau in ihrem umfang berechnet werden können.“ 161 4. Das Hauptargument Rieders schließlich - der sich wiederholende und auf verschiedene Briefe zu beziehende Verweis, es handele sich bei dem folgenden Schreiben um den hindersten (letzten) Brief des Gottesfreundes - kann Strauch entkräften, indem er ihn nicht, wie Rieder, auf die Abfolge der Briefe innerhalb des ‚Briefbuches‘, sondern auf die Chronologie ihrer Abfassung bezieht: Die vor Brief 6 zu findende Anmerkung, die sich anschließenden fünf Briefe seien ch fúnf die aller hindersten briefe (Bl. 17 v ; Rieder 1905, S. 84*33), nimmt auf die Briefe 7 bis 11 Bezug, 162 die in den Jahren 1379 und 1380 geschrieben wurden und somit tatsächlich zu den jüngsten in der Handschrift zählen. Das einzige Schreiben, das nach diesen an den Komtur gerichtet wurde, ist Brief 12, den die Rubrik zum sechsten Brief ausdrücklich als Ausnahme erwähnt: vnd daz sint ch fúnf die aller hindersten briefe, die der liebe gottes frúnt vnserme stifter R lemanne Merswine vnd dem Commendúre ie geschreip one einen brief der z aller nehst noch disen fúnf briefen geschriben stot, den ch der liebe gottes frúnt dem Commendúre schreip (Bl. 17 v ; Rieder 1905, S. 84*33-86*2) Auch die Bezeichnung des 15. Briefs als hinderste missive (Bl. 32 r ; Rieder 1905, S. 114*22) wird von Strauch zwanglos aufgelöst: Der Gottesfreund selbst spricht in ihm davon, daß er den ‚regelmäßigen Briefwechsel‘ mit der Komturei einstellen und von nun an nur noch im Notfall an den ‚Grünen Wörth‘ schreiben werde (Bl. 32 v ; Rieder 1905, S. 115*7), zudem handele es sich um den letzten an Nikolaus von Löwen gerichteten Brief. 163 Für die Entstehung des ‚Briefbuches‘ muß somit durchaus nicht von einer mehrstufigen Genese ausgegangen werden, die ihren Ursprung in einer sich verändernden Konzeption des Manuskripts hat. Vielmehr - und dies wird durch die Durchführung von einer Hand, die in Kursivschrift und nicht in der sonst üblichen Textualis schreibt, unterstrichen - scheint die Komposition des ‚Briefbuches‘ als eine lose Zusammenfügung von für die Stiftung wichtigen Dokumenten geplant, zu denen auch die beiden ehemals selbständigen ‚Autographen‘ zählten. 161 Ibid., S. 114. 162 Rieders Interpretation, die Rubrik beziehe sich auf Brief 6 bis 10, kann Strauch durch eine Formulierung widerlegen (ibid., S. 114): Die redaktionellen Vorbemerkungen bieten eine kurze Inhaltsangabe des Briefes, der z aller nehst noch disen fúnf briefen geschriben stot (Bl. 17 v ; Rieder 1905, S. 84*35f.): den ch der liebe gottes frúnt dem Commendúre schreip von dez obersten Meisters wegen z hant, do er wider heim kam von dem g ttelichen tage, den er selbe drizehenste in dem wilden gebirge vf die ostern leistete (Bl. 17 v ; Rieder 1905, S. 84*36-85*2). Diese Rückkehr des Gottesfreundes fällt mit Brief 12 und nicht mit Brief 11, der die Zusammenkunft der 13 Gottesfreunde beschreibt, zusammen. 163 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 115. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 128 V ERHÄLTNIS ZU ANDEREN H ANDSCHRIFTEN : Das ‚Briefbuch‘ stellt einen der jüngsten mittelalterlichen Überlieferungsträger innerhalb des ‚Grünen Wörth‘ dar, da es auf zahlreiche andere Handschriften der Johanniterkomturei Bezug nimmt, aus einigen sogar einzelne Kapitel kopiert. Die Anlage des brief búchelin (Bl. 1 r ; Rieder 1905, S. 64*1) sollte dazu dienen, die in den drei Urkundenbüchern verwendeten, aber nicht vollständig wiedergegebenen Dokumente, die die Geschichte der Stiftung bekunden, zu sammeln: I tem diser selben briefe vnd missiven sint etliche z latine vnd z Tútsch geschriben in die drú vrkúnde b cher dez vorge t huses z dem Gr nenwerde, doch nuwent die notdurftigesten sinne, die in gezúgnisze z den selben materien geh rent, vnd sint vil worte vnd sinne vnderwegen bliben die hie in disem gegenwertigen b che gantz geschriben stont (Bl. 1 r ; Rieder 1905, S. 64*16-21). Das lateinische Urkundenbuch, das erste der drei Urkundenbücher, die hier und später (Bl. 11 v ; Rieder 1905, S. 73*4f.) erwähnt sind, war zum Zeitpunkt der Niederschrift des ‚Briefbuches‘ bereits umgestaltet worden, 164 da auf Bl. 42 v -44 r (Rieder 1905, S. 119*31-120*6) des vorliegenden Manuskripts ein Kapitel der ‚Pflegermemoriale‘ 165 wiedergegeben wird, welches erklärt, warum das erste Exemplar des lateinischen Urkundenbuches aufgeteilt und durch eine neue Handschrift ersetzt werden mußte. Auch die ‚Pflegermemoriale‘ und das ihnen korrespondierende Exemplar für den Meister in deutschen Landen waren bei der Abfassung von B bereits fertiggestellt, wie die Inhaltsangabe des ‚Meistermemorials‘ auf Bl. 41 r -42 v (Rieder 1905, S. 116*27-119*30) und die aus ihm (Bl. 73 rv ; Rieder 1905, S. 151*1-153*26) und dem ‚Pflegermemorial‘ kopierten Auszüge (Bl. 42 v -44 r ; Rieder 1905, S. 119*31- 120*6) bezeugen. Die Charakterisierung des ‚Briefbuches‘ als eine nachträgliche, die Überlieferung der weiteren memoriale ergänzende Sammlung, die in der Einleitung zur Handschrift vorgenommen wird (Bl. 1 r ; Rieder 1905, S. 64*1-21), wird folglich durch den Entstehungszeitpunkt des Codexes bestätigt: Beim ‚Briefbuch‘ handelt es sich um einen der jüngsten mittelalterlichen Überlieferungsträger der ‚Gottesfreundliteratur‘. 164 Vgl. hierzu die Ausführungen zu Handschrift C: Straßburg, Archives départementales de Bas-Rhin, H 2184. 165 Im Gegensatz zu jenem ‚Pflegermemorial‘, welches B als Vorlage für die Ausführungen über die zwei ‚übriggebliebenen Lateinbücher‘ diente, sind diese in den überlieferten Handschriften des ‚Pflegermemorials‘ nicht im 25., sondern im 27. Kapitel enthalten (vgl. die im folgenden gegebenen Handschriftenbeschreibungen zu Manuskript d und D). ‚Zweites übriggebliebenes Lateinbuch‘ (C) 129 C ‚Zweites übriggebliebenes Lateinbuch‘ Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2184 B ESCHREIBUNG : Rieder 1905, S. 33-45; Alfons Semler, Handschriftliche Beschreibung für das Handschriftenarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (1 Bl.; 1916); Spach, Handschriftliche Beschreibung im Bezirksarchiv Straßburg, Bd. 32, S. 509ff.; Strauch, Gottesfreund-Frage I, S. 262-266; Strauch, Rezension zu Rieder, S. 106-109. B ESCHREIBSTOFF : Pergament B LATTZAHL / A NZAHL UND A RT DER L AGEN : 50 Bll. mit moderner Bleistiftfoliierung; Bl. 2-49 bilden vier Sexternionen, denen am Anfang und Schluß jeweils ein Doppelblatt beigegeben ist, dessen äußeres Einzelblatt als Spiegel verwendet wird (I 1 + 4 VI 49 + I 51 = hinterer Spiegel ). Auf dem letzten Versoblatt der Lagen 2-4 (Bl. 13 v , 25 v , 37 v ) finden sich Reklamanten, Bl. 49 v fehlt hingegen eine Kustode, wahrscheinlich da auf Bl. 49 r (Z. 25) das 88. Kapitel der lateinischen Handschrift endet, der Rest der Rectosowie die vollständige Versoseite des Blatts zunächst unbeschrieben blieben und erst von einer Nachtragshand mit volkssprachlichen Bemerkungen über die beiden ‚übriggebliebenen Lateinbücher‘ versehen wurden (vgl. Schrifttyp/ Schreiber/ Hände/ Graphie). B LATTGRÖSSE / S CHRIFTRAUM : 30,8 x 22,3 cm; im Hauptteil der Handschrift, der das ‚b ch von den nún veilsen‘ und drei weitere lateinische Kapitel umfaßt, beträgt der Schriftspiegel 23,8 x 15 cm; dies entspricht 43 Zeilen auf Blindliniierung. Auf Bl. 1 rv (Abb. 17b, 18), welches das deutsche Vorwort und den lateinischen Prolog zur Handschrift enthält, ist der Schriftraum auf 23,3 x 14,4 cm reduziert, pro Seite sind nur 42 Zeilen beschrieben. Der lateinische Prolog zu den ‚Neun Felsen‘ (Bl. 2 r ; Abb. 18) schließlich erweitert den Schriftspiegel auf 24,3 x 15,4 cm, d.h. 45 Zeilen. S CHRIFTTYP / S CHREIBER / H ÄNDE / G RAPHIE : Textualis; bereits Rieder und Strauch unterscheiden drei Hände: 166 Der lateinische Hauptteil der Handschrift (Bl. 2 r -49 r ), der das ‚b ch von den nún veilsen‘ und die drei weiteren Kapitel umfaßt, ist von einer Hand geschrieben, die den Codex auf Bl. 1 v auch mit einem lateinischen Prolog versieht (vgl. Abb. 18). Diese Hand entspricht der dritten Hand des ‚Großen deutschen Memorials‘, die Bl. 2 v (Z. 21)-5 r und Bl. 277 r -280 v (vgl. Abb. 3a-5b) beschrieb. 167 Von anderer, aber gleichzeitiger Hand werden zu Beginn (Bl. 1 r , Z. 1-27; Rieder 1905, S. 48*1-24; Abb. 17b) und am Schluß (Bl. 49 r , Z. 29- Bl. 50 v , Z. 11; Rieder 1905, S. 60*20-63*4) in der Volkssprache Bemerkungen zur Entstehung der Handschrift und das 27. Kapitel des ‚Pflegermemorials‘ angefügt. Diese volkssprachlichen Zusätze stammen von jener Hand, welche die Anfangsseiten des ‚Großen deutschen Memorials‘ schrieb (Bl. 1-2 v ; vgl. Abb. 1, 2a, b und 3a). 168 Ein dritter Schreiber ergänzt auf Bl. 1 r (Z. 28-41; Rieder 1905, S. 48*25-49*8; Abb. 17b) Notizen zum Grab Werners von Hüneburg und bietet auf Bl. 50 v (Z. 12-36; Rieder 1905, S. 63*5-25) eine Beschreibung seines Grabes 166 Vgl. Philipp Strauch, Gottesfreund-Frage I, S. 264, 265, 266; Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 39. 167 Vgl. auch: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 48*Anm. zu Z. 23: Schriftcharakter 10. 168 Vgl. ibid.: Schriftcharakter 9. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 130 und Wappens. Eine vierte Hand nimmt zahlreiche Korrekturen in den lateinischen Texten vor. Beide Schreiber, die die volkssprachlichen Ergänzungen zum lateinischen Text bieten, folgen in ihrer Graphie den auf dem ‚Grünen Wörth‘ üblichen Gepflogenheiten: Für / s/ dominiert die Form des Schaft-< >, nur in Endposition wird die runde Form verwendet. Im Gegensatz zu den Schreibern des ‚Großen deutschen Memorials‘ und des ‚Briefbuches‘ bevorzugen die Hände in C die einfache Form des <z>. <u> und <v> werden weitgehend den neuhochdeutschen Konventionen entsprechend benutzt, allerdings tritt <v> in wenigen Lexemen für / u/ ein (vnd, vmb); auch nimmt <u> vereinzelt eine konsonantische Position ein (z.B. conuentes, Bl. 49 r ). Der Schreiber der Zusätze auf Bl. 1 r und 50 v setzt demgegenüber häufiger <v> für / u/ : vf, vnder, vrkúnde (Bl. 50 v ). <i> repräsentiert durchgehend den Vokal, nur in Komposita mit der Silbe <ie> tritt es für den Konsonanten ein. Nur selten steht <y> für / i/ : zwey, kyrche (Bl. 49 v ; 50 r ). S CHRIFTSPRACHE : Der Hauptteil der Handschrift ist in Latein verfaßt, lediglich die Einleitung auf Bl. 1 r und der Schluß (Bl. 49 r -50 v ) sind im alemannischen Dialekt geschrieben. E INRICHTUNG / B UCHSCHMUCK : Sowohl die Einrichtung des Textes als auch der in C verwendete Buchschmuck entsprechen bis ins Detail der Ausstattung des ‚Großen deutschen Memorials‘. Mit der Komposition des Titelblattes des deutschen Urkundenbuches (A, Bl. 6 r ; vgl. Abb. 6b) übereinstimmend, wird das ‚zweite übriggebliebene Lateinbuch‘ von einer zwölfzeiligen Schmuckinitiale eröffnet: Zu Beginn der rubrizierten Zeilen über die Geschichte der Handschrift auf Bl. 1 v (Abb. 18) findet sich ein blau-rot gespaltenes H, in dessen Schäften den Mischwesen in A verwandte, drachenartige Fabelwesen ausgespart sind, deren Schweife in Laubranken auslaufen. In der Mitte des Binnenfeldes der Initiale, dessen Grund von rot konturiertem Knospengeflecht durchzogen wird, ist erneut ein Medaillon plaziert, das die Handschrift mit dem Wappen Merswins (in Gold mit rotem Schildrand ein schwarzer, schräggestellter Eber) heraldisch an die Stiftung bindet. Auf die vier Ecken des Buchstabens sind weitere, von stilisierten Blättern und Vierpaßblüten sowie Margeriten gefüllte Medaillons gesetzt, die in einer Schmuckleiste auslaufen, welche den Schriftspiegel am oberen und linken Seitenrand begrenzt. Wie bei ihrem Pendant auf Bl. 6 r in A wird auch hier die blaue bzw. rote Mittellinie auf der schriftabgewandten Seite von Silhouettenmotiven umspielt. Der vertikale, in zarten Ranken auslaufende Stab verbindet diese Hauptinitiale mit einer zweiten, kleineren: ein über sechs Zeilen geschriebenes, in blau gehaltenes und mit rotem, geometrischem Fleuronné besetztes A, dessen Gestaltung als Vorbild für die beiden korrespondierenden Initialen in den Nachträgen der dritten Hand (Bl. 1 r , 50 v ; Abb. 17b) gedient haben mag. Beide Initialen sind durch den Kontrast zwischen dem kompakten, durchgehend in Blau gemalten Buchstabenkörper eines vierbzw. fünfzeiligen D mit einem zarten, roten Fleuronnébesatz charakterisiert, der im Binnenfeld der Initiale eine Knospendolde formt. Die Komposition der Lombarden unterscheidet sich allein durch den Buchstabenbesatz: Während die Ornamentik des D auf Bl. 1 r (Abb. 17b) das Doldenmotiv des Binnenfeldes in einem roten Knospenfleuronné weiterführt, gestaltet die Initiale am Ende des Codexes den Besatz aufwendiger. Das rechtwinklig auslaufende Fleuronné auf der schriftzugewandten Seite konturiert ein männliches Gesicht. Die zweite Schmuckseite der Handschrift wiederholt erneut ein Ausstattungselement des ‚Großen deutschen Memorials‘: Die letzte Seite der Handschrift zeigt - wie Bl. 5 v in A (vgl. Abb. 6a) - eine Miniatur des Wappens des Werner von Hüneburg (schwarz-silbern geteilter Schild, im Schildhaupt rechts ein silberner Schwanenhals). ‚Zweites übriggebliebenes Lateinbuch‘ (C) 131 Die Einrichtung des Manuskripts greift die übersichtliche Gestaltung des ‚Großen deutschen Memorials‘ auf: Sowohl die Rubrizierung der Überschriften und der ihnen folgenden Lombarden als auch die römische Zählung der Kapitelnummern in den Kopfzeilen ab Bl. 48 r dienen der leichteren Orientierung innerhalb des Manuskripts. Da auch die Inquitformeln homo dixit bzw. responsio dixit in roter Farbe geschrieben sind, wird darüber hinaus die dialogische Binnengliederung des ‚b ch von den nún veilsen‘ unmittelbar einsichtig. Die syntaktische Struktur des Textes schließlich wird durch den einfachen punctus verdeutlicht, der, insofern eine starke Zäsur markiert werden soll, von einer rot durchstrichelten Majuskel ergänzt wird; soll nur ein Teilsatz abgetrennt werden, steht der punctus allein. Die großen Übereinstimmungen mit der Anlage des ‚Großen deutschen Memorials‘ lassen darauf schließen, daß die Urkundenbücher ungefähr gleichzeitig in der gleichen Illuminatorenwerkstatt mit kalligraphischem Schmuck versehen wurden. E INBAND : Der stark abgegriffene Originalholzdeckel (Abb. 16) ist mit rotem Leder überzogen, das Streicheisenlinien verzieren, die diagonal verlaufend ein Rautenmuster bilden. Eines der Schließbänder ist fast vollständig erhalten, daneben finden sich Reste einer weiteren Schließe. Auf der hinteren Außenseite des Holzdeckels befindet sich unter Glas in einem Rahmen aus Messingleistchen ein Pergamentstreifen mit den Worten (vgl. Abb. 16): D er zweyger úber blibener latine b cher eins von den nún feilsen, das die drie weltlichen pflegere us lihen m gent alse indewendig z aller hinderst in tútsche geschriben stot Als Spiegelblatt ist vor den vorderen Buchdeckel ein Pergamentblatt eingeklebt, auf dessen Rectoseite die Kopie einer Papstbulle zu lesen ist, in der einer Kirche mit einem Altar zu Ehren der Apostel Petrus und Paulus ein Ablaß von 40 Jahren auf den siebten Teil der auferlegten Buße gewährt wird; es folgt - nach sechzehnzeiligem Freiraum - eine durchgestrichene Rubrik, in der Platz für eine Initiale gelassen wurde: [C]entesimum nonum capitulum tractat de origine et inicio dilecti sancti Johannis Jherosolomitani. et ibidem eciam sunt omnes indulgencie metrificate ex bullis et priuilegijs, que in auinione et in alijs capitalibus conuentibus in gallia ordinis sancti Johannis Jherosolomitani quesitis et lectis a fratre Johanne Merckelin commendatoris in herbipoli vicem tenentis, qui quidem Johannes Merckelin eisdem temporibus conuentualis frater fuit in Rodeis quando idem carmen metricum fecit et rogavit fieri per Jacobum Regalem ex notis et autenticis testimoniis quibus bene credendum est Qui quidem Jacobus regalis longo tempore moratus est in auinione et ibidem multa priuilegia et bullas nostri ordinis perlegit ea propter [? ] et ordinis libertates sibi bene constiterunt. Die Versoseite des Spiegelblatts (Abb. 17a) weist in der Kopfzeile und am Rand der ersten beschriebenen Zeile in rot die Nummer des beginnenden Kapitels aus (CVIIII bzw. Cix); es folgt das in der Rubrik der Versoseite angekündigte Gedicht des Jakobus Regalis: De thesauris summi regis. Auch das Doppelblatt am Ende der Handschrift (Bl. 50/ 51 = hinterer Spiegel) war z.T. bereits beschrieben, bevor es in der vorliegenden Handschrift Verwendung fand: Eine Rubrik, welche die ersten 24 Zeilen auf Bl. 50 r einnahm und an deren linken Rand ein zwölfzeiliger Freiraum für eine Initiale gelassen wurde, wurde ausradiert, um die Erläuterungen über die zwei ‚übriggebliebenen Lateinbücher‘ darüber zu schreiben. Wahrscheinlich war auch das hintere Spiegelblatt bereits mit dem Wappen Werners von Hüneburg bemalt, als es am Ende des Codexes angefügt wurde. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 132 I NHALT I. Einleitung 1. 1 r Deutscher Prolog zum ‚b ch von den nún veilsen‘ [vgl. Abb. 17b] Rubrik: - Incipit: A lse n dise nehste nochgonde rubrike seit, wie dis latine b ch von den nún veilsen ettewas missehillet dem tútschen an abe gebrochenen worten [...] Explicit: [...] Vnd dis gegenwertige úberblibene latine b ch von den nún veilsen vnd noch ein exemplar mit ahte sexternen von der ernuwerunge vnd der stifter leben vnd den andern materien, die des huses wúrdikeit bewerent ist den drien weltlichen pflegern ben met vnd gemeinet das sú die us lihen m gent erbern, g thertzigen, gelerten lúten in der forme, die z aller hinderst in disem b che vnd ouch in dem andern z tútsch geschriben stot durch der leygen willen, die nút latine kúnnent Ausgabe: Rieder 1905, S. 48*1-24. 2. 1 r Deutsche Bemerkungen zum Grabmal Werners von Hüneburg [vgl. Abb. 17b] Incipit: D es ersten stifters hern marschalk Wernhers von húneburg des edeln, wolgebornen herren woffen sint z ende dis b ches an das hinderste bret gemolet [...] Explicit: [...] Des selben ersten stifters von húneburg begrebede stot ch z aller nehst vor den woffen z ende dis b ches vnd in den vrkúnde b chern geschriben, z welen ziten vnd an weler stat vnd in welen eren er begraben wart vnd noch begraben lit in dem alten gebuwe z dem Gr nenwerde Durch daz sin niemer vergessen werde von allen husbr dern und hofe sehssen des Gr nenwerdes Ausgabe: Rieder 1905, S. 48*25-49*8. 3. 1 v Lateinische Vorbemerkung über das ‚zweite übriggebliebene Lateinbuch‘ und Bemerkungen zur Autorschaft Rulman Merswins [vgl. Abb. 18] Rubrik: H ij quatuor sexterni de nouem rupibus cum alijs sequentibus materijs et capitulis fuerunt vna particularum pertinencium in latinum memorialem librum, in quo coadmate [sic! : coadiute ? ] sunt omnes materie tractantes seu testimonium perhibentes qualiter scilicet domus hec viridis insule a principio sui hucusque est deducta et renouata Et quia liber harum nouem rupium in uerbis non ex toto cum wlgari theutonico concordat, prout eadem uerba a sui principio a spiritu sancto processerunt id circo eaedem materie sic manserunt remanentes et extra stantes et iterato de nouo directe secundum wlgare theutonicum in prenominatum primum scilicet memorialem librum sunt innodate Capitula tamen omnia libri eiusdem de nouem rupibus in utraque parte concordant in materia et in significacione hoc dempto quod aliqualiter discordant in uerbis idcirco quia exemplar presentis libri cum aliquibus ‚Zweites übriggebliebenes Lateinbuch‘ (C) 133 incidentibus applicitum [sic! ] est ad sacram scripturam, prout honestus et deuotus lector bone memorie frater Johannes de schaftoltzheim, ordinis fratrum heremitarum sancti augustini, fieri procurauit et in librariam eiusdem ordinis in argentina poni fecit Ausgabe: Rieder 1905, S. 49*9-39. II. Hauptteil (Latein) 1. 2 r -46 v ‚B ch von den nún veilsen‘ [lateinisch] mit Prolog [vgl. Abb. 18] Rubrik: Incipit prologus in librum qui intytulatur de nouem rupibus [dahinter getilgt: zwei Worte unleserlich r lmannus merswin, fundator noster, instrumentum dei fore oportebat coactus hoc scribere, sicut pie est credendum per quam plura et diuersa testimonia, que in presenti libro sunt prescripta] Inhaltsangabe: Steer, III 3. Ausgabe: Rieder 1905, S. 50*-55*13. 2. 46 v -49 r Drei Kapitel aus einem lateinischen Urkundenbuch i. 46 v -48 r Kapitel 86: Inhaltsangabe des ‚b ch von den zweyen iungen fúnfzehen ierigen knaben‘ Rubrik: Item octogesimum sextum capitulum est decima huius libri materia et est sensus sub breuibus conprehensus ex libro theutonico, qui tractat de duobus iuuenibus quindecim annorum pueris, in quo scriptum continetur, quomodo dilectus dei amicus in superioribus partibus, R lemanni merswin nostri fundatoris familiaris collega et socius, iuuentutem suam viuendo deduxit, quomodo pater ipsius eum secum duxit ad remotas et alienas patrias docens eum mercimonia exercere, et quomodo post multa animo beneplacita et voluptates vnum grande miraculum sibi euenit Quedam enim crux lignea inclinauit se inferius versus eum, dum orando coram eo genu flecteret propter eandem etiam causam abrenunciauit licenciatiue seculo et omnibus creaturis et omnibus voluptatibus nature, sicut liber tractat, cuius sensus et materia hic incipit dicens Inhaltsangabe: Steer, IV 3. Ausgabe: Rieder 1905, S. 55*14-58*7. ii. 48 r -48 v Kapitel 87: Briefe, welche der Gottesfreund an Rulman Merswin sandte Rubrik: Octogesimum septimum capitulum tractat de ultimis litteris missiuis, quas predilectus dei amicus in superioribus partibus huc inferius transmisit R lmanno merswin et fratribus viridis insule hoc eciam idem ultimum capitulum ammonet et auisat omnes viridis insule fratres et personas, quod sibi ipsis illam magnam graciam concessam non Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 134 amittant cum ingratitudine, vnde plagari et vindicari temporaliter et eternaliter possent Inhaltsangabe: vgl. Handschrift B, Bl. 20 v -24 v und 25 r -26 v . Ausgabe: Rieder 1905, S. 58*8-59*18. iii. 48 v -49 r Kapitel 88: Leben eines Bruders Ulrich aus dem Benediktinerorden Rubrik: Octogesimum octauum capitulum tractat de uita seu modis viuendi vnius nigri monachi de ordine sancti benedicti, qui in primis antiquis temporibus habitauit in loco viridis insule, postquam idem locus regimini monachorum de altdorf fuit commendatus sicut vnus prescriptorum duorum antiquorum sacerdotum de altdorf eiusdem ordinis sancti benedicti vni Johannitarum commoranti in viridi insula dedit in scriptis in octava beati stephani anno a natiuitate domini millesimo trecentesimo octuagesimo quinto ad maiorem noticiam et testificacionem, quod locus viridis insule in magna sanctitate ab antiquo usque ad tempora ista deductus est et inhabitatus, prout eciam idem duo antiqui octogenarij sacerdotes de altdorf per antea dicunt et testificantur nono capitulo huius presentis libri, et sic describitur Ausgabe: Rieder 1905, S. 59*19-60*19. III. Schluß (Deutsch) 1. 49 r -50 v Bemerkung über die zwei ‚übriggebliebenen Lateinbücher‘ = Kapitel 27 des ‚Pflegermemorials‘ Incipit: D is gegenwertige b ch von den nún veilsen vnd noch ein b ch mit ahte sexternen in diser forme vnd gr sse (r getilgt) ist die ernuwerunge vnd der stifter leben vnd die andern materien, die von erst usser dem tútsche z latine geschriben wurdent vnd úber blibent an den drien urkúnde b chern [...] Explicit: [...] Die grundelose erbermede vnsers lieben herren habe es in irre h te vnd fúrkumme es ewiklich vor alleme vngeuelle lipliche vnd geistliche amen Ausgabe: Rieder 1905, S. 60*20-63*4. 2. 50 v Beschreibung des Grabes und Wappens des Werner von Hüneburg Incipit: D is sint die woffen dez erwirdigen, weltlichen herren, hern Marschalk Wernhers von húneburg [...] Explicit: [...] Got losse vns sin vnd aller siner vzerwelten, lieben frúnde ewecliche geniessen amen Ausgabe: Rieder 1905, S. 63*5-25. 3. Spiegel Bildseite: Wappen des Werner von Hüneburg ‚Zweites übriggebliebenes Lateinbuch‘ (C) 135 D ATIERUNG : Der Hauptteil der Handschrift liefert keine Hinweise für eine Datierung; im Zuge der Umgestaltung der Handschrift (vgl. Geschichte der Handschrift) wird auf Bl. 49 r -50 v eine Abschrift des 27. Kapitels des ‚Pflegermemorials‘ nachgetragen, die jedoch bereits über die Genese des Manuskripts berichtet und sowohl auf die drei Urkundenbücher (Bl. 49 r ; Rieder 1905, S. 60*23) als auch auf die ‚Pflegermemoriale‘ (Bl. 49 v ; Rieder 1905, S. 61*2) verweist. Es ist somit davon auszugehen, daß die Teilung und neue Zusammenstellung der Handschrift etwa zur gleichen Zeit wie die Erstellung der ‚Pflegermemoriale‘, d.h. zwischen 1393 und 1399, vorgenommen wurde. G ESCHICHTE DER H ANDSCHRIFT / V ERHÄLTNIS ZU ANDEREN H ANDSCHRIFTEN : Zu Beginn der Handschrift wird zunächst von der Haupthand in Latein, sodann in einem Vorsatz auch in der Volkssprache, die Genese des vorliegenden Codex erläutert. Die lateinische Vorbemerkung (s. Inhalt, Bl. 1 v ; Rieder 1905, S. 49*9-24) führt aus: Diese vier Sexternionen über die neun Felsen mit weiteren, sich anschließenden Materien und Kapiteln waren eines der Teilstücke, die dem lateinischen Memorialbuch angehörten, in dem alle Gegenstände zusammengefaßt sind, die davon handeln und davon Zeugnis ablegen, wie dieses Haus auf dem ‚Grünen Wörth‘ von seinem Anfang bis heute errichtet und erneuert wurde. Und weil das Buch dieser neun Felsen in seiner Wortwahl nicht gänzlich mit der deutschen Volkssprache übereinstimmt, so wie dieselben Worte in ihrem Ursprung vom Heiligen Geist ausgingen, deshalb blieben dieselben Materien übrig und außerhalb stehend und wurden von neuem, nochmals in genauer Übereinstimmung mit der deutschen Volkssprache in das zuvor genannte erste [d.h.] Memorialbuch hineingeknotet/ eingebunden. Dennoch stimmen alle Kapitel eben dieses Buches über die neun Felsen in beiden Teilen in Inhalt und Bedeutung überein, wenn man das vernachlässigt, worin sie irgendwie nicht übereinstimmen, weil sich das Exemplar des vorliegenden Buches in manchen Zusätzen an die Heilige Schrift anlehnt, so wie es der ehrenwerte und demütige Lektor, der selige Bruder Johannes von Schaftoltzheim, Augustinereremit, besorgen und in die Bibliothek eben dieses Ordens in Straßburg stellen ließ. In der volkssprachlichen Einleitung heißt es in fast wörtlicher Übertragung: Alse n dise nehste nochgonde rubrike seit, wie dis latine b ch von den nún veilsen ettewas missehillet dem tútschen an abe gebrochenen worten vnd z geleiten glosen us der geschrift, dar vmb ist es ouch úber bliben vnd anderwerbe in das grosse latine memoriale b ch des huses z dem Gr nenwerde geschriben von worte z worte glich dem tútschen [...]. Vnd dis gegenwertige úberblibene latine b ch von den nún veilsen vnd noch ein exemplar mit ahte sexternen von der ernuwerunge vnd der stifter leben vnd den andern materien, die des huses wúrdikeit bewerent ist den drien weltlichen pflegern ben met vnd gemeinet das sú die us lihen m gent erbern g thertzigen gelerten lúten in der forme, die z aller hinderst in disem b che vnd ouch in dem andern z tútsch geschriben stot durch der leygen willen, die nút latine kúnnent (Bl. 1 r ; Rieder 1905, S. 48*1-5, 18-24). [Die unmittelbar folgende Rubrik sagt, daß das lateinische Buch über die neun Felsen sich vom deutschen durch ausgelassene Worte und hinzugefügte Glossen aus der Bibel unterscheidet, weshalb es auch übriggeblieben ist und noch einmal in das große lateinische Memorialbuch des Hauses zu dem ‚Grünen Wörth‘ geschrieben [wurde], wörtlich mit Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 136 dem deutschen übereinstimmend. [...] und dieses vorliegende, übriggebliebene Lateinbuch von den neun Felsen und noch ein anderes, acht Sexternionen umfassendes Exemplar über die Erneuerung und das Leben der Stifter und andere Materien, die die Würde dieses Hauses bezeugen, ist den Pflegern bestimmt mit dem Zweck, daß sie diese ausleihen können ehrbaren, gutherzigen, gelehrten Leuten in der Art und Weise, wie es zuletzt in diesem Buch und auch in dem anderen auf Deutsch geschrieben steht wegen der Laien, die nicht Latein können.] Teile der überlieferten Handschrift wurden folglich aus einem lateinischen Urkundenbuch herausgetrennt, das mit dem in A als erstes, lateinisches Urkundenbuch bezeichneten übereinstimmen dürfte (A, Bl. 6 r ; Rieder 1905, S. 14*17). Diese Umgestaltung wurde nötig, da die in der Handschrift enthaltene Übertragung des ‚b ch von den nún veilsen‘ ins Lateinische durch Johannes von Schaftoltzheim 169 nicht mit dem volkssprachlichen Text Rulmans übereinstimmte. Durch Ausgliederung entstanden die zwei ‚übriggebliebenen Lateinbücher‘, von denen nur das vorliegende, zweite, erhalten ist, der Inhalt des ersten jedoch mit Hilfe einer Abschrift des 18. Jahrhunderts rekonstruiert werden kann (vgl. Sigle G). Beide Manuskripte sollen nun allen gotf rhtigen, gelerten personen zur Lektüre ausgeliehen werden, die gerne (latine durchgestrichen) latine lesent vnd nút minne hant z tútschen b chern vnd ouch gerne die welt flúhent vnd ir leben bessertent (Bl. 49 r ; Rieder 1905, S. 60*27-29). 170 Zu diesem Zweck werden die Manuskripte einzeln gebunden und die vier aus dem ersten Urkundenbuch entnommenen Lagen (Bl. 2-49) zu Beginn und am Schluß mit je einem Doppelblatt versehen. Diese beiden angefügten Pergamentblätter sind ebenfalls aus einer anderen Handschrift entnommen, da das erste Spiegelblatt bereits mit der Numerierung CVIIII bzw. Cix und dem Gedicht des Jakobus Regalis beschrieben war (vgl. Abb. 17a) und auf Bl. 50 eine Rubrik ausradiert werden mußte (vgl. Einband), bevor das Blatt erneut beschrieben werden konnte. Wahrscheinlich war auch das auf das hintere Spiegelblatt gemalte Wappen bereits vor dem Einfügen in die Handschrift auf die Seite aufgetragen. Auf diesen Doppelblättern werden dem ursprünglichen Teil der Handschrift nun die oben zitierten, lateinischen und deutschen Be- 169 Johannes von Schaftoltzheim (in dieser Namensform in der Handschrift) war Lesemeister der Augustinereremiten in Straßburg und ist als magister et in poenitencialibus vicarius des Bischofs von 1356-1381 bezeugt. Im ‚Briefbuch‘ findet sich auf Bl. 45 r -46 r ein Brief des Gottesfreundes an Johannes, der in A (Bl. 3 v / 4 r ) auch als Ratgeber der Johanniter eingeführt wird: dar vz ch dise ordenunge der egenanten lúckart von l fene noch ires mannes tode geroten wart von den aller gr sten lerern sunderliche [4 r ] Br der Johans von schaftoltzheim, der von gnoden vnd von geschrift ein richsinniger, wol wissender lerer vnd lesemeister gewesen ist sante augustinus orden vnd vil ior ein vicarie vnd penitencier dez bischofes z strazburg (Rieder 1905, S. 11*1-6). Jakob Twinger von Königshofen berichtet in seiner Chronik zudem, Johannes habe 1374 im Garten der Augustiner eine Heiliggrabkapelle errichten lassen. „Dieser Johann von Oberschäffolsheim bezeugt als lector ord. heremitarum, s. Aug. in Strassburg 1356. Strass. UB V, 337 n. 391. - Sicher identisch mit dem 1373 erwähnten Johannes, Prior der Aug.-Eremiten. Ebd., V, 827 n. 1091“ (Médard Barth, Handbuch der elsässischen Kirchen im Mittelalter, 3 Bde, Straßburg 1960-1963 [Archives de l’Église d’ Alsace 27-29], Bd. 3, Sp. 1354f.); vgl. zu Johannes von Schaftoltzheim auch: Philipp Strauch, Einleitung, in: Merswins Neun-Felsen-Buch (Das sogenannte Autograph), hg. von Philipp Strauch, Halle/ S. 1929 (ATB 27; Schriften aus der Gottesfreund-Literatur 3. Heft), S. V-XV, hier S. VIII; Dagmar Ladisch-Grube, Johannes von Schaftholzheim, 2 VL Bd. 4 (1983), Sp. 736. 170 Für diese Ausleihe wird am Ende der Handschrift eine ‚Benutzerordnung‘ angeführt: vgl. Bl. 49 v ; Rieder 1905, S. 60*29-61*14. ‚Zweites übriggebliebenes Lateinbuch‘ (C) 137 merkungen zu ihrer Genese (Bl. 1 rv ; Rieder 1905, S. 48*-49*) und auf Bl. 49 r bis 50 v (Rieder 1905, S. 60*20-63*4) - mit dreizeiligem Abstand zum lateinischen Text - Anweisungen zum Umgang mit dem Codex beigegeben, die auch im 27. Kapitel der ‚Pflegermemoriale‘ enthalten sind. Erst nachträglich fügt eine dritte Hand auf Bl. 1 r (Abb. 17b) eine Notiz zum Grabmal Werners von Hüneburg ein und ergänzt die Bildseite am Ende der Handschrift um eine Beschreibung des Grabes und Wappens des Werner von Hüneburg (Bl. 50 v ; Rieder 1905, S. 63*5-25). Während über die hier beschriebene Mechanik des Anlageprozesses der Handschrift in der Forschung weitgehend Einigkeit besteht, war die Quelle für alle im ‚zweiten übriggebliebenen Lateinbuch‘ enthaltenen Texte, die nicht zum ‚b ch von den nún veilsen‘ zählen oder auf sie bzw. die Genese des Codexes Bezug nehmen, stark umstritten. Rieder sieht sowohl die drei, auf Bl. 46 v -49 r eingetragenen, lateinischen Kapitel 86-88 als auch die beiden zu Beginn und am Schluß des Manuskripts angefügten, zunächst mit dem Schluß des 108. bzw. dem Anfang des 109. Kapitels beschriebenen, später radierten Doppelblätter nicht als Teil des ursprünglichen, nachträglich geteilten lateinischen Memorials: Nun unterliegt es keinem Zweifel, daß die Kapitel 86-88 Bestandteile eines lateinischen Memorials mit wenigstens 88 Kapiteln waren. Dieses aber kann nicht mit dem Ersten Lateinischen Memorial identisch sein, dem die Neun Felsen entstammen, denn dieses zählte bloß 51 Kapitel + Neun Felsen. Ebensowenig kann man bezweifeln, daß die Kapitel 86- 88 lediglich in das zweite Übriggebliebene Lateinbuch geschrieben wurden, um dessen leeren Platz auszufüllen, keineswegs deswegen, weil sie, wie die Neun Felsen, mit der autentischen deutschen Vorlage nicht übereinstimmen. Nikolaus von Löwen hätte darum das Erste Lateinische Memorial von jenem unterscheiden müssen, dem die Kapitel 86-88 entstammen. 171 Als Quelle des 86.-88. Kapitels sowie der hinzugefügten Pergamentblätter sieht Rieder ein ‚großes lateinisches Memorial‘, dessen Existenz nur aus e i n e r Bemerkung in C erschlossen werden kann: dar vmb ist es ouch úber bliben vnd anderwerbe in das grosse latine memoriale b ch des huses z dem Gr nenwerde geschriben von worte z worte glich dem tútschen (C, Bl. 1 r ; Rieder 1905, S. 48*3-5). Dieses nach der Teilung als Ersatz für das erste, lateinische Urkundenbuch entstandene, neue lateinische Memorial decke sich, so Rieder, „im allgemeinen mit dem Inhalt des Ersten Lateinischen Memorials, [...] fügt später jedoch mehrere Materien und Kapitel hinzu, sodaß im Gegensatz zum ursprünglichen Kleinen Lateinischen Memorial ein ‚grosses latine b ch‘ entsteht“. 172 Aufgrund der Annahme, daß das neue lateinische Memorial eine größere Stoffmenge umfasse als das ursprüngliche Urkundenbuch, greift Rieder bei seinem Rekonstruktionsversuch auch auf die im ‚zweiten übriggebliebenene Lateinbuch‘ vorhandenen Kapitel 86-88 zurück und nimmt an, daß diese erst im neuen Memorial enthalten gewesen seien und aus diesem in das ‚zweite übriggeblieben Lateinbuch‘ kopiert wurden. Strauch führt gegen diese Annahme aus: 171 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 46. 172 Ibid. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 138 Rieder meint: die in dem Zweiten übrig gebliebenen lateinbuch den Neun felsen folgenden als cap. 86, 87 und 88 bezeichneten abschnitte (45*,14-60*,19) seien nachträglich aus dem Grossen lateinischen memorial herübergenommen. Das ist wenig glaubhaft, denn einmal trägt bl. 46 b (auf dem die Neun felsen schliessen und cap. 86 beginnt) äusserlich absolut einheitlichen gleichzeitigen schriftcharakter, sodann ist 49*,9 ausdrücklich gesagt, dass diese vier sexterna de novem rupibus c u m a l i i s s e q u e n t i b u s m a t e r i i s e t c a p i t u l i s fuerunt una particularum pertinencium in latinum memorialem librum. 173 Strauch weist weiter darauf hin, daß das ‚erste übriggebliebene Lateinbuch‘ in der von Rieder mit Hilfe der Handschrift Goetzmanns (vgl. Sigle G) vorgenommenen Rekonstruktion 51 Kapitel umfaßt, die zusammen mit den 34 Kapiteln der ‚nún veilsen‘ genau jene 85 Kapitel ergeben, die den drei diesem ‚b ch‘ im vorliegenden Codex angeschlossenen Kapiteln vorangegangen sein müssen, um ihre Kapitelnummern (86-88) zu erklären. 174 Auch die ursprünglich auf die erste und letzte Lage geschriebenen Kapitel 108 und 109 stammen mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem aufgelösten Urkundenbuch, da in den ‚Erweiterten Pflegermemorialen‘ vermerkt ist, daß ihr Inhalt - alle Bullen vnnd priuilegien (F, Bl. 86 r ; Rieder 1905, S. 221*32) des Johanniterordens und der Kirche zum ‚Grünen Wörth‘ ebenso wie das Latine[ ] gedichte[ ] das ein jeder Bruder zu Rodiß vber mehr thett in Rimen schr ben einen gelerten meister pffaffen (F, Bl. 93 r ; Rieder 1905, S. 222*34-223*2) - in einem nicht näher bezeichneten Latinen vrkhunde buch zu dem Grüenenwerde von wort zu wort eigentlichen vnd gantz geschr ben stondt (F, Bl. 86 r ; Rieder 1905, S. 221*32-34). Während Rieders Ausführungen keine Erklärung für die Aussonderung der als Anfangs- und Schlußlage verwendeten Blätter aus dem neuen, ‚großen lateinischen Memorial‘ geben, kann die Trennung des ersten, lateinischen Urkundenbuches und der daraus resultierende, neue Gebrauchszusammenhang auch die Wiederverwendung dieser Blätter im vorliegenden Codex erklären: Sicher haben auch cap. 108, 109 (Rieder s. 35, 47) [...] ursprünglich dem älteren lateinischen memorial angehört, sie müssen also inhaltlich dem Zweiten übrig gebliebenen lateinbuch [...] gefolgt sein und zwar vermutlich eine neue lage beginnend, wodurch die ablösung der Neun felsen noch erleichtert wurde. Mit aller reserve möchte ich die frage aufwerfen, ob nicht vielleicht cap. 90fgg., deren inhalt sich vergleichsweise mit dem zweiten teile des erweiterten Pflegermemorials (Rieder s. 66fg.) berührt haben wird, da sie sich von der eigentlichen Gottesfreundfrage entfernen, auch zum ausleihen weniger geeignet erscheinen mochten, aus diesem grunde gleichfalls vom ursprünglichen ganzen abgetrennt worden sind. 175 Die Vermutung Rieders, daß mit der Anlage eines neuen, ‚großen lateinischen Memorials‘, das durch die Trennung des ersten, lateinischen Urkundenbuches in die zwei übriggebliebenen Lateinbücher notwendig wurde, neben der Integration einer wörtlichen Übersetzung des ‚nún veilsen‘-Textes Rulmans auch eine Neukonzeption und Erweiterung der lateinischen Handschrift vorgenommen wurde, stützt sich so nur auf das in C auf Bl. 1 r angefügte Adjektiv g r o s s e latine memoriale b che; dieses dif- 173 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 108. 174 Ibid., S. 108f. 175 Ibid., S. 108f. ‚Zweites übriggebliebenes Lateinbuch‘ (C) 139 ferenzierende Attribut muß jedoch keine Abgrenzung vom vormals bestehenden ersten Urkundenbuch implizieren, sondern kann sich auch auf den Unterschied zu den beiden ‚übriggebliebenen Lateinbüchern‘ beziehen. 176 Obwohl die Formulierung und das verwendete Tempus (Perfekt) (C, Bl. 1 r ; Rieder 1905, S. 48*3-5) suggerieren, ein korrigiertes lateinisches Memorial habe zum Zeitpunkt der Trennung des ersten, lateinischen Urkundenbuchs bereits existiert, stellt sich zudem die Frage, ob die Absicht, einen Ersatz für das lateinische Memorial zu schaffen, zur Durchführung gelangte, da in den weiteren Handschriften keine Differenzierung mehr zwischen verschiedenen lateinischen Büchern vorgenommen, sondern nur vom lateinischen Urkundenbuch gesprochen wird. In jedem Fall deutet dies darauf hin, daß die als Ersatz für das lateinische Urkundenbuch entstandene Handschrift in ihrer Konzeption mit dem ursprünglichen Codex weitgehend übereingestimmt hat. Da das vorliegende Manuskript aufgrund der Unterschiede zum volkssprachlichen Text Merswins nicht für die Lektüre in der Kommende bestimmt war, sondern von den drei Pflegern gelerten personen ausgeliehen werden sollte, die gerne die welt flúhent, findet sich im 27. Kapitel des ‚Pflegermemorials‘ (vgl. d, Bl. 58 r -60 r ; D, Bl. 108 r -112 v ; Rieder 1905, S. 207*27-208*9) ein ausführlicher Bericht über seine Genese und die Modalitäten der Ausleihe, der auch am Ende des ‚zweiten übriggebliebenen Lateinbuchs‘ nachgetragen wurde, um die Pfleger über den intendierten Verwendungszweck und ihre Aufsichtspflicht über die Handschrift zu informieren: den [den gelerten personen] sol man sú lihen, z welher zit es die drie weltlichen pflegere oder andere erbere, g thertzige lúte begerent vnd vordernt an den comendúre oder an sinen stathalter oder an die br dere, den die selben b chere befolhen werdent Do z habent ettliche erbere personen ir alm sen gegeben vnd die selben b chere bekostiget vnd gemaht in selegeretes wise one schaden des couentes [... 49 v ...] Die selben drie weltlichen pflegere ouch alle zit besorgent s llent sin, das in die zwey úberblibene latine b cher wider vmb geantwurtet werdent, alse dicke so sú ir eins oder beide n oder har nach in solicher wise iemer us gelihent Dar vmb wanne sú vil lihte nút alle latine verstont so ist durch iren willen dise ordenunge z tútsch hie geschriben vnd ouch in das ander latine b ch, do bi sú dise b cher beide bekennen m gent vnd geuordern kúnnent, so sú wellent (Bl. 49 rv ; Rieder 1905, S. 60*29- 61*11). [Diesen soll man sie ausleihen, wann immer es die drei weltlichen Pfleger oder andere ehrbare, gutherzige Personen wünschen und fordern vom Komtur oder seinem Stellvertreter oder von den Brüdern, denen diese Bücher überlassen werden. Hierfür haben zahlreiche ehrbare Personen Spenden gegeben und für dieselben Bücher die Kosten übernommen und sie als ein Seelgerät gestiftet, ohne den Konvent zu belasten. [...] Dieselben drei weltlichen Pfleger sollen auch stets dafür Sorge tragen, daß sie die zwei übriggebliebenen Lateinbücher zurückerhalten, so häufig sie eines oder beide jetzt oder später in solcher Weise ausleihen. Weil sie vielleicht nicht alle des Lateinischen mächtig sind, so ist für sie diese Ordnung hierhin auf Deutsch geschrieben worden und auch in das andere Lateinbuch, woran sie diese zwei Bücher erkennen und fordern können, wenn sie möchten.] 176 Ibid., S. 107. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 140 d ‚Pflegermemorial‘ Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 839 Bei der Berliner Handschrift handelt es sich nicht nur um das von Rieder vergeblich gesuchte „Memorialbuch“, 177 auf das Pfeiffer in einem Begleitbrief zur Handschrift 470 der Universitätsbibliothek Freiburg (vgl. Vorbesitzer) verweist, 178 sondern um eines der drei ‚Originale‘ der ‚Pflegermemoriale‘, da die auf Bl. 62 r gegebene Datierung auf das Jahr 1435 ausschließlich auf den Eintrag auf Bl. 60 v -62 r zu beziehen ist, jedoch nicht - wie bislang angenommen - das Entstehungsjahr der gesamten Handschrift bezeichnet (vgl. Datierung). B ESCHREIBUNG : Hermann Degering, Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der Preussischen Staatsbibliothek. 3 Bde, Leipzig 1925-1932, Bd. II: Die Handschriften in Quartformat, Leipzig 1926, S. 146; Kurt Vogtherr, Handschriftliche Beschreibung für das Handschriftenarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (3 Bll.; 1934). B ESCHREIBSTOFF : Bis auf ein Papierdoppelblatt zu Beginn besteht die Handschrift durchgehend aus Pergament. B LATTZAHL / A NZAHL UND A RT DER L AGEN : 61 Bll. + 1 Bl. = 62 Bll. Auf das Papierdoppelblatt zu Beginn des Codexes, das einerseits als Spiegel-, andererseits als nicht arabisch gezähltes Vorsatzblatt fungiert, folgen fünf Sexternionen, denen am Ende der Handschrift ein einzelnes Doppelblatt hinzugefügt wurde (so auch eine Bleistiftnotiz auf demselben Blatt „61 Bll. No. 62 festgeklebt“); das 62. Blatt wird dabei als Spiegel verwendet: I (Spiege- + Vorsatzblatt) + 5 VI 60 + I (61 +62 = Spiegelblatt) . Die Blätter sind am rechten oberen Rand jeder Rectoseite mit dunkler Tinte in arabischen Ziffern numeriert, das vordere Papierdoppelblatt wurde in diese Zählung nicht einbezogen; Bl. 1-6 sind zusätzlich mit römischen Ziffern am unteren rechten Rand versehen. Die am Ende der Lagen vorhandenen Reklamanten sind rot umrandet und teilweise in die Falz eingebunden und daher schlecht zu lesen; auf Bl. 60 v findet sich kein Reklamant, wahrscheinlich weil es sich bei dem auf Bl. 61 r -62 r geschriebenen Text um einen Nachtrag handelt. B LATTGRÖSSE / S CHRIFTRAUM : 22 x 14,5 cm; der Schriftspiegel beträgt 16,8 x 10,6 cm, jede Seite hat 35, mit schwarzer Tinte gezogene Zeilen. S CHRIFTTYP / S CHREIBER / H ÄNDE / G RAPHIE : Textualis; man kann mindestens drei Hände unterscheiden: 1. die Haupthand des Textes, 2. die Hand, die den Nachtrag auf Bl. 60 v -62 r einfügte, und 3. eine Korrekturhand, die zusätzlich zu den von der Texthand vorgenommenen Verbesserungen Korrekturen in dunklerer Tinte eintrug, die im Gegensatz zu den Berichtigungen der Texthand nicht rot unterstrichen sind, z.B. auf Bl. 1 r am Außenrand hus, auf 1 v am unteren Rand Das der brief in allen sinen kreften unuerandert (Abb. 20b), und auf 11 r , ebenfalls am Fußsteg, Also wele commentúre des selben huses. Die Haupthand des Manuskriptes, die entgegen Schmidt 179 aufgrund der charakteristischen, einer umgedrehten Acht ähnelnden Form des 177 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. XIX. 178 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 110. 179 Carl Schmidt, Ueber den wahren Verfasser, S. 65. ‚Pflegermemorial‘ (d) 141 <g>, des häufig über die Mittellinie geführten runden <s> und der wechselnden Morphologie des <z> nicht mit der Haupthand in C identifiziert werden darf, zeigt stärkere Schwankungen in der Graphie als die der Handschriften A, B und C: Während <u> nur als Vokal verwendet wird, tritt <v> - neben seiner Funktion als Graphem für / f/ - in zahlreichen Lexemen an die Stelle des / u/ : vnd, vntze, vrkunde, vn-, vnser. Auch die Schreibweise des <z> wechselt zwischen geschwänzter und schlichter, z.T. sogar doppelstöckiger Form, ohne eine lautliche Differenzierung zu verdeutlichen. Das runde <s> steht, wie auch in den anderen Handschriften üblich, nur am Schluß der Lexeme. Der Lautwert des Graphems <i> ist zumeist vokalisch, nur selten steht es für / j/ : iores, ie. <y> wird selten für / i/ geschrieben: dryer, zweygen, eygentlicher. Die Nachtragshand weicht vornehmlich in zwei Punkten von der Graphie der Haupthand ab: 1. Die Verteilung von <z> und < > dient der lautlichen Differenzierung; die geschwänzte Form tritt nur in der Ligatur <t > auf. 2. Das Graphem <u> kann neben dem vokalischen auch einen konsonantischen Wert annehmen: couente, reuerencie, einualtiger. S CHRIFTSPRACHE : Alemannisch E INRICHTUNG / B UCHSCHMUCK : Neben den üblichen Mitteln der Rubrizierung (rot geschriebene oder rot unterstrichene Text- und Kapitelüberschriften, rote Strichelung von Paragraphenzeichen und Majuskeln) zeichnet die Handschrift den Beginn jedes Kapitels zweifach aus: Die Texte werden von vierzeiligen Initialen eröffnet, deren Binnenfelder nur vereinzelt mit schlichtem Knospenfleuronné (Bl. 6 v ; 19 v ) oder grob skizzierten Gesichtszügen (Bl. 7 v ) gefüllt sind; z.T. sind die Endstellen der Schäfte mit Silhouettenmotiven verziert. Daneben werden die Kapitelüberschriften am äußeren Rand der Seite mit römischen, in roter Tinte geschriebenen Ziffern versehen, die der Kapitelzählung im Inhaltsverzeichnis der Handschrift entsprechen. Über die Textgliederungsfunktion hinaus ist die Handschrift mit keinem Buchschmuck ausgestattet. E INBAND : Auf dem vorderen Deckel des mit rotem Leder überzogenen Einbands, dessen Buchrücken anscheinend nachträglich verstärkt und mit der Berliner Signatur versehen wurde, finden sich Reste von zwei Messingschließen. Auf dem hinteren Buchdeckel ist ein Pergamentstreifen aufgeklebt (vgl. Abb. 19): Z. 1 Dis ist der drier memoriale eins wi das Z. 2 Closter z dem Gr nenwerde von alter Z. 3 ist har ku en v sancte Johans orden gegeb Z. 4 word alse es drie weltlich pfleg e ewiklich hant Z. 5 haben s llent den ouch die drie b cher z gehoe Z. 6 rent mit solicher gedinge alse hie in dem [? ] Z. 7 in der ersten rubricken geschriben stot. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 142 I NHALT I. Vorbemerkungen 1. 1 rv Festlegung des Pflegereids vom 23. Juni 1393 [vgl. Abb. 20] Rubrik: I tem dis ist ein forme, in weler meinunge die drie weltlichen pflegere gesworn hant vnd n v rbas me ein ieglicher pflegere sweren sol, alle stúcke in dem pfleger briefe z hant habende noch sime besten verm gende Nach dem Tod der Stifter des ‚Grünen Wörth‘ ist die Stiftung dem Druck der Stadt Straßburg und der Ordensleitung ausgesetzt, die nicht länger den Regularitäten der Stiftung folgen wollen. Die drei weltlichen Verwalter des ‚Grünen Wörth‘ verpflichten sich und ihre Nachkommen daher, einen Eid auf diese Regelungen zu schwören (sog. ‚Pflegerbrief‘). Ausgabe: Rieder 1905, S. 125*29-126*23 (nach D, Bl. 113 v -115 r ). 2. 2 r -3 r Bemerkungen zum ‚Meistermemorial‘ Rubrik: Diser dr er Memoriale b cher het der berste meister in tútschen landen sancte Johans ordens ouch eines, vnd ist das vierde, glich sprechende in allen worten vnd materien diseme gegenwertigeme b che vnd den ander zweygen sinen glichen, die den drien weltlichen pflegern z gehorent, wanne das die erste vorgonde (meister seit durchgestrichen) rubricke eine andere forme het vnde dem obersten meister seit, alse hie nach z aller nehest alsus die ordenunge geschriben stot. Das Kapitel gibt Auskunft über eine weitere Handschrift, die mit der vorliegenden übereinstimmt und dem Meister der Johanniter in deutschen Landen übergeben wurde. Ausgabe: Rieder 1905, S. 159*8-160*4 und 116*39-117*33 (nach D, Bl. 2 r -4 v ). 3. 3 rv Tafel zur Ordnung der Jakobsmesse Rubrik: D is ist ein tofele, wie man die ewige messe in sancte Jacobs ere tegeliche schuldig ist z haltende von heinrich blanghartes seligen wegen von l fene, eins burgers z strasburg, alse es sin vollef rer gemeinet het in dem beginne der vertigunge des besigelten briefes, der dar úber geh rt vnd hie nach geschriben stot in dem x x v capitel Inhaltsangabe: vgl. Handschrift A (Bl. 2 rv ). Ausgabe: Rieder 1905, S. 6*39-7*27 (nach A, Bl. 2 rv ). 4. 3 v -4 r Gedicht auf den ‚Grünen Wörth‘ Ausgabe: Rieder 1905, S. 160*5-24 (nach D, Bl. 4 v -5 r ). ‚Pflegermemorial‘ (d) 143 II. Einleitung zur Handschrift 4 r -6 r Titel und Inhaltsverzeichnis der Handschrift Z. 1 rubriziert (Dis ... des), danach rot unterstrichen: D is ist die leste anderunge vnd nuwe stiftunge des Closters z dem Grunenwerde mit allen loiffen, durch die es von alter har ist kummen ie us eime stamne in den andern von dem aller ersten vrsprunge vntze in sancte Johans orden, kúrtzliche genommen usser den drin vrkunde b chern, die z t tsch vnd zu latine in dem selben h se zu dem gr nenwerde sint vnder des bersten meisters gebotte vnd verb ntnisse ewickliche do z blibende in besorgunge vnd beheltnisse eins kusters. vnd diser gegenwertigen b chere sint ouch dru eigenliche (von) worte z worte gliche sprechende in allen materien, die aller notdurftigest sint z wissende den drien weltlichen pflegern des vorgenanten huses z dem Gr nenwerde vnd die aller meist gez gnisse vnd vrkúnde gent der grossen, gnodenrichen wurdikeit des selben huses. Vnd sol ir iegelicher súnderliche eins bi ime haben in sinre gewalt z eime angedenckigem memoriale, alse lange er lebet vnd pfleger ist Das hant etteliche erbere personen in sele geretes wise alsus gefrumet der heiligen triualtikeit, Marien, der lieben m ter gottes, den zwein hohen himel fursten sancte johans baptisten, sancte johans ewangelisten vnd allen engeln, den w rdigen, l belichen patronen z lobe vnd zu eren vnd irme h se z eime beh tsamen uf enthalte in aller der w rdikeit vnd ordenunge, alse es us dem heiligen geiste in grossen mirackeln durch die fr nt gottes angehaben vnd gemeinet ist, mit solicher gedinge: alse dicke der selben drier weltlichen pfleger einre abget vnd stirbet, so sollent die berigen zwene uf ire consciencie vnd in irme e de des selben abegestorbenen pflegers memoriale b ch von sinen erben vordern vnd schaffen, das es sime nochkummen werde, der an siner stat geúrsohsset vnd z pfleger [4 v ] gekosen wurt, Durch das die drie weltlichen pflegere vnd alle ire nochkummen n vnd harnach ewikliche deste me minne hant pfleger z sinde vnd sich deste gerner bent durch aller der vorgenantem l belicher patronen willen, das selbe ir hus z dem Gr nenwerde z hanthabende noch des briefes lute vnd sage, den s von dem orden dar ber hant vnd hie noch in dem sehsten capitele der ern werunge geschriben stot Vnd vmb das man die materien dis gegenwertigen b ches alle deste eigenlicher vnd kúrtzlicher verstande, so sint die sinne in einer vorgonden tofelen alle vor in t tulieret vnd genenet, iegelicher sunderliche vnd mit der zale gezeichent, wo man ein iegelich capitel vinde, das man gerne haben wil Vnd vohet die tofel alsus an Ausgabe: Rieder 1905, S. 160*25-163*39 (nach D, Bl. 5 r -9 r ). III. Hauptteil 1. 6 v -24 r 1. materie (Kap. 1-13): ‚Gründungsgeschichte‘ des ‚Grünen Wörth‘ Rubrik: Das erste capitel seit, wie die lieben zwene stifter in úbernat rlicher wise von gotte betwungen wurdent, das hus z dem Gr nenwerde z ernuwende, vnd wie es von alter ist harkumen vnd in dem ursprunge gestiftet wart Die ‚Gründungsgeschichte‘ des ‚Grünen Wörth‘ gliedert sich in drei Teile. Auf den Bericht der ersten Stiftung des Trinitätsklosters Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 144 durch Werner von Hüneburg und des sich anschließenden Verfalls unter der Leitung der Benediktiner folgt die Erzählung, wie der Gottesfreund aus dem Oberland und Rulman Merswin von Gott zu einer erneuten Klostergründung auf dem ‚Grünen Wörth‘ gezwungen wurden. Die Übergabe der Stiftung an die Johanniter wird durch Abschriften der Stiftungsurkunde und der Bulle des Papstes dokumentiert. Im Anschluß werden die von Gott mit dem ‚Grünen Wörth‘ gewirkten Wunder und die seinen Bewohnern auferlegten Prüfungen sowie weitere Stiftungen ausführlich beschrieben. Die Chronik schließt mit dem Tod Rulman Merswins. Ausgabe: Schmidt 1854, S. 34-54; Rieder 1905, S. 164*-190* (linke Spalte; nach Schmidt 1854 [vgl. Rieder, S. 164* Vorbem.] und nach D, Bl. 9 r -42 r ). 2. 24 r -33 v 2. materie (Kap. 14-16): ‚b ch von den vier ioren sines anevohenden lebendes‘ mit zwei Parenthesen im 16. Kapitel zum ‚b ch von den nún veilsen‘ und zum ‚b ch von den zwey menschen‘ Rubrik: Item das viertzehenste capitel ist die andere materie vnd das b ch, das man hinder R lman merswine, dem stifter, geschriben vant vnder sin selbes Ingesigel von den vier ioren sins ane vohenden lebendes. Vnd seit dis selbe capitel von dem ersten iore, in dem er aller koufmanschatz vnd aller l stlicher geselleschaft vrlop gap l terliche durch got Inhaltsangabe: Steer, III 1. Ausgabe: Rieder 1905, S. 191*-198* (linke Spalte; nach D, Bl. 42 r - 59 v ); nach B, Bl. 33 r -40 v : Schmidt 1854, S. 54-76; Strauch 1927b (ATB 23), S. 1-27. 3. 33 v -53 r 3. materie (Kap. 17-23): ‚b ch von den fúnf mannen‘ Wechselnd rubriziert bzw. rot unterstrichen: I tem die dirte materie dis gegenwertigen memoriales ist das b ch von den fúnf mannen, so der liebe frúnt gottes in berlant, des vorgeschribenen stifters, R lman merswines, heimelicher geselle vnd mitte stifter, den br deren z dem Gr nenwerde us g ttelicher minnen z eime gebesserlichen exemplar schreip von bette wegen der selben br dere, die in alle gemeinliche botent in eime fr ntlichen sendebriefe, das er in ettewas gebesserliches schribe. Do schreip er in mit sin selbes hant dis selbe b ch vmb die pfingesten In dem iore, do man zalte von gottes gebúrte dritzehen hundert ior sibentzig vnd siben iore. Vnd es seit von sin selbes leben vnd von aller sinre br dere leben, die uf die selbe zit in einre geselleschaft mit ime wonetent. Vnd ist wol ein sunderber, merglich urk nde der grossen, gnodenrichen wúrdikeit des vorgenanten huses z dem gr nenwerde, das billiche alle die bewegen vnd manen sol, die n oder har noch kuntsame oder wandelunge in das selbe hus iemer gewinnent, das s in selber die gnode deste fruhtberer vnd enpfen(g)licher machent vnd [34 r ] in ein steter gegenwurf sige in aller di(e)nstbarkeit, do von ire minne vnd truwe z nemme in gantzer hoffenunge vnd z uersiht der selben stifter vnd ‚Pflegermemorial‘ (d) 145 fr nde gottes vnd der gnoderichen, heiligen houestat vnd der hochgelobte, wúrdigen patronen ewikliche zu geniessende, welre hande dienest oder truwe, liplich oder geistlich, sú in keinreleyge wise iemer ane geuellet, dem selben huse z t nde von gnoden oder durch irre liplichen narunge willen Vnd ist der anefang dis b ches das súbentzehenste capitel vnd seit von dem ersten manne, wie sich der ahtzehen ior bete in dem lidende vnsers herren vnd sprichet alsus Inhaltsangabe: Steer, IV 2. Ausgabe: Rieder 1905, S. 199*-207* (linke Spalte; nach D, Bl. 60 r - 97 r ); nach B, Bl. 4 r -11 r : Schmidt 1854, S. 79-119; Schmidt 1866, S. 102-138; Strauch 1927b (ATB 23), S. 28-82. 4. 53 rv Kapitel 24: Urkundliche Beglaubigung der drei Urkundenbücher durch den Johannitermeister in deutschen Landen, Konrad von Braunsberg Rubrik: Item das vier vnd zwentzigste capitel ist der brief des bersten meisters in t tschen landen sancte Johans ordens, so er den drien weltlichen pflegern gegeben het ber die drú urkunde b cher, die s do mitte hanthaben sollent ewikliche in dem húse z dem Gr nenwerde z blibende Ausgabe: Rieder 1905, S. 15*4-16*10 (nach A, Bl. 6 v ). 5. 53 v -57 r Kapitel 25: Komtur Heinrich von Wolfach bestätigt die Stiftung der Jakobsmesse (Übersetzung der Urkunden vom 24. September und 14. Oktober 1372) Rubrik: Item das f nf vnd zwentzigste capitel ist abgeschrift z t tsch [54 r ] geschriben eigenliche von worte z worte usser dem besigelten latine briefe ber die ewige messe in sancte Jacobs ere von heinrich blanghartes seligen wegen von l fen, eins burgers z strasburg. Dar ber des huses pflegere z dem Gr nenwerde in eime besigelten tútschen briefe, der ouch hie noch geschriben stot, erwelt vnd gekosen sint an der ersten Pflegere stat, die in diseme gegenwertigen briefe geschriben stont Ausgabe: Rieder 1905, S. 207*6-13 (Auszug; nach D, Bl. 98 v -105 v ). 6. 57 r -58 r Kapitel 26: Brief der drei Pfleger der Jakobsmesse (Abschrift der Urkunde vom 4. April 1388), in dem sie ihr Amt an die drei Pfleger des ‚Grünen Wörth‘ übergeben Rubrik: Item das sehs vnd zwentzigeste capitel ist ein abegeschrift des t tschen briefes der drier weltlicher pflegere des huses z dem Gr nenwerde, wie s ouch z pflegern erkosen wurdent ber die ewige messe in sancte Jacobes ere von heinrich Blanghartes seligen wegen von l fen, alse der latine brief seit, der hie vor z aller nehest eigenliche von worte z worte in t tsch geschriben stot Ausgabe: Rieder 1905, S. 207*14-25 (nach D, Bl. 105 v -108 r ). Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 146 7. 58 r -60 r Kapitel 27: Bemerkungen über die zwei ‚übriggebliebenen Lateinbücher‘ Rubrik: Item das siben vnd zwentzigste capitel seit von zwein berblibenen latine b chern, die ouch in dem huse z dem Gr nenwerde sint vnd die drie weltlichen pflegere s vs lihen mogent gelerten lúten, die ir begerent, do sú truwent, das es n tze sige vnd fruht bringe. Item der ist ein von ahte sexternen vnd seit von der ernuwerunge vnd von der stifter leben vnd von vil andern matterien, durch die das hus z dem Gr nenwerde von alter har ist kummen vnd sine w rdikeit bez get, alse die vorgonde tofele des selben b ches wiset ein iegelich capitel namhaftikliche mit vnderscheide. Item das ander latine b ch ist vier sexternen vnd seit von den n n veilsen, die R lmanne merswine, des selben huses stiffter, von gotte geoffenboret wurdent in den ersten vier ioren sins ane vohende lebendes, alse er sich von der welte z gotte kerete vnd hie vor geschriben stot in dem viertzehenste capitel, das ouch die ander materie dis b chs ist Ausgabe: Rieder 1905, S. 207*27-208*9, 60*26-63*4 (nach D, Bl. 108 r -112 v , und C, Bl. 49 r -50 v ). [Rest von Bl. 60 r unbeschrieben] IV. Nachtrag 1. 60 v -62 r Vorgeschichte der Jakobsmesse Rubrik: D is ist ein memoriale, vsser was sachen man die ewige messe in sant Jacobes ere tegeliche schuldig ist z haltende von heinrich Blanghartes selligen wegen von l fene, eins burgers z Strasburg, also sich der Couente z dem Gr nenwerde verbunden het in eime besigelte latinen briefe Ausgabe: Rieder 1905, S. 3*-6*38 (nach A, Bl. 1 r -2 r ). P ROVENIENZ : Aus dem ‚Signaturzettel‘ auf dem hinteren Buchrücken der Handschrift (s. Einband) geht hervor, daß es sich bei dem Codex um eines der drei ‚Pflegermemoriale‘ handelt. Die Handschrift stammt folglich aus der Johanniterkomturei zum ‚Grünen Wörth‘, hat diese aber verlassen, um an einen der weltlichen Pfleger der Stiftung übergeben zu werden. V ORBESITZER : Strauch erschließt aus einer Notiz in Handschrift 470 der Universitätsbibliothek Freiburg, daß der vorliegende Codex früher im Besitz des Stuttgarter Professors Franz Pfeiffer war. 180 In diesem Manuskript, das das ‚b ch von den nún veilsen‘ in der Fassung Rulman Merswins enthält, ist nach dem Spiegelblatt ein Begleitbrief Pfeiffers eingeklebt, aus dem hervorgeht, daß der Stuttgarter Professor die Freiburger Handschrift Franz Karl Grieshaber als „erwünschte ergänzung des memorialbuches des Johanniterhauses zum grünen werd in Straßburg“ Weihnachten 180 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 110f. ‚Pflegermemorial‘ (d) 147 1844 zusandte. 181 Auf der ersten Versoseite der Freiburger Handschrift wird von Pfeiffers Hand erneut auf das „deutsche memorialbuche“ verwiesen, das nähere Informationen zu Rulman Merswin enthalte; die hier gemachte Inhaltsangabe stimmt mit der Berliner Handschrift überein: Die näheren angaben findet man in dem deutschen memorialbuche des von Ruolmann gestifteten Johanniterhauses zum Grünen werd bei Straßburg (hs. auf pergament in 4° vom Jahre 1437 bl. 29 b ff.), worinn auch das leben Ruolmann’s erzählt wird. In demselben memoriale hat sich noch ein anderes büchlein von Ruolmann erhalten: ‚von den vier jôren sines anevôhenden lebens‘ (bl. 24 a bis 33 b ). 182 Obwohl der Berliner Codex somit 1844 bei Grieshaber zu finden war, muß er vor oder nach dessen Tod 1866 den Besitzer gewechselt haben, da Grieshaber bereits 1861 seine gesamten Bücher und Handschriften testamentarisch der Freiburger Universitätsbibliothek vermachte. 183 Da das Manuskript nicht in den Besitz dieser Bibliothek gelangte, vermutet Strauch, daß Pfeiffer die Berliner Handschrift als Leihgabe an Grieshaber sandte und sie nach seinem Tod zurückerhielt. 184 Ebenso ist es denkbar, daß der Codex zu jenen „Bücherhandschriften“ zählt, die Pfeiffer von Grieshaber auslieh und die ihm - laut einem Nachtrag zum Testament Grieshabers - nach dessen Tod überlassen werden sollten. 185 Erworben hatte Pfeiffer den Codex wahrscheinlich von Gross in Straßburg, denn Schmidt verzeichnet 1839 eine am Ende des 14. Jahrhunderts geschriebene ‚Pflegermemorial‘-Handschrift in dessen Sammlung, die auf die gleiche Art eingebunden war wie das ‚zweite übriggebliebene Lateinbuch‘ (C), 186 sich jedoch bei Schmidts zweiter Aufstellung der ihm bekannten ‚Pflegermemoriale‘ im Jahr 1854 nicht mehr im Besitz des „Strassburger Gelehrten“ befindet, sondern „in’s Ausland verkauft worden [sei]“. 187 Während Strauch auf- 181 Freiburg, Universitätsbibliothek, Hs. 470 (vgl. S. 260f.), nach dem Spiegelblatt eingeklebter Begleitbrief Franz Pfeiffers an Karl Grieshaber. 182 Ibid. Vgl. auch: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. XVIII. 183 Vgl. zu Grieshabers Handschriftensammlung: Winfried Hagenmaier, Die deutschen mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek und die mittelalterlichen Handschriften anderer öffentlicher Sammlungen. A: Deutsche Handschriften. B: Lateinische Handschriften. Mit Anhang, Wiesbaden 1988 (Kataloge der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau, Bd. 1: Die Handschriften der Universitätsbibliothek und anderer öffentlicher Sammlungen in Freiburg im Breisgau und Umgebung; Teil 4), S. XXIIIf. 184 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 110f. 185 Vgl. zum Testament Grieshabers: Winfried Hagenmaier, Die Handschriftensammlung Franz Karl Grieshabers (1798-1866) in der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau. Hausarbeit zur Prüfung für den höheren Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken [masch.], Köln 1975, S. 7. 186 Carl Schmidt, Ueber den wahren Verfasser, S. 65. 187 Carl Schmidt, Die Gottesfreunde im vierzehnten Jahrhundert, S. 6. Bei allen in dieser Studie wenig präzise als „Memoriale“ ausgewiesenen Handschriften handelt es sich um ‚Pflegermemoriale‘ und nicht - wie verschiedentlich angenommen - um das ‚Kleine deutsche Memorial‘ (vgl. Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 121), wie die von Schmidt gegebene Inhaltsangabe eindeutig erschließen läßt: „Es [das Memorial] enthält, ausser der Erzählung von dem Ursprung des Grünen- Wörths [...] und den darauf bezüglichen Urkunden, das Büchlein Merswin’s von den vier Jahren seines anfangenden Lebens, und dasjenige des Nicolaus von Basel von den fünf Mannen“ (Carl Schmidt, Die Gottesfreunde im vierzehnten Jahrhundert, S. 5f.). Während aus Schmidts Provenienz- und Inhaltsangabe (ibid., S. 6) hervorgeht, daß die ehemals dem Straßburger Margaretenkloster gehörende Handschrift „in 4°, aus dem XVII. Jahrhundert“ (ibid.) mit dem Exemplar der ‚Erweiterten Pflegermemoriale‘ identisch ist, welches in den Archives départementales (H 2190, vgl. Sigle F) ver- Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 148 grund seiner Datierung der Berliner Handschrift in das Jahr 1435 eine Identifizierung mit der bei Schmidt beschriebenen Handschrift noch ablehnen mußte, 188 erscheint sie durch den nunmehr angenommenen Entstehungszeitraum am Ende des 14. Jahrhunderts (vgl. Datierung) durchaus plausibel. Pfeiffer hätte die Handschrift somit von Gross zwischen 1839 und 1844 erworben, um sie Grieshaber zu schenken, erhielt sie aber vor 1866 zurück und vermachte sie anscheinend der Berliner Staatsbibliothek, da sich im übrigen nur deren Besitzvermerke finden (Stempel auf Bl. 1 r und 61 v ; „Ex Bibliothek. Regia Berolinensi“ auf Bl. 1 r ). D ATIERUNG : Strauch korrigiert Pfeiffers 189 und Rieders 190 Datierung auf das Jahr 1437 mit Hilfe eines (in roter Tinte geschriebenen) Eintrags auf dem letzten Blatt der Handschrift: anno domini 1435. 191 Die Notiz findet sich jedoch auf einem nachträglich eingeklebten Doppelblatt (Bl. 61/ 62), dessen Inhalt - die Geschichte der Stiftung der Jakobsmesse durch Heinrich Blankhart von Löwen - nicht in dem auf Bl. 4 r -6 r angelegten Inhaltsverzeichnis aufgeführt wird. Da der Bericht über die Stiftung zudem von anderer Hand geschrieben wurde als der Haupttext und Bl. 60 v - das Ende der fünften Lage - keinen Reklamanten aufweist, scheint es sich bei dem datierten Abschnitt um einen Nachtrag zu handeln. Aufgrund einer paläographischen Untersuchung durch Karin Schneider ist davon auszugehen, daß der wahrt wird, sind die beiden anderen von Schmidt verzeichneten Codices verloren. Die 1839 lediglich erwähnte, „etwas später[ ] [als d entstandene] Abschrift“ des ‚Pflegermemorials‘ (ders., Ueber den wahren Verfasser, S. 65) wird von Strauch mit der Handschrift C 831 fol. gleichgesetzt (Rezension zu Rieder, S. 111), welche Schmidt 1841 für die Lebensskizze Merswins in ‚Johannes Tauler von Straßburg‘ (S. 177, Anm. 1) auswertete: „Das, was im Folgenden ber die ußeren Lebensumst nde Rulman’s berichtet ist, ist genommen aus einem MS. der Straßb. Biblioth., betitelt: Memoriale des Johanniterhauses zum grünen Wörth, von dem Leben des Stifters (fol. n o . C, 831, Anfang des XV. Jahrh.).“ Der zweite nicht erhaltene Codex, eine „auf Pergament, in 4°, kurz nach Rulman Merswin’s Tod verfertigt[e]“ Handschrift der Straßburger Bibliothek (Carl Schmidt, Die Gottesfreunde im vierzehnten Jahrhundert, S. 6), ist wohl „ein und dieselbe mit dem von Strobel, Vaterl. geschichte 1, 401, Rathgeber, die hs.lichen schätze der früheren Strassburger stadtbibl. s. 49 citierten“ Codex (Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 111). Leider machen weder Strobel noch Rathgeber genauere Angaben zu der 1870 verbrannten Handschrift. Verdeutlicht Strobels Beschreibung seiner Quelle - „Manuskript, 60 Bl. 4° auf Pergament, betitelt: Dis ist der drie memoriale eins, wie das closter zu dem grünen werde von alter ist harkummen u sancte Johans orden gegeben worden“ (Adam W. Strobel, Vaterländische Geschichte des Elsasses von der frühesten Zeit bis zur Revolution 1789 / nach Quellen bearbeitet von Adam Walther Strobel, Professor am Gymnasium zu Straßburg, fortgesetzt von der Revolution 1789 bis 1815, von Dr. L. Heinrich Engelhardt, Professor der Geschichte an demselben Gymnasium, 2. Ausgabe, 6 Bde, Straßburg 1851 [Mikrofiche-Ausg.], Bd. 1, S. 401, Anm. 1) -, daß es sich um ein d sehr ähnliches, weiteres ‚Original‘ der Pflegerhandschriften gehandelt haben muß, scheint Rathgeber allein durch Strobel und Schmidt von der Handschrift Kenntnis zu haben und identifiziert sie so auch irrtümlich mit dem ‚Kleinen deutschen Memorial‘: „Das k l e i n e M e m o r i a l war ein Pergamentcodex von 60 Blättern 4°, betitelt: Dis ist der drier memoriale eins, wie das closter zu dem grünen werde von alter ist herkummen unn sancte Johans orden geben worden (Cf. U. W. Strobel: Vaterländische Geschichte I p. 401)“ (Julius Rathgeber, Die handschriftlichen Schätze der früheren Straßburger Bibliothek, S. 49). 188 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 111. 189 Freiburg, Universitätsbibliothek, Hs. 470, nach dem Spiegelblatt eingeklebter Begleitbrief Franz Pfeiffers an Karl Grieshaber. 190 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. XVIII. 191 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 110. ‚Pflegermemorial‘ (d) 149 Hauptbestandteil der Handschrift am Ende des 14. Jahrhunderts entstanden ist. 192 Diese Datierung stimmt mit derjenigen überein, die man durch die in der Handschrift erwähnten Ereignisse erstellen kann. Die erste ‚Materie‘, die ‚Gründungsgeschichte‘ des ‚Grünen Wörth‘, schildert in ihrem ersten und dreizehnten Kapitel die näheren Umstände des Todes Rulman Merswins und liefert so mit dem Jahr 1382 einen terminus post quem für die Niederschrift des Manuskripts; weiterhin ist durch die Aufnahme des Pflegereids eine Genese vor dem 23. Juni 1393, dem Datum der urkundlichen Festlegung des Eids, nicht möglich. Als terminus ante quem kann die Übergabe des ‚Meistermemorials‘ an Hesse Schlegelholtz im Jahr 1399 gelten (s. Verhältnis zu anderen Handschriften). V ERHÄLTNIS ZU ANDEREN H ANDSCHRIFTEN : Die vorliegende Handschrift ist eines der drei ‚Pflegermemoriale‘, d.h. ein Exemplar jener Handschriften, die für die drei weltlichen Verwalter des ‚Grünen Wörth‘ aus Stiftungsgeldern (Bl. 4 r ; Rieder 1905, S. 161*5-12) 193 erstellt wurden, damit die Johanniterkomturei sie ihnen leihweise bis zu ihrem Tod überlassen konnte: Vnd sol ir iegelicher súnderliche eins bi ime haben in sinre gewalt z eime angedenckigem memoriale, alse lange er lebet vnd pfleger ist [...] mit solicher gedinge: alse dicke der selben drier weltlichen pfleger einre abget vnd stirbet, so sollent die berigen zwene uf ire consciencie vnd in irme e de des selben abegestorbenen pflegers memoriale b ch von sinen erben vordern vnd schaffen, das es sime nochkummen werde, der an siner stat geúrsohsset vnd z pfleger [4 v ] gekosen wurt, Durch das die drie weltlichen pflegere vnd alle ire nochkummen n vnd harnach ewikliche deste me minne hant pfleger z sinde vnd sich deste gerner bent durch aller der vorgenantem l belicher patronen willen, das selbe ir hus z dem Gr nenwerde z hanthabende noch des briefes lute vnd sage, den s von dem orden dar ber hant vnd hie noch in dem sehsten capitele der ern werunge geschriben stot (d, Bl. 4 rv ; Rieder 1905, S. 161*3-5, 12-24). [Und jeder von ihnen soll ein besonderes bei ihm haben in seinem Besitz zu einer nachdrücklichen Vergewisserung der Geschichte, solange er lebt und Pfleger ist [...], mit solcher Bedingung: Jedesmal, wenn einer derselben drei Pfleger abgeht und stirbt, so sollen die übrigen zwei bei ihrem Gewissen und ihrem Eid das Memorialbuch des verstorbenen Pflegers von seinen Erben fordern und bewirken, daß es seinem Nachfolger zukomme, der an seiner Stelle ausgesucht und zum Pfleger gewählt wurde, damit die drei laikalen Pfleger und alle ihre Nachfolger, jetzt und von nun an ewig, um so mehr Freude haben, Pfleger zu sein, und sich wegen des Willens all’ der vorgenannten, lobenswerten Patrone um so lieber anstrengen, dasselbe Haus zu dem ‚Grünen Wörth‘ zu erhalten nach den Bestimmungen des Briefes, den sie vom Orden darüber erhalten haben und hier nach in dem sechsten Kapitel der Erneuerung [gemeint ist die ‚Gründungsgeschichte‘ der erneuten Stiftung Merswins] geschrieben ist.] Jedes der drei ‚Pflegermemoriale‘ enthält dabei alle[ ] materien, die aller notdurftigest sint z wissende den drien weltlichen pflegern des vorgenanten huses z dem Gr nenwerde vnd die aller meist gez gnisse vnd vrkúnde gent der grossen, gnodenrichen wurdikeit des selben huses (Bl. 4 r ; 192 Karin Schneider sei für ihre freundliche Hilfe und Unterstützung herzlich gedankt. 193 Die als Referenz zitierte Ausgabe Rieders beruht nicht auf der vorliegenden Handschrift, sondern auf einer Abschrift des 15. Jahrhunderts (D); die entsprechenden Verweise werden trotzdem angegeben, um den Kontext der Zitate auch ohne Kenntnis der Handschrift bekannt zu machen. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 150 Rieder 1905, S. 160*33-161*3). Vergleicht man d mit einer späteren Abschrift (D) und den in der Zusammenfassung Goetzmanns genannten Elementen des ‚Pflegermemorials‘, wird deutlich, daß die drei Exemplare neben drei Hauptbestandteilen - der ‚Gründungsgeschichte‘ und den ‚Viten‘ der beiden Stifter - mit weiteren Materien versehen waren, die in den verschiedenen Exemplaren variieren konnten. Dem Titel und Inhaltsverzeichnis der beiden Handschriften d und D sind die Bemerkungen zum ‚Meistermemorial‘ und das ihm entnommene Gedicht auf den ‚Grünen Wörth‘ vorgeschaltet. Auch die folgenden 27 Kapitel stimmen in den beiden Handschriften überein; Abweichungen ergeben sich erst in der Positionierung des ersten und letzten Elements der Handschrift: Die Bemerkungen zum ‚Pflegereid‘, die d vorangeschickt sind, bringt D erst als 29. Kapitel, die Vorgeschichte der Jakobsmesse folgt hier - ebenso wie im Berliner Codex - als Nachtrag ohne Kapitelnumerierung. Darüber hinaus bietet D zusätzliche, in d nicht tradierte Elemente, die die Geschichte des ‚Grünen Wörth‘ betreffen. Alle Texte - sowohl der den Exemplaren gemeinsame Kern als auch die variierenden Zusätze - sind genommen usser den drin vrkunde b chern, die z t tsch vnd zu latine in dem selben h se zu dem gr nenwerde sint (Bl. 4 r ; Rieder 1905, S. 160*28-30), d.h., die ‚Pflegermemoriale‘ sind erst nach diesen entstanden. Auch die Teilung des ersten Urkundenbuchs ist bereits vollzogen, als die ‚Pflegermemoriale‘ geschrieben werden, da sie in ihrem 27. Kapitel über die beiden ‚übriggebliebenen Lateinbücher‘ berichten. Gleichlautend mit diesen ‚Pflegermemorialen‘ scheint ein ‚Meistermemorial‘ existiert zu haben, 194 das dem obersten Meister des Johanniterordens in Deutschland übergeben wurde - wie aus den Bemerkungen in den ‚Pflegermemorialen‘ hervorgeht (d, Bl. 2 r -3 r ; D, Bl. 2 r -4 v ; vgl. auch B, Bl. 41 r ; Rieder 1905, S. 159*9-160*4, 116*39-117*33), welche die einleitende Rubrik des ‚Meistermemoriales‘ kopieren und so auch dessen Funktion umreißen: D iser dr er Memoriale b cher het der berste meister in tútschen landen sancte Johans ordens ouch eines, vnd ist das vierde, glich sprechende in allen worten vnd materien diseme gegenwertigeme b che vnd den ander zweygen sinen glichen, die den drien weltlichen pflegern z gehorent, wanne das die erste vorgonde (meister seit durchgestrichen) rubricke eine andere forme het vnde dem obersten meister seit, alse hie nach z aller nehest alsus die ordenunge geschriben stot. D is memoriale b ch ist vnd sol sin eins iegelichen bersten meisters vnd priorates in t tschen landen sancte Johans ordens, welre es denne ie z ziten wurt vnd das Meister ampt besitzen vnd Regieren sol, n vnd har nach ewikliche, wanne es ist ein exemplar vnd eine abegeschrift eygentliche von worte z worte des memoriales der dryer weltlichen pflegere, alse ir jegelicher besunder eins hat in siner gewalt [...], kúrtzliche genommen usser den dryen vrkunde b chern, die zu latine vnd zu t tsche in dem selben h se zum Gr nenwerde sint [...]. vnd dis gegenwertige b ch vnd der driger weltlicher pflegere b cher concordierent vnd hellent glich mitteinander in aller materien, die aller notdurftigest sint z wissende eime bersten meister vnd den drien weltlichen pflegeren vnd die aller meist gezúgnisse vnd vrkunde gent der grossen, gnodenrichen wirdikeit des selben huses zum Grunenewerde. [... 2 v ...] vnd sunderliche, das ein iegelicher meister, n vnd harnach ewikliche, durch dis gegenwertige b ch vermanet werde, wes sich der orden verbunden vnd versprochen het gegen den drien weltlichen pflegern von des selben Gr nenwerdes wegen, vnd 194 Zum ‚Meistermemorial‘ siehe auch: C[arl] Schmidt, Der den Ordensmeistern in Deutschland übergebene Codex des Memorials des Strassburger Johanniterhauses, in: Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit N.F. 5 (1858), Sp. 375f., 415-417. ‚Pflegermemorial‘ (d) 151 das er ouch deste me truwen vnd gnaden dar z gewinne, so er in den materien mercket vnd verstot die gnodenriche almehtikeit der patronen vnd der stifter heilig leben [...]. So sollent die drie weltlichen pflegere, die denne z ziten sint, alse dicke ein núwer meister in tútschen landen sancte iohans ordens gesetzet wurt, ime verkúnden vnd in manen mit briefen oder in anderre wise [...], das er das selbe Memoriale b ch vordere vnd z ime nemme von des abegestorbenen meisters, sines vorfarnen, gesinde oder usrihter aller sinen sachen. [... 3 r ...] do durch ouch der orden vnd die drie weltlichen pflegere ewikliche in deste fridesammer eim tikeit vnd frúntschaft mitteinander blibent, das sú ietweder site einander deste minre getrengen mogent mit keinre vnredelicher ansproche oder vnzimelicher vorderunge in zanckender, zeffelnder wise, So s an sehent vnd in disen glichsprechenden memoriale b chern geschriben vindent den vnderscheit aller beredunge, wie es got vnd sine fr nt vnd vnser vordern in den ersten alten ziten in aller ordenunge so gar us grosser, gewarsammer f rsihtikeit gestiftet vnd erhebet hant vs rote des heiligen geistes, alse alle dise nochgeschribene materien gar merglich wisent vnd sagent (d, Bl. 2 r -3 r ; Rieder 1905, S. 159*9-14; 116*39-117*8; 117*12-16; 117*23-33; 159*23-160*1). [Der oberste Meister der Johanniter in deutschen Landen hat auch ein den drei Memorialen [entsprechendes] Buch, das vierte, das in allen Worten und Materien mit dem vorliegenden Buch und den beiden anderen, ihm entsprechenden, welche den drei weltlichen Pflegern bestimmt sind, übereinstimmt, außer daß die vorangehende Rubrik eine andere Gestalt hat und dem Meister die Ordnung mitteilt, die unmittelbar hier nach geschrieben steht: Dieses Memorial gehört und soll gehören jedem obersten Meister und Prior der Johanniter in deutschen Landen, wer es jemals wird und das Meisteramt einnehmen und ausüben wird, jetzt und in Ewigkeit; denn es ist ein Exemplar und eine wörtliche Abschrift des Memorials der drei weltlichen Pfleger, so wie jeder von ihnen ein gesondertes zu seiner Verfügung hat [...], kürzlich aus den drei Urkundenbüchern genommen, die in demselben Haus zum ‚Grünen Wörth‘ auf Latein und auf Deutsch vorliegen. [...] Und dieses vorliegende Buch und die Bücher der drei weltlichen Pfleger stimmen überein und sind gleichlautend in allen Materien, welche für den obersten Meister und die drei weltlichen Pfleger am notwendigsten zu wissen sind und welche die meisten Zeugnisse und Urkunden des großen, gnadenreichen Rangs desselben Hauses zu dem ‚Grünen Wörth‘ geben. [...] und besonders damit jeder Meister, jetzt und in Ewigkeit, durch dieses vorliegende Buch daran erinnert werde, wozu sich der Orden verpflichtet und was er den drei weltlichen Pflegern in bezug auf den ‚Grünen Wörth‘ versprochen hat, und damit er auch um so mehr Treue und Gunst hierzu empfinde, wenn er anhand der Materien die gnadenreiche Allmacht der Patrone und das heilige Leben der Stifter bemerkt und versteht [...]. Daher sollen die drei amtierenden weltlichen Pfleger, sobald ein neuer Meister der Johanniter in deutschen Landen eingesetzt wird, ihm verkünden und ihn in Briefen und auf andere Weise ermahnen [...], daß er dasselbe Memorial fordere und an sich nehme von des verstorbenen Meisters, seines Vorgängers, Dienerschaft oder dem Verwalter aller seiner Sachen. [...] Wodurch auch der Orden und die drei weltlichen Pfleger in Ewigkeit in um so friedlicherer Einmütigkeit und Freundschaft zueinander bleiben sollen, daß sie einander um so weniger bedrängen können mit einem unredlichen Anspruch oder einer unziemlichen Forderung in zänkischer Weise, wenn sie bedenken und in diesen gleichlautenden Memorialen geschrieben finden die genaue Erläuterung aller Verabredungen, wie es Gott und seine Freunde und unsere Vorgänger in den ersten, alten Zeiten in aller Ordnung aus großer, sorgsamer Voraussicht gestiftet und gegründet haben auf den Rat des Heiligen Geistes hin, wie alle folgenden Materien deutlich ausweisen und sagen.] Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 152 Das ‚Briefbuch‘ enthält auf Bl. 82 rv (Rieder 1905, S. 155*31-156*25) eine Abschrift des Dedikationsschreibens zum ‚Meistermemorial‘, das Rückschlüsse auf die Datierung erlaubt. Der Codex wird Hesse Schlegelholtz zu dessen Amtsantritt als Johannitermeister der deutschen Provinz übergeben: Die selbe meinunge vnd ordenunge wir úch och hie sendent in eime sundern b che, das wir uch schenkent z vwer nuwen herschaft vnd wurdikeit, vmb das ir vnd alle vwere noch komen ch die gelegenheit wissent vnd minne dar z gewinnent in getruwer versorgunge vnd in ewiger steter kundsam (B, Bl. 82 r ; Rieder 1905, S. 156*12-16). Hesse Schlegelholtz wird 1399 zum ersten Mal urkundlich als meister in allen dútschen landen erwähnt, 195 d.h., das ‚Meistermemorial‘ ist vor diesem Zeitpunkt entstanden. Da die ‚Pflegermemoriale‘ darauf veweisen, daß das ‚Meistermemorial‘ ein exemplar vnd ein abgeschrift eygentliche von worte z worte des memoriales der dryer weltlichen pflegere sei (d, Bl. 2 r ), zugleich jedoch Teile desselben in Abschrift enthalten (s.o.), ist von einer gleichzeitigen Genese der vier Codices auszugehen, die in ihrem Grundbestand identische Abschriften eines ersten ‚Pflegermemorials‘ waren und nur mit je spezifischen Vorreden und einer individuellen Ausstattung versehen wurden. Die Erstellung der vier Handschriften müßte zwischen 1393 und 1399 erfolgt sein. Es bleibt offen, ob das ‚Meistermemorial‘ einen Vorläufer in einem Exemplar für Konrad von Braunsberg hatte - wie die Bemerkung wan der erste meister, her Cunrad von Brunsberg, ch ein memorial hette vnd haben wolte glich disem selben b ch (B, Bl. 82 r ; Rieder 1905, S. 156*18f.) suggeriert - und ob dieses als Vorlage für das neue ‚Meistermemorial‘ sowie die ‚Pflegermemoriale‘ diente. Auch das ‚Meistermemorial‘ enthielt neben den drei Hauptmaterien, die in ihm die Kapitel 1 bis 23 umfaßten, spezifische Zusätze, wie dem in das ‚Briefbuch‘ kopierten Inhaltsverzeichnis zu entnehmen ist (B, Bl. 41 v -42 v ; Rieder 1905, S. 117*39- 119*30): eine Rubrik zu Anfang der Handschrift erklärt ihre Bestimmung als Bericht über die segensreiche Geschichte der Stiftung und die Bitte, diese durch die Unterstützung des Meisters fortzusetzen (vgl. Abschriften in d, Bl. 2 r -3 r ; D, Bl. 2 r -4 v ; B, Bl. 41 rv ; Rieder 1905, S. 159*9-160*4, 116*39-117*33). Am Schluß des Memorials schließt sich als 24. Kapitel die auch im ‚Großen deutschen Memorial‘ (A, Bl. 6 v ), den ‚Pflegermemorialen‘ (d, Bl. 53 rv ; D, Bl. 97 v -98 v ) und den ‚Erweiterten Pflegermemorialen‘ (E, Bl. 105 r -106 v ; F, Bl. 80 rv ) enthaltene Bestätigungsurkunde Konrads von Braunsberg über die drei Urkundenbücher (Rieder 1905, S. 15*4-16*10) sowie ein als Nachtrag ins ‚Briefbuch‘ kopiertes Gedicht an (B, Bl. 11 v ; Rieder 1905, S. 72*16-32). Während der uns bekannte Inhalt des ‚Meistermemorials‘ somit weitgehend dem der ‚Pflegermemoriale‘ entspricht, war seine Ausstattung weitaus prächtiger; es enthielt zahlreiche Bildseiten, die von Gedichten begleitet wurden, die im ‚Briefbuch‘ angeführt sind (B, Bl. 73 rv ; Rieder 1905, S. 151*12-153*26). 195 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 64. ‚Pflegermemorial‘ (Abschrift des 15. Jahrhunderts; D) 153 D ‚Pflegermemorial‘ (Abschrift des 15. Jahrhunderts) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 1383 B ESCHREIBUNG : Rieder 1905, S. 27-33; Alfons Semler, Handschriftliche Beschreibung für das Handschriftenarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (3 Bll.; 1916). B ESCHREIBSTOFF : Papier mit zwei Wasserzeichen, deren Höhe nicht eindeutig zu bestimmen ist, da sie in der Falz liegen: Bis auf die letzten beiden Lagen findet sich ein gebrochenes, zweikonturiges P, darüber Stange mit vierblättrigem Kleeblatt (ähnlich Piccard-Online Wasserzeichensammlung Nr. 110943: Xanten 1482); in der zehnten und elften Lage ist eine Variante dieses Zeichens zu erkennen, die einen Querstrich unter dem Schaft zeigt (ähnlich Piccard-Online Wasserzeichensammlung Nr. 113189: Metz [erschlossen] 1498; Briquet Nr. 8675: Braunschweig 1496; Colmar 1496-1505). 196 B LATTZAHL / A NZAHL UND A RT DER L AGEN : Die Handschrift zählt in der modernen, arabischen Foliierung 130 Bll. Die ursprüngliche, in roten römischen Ziffern vorgenommene Blattzählung in der Mitte des oberen Seitenrandes zählt 132 Bll., da sie das Spiegelblatt am Anfang und Ende der Handschrift ebenfalls numeriert und so die Lagenstruktur wiedergibt: 11 VI 130 + II; rot umrahmte Reklamanten finden sich am unteren rechten Rand der letzten Versoseite jeder Lage. B LATTGRÖSSE / S CHRIFTRAUM : Der Codex mißt 14,2-14,5 x 21,3-21,5 cm, der Schriftraum 7,4-8 x 14,5-15 cm, dem entsprechen durchgehend 24 Zeilen ohne Liniierung. S CHRIFTTYP / S CHREIBER / H ÄNDE / G RAPHIE : Durch einen Schriftvergleich mit dem Libell von Herrn Comenthúren Amandi geschrieben (Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 1363 7 ), in dem sich Schmalriem auf Bl. 1 r als Schreiber nennt, kann Johannes Amandus Schmalriem, der von 1439 197 bis zu seinem Tod am 24. September 1467 Komtur der Straßburger Johanniter war, als Schreiber des Codexes erwiesen werden. Im Anniversar der Johanniter ist über ihn vermerkt: 1467 O frater Johannes amandus Commendator huius domus 1467 [...] de quo cedunt domui annuatim quatuor plaustra vini jn morszmúnster Qui et alia multa bona huic domui fecit in varij structuris (Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752, Bl. 45 r ). 198 Neben 196 Die Tatsache, daß die beiden in D verwendeten Wasserzeichen bei Piccard nicht nachweisbar sind, könnte damit erklärt werden, daß 73 % des Papiers, das zwischen 1451 und 1500 in Straßburg verwendet wurde, aus dem Raum Burgund / Lothringen kam, dessen Papiermacher Wasserzeichen des Typs ‚Buchstabe P‘ bevorzugten; Piccard verzeichnet lothringisches Papier mit diesem Buchstaben jedoch erst ab 1470/ 71; vgl. Maria Zaar-Görgens, Champagne - Bar-Lothringen. Papierproduktion und Papierabsatz vom 14. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, Trier 2004 (Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte 3), S. 151. 197 Vgl. Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 1354 8a : Bestätigung der Wahl Schmalriems zum Komtur durch den Johannitermeister in deutschen Landen, Hugo von Montfort, von 1439. 198 Vgl. auch die Beschreibung der Kommende vor ihrem Abbruch 1633 (Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 1408, S. 11): Item ein steinerer sarch ad sepulchrum commendatoris Amandi gemacht mit 10 fl. (1467) (Jean Rott, La commanderie Saint-Jean en l’Ile-verte à Strasbourg et ses trésors artistiques avant 1633, in: Cahiers alsaciens d’Archéologie, d’Art et d’Histoire 32 [1989], S. 239-256, hier S. 244). Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 154 dem unmittelbaren finanziellen Nutzen, den der Eintritt eines Sohnes einer wohlhabenden Straßburger Patrizierfamilie 199 in den ‚Grünen Wörth‘ mit sich bringt - seine Mutter, Elisabeth von Uttenheim, Witwe des Nicolas Gürteler Schmalriem, vermacht der Johanniterkomturei in ihrem Testament von 1428 die Hälfte ihres Grundbesitzes 200 und auch Amandus selbst stiftet bei seinem Eintritt in den Orden zahlreiche Grundstücke 201 - neben diesem unmittelbaren, materiellen Gewinn sind die multa bona, auf die das ‚Necrologium‘ des ‚Grünen Wörth‘ anspielt, vor allem in Schmalriems beinahe dreißigjähriger Amtszeit als Komtur zu suchen: Darum bemüht, die geistlichen, finanziellen und rechtlichen Privilegien sowie den Besitz des Johanniterhauses zu dokumentieren, richtet Amandus mehrere Bestätigungsgesuche an den Heiligen Stuhl, 202 initiiert mit Rechnungsbüchern und Besitzverzeichnissen ein umfangreiches Verwaltungsschrifttum 203 und stellt schließlich in dem erwähnten Libell nicht nur die Einkünfte des ‚Grünen Wörth‘ eigenhändig zusammen, sondern legt auch über seine administrative Tätigkeit Rechenschaft ab. Außer einem 1870 verbrannten Tractatus de mysterio miss collectus a Joh. Amandi commendatore domus Viridis 204 scheint sich Schmalriems Schreibtätigkeit so allein auf die detaillierte Dokumentation der Rechte und Pflichten der Komturei beschränkt zu haben. An den Seitenrändern der Handschrift finden sich Notizen von zwei weiteren Schreibern: In roter Tinte werden auf Bl. 8 rv und 82 r von der ersten Nachtragshand Die fúnff man ausgewiesen bzw. der Beginn des vierten Kapitels dieses Textes markiert, welches Von dem Juden so Christen worden berichtet. Dieselbe Hand fügt auf Bl. 5 r neben die Inhaltsangabe des ‚Pflegermemorials‘ an: Der tittel diß búchs. Die zweite glossierende Hand, welche - abgesehen von Rubrizierungen einiger Anfangsbuchstaben und Unterstreichungen - durchgehend schwarze Tinte benutzt, leitet offensichtlich ein biographisches Interesse: Autoren, handelnde Personen sowie der Zeitpunkt des Geschehens werden im Text in Rot unterstrichen und am Rand vermerkt: Die Frucht einer Lektüre, deren Aufmerksamkeit auf Tauler, 205 Rulman Merswin 206 und den Gottesfreund aus dem Oberland 207 gerichtet ist, wird von derselben Hand auf einem eingelegten Papierstreifen (Abb. 22) zusammengefaßt, auf dessen Rectoseite zu lesen ist (Abb. 22a): 199 Francis Rapp, Réformes et Réformation à Strasbourg. Église et Société dans le Diocèse de Strasbourg (1450-1525), Paris 1974, S. 328f. 200 Marguerite Jouanny, Les Hospitaliers en Basse-Alsace de 1217 à 1529, suivi du Nécrologe de la Commanderie de St. Jean à Strasbourg, Manuskript der Dissertation der Ecole Nationale des Chartes, Paris 1931, S. 168. Vgl. auch den Eintrag im ‚Anniversar‘ der Straßburger Johanniter (Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752, Bl. 25 v ): O. Eilsa gúrtelerin relicta Nicolai smalriem que dedit Redditum vnius liber Et alias dedit nobis in valore plusquam cccc librarum. Sowie unter dem 3. Juli (ibid., Bl. 31 r ): Peragetur anniersarium [sic! ] Nicolai dicti smalriem Eilse gúrtelerin eius relicte ac progenitorum et liberorum eorundem qui dederunt nobis vnam kasulam et duas tunicas dalmaticas de aureo panno cum margaritis ornatas et vnum calicem pretiosum omnia simul in vnum computata sunt in valore centum et viginti florenorum. 201 Vgl. Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 1384. 202 Marguerite Jouanny, Les Hospitaliers en Basse Alsace, S. 183-186. 203 Ibid., S. 168-179, 192-196. 204 Philippe André Grandidier, Nouvelles uvres inédites. Publiées sous les auspices de la Societé industrielle de Mulhouse, [hg. von A. M. P. Ingold], 5 Bde, Colmar 1897-1900, Bd. 5: Ordres Militaires et mélanges historiques (Strasbourg), Colmar 1900, S. 42. 205 Auf Bl. 44 r wird die Erwähnung br der Johans tauweler[s] de[s] prediger[s] als Beichtvater Merswins unterstrichen und am Rand D. Johannes Tauler vermerkt; in der Parenthese zum ‚b ch von den zwey menschen‘ auf Bl. 55 v / 56 r wird der Verweis auf D. Taulers histori ebenso hervorgehoben. 206 Das 13. Kapitel der ‚Gründungsgeschichte‘ wird als Rúlman Merschweins leben (Bl. 39 r ), das ‚b ch von den vier ioren‘ als Rúlman Merschweins bekorung (Bl. 42 r ) bezeichnet. 207 Auf Bl. 26 v und 29 v werden Anfang und Ende des Brieff[s] des heimlichen frúndt in Oberland markiert, die Erwähnung des menschen in berlanden im ‚b ch von den vier ioren‘ durch Unterstreichung und Randnotiz auf Bl. 55 r hervorgehoben. ‚Pflegermemorial‘ (Abschrift des 15. Jahrhunderts; D) 155 S: Dominic et Fransiscus 1220. S: Elisabeth [? ] anno 1226. Rulman merswin 1382 (175 Jar) 1557. D. Johann Thaúler 1340. Der man im oberland, 30 ma(y)l von Montz, das were 8 me l ab Strassburg, Colmar, Kaisersperg Auf der Versoseite (Abb. 22b) ist vermerkt: Festum corpus Christi instituit 1261. Die Graphie der Haupthand folgt in weiten Teilen der aus den anderen Handschriften ableitbaren Schreibtradition des ‚Grünen Wörth‘ (Verwendung des Schaft-< > und der geschwänzten Form des < >, Einsatz des <v> für / u/ in den Lexemen vnd, vnder, vff, vß, vrsprung, trotz der dominant konsonantischen Interpretation, Verwendung der diakritischen Zeichen < >, < >, < > und <ú>), weist jedoch eine Besonderheit auf: Neben <i> als Graphem für den hellen, kurzen Vokal tritt <y>, das als Zeichen für / i/ und, jedoch deutlich seltener, / j/ verwendet wird (lyt, by, sy, nyemer, ye). E INRICHTUNG / B UCHSCHMUCK : Die Handschrift nutzt ausschließlich die Mittel der Rubrizierung zur Textstrukturierung: Neben dem Gedicht auf den ‚Grünen Wörth‘ (Bl. 4 v / 5 r ) und dem Titel der Handschrift (Bl. 5 r -6 r ) sind die Kapitelüberschriften in roter Tinte geschrieben, der Anfang jedes Kapitels ist darüber hinaus durch einen roten Versal (Buchstabe I) oder durch eine zweizeilige rote Lombarde (alle anderen Buchstaben) markiert. 208 Beide Formen der Auszeichnung verzieren ihre Buchstaben durch Schaftaussparungen und Punktverdickungen, die vereinzelt in schlichten Silhouettenmotiven auslaufen. Eine schnelle Orientierung innerhalb der Handschrift soll zudem durch die Einrichtung eines Inhaltsverzeichnisses (Bl. 6 r -9 r ) gewährleistet werden, welches die Nummern der Kapitel in roten römischen Ziffern am linken Seitenrand ausweist. Auch die syntaktische Gliederung ist ohne Interpunktionszeichen, nur durch rote Durchstrichelung der Buchstaben gekennzeichnet. E INBAND : Als Einband dient ein Pergamentblatt, zur Verstärkung ist das erste und letzte Blatt der Handschrift auf das Pergament geklebt. Auf der vorderen Außenseite (Abb. 21) steht in roter Schrift von der Texthand: Closter z m Gr nenwerde, darunter in schwarzer Tinte von der Hand des Custos Goetzmann (vgl. Sigle G): Vrsprung | vnd Fundation des hausßes | z m Grünenwerth. 208 Allein der Beginn der Handschrift (Bl. 1 r ) ist durch eine dreizeilige Initiale hervorgehoben. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 156 I NHALT209 I. Vorbemerkungen 1. 1 r -2 r Gründung des ‚Grünen Wörth‘ durch Werner von Hüneburg Ausgabe: Rieder 1905, S. 158*-159*7. 2. 2 r -4 v Bemerkungen zum ‚Meistermemorial‘ Inhaltsangabe: vgl. Handschrift d (Bl. 2 r -3 r ). Ausgabe: Rieder 1905, S. 159*8-160*4 und 116*39-117*33. 3. 4 v -5 r Gedicht auf den ‚Grünen Wörth‘ Ausgabe: Rieder 1905, S. 160*5-24. II. Einleitung zur Handschrift 1. 5 r -6 r Titel der Handschrift Ausgabe: Rieder 1905, S. 160*25-161*28. 2. 6 r -9 r Inhaltsverzeichnis Ausgabe: Rieder 1905, S. 161*29-163*39. III. Hauptteil 1. 9 r -42 r 1. materie (Kap. 1-13): ‚Gründungsgeschichte‘ des ‚Grünen Wörth‘ Inhaltsangabe: vgl. Handschrift d (Bl. 6 v -24 r ). Ausgabe: Schmidt 1854, S. 34-54; Rieder 1905, S. 164*-181*27, 211*6-213*16, 181*28-190* (nach Schmidt 1854 [vgl. Rieder, S. 164* Vorbem.]). 2. 42 r -59 v 2. materie (Kap. 14-16): ‚b ch von den vier ioren sines anevohenden lebendes‘ mit zwei Parenthesen im 16. Kapitel zum ‚b ch von den nún veilsen‘ und zum ‚b ch von den zwey menschen‘ Inhaltsangabe: Steer, III 1. Ausgabe: Rieder 1905, S. 191*-198* (linke Spalte); nach B, Bl. 33 r - 40 v : Schmidt 1854, S. 54-76; Strauch 1927b (ATB 23), S. 1-27. 209 Es wird darauf verzichtet, die Kapitelüberschriften, Incipits und Explicits der Handschrift anzugeben, da Rieders Ausgabe des ‚Pflegermemorials‘ eine Abschrift der vorliegenden Handschrift bietet und die Textfassungen der Handschrift im 3. Untersuchungsteil detailliert analysiert werden. ‚Pflegermemorial‘ (Abschrift des 15. Jahrhunderts; D) 157 3. 60 r -97 r 3. materie (Kap. 17-23): ‚b ch von den fúnf mannen‘ Inhaltsangabe: Steer, IV 2. Ausgabe: Rieder 1905, S. 199*-207* (linke Spalte); nach B, Bl. 4 r - 11 r : Schmidt 1854, S. 79-119; Schmidt 1866, S. 102-138; Strauch 1927b (ATB 23), S. 28-82. 4. 97 v -98 v Kapitel 24: Urkundliche Beglaubigung der drei Urkundenbücher durch den Johannitermeister in deutschen Landen, Konrad von Braunsberg Ausgabe: Rieder 1905, S. 15*4-16*10 (nach A, Bl. 6 v ). 5. 98 v -105 v Kapitel 25: Komtur Heinrich von Wolfach bestätigt die Stiftung der Jakobsmesse (Übersetzung der Urkunden vom 24. September und 14. Oktober 1372) Ausgabe: Rieder 1905, S. 207*6-13 (Auszug). 6. 105 v -108 r Kapitel 26: Brief der drei Pfleger der Jakobsmesse (Abschrift der Urkunde vom 4. April 1388), in dem sie ihr Amt an die drei Pfleger des ‚Grünen Wörth‘ übergeben Ausgabe: Rieder 1905, S. 207*14-25 (Auszug). 7. 108 r -112 v Kapitel 27: Bemerkungen über die zwei ‚übriggebliebenen Lateinbüchern‘ Ausgabe: Rieder 1905, S. 207*27-208*9 und 60*26-63*4 (nach C, Bl. 49 r -50 v ). 8. 112 v -113 v Kapitel 28: Tafel zur Ordnung der Jakobsmesse Inhaltsangabe: vgl. Handschrift A (Bl. 2 rv ). Ausgabe: Rieder 1905, S. 6*39-7*27 (nach A, Bl. 2 rv ). 9. 113 v -115 r Kapitel 29: Festlegung des Pflegereids vom 23. Juni 1393 Ausgabe: Rieder 1905, S. 125*29-126*23 (nach B, Bl. 46 v ). IV. Nachträge 1. 115 r -119 v [ohne Kapitelnumerierung] Vorgeschichte der Jakobsmesse Inhaltsangabe: vgl. Handschrift A (Bl. 1 r -2 r ). Ausgabe: Rieder 1905, S. 3*6-6*38 (nach A, Bl. 1 r -2 r ). Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 158 2. 119 v -120 v [ohne Kapitelnumerierung] Rechtfertigung für die Verwendung des gestifteten Geldes Ausgabe: Rieder 1905, S. 208*28-209*17. [Rest von Bl. 120 v unbeschrieben] 3. 121 r -122 r [ohne Kapitelnumerierung] Abschnitt aus dem Pflegerbrief von 1371 Ausgabe: Rieder 1905, S. 173*15-30, 33-37; 209*18-31. [Bl. 122 v -132 v unbeschrieben] D ATIERUNG : Es handelt sich um eine Abschrift eines der drei ‚Pflegermemoriale‘ aus dem 15. Jahrhundert, die vor dem Todestag Schmalriems (24. September 1467) fertiggestellt worden sein muß. V ERHÄLTNIS ZU ANDEREN H ANDSCHRIFTEN : Der Vergleich der vorliegenden Handschrift mit dem in der Berliner Staatsbibliothek bewahrten Exemplar des ‚Pflegermemorials‘ (vgl. Sigle d) konnte erweisen, daß der Johanniterkomtur Amandus Schmalriem seiner Abschrift ein anderes, nicht erhaltenes Manuskript zugrundelegte (s. die Ausführungen S. 150). Da die weitere Schreibtätigkeit Schmalriems verdeutlicht, daß er an der Geschichte des ‚Grünen Wörth‘ interessiert war, um bestehende Rechte wie auch Verpflichtungen der Komturei in der Tradition der Stiftung zu verankern, kann man jedoch nicht ausschließen, daß es sich bei den nicht im Inhaltsverzeichnis aufgeführten, auf die übliche Kapitelnumerierung verzichtenden ‚Nachträgen‘ auf Bl. 115 r -122 r um Ergänzungen Schmalriems handelt, deren Inhalt er aus seinem Studium der Manuskripte der Johanniterkomturei gewonnen haben mag. Aus der Beschriftung des Einbands durch Franz Josef Ignatius Goetzmann sowie der in der Handschrift des 18. Jahrhunderts gegebenen Inhaltsangabe des kopierten memorial- oder Vrkundenbuchs geht hervor, daß der Kustos D als Vorlage für Teile seines Codex benutzte (vgl. G: Geschichte der Handschrift/ Verhältnis zu anderen Handschriften, S. 189f., 194-197). ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; E) 159 E ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts) 210 Straßburg, Archives de la Ville et de la Communauté urbaine, Série II 54 (olim VDG 68; B 54) B ESCHREIBUNG : Rieder 1905, S. XVII, S. 64-68. B ESCHREIBSTOFF : Papier B LATTZAHL / A NZAHL UND A RT DER L AGEN : 156 Bll. und ein noch nicht aufgeschnittener Quaternio ergeben einen Gesamtumfang von 164 Bll.: 2 I 4 + III 10 + 18 IV 154 + I 156 + IV 164 . Ab dem Ternio sind die Lagen auf ihrer ersten Rectoseite mit in schwarzer Tinte geschriebenen Kustoden versehen, die Zählung beginnt bei 2 und endet mit 2i. Nachträglich wurde eine Foliierung eingefügt, die 153 Bll. zählt, da sie erst auf Bl. 4 beginnt und die letzte - unaufgeschnittene - Lage nicht in die Zählung einbezogen wird. B LATTGRÖSSE / S CHRIFTRAUM : 21,3 x 16,5 cm, der Schriftspiegel beträgt 17 x 12 cm, dem entsprechen 26 Zeilen ohne Liniierung. S CHRIFTTYP / S CHREIBER / H ÄNDE : Der Haupttext der Handschrift scheint von einer Hand geschrieben worden zu sein, die von Bl. 135 v bis 139 v und 152 r bis 153 r von zwei anderen Händen abgelöst wird. E INRICHTUNG / B UCHSCHMUCK : Die Handschrift ist sehr ordentlich geschrieben und klar strukturiert: Die einzelnen materien sind mit Überschriften in Bastarda versehen, zusätzlich zur Auszeichnungsschrift sind die Kapitelüberschriften trichterförmig angeordnet. Die Verwendung von Initialen ist deutlich hierarchisiert: Zu Beginn der jeweiligen materien (Bl. 2 r , 35 v , 59 rv ) wurden Schmuckinitialen verwendet, während die Initialen zu Beginn der einzelnen Kapitel schlichter gestaltet sind. E INBAND : Heller Einband mit zwei grünen Bändern als Schließen; vorne auf dem Einband Ni. Fundation des Johanniter haußes zum Grünen Wörth, dessen ordnung und gebräuche etc., am unteren Rand des Buchdeckels die alte Signatur des Stadtarchivs: VDG Corp A.G. 210 Die Bezeichnung ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ wird von Rieder übernommen, ist jedoch - im Gegensatz zu den bisher verwendeten Bezeichnungen - nicht in den Handschriften selbst zu finden: „Was dieses Memorial ursprünglich für einen Titel trug, ist uns nicht bekannt. Erweitertes Pflegermemorial kann man es deswegen nennen, weil es die Pflegermemoriale samt dem Meistermemorial zur Voraussetzung hat und in seinem Inhalt sich durchweg an dieselben anlehnt, jedoch der Zeit entsprechend, in der es entstanden, gegenüber erstern viele Zusätze und Erweiterungen des Textes aufweist“ (Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 65). Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 160 I NHALT211 [3 Blatt unbeschrieben] I. Vorbemerkungen 1 rv Stiftungen an den ‚Grünen Wörth‘ Inhaltsangabe: vgl. Handschrift A (Bl. 2 v -4 r ). Ausgabe: Rieder 1905, S. 210*1-211*3. II. Hauptteil 1. 2 r -35 v 1. materie : ‚Gründungsgeschichte‘ des ‚Grünen Wörth‘ mit Einschub der ‚Spitalordnung‘ des Hesse Schlegelholtz vom 25. Juni 1401 und des Traktates werg der erbermede nach dem 9. Kapitel Inhaltsangabe: vgl. Handschrift d (Bl. 6 v -24 r ). Ausgabe: Schmidt 1854, S. 34-54; Rieder 1905, S. 164*-181*27, 211*6-213*16, 181*28-190* (nach Schmidt 1854 [vgl. Rieder, S. 164* Vorbem.] und nach D, Bl. 9 r -42 r ). 2. 35 v -52 r 2. materie : ‚b ch von den vier ioren sines anevohenden lebendes‘ mit zwei Parenthesen in Kapitel 16 zum ‚b ch von den nún veilsen‘ und zum ‚b ch von den zwey menschen‘ Inhaltsangabe: Steer, III 1. Ausgabe: Rieder 1905, S. 191*-198* (mittlere Spalte); nach B, Bl. 33 r -40 v : Schmidt 1854, S. 54-76; Strauch 1927b (ATB 23), S. 1-27. 3. 52 r -59 r 3. materie : ‚hinderste stroffunge‘ Rulman Merswins Rulman Merswin hinterläßt den Brüdern vom ‚Grünen Wörth‘ kurz vor seinem Tod eine Ermahnung, daß sie sich von der Welt abkehren und die Prüfungen Gottes annehmen sollen, da nur diese den Weg zu Gott eröffnen. Ausgabe: Rieder 1905, S. 213*20-218*9. 211 Die Handschrift kann leider nicht in die überlieferungsgeschichtliche Analyse einbezogen werden, da es den Archives de la ville nicht möglich ist, Mikrofilme oder Printerkopien der Handschrift zur Verfügung zu stellen. In den folgenden Untersuchungen wird die Gestalt des ‚Erweiterten Pflegermemorials‘ daher stets nach dem zweiten überlieferten, älteren Exemplar (vgl. Sigle F) gegeben. Da ein Einblick in Codex E jedoch erweisen konnte, daß er inhaltlich, wie bereits Rieder bemerkte (Der Gottesfreund vom Oberland, S. 65), - bis auf den Überblick über die Stiftungen auf Bl. 1 rv - vollständig mit F übereinstimmt und Rieders Textpräsentation dieser Manuskripte zudem auf Handschrift E beruht (Rieder 1905, S. 210*-224*), wird im folgenden allein die Struktur des Codexes wiedergegeben, obwohl er in seinem Sprachstand der erschlossenen mittelhochdeutschen Vorlage näher steht als die ältere Abschrift des 16. Jahrhunderts F. ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; E) 161 4. 59 r -99 r 3. [recte 4. ] materie : ‚b ch von den fúnf mannen‘ Inhaltsangabe: Steer, IV 2. Ausgabe: Rieder 1905, S. 199*-207* (mittlere Spalte); nach B, Bl. 4 r -11 r : Schmidt 1854, S. 79-119; Schmidt 1866, S. 102-138; Strauch 1927b (ATB 23), S. 28-82. III. Zusätze 1. 99 r -105 r ‚Historische‘ Nachrichten über die Gottesfreunde Inhaltsangabe: vgl. Handschrift B (Bl. 51 v -55 v ). Ausgabe: Rieder 1905, S. 137*21-140*10 mit 218*14-27; S. 140*10-148*22 und 218*29-220*8. 2. 105 r -106 v Urkundliche Beglaubigung der drei Urkundenbücher durch den Johannitermeister in deutschen Landen, Konrad von Braunsberg Ausgabe: Rieder 1905, S. 15*4-16*10 (nach A, Bl. 6 v ). 3. 106 v -108 r Festlegung des Pflegereids vom 23. Juni 1393 Inhaltsangabe: vgl. Handschrift d (Bl. 1 rv ). Ausgabe: Rieder 1905, S. 125*29-126*23 (nach B, Bl. 46 v ). 4. 108 r -109 r Schlußbemerkung zu den vorangehenden Texten und Begleitbrief zum ‚Meistermemorial‘ Inhaltsangabe: vgl. Handschrift d (Bl. 2 r -3 r ). Ausgabe: Rieder 1905, S. 220*11-24 und 156*1-25 (nach B, Bl. 82 r ). 5. 109 r -111 v Prolog zum ‚Meistermemorial‘ Inhaltsangabe: vgl. Handschrift d (Bl. 2 r -3 r ). Ausgabe: Rieder 1905, S. 159*8-160*4 (nach D, Bl. 2 r -4 v ). 6. 112 r -127 v Ordnung der Minderbruderschaft und Sammlung von Ordensprivilegien Ausgabe: Rieder 1905, S. 221*1-223*3 (Auszug). 7. 128 r -133 v Übersetzung des Gedichts: ‚De thesauris summi regis‘ Ausgabe: - 8. 134 r -135 r Gedicht auf die Minderbruderschaft Ausgabe: - Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 162 9. 135 r -139 v Lateinischer Text des Gedichts ‚De thesauris summi regis‘ Ausgabe: - 10. 140 r -150 v Traktat für eine ‚Gottesminnerin‘ = Ps.-Tauler: ‚Sendbrief an Klosterfrauen‘ 212 Ausgabe: Rieder 1905, S. 223*4-19 (Auszug). [Bl. 151 rv unbeschrieben] 11. 152 r -153 r ‚Nachtragsbestimmungen‘ zum Pflegerbrief Ausgabe: Rieder 1905, S. 223*20-224*13. D ATIERUNG : Die vorliegende Handschrift wurde im 18. Jahrhundert geschrieben; Rieder glaubt, daß ihre Vorlage vor dem Tod des Nikolaus von Löwen am 3. April 1402 fertiggestellt worden sein müsse, „denn wäre dieses Memorial erst nach dem Tode Nikolaus von Löwens geschrieben worden, und hätte es jemanden anders als ihn zum geistigen Urheber, so hätte der Verfasser, der unter allen Umständen ein Straßburger Johanniterbruder sein muß, an genannter Stelle, dem allgemeinen Brauche entsprechend, nicht verfehlt, Nikolaus von Löwen als ‚selig‘, d.h. als verstorben zu bezeichnen“. 213 Rieder nimmt hier Bezug auf die ab Bl. 112 r eingetragene Ordnung der Minderbruderschaft, die bruder Wernher Schurer mit sin selbes munde seite bruder Clauwes von L fene (Bl. 112 r ; Rieder 1905, S. 221*11f.). Rieders zunächst durchaus überzeugende Argumentation verliert an Beweiskraft, sobald der von ihm angenommene „allgemeine Brauch“ in der Handschrift überprüft wird. Der im gleichen Text erwähnte Konrad von Braunsberg wird nicht als selig bezeichnet (Bl. 112 r ; Rieder 1905, S. 221*35-39), obwohl er nachweislich bereits tot war, als die Handschrift geschrieben wurde: Der Johannitermeister verstarb am 11. Dezember 1390, und das Manuskript bietet auf Bl. 23 r -26 r (Rieder 1905, S. 211*6-212*3) die Abschrift einer Urkunde, die sein Nachfolger, Hesse Schlegelholtz, am 25. Juni 1401 ausstellte. Der Entstehungszeitraum der Vorlage ist somit nur zwischen 1401 und dem 16. Jahrhundert einzugrenzen, da in F eine frühere Abschrift des ‚Erweiterten Pflegermemorials‘ vorliegt. V ERHÄLTNIS ZU ANDEREN H ANDSCHRIFTEN : Der ‚Kern‘ der Handschrift ist eine Abschrift eines der ‚Pflegermemoriale‘: Bl. 2 r bis 99 r (Rieder 1905, S. 211*6-218*9) umfassen die drei ‚Materien‘ der ‚Gründungsgeschichte‘ und der beiden ‚Viten‘ der Stifter; auch die vorgenommenen Zusätze, die Bestätigungsurkunde Konrads von Braunsberg (Bl. 105 r -106 v ; Rieder 1905, S. 15*4-16*10), der Pflegereid (Bl. 106 v - 108 r ; Rieder 1905, S. 125*29-126*23) und die Bemerkungen zum ‚Meistermemorial‘ 212 Vgl. Philipp Strauch, Schürebrand, S. 61, Anm. 2; ders., Rezension zu Rieder, S. 110, Anm. 1. Vgl. auch: Johannes Gottfried Mayer, Die ‚Vulgata‘-Fassung der Predigten Taulers, S. 208. 213 Philipp Strauch, Schürebrand, S. 68. ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; E) 163 sowie dessen Prolog (Bl. 108 r -111 v ; Rieder 1905, S. 159*8-160*4 und 116*39- 117*33), entsprechen dem Aufbau dieser Handschriften. So heißt es auf Bl. 108 r : Alle diese vorgeschriebenen materien von der stiftungen vnd der stifter leben des h ses z dem Grünenwerde sint geschriben us der drier weltlicher pfleger memoriale buchere derselben memoriale sü ch eins geben hant herrn hessen slegelholtz dem bersten meister in dútschen landen sante Johans orden vnd allen sinen nachkummen (Rieder 1905, S. 220*11-16). Abweichend von den uns bekannten Exemplaren des ‚Pflegermemorials‘ wird die Handschrift durch Bemerkungen über Stiftungen an den ‚Grünen Wörth‘ eingeleitet (Bl. 1 rv ; Rieder 1905, S. 210*1-211*3), die im ‚Großen deutschen Memorial‘ auf Bl. 2 v -4 r (Rieder 1905, S. 7*28-12*4) zu finden sind. Selbständige Zusätze zu den Hauptbestandteilen der ‚Pflegermemoriale‘ bietet die Handschrift an zwei Stellen: In das neunte Kapitel der ‚Gründungsgeschichte‘ wird eine Abschrift der von Hesse Schlegelholtz gegebenen Spitalordnung integriert und die Werke der Barmherzigkeit werden erläutert (Bl. 23 r - 26 r ; Rieder 1905, S. 211*6-213*16); als Einschub nach dem ‚b ch von den vier ioren‘ ist auf Bl. 52 r -59 r (Rieder 1905, S. 213*20-218*9) die ‚hinderste stroffunge‘ Rulman Merswins eingefügt, die dirde materie und seit mit eime vorgonden prologo von der hindersten stroffungen vnd warnunge die derselbe R leman Merswin vs götlichem tribende den brüdern schriben m ste (Bl. 52 r ; Rieder 1905, S. 213*20-23). Die Bezeichnung sowohl der ‚hindersten stroffunge‘ als auch des ‚b ch von den fúnf mannen‘ als dirde materie (Bl. 52 r [Rieder 1905, S. 213*20] und 59 r ) verdeutlicht, daß die Handschrift zwei verschiedene Vorlagen nutzte und deren jeweilige Kapitelgliederung übernahm. Neben den ‚Pflegermemorialen‘ scheint es sich dabei um das ‚Kleine deutsche Memorial‘ gehandelt zu haben, da dessen 18. Kapitel, oder die dirte materie, laut eines im ‚Briefbuch‘ enthaltenen Verweises (B, Bl. 55 r ; Rieder 1905, S. 146*27) die ‚hinderste stroffunge‘ bildete. 214 Auch die weiteren Kapitel bieten keine eigenständigen Texte, sondern sind aus den bereits beschriebenen Handschriften übernommen; das ‚Briefbuch‘ liefert so die Vorlage für den Bericht über die Suche nach den Gottesfreunden auf Bl. 99 r -105 r ; das lateinische Urkundenbuch war Grundlage der am Schluß der Handschrift gegebenen lateinischen und deutschen Fassung des Gedichts ‚De thesauris summi regis‘ (Bl. 128 r -133 r und 135 r -139 v ) wie auch des Verzeichnisses der Ordensprivilegien (Bl. 112 r ; Rieder 1905, S. 221*35). Die Bruderschaftsordnung schließlich ist dem nicht erhaltenen ‚Bruderschaftsbuch‘ entnommen (Bl. 112 r ; Rieder 1905, S. 221*19-24). 215 Dem ‚Erweiterten Pflegermemorial‘ lagen folglich alle Straßburger Handschriften des zu untersuchenden Textcorpus vor; es stellt somit die jüngste Entwicklungsstufe der Texte dar. 214 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 66. 215 Ibid., S. 67. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 164 F ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ (Abschrift des 16. Jahrhunderts) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2190 B ESCHREIBUNG : Rieder 1905, S. XV; Alfons Semler, Handschriftliche Beschreibung für das Handschriftenarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (9 Bll.; 1916). B ESCHREIBSTOFF : Pergament B LATTZAHL / A NZAHL UND A RT DER L AGEN : 121 Bll.: (III-1) 4 + 2 VI 28 + VII 42 + V 52 + VII 66 + 4 VI 114 + (V-2) 121 , das äußere Einzelblatt der ersten und letzten Lage ist als Spiegelblatt auf den Deckel geklebt (ohne Blattzählung). Dem Ternio am Anfang der Handschrift fehlt ein Blatt (vor dem jetzigen Bl. 1), aus dem Quinternio am Ende wurden (nach Bl. 121) weitere zwei Blatt herausgerissen, von denen noch unbeschriebene Reste vorhanden sind. Die Lagenzählung ist z.T. (Bl. 29 r , 43 r , 53 r , 67 r , 79 r , 91 r ) noch zu erkennen, vereinzelt sind Reklamanten erhalten (Bl. 52 v , 78 v , 102 v ); eine Blattzählung wurde nachträglich mit Bleistift eingefügt. B LATTGRÖSSE / S CHRIFTRAUM : Der Codex mißt 20,8 x 16,1 cm; der eingezeichnete Schriftspiegel (15,8 x 12,2 cm) ist mit 26-32 Zeilen ungleichmäßig beschrieben, da eine Liniierung fehlt. S CHRIFTTYP / S CHREIBER / H ÄNDE / G RAPHIE : Von einer Hand gleichmäßig in Kurrentschrift geschrieben; nur der lateinische Text des Gedichts ‚De thesauris summi regis‘ (Bl. 107 r -111 r ) zeigt nicht vollständig kursive Züge. Die Graphie der Handschrift ist an die Gepflogenheiten der Zeit der Abschrift angepaßt, wie die häufige Doppelkonsonans, die Auflösung der diakritischen Zeichen und die Verwendung des Graphems <ß> verdeutlichen. Sie kann folglich keine Hinweise auf Schreibkonventionen eines Schreibers oder der Institution geben. E INRICHTUNG / B UCHSCHMUCK : Die Handschrift ist nur geringfügig und zudem weitgehend unstrukturiert mit Buchschmuck versehen: Die Initiale auf Bl. 1 r (Abb. 24) wurde nicht ausgeführt, die weiteren Kapitelüberschriften und -anfänge sind durch schwarze Initialen unterschiedlicher Größe und Komposition hervorgehoben. Neben schlichten Lombarden mit kompakten Buchstabenkörpern verwendet die Handschrift Initialen, die in ihrer Federstrich- Verzierung an Credellen erinnern oder die Buchstabenkörper durch feine Gitternetzlinien ersetzen. Die Heterogenität des Buchschmucks setzt sich in der Komposition der Überschriften fort: Einige sind trichterförmig angeordnet, einige ganz oder z.T. in Auszeichnungsschrift geschrieben, teilweise wird der Textbeginn durch ein Decrescendo-Motiv markiert. Interpunktion wird durch Kommata und Majuskeln markiert. E INBAND : Gepreßter Originaleinband mit Resten von zwei Messingschließen. Der mit weißem Leder überzogene Holzdeckel ist mit Blindstempeln mit Motiven aus dem Pflanzenreich verziert. Den von Streicheisenlinien umgebenen Rahmen bilden zwei Rollenstempel mit Laubranken: Während die äußere allein mit unterschiedlichsten Blattformen besetzt ist, sprießen an der inneren Ranke Margeriten hervor. In das von einem Streicheisenmuster vorgegebene rechteckige Mittelfeld ist eine - erneut von einer Laubranke umgebene - Raute eingelassen, deren Grund geometrische Muster bilden. Die vier Ecken des Rechtecks sind mit Einzelstempeln (Margeritenstock in Blumentopf) gefüllt. Im zentralen Oval sind Palmetten in Herz- ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ (Abschrift des 16. Jahrhunderts; F) 165 form angeordnet. 216 Auf dem Buchrücken steht ein wohl nachträglich angebrachter Vermerk: Ordre de St. Jean. Auf der Innenseite des Vorderdeckels wird neben den Archives départementales du Bas-Rhin das St. Margarethenkloster in Straßburg von einer Hand des 19. Jahrhunderts als Besitzer genannt: jadis au convent de S e Marguerite. Darunter ist mit Bleistift Copie d’un volum par la [? ] fondation de la maison de l’Ile verte (16 siècle) - statuti - poèsis [? ] notiert. I NHALT [1 Bl. herausgeschnitten] I. Hauptteil 1. 1 r -27 r 1. materie : ‚Gründungsgeschichte‘ des ‚Grünen Wörth‘ mit Einschub der ‚Spitalordnung‘ des Hesse Schlegelholtz vom 25. Juni 1401 und des Traktates werg der erbermende nach dem 9. Kapitel [D]Is Ist die Erneuwerung des hauses vnnd der wonung z dem Grünen werde vnnd seit, wie es anderwerbs von Neuwem vff angefangen vnnd erhebett ist worden von Gott mitt vil vrkundes vnnd mitt manigfaltigen, grosen wortzeichen durch den lieben, sonderlichen, erleüchteten Gottes freundt Ruolman Merschwein seeligen, fundator vnnd anheber diß selben hauses von Gottlicher betzwingnisse Inhaltsangabe: vgl. Handschrift d (Bl. 6 v -24 r ). Ausgabe: Schmidt 1854, S. 34-54; Rieder 1905, S. 164*-181*27, 211*6-213*16, 181*28-190* (nach Schmidt 1854 [vgl. Rieder, S. 164* Vorbem.] und nach D, Bl. 9 r -42 r ). 2. 27 v -39 v 2. materie : ‚b ch von den vier ioren sines anevohenden lebendes‘ mit zwei Parenthesen in Kapitel 16 zum ‚b ch von den nún veilsen‘ und zum ‚b ch von den zwey menschen‘ I tem diß capittel ist die ander matherie vnnd das B ch, das man hinder Rulman Merschwein, dem stiffter, geschr ben vandt vnder sein selb Ins gell von den vier Jaren seins aneuahenden Lebens Vnnd seit diß selbe Capittell von dem (vierte getilgt) Ersten Jare, in dem er aller kauffmanschafft vnnd aller Lustiger geselschafft vrlaub gab, Lauterlich durch Gott Inhaltsangabe: Steer, III 1. Ausgabe: Rieder 1905, S. 191*-198* (mittlere Spalte); nach B, Bl. 33 r -40 v : Schmidt 1854, S. 54-76; Strauch 1927b (ATB 23), S. 1-27. 216 Die Stempel sind nicht nachweisbar in: Ernst Kyriss, Verzierte gotische Einbände im alten deutschen Sprachgebiet, 4 Bde, Stuttgart 1951-1958; Ilse Schunke, Die Schwenke-Sammlung gotischer Stempel- und Einbanddurchreibungen, Bd. I: Einzelstempel, Berlin 1979; Bd. II: Ilse Schunke und Konrad von Rabenau, Werkstätten, Berlin 1996 (Beiträge zur Inkunabelkunde 3. Folge 7 u. 10). Aufgrund der auffälligen Häufung des Margeriten-Motivs ist es denkbar, daß der Einband im Kloster St. Margaretha und Agnes in Straßburg entstand. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 166 3. 39 v -44 v 3. materie : ‚hinderste stroffunge‘ Rulman Merswins D iß cappittel ist die dritte materie vnnd se t mit eim vorgonden prologo von der hindersten Straffungen vnnd warnung, die derselbe R lman Merschwein vß Gottlichem Dre bende den Br dern Schre ben m ste Inhaltsangabe: vgl. Handschrift E (Bl. 52 r -59 r ). Ausgabe: Rieder 1905, S. 213*20-218*9. 4. 44 v -74 v 3. [recte 4. ] materie : ‚b ch von den fúnf mannen‘ I tem die dritte materie deß gegenwürtigen memoriales ist das Buch von den funff mannen, so der Liebe Gotteß freünd in Oberlandt, deß vorgenanten Stiffters Rulman Merschwe nes heymlicher geselle vnnd mittstiffter, den Brüedern z dem Gruenenwerdt auß Gottlicher Liebe z einem besseren exemplar schre b von Bette wegen derselben Brüedere, die in allen gemeinliche bottent [45 r ] in einem freündtlichen sendtbrieff, daß er in ettwas bessers schre be, da schreib er Inen mit sein selbß hand diß selbe b ch vmb pfingsten in dem Jare, da man zalt von Gotteß geburte dre zehenhundert Jar Sybentzig vnnd s ben Jar. Vnnd deß seite von se n selbes Leben vnd von aller seiner Brüedere leben, die vff dieselbige zeit in einer gesellschafft mit Ime wonetten vnd ist woll ein sonderbar merckhlich vrkhund der grossen, gnadenreichen wurdigkheit deß vorgenanten hauses zu dem Grüenenwerde. Daß billich alle die bewegen vnd manen soll, die nun oder darnach khuntsame oder wandelung in dasselbe hauß Jemer gewünnendt, daß s Inen selber die gnade desto fruchtbarer vnnd Empfenglicher machten, vnnd inen ein stetter gegenwurdt se e in aller dienstbarkhait, dauon Ire minne vnnd treuwe zunemme in gantzer hoffnunge vnd zuuersicht derselben Stifftere vnnd freünde Gotteß vnnd der Gnadenreichen, hailigen houestatt der hochgelobten, würdigen patronen Ewiglichen zu genüessende, welcher handt dienst oder Treuwe Leibliche oder Geistliche s in kheinerle we se jemer ane geuellet [45 v ] demselben hause zu thunde von Gnaden oder durch ire Leibliche Narunge willen. Vnnd ist der aneuang diß B chs diß Capittels, vnd seit von dem Ersten manne, wie sich der achtzehen Jar bette in dem Lebende vnsers herren vnnd Sprichet also: Inhaltsangabe: Steer, IV 2. Ausgabe: Rieder 1905, S. 199*-207* (mittlere Spalte); nach B, Bl. 4 r -11 r : Schmidt 1854, S. 79-119; Schmidt 1866, S. 102-138; Strauch 1927b (ATB 23), S. 28-82. II. Zusätze 1. 75 r -79 v ‚Historische‘ Nachrichten über die Gottesfreunde Incipit: D ise vorgeschr bene lieben freünde Gotteß seind auch deß hauses vnnd der Brüedere z m Gruenenwerde Stifftere vnd vettere vnd sonderliche freünd gesein [...] Explicit: [...] vnnd ein gnedig vrtheil an vnserem Ende vnd an dem Jungsten tage vnnd gemeinsame mit in zu habende in Ewigen Freuden Amen. ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ (Abschrift des 16. Jahrhunderts; F) 167 Inhaltsangabe: vgl. Handschrift B (Bl. 51 v -55 v ). Ausgabe: Rieder 1905, S. 137*21-140*10 mit 218*14-27; S. 140*10-148*22 und 218*29-220*8. 2. 80 rv Urkundliche Beglaubigung der drei Urkundenbücher durch den Johannitermeister in deutschen Landen, Konrad von Braunsberg I tem diß ist der Brieff deß Obersten me sters in Teütschlanden Sanct Johanns ordens, so er den dre en weltlichen pflegern gegeben hett, vber die dre vrkhunde Büecher, die s da mit hand haben sollen Ewigliche in dem hause z dem grüenenwerde z ble bende Ausgabe: Rieder 1905, S. 15*4-16*10 (nach A, Bl. 6 v ). 3. 81 r -82 r Festlegung des Pflegereids vom 23. Juni 1393 I tem diß ist ein Form, in welcher me nunge die dre weltlichen pflegere geschworen handt, vnnd nun fürbaß me ein Jeckhlicher pfleger schweren soll, alle stuckh in dem pfleger Brieffe z handhabende nach seinem besten vermögen Inhaltsangabe: vgl. Handschrift d (Bl. 1 rv ). Ausgabe: Rieder 1905, S. 125*29-126*23 (nach B, Bl. 46 v ). 4. 82 r -83 r Schlußbemerkung zu vorangehenden Texten und Begleitbrief zum ‚Meistermemorial‘ Incipit: A lle dise vorgeschr bnen Materien von der Stifftung vnd der stiffter Leben deß hauses z dem Grüenenwerde seind geschr ben auß der dre er weltlicher pflegere memoriale Bücher [...] Explicit: [...] vnnd Ire in disem memorial Buche finden geschr ben, Ewer gnade gebiete vns zu allen Ziten. Inhaltsangabe: vgl. Handschrift d (Bl. 2 r -3 r ). Ausgabe: Rieder 1905, S. 220*11-24 und 156*1-25 (nach B, Bl. 82 r ). 5. 83 v -85 r Prolog zum ‚Meistermemorial‘ D iß ist ein sonderer prologüs vnd anefang mit Roter geschr fft in deß obersten memorial buch, zu nechst da vorgenandt, doch ettwas anderst dann der prologus in der dre er welltlicher pfleger memoriale, das auch ein Roberckh ist Inhaltsangabe: vgl. Handschrift d (Bl. 2 r -3 r ). Ausgabe: Rieder 1905, S. 159*8-160*4 (nach D, Bl. 2 r -4 v ). [Rest von Bl. 85 r unbeschrieben] 6. 85 v -99 v Ordnung der Minderbruderschaft und Sammlung von Ordensprivilegien Incipit: D iß ist die minder Bruderschafft Sankt Johanns Ordens mit der gnaden vnd aplasse, den die Bebste dem Orden in soldes we se gegeben hand [...] Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 168 Explicit: [...] Vnnd also es die bebste in Iren Bullen meinen vnnd geschryben handt. Ausgabe: Rieder 1905, S. 221*1-223*3 (Auszug; nach E, Bl. 112 r - 127 v ). 7. 99 v -105 r Übersetzung des Gedichts: ‚De thesauris summi regis‘ D iß nechst nachgode Teütsche gedicht ist geschr ben ausser dem Latine, also eß ein kunstreicher, wolgelerter man, genant Jacobus Regalis, ein diener sanct Johanns Ordens, machte in dem Romischen houe z Afion vor der Cyßma vnnd zwe gunge von Bette wegen eins Conuen [? ] Bruders z Rode ß auß den Bullen vnd priuilegien in den Conuenten vnnd Bistumben von welsch Landen, vnnd ist diser Teütsche Text in allen [100 r ] materien dem Latinen gedichte gleich, wiewoll die wort Ettwas vngleich hellent, die man den Reimen nach biegen m s, auß disem selben gedichte ist er gesummete aploß be der Jar zale vngereimet da uor geschr ben, vff alle hochzeit durch das Jar Jeglichem hochzeit vnnd aploß tag seine zall. Ausgabe: - 8. 105 v -106 v Gedicht auf die Minderbruderschaft D iß Nachgegeschr bene [sic! ], gerimete gedichte sagt von der mindern Bruderschafft S: Johanns Orden, die auch dauor vngereimet geschr ben stadt, vsser den Bullen vnnd priuilegien in dem Teütschen priorate [? ] Jetweder site der Babste namen mit dem abblasse z der Bruderschafft gehöret Ausgabe: - 9. 106 v -111 r Lateinischer Text des Gedichts ‚De thesauris summi regis‘ Diß nachuolgende latinen gedichte ward in welschen Landen gemacht vonn Eime gelerten mann, Diener vnnd freündt sanct Johanns Ordens, da vor genandt, [107 r ] vnnd ist das Exemplar, daraus die vorgenden Teutschen Reimen vnnd auch der gesummette aploß der Babste Namme vnnd Jar zale Ohne Rime zavor geschr ben ist Ausgabe: - 10. 111 r -120 r Traktat für eine ‚Gottesminnerin‘ = Ps.-Taulers: ‚Sendbrief an Klosterfrauen‘ Incipit: In vnserem Lieben herren Jesu Christo, so seind gegruesset Ir Lieben, ausserwelten kinder Gottes [...] Explicit: [...] Das helffe vns Gott vnnd die Lieben Maria vnnd alle Lieben he ligen. amen. Ausgabe: Rieder 1905, S. 223*4-19 (Auszug; nach E, Bl. 140 r - 150 v ). [Rest von Bl. 120 r unbeschrieben] ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ (Abschrift des 16. Jahrhunderts; F) 169 11. 120 v -121 v ‚Nachtragsbestimmungen‘ zum Pflegerbrief Incipit: Es soll Ein Jeder pfleger Schweren einen Eidt z Gott [...] Explicit: [...] wie ehren Leuthen vom Adel vnnd getreuwen pflegen woll z stehet Vnnd gebürdt Ohn geuerde. Ausgabe: Rieder 1905, S. 223*20-224*13 (nach E, Bl. 152 r -153 r ). [Rest von Bl. 121 v unbeschrieben, 2 Bll. herausgerissen] D ATIERUNG : Paläographische Kriterien weisen die Handschrift in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts. 217 V ERHÄLTNIS ZU ANDEREN H ANDSCHRIFTEN : Sieht man vom einleitenden Überblick über die Stiftungen an den ‚Grünen Wörth‘ ab (E, Bl. 1 rv ), der sich auf dem herausgeschnittenen Blatt am Anfang des Codexes befunden haben könnte, umfaßt die Handschrift die gleichen Texte wie die jüngere Handschrift E, zeigt aber eine andere, modernere Lautung, d.h., eine direkte Abhängigkeit der Abschrift des 18. Jahrhunderts vom vorliegenden älteren Codex F ist unwahrscheinlich, eine gemeinsame Vorlage anzunehmen. 218 P ROVENIENZ : Das auf dem Spiegelblatt als Besitzer der Handschrift ausgewiesene Dominikanerinnenkloster St. Margaretha, welches in direkter Nachbarschaft zur Kommende der Johanniter auf dem ‚Grünen Wörth‘ lag, 219 tritt in zwei Phasen seiner Geschichte in eine engere Beziehung zur Johanniterkomturei, welche den Besitz einer Abschrift des ‚Erweiterten Pflegermemorials‘ erklären könnte: Im Rahmen der Auseinandersetzung um die Zusammenlegung des observanten Dominikanerinnenklosters St. Agnes mit dem nicht-reformierten St. Margarethenkloster in den Jahren 1475 und 1476, die durch den Abriß des Agnesklosters im Zuge der Vorbereitungen der Stadt auf den befürchteten Angriff Karls des Kühnen notwendig wurde, 220 scheinen die Johanniter sich für die Belange der observanten Partei eingesetzt zu haben, da sie an der feierlichen Überführung der Monialen aus St. Agnes nach St. Margaretha am 14. Dezember 1475 teilnehmen und die reformierten Schwestern gegen den Widerstand der dort ansässigen Nonnen in die Kirche geleiten, wie Johannes Meyer in einer in der Straßburger Bibliothèque Nationale et Universitaire bewahrten Fortsetzung des ‚Buchs der Reformacio Predigerordens‘ berichtet (Ms. 2934): Des het sich ein gross volck der stat von herren, mannen und frowen gesamet zu in [den Schwestern von St. Margaretha] sii [die Schwestern aus St. Agnes] zu geleiten. [...] do nun disse erlich proces- 217 Karin Schneider sei herzlich für ihre freundliche Hilfe gedankt. 218 Vgl. zur erschlossenen Vorlage die Ausführungen unter Sigle E: S. 162f. 219 Zur Geschichte des Margarethenklosters vgl. Médard Barth, Handbuch der elsässischen Kirchen im Mittelalter, Bd. 3, Sp. 1381-1384; Sigrid Schmitt, Geistliche Frauen und städtische Welt, S. 471-478. 220 Vgl. die detaillierte Rekonstruktion der Auseinandersetzung bei: Sigrid Schmitt, Geistliche Frauen und städtische Welt, S. 265-272 sowie 475-477. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 170 sio was kumen umb daz zoltor, do warent die sancte johannes heren mit dem krutz gegen in uss gangen, und gestundet do under dem zolltor und warteten der swestern von sancte Agnesen, und do die swestern von sancte Agnesen och under das zolltor koment, do gingent in die johanser heren mit irme krutz in processio vor und in die kirch zu sancte Margreden. Also do disse erliche schar und processio nohete dem closter sancte Margreden, do schiedent sich uss der schar des volckes zwen alt ammeister, her Cunrad Riff und her peter schott, mit ettlichen soldeneren und gingent vor zu sancte Margreden [...] Do findent sii tor, venster und alle ding also verrygelt und verschlossen, daz nieman hi nin möht. Und do die innewendigen frowen von keinem anklopffen noch ruffen wollten uff tun, do schickten die zwen alt ammeister zwen soldener uber die mur in, die daz tor mit gewalt uffbrochent [...]. Also lieffent bede höppter, priorin und subpriorin und vil der frowen uss dem closter. [...] Under disse dinge komment die swestern von sancte Agnesen mit der processio in die kirch und die johannser heren troten vor in hin und gingent in den chor, und die swestern do noch. 221 Erst nachdem die Auseinandersetzung der beiden Parteien um den Klosterbesitz beigelegt war (die nicht reformwilligen Schwestern traten nach St. Katharina in Hagenau ein und erhielten aus dem Klostervermögen 600 lb.) 222 und sich das Kloster St. Margaretha und St. Agnes zu einem Zentrum der dominikanischen Ordensreform entwickelt hatte, 223 gingen die Johanniter im Jahr 1477 mit den Schwestern eine Gebetsverbrüderung ein: Fraternitas cum Monasterio S. Margarita et Agnetis Argentina. Die wyll die guten wergk, die yn rechter geordenter lieb gescheen syn vnd werden durch die meinunge irer wircker vnd vollenbringer, vff die selen yn gnaden verscheiden fruchtbarlich gewent mögen werden So haben wir, br der Niclaus von Baden Commentur, vnd der Conuent deß húses zú dem Grünenwerde zu Stroßburgk S. Johans Ordens mit Christlicher betrachtung vnß mit den Ersamen vnd geistlichen frowen N. Priorin vnd dem Conuent der h. Jungfrowen St. Margreden vnd Agnesen doselbs einer bruderlichen pflicht vereyniget also vnd yn dis wyse wan vnd als dick eyn bruder vnsers huses, donat oder donatin von todes wegen vß disser z t scheiden ist vnd das yenen verkúnt wirde, das dan eyn Iglich gewylt frow des obgemelten Conuents sprechen sol Got zú lob vnd ere vnd der selen zú trost ein Psalter eym priester vnd eym Clerick, vnd eyn leyhswester iij fúnffzig pater noster. aber eym donat oder donatin sol eyn yeglich gewylt frow sprechen eyn vigilie vnd eyn leyhswester iij ll. pater noster vnd das yn gewiten steten Desglichen wan eyn swester des vorgenanten Conuents von todes wegen abgat vnd vns das zú S. Johans verkúnt wirt, dan so sal vnser yeglicher, der do priester ist, iij Messen sprechen vnd ein Clerick, der do nit priester ist, eyn Psalter vnd eyn donat oder eyn donatin iij funffzig pater noster sprechen Got z lob vnd ere vnd zu trost der selen Vnd vmb das solich bruderlich pflicht in ewigem bestant blibe, so sol solichs yn beder Convent kalender vnd seellbucher verzeichet werden, vnd ward dis fraternitet vffgenommen 5. ta feria ante festum Penthecostes Anno Domini M CCCCLXXVIJ (Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752, Bl. 61 v ). Wahrscheinlich durch diese enge Beziehung veranlaßt, bitten die Dominikanerinnen des Klosters St. Margaretha und St. Agnes die Johanniter in einer zweiten Krise der Konventsgeschichte, die ein Bericht über die ‚Verfolgung der closterfra n In dem Lútherthúm a St. Margaretha in Straßburg‘ (Straßburg, Bibliothèque Nationale et 221 Vgl. den Abdruck bei: Annette Barthelmé, La réforme dominicaine au XV e siècle en Alsace et dans l’ensemble de la Province de Teutonie, Strasbourg 1931 (Collection d’Études sur l’Histoire du Droit et des Institutions de l’Alsace VII), S. 188-193, hier S. 190-192. 222 Sigrid Schmitt, Geistliche Frauen und städtische Welt, S. 271f. 223 Ibid., S. 272. ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ (Abschrift des 16. Jahrhunderts; F) 171 Universitaire, Ms. 1393) detailliert schildert, um ihren Beistand: Als die herren der statt 1524 doctor Martinus Butzerus [...] befelch geben, die closter fraúren, sonderlich die zu S: Margaretha, zu dem wahren [protestantischen] glauben zu bekören (Bl. 1 r ), leistet die Priorin des Konvents mit Namen Vrsula Bockhin (Bl. 2 r ) wortgewaltigen und tatkräftigen Widerstand, der in einem Wortgefecht kulminiert, in dem der Reformprediger die Dominikanerin wegen ihres Ungehorsams als Margaretha drachen (Bl. 6 r ), die Priorin Bucer als luciferischen closter verstöhrer (Bl. 7 v ) beschimpft: Auff diße Red der priorin wardt doctor Butzeri Rassig vor zorn, wolt mir der funst [sic! ] Auff sy dar (Bl. 7 v ), doch die Schwestern können ihre Oberin in ihrem priorat stibel in Sicherheit bringen (Bl. 7 v ) und von S: Joann de[n] Creytz prelat vnd herr[n] Joann fuckß [...] deß stifft Alten S: peter pharhärr (Bl. 7 v ) herbeirufen: Alß diße In Croitzgang seint In gangen, da kame herr doctor Butzeri Inen Entgegen mit verstelten, zornigem angesich [sic! ], sag [sic! ] gantz grimig, Er möchte dy böße vnhold bockhin vmbringen [...]. Aber die herren sprachen [8 r ] sy reden [sic! ] Im fr ndlich zú vnd sagten, weiber schelt wordt seint nit zu Achten; vnd sich mit denen in streit Ein lassen, hatt ein so gelerter herr kein Ehr davon. sy batten In, Er wohle mit Ihnen ein wenig auß gehen, sich deß vnlusts zu Entschlagen [...]. Nach Ein bar tägen kame der Gnädige herr von S: Joann vnd herr fucks wieder mit Ime, sy trosten die priorin vnd Ihre closter frawen, Dätten sy Ermanen zu standhafftigkeit (Bl. 7 v -8 r ). Der Vermittlungsversuch des Johanniterprälaten und des Pfarrers von Alt St. Peter mißlingt jedoch, und Bucer bewirkt einen Ratsbeschluß, der den Monialen den Chordienst, das Hören der Messe und den Empfang der Kommunion verbietet (Bl. 9 r ). Sowohl gegen diesen ersten Erlaß als auch nach dem generellen Verbot des katholischen Gottesdienstes in Straßburg (1529) kommen - so berichtet die ‚Cronigca diß Closters S. Margareta vnd Agnesa in Straßburg‘ (Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 1387, Bl. 1-19) - die herren Be S. Joannes inen z hilff [...] vnd hat sich einer verkleit in we s kle dtern wie ein Burren fraw: vnd sie versehen mitt der heiligen mess, Bicht heren vnd communion in dem Cöller, darin sie Auch ihre clag zeitten heimlich gehalten (Bl. 6 r ). Es ist möglich, daß die Abschrift des ‚Erweiterten Pflegermemorials‘ für die Dominikanerinnen im Rahmen dieser seelsorgerischen Aufgaben erstellt wurde, um ihnen Geschichte und Gründer der Gemeinschaft als exempla vor Augen zu führen. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 172 G ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts) Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 738 (olim L als. 96) B ESCHREIBUNG : Rieder 1905, S. 40-44; Wickersheimer, Catalogue général des manuscrits, S. 202. B ESCHREIBSTOFF : Papier mit unterschiedlichen Wasserzeichen: Baselstab in einem Kranz mit zwei Ästen, darunter Monogramm SHD (ähnlich Heitz 1904, Nr. 283, das Heitz aufgrund des Monogramms [SH] der Fabrikation Schwindenhamers in Türkheim, Elsaß, zuweist; 224 das Monogramm ähnelt jedoch auch der Basler Papiermühle Strampfer und Heusler [1766-1771], deren Zeichen jedoch kein ‚D‘ enthält); 225 Stadttor Munsters (Oberrhein) mit zwei Türmen, darüber Kreuze, in einem Kranz mit zwei Ästen (ähnlich Heitz 1902, Nr. 350: Straßburg 1742f. aus der Mühle J. F. Schoepflins, Elsaß). 226 B LATTZAHL / A NZAHL UND A RT DER L AGEN : 213 Bll. Die ursprüngliche Paginierung von der Hand des Schreibers beginnt nach dem Entstehungsbericht der vorliegenden Handschrift und der aus der Vorlage abgeschriebenen Einleitung samt Inhaltsverzeichnis auf Bl. 7 v ; Bl. 2 r -7 r werden von anderer Hand von 1 a bis 11 a mit Bleistift durchnumeriert. Eine fortlaufende Foliierung wurde von späterer Hand ergänzt. B LATTGRÖSSE / S CHRIFTRAUM : 33,3 x 20,6 cm; der mit Bleistift eingezeichnete Schriftspiegel beträgt 27,5 x 13,5-14 cm; die Beschriftung variiert stark. S CHRIFTTYP / S CHREIBER / H ÄNDE / G RAPHIE : Der Haupttext der Handschrift ist von Franz Joseph Ignatius Goetzmann geschrieben, nur in den Listen der Komture und Priester des ‚Grünen Wörth‘ (vgl. Bl. 144 v -145 r ) finden sich Nachträge von anderer Hand. Goetzmann (1693- 1783) legt 1712 Profeß ab und ist - als er die Handschrift erstellt - Kustos der Johanniterkomturei, ein Amt, das er von 1731 bis zu seiner Wahl zum Komtur 1770 bekleidete (G, Bl. 145 r ). 227 Die Graphie der Handschrift entspricht den Gewohnheiten des 18. Jahrhunderts. E INRICHTUNG / B UCHSCHMUCK : Die Handschrift ist nicht mit Buchschmuck versehen. Zur Orientierung dienen Kopfzeilen, die den Titel des Textes verzeichnen; am Rand sind kurze 224 Paul Heitz, Les Filigranes avec la Crosse de Bâle, Straßburg 1904. 225 Vgl. Raymond Gaudriault, Filigranes et autres caractéristiques des papiers fabriqués en France aux XVII e et XVIII e siècles, Paris 1995, Abb. 2031. 226 Paul Heitz, Les filigranes des papier contenus dans les Archives de la ville de Strasbourg, Straßburg 1902. 227 Vgl. auch den Nachtrag im ‚Anniversar‘ des ‚Grünen Wörth‘ (Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752, Bl. 11 v ): anno domini Millesimo Septingentesimo octogesimo tertio, die quinta Mensis Martij, pie in domino obiit Reverendissimus dominus dominus franciscus jgnatius joSephus goetzmann ex Lantzer, Eminentissimi ordinis Equestris Sancti joannis jeroSolymitani argentinae et Selestadii commendator et abbas infulatus, sacramentis rite praemunitus, aetatis octoginta novem annorum et trium circiter Mensium, cujus corpus die Septimo Mensis Martij dicti anni in Ecclesia commendae argentinensis praedicti ordinis ante altare Beatae Virginis Mariae Sub littera debito cum honore Sepultum fuit, in praeSentia Dominorum Dominorum capitularium praedictarum commendarum, ex quibus Reverendus Reverendus Dominus Dominus joSephus Melchior Menweg et jgnatius Sengler mecum SubScripserunt. Fr: [ater] Schneider commendarum argentinae et Saelestadii Prior. ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; G) 173 Inhaltsangaben und Zusätze vermerkt. Am Ende der Handschrift findet sich zudem ein alphabetisches Register, das die im Manuskript behandelten Inhalte auflistet. Die syntaktische Gliederung wird ausschließlich durch Interpunktionszeichen verdeutlicht, die weitgehend den neuhochdeutschen Regelungen folgen. 228 E INBAND : Auf den Buchrücken des Ledereinbands ist eingeprägt Stiftung zum Grünenwerde. D ATIERUNG : Auf dem ersten Vorsatzblatt wurde die Handschrift vom Schreiber datiert: abgeschriben, übersetzt, beschriben von Fr. Franc: Joseph. Ignatius Goetzman Custoden dißes haußes vnd vollendet in der wochen vor aller heiligen 1745. I NHALT229 I. Titel und Bericht über die Entstehung der Handschrift 1. 1 r Titel [Bl. 1 v unbeschrieben] 2. 2 r Bericht über die Entstehung der Handschrift II. Abschrift eines ‚Pflegermemorials‘ 1. 2 v -4 v Vorbemerkungen i. 2 v -4 r Bemerkungen zum ‚Meistermemorial‘ Incipit: |: folgt ein Rubrick in disem erst gemelten teütschen memorial welche sagt, wie folgt : | Diser dre er memorial bücher hat der oberiste meister in teütschen landen st: Johann ordens auch eines, vnd ist daß vierte gleichlaufend in allen worten vnd mater disem gegenwärthigen buch vnd denen anderen zwe en seines gleichens, die denen dre weltlichen pflegern zu gehören. Inhaltsangabe: vgl. Handschrift d, Bl. 2 r -3 r . Ausgabe: Rieder 1905, S. 159*9-160*4 und 116*39- 117*33 (nach D, Bl. 2 r -4 v ). 228 Die in den Zitaten gegebene Interpunktion ist folglich, entgegen der ansonsten in der Arbeit üblichen Regelung, ausschließlich aus der Handschrift entnommen, da eine Differenzierung zwischen vorhandener und zugesetzter Interpunktion zu aufwendig und für das Verständnis nicht zwingend notwendig ist. 229 Im folgenden Überblick über den Inhalt der Handschrift werden die Kapitelüberschriften, welche die von Goetzmann verwendete Vorlage benennen, nur dann um die Incipits der Texte ergänzt, wenn die Rubriken allein eine Identifikation des Textes nicht ermöglichen oder eine Edition des Textes fehlt. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 174 ii. 4 rv Gedicht auf den ‚Grünen Wörth‘ Incipit: |: hernach folgt ein roth geschribene schriftt viehumb [? ] weiß, welche also sagt : | Alle menschen die Christen namen hant [...] Ausgabe: Rieder 1905, S. 160*5-24 (nach D, Bl. 4 v -5 r ). 2. 4 v -8 r Einleitung zur Handschrift i. 4 v -5 v Titel Incipit: |: Folgt Rubrick, ein roth geschribene schriftt, die sagt : | Diß ist die letste enderung vnd neue Stifttung deß Closters zu dem grünen werth mit allen läuffen |: zufällen : | wie es von alterher komen je auß einem stamm in den andern, von dem ersten vrsprung biß es an st: Johann ist komen. Ausgabe: Rieder 1905, S. 160*25-161*28 (nach D, Bl. 5 r -6 r ). ii. 5 v -7 r Inhaltsverzeichnis Text: [5 v ] Item die erste mater ist die erneüwerung von der auch daß erste capitel sagt, wie die liebe stiffter be de gleich mit großen miracklen vnd mit guthen wortzeichen von gott gezwungen wurden, daß sie sich müsten deß haußes zum grünen werth annemen, vnd sagt auch, wie es von altersher ist biß anhero komen, vnd wie es anfänglich in seinem Vrsprung ist gestiftt worden. hier fol: 3 230 [6 r ] Item das ander Capitel sagt, wie daß selbe hauß in den ersten zeithen von den Regulierten Chorherren regiert warr. pag: 11. vnd hier fol: 7 Item daß dritte Capitel sagt, wie der grüne werth annoch denen benedictineren von altorff warr, vnd es von ihnen ist in ehren gehalten worden. pag: 13. hier fol: 9. Item das vierte Capitel sagt, in welcher me nung Rulman merschwin den grünen werth von denen benedictineren von altorff kaufft vnd ihn angefangen zu (r über der Zeile nachgetragen) erneüwerń in seinen gebäuw. p. 14. hier fol: 10 230 Die im Inhaltsverzeichnis angegebenen Seiten- und Blattzählungen differenzieren zwischen dem kopierten ‚lateinischen Memorial‘ und der vorliegenden Handschrift: Während die für Kapitel 2 bis 18 stets zuerst gegebenen Seitenangaben (pag. bzw. p.) auf das von Goetzmann abgeschriebene lateinische Memorial zu referieren scheinen (ein Bezug auf die volkssprachliche Vorlage [D] kann ausgeschlossen werden, da die Angaben nur bis zum siebten Kapitel mit den Blattzahlen in D übereinstimmen), beziehen sich die nachträglich hinzugefügten Folioangaben auf die Paginierung (! ) der Abschrift Goetzmanns. ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; G) 175 Item daß fünftte Capitel sagt, wie der grüne werth endlich auß göttlicher fürsichtigkeith dem Johanniterorden ist gegeben worden. p: 15. hier fol: 12 Item das sechste Capitel sagt vnd enthaltet in sich den brieff deß obersten meisters in teütschen landen, Conrad von brunsberg, welher reden thut von allen bedingunken mit welhen daß hauß zum grünen werth dem orden ist geben worden vnd von denen dre weltlichen pflegern, die diß hauß handhaben sollen, vnd es ihnen anbefohlen ist. p: 17. hier fol: 15. Item daß siebende Capitel enthaltet den bestättigungs brieff deß großmeisters zu Rodis. p. 24. hier fol: 23 Item daß achte Capitel sagt von denen wercken deß heiligen geists vnd offenbahrung mit den großen miracklen, krafft deren die sacriste vnd new bau ist gebauen vnd gewe het worden p. 25. hier fol: 25 Item daß neünte Capitel sagt, wan vnd auß welcher me nung der spithal ist gebauen, [6 v ] vnd gewe het worden. p: 33. hier fol: 34. Item daß zehnte Capitel sagt, auß waß für me nung der köstliche lange gang vmb den garthen, vnd andere lustige gebäu seind gebauen worden. p. 34. hier fol: 37 Item daß Eilffte Capitel sagt von den bewährten zeignussen über alle vorgeschribene ding p. 36. hier fol: 40 Item daß Zwölftte Capitel sagt von einigen betrübten zufällen dißes haußes. p. 38. hier fol: 42 Item daß dre zehnte Capitel sagt von dem End Rulman Merschweins. p. 115. hier fol: 247. Item daß vierzehnte Capitel ist die andere mater , vnd sagt von denen ersten vier jahren deß Rulman Merschweins, so er selbst geschriben vnd zwahr besonders von dem ersten jahr seiner bekehrung. p. 89. hier 105 Item daß fünfzehnte Capitel sagt von dem andern vnd dritten jahr seiner bekehrung p. 95. hier fol: 113. Item daß sechzehnte Capitel sagt vom vierten jahr seiner bekehrung. p. 97. hier. fol: 116. Item daß siebenzehnte Capitel sagt von denen fünff männern leben, vnter denen sich der erste 18 jahr lang sehr übte in dem le den vnsers herren. p. 119. hier fol: 184 185 Item daß achtzehnte Capitel sagt von dem anderen vnter den fünffen. p. 120. fol. 189 Item daß neünzehnte Capitel sagt von deß dritten mans leben. fol: 204. Item daß zwantzigste Capitel sagt von deß vierten vnter den fünff männern leben fol: 213 Item daß Einvnd zwantzigste Capitel sagt deß Cunrats ihres knechts wandel. fol: 222. [7 r ] Item daß zwe vndzwantzigste Capitel sagt von deß Ruperts ihres dieners wandel fol: 224 Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 176 Item daß dre vnd zwantzigste, daß Rulman Merschweins heimlicher gesell in oberland beschreibt sein eigen leben. fol: 131. 239. Item daß vier vnd zwantzigste Capitel ist der brieff deß oberst meisters in teütschen landen über die dre Vrkundbücher so die dre weltliche pfleger in hand haben. hier vnten fol: 249. Item daß fünff vnd zwantzigst Capitel ist ein abschriftt vnd übersetzung eines lateinischen briefes über die ewige meßß zu ehren st: Jacob von heinrich blanckhart von Löfene einem burger zu Straßburg gestifft wegen einem begangenen todschlag Item daß 26 te ist ein brieff worin die dre weltliche pfleger auch zu pfleger über die ewige meßß st: Jacob erwehlt werden. Item daß 27 te sagt von zwe überblibenen brieff lateinischen, die auch be dem hauß zu [sic! ] grünenwerth bewahrt werden. Item daß 28. te ist ein beschreibung oder ordnung wie man die ewige meß deß Hl. Jacobs täglich schuldig ist zuhalten. hier vnten fol: 257 Item daß 29. te ist ein form, wie die dre weltliche pfleger ihren a d der treü sollen ablegen. Item Ein memorial, worin die ursach vnd vrsprung der stifttung der ewigen meßß zu ehren st: Jacob angezogen wird hier vnten fol: 251 Item wie daß gelt für dise ewige meßß bewendet ist worden. Vnten fol: 259 |: diß ist daß Register aller Capiteln deß teütschen memorial oder vrkünd buchs : | Ausgabe: Rieder 1905, S. 161*29-163*39 (nach D, Bl. 6 r -9 r ). iii. 7 v -8 r Gründung des ‚Grünen Wörth‘ durch Werner von Hüneburg Incipit: |: waß hienach folgt, stehet in dem teütschen memorial buch am anfang deß buchs p. so füglicher hieher gehört : | Der aller erste Vrsprung vnd anfang der kirchen vnd deß alten gebäus zu dem grünen werth beschahe der heiligen dre faltigkeith zu ehren [...] Ausgabe: Rieder 1905, S. 158*1-159*2 (nach D, Bl. 1 r -2 r ). 3. 8 v -29 v ‚Gründungsgeschichte‘ des ‚Grünen Wörth‘ 8 v -10 v 1. Kapitel: |: Erstes Capitel : | Daß erste Capitel sagt, wie die liebe zwein stiffter auf ein übernatürliche weiß von gott bewegt worden daß hauß zu dem grünen werth zu erneüwren, vnd wie es alters her in seinem anfang ist gestifft worden. ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; G) 177 10 v -11 v 2. Kapitel: Daß zwe te Capitel sagt, wie daß hauß zum grünen werth in den ersten zeithen regiert ist worden von den Regulierten Chorherren. 11 v -12 r 3. Kapitel: Daß dritte Capitel sagt, wie der grüne werth hernach denen schwartzen mönchen st: benedict orden zu altorf ist worden. 12 r -13 r 4. Kapitel: Daß Vierte Capitel sagt, wie Rulman Merschwein den Grünen werth von denen altörffern erkaufft vnd widerumb aufgebauen. 13 r -14 v 5. Kapitel: Daß fünftte Capitel sagt, wie daß hauß zum grünen werth an den Johannisorden komen ist. 14 v -18 v 6. Kapitel: Daß sechste Capitel enthaltet den brieff deß obgenanten oberist meisters über annam deß haußes zum grünen werth, sambt den eingegangenen bedingunken. 18 v -19 v 7. Kapitel: Daß siebende Capitel haltet in sich den bestättigunsbrieff deß großmeisters zu Rodis über den vorgeschribenen brieff. 19 v -23 v 8. Kapitel: Daß achte Capitel sagt von der wirckhen deß heiligen geists, vnd offenbahrung mit den großen mirackhlen krafft derer die sacriste vnd new bau ist gebauen vnd gewe het worden. 24 r -25 v 9. Kapitel: Daß neünte Capitel sagt, wan vnd auß welcher me nung der spithal ist gebauen vnd gewe het worden. 25 v -27 r 10. Kapitel: Daß Zehnde Capitel sagt, auß waß vor einer me nung der köstliche gang vmb den garthen vnd andere lustige gebäu seind gebauen worden. 27 r -28 r 11. Kapitel: Daß Eilftte Capitel sagt von denen bewährten Zeignusen aller der vorgeschribenen Capitlen. 28 r -29 v 12. Kapitel: Daß Zwölffte Capitel sagt von einigen betrübten zufällen dißes haußes. Inhaltsangabe: vgl. Handschrift d (Bl. 6 v -24 r ). Ausgabe: Rieder 1905, S. 164*1-187*17 (nach D, Bl. 9 r -42 r ). III. Deutsche Übertragung eines ‚lateinischen Memorials‘ 1. 29 v -32 r 13. Kapitel: Begleitbrief des ‚b ch von dem meister‘ Daß dre zehnde Capitel |: deß Lateinischen memorials : | redet von einem Sendschreiben, so der viel geliebte freünt gottes im oberland denen weltlichen priestern zu dem grünen werth, bevor es dem st: [30 r ] Johannis orden übergeben war, geschriben, |: dan von anno 1366, wie oben gemeldet worden im 4. ten Capitel, alß Rulman Merschwein dieß hauß z m grünen werth an sich erkaufft hatt schon diß gemelte jahr daß zerfallene hauß vnd kirch in wohnhaften Stand gesetzt, biß auf daß jahr 1371, als er daß selbe dem St: Johannis orden geben, waren alda darnach 11 Jahr lang weltliche priester von Rulman Merschwein verordent, vnter disen war Nicolaus de Löffene, der hernach anno 1371 den orden angenomen wie in dem lateinischen memorial fol: 12. b zu lesen : | vnd überschickte ihnen zugleich daß nächst hierunter beschribene buch, welhes handlen Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 178 thut von bekehrung eines magisters in der heiligen schriftt |: diser war der berühmte prediger pater magister Tauler dominicaner oder prediger ordens in der new oder prediger kirch zu straßburg : | in welchem buch daß a.b.c oder alphabet der 23 buchstaben beschriben steht. diser brieff ist vnß zugeschickt worden sambt dem erstgemelten buch zur zeith, da die weltliche priester die kirch zum grünen werth verseheten mit singen vnd betten vnd lautet diß send schriben wie folgt. Inhaltsangabe: vgl. Handschrift B, Bl. 16 v -17 v . Ausgabe: Rieder 1905, S. 225*1-11 und 82*18-84*19. Am Schluß (32 rv ) fügt Goetzmann eine Bemerkung über das Verhältnis der Brüder zu Rulman Merswin und dem Gottesfreund an. Ausgabe: Rieder 1905, S. 82*18-84*10 (nach B, Bl. 16 v -17 v ) und 225*16-226*5. 2. 32 v -58 r 14.-24. Kapitel: ‚b ch von dem meister‘ 32 v -36 v 14. Kapitel: Das vierzehnde Capitel deß lateinischen memorials erzellt wie der vielgeliebte weltliche freünt gottes im oberland einen magister in der gottsgelehrtheith ersucht, er sollte ein hoch gestudirte predig thun so er auch gleich gethan von 24 puncten eines vollkomenen lebens. diser freünt gottes schreibt wie folgt. 36 v -44 r 15. Kapitel: Daß fünffzehnte Capitel in dem lateinischen memorial. Incipit: Nach diser predig gienge alßobald der obgemelte weltliche in sein gasthauß zurück [...] 44 r -48 r 16. Kapitel: Daß sechszehnte Capitel im lateinischen memorial. Incipit: Nun magister nembt dise kinder lexion alß wie von gott herkommen an [...] 48 r -49 v 17. Kapitel: Daß siebenzehente Capitel in dem lateinischen memorial Incipit: Da nun diser magister |: Tauler. Taulerus : | wohl zwe jahr lang in großen anfechtungen vnd verachtungen von seinen freünten vnd mitgesellen wie auch mitbrüdern gelebt, [...] 49 v -50 r 18. Kapitel: Daß achzehnte Capitel in dem lateinischen memorial Incipit: Nun herr magister, |: sagt der weltliche : | wie es mit euch stehet, ist nicht mehr nöthig, daß ich euch weiters vnterrichte [...] 50 r -52 v 19. Kapitel: Daß neünzehnte Capitel im lateinischen memorial Incipit: Auf diß schickte der magister nach dem weltlichen seinem freünt, da er kame erzallte er ihm, waß ihm widerfahren [...] 52 v -53 r 20. Kapitel: Daß zwantzigste Capitel in dem lateinischen. |: in disem Capitel wird die gantze predig angeführt, so der ma- ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; G) 179 gister Tauler auf st: gertruden tag gethan, in welher er denen großen vnd kleinen der statt straßburg ihre fehler gesagt, darumb haben ihm seine ordens brüder verbotten zu predigen : | 53 r -54 v 21. Kapitel: Daß Ein vnd zwantzigste Capitel |: in dem lateinischen memorial : | haltet in sich ein andere predig dißes magisters so er auf den Sonntag Judica gethan in welher er ein förchterliche erscheinung von den peinen deß fegfeürs erzellthat [sic! ], die er selber gehabt. 54 v -55 r 22. Kapitel: Daß Zwe vnd Zwantzigste Capitel im lateinischen, handlet von einer predig so ofttgemelter magister gethan von dem heiligen Sacrament deß altars, welche der obangezogene weltliche deß magisters geistlicher sohn, rathgeber vnd getreüer freüt [sic! ] gottes im oberland einem weltlichen priester zum grünen [55 r ] werth abgeschriben überschickt ein halbjahr nach ankunfft vnd übersendung dißes gegenwärthigen buchs mit dem a.b.c. oder alphabet der 23 buchstaben, vnd fangt er diße predig an, wie folgt 55 r 23. Kapitel: Daß dre vnd zwanzigst Capitel |: in [sic! ] lateinischen : | haltet in sich ein predig, so der nembliche magister ihren fünff eingeschloßenen jungfrawen |: die miteinander in einer clausen oder Clusa auf lateinisch vnd clösterlich lebten : | gehalten hat, vnd ihnen gezeigt, worin daß wahre leben der einsamen vnd eingeschloßenen jungfrawen bestehe, damit sie sicher vnd näher zu gott könen komen. | liße diß gantz Capitel, welhes dise predig völlig in sich enthaltet in 3 seiten blättern mit 23 bezeichnet : | 55 r -58 r 24. Kapitel: Daß Viervnd Zwantzigste Capitel |: im lateinischen memorial : | handlet von deß magisters seeligen end, vnd wie er nach seinem tod dem weltlichen seinem frünt vnd frünt gottes erschinen. Inhaltsangabe: Steer, IV 17. Ausgabe: Schmidt 1875 (nach A, Bl. 229 r -262 v ). 3. 58 r -69 v 25.-28. Kapitel: ‚b ch von den vier ioren sines ane vohenden lebendes‘ 58 r -59 v 25. Kapitel: Vorrede Daß fünff vnd zwantzigste Capitel |: in dem lateinischen memorial : | handlet von einer vorred von dem lebenslauff der ersten vier jahren R lman Merschweins vnseres stiffters, wie er es selbst schriftlich nach seinem tod hinterlassen von anfang seines lebens. Ausgabe: Rieder 1905, S. 228*9-229*29. 59 v -63 v 26. Kapitel: Daß sechs vnd Zwantzigste Capitel |: im lateinischen memorial, so in dem teütschen daß vier zehnte : | Incipit: In gottes namen. amen. Es wüßten alle Christglaübige daß im jahr 1347 ich Rulman Merschwein abschid geben Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 180 vnd abgesagt habe der handelschafft vnd gewin denen ich zuvor oblage [...] 63 v -65 r 27. Kapitel: Daß sieben vnd Zwantzigste Capitel |: in dem lateinischen memorial : | von dem zwe ten vnd dritten jahr deß Rulman Merschweins bekehrung. |: im teütschen memorial daß 15 te capitel : | 65 r -69 v 28. Kapitel: Daß achtvnd Zwantzigste Capitel |: im lateinischen, vnd daß 16. te in dem teütschen memorial : | vom vierten jahr der bekehrung Rulman Merschweins. Inhaltsangabe: Steer, III 1. Ausgabe: Rieder 1905, S. 191*-198* (linke Spalte; nach D, Bl. 42 r - 59 v ); nach B, Bl. 33 r -40 v : Schmidt 1854, S. 54-76; Strauch 1927b (ATB 23), S. 1-27. IV. 29. Kapitel: Kompilation verschiedener Texte zum Leben des Gottesfreundes und Rulman Merswins 1. 70 r -72 v 29. Kapitel (im ‚lateinischen Memorial‘): Bericht über das Leben des Gottesfreundes aus dem Oberland [Zusammenfassung des ‚b ch von dem meister‘, ‚b ch von den zweyen iungen fúnfzehen ierigen knaben‘] Daß neün vnd Zwantzigste Capitel |: im lateinischen, worauß aber alhier der jenige ort dißes Capitels angezogenen [sic! ], in welhem von deß Rulman merschweins guthen heimlichen frunt gered wird, von welhem Rulman merschwein oben in seiner eigenen lebens beschreibung am 28. ten Capitel meldung thut; weil es füglich alhero gesetzt kan werden : | Incipit: Er selbst |: Rulman merschwein : | hat alles im werck vollbracht, waß hieroben, |: anfangs deß 29 ten Capitels, welches hierunten angeführt wird da von seinem end gehandlet soll werden : | geschriben steht, wie solches wohl beweisen thut daß vorgeschribene büchlein von den vier ersten jahren seiner bekehrung handlend [...] 2. 72 v -75 v Fortsetzung des Berichts über das Leben des Gottesfreundes aus dem Oberland [letztes Kapitel des ‚b ch von den fúnf mannen‘] |: von disem Rulman merschweins heimlichem freünt im oberland sagt daß 23 Capitel im teütschen, vnd daß 38. te im lateinischen memorial, da es von denen fünff männern dem fünfften schreibt, welcher fünffte man diser heimliche freünt selbst ist, vnd selbst kürtzlich sein leben beschreibt wie folgt, so er ahn die brüder geschriben : | Ausgabe: Rieder 1905, S. 204*-206* (nach B, Bl. 9 v -11 r ; D, Bl. 92 r -97 r ; E); nach B, Bl. 9 v -11 r : Schmidt 1854, S. 110- 119; Schmidt 1866, S. 130-138; Strauch 1927b (ATB 23), S. 70-83. ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; G) 181 3. 75 v -101 r Auszüge aus dem ‚b ch von den zwey menschen‘ 75 v -86 v 1. Kapitel des ‚b ch von den zweyen menschen‘ (nach dem ‚lateinischen Memorial‘) |: Von disem Rulman merschweins heimlichen freünt im oberland ist merckhwürdig zu lesen vnd hier anzuziehen, daß 39 Capitel im lateinischen, so in dem teütschen niht befindlich, alwo beschriben wird, waß von wunder werck gott mit ihm gewirckt, vnd sagt diß 39 [sic! ] Capitel also wie folgt : | nun folgt daß gespräch zwischen deß Rulman merschweins heimlichem freünt im oberland wohnend, vnd Rulman sinem guthen freünt selbst von ihrem eigenen leben vnd offenbahrung, welches gespräch obgemelter Rulman merschweins heimlicher freünt selbst geschriben vnd dem Rulman Merschwein schriftlich |: nach Straßburg : | geschickt, in disem gespräch wird der heimliche freunt vnd freünt gottes der jüngere genant, vnd der ander [darüber Rulman] der ältere. vnd fangt |: in gemeltem lateinischen : | also an. Am Schluß wird angeführt: |: diße abgeschribene lebensbeschreibung ist die beschreibung deß lebens wandel deß Rulman Merschweins heimlichen freünts im oberland vnd der jüngere genant wird, der sein sein [sic! ] lebens wandel seinem freünt Rulman selbst erzallt hat: vnd ist diße beschreibung auß dem Lateinischen memorial mit A bezeichnet am 39 capitel gezogen (a). [zu (a) am Rand vermerkt: (a) weil daß lateinische ein übersetzung auß dem teütschen buch B ist, so ist niht zu verwundern wan einige vmbständ anderst erzellt werden darumb unter daß teütsche zuleßen, so niht fehlen kan, weil es ein abschriftt deß originals ist.] [= Verweis auf Kap. 39, Bl. 125 r ] Ausgabe: Rieder 1905, S. 234*29-236*3. 86 v -101 r ‚Ein theil von Rulman Merschweins leben‘ [= 2. Kapitel aus dem ‚b ch von den zweyen menschen‘ (nach dem ‚Großen deutschen Memorial‘)] Das Nachwort zum vorangehenden Kapitel wird wie folgt fortgesetzt: Rulman hat ihm hingegen vnter dem namen deß ältern auch sein lebens wandel erzellt wie hierunten fol: 160 folgt, aber diße beschreibung ist auß dem teütschen mit B gezeichnet hinden in der andern taffel am zwe ten capitel fol: 17. gezogen. Rulman sagt. Incipit: [87 r ] Da ich wohl auf zwantzig jahr alt worden, gedachte ich [...] Inhaltsangabe: Steer, IV 1. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 182 Ausgabe: Schmidt 1866, S. 220-239 (nach A, Bl. 201 r -210 r ); Lauchert 1896, S. 21, Z. 16- S. 44, Z. 7 (nach H, Bl. 32 r -69 r ). V. Fortsetzung der Übertragung des ‚lateinischen Memorials‘ 1. 101 r -102 v 30. Kapitel: Vogelnestvision Daß dre sigste Capitel |: im Lateinischen so in dem kleinen teütschen mit C gezeichnet niht befindlich : | handlet von einem vogelnest, in welhem siben annoch vngefederte [101 v ] junger vögel waren, vnd solhes in einem gesicht dem lieben freünt gottes im oberland vorkomen wodurh die brüder zum grünen werde vorgestellt vnd bedeütet wurden. Inhaltsangabe: vgl. Handschrift B, Bl. 15 v -16 r . Ausgabe: Rieder 1905, S. 231*16-232*19 und 80*5-81*23 (nach B, Bl. 15 v -16 r ). 2. 103 r -104 r 31. Kapitel: Ermahnung an die Brüder Daß Ein vnd dre sigst Capitel |: im lateinischen : | handlet von einer auf einer taffel geschribenen ermahnung an die brüder |: zum grünen werth, welhe taffel annoch in der Custore befindlich vnd lautet auf latein geschriben also : | Ausgabe: Rieder 1905, S. 232*20-234*28. 3. 104 r -125 r 32.-38. Kapitel: ‚b ch von den fúnf mannen‘ 104 r -106 v 32. Kapitel: Daß Zwe vnd dre sigste Capitel |: in dem lateinischen, im teütschen aber daß sieben zehntste, vnd sagt daß teütsche also, wie folgt : | Incipit: Item die dritte mater deß gegenwärthigen memorials ist daß buch von den fünff männern, welches der liebe freünt gottes im oberland deß vorgeschribenen stiffters Rulman Merschweins heimlicher gesell vnd mitstiftter denen brüdern zu dem grünen werth auß göttlicher lieb den selben brüdern zur beßerung |: vnd auf erbäulichkeith : | geschriben [...] 106 v -114 r 33. Kapitel: Daß dre vnd dre sigste Capitel |: im lateinischen im teütschen aber daß achtzehnte : | vnd sagt von dem zwe ten bruder, der verheürathet gewesen, von welhem der freunt gottes im oberland vnd heimlicher gesell Rulman merschweins also schreibt. 114 r -118 r 34. Kapitel: Daß Vier vnd dre sigste Capitel |: im lateinischen, im teütschen aber daß 19. te : | sagt von dem dritten man, welher zuvor ein gelehrter [114 v ] jurist, vnd Chorherr warr, vnd ein gnadenreicher, erleuchteter demüthiger priester worden. 118 v -123 r 35. Kapitel: Daß fünff vnd dre sigste Capitel |: im lateinischen, im teütschen aber daß 20. te : | von dem vierten man, so ein jud geweßen vnd wunderbahrlich zum Christlichen glauben kame, vnd ein erleuchteter, begnadeter priester worden, von disem schreibt er alßo. ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; G) 183 123 r -124 r 36. Kapitel: Daß sechs vnd dre sigste Capitel |: im lateinischen memorial mit A außen auf dem rücken gezeichnet, im teütschen memorial mit C bezeichnet aber daß 21. te Capitel : | vnd handlet von dem Conrad, dem koch. 124 rv 37. Kapitel: Daß sieben vnd dre sigst Capitel |: im lateinischen, im teütschen aber daß 22. te Capitel : | handlet von einem diener, der auch ein freünt gottes warr Rupert genant. 124 v -125 r 38. Kapitel: Daß acht vnd dre sigste Capitel |: im lateinischen, im teütschen aber daß 23. te : | sagt, wie der liebe gottes freünt im oberland Rulman merschweins deß stiffters heimlicher gesell zu letst von seinem eigenen leben gar kürtzlich schreibt, vnd auch einer von den fünff männern ist, |: deren leben oben im 32., 33., 34. vnd 35. Capitel beschriben wird : | |: Vnd ist der fünffte der erst gemelte Rulman merschweins heimlicher freünt im oberland, von welhem daß 38 te Capitel im lateinischen vnd daß 23 te Capitel im teütschen memorial schreibt, vnd ist oben im 29. ten Capitel angezogen vnd berschriben worden, weil es sich dahin füglicher geschickt hat gleich (nach nachgetragen) deß Rulmans merschweins lebens beschreibung. siehe also oben im 29 Capitel fol: 126 vnd 131 Inhaltsangabe: Steer, IV 2. Ausgabe: Rieder 1905, S. 199*-207* (linke Spalte; nach D, Bl. 60 r - 97 r ); nach B, Bl. 4 r -11 r : Schmidt 1854, S. 79-119; Schmidt 1866, S. 102-138; Strauch 1927b (ATB 23), S. 28-82. 4. 125 r -130 v 39.-51. Kapitel: Inhaltsangabe des ‚b ch von den zwey menschen‘ 125 r 39. Kapitel: Daß neün vnd dre sigste capitel |: im lateinischen, so in dem teütschen niht befindlich : | ist ein gespräch zwischen deß Rulman merschweins heimlichen freünt im oberland wohnhafft, vnd einem andern (darüber geschrieben: Rulman seinem) guthen freünt gottes von ihrem eigenen leben, welches gespräch R lman merschweins heimlicher freünt selbst geschriben vnd dem R lman merschwein schriftlich zu geschickt. in disem gespräch wird diser gemelte heimliche freünt, vnd freünt gottes der jüngere vnd der ander (darüber geschrieben: Rulman) der ältere genant. |: Dißes Capitel wird oben im 28. ten angezogen vnd berschriben, weil es deß R lman merschweins heimlichen freünts wunderbahr leben vmständlicher beschreibt. siehe fol: 137 alwo es also anfangt, Es waren zwe brüder vnd freünt in dem Elsas. ec. : | 125 r 40. Kapitel: Daß Vierzigste Capitel |: in dem lateinischen, ist die lebensbeschreibung deß anderen freünts (a) [am Rand: nemblich deß Rulmans], mit welhem Rulman merschweins heimlicher freünt daß obgemelte gespräch von ihrem lebens wandel führt : | |: dißes 40. te capitel siehe oben im 28. ten ca- Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 84 pitel fol.: 159 alwo zu leßen, der guthe freünt antwortete alßo. ec. : | 125 r 41. Kapitel: Daß 41. te Capitel |: ist sambt den 42. 43. 44. biß auf daß 51 einschließlich ein vorsetzung deß oben angefangenen gesprächs zwischen obgemelten zwe n freünten : | handlet von dem laster der ehrabschneidung. (ohne Text) 125 v 42. Kapitel: Daß 42. te Capitel handlet von der vergeßenheith deß Le dens Christi. (ohne Text) 125 v 43. Kapitel: Daß 43. te Capitel handlet von der vollkomenen lieb, so viel es möglich. (ohne Text) 125 v 44. Kapitel: Daß 44. te sagt, wie der mensch, der gott dienen will biß ans end, am nächsten zu gott komen köne |: mit gott am nächsten noch be disem leben vereinigt werden köne : | (ohne Text) 125 v -130 r 45. Kapitel: Daß fünff vnd vierzigste erzellt den zustand einer seel eines wackheren weltmans |: wie folgt : | Auf ein andere zeith kamen obgemelt zwe guthe freünt zusamen, vnd sagte der ältere [...] 130 r 46. Kapitel: Daß 46. te Capitel handlet von anhörung der predigen. (ohne Text) 130 r 47. Kapitel: Daß 47. te von der sünd der Vnlauterkeith. (ohne Text) 130 r 48. Kapitel: Daß 48. te wie die gnad gottes dem menschen entzogen wird auß des menschen vnd niht gottes schuld. (ohne Text) 130 r 49. Kapitel: Daß 49. te zeigt, wie zu zeithigen zeithen dem heiligen sacrament deß altars so wenig ehr erwisen wird. (ohne Text) 130 r 50. Kapitel: Daß 50. te sagt, warumb so wenig prediger von der barmhertzigkeith gottes predigen. (ohne Text) 130 rv 51. Kapitel: Daß 51. te waß vor ein vnterschid vnter einem gescheiden man, vnd einem, der gott zulieb alles verlaßen vnd ein einsames leben führt. |: Diße Capitel seind alle würdig vnd nützlich zu leßen, hab sie aber niht wollen auß [130 v ] schreiben, weil die sach daß hauß zum grünen werth in so weit niht angehet, vnd der gleichen mater anderstwo zu lesen seind, vnd daß leben dißer zwe en freünten alß deß heimlichen freünten im oberland vnd deß anderen, mit welhem diß gespräch führt, niht sonderlich betrifft, in des ersten leben schon oben umständlich beschriben : | |: nach dem 51. ten Capitel im lateinischen folgt die beschreibung deß lebens der heiligen jungfrawen vnd mart rin Quitaria. nach dißem folgt ein kurtzer begriff von der stifftung vnd ordnung deß haußes zum grünen werth vnd ermahnung an selbes haußes brüder vnd die dre pfleger auf teütsch. vnd so dan folgende teütsche rihmen. : | 1 ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; G) 185 5. 130 v Gedicht auf den ‚Grünen Wörth‘ Alle menschen die Cristen namen hant [...] Ausgabe: Rieder 1905, S. 160*5-24 (nach D, Bl. 4 v -5 r ). VI. Sammlung verschiedener Auszüge aus anderen Handschriften 1. 131 rv Ermahnung an die Brüder zum ‚Grünen Wörth‘ (29. Kapitel des ‚lateinischen Memorials‘) |: jn dem 29. ten Capitel deß lateinischen memorials welches buch in fol: mit einem A bezeichnet vnd in der Custore befindlich ist annoch hiehero zu setzen vnd würdig zu lesen ein |: Ermahnung an die brüder zum grünen [sic! ], so am end deß 29. ten steht, fangt also an. Praedilecti igitur fratres et personae ec. 2. 131 v -132 r Ermahnung (= redaktionelle Schlußbemerkung der ‚Pflegermemoriale‘ am Ende des ‚b ch von den fúnf mannen‘) |: Im teütschen memorial am end deß 23. ten Capitels steht folgende Ermahnung : | Alle solche große mirackel [...] Ausgabe: Rieder 1905, S. 206*34-207*2 (nach D, Bl. 97 r ). 3. 132 r -135 v Lebensbeschreibung Rulmans (29. Kapitel des ‚lateinischen Memorials‘) |: auf daß end diser gegenwärthigen beschreibung alles deßen, waß sich wegen dem hauß zum grünen werth zugetragen von anfang der stifftung deß selben biß auf den tod deß stiftters Rulman merschweins so im jahr 1382 erfolgt, ist füglich zu beschreiben, waß dißem vnserm lieben stiftter in disem seinem letzten jahr wider fahren, welches im 29. ten Capitel deß lateinischen memorials mit dem A bezeichnet zu lesen vnd sagt wohlgedachter Rulman merschwin also, wie folgt : | |: Rulman merschwein sagt : | im lateinischen 29. Capitel. Es geschahe auf ein sonntag vmb die stund der Tertz [...] Ausgabe: Rieder 1905, S. 230*10-231*15. 4. 135 v -136 v Tod Rulman Merswins = 13. Kapitel der ‚Gründungsgeschichte‘ |: nun folgt auf daß end der beschreibung alles deßen, waß sich mit Rulman merschwein biß 1382 zugetragen die beschreibung deß endes seines lebens, so in dem lateinischen daß 11 te im teütschen aber daß 13. te Capitel ist, vnd lautet also : | Auf wie vielfältige vnd frembde weiß vnser lieber herr vnd gott [...] Ausgabe: Rieder 1905, S. 187*18-190* (nach D, Bl. 39 r -42 r ). 5. 136 v -137 v Urkundliche Beglaubigung der drei Urkundenbücher (24. Kapitel des ‚deutschen Memorials‘) |: Zur bestättigung alles obgeschribenes ist vorhanden vnd hier anzuziehen daß 24 [sic! ] Capitel deß teütschen memorials welhes lautet, wie folgt : | Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 186 Item daß 24. te Capitel ist ein brieff deß obristen meisters in teütschen landen st: Johann ordens [...] Ausgabe: Rieder 1905, S. 15*4-16*10 (nach A, Bl. 6 v ). 6. 137 v -140 r Vorgeschichte der Jakobsmesse |: In dem teütschen memorial befindet sich ein memorial der stiftung einer ewigen meßß zu ehren deß heiligen apostels Jacob betreffend. waß hiervon zu wußen leße waß folgt gezogen auß erstgemeltem teütschen memorial buch, welhes also lautet : | Diß ist ein memorial auß waß ursachen man die ewige meßß zu st: Jacobs ehren täglich schuldig ist zu halten [...] Ausgabe: Rieder 1905, S. 3*-6*38. 7. 140 r -141 v Tafel zur Ordnung der Jakobsmesse |: auß obangezogenem zeignus, so bruder Claus von Löfene, welher einer von den ersten Conuentualen zum grünenwerde gewesen vnd ohne zwe ffel deß gemelten blangharten von Löfene, der dise ewige meßß zu stifttene daß gelt darzu disem bruder eingehändigt, (von wand er zeignus nachgetragen) von diser stifftung gibt, [140 v ] vnd die wahrheith der sach bezeugt [...] Inhaltsangabe: vgl. Handschrift A (Bl. 2 rv ). Ausgabe: Rieder 1905, S. 7*1-27 (nach A, Bl. 2 rv ). 8. 141 v -142 r Rechtfertigung für die Verwendung des gestifteten Geldes |: daß für obgemelte stifttung erlegte paar [? ] gelt ist zu dem baw der neüen kirchen vnd hauß [sic! ] angewendet worden, wie im letsten [sic! ] Capitel deß teütschen memorials buchs meldet wie folgt : | Hie volgt noch wie solch gelt bewendet ist [...] Ausgabe: Rieder 1905, S. 208*28-209*17 (nach D, Bl. 119 v -120 v ). 9. 142 r Zusatz: Weitere Geschichte der Jakobsmesse VII. Eigenständige Zusätze Goetzmanns 1. 142 v Verzeichnis der Bücher des Gottesfreundes bücher, so Rulmans’ merschwein heimlicher freünt demselben zugeschickt vnd selber geschriben Es ist annoch an zumerckhen [sic! ], daß einige bücher von dem lieben freünt gottes im oberland dem Rulman merschwein vnserm stifter zugeschickt worden Von welhen daß lateinische memorial oder Vrk nd buch am end deß 29. te [sic! ] Capitels meldung thut, vnd in der Custore niht befindlich, die er selbst geschriben, vnd seind folgende (nachgetragen: vnd befinden sich auf teütsch in dem großen vrkund buch mit B) Igniculus animae (nachgetragen: im buch B. fol. lib: 7.) Spiritualis et misticus gradus (nachgetragen: im buch B. lib: 6.) Captus miles (nachgetragen: im buch B. fol: lib: 2.) Spiritualis et mistica Scala (nachgetragen: im buch B. lib: 5) Duae claustrales, quibus in carnis brevio Supernaturali modo super capita rubca rosarum serta reperta sunt ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; G) 187 (nachgetragen: im buch B. fol. lib. 4.) ursula clausa. (nachgetragen: im buch B. fol: lib: 3) (nachgetragen: NB in dißem buch B findest noch schöne sachen * daß buch Von den neün felßen ist vorhanden) [zum Einfügungszeichen * vermerkt Goetzmann am unteren Rand des Blattes und der folgenden Seiten: In obgemeltem buch mit B. bezeichnet auf dem ruckhen vnd auf der decke seind folgende alß lib: 1. Von 2 knaben, so ein ander ihr lebens lauff erzellen. der älter ist Rulmans freünt im oberland. lib: 8. ist ein lection an ein jungen bruder in einem orden, wie er vntugenden überwinden soll. lib: 9. Von einem weltlichen, wie er von einem waldpriester auf ein guthen weg geführt. lib: 10 ist ein offenbahrung, so dem freünt im oberland geschehen fol: 262; [auf Bl. 143 r folgt am unteren Rand] lib: 11 von einem jungen weltlichen, wie er in den teütsch orden komen durch rath eines frömen [sic! ] priesters seines nächsten verwanden [sic! ]. lib: 12 der heimlich freünt im oberland schreibt ein morgen vnd abends gebett von [? ]. vide ex altera parte fol: 263 et verte [auf Bl. 143 v folgt am unteren Rand: ] lib: 13 Ein banier büchlen. vnd wahrnung an alle Christen wie sie sich hüthen sollen von allem falschen rath. Lib: 14. Ein büchlen von Rulman merschwein von dre durchbrüchen vnd bekehrung eines geistlichen. lib: 15 Rulman Merschwein schreibt von den sieben werckh der barmhertzigkeith, so gott in dem jenigen würckht, so daß heil [sic! ] sacrament würdig empfangt. lib: 16 Ein buch, so [auf Bl. 144 r folgt am unteren Rand] Rulman Merschwein in seiner letsten krankheith auf befehl gottes schreiben müste von der vorkomenden vnd verdienlichen gnaden, vnd von den 7 gaben deß heil. geists.] 2. 142 v Epitaph Werners von Hüneburg Epitaphium des Ersten stiftters deß haußes zum grünen werde für Regulierte Korherren 3. 143 rv Beschreibung des ‚Grünen Wörth‘ vor der Zerstörung 1633 Beschreibung deß begrifts’ [? ] deß haußes’ zum grünenwerde [entnommen einem Inventario über allen haußrath aus dem Jahr 1631] 4. 144 r Zahl der Priester auf dem ‚Grünen Wörth‘ Wie viel priester be dem grünenwerde geweßen 5. 144 v -145 r Verzeichnis der Komture bis zum Jahr 1731 (Nachträge bis 1770) Series Commendatorum domus viridis Insulae 6. 145 v -146 r Verzeichnis der Prioren Series Priorum Argentinae 7. 146 r -147 r Verzeichnis der Prioren der Schlettstadter Komturei Series Priorum Domus Selestadiensis. 8. 147 v -148 r Verzeichnis der Kustoden Series Custodum Domus Argente. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 188 9. 148 v -152 v Verzeichnis der Brüder Series Fratrum domus viridis Insulae 10. 153 rv Abschrift eines lateinischen Schreibens des Johannes Amandus Schmalriem an den Papst sowie eines ‚Instrumentario‘ aus dem Jahr 1482 Wie viel priester be dem grünenwerde geweßen. 11. 154 r -157 v Verzeichnis der Pfleger Catalogus et Series DD Tutorum seu gubernatorum famlarium [sic! ] domus ad viridem Insulam argentinae [Abschrift eines Katalogs des Komturs Johannes Bartholomäus Köbel (gest. 8. Oktober 1718)] 12. 158 r -161 v Schlichtung eines Streits zwischen dem Johannitermeister in deutschen Landen und dem Konvent zu Straßburg durch den Regenten und Rat im oberen Elsaß vom 12. März 1552 Schickhsaal so dem hauß zum grünen werde zugefügt worden [1547-1549] 13. 161 v -162 r Zahl der Brüder im Jahr 1595 14. 162 r -163 r Bulle Papst Clemens’ VIII. vom 5. April 1596, welche dem Komtur das Recht gibt, Mitra, Ring und Bischofsstab zu tragen 15. 163 v -168 r Incorporierung vnd Schickhsaal daß hauß Schlettstatt betreffend. 16. 168 rv Zahl der Priester in verschiedenen Kommenden 17. 169 r -191 v Geschichte der Komturei vom Lutherthumb bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts 18. 192 r -196 r Bericht über den Fund der Gebeine Rulman Merswins und Werners von Hüneburg beim Bau eines Arbeitshauses auf dem ‚Grünen Wörth‘ im Jahr 1739 Bericht wegen den gefundenen toden sarchen auf dem grünen werd [Bl. 196 v unbeschrieben] 19. 197 r -201 r Verzeichnis der Priester im Johanniterorden in deutschen Landen zwischen den Jahren 1520 und 1528 20. 201 v -202 v Alphabetisches Verzeichnis der Johanniterkommenden [Bl. 203 rv unbeschrieben] 21. 204 r -211 v Register [Bl. 212 r unbeschrieben] ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; G) 189 G ESCHICHTE DER H ANDSCHRIFT / V ERHÄLTNIS ZU ANDEREN H ANDSCHRIFTEN : Dem Codex sind auf dem Titelblatt (Bl. 1 r ) und in einem vorgeschalteten ‚Bericht‘ (Bl. 2 r ) Angaben zu seiner Genese und seinem Zweck beigegeben. Bei der Handschrift handelt es sich um eine Abschriftt vnd übersetzung deß sich be der Custore befindlichen in alt teütsch beschribenen memorial- oder Vrkundbuchs von dem Vrsprung, anfang vnd übergebung deß Closters zum grünenwerde zu straßburg ahn den Ritterlichen st: Johann ordens endlich gekommen sagend, auch einiger Capitlen auß dem be obgemelter Custore auch sich befindlichen Lateinischen memorial oder vrkundbuch von obangezogener mater handlend, deren mater sich in dem obbesagtem teütschen nicht befinden, vnd doch merckwürdig seind zum Vntericht vnd erbauung aller gegenwärthig vnd künfttigen Conventual priesteren dißes haußes st: Johann ordens in straßburg. mit einem Zusatz alles deßen, waß sich hernach vom Lutherthumb her biß auf daß jahr 1727 mit demselben hauß weiters zugetragen (G, Bl. 1 r ; Rieder 1905, S. XVII). Der von Goetzmann 1745 vorgenommenen Kompilation lagen somit maßgeblich zwei Handschriften zugrunde, die er in seinem ‚Bericht‘ nochmals genauer charakterisiert: Es befinden sich be der Custore ein teütsch vnd ein lateinisch sogenante memorial bücher, welhe den anfang vrsprung vnd fortgang der stifftung deß haußes zum grünenwerde, wie auch waß sich wegen denen stifftern merckwürdiges zugetragen, weitläufig vnd vmständlich beschreiben; deß teütschen waren vier gleichlautende exemplaria verfertiget, dre wurden denen dre weltlichen pflegern jedem eines zuhanden gestellt, daß vierte dem oberisten meister vnd großprioren in teütschen landen St. Johann ordens, wo von daß be der Custore verwahrte ein abschrift ist (G, Bl. 2 r ; Rieder 1905, S. XVII). Goetzmanns Kopie folgt somit einem Exemplar des ‚Meister‘bzw. ‚Pflegermemorials‘, das wahrscheinlich mit der Abschrift Schmalriems (D) identisch ist, wie nicht allein Goetzmanns Anmerkung auf dem Umschlag von D bezeugt, welche der Inhaltsangabe des alt teütsch beschribenen memorial- oder Vrkundbuchs von dem Vrsprung, anfang vnd übergebung deß Closters zum grünenwerde (G, Bl. 1 r ) entspricht (Vrsprung vnd Fundation deß hausßes z m Grunenwerth, Einband D); auch ein Vergleich mit dem von Goetzmann auf Bl. 4 v -7 r gegebenen Register aller Capiteln deß teütschen memorial oder vrkünd buchs (G, Bl. 7 r ) verdeutlicht die Übereinstimmung der beiden Handschriften. Während der Berliner Codex (d) allein durch seinen Umfang als Vorlage Goetzmanns ausscheidet - das vom Kustos als Vorlage benutzte Manuskript umfaßt 29 Kapitel mit zwei Zusätzen, das Inhaltsverzeichnis in d führt nur 27 Kapitel an -, decken sich die 29 Kapitel der Abschrift des 15. Jahrhunderts (D) mit der Kopie Goetzmanns. Auch die beiden nicht numerierten Zusätze - das memorial, worin die ursach vnd vrsprung der stifttung der ewigen meßß zu ehren st: Jacob angezogen wird, und die Erklärung, wie daß gelt für dise ewige meßß bewendet ist worden (G, Bl. 7 r ) - stimmen mit D überein (die Vorgeschichte der Jakobsmesse findet sich auf Bl. 115 r -119 v , die Rechtfertigung über die Verwendung des gestifteten Geldes auf Bl. 119 v -120 v ); allein der dritte Nachtrag der Handschrift Schmalriems, welcher die Regularitäten für die Aufnahme weltlicher Priester und Laien in die Stiftung erläutert (D, Bl. 121 r -122 r ; Rieder 1905, S. 209*18-209*31), fehlt in G. Da dieser Zusatz jedoch ausschließlich Teile des sechsten Kapitels der ‚Gründungsgeschichte‘ wiederholt und Schmalriem den vorangehenden, zweiten Zusatz auf Bl. 120 v mit amen enden läßt, kann Goetzmann Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 190 auf eine Aufnahme dieses Zusatzes in das Register verzichtet haben. Die dem Grundbestand der ‚Pflegermemoriale‘ vorangeschickten redaktionellen Vorbemerkungen schließlich entsprechen ebenfalls der Rahmung der Texte in D: Obwohl Schmalriem den Bericht über die Stiftung Werners von Hüneburg, der in G nach Titel und Inhaltsverzeichnis (Bl. 7 v -8 r ) gegeben wird, an den Anfang seiner Abschrift setzt (D, Bl. 1 r -2 r ), geht aus Goetzmanns Anmerkung hervor, daß seine Vorlage dem Aufbau in D entspricht: |: waß hienach folgt, stehet in dem teütschen memorial buch am anfang deß buchs p. so füglicher hieher gehört : | (G, Bl. 7 v ). Das zweite von Goetzmann benutzte Manuskript ist nicht erhalten. Es wird von ihm schlicht als lateinisches memorial buch bezeichnet, ohne eine genauere Inhaltsangabe oder Differenzierung vorzunehmen. Goetzmann folgt dieser Handschrift im Aufbau seiner Kompilation, obwohl er zu Beginn seiner ‚Abschrift‘ das Inhaltsverzeichnis seiner deutschen Vorlage kopiert. Kapitelübersicht und -abfolge sind folglich nicht aufeinander abgestimmt. Nach der ‚Gründungsgeschichte‘ (Kap. 1-12) schließen sich nicht unmittelbar die ‚Viten‘ der beiden Stifter an, vielmehr folgt zunächst das ‚b ch von dem meister‘ (Kap. 13-24). Hinter die ‚vier iore[ ] sines anevohenden lebendes‘ (Kap. 25-28) setzt Goetzmann eine Kompilation über das Leben der beiden Stifter (Kap. 29) und ergänzt sie um die aus dem ‚Briefbuch‘ entnommene Vogelnestvision (Kap. 30) und eine Ermahnung an die Brüder zum ‚Grünen Wörth‘ (Kap. 31), bevor er das ‚b ch von den fúnf mannen‘ (Kap. 32-38) anschließt. Nach Goetzmanns Angaben beendet das ‚b ch von den zwey menschen‘ (Kap. 39-51) die lateinische Handschrift, es folgen jedoch einige Zusätze: |: nach dem 51. ten Capitel im lateinischen folgt die beschreibung deß lebens der heiligen jungfrawen vnd mart rin Quitaria. nach dißem folgt ein kurtzer begriff von der stifftung vnd ordnung deß haußes zum grünen werth vnd ermahnung an selbes haußes brüder vnd die dre pfleger auf teütsch. vnd so dan folgende teütsche rihmen. : | (G, Bl. 130 v ). Vergleicht man diesen Aufbau mit den in C zum ‚ersten übriggebliebenen Lateinbuch‘ gemachten Angaben, fallen einige Parallelen auf: Die Rubrik auf Bl. 1 r in C (Rieder 1905, S. 48*1-24) sowie die auf Bl. 49 r -50 v (Rieder 1905, S. 60*20-63*4) ergänzten Bemerkungen zu den übriggebliebenen Lateinbüchern berichten übereinstimmend, das ‚erste übriggebliebene Lateinbuch‘ umfasse acht Sexternionen, die mit der ernuwerunge und der stifter leben und den andern materien, die des huses wúrdikeit bewerent (C, Bl. 1 r ; Rieder 1905, S. 48*18-21; Bl. 49 r ; Rieder 1905, S. 60*21f.), beschrieben seien. Rieder folgert, bei Goetzmanns Vorlage handele es sich um das ‚erste übriggebliebene Lateinbuch‘: Prüfen wir nun, ob dieser Inhalt mit den Angaben übereinstimmt, den wir bereits vom ersten Übriggebliebenen Lateinbuch kennen. Es enthält Kapitel 1-12: die Gründungsgeschichte; Kapitel 25-28 und 32-38: das Leben der beiden Stifter und außerdem noch „andere Materien“, von welchen man mit vollem Recht den Ausdruck gebrauchen kann, daß sie des „Hauses Würdigkeit“ bewähren, also alle jene Materien, die im zweiten Lateinbuch als Inhalt des ersten Übriggebliebenen Lateinbuchs angegeben sind. Wenn sodann Götzmann noch „einen kurzen Begriff von der Stiftung und Ordnung des Hauses ... auf deutsch“ anführt, so dürfen wir darin die Stelle 60*26ff. verstehen. Das Gedicht: „Alle Menschen ...“ bildet den Schluß; es ist uns bereits aus dem Pflegermemorial bekannt ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; G) 191 (160*5). Nur eine Lebensbeschreibung der hl. Quitaria ist uns bis jetzt nicht begegnet, sie korrespondiert aber mit dem 88. Kapitel des zweiten Lateinbuchs (59*19), das die Lebensbeschreibung eines heiligen Mannes zum Gegenstande hat. So liegt denn der Schluß nahe: Götzmann’s lateinische Vorlage ist das erste Übriggebliebene Lateinbuch. 231 Tatsächlich stimmen die von Goetzmann in den Kapitelüberschriften gemachten Angaben zum Aufbau des von ihm übertragenen lateinischen Memorials bis auf die letzte materie - das separat im ‚zweiten übriggebliebenen Lateinbuch‘ gebundene ‚b ch von den nún veilsen‘ (A, Bl. 7 v ; Rieder 1905, S. 19*22-30) - mit dem in A gegebenen Inhaltsverzeichnis des noch nicht geschiedenen ersten, lateinischen Urkundenbuchs überein: Allein das 29. Kapitel der Handschrift Goetzmanns scheint mit der ‚hindersten stroffunge‘ Rulmans, die im Inhaltsverzeichnis in A verzeichnet ist, nicht übereinzustimmen, jedoch weist Goetzmann hier explizit auf eine Umstellung zugunsten der Chronologie hin: Er will das Leben der beiden Stifter in unmittelbarer Abfolge präsentieren (vgl. G, Bl. 70 r ). Inhaltsverzeichnis des lateinischen Urkundenbuchs (A, Bl. 7 rv ; Rieder 1905, S. 17*25-18*35) Bll. in G Kapitel in G Item z dem ersten ist in latine z samene in ein b ch geschriben alle die urkúnde vnd mirackele, do mitte dis selbe hus z dem gr nen werde ist ernuwert worden vnd ch wie es in dem aller ersten ursprunge gestiftet wart vnd was grosser, manigualtiger, fr meder trúcke sider dar uf gefallen sint. 8 v -29 v Kapitel 1-12: ‚Gründungsgeschichte‘ des ‚Grünen Wörth‘ Item do noch ein brief, den der liebe gottes frúnt in berlant har abe sante den weltlichen priestern die z dem aller ersten mole hie inne z dem gr nenwerde wonetent vnde die kyrche besungent Sub anno domini millesimo ccc° lxix° 29 v -32 r 13. Kapitel: Begleitbrief zum ‚b ch von dem meister‘ Item das b ch, in dem die berste zile geschriben stot das der liebe gottes frúnt in berlant mit dem selben briefe den weltlichen priestern har abe sante wanne er selber der leye was der den grossen meister der heiligen geschrift wisete vnd lerte das er kam uf den weg der worheit vnd ein erlúhteter, bernatúrlicher, begnodeter gottes frúnt wart, alse das selbe b ch seit das wir ch z tútsche hant von worte z worte noch dem latine. 32 v -58 r 14.-24. Kapitel: ‚b ch von dem meister‘ Item do noch das b ch, das vnser lieber stifter, R leman merswin, noch sime tode mit sin selbes geschrift vnd vnder sime eigenen ingesigele lies hinder ime geschriben vinden von den ersten vier ioren sines anevohenden lebendes alse er sich von der welte z gotte kerte 58 r -69 v 25.-28. Kapitel: ‚b ch von den vier ioren sines anevohenden lebendes‘ 70 r -101 r 29. Kapitel: Kompilation verschiedener Texte zum Leben der Stifter 231 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 42f. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 192 Item die hinderste stroffunge vnd frúntliche warnunge die vns der selbe R leman merswin nút lange vor sime tode us g ttelicheme tribende in eine wahs touele schreip Item das nest mit den siben blutten vogelen das vns der liebe gottes frúnt in berlant glich einre figuren schreip die ime in einre visiunen z lothringen geoffenboret wart 101 r -102 v 30. Kapitel: Vogelnestvision Item z aller nehest noch diser visiunen ist geschriben eine touele die do wiset kúrtzliche uffe alle dise materien, in der die br dere s llent [7 v ] vermanet werden an die gnodenrichen werg gottes vnd sinre erlúhteten frúnde durch die dis hus ernuwert ist vnd si darinne versamelt 103 r -104 r 31. Kapitel: Ermahnung an die Brüder Item der fúnf manne leben das vns der selbe gottes frúnt in berlant ouch schreip z eime gebesserlichen exemplar von sin selbes leben vnd von aller sinre br der leben die do obenan bi einander wonent in einre geselleschaft 104 r -125 r 32.-38. Kapitel: ‚b ch von den fúnf mannen‘ Item das b ch von den zweyen menschen vnder den selben zweyen der liebe gottes frúnt in berlant einre gewesen ist dem die biren, das bl tige t chelin das sch ne vingerlin wart vnd die andern grossen mirackelen alle widerf rent in den ersten fúnf ioren sines anefanges alse er es selber geschriben gap vnserme lieben stiftere, R leman merswine Der ime do gegene widervmb geschriben m ste geben das vorgenante b ch von den vier ioren sines anevanges 125 r -130 r 39.-51. Kapitel: ‚b ch von den zwey menschen‘ Neben das Exemplar des ‚Pflegermemorials‘ (D) und das ‚erste übriggebliebene Lateinbuch‘ tritt ab Bl. 75 v das ‚Große deutsche Memorial‘ (A), das Goetzmann erst während seiner Arbeit bekannt geworden zu sein scheint, da er über das ‚b ch von den zwey menschen‘ zunächst bemerkt, es sei nicht im deutschen Memorial enthalten, sodann jedoch - am Rand - eine Notiz hinzufügt, die auf ein weiteres Manuskript verweist: befindet sich aber in dem großen teütschen memorialbuch mit B gezeichnet fol: 2. der andern taffel deß hintersten theils. dan daß buch B hat 2 theil. daß erste hat 16 bücher oder capitül. der 2. te theil 3 tafflen oder materien die erst hat 33 absätz oder Capitel die 2. te hat 13 vnd 72 seiten blätter alwo. diser 2 er leben beschriben ist (G, Bl. 75 v ). Die vom Kustos hier gegebene Beschreibung der Handschrift, die Auflistung ihres Inhalts am Rand der Bll. 142 v -144 r (vgl. Inhalt) sowie eine Randnotiz Goetzmanns in A (Bl. 192 v ) zeigt, daß es sich um das ‚Große deutsche Memorial‘ handeln muß, dem Goetzmanns Abschrift - nach eigenen Angaben (Bl. 86 v ) - ab Kapitel 2 des ‚b ch von den zwey menschen‘ folgt. Diese Manuskripte - ‚Anniversarium‘ und ‚Bruderschaftsbuch‘ fließen nur in Zusätzen und erklärenden Anmerkungen in die ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; G) 193 ‚Abschrift‘ ein - werden von Goetzmann nicht schlicht kopiert, sondern in einem komplexen Verfahren kompiliert: weilen nun diß erst gemelte teütsche memorial die materien niht nach der ordnung der Zeith, wie eins auf daß andere erfolgt ist, beschreibt, hingegen auch daß Lateinische viel merckwürdiges anziehet, so sich in dem teütschen niht befindet, so hab ich hier alles nach der ordnung gesetzt, so doch, daß ich die völlige Capitul deß teütschen memorials außschreibe, welhe die sach nach ordnung beschreiben; vnd wo ich die Capitul anderst versetze, so ziehe ich sie ahn mit anzug deß blats (G, Bl. 2 r ; Rieder 1905, S. XVII). Goetzmann verwendet, wann immer möglich, eine deutsche Vorlage, lediglich nicht in der Volkssprache vorhandene Texte werden von ihm übersetzt. Diese Regel macht seine Handschrift zu einem Mixtum compositum: Kapitel Inhalt Vorlage 1-12 ‚Gründungsgeschichte‘ ‚Pfleger‘- = ‚Meistermemorial‘ (D) 13-24 ‚b ch von dem meister‘ ‚lateinisches Memorial‘ 25 Vorrede zum ‚b ch von den vier ioren sines ane vohenden lebendes‘ ‚lateinisches Memorial‘ 26-28 ‚b ch von den vier ioren sines ane vohenden lebendes‘ ‚Pfleger‘- = ‚Meistermemorial‘ (D) 29 Leben des Gottesfreundes Von Goetzmann eigenständig (? ) erstellte Zusammenfassung des ‚b ch von dem meister‘ und des ‚b ch von den zweyen iungen fúnfzehen ierigen knaben‘ aus dem ‚lateinischen Memorial‘; es folgen die ersten beiden Kapitel des ‚b ch von den zwey menschen‘, das erste wiedergegeben nach dem ‚lateinischen Memorial‘, das zweite nach dem ‚Großen deutschen Memorial‘ 30 Vogelnestvision ‚lateinisches Memorial‘ 31 Ermahnung an die Brüder Originaltext (‚lateinisches Memorial‘) 32-38 ‚b ch von den fúnf mannen‘ ‚Pfleger‘- = ‚Meistermemorial‘ (D) 39-51 ‚b ch von den zwey menschen‘ (ab Kap. 3) ‚Großes deutsches Memorial‘ Die Komposition der Handschrift wird ergänzt durch Zusätze Goetzmanns: wo ich mit eigen worten rede, so setze ich meine wort zwischen ein parentesis also |.....| (Bl. 2 r ; Rieder 1905, S. XVII). Diese in Klammern gesetzten Anmerkungen sind im wesentlichen als Verständnishilfen zu verstehen, die aus der Sicht Goetzmanns durch den zeitlichen Abstand zum Original notwendig wurden. Die Unterstützung für den Leser läßt sich in verschiedene, nach Umfang und Art der Hilfestellung unterschiedene Kategorien gliedern: Goetzmann setzt schlicht neuhochdeutsche Entsprechungen für antiquiertes Vokabular in Klammern hinter die entsprechenden Termini und paßt die im Mittelhochdeutschen flexiblere Syntax an neuhochdeutsche Gewohnheiten an. Die Tatsache, daß Goetzmann diese im eigentlichen Sinn zu den Opera- Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 194 tionen der Übersetzung gehörenden Eingriffe in den Text detailliert markiert, läßt zunächst vermuten, daß er seine Kopie als einen Weg zur Quelle verstand, d.h. nicht nur den Inhalt seiner Vorlagen erhalten wissen, sondern auch die Lektüre der Quellen selbst erleichtern wollte. Dies erklärt einen weiteren Typ von Zusätzen - Verweise auf spätere Kapitel der gleichen Handschrift oder auf Textstellen in anderen Manuskripten, die über erwähnte Personen und Ereignisse nähere Auskunft geben oder das von Goetzmann Berichtete bestätigen können. Wenn zum Verständnis notwendiges Wissen schließlich auch nicht in anderen Handschriften enthalten ist, erläutert der Kustos selbst Daten, Personennamen und Sachverhalte. Während Rieder das dargestellte Kopier- und Anmerkungsverfahren Goetzmanns als so quellennah einschätzt, daß er nicht nur den Inhalt, sondern auch den Wortlaut des verlorenen ‚ersten übriggebliebenen Lateinbuchs‘ aus G rekonstruieren zu können glaubt, 232 sollen die Kopierpraxen des Kustos im folgenden eingehender untersucht werden: Mit Hilfe einer Gegenüberstellung eines nach dem teütsch Vrkundbuch in G wiedergegebenen Textes mit dem Textverlauf der Vorlage, der Abschrift des ‚Pflegermemorials‘ (D), soll der Umgang mit der volkssprachlichen Quelle charakterisiert und so der Zeugniswert des Manuskripts für den lateinischen Textverlauf erschlossen werden. Auf den ersten Blick bestätigt der in G präsentierte Text der ‚Gründungsgeschichte‘ der Johanniterkomturei den Eindruck einer wortgetreuen Übernahme der Vorlage durch den Kustos, da die Textstruktur der Handschrift G über weite Teile mit D identisch ist. Die Chronik wird in Goetzmanns Vorlage - wie das Inhaltsverzeichnis zeigt - in 13 Kapitel gegliedert, die inhaltlich mit denen in D übereinstimmen. Die Kapitel werden jedoch sowohl im Inhaltsverzeichnis als auch im Haupttext teilweise anders betitelt. Zudem greift Goetzmann in den Textverlauf der Chronik ein, indem er den im Inhaltsverzeichnis als 13. Kapitel der deutschen Vorlage aufgeführten Bericht über den Tod Merswins nicht am Ende der Chronik beläßt, sondern ihn vielmehr nach dem ‚b ch von dem meister‘ und dem ‚b ch von den vier ioren sines ane vohenden lebendes‘ in den hinteren Teil der Chronik (Bl. 69 rv und 135 v -136 v ) stellt, um die von ihm angestrebte Chronologie zu erhalten (vgl. oben: G, Bl. 2 r ; Rieder 1905, S. XVII). Der von Goetzmann gebotene Text erweitert zudem den in den ‚Pflegermemorialen‘ vorhandenen Bestand (ebenso wie E und F) um Bemerkungen aus dem bruderschafftbuch (G, Bl. 25 r ), welche die im neunten Kapitel gegebene Beschreibung des Spitalbaus um die Regeln zur Aufnahme in das Johanniterhospital erweitern. 233 Während Textbestand und -struktur somit Rieders methodisch fragwürdige Rekonstruktion zu legitimieren scheinen, schwindet der Eindruck der großen Nähe zur Vorlage bei einer Durchsicht der Kopie auf kleinteiligere Textdifferenzen, weil allein Goetzmanns Handschrift durch eigenständige Abweichungen in der durch hohe textuelle Stabilität charakterisierten Überlieferung ausgezeichnet ist: Da die zahlreichen, 232 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 42f. Rieders Rekonstruktionsversuch findet sich ibid., S. 40-44, 225*-243*. 233 Goetzmanns in Parenthesen gegebener Verweis auf das bruderschafftbuch mit F bezeichnet (G, Bl. 25 r ) benennt wahrscheinlich auch die Quelle der Beigabe in den ‚Erweiterten Pflegermemorialen‘ E und F. Vgl. S. 160, 165. ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; G) 195 auf den ersten Blick punktuellen Differenzen zudem durch ein durchgängiges Bemühen um einen anschaulicheren, dem modernen Leser eingängigeren Text verbunden sind, läßt sich Goetzmanns Kopie als eine aktualisierende Umgestaltung der ‚Gründungsgeschichte‘ charakterisieren. Stellt man exemplarisch die Anlage des fünften Kapitels der Chronik, welches von der Übergabe des ‚Grünen Wörth‘ an die Johanniter berichtet, in der ‚Pflegermemorial‘-Handschrift D und in der Fassung Goetzmanns gegenüber, um eine isolierte, die Irrelevanz der textuellen Differenzen suggerierende Betrachtung von Einzelwortvarianz zu vermeiden, spiegelt sich Goetzmanns Streben nach einer unmittelbar verständlichen Übertragung des mittelhochdeutschen Originals auf allen Ebenen der Textkonstitution wider: Sowohl die Komposition einzelner syntaktischer Gefüge als auch die Konstruktion des übergreifenden Handlungszusammenhangs zeichnen sich durch eine deutlichere Strukturierung als in D aus. Das komplexe, das Kapitel eröffnende Satzgefüge wird entflochten, indem die nachgestellte genauere Bestimmung der im Inhaltsverzeichnis eher allgemein und daher konturlos bezeichneten manigf ltige[n] anderung (D, Bl. 6 v ; Rieder 1905, S. 169*16), d.h. die reihende Aufzählung aller Orden, welche sich vergeblich um den ‚Grünen Wörth‘ bewarben, in einem Temporalsatz zusammengefaßt wird. Dieser Nebensatz, der mit Weltgeistlichen und Johannitern allein Anfangs- und Schlußpunkt der Suche nach einer geeigneten Ordensgemeinschaft bezeichnet, kann somit als strukturierendes Bindeglied zwischen summarischer Überschrift und detaillierter Beschreibung der Zuführung der Stiftung an einen Orden dienen: D Goetzmann Disz ist von dem fúnfften capittel Und nach vil manigfaltigen l uffen vnd anderungen, die z den selben ziten nacheinander in dem huse z m gr nen werde beschehent mit weltlichen priestern, die anfingent dar z werben vnd dar inn z wonen, Dar nach die augustiner, dar nach die growen múnche von sant bernhartz orden mit vil grosses wolgeziertes heylth ms, Dar nach die brediger von sant dominicus orden, die alle harvmb wurbent ye ein parthie nach der andern Vnd es gern gehebt hetten, vnd das ye z ziten gar an kleinen fr mden dingen entsl g vnd wider abging, so sy vff das hinderst darvmb geredt hette vnd all artickel der bereddung mit irer meisterschafften vrlob vnd gehelle benetzten [? ] vnd verschribent vnd ber ein werent komen (Bl. 15 r ) Das fúnftte Capitel sagt, wie daß hauß zum grünen werth an den Johannisorden komen ist [13 r ] Nach den vielfältigen läuft vnd vmenderungen disem hauß zum grünen werth widerfahren von der zeth her, so die weltliche priester darin wohnten |: dan laut dißen, waß bruder Nicolaus von Löffene einer von den ersten brüdern deß ordens st: Johann sagt, wie zu lesen in dem teütschen memorial buch pag.: vnd in dem bruderschaftt buch mit F bezeichnet hinden Sub Littera C. daß er vier jahr alß weltlicher priester in dem hauß zum grünen werth be Rulman merschwein, dem stiffter, gewohnt biß aufs jahr 1371, in welchem jahr erst das hauß dem st: Johannis orden geben worden, so folgt darauß, daß Rulman merschwein biß dahin durch weltliche priester den gottes dienst hat versehen lassen : | biß auf jetzige zeith, da es von Rulman merschwein [13 v ] erkaufft worden (Bl. 13 rv ; Rieder 1905, S. 169*Anm. 22). Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 196 Neben diesen syntaktischen Vereinfachungen, welche das Geschehen zugleich anders akzentuieren, dient die Einfügung rekapitulierender Zwischenglieder dazu, den narrativen Zusammenhang durchsichtig zu machen. Als die teleologische Ordnung der Erzählung durch die breit ausgeführten Zweifel des fundators an der laikalen, vielleicht zu nachlässigen Spiritualität des Johanniterordens ein retardierendes Moment erhält, welches durch seinen widerständigen Charakter die Zwangsläufigkeit der Narration unterbricht, wird die Aufmerksamkeit des Lesers wieder in die geordneten Bahnen eines Fundationsberichts gelenkt, indem der Stellenwert des referierten Geschehens im Handlungskontinuum der ‚Gründungsgeschichte‘ explizit gemacht wird: Dißes hielte ein zeithlang die übergab dises haußes an die Johanniter zurück (G, Bl. 14 v ). Nicht allein diese augenfällige und daher eingängige Strukturierung des textuellen Gesamtwie Binnengefüges, sondern auch die nachträglich angefügten Anmerkungen Goetzmanns sind durch das Bemühen um einen verständlicheren Text geprägt: Während die bereits erläuterte Kommentierung von Begriffen, erwähnten Personen und erzählten Fakten die einzelne Textpassage in den Corpuszusammenhang einordnet und somit auch bei der isolierten Lektüre der Handschrift G die Verständlichkeit des Erzählten durch das notwendige Kontextwissen gewährleistet, dient die Konkretisierung von Leerstellen der Vorlage zur Entfaltung eines eindeutigen Textsinns. Begnügt sich das Pflegermemorial D so mit dem Hinweis, nicht Merswin und der Gottesfreund allein, sondern auch ander erber personen, die in den ziten desselben huses gewaltig worent (D, Bl. 16 r ; Rieder 1905, S. 170*29f.), hätten sich vehement gegen eine Übergabe der Stiftung an den Ritterorden ausgesprochen, sucht G diese mehrdeutige Textstelle durch die Identifizierung dieser personen mit den obgemelte[n] weltliche[n] priestern (G, Bl. 14 r ) prägnanter zu fassen und somit eine unmißverständliche Lektüre der historia zu ermöglichen. Die vorgenommenen Konkretisierungen scheinen dabei dem Prinzip der Plausibilität geschuldet. Die in d und D gegebene, mirakulöse Begründung, die Zisterzienser und Dominikaner hätten den ‚Grünen Wörth‘ nicht bezogen, weil ettwas gar gef ger, fr mder sachen dar in [viel ] z eim zeichen, das es die almechtige, heilige driualtikeit nit meinde (D, Bl. 15 v ; Rieder 1905, S. 170*2-4), wird in G vollständig rationalisiert: Nicht das Eingreifen der Transzendenz, allein die menschliche Unschlüssigkeit verhindern die Stiftung des ‚Grünen Wörth‘ an Reform- oder Bettelorden: So gar da bald diße bald selbe parthey vermeinte die sach s e gantz richtig, weilen schon alle vnteredungen, bedingunsen [sic! ], artickhlen vnd packhten angenomen vnd vnterschriben waren mit vor willigung ihren ordens obrigkeithen, vnd nur allein in ihren general Capitlen sollten bestättigt werden, so daß nihts mehr schine die sach könne ruckstellig machen, doch kame allzeith etwas dazwischen, so daß die sach zerschlagte vnd zu nihts machte (G, Bl. 13 v ). Von dieser Motivation der Handlung durch Psychologisierung der Personen ausgeschlossen bleibt allein die Inkorporation des ‚Grünen Wörth‘ in den Johanniterorden: Während die mittelalterlichen Textzeugen der ‚Gründungsgeschichte‘ Merswins Widerstand gegen den Ritterorden durch den zwar gewichtigen, aber nicht göttlich legitimierten rate der bernatúrlichen heimlichen frúnde gottes in berlandt (D, Bl. 16 v ; Rieder 1905, S. 171*11) brechen, konturiert G die Einsetzung der Johanniter durchweg ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; G) 197 wunderbar: dan endlich auß rath deß freünts gottes im oberland, dem Gott seinen göttlichen willen deütlich geoffenbahret, hat Rúlman Merschwein dem Johanniter orden daß hauß zum grünen werth aufvnd übergeben (G, Bl. 14 v ). Durch diese pointierte Abgrenzung des ‚faktischen‘ Handlungsverlaufs von der Rationalität eines abwägenden Stifterwillens oder den Argumenten einer zweifelnden Ordensleitung wird die Stiftung an die Johanniter gerade aufgrund ihrer Unwahrscheinlichkeit als Wille Gottes legitimiert. Die skizzierten Charakteristika der Textversion in G - eine übersichtliche Textgliederung, Erläuterungen einzelner Lexeme und Textzusammenhänge sowie die pointiertere Akzentuierung des Geschehens i.S. einer nicht durch menschliche Voraussicht, sondern allein von Gott gelenkten und daher wunderbaren Stiftungsgeschichte - sind wahrscheinlich auf den Anlaß zur Abschriftt zurückzuführen. Die in der Titulatur der Handschrift vom Kustos benannte Funktion seiner Kompilation - Vntericht vnd erbauung aller gegenwärthig vnd künfttigen Conventual priesteren dißes haußes st: Johann ordens in straßburg - ist nicht allein eine Referenz an topische Legitimationsmuster religiöser Historiographie, sondern benennt die konkrete Notwendigkeit der übersetzung : Die memoria an die eigene Gründung und die Grundlagen ihrer Regeln im heiligmäßigen Leben ihrer Stifter ist für die Johannitergemeinschaft nach der Zerstörung ihrer Kirchen- und Klostergebäude im Jahr 1633, der als Krise empfundenen, über 50 Jahre andauernden Duldung in der Pfarrei Jung-St. Peter und der endgültigen Umsiedlung in das ehemalige Dominikanerinnenkloster St. Marx im Jahr 1687 nicht nur zur Legitimation der Ansprüche gegenüber dem Rat der Stadt Straßburg essentiell, vielmehr sucht Goetzmann mit Hilfe der in der Kustorei gefundenen lateinischen und alt teütsch beschribenen memorial- oder vrkundb[ü]ch[er] die Kontinuität der Stiftung zu sichern und einen Identitätsverlust der Kommunität zu verhindern. Das bewußte Anknüpfen an eine durch den Verlust des Gemeinschaftsortes bedrohte Tradition wird dabei nicht allein textuell durch die Erinnerung an die geltungsstiftenden Ereignisse und die ihnen inhärenten Ordnungsprinzipien der Stiftung geleistet, diese narrative ‚Memorialarbeit‘ wird - und dies mag die Abschrift durch den Kustos, dem die Aufsicht über den Gottesdienst, die kirchlichen Utensilien und Paramente übertragen ist, ebenso wie die Verwahrung der Urkundenbücher in der Custore erklären - durch eine kultische Dimension ergänzt: Die in G entworfene Institutionengeschichte kulminiert in der translatio der heiligen gebein deß seeligen Rulmani merschwin im Jahr 1739 (G, Bl. 192 v ), die Goetzmann nochmals ausführlicher und im Hinblick auf die Intention seiner Niederschrift durchsichtiger im ‚Anniversarium‘ der Johanniter (Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752, Bl. 71 r ) beschreibt: Processus verbalis ad diem 29 Septembris hujus libri: Hodie vigesimo octavo mensis Septembris anni millesimi septingentesimi trigesimi noni eodem in loco, ubi olim Ecclesia domus Ordinis nostri ad Viridem Insulam dictae, ac anno 1633 cum aliis edificijs paucis exceptis destructa et solo aequata, extiterat, in qua multorum amicorum Dei corpora inter alia duorum ejusdem domus primi quidem honorabilis viri Mareschalli Werneri de Huneburg anno 1166, et venerabilis viri Rulmani Merschwin secundi anno 1382 defunctorum fundatorum ibidem sepulta requiescunt, a fossoribus, qui erant milites ad publica opera mercede conducti, novorum fundamentorum pro novo aedificio ibidem construendo arbaits hauß dicto, reperta fuere ac effossa duo feretra unum ex stanno elaboratum ligneo inclusum putrefacto, alterum ad Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 198 latus hujus stannei sinistrum distantia unius circiter pedis interjacente ligneum putredine prorsus consumptum. Dicti autem milites fossores volentes partim lucrum certum ex stanno sibi facere partim sperantes se in dicto stanneo feretro praeter ossa etiam quaedam forsan pretiosa reperturos, dictum feretrum vi aperuerunt, nil tamen praeter ossa reperientes, ea in terram projecerunt, et clam stanneum hoc feretrum auferentes ad suas cellas militares deferre, ibique extremam operculi partem, quae caput dicitur, uno et dimidio pede longam ligonibus in frusta tria majora et alia minora confringere. feretrum ipsum ad confringendum datis ligonum ictibus in obtusum contorquere non sunt veriti. re autem quantocius comperta dictum feretrum cum ejusdem operculo, cujus extremam partem, ut dixi, in frusta confractam iamiam vendiderant 47 assibus gallicis, ad locum supradictum referre, ac ossa prius proiecta in illo recondere, ossa vero in feretro ligneo reperta separatim recolligere jussi sunt. quo facto Die sequenti vigesima nona sancto Michaeli archangelo Sacra ego infra scriptus hora quinta serotina cum media concomitantibus clericis ac cruce processionali praeunte dictum feretrum cum ossibus in eo inclusis a loco illo ad viridem jnsulam dicto ad Ecclesiam nostram modernam prius ad S. Marcum dictam ordini nostro loco supradictae 1633 destructae a magistratu hujus urbis per modum restitutionis anno 1687 concessam honorifice deduxi, et inibi ad latus Evangelii altaris B. M. V. extra cancellos ante gradus chori terrae denuo mandavi; o ssa vero in feretro ligneo reperta, extra et secus feretrum hoc stanneum reponi, et quoniam operculum stanneum in extrema parte, id est in capite, confractum et diminutum tegere ac claudere totum feretrum non sufficiebat de super per totam feretri longitudinem a capite ad pedes assere vel tabula contegi feci, ne illa pars feretri propter illam operculi fracturam et diminutionem aperta terrae pervia sit. quoniam etiam hujus modi ossa a dictis fossoribus excussis supradictis ambobus feretris cum defossa terra projecta partim quaedam non nisi post aliquot dies reperta fuerint, eadem ossa sic posthac reperta ac recollecta die 27 octobris in capsula lignea inclusa una parte lapidis, sub quo die 29 Septembris supradictum stanneum feretrum reconditum fuerat cum superinscriptione dicto lapidi incisa Die 29 Septem.[bris] anno 1739, revoluta deponi et dictam modo lapidis partem de super reponi feci. frusta vero, ut supra notavi, a dictis militibus iam 47 assibus gallicis vendita totidem assibus a me redemta ad Custodiam cum particula aliqua vestimenti, quo corpus defuncti vestitum fuerat, deposui. In cujus rei fidem et memoriam praesentem processum verbatim Subscripsi. Die 30 a octobris anni 1739. Fr. Goetzman Custos. NB: Ex certis et indubitatis monumentis pro certo affirmo, et indubitanter assero, quod supra laudata ossa in feretro stanneo reposita esse integrum corpus Beati ac venerabilis Rulmani Merschwin fundatoris nostri, et ut tale veneror, et ab omnibus venerandum sit. Fr. Goetzman custos. [Protokoll zum 29. September dieses Buches: Heute, am 28. September des Jahres 1739, an derselben Stelle, wo einst die Kirche des Hauses unseres Ordens auf dem sogenannten ‚Grünen Wörth‘ - im Jahre 1633 mit anderen Gebäuden bis auf wenige Ausnahmen zerstört und dem Erdboden gleichgemacht - gestanden hatte, in der die Leichname vieler Gottesfreunde, unter anderem von zweien desselben Hauses, ebendort begraben ruhen (als erster der verstorbenen Gründer, der verehrungswürdige Marschall Werner von Hüneburg im Jahr 1166 und als zweiter der verehrungswürdige Rulman Merswin im Jahr 1382), wurden von Ausgräbern, die als Soldaten für öffentliche Arbeiten für Lohn gedungen waren, zum Errichten neuer Fundamente für ein neues Gebäude, Arbeitshaus genannt, zwei Särge gefunden und ausgegraben, einer aus Zinn gearbeitet, mit Holz eingeschlossen, das schon verfault war, ein anderer, links neben diesem zinnernen in einer Entfernung von ungefähr einem Fuß, durch Fäulnis des Holzes völlig zerstört. Die genannten, grabenden Soldaten aber, die einerseits einen bestimmten Gewinn aus dem Zinn für sich erzielen wollten, andererseits hofften, in dem genannten Zinnsarg außer Gebeinen auch vielleicht gewisse Wertgegenstände zu finden, öffneten den genannten Zinnsarg mit Gewalt, fanden aber außer Gebeinen nichts, warfen sie auf die Erde, brachten den Zinnsarg heimlich weg, schafften ihn zu ihren Militärunterkünften, und dort zerbrachen sie ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (Abschrift des 18. Jahrhunderts; G) 199 den äußersten, ein und einen halben Fuß langen Teil des Deckels, der Kopf genannt wird, mit Hacken in drei größere und weitere kleinere Stücke. Sie scheuten sich nicht, den Sarg zuerst mit Hieben der Hacken zu zerkleinern und ihn dann zusammenzupressen. Sobald die Sache aber ruchbar wurde, befahl man jenen, die den in Stücke zerschlagenen Kopf des Sarges schon für 47 gallische Asses 234 verkauft hatten, ihn an den oben genannten Ort zurückzubringen, die vorher weggeworfenen Knochen dort hinein zu sammeln, die in dem hölzernen Sarg gefundenen Knochen aber getrennt zu sammeln. Danach, am folgenden Tag, dem neunundzwanzigsten, dem Fest des Erzengels Michael, habe ich, der Unterfertigte, in der fünfeinhalbten Abendstunde in Begleitung von Klerikern, wobei das Prozessionskreuz vorangetragen wurde, den genannten Sarg mit den in ihm befindlichen Gebeinen von jenem genannten Ort auf dem grünen Wörth zu unserer neuen Kirche mit allen Ehren transferiert, die früher St. Marx genannt wurde und unserem Orden an Stelle der oben genannten, 1633 zerstörten vom Rat dieser Stadt als Wiedergutmachung im Jahr 1687 überlassen wurde, und habe sie ebendort an der Evangelienseite des Marienaltars außerhalb der Schranken, vor den Stufen des Chors wieder der Erde übergeben. Die Gebeine aber, die in dem hölzernen Sarg gefunden wurden, ließ ich separat, neben diesem Zinnsarg begraben, und da der oben, d.h. am Kopf, zerbrochene und verkürzte Zinndekkel den ganzen Sarg nicht mehr überdecken und verschließen konnte, ließ ich ihn oben über die gesamte Länge des Sargs vom Kopf bis zu den Füßen mit einer Holztafel und einem Brett bedecken, damit jener Teil des Sarges wegen der Brüche und Zerstückelung [des Deckels] nicht bei geöffneter Erde zugänglich sei. Da ferner die betreffenden Gebeine von den genannten Ausgräbern, nachdem die beiden oben genannten Särge ausgeleert worden waren, mit der ausgegrabenen Erde weggeworfen wurden und nur manche (einige erst nach einigen Tagen) gefunden wurden, ließ ich eben diese Gebeine, die später gefunden und wieder eingesammelt worden waren, am 27. Oktober in einem hölzernen Kästchen eingeschlossen, unter einem hochgehobenen Teil des Steins, unter dem am 29. September der oben genannte Zinnsarg niedergelegt worden war und auf dem in den genannten Stein eine Inschrift „29. September 1739“ eingeritzt war, erneut begraben und den genannten Teil des Steins wieder darüber legen. Die Stücke aber, wie ich oben erwähnte, [die] von den genannten Soldaten schon für 47 gallische Asses verkauft und für ebenso viele von mir zurückgekauft [worden waren], habe ich mit einem kleinen Stück des Gewandes, mit dem der Körper des Verstorbenen bekleidet war, bei der Kustorei begraben. Für die Zuverlässigkeit und die Erinnerung habe ich das vorliegende Protokoll unterschrieben am 30. Oktober 1739: Bruder Goetzmann, Kustos. N.B.: Aus sicheren und unzweifelhaften Urkunden halte ich es für gewiß, daß die oben erwähnten Gebeine, begraben in dem Zinnsarg, der unversehrte Leib des seligen, verehrungswürdigen Rulman Merschwin, unseres Gründers, sind, und so wie ich ihn verehre, soll er von allen verehrt werden. Bruder Goetzmann, Kustos.] Aus der Translatio dieser Stifterreliquien in die neue Johanniterkirche St. Marx folgt wahrscheinlich Goetzmanns Zusammenstellung der Geschichte des ‚Grünen Wörth‘, welche die Bedeutung des Gründers für die Identität der Stiftung in seiner Lebens- und ‚Wirkungsgeschichte‘ vor Augen führen soll. 234 Der Assis ist eine Straßburger Groschenmünze zu 6 Kreuzern, die vom 16. bis 18. Jahrhundert geprägt wurde. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 200 Obwohl Goetzmanns Kopie somit inhaltlich nicht gravierend von den anderen Exemplaren des ‚Pflegermemorials‘ abweicht, sondern die historia der Stiftung bewahren und den Konventualen verständlich machen will, veranlaßten ihn die historisch bedingte Fremdheit der Vorlagen sowie die neuzeitliche Institutionshistorie zu so maßgeblichen - und entgegen seinem Vorsatz durchaus nicht immer markierten - Eingriffen in die Textgestalt, daß Rieders Annahme, Goetzmanns Kopie biete einen authentischen Zeugen des ‚ersten übriggebliebenen Lateinbuchs‘, nicht geteilt werden kann. Die Handschrift gibt folglich Zeugnis für die Wertschätzung der Geschichte der Institution in der Neuzeit, sie kann jedoch nicht zur Rekonstruktion des ‚ersten übriggebliebenen Lateinbuchs‘ genutzt werden und bleibt daher in der weiteren Untersuchung außer acht. H Das ‚Autograph‘ des ‚b ch von den zwey menschen‘ Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 2745 (olim L germ. 642) B ESCHREIBUNG : Lauchert 1896, S. V-IX; Rieder 1905, S. XVf.; Wickersheimer, Catalogue général des manuscrits, S. 553f. B ESCHREIBSTOFF : Pergament B LATTZAHL / A NZAHL UND A RT DER L AGEN : Die Handschrift setzt sich aus zwölf Sexternionen zusammen, denen am Schluß ein Ternio beigegeben ist. Das erste und das letzte der 150 Bll. ist jeweils als Spiegel auf den Deckel aufgeklebt: 12 VI 143 + III 148 + Spiegelblatt . Eine Lagenzählung in Kleinbuchstaben findet sich am unteren rechten Rand der jeweils letzten Versoseite einer Lage (a-m), allein dem Ternio fehlt eine Lagenbezeichnung. Die Lagen 1-12 weisen zudem eine besondere Form der Blattzählung auf: Die ersten sechs Blätter jeder Lage werden in kleinen römischen Ziffern am Seitensteg der jeweiligen Rectoseite von i bis vi durchnumeriert; während diese Foliierung in der ersten Lage am Fuß der Seite plaziert ist, wandert die Blattzählung der übrigen Lagen sukzessive vom oberen zum unteren Rand des Seitenstegs, so daß an der Position der Foliierung auf dem Seitenrand der Fortschritt innerhalb des Codexes ablesbar ist. Eine durchgehende Bleistiftfoliierung wurde nachträglich hinzugefügt: Sie zählt nur 148 Bll., da sie Bl. 6a und 6b unterscheidet. B LATTGRÖSSE / S CHRIFTRAUM : 13,9 x 10,2 cm; Schriftspiegel 10,1 x 7,2 cm, je 17 Zeilen mit Blindliniierung S CHRIFTTYP / S CHREIBER / H ÄNDE : In dem in Textualis geschriebenen Codex sind drei Hände zu unterscheiden: Neben die Texthand (Abb. 26, 27) treten zwei Schreiber, die die Besitzeinträge am Ende der Handschrift vornehmen: Die Hand, die den Besitzeintrag für Rulman Merswins Frau anfügt (Abb. 28a), versieht den gesamten Text mit Randnotizen (vgl. Bl. 4 v , 11 r , 43 r , 65 r , 99 r ), Notazeichen (Bl. 34 r , 36 v , 39 v ) und ergänzt die Bezeichnung der Gesprächspartner (der eine und der ander) an zahlreichen Stellen (vgl. z.B. Abb. 27) um die (Interlinear)Zusätze der iúnger(e) bzw. der iúnger(e), R leman(n)s geselle und der eltere, 235 die jedoch zum gro- 235 Die Zuweisung der radierten Interlinearglossen an die Hand des ersten Besitzeintrags ist durch einen nicht getilgten Zusatz auf Bl. 93 v möglich: Die Spezifizierung des Sprechers als d’ander [eltere] m kann Das ‚Autograph‘ des ‚b ch von den zwey menschen‘ (H) 201 ßen Teil wieder ausradiert wurden und nur noch schwer zu entziffern sind. 236 Der Schriftvergleich mit dem in B eingenähten Einschub des ‚b ch von den vier ioren‘ sowie der Haupthand der Handschrift J (s. S. 78) läßt den gleichen Schreiber, wahrscheinlich Rulman Merswin, erkennen. Der zweite Besitzeintrag (Abb. 28a, b), der die Handschrift an den Johanniterkonvent weist, wurde von einer dritten Hand vorgenommen, die - obwohl der Eintrag in H rundere Buchstabenformen und verdickte Federzüge zeigt - aufgrund der charakteristischen Morphologie des <g>, <h>, <k> und <w> mit der Haupthand des ‚Großen deutschen Memorials‘ identifiziert werden darf. 237 Ein Hinweis im ‚Großen deutschen Memorial‘ (Bl. 7 v ; Rieder 1905, S. 19*1-19*5), die Komturei besitze das ‚b ch von den zweyen menschen‘ auch in g ter texste geschrift z Tútsche geschriben in eime sundern b chelin, das R lmans was, das er selber schriben tet noch dem exemplar, das ime gegeben wart von sime heimelichen gesellen, dem lieben gottes frúnde in berlant, veranlaßte die Forschung, einen Schriftvergleich der Haupthand der vorliegenden Handschrift mit den ‚Autographen‘ Merswins in B und J vorzunehmen. Lauchert glaubt die „Eigenthümlichkeiten von Merswin’s Orthographie“ 238 im ‚b ch von den vier ioren‘ (B) und im ‚b ch von den nún veilsen‘ (J) auch in der Graphie des Schreibers von H wiederzuerkennen, beruft sich jedoch ausschließlich „auf das consequent vorkommende s = z [...], wo die Johanniter ss schrieben, z.B. losen (lâzen), gelosenheit, gros, groser etc.“ 239 Nimmt man einen detaillierten Vergleich der Graphie der drei Manuskripte vor, zeigt sich, daß die Haupthand nur in wenigen Besonderheiten mit den in B und J zu erkennenden Schreibgewohnheiten übereinstimmt: 240 aufgrund der charakteristischen Form des <l> und des <r> der Hand des Besitzvermerks für Gertrud von Bietenheim zugewiesen werden. 236 Rieder nimmt diese Zusätze erst „gegen Ende“ der Handschrift wahr (Der Gottesfreund vom Oberland, S. 86), sie sind aber an zahlreichen, von Rieder nicht vermerkten Stellen zu erkennen: Die erste Rasur befindet sich auf Bl. 32 r . Regelmäßige, später entfernte Glossierungen sind jedoch erst ab Bl. 67 v sichtbar: Bl. 68 r , 69 v , 70 r , 75 v , 76 v , 77 r , 79 v , 80 r , 80 v , 81 v , 82 r , 82 v , 83 v , 86 v , 93 v , 94 r , 109 r , 110 v , 113 v , 115 r , 116 r , 116 v , 117 r , 117 v , 118 r , 118 v , 121 v , 122 r , 122 v , 127 r , 127 v , 128 r , 129 r , 129 v , 132 r , 133 v , 134 r , 135 v , 137 r , 140 v , 142 r , 142 v , 143 r , 143 v , 144 r , 144 v , 145 r , 146 r . Strauch erklärt die Häufung der Ergänzungen am Schluß des Textes schlüssig durch dessen Struktur: „Wenn sie [die Interlineareinträge] erst von bl. 67 b an häufiger werden, so erklärt sich das aus dem inhalt von cap. 1 und 2, die im wesentlichen einzelrede gegenüber der späteren dialogform bieten“ (Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 117, Anm. 3). 237 Vgl. auch: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 86. 238 Friedrich Lauchert, Einleitung, in: Des Gottesfreundes im Oberland [= Rulmann Merswin’s] Buch von den zwei Mannen. Nach der ältesten Strassburger Handschrift, hg. von Friedrich Lauchert, Bonn 1896, S. V-XI, hier S. IX. 239 Ibid. 240 Die Tabelle weist auch die Übereinstimmungen mit den beiden Nachtragshänden nach, obwohl diese aufgrund der nur kurzen Einträge keine ausreichende Erhebungsgrundlage bilden, da der erste Besitzeintrag in der Forschung bisher Rulman Merswin zugeschrieben wird, der zweite jedoch von ihm unabhängig gedacht ist; daraus ergibt sich, daß der erste Eintrag mit den aus den ‚Autographen‘ gewonnenen Schreibkonventionen übereinstimmen, der zweite Besitznachweis aber, für den eine Vorlage Merswins ausgeschlossen werden kann, deutlich von deren Graphie abweichen müßte. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 202 Graphem Korrespondierendes Graphem in ‚normalisiertem Mittelhochdeutsch‘ Orthographie des Orthographie des ‚b ch von den zwey menschen‘ in H ‚b ch von den nún veilsen‘ in J ‚b ch von den vier ioren‘ in B <a> <o> (beschränkt auf das Wort van) van van von [ebenso Besitzeintrag an Johanniter] <e> 1. für <a> in schwach betonten Silben a. Tonschwächung von Adverbia und Pronomina in der Komposition derz derz derz b. Tonschwächung in Präfixen entwrte entwrte entwrte c. man erscheint als men men men men d. durch ei in der Folgesilbe ausgelöster Umlaut erbeit erbeit erbeit 2. als Graphem des Sekundärumlauts von <a> und des Umlauts von <â> (< >, < >) gemmerlich iemerlich 3. als monographische Variante des <ei> in den Worten beide, heilig und einander bedde helgen (heilig) mitenander bedde ABER heilig beide heiligen [ebenso Besitzeintrag an Johanniter] 4. als Graphem der Delabialisierung a. des < > bzw. <ö> schenne helle sercliche daneben < > n ther h ren schenne helle sercliche daneben < > b se sch nesten forhte ABER freliche, einnete, helle, derret b. des <üe> weste weste - <i> 1. für <e> a. in Präfixen (neben ) inist inist enmag, vnkan [Besitzeintrag an Johanniter: enpf ren] b. in gedeckter Endsilbe bei unbetontem Vokal eigin eigin eigin Das ‚Autograph‘ des ‚b ch von den zwey menschen‘ (H) 203 2. für <ie> si fillent si fillent si <ie> für <i> im Demonstrativ- und Possessivpronomen (neben <i>) diese dien ABER geschriben dinne diese dien ABER geschriben dise [Besitzeintrag an Johanniter: dis] dine <o> 1. als Graphem der Verdumpfung des <â> gnode gnode obbende gnaden [Besitzeintrag an Johanniter: vngenode] abent, obende 2. für / e/ in Ableitungssilben criston criston cristen, vereinzelt criston 3. Rundung des <u> zu <o> nach <w> woste woste wúste 4. für <ou> vrlobe urlob irlobet vrlop gl ben [ebenso Besitzeintrag an Johanniter] <u> nach / w/ , vor / r/ und / n/ ist <u> regelmäßig unterdrückt wrdent wrt wrdent wrst wrt (selten! ) < >, < >, < > 1. für <i> a. in verlihen f r l hen virl hen b. in n t n t, nút, nvt n t, nút n t [ebenso Besitzeintrag an Merswins Frau] c. in hinder h nder h ndersten hinder 2. für <û>, <u> l ter geb ren, gebvren l ter (neben l ter) geb ren lúterlich 3. für <iu> r we getr we r we g ngesten r we trúwe 4. Präfixe a. ver- f r numft f rlorn vir numft vir stonde vúrlorn vúrzeret b. ererbarmen rschrecket, erschrecket rbermen rschrag úrbermede Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 204 < > 1. für <e> geh bet, gehebet sch deliche Dieses diakritische Zeichen konnte in H nicht nachgewiesen werden. 2. für <öu> fr de ged fet fr de ged fet <ee> tritt nur mit <w> auf eewig eewig ewekeit ewekliche [Besitzeintrag an Johanniter: ewikeit] < > für <ou> h bet h bet h bet < > 1. für <o> h ffart, hoffart f l hofestat f l, folle vol 2. für <â> m le, mole m le, mole mole 3. für <ou> ch ch l fen [Besitzeintrag an Johanniter: gl ben] <uo> für <u> creatuor - creaturen <ve> als Palatalisierungsgraphem für <u>, <uo> vebele vebunge vebele vebunge bvnge <g> 1. für / k/ im Auslaut werg werg mag [Besitzeintrag an Johanniter: werg] 2. für <j> im Anlaut gvngen gvdde g ngesten g belierende gudden iuden 3. ersetzt zwischenvokalisches <j> (bes. nach <ei>, <î>) drigge frigge drigge frigge zweiger frigen 4. Gemination auch nach langem Vokal triggende froggem triggende froggem frogen 5. Ausfall frote junfroewe frote iungfrowen frogete 6. <gk> als Normalschreibung für <ck> digke bligke digke sagkermente dicke sacramente <ch> steht neben <g> im Auslaut schuldich zoch sch ldig erschrach kranch, neben kranc schuldig <l> Gemination heillige selle heillige selle heiligen selen Das ‚Autograph‘ des ‚b ch von den zwey menschen‘ (H) 205 <r> 1. Gemination lerre irre lerre irre ire [Besitzeintrag an Johanniter: iren] 2. <r> für <rr> here dire here dire herre 3. r-Metathese dirthen dirthen dirte <m> 1. für / n/ vor Labial fúrnumftigen virnumft - 2. Gemination eimme eimme eime <n> 1. sekundärer Einschub schennensten wening sch nesten 2. Ausfall, zumeist bei der Partizipialendung / ende/ bekennede bekennede bekennende 3. Gemination onne meinnende onne meinnende minen dinen <ph> für / p/ pheter phine phinlicher - [Besitzeintrag an Johanniter: pflogende] <b> 1. Gemination abber habbe gebben abber gehebbet gebben aber haben geben [Besitzeintrag an Merswins Frau: gebben] 2. fällt aus in gebent gibt gent git - git <p> Gemination appet - apposteln <c> 1. für / tz/ a. Initialposition cit, zit zit, cit zit [ebenso Besitzeintrag an Johanniter] b. nach Vokal lúccel seccen lúccel seccen, siczen, sitzen lúzel sitzze c. nach <l>, <n>, <r> vnce ganc herce vnze ganc, ganz k rce vnze ganz 2. für / k/ in Verbindung mit / l/ , / r/ creatvren cleinnest creat ren cleine creaturen kleinen, cleinen Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 206 <d> 1. Austauschbarkeit von Media und Tenuis im Anlaut gedar dage d fel, th fel ABER trucken getrenge gedar dag d fel ABER trucken getrenge getorste, getrenge truckes, getranges ABER dette 2. in Medialposition dode dode - 3. im Auslaut mid gedanked - mit dvnket 4. Gemination odder lidden sidder odder lidden sidder oder liden sider [Besitzeintrag an Merswins Frau: widder] <s> 1. Wandel von ahd. <sl, sw, sm, sn> zu mhd. <schl, schw, schm, schn> ist nur für <sl> im Ansatz durchgeführt swer, geswinde swerlich, geswind smerzen, gesmac ABER beschliessen swereme, swigende smerzen ABER schlagen (aber slaffe) 2. für <hs> wassende - - <h> 1. Ausfall in welch weller weller - 2. Gemination sehhen beschehhen sehhen beschehhen sehen beschehen 3. Unsicherheit beim Schreiben von <ht> äußert sich durch: a. umgekehrte Schreibung (<th>) d the ferthe d the m the dvhte m hte b. hybrides <ht> oder <th> für <t> welthe thrifaltikeit gethorste mitthe geseithe welthe thrifaltikeit gethorste [Besitzeintrag an Johanniter: Triualtikeit, getorste] c. Buchstabenhäufung etthewas rehthe bihthe etthewas rehther bihter - Da sich die Schreibkonventionen, die H mit B und J teilt, im wesentlichen durch die Provenienz der Handschriften im Alemannischen erklären lassen 241 und ein Vergleich der Buchstabenformen für eine Identifizierung der Texthand aufgrund der unterschiedlichen Schrifttypen nicht möglich ist 242 (Manuskript H ist in Textualis, der Einschub in B in der simpelsten Form 241 Vgl. die Ausführungen auf S. 78-96. 242 Mein herzlicher Dank gilt Karin Schneider. Das ‚Autograph‘ des ‚b ch von den zwey menschen‘ (H) 207 der Textualis, J schließlich in halbkursiver Übergangsschrift geschrieben), 243 kann sich Laucherts Charakterisierung des Manuskripts als „eine unter seinen [Merswins] Augen und in seinem Auftrag hergestellte authentische und durchaus zuverlässige Kopie des nachher [...] vernichteten Originals“ 244 nicht auf paläographische Kriterien, sondern allein auf den Besitzeintrag für Merswins Frau stützen. Strauchs Erklärung, bei dem in A enthaltenen Verweis auf ein sunder b chelin, das [...] er selber schriben tet noch dem exemplar, handele es sich um eine nachträgliche Interpretation des Besitzvermerks in H, scheint somit durchaus plausibel: Möglich [...], dass man später auf dem Grünen wörth eine irrige folgerung [man besitze in H das von Merswin geschriebene Original des Textes] aus der tatsache ableitete, dass das betreffende exemplar correcturen von Merswins hand zeigt und Merswins frau gehört hatte, und die abschrift von Merswin selbst verfertigt sein liess. 245 S CHRIFTSPRACHE : Alemannisch E INRICHTUNG / B UCHSCHMUCK : Die Handschrift ist lediglich rubriziert. E INBAND : Auf dem in Leder gebundenen Holzdeckel finden sich am hinteren Buchdeckel zwei Nagelreste. I NHALT I. 1 r -147 r ‚b ch von den zwey menschen‘ Inhaltsangabe: Steer, IV 1. Ausgabe: Schmidt 1866, S. 205-277; Lauchert 1896. II. 147 v / 148 r Besitzeinträge 1. Besitzeintrag für Gertrud Merswin: wer dis b ch findet, der sol wissen, das es ist froewe gertrvt, r leman merswins wip, vnd sol es ir dvrch got n t vor beheben vnd sol es ir widder gebben 2. Besitzeintrag für die Johanniterkomturei zum ‚Grünen Wörth‘ D is (ist gestrichen) b ch ist des huses vnd der br dere z dem gr nen werde sante Johans orden vnd ist in worden von iren stiftern R leman merswine vnd sime gesellen, dem lieben, erlúhteten gottes frúnde in berlant, durch den ch got dise selben gnodenrichen werg wúrckete Dar vmb sol dis selbe b ch dem huse z dem gr nenwerde [148 r ] nieman in keiner wise niemer enpf ren noch abegeziehen oder vor behaben Er vellet anders in vngenode der heilgen Triualtikeit Vnd der himel kúnigin marien, der m ter gottes vnd aller patronen dez selben gotzhuses vnd tempels z dem Gr nenwerde, Die sú dar vmb pflogende wurdent in zit vnd in ewikeit Alse sunder allen zwiuel wol z gl bende ist 243 Sowohl Lauchert (Einleitung, S. VIII) als auch Strauch (Rezension zu Rieder, S. 104, Anm. 2) glauben demgegenüber, aufgrund der Unterschiede im Schriftduktus der Handschrift H gegenüber B und J Merswin als Schreiber ausschließen zu können. 244 Friedrich Lauchert, Einleitung, S. VIIIf. 245 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 104, Anm. 2. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 208 D ATIERUNG : Die redaktionellen Vorbemerkungen zum ‚b ch von den vier ioren‘ in B nehmen indirekt eine Datierung des ‚b ch von den zwey menschen‘ vor, indem sie davon berichten, der Gottesfreund habe den anefang sins lebendes [...] in tytelieret vnd genennet [...] daz b ch von den zweien menschen (B, Bl. 32 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 1, Z. 16, 22-24) Rulman Merswin im Austausch gegen dessen ‚Vita‘ zugesandt, welche - so das Explicit - im Jahr 1352 fertiggestellt, jedoch erst 1382 aufgefunden wurde (ibid., Z. 4-24). Neben dem hier postulierten, außertextuell jedoch nicht verbürgten terminus post bzw. ad quem der vorliegenden Handschrift bietet allein der erste Besitzeintrag einen Anhaltspunkt für die Datierung des Manuskripts: Da die Handschrift zunächst im Besitz von Rulman Merswins zweiter Frau war, muß sie vor 1370 entstanden sein, da Gertrud am 6. Dezember 1370 gestorben ist. 246 P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Der Entstehungsort der Handschrift ist nicht bekannt, jedoch werden durch die Besitzeinträge am Ende der Handschrift ihre Besitzer seit der Mitte des 14. Jahrhunderts ausgewiesen (s. Inhalt, Bl. 147 v -148 r ): Nach dem Tod von Rulman Merswins Frau Gertrud im Jahr 1370 geht das Manuskript in die Sammlung der Johanniter ein, wo es wahrscheinlich bis zur Auflösung der Bibliothek 1789 verblieb, nach der es - im Unterschied zum maßgeblichen Anteil der Bücher des ‚Grünen Wörth‘ 247 - nicht in den Besitz der Stadtbibliothek, sondern in Privatbesitz übergegangen ist, wie ein Besitzeintrag auf dem hinteren Spiegelblatt ausweist: „Ce manuscrit appartient à A. Straub. chanoine de la Cathédrale de Strasbourg.“ Der Codex wurde vom Domkapitular (Joseph) Alexandre Straub (1825-1891) 248 wahrscheinlich erworben, um seine bedeutende Buch- und Kunstsammlung zur Geschichte des Elsaß zu ergänzen. Bereits zu Lebzeiten als Präsident der ‚Societé pour la conversation des monuments historique d’Alsace‘ für die öffentliche Zugänglichkeit historischer Dokumente engagiert, vermachte Straub der Stadt Straßburg 1883 testamentarisch über 800 Kunstgegenstände und 2800 Bücher, welche zu einem Teil in den Besitz der Universitätsbibliothek übergingen. Vielleicht handelt es sich bei einer der beiden handschriftlich vermerkten Signaturen um eine Numerierung der Bibliothek Straubs: Unmittelbar über der Notiz, die Handschrift stamme aus dem Besitz Straubs, ist so die Zahl 747 vermerkt; gegenüber, auf dem Spiegelblatt unter dem modernen Besitzvermerk der Straßburger Universitätsbibliothek, findet sich der handschriftliche Eintrag T 227. 246 Vgl. Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752, Bl. 57 r : [1370] Obiit domina gertrudis de b tenheim fundatrix huius domus z dem gr nenwerde vxor domicelli R lmanni merswin fundatoris huius domus. 247 Vgl. zur Auflösung der Bibliothek nach der Französischen Revolution: Charles Schmidt, Zur Geschichte der Ältesten Bibliotheken und der ersten Buchdrucker zu Straßburg, Straßburg 1882 [Unveränderter Nachdruck Graz 1971], S. 18f.; Julius Rathgeber, Die handschriftlichen Schätze, S. 132f. 248 Vgl. zu diesem: Louis Schlaefli, Straub, Alexandre, in: Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne 36 (2000), S. 3798f.; Tanja Baensch, „Un petit Berlin“? Die Neugründung der Straßburger Gemäldesammlung durch Wilhelm Bode im zeitgenössischen Kontext. Ein Beitrag zur Museumspolitik im deutschen Kaiserreich, Göttingen 2007, S. 127, Anm. 115 und S. 231-233. Das ‚Autograph‘ des ‚b ch von den nún veilsen‘ (J) 209 J Das ‚Autograph‘ des ‚b ch von den nún veilsen‘ Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 2798 (olim L germ. 665) B ESCHREIBUNG : Rieder 1905, S. XVf.; Strauch 1929, S. V-XV; Wickersheimer, Catalogue général des manuscrits, S. 563. B ESCHREIBSTOFF : Papier; die Originalseiten tragen durchweg das gleiche Wasserzeichen: Reichsapfel Briquet Nr. 2939: Verona 1350; Treviso 1351-1357; Bologna 1353. B LATTZAHL / A NZAHL UND A RT DER L AGEN : 59 Bll. mit moderner Bleistiftfoliierung, eine Seitenzählung von Schweigheusers Hand beginnt mit der ersten Seite des Haupttextes (Bl. 2 r ). Elf Blätter sind im Original verloren und wurden vom apostolischen Notar Joseph Schweigheuser im 18. Jahrhundert nach der Textfassung im ‚Großen deutschen Memorial‘ (A) ergänzt. Dies sind die Doppelblätter [1]/ 14, 2/ 13, 38/ 49, 40/ 47, 42/ 45, 57/ 58. Der nachgetragene Text des ‚b ch von den nún veilsen‘ beginnt jedoch erst auf dem zweiten Blatt, da Schweigheuser Bl. 1 r für eine lateinische Vorrede zum vorliegenden Codex nutzt und auf Bl. 1 v die redaktionellen Vorbemerkungen zum ‚Neunfelsenbuch‘ aus A (Bl. 131 v ; Rieder 1905, S. 38*1-13) kopiert. Aufgrund dieser Ergänzungen im 18. Jahrhundert und der gleichzeitigen Neubindung ist die Lagenstruktur des vorliegenden Codexes nicht uneingeschränkt auf die Originalhandschrift zu übertragen, die - geht man von der vollständig erhaltenen dritten und vierten Lage aus - aus Sexternionen bestand: VII 14 + (VI-1) 25 + 2 VI 49 + III 55 + II 59 . B LATTGRÖSSE / S CHRIFTRAUM : Die im Original erhaltenen Blätter sind unregelmäßig und z.T. schief beschnitten und messen 19,8-20,9 x 14,4-14,9 cm; auf ihnen ist kein Schriftspiegel eingezeichnet. Die sehr dichte Beschriftung schwankt daher stark, nur am linken Rand ist ein relativ konstanter Freiraum (6-8 mm) gelassen, der Fußsteg mißt zwischen 4 und 20 mm. S CHRIFTTYP / S CHREIBER / H ÄNDE : Die Originalhandschrift ist in halbkursiver Übergangsschrift von einer Hand geschrieben (Abb. 29). Durch einen Vergleich mit dem im ‚Briefbuch‘ eingenähten ‚Autograph‘ des ‚b ch von den vier ioren‘ kann gezeigt werden, daß die Einzelhandschrift des ‚b ch von den nún veilsen‘ von der gleichen Hand, folgt man den Angaben in B, der Hand Rulman Merswins geschrieben wurde (vgl. Alphabete in Abb. 15). 249 Die Nachträge der verlorenen Blätter wurden vom 1773 verstorbenen bischöflichen Notar Joseph Schweigheuser aus Hagenau vorgenommen (vgl. die Notiz von Charles/ Karl Schmidt auf der Rectoseite des vorderen Vorsatzblattes), 250 der zwar kein Mitglied der berühmten Straßburger Gelehrtenfamilie war, jedoch als „alsatischer Sammler“ 251 zahlreiche Klosterbibliotheken des Elsaß besuchte, um dort Urkunden abzuschreiben und selbständige Abhandlungen zur Geschichte der Ordensniederlassungen zu verfassen. 252 So erstellte er 1765 eine lateinischsprachige Konventsgeschichte des ‚Grünen Wörth‘ bis zum Jahre 1764, die ‚Succincta commend 249 Vgl. zur Graphie der Handschrift die Beschreibung des ‚Briefbuches‘ (B), S. 78-97. 250 Vgl. Julius Rathgeber, Die handschriftlichen Schätze, S. 8. Im Verzeichnis der Notare des Unterelsaß fehlt Joseph Schweigheuser jedoch: Archives du Bas-Rhin, Répertoire numérique des archives notariales de Basse-Alsace. XVIe s.-1982, erstellt von Marie-No l Bertrand und Fran ois-Jacques Himly, Straßburg 1985. 251 Julius Rathgeber, Die handschriftlichen Schätze, S. 8. 252 Vgl. für eine Zusammenstellung seiner Schriften: ibid., S. 122-124. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 210 Ordinis Presbyterorum Sancti Joannis Baptist Hierosolymitani, Argentin , olim ad Viridem Insulam, vulgo zum grünen Wörth, modo ad Sanctum Marcum, notitia, ex libris publicis veteribusque monumentis excerpta‘, von der ein eigenhändiges Exemplar des apostolischen Notars mitsamt einem Dedikationsschreiben an das Domkapitel zu St. Peter und Paul in Neuwiller aus dem Jahr 1767 (vgl. Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 1410 [olim L als. 740]), eine weitere autographe Ausfertigung des Jahres 1769 (Freiburg/ Br., Universitätsbibliothek, Hs. 93) 253 sowie mehrere Abschriften des 18. und 19. Jahrhunderts erhalten sind (vgl. Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 1005 [olim L als. 273]; Ms. 1411 [olim L als. 741], Ms. 1581 [olim L als. 1016] und Würzburg, Universitätsbibliothek, M. ch. q. 28). Am Ende des Codexes (Bl. 59 rv ) finden sich Schriftproben von zwei mittelalterlichen Händen: Die Hand, die in schwarzer Tinte schreibt, kritzelt in den unbeschriebenen Raum des Bl. 59 r eine z.T. wieder radierte Namensnennung (h hermann), macht auf der Versoseite einige Federproben und fügt am Ende der Seite einen Bücherfluch an: wer dis b ch vindet, der sol es wider geben durch got, er sy ritter oder kneht, f get an den galgen reht. Eine zweite Hand des 15. Jahrhunderts 254 beschreibt Bl. 59 v fast vollständig in bräunlicher Tinte mit Bittformeln: ach liebes liep, hilf mir vser not amen und Ich weiz wol, daz ich fúr, vnd mag doch n t abe lon | Die minecliche zarte d’, von der (aus den verbessert) Ich so grossen kúmer | han, vnd doch so wil ich warten; ir an gesiht mir (grose gestrichen) | m t vnd fr de git [dis gestrichen], die Ich so selten sch wen sol. S CHRIFTSPRACHE : Alemannisch E INRICHTUNG / B UCHSCHMUCK : Der Buchschmuck des Originals beschränkt sich auf die Rubrizierung der Prolog- und Kapitelüberschriften sowie der Anfangsbuchstaben der Kapitel. Zudem wurde im ‚Rügenbuch‘ der erste Buchstabe der Inquitformel die entwurte sprach rubriziert, wenn die Rede der entwurte sich den Sünden einer neuen Personengruppe zuwendet (Bl. 8 v , 9 r , 9 v , 10 v , 11 v , 12 r , 15 r , 15 v , 17 r , 17 v , 20 r ), weitere Mittel der Text- und Satzgliederung fehlen. E INBAND : Auf dem braunen Preßdeckeleinband des 18. Jahrhunderts findet sich auf dem Buchrücken in rotem Leder mit Goldschrift eingeprägt: Rulmann Merschwin. Fundatoris Domus S. Johannis de 9 Rupibus - Antographum [sic! ]. 253 Vgl. Winfried Hagenmeier, Die abendländischen neuzeitlichen Handschriften der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau, Freiburg/ Br. 1996 (Kataloge der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau. Bd. 1: Die Handschriften der Universitätsbibliothek und anderer öffentlicher Sammlungen in Freiburg im Breisgau und Umgebung. Teil 5), S. 19f. 254 Friedrich Lauchert, Einleitung, S. VI. Das ‚Autograph‘ des ‚b ch von den nún veilsen‘ (J) 211 I NHALT I. Besitzeinträge und Notizen späterer Besitzer Spiegelblatt Ex libris Karl Schmidts darunter: 1858. Vente Engelhardt. Vorsatzblatt, recto Besitzeintrag Engelhards: M. Engelhard Notizen Schmidts Original, écrit en 1352 de la main même de Rulmann Meerswin, et conservé après sa mort à la maison de S. Jean. 11 feuillets arrachés, de ce précieux volume, ont été remplacés au 18. e siècle d’après la copie du traité insérée dans le grand Mémorial de la maison de S. Jean (durchgestrichen folgt: lequel aujourd’hui n’existe plus; daneben in Klammern: biffé en 1869 ). La preuve que c’est l’autographe de Merswin; c’est que c’est la même écriture que celle du traité Von den vier joren intercalé dans le Briefbuch, conservé aux archives du département. Le famulus de Merswin, Nicolas de Laufen, qui a formé le Briefbuch, dit expressément que le cahier contenant le traité Von den vier joren est l’original autographe. „Notandum Daß Originale dießes buchs von den Neun Felßen mit Rulman Merschwin deß Stiffters eygener Hand geschriben ist anno 1708 in der Commenda zu Schlettstadt gefunden und den 23. n Jul wider nach Straßburg gebracht worden, aber zu bedauern, daß biß zehen Bläter davon verlohren, welche iedoch auß disem gegenwärtigen Exemplar von Wort zu Wort wider ersetzt worden seindt.“ Note de Schweighaeuser dans l’exemplaire du grand Mémorial, in fol., parchemin (1869). Vorsatzblatt, verso Ex libris des ‚Grünen Wörth‘ 1 r Lateinische Vorrede des 18. Jahrhunderts Benigne Lector. Praesentem hunc Librum de Nouem Rupibus intitulatum a bon memori D. Rulmanno Merschwin, pijssimo Fundatore Domus nostr ad Viridem Insulam vulgo Grünenwerde nuncupat , diuino impulsu manu sua propria scriptum esse nemo dubitauerit, qui eius characterem contulerit cum alio similis form libello in octo folijs etiam sua manu propria conscripto, atque in originali hodiedum existente in alio libro germanico in folio, dicto ‚daß BrieffBüchlin‘. Quod etiam ipsemet Rulmannus fuerit ille Homo, quocum Deus hoc in libro de Nouem Rupibus adeo familiariter conversatus fuit, constat tum ex ipso illius textu collato cum dicto libello Quatuor annorum, tum etiam ex mox sequenti prologo idem indubitato asserente. Quod vero in hoc se ipsum non nominaverit, id tribuendum est profund illius humilitati, quam vndique promicare quivis facile videbit. Animadvertet etiam Lector, ad quantam vit perfectionem et intimam cum Deo familiaritatem iam tunc, id est triginta ante beatum suum obitum annis, ascenderit, tot et tantis supernaturalibus donis et illustrationibus a Deo auctus, quales pr cipui in Ecclesia Sancti diuino munere Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 212 fuerunt consecuti. Vnum Summopere dolemus, quod plura hinc inde folia huius libri de Nouem Rupibus (prout et alia Sanctissima Eiusdem manuscripta) interierint, quae tamen nos ex dicto libro Memoriali de verbo ad verbum suppleuimus. Restat, ut Lector pr fati Rulmanni in capite et calce huiusce libri contentis monitis se conformet. 1 v [Nachtrag: Redaktionelle Vorbemerkungen zum ‚b ch von den nún veilsen‘ aus A] Ausgabe: Rieder 1905, S. 38*1-13 (nach A). II. Text des ‚b ch von den nún veilsen‘ 2 r -59 r Text des ‚b ch von den nún veilsen‘ [Nachträge Bl. 2, 13, 14, 38, 40, 42, 45, 47, 49, 57, 58] Inhaltsangabe: Steer, III 3. Ausgabe: Schmidt 1859; Strauch 1929. [Rest von Bl. 59 r unbeschrieben, mit Abstand zum Text: h hermann] III. Schriftproben 59 v Schriftproben und weitere Notizen waz bin ach Brüder tr st ich ach liebes liep, hilf mir ach liebes liep, hilf mir vser not amen ach liebes liep hilf mir ich ach liebes liep A A b c d f g h i k l m n o Ich weiz wol, daz ich fúr, vnd mag doch n t abe lon; Die minecliche zarte d’, von der (den gestrichen) Ich so grossen k mer han, vnd doch so wil ich warten; ir an gesiht mir (grose gestrichen) m t vnd fr de gat (dis gestrichen), die [? ] ich so selten sch wen sol. wer dis b ch vindet, der sol es wider geben durch got, er sy ritter oder kneht, f get an den galgen recht. A It das sih D ATIERUNG : Zwei Schritte führten die bisherigen Untersuchungen des Codexes zu einer Datierung auf das Jahr 1352: Auf einem im ‚Großen deutschen Memorial‘ eingefügten Blatt (zwischen Bl. 132 und 133) sowie in der lateinischen Vorrede der vorliegenden Handschrift (s. Inhalt) identifiziert Schweigheuser (erstens) die Hand der Originalblätter als die Rulman Merswins; dort heißt es in Übersetzung: Geneigter Leser. Daß das vorliegende Buch mit dem Titel ‚Über die neun Felsen‘ vom seligen Rulmannus Merschwin, dem sehr gläubigen Stifter unseres Hauses auf der grünen Insel, auf Deutsch ‚grüner Wörth‘ genannt, durch göttliche Anregung mit eigener Hand geschrieben wurde, dürfte niemand bezweifeln, der seinen Schriftzug vergleicht mit einem anderen Buch ähnlichen Aussehens in acht Blättern, das ebenfalls von seiner eigenen Hand geschrieben wurde und in einem anderen, deutschen Buch in Folio, genannt das Das ‚Autograph‘ des ‚b ch von den nún veilsen‘ (J) 213 ‚Briefbüchlein‘, im Original erhalten ist. Daß Rulmannus selbst jener Mann war, mit dem Gott in diesem Buch ‚Über die neun Felsen‘ so vertraut sich unterhalten hat, steht erstens fest aus dem Textvergleich selbst mit dem genannten Büchlein der ‚Vier Jahre‘ und zweitens aus dem unmittelbar folgenden Prolog, der eben dies unzweifelhaft als wahr erklärt. Daß er darin sich selbst nicht erwähnt, muß seiner tiefen Demut zugerechnet werden, die jeder beliebige leicht von allen Seiten aufleuchten sehen wird. Der Leser wird auch bemerken, zu welcher Lebensvollkommenheit und inniger Vertrautheit mit Gott er schon damals, d.h. 30 Jahre vor seinem glücklichen Tod, gelangt ist, bereichert mit so vielen und großen übernatürlichen Geschenken und Erleuchtungen von Gott, wie sie die ausgezeichneten Heiligen in der Kirche durch göttliches Geschenk erlangt haben. Eines bedauern wir in hohem Maße, daß hier und da mehrere Blätter dieses Buches ‚Über die neun Felsen‘ (so wie andere hochheilige Schriften) untergegangen sind, die wir dennoch aus dem genannten Memorialbuch von Wort zu Wort ergänzt haben. Es bleibt, daß der Leser sich von Kopf bis Fuß den in diesem Buch enthaltenen Mahnungen anpaßt. In der redaktionellen Vorrede zum ‚b ch von den vier ioren sines ane vohenden lebendes‘ im ‚Briefbuch‘, auf die sich Schweigheuser im zweiten Teil seiner Leseanweisung bezieht und die er als ‚Prolog‘ in J übertragen hat, wird nun der Entstehungszeitraum des ‚b ch von den nún veilsen‘ (zweitens) auf das Jahr 1352 eingegrenzt: Ǒch mag ein ieglich mensche wol mercken vnd sunder allen zwifel gentzliche gl ben bi den minnekosenden worten R lman Merswins vnsers stifters leben, alse dicke es iemen liset vnd vor gelesen het oder lesende wurt das b ch von den nún veilsen das der selbe R lman Merswin ch geschriben het vnd schriben m ste von g tlicher betwúngnisze vnd von in sprechende dez heilgen geistes in der selben meinunge ch das selb b ch von den nún veilsen z tútsch vnd z latine in die drú vrkúnde b cher geschriben ist, wanne sú bede mitenander concordierent vnd gliche hellent an dem tigen worten, an inbrúnstiger minne, an bernatúrlichen, grossen, wunderlichen werken vnd goben gottes, vnd ch bede mitenander geschriben wurdent in den ziten do R lman Merswin vnser stifter von gotte betwungen wart, b cher z schribende alse die daten sagent die bede glich sprechent in disen zweien b chern den nún velsen vnd den vier ioren R lman Merswines anefang, wenne in ir ieglicheme sunderliche geschriben stot das es volbroht wurde dez iores, do man zalte von gotz gebúrte M ccc fúnfzig vnd zwei ior (B, Bl. 32 v ; Rieder 1905, S. 116*8-23; vgl. auch A, Bl. 131 v [Rieder 1905, S. 38*1-13] und C, l. 1 r [Rieder 1905, S. 48*6-18] sowie, in Latein, C, Bl. 1 v [Rieder 1905, S. 49*25-39]). [Auch kann jeder, der die Leben[sbeschreibung] Rulman Merswins, unseres Stifters, liest und zuvor das ‚b ch von den nún veilsen‘ gelesen hat oder es noch lesen wird, anhand seiner minnekosenden (tröstenden) Worte leicht erkennen und ohne allen Zweifel glauben, daß derselbe Rulman Merswin auch [das ‚b ch von den nún veilsen‘] geschrieben hat und schreiben mußte aufgrund göttlichen Zwangs und der Eingebung des Heiligen Geistes. Aus diesem Grund ist das ‚b ch von den nún veilsen‘ auch auf Deutsch und Latein in die drei Urkundenbücher geschrieben worden, weil sie beide miteinander übereinstimmen und gleichlauten in demütigen Worten, brennender Liebe, in übernatürlichen, großen, wunderbaren Werken und Gaben Gottes und auch beide zugleich geschrieben wurden, zu jener Zeit, als Rulman Merswin, unser Stifter, von Gott gezwungen wurde, Bücher zu schreiben, wie die Datierungen berichten, die in diesen zwei Büchern, den ‚neun Felsen‘ und den ‚vier anfangenden Jahren‘ Rulman Merswins, übereinstimmen, denn in jedem von ihnen steht unabhängig voneinander geschrieben, daß es im Jahr 1352 vollendet wurde.] Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 214 Die vorliegende ‚autographe‘ Reinschrift des Textes muß nach diesen Angaben vor 1352 verfaßt und 1352 beendet sein. Diese Datierung wird durch die Wasserzeichenuntersuchung bestätigt: Während Briquet und Schmidt 255 das verwendete, italienische Papier bereits zu Beginn und in der Mitte des 14. Jahrhunderts (1301, 1350- 1357) in italienischen, deutschen und niederländischen Manuskripten nachweisen können, belegt Heitz das Papier mit dem Reichsapfel-Zeichen in den Straßburger Archivbeständen neben der Verwendung in Merswins Manuskript allein im nicht näher bezeichneten ‚Liber Censuum‘ des „Oeuvre Notre Dame“ aus dem Jahr 1391. 256 Eine erneute Wasserzeichenuntersuchung der heute in den Archives de la Ville verwahrten Amtsbücher des Münsterwerks 257 konnte jedoch erweisen, daß es sich bei der Datierung von Heitz um einen Druckfehler handeln muß. Von den zwölf Bänden des ‚Liber Censuum‘ enthält allein Manuskript 1OND 3 mit dem Titel Liber de censibus fabrice Aufzeichnungen, die um das Jahr 1391 entstanden: Die in der Handschrift selbst vorgenommene Datierung MCCCLXXXX steht auf beschädigtem Papier, so daß unsicher ist, ob die Zahl vollständig erhalten blieb; es könnte sich bei dem Codex folglich um den bei Heitz ausgewiesenen ‚Liber Censuum‘ des Jahres 1391 handeln. Unter den gut erkennbaren Wasserzeichen der Handschrift findet sich der in J dokumentierte Reichsapfel jedoch nicht: Bis Bl. 315 überwiegt der bei Schmidt unter Nr. 87 angeführte Widderkopf (daneben ist Nr. 86, ein Brunnenschwengel mit zwei Eimern, erkennbar; beide werden von Schmidt in das Jahr 1390 gewiesen), 258 ab Bl. 330 wurde durchgehend das gleiche Papier mit dem Wasserzeichen Ochsenkopf, darüber Kreuz, verwendet. Auf den 68 Papierblättern der Specificatio parvorum censuum fabrice, cum quibusdam conswetudinibus fabrice, signate sub A. D. 1351 (1OND 7) jedoch ist (wenn auch nie vollständig, da sich das Wasserzeichen teilweise in der Falz befindet) vereinzelt das aus J bekannte Reichsapfel-Wasserzeichen zu erkennen (Bl. 12, 13, 27, 35), wodurch Rieders Vermutung widerlegt wird, die Einzelhandschrift des ‚b ch von den nún veilsen‘ sei „erst nach 1390 angefertigt, darum kein [...] Autograph“. 259 Da die süddeutschen Kopisten bereits ab 1340 einen relativ mühelosen Zugang zu Papier hatten 260 und das in J beschriftete Papier im Jahr 1351 offensichtlich auch im Amtsbuch des Münsterwerks Verwendung fand, ist es wahrscheinlich, daß das ‚Autograph‘ in Straßburg in der Mitte des Jahrhunderts entstand, eine nachträgliche Fälschung durch Nikolaus von Löwen ist auszuschließen. 255 Charles Schmidt, Filigranes de papiers employés à Strasbourg de 1343 à 1525, in: Bulletin de la Société Industrielle de Mulhouse 1877, S. 518-550, hier S. 538; Charles Moїse Briquet, Les Filigranes. Dictionnaire historique des marques du papier dès leur apparition vers 1282 jusqu’en 1600. 4 Bde, Genf 1907, Nr. 2939. 256 Paul Heitz, Les filigranes des papier contenus dans les Archives de la ville de Strasbourg, Straßburg 1902, S. 5. 257 Mein herzlicher Dank gilt Christelle Varin Thuillier für ihre freundliche Unterstützung und Bernhard Metz, Archives de la Ville et de la Communauté urbaine, für die detaillierte Durchsicht der Amtsbücher und die Wasserzeichenuntersuchung der Bände 1OND 7 und 1OND 3. 258 Karl Schmidt, Notice sur les filigranes des papiers, S. 541. 259 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 103. 260 Uwe Neddermeyer, Von der Handschrift zum gedruckten Buch. Schriftlichkeit und Leseinteresse im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Quantitative und qualitative Aspekte, 2 Bde, Wiesbaden 1998 (Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München 61), Bd. 1: Text, S. 259. Das ‚Autograph‘ des ‚b ch von den nún veilsen‘ (J) 215 P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Es ist unklar, ob der am Ende des Textes auf Bl. 59 r angefügte Zusatz h hermann, der nachträglich zum Teil ausradiert wurde, ein Besitzeintrag ist, zu dem die auf der Versoseite angefügte Ermahnung zur Rückgabe des Buches an den Besitzer gehört: wer dis b ch vindet, der sol es wider geben durch got, er sy ritter oder kneht, f get an den galgen recht. Der erste eindeutige Besitzeintrag findet sich auf der Versoseite des Vorsatzblattes, hier ist das Ex libris des ‚Grünen Wörth‘ eingeklebt. Nachdem Rulman das von ihm geschriebene Manuskript in die Kommende einbrachte, muß es jedoch zunächst in die Komturei in Schlettstadt gelangt sein, da es dort - so verrät eine Notiz Schweigheusers im ‚Großen deutschen Memorial‘ (A, Zusatzblatt), die von Schmidt auf das Vorsatzblatt kopiert wurde 261 - im Jahr 1708 wiedergefunden wurde. Die Johanniterniederlassung in Schlettstadt war seit 1399 mit der Johanniterkomturei zum ‚Grünen Wörth‘ vereinigt, ihre Bibliotheken blieben jedoch bis 1746 getrennt. 262 Wie das ‚Autograph‘ der ‚nún veilsen‘ nach Schlettstadt kam, bleibt ungeklärt. Nach dem Auffinden scheint der Codex zunächst in die Johanniterkomturei gelangt zu sein, wo er mit dem Ex libris versehen wurde und wo Joseph Schweigheuser die fehlenden Blätter des Codexes nach dem Textverlauf in A ergänzte. Nach der Aufhebung der Kommende im Jahr 1789 ist die Handschrift wohl in Privatbesitz übergegangen. 263 Die Geschichte der Handschrift wird erst 1858 wieder nachvollziehbar, da sie Schmidt in diesem Jahr aus dem Nachlaß des elsässischen Publizisten und Literaturhistorikers Christian Moritz Engelhardt erwarb - wie Schmidts Notiz unter seinem Ex libris verzeichnet. Engelhardt (25.4.1775- 10.1.1858) - der seit seiner Begegnung mit Jacob Grimm und Achim von Arnim in Paris die romantische Mittelalterbegeisterung teilte und nicht nur für seine Freunde in den Straßburger Archiven nach mittelalterlichen Handschriften suchte, sondern auch die erste Edition des ‚Ritters von Stauffenberg‘ und eines Teils des ‚Hortus Deliciarium‘ vornahm 264 - könnte die Handschrift entweder bei seiner Durchforschung 261 Friedrich Lauchert, Einleitung, S. V. Rieder geht von einem anderen Schreiber aus. 262 Vgl. die Erläuterungen Witters in: Catalogus codicum Manuscriptorum, in Bibliotheca Sacri Ordinis Hierosolymitani Argentorati Asservatorum, confectus a Johanne Jacobo Wittero, Argentorati 1746: Quo igitur Elogio dignus non erit Vir Reverendißimus, atque Amplißimus Dominus, Dominus Joannes Baptista Kentzingerus, Sacri Ordinis Hierosolymitani Commendarum Argentoratensis & Selestadiensis Antistes Infulatus, & cunctarum per Germaniam Vicarius Generalis, qui Opes Librarias ab Illustri Ordine, ex longo jam tempore, tam Argentorati, quam Selestadii, collectas, & per varias temporum vicissitudines minus bene habitas, in unum coadunavit; Conclave iis conservandis idoneum exstrui fecit, atque ut Catalogus Librorum omnium, tam impressorum, quam calamo exaratorum, typis exscriberetur, liberaliter curavit. [...] Dabam Argentorati, ipsis Calend. Octobr. A. R. S. MDCCXLVI. [Diese Lobrede also wird des ehrwürdigsten und hochangesehenen Herrn nicht würdig sein, Herrn Johannes Baptist Kentzinger, Komtur der Kommenden des Heiligen Ordens von Jerusalem in Straßburg und Schlettstadt und Generalvikar aller Komtureien in Deutschland, der die Büchereischätze, die von dem berühmten Orden schon seit langer Zeit sowohl in Straßburg als auch in Schlettstadt gesammelt und durch den unbeständigen Wandel der Zeiten weniger gut erhalten waren, an einem Ort vereinigt hat. Für ihre Aufbewahrung ließ er ein geeignetes Zimmer einrichten und sorgte großzügig dafür, daß die Liste aller Bücher, der gedruckten und der Handschriften, gedruckt wurde. [...] Ich übergab es in Straßburg am 1. Oktober im Jahre des Heils 1746]. 263 Vgl. zur Auflösung der Bibliothek nach der Französischen Revolution: Charles Schmidt, Zur Geschichte der Ältesten Bibliotheken, S. 18f. 264 Vgl. Ludwig Spach, Engelhardt, Christian Moritz, in: ADB 6 (1877), S. 138f.; Lucienne Lapointe, Engelhardt, Christian Maurice (Christian Moritz), in: Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne 9 (1986), S. 809; Lucienne Lapointe, Un strasbourgeois de l’époque romantique. Christian Moritz Engelhardt (1775-1858), in: Annuaire de la Société des Amis du vieux Strasbourg 7 (1977), S. 87-104. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 216 der Straßburger Bibliotheken nach mittelalterlichen Textzeugen in die Hände gefallen sein, oder er könnte sie durch seine Heirat mit Charlotte Schweighäuser (1804) erhalten haben, deren Vater, Johann Schweighäuser (26.6.1742-19.1.1830), 265 1806 die Leitung der städtischen Bibliothek in Straßburg übernahm, welche die Bestände der protestantischen Universität sowie alle während der Französischen Revolution in den aufgelösten Ordenshäusern konfiszierten Bücher umfaßte. Aus Schmidts Nachlaß gelangte die Handschrift in die Universitätsbibliothek Straßburg. 265 Vgl. Georg Kaibel, Schweighäuser, Johannes, in: ADB 33 (1891), S. 345-351; Jean-Pierre Kintz, Schweighaeuser, Jean, in: Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne 34 (1999), S. 3582f. Die Straßburger Familie Schweighäuser steht in keiner verwandtschaftlichen Beziehung zum apostolischen Notar Joseph Schweigheuser, der die Ergänzung der fehlenden Blätter vornahm: vgl. Julius Rathgeber, Die handschriftlichen Schätze, S. 122. Die ‚Gottesfreundliteratur‘ im Archiv der Eigengeschichte 217 2.2.2 Die ‚Gottesfreundliteratur‘ im Archiv der Eigengeschichte: Handschriften als Medien institutioneller Identitätsbildung Die vorangehende, detaillierte Analyse der Textzeugen der ‚Gottesfreundliteratur‘ läßt erkennen, daß es sich bei den tradierten Codices aus der Johanniterkomturei zum ‚Grünen Wörth‘ weder um allein überlieferungsgeschichtlich interessante Speichermedien autonom fixierter Einzeltexte noch um lediglich philologisch aufschlußreiche Dokumente eines sich entfaltenden Fälschungsprozesses handelt; vielmehr bilden die zahlreichen Memoriale mit ihren Überschneidungen im Textbestand und ihren zahlreichen Rück- und Querverweisen einen Handschriftenverbund, der sich um eine umfassende, nach Zielgruppen differenzierte memoria der Stiftung bemüht. Um die rechtliche wie geistliche Regulierung des Konventes den laikalen und klerikalen Gruppen, die auf dem ‚Grünen Wörth‘ lebten, seinen Besitz verwalteten oder die Leitkonzepte des geistlichen Gemeinschaftslebens bestimmten, bekannt zu machen und sie gegenüber Konventsgemeinschaft, Pfründnern und Ordensleitung zu legitimieren, entstanden in der Komturei in Textauswahl und Einrichtung spezifisch zusammengestellte Codices, deren Anlage in vier Phasen erfolgte. Die älteste Überlieferungsstufe bilden die beiden Einzelhandschriften des ‚b ch von den zwey menschen‘ (H, vor 1370) und des ‚b ch von den nún veilsen‘ (J, ca. 1352), zu denen - laut Aussage der Codices - die beiden ehemals selbständig gebundenen und erst nachträglich in das ‚Briefbuch‘ integrierten, ‚autographen‘ Schriften des ‚b ch von den fúnf mannen‘ (B, Bl. 4-11) und des ‚b ch von den vier ioren‘ (B, Bl. 33-40) hinzutreten. Nicht erhalten sind demgegenüber Vorschriften auf Wachstafeln, die nach den einleitenden Ausführungen im ‚Großen deutschen Memorial‘ in großer Zahl existiert haben sollen: Sowohl jene im ersten Teil des Codexes gesammelten t tschen b chere Rulman Merswins als auch die Schriften des Gottesfreundes, die Rulman Merswin in sime ersten ane vange do er sich der welte abe tet, zugesandt, aber der Gemeinschaft von grosser dem tikeit wol drissig ior verborgen worden waren (vgl. A, Bl. 7 v / 8 r ; Rieder 1905, S. 19*34-20*9), habe der Stifter vnlange vor sime tode den br dern in wahs geschrieben übergeben (A, Bl. 6 r ; Rieder 1905, S. 14*19). Sowohl die hier figurierte, primäre Aufzeichnung der Texte auf Wachstafeln, d.h. auf einem für den Wiedergebrauch bestimmten Material, als auch die Anlage der beiden in B aufbewahrten ‚Autographen‘ und des Manuskripts J weisen die Handschriften der ersten Überlieferungsphase als Konzepte aus, die nicht bewahrt werden, sondern ausschließlich als Grundlage für weitere Abschriften dienen sollten. Die beiden Einschübe in B - in der simpelsten Form der Textualis bzw. in Kursive auf preiswertem Schreibmaterial aufgezeichnet und durch ihre Unleserlichkeit charakterisiert - fungieren ebenso wie die flüchtigen Aufzeichnungen der wenig repräsentativen Papierhandschrift J im Tradierungsprozeß der Johanniterkomturei einzig als vorläufiger Textspeicher. Im Begleitbrief des ‚b ch von den fúnf mannen‘ wird die Funktion des in B eingenähten Manuskripts als Rohschrift so auch ausdrücklich thematisiert: In großer Eile verfaßt, sei der Text des Gottesfreundes gar úbele z lesende (B, Bl. 3 r ; Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 218 Strauch 1927b [ATB 23], S. 29, Z. 12f.) und müsse für den Gebrauch in der Johanniterkommende von Nikolaus von Löwen in eine Reinschrift übertragen werden (B, Bl. 3 rv ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 29, Z. 17-22). Ebenso wie das ‚Autograph‘ der ‚Lebensbeschreibung‘ des Gottesfreundes sollte auch das der ‚Vita‘ Merswins - nach dem am Ende des Textes artikulierten Wunsch des Verfassers (B, Bl. 40 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 27, Z. 7-31) - vor der weiteren Rezeption in der Kommende abgeschrieben werden, um den Text nur anonym, d.h. ohne Bezug auf Merswin, zu tradieren. Die beiden ‚autographen‘ Manuskripte der ‚Viten‘ der Stifter sind somit als Instrumente der Textbereitstellung konzipiert, ihre Bewahrung ist nicht selbstverständlich, wird vielmehr in den redaktionellen Vorbemerkungen, die das ‚Briefbuch‘ der Einlage des ‚b ch von den vier ioren‘ voranschickt, ausführlich begründet: vnd wie wol dis gegenwertige b ch R lemannes, vnsers stifters, leben vnd ouch daz vorgonde b ch der fúnf manne leben z Tútsch vnd z latine in den drien vrkúnde b chern vnd in andern b chern manigualtecliche geschriben sint noch danne so s llent dise zwei bappirine b chere, der erste stam vnd vrsprung, ire eigene hant vnd ir selbes geschrift, vf diser hofestat z dem Gr nenwerde bliben vnd gar erwirdeclich gehalten werden glich eime heilt me, in der selben meinunge sú ch in dis brief b chelin gebunden sint, z eime ewigen vrkúnde, do bi wir und alle vnsere noch komen deste me minne gewinnent z allen den andern iren materien (B, Bl. 32 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 1, Z. 24-S. 2, Z. 22). [Und obwohl dieses vorliegende Buch über Rulmans, unseres Stifters, Leben und auch das vorangehende Buch über das Leben der fünf Männer in deutscher und lateinischer Sprache in den drei Urkundenbüchern und in anderen Büchern mehrfach aufgeschrieben ist, trotzdem sollen diese zwei Papierbücher, die erste Ursache und der Ursprung, von ihrer eigenen Hand und in ihrer eigenen Schrift, auf dieser Hofstatt zu dem ‚Grünen Wörth‘ bleiben und in Würde gehalten werden gleichsam wie ein Heiligtum/ eine Reliquie. Mit dieser Absicht wurden sie auch in das ‚Briefbüchlein‘ eingebunden als ewiges Zeugnis, durch das wir und alle unsere Nachkommen um so mehr Wohlwollen gegenüber allen ihren anderen Materien erlangen.] Die Bewahrung der ‚Autographen‘ der Stifter ist folglich nicht durch die textuellen Qualitäten des ‚Originals‘ motiviert, eine Verbürgung des Textsinns durch die Urschrift wird nicht angestrebt, vielmehr erhalten die ‚eigenhändigen‘ Aufzeichnungen als Erinnerungszeichen eine prominente Position für die memoria der Konventsgeschichte. Dienen die in B eingenähten Handschriften sowie Manuskript J somit ausschließlich als Konzeptschriften, artikuliert die Anlage des letzten, zur ersten Phase der Textproduktion gehörenden Überlieferungsträgers, der Handschrift H des ‚b ch von den zwey menschen‘, ein kategorial verschiedenes Textverständnis: Das kleine Format (die Handschrift mißt 13 x 10 cm) und die einfache, aber sorgfältige Einrichtung - nur die Überschriften und einige Initialen sind rubriziert, die Buchstaben nach Interpunktion sind rot durchstrichen - legen Wert auf Lesefreundlichkeit. Der Text wird zwar einfach, aber eingängig und übersichtlich präsentiert, d.h., er wird zur Einzellektüre eingerichtet. Die durch die Konzeption des Codexes suggerierte Verwendung als laikales Andachtsbuch, welche durch den Besitzvermerk an Merswins zweite Frau, Gertrud, bestätigt wird (Bl. 147 v ), scheint auch nach der Übertragung an die Kommunität des ‚Grünen Wörth‘ nicht durch eine gruppenspezifische Lektüre- Die ‚Gottesfreundliteratur‘ im Archiv der Eigengeschichte 219 form substituiert worden zu sein: Die Handschrift fungiert als ein zur individuellen Kontemplation bestimmtes Leseexemplar. Die erste Phase der Handschriftenproduktion auf dem ‚Grünen Wörth‘ dient folglich der Textbereitstellung, ohne eine Verbindung zur Institution des ‚Grünen Wörth‘ in den Vordergrund zu stellen oder den ‚Sitz im Leben‘ in der Johanniterkomturei zu verdeutlichen. Die Integration in einen institutionsspezifischen Gebrauchszusammenhang wird erst in der zweiten Phase der Anlage des Verbundes geleistet, der Erstellung der drie vrkúnde b cher (A, Bl. 6 r ; Rieder 1905, S. 14*16). Diese vor 1385 angelegten Urkundenbücher bilden den Grundstock des institutionsgeschichtlichen Verbundes, auf den sich sowohl ‚Pflegermemoriale‘ (d, Bl. 4 r und 53 r ; D, Bl. 5 r und 97 r ; Rieder 1905, S. 160*28, 206*35) als auch ‚Erweiterte Pflegermemoriale‘ (E, Bl. 105 r und 139 v ; Rieder 1905, S. 219*13 und 222*31; F, Bl. 79 v und 111 r ) und schließlich das ‚Briefbuch‘ berufen (B, Bl. 1 r , 41 r , 42 v ; Rieder 1905, S. 64*17, 116*36, 119*29). Die Bedeutung und Funktion der drei Urkundenbücher für die Stiftung Merswins können aus einer Urkunde abgeleitet werden, die der Meister der Johanniter in deutschen Landen 1385 ausstellte und die in Abschrift im ‚Großen deutschen Memorial‘ enthalten ist: W ir, br der Conrat von Brunsberg, meister in tútschen landen sancte Johans ordens des heiligen spitoles von Jherusalem, bekennent in diseme briefe, das mit vnserme willen und wissende z latine und z tútsch in drú b ch geschriben ist alle die l ffe, alse wir vernommen vnd geh ret hant von erbern personen, wie das hus z dem gr nen werde in dem aller ersten ursprunge von alter ist har kummen Do noch der stifter leben vnd vil anderre gebesserlichen materien, durch die es ist ernuwert worden vnd ouch alle meinungen vnd wisen, alse es noch vil anderungen vnserme ordene gegeben wart do bi wir ouch selber gegenwertig worent vnd es enpfingent vnd dar vmb wellent wir, das dise selben drú b cher z eime ewigen memoriale in dem vorgenanten huse z dem gr nen werde bliben s llent in geheltnisse vnd besorgunge eines kústers der sú an einer gemeinen stat sol haben ligende, die allen br deren des selben (huses nachgetragen) erloubet sige den wir ouch gebietent bi der tugent vnd kraft der heiligen gehorsame das kein br der, n oder har noch, sich der selben drier memoriale b cher niemer vnder winde oder ane genemme, eigenschaft dar ane z habende Wer sú gerne lesen oder bruchen wil, der sol sú do noch z stunt dem kúster wider entwurten uf die selbe gemeine stat z einre steten vermanungen an die gnodenrichen werg gottes und sinre frúnde, die dis selben huses wirdikeit ewikliche bezúgen s llent vmb das es in deste gr ssern eren vnd in eime deste l belichern gottes dienste von allen br dern des vorge vnsers ordens ewikliche gehalten werde Dar z ouch die drie weltlichen pflegere her claus lappe, ritter her heintzeman wetzel, ritter, C nrat z der megede vnd alle ire nochkummen mit flisse sehen s llent vnd getruweliche war nemmen, das die vorge drú memoriale b cher dem huse z dem gr nen werde von niemanne in deheiner wise niemer entf ret werdent wenne wir sú ouch des mehtig machent mit volleme gewalte, so wir in dar úber gebent mit diseme gegenwertigen briefe, den sú ch ewikliche in irre gewalt haben s llent Des z urkúnde hant wir, der vorge br der Conrat von brunsperge, meister in tútschen landen, vnser ingesigel har an gehencket vnd wart gegeben an der lieben, heiligen Jungfrowen sant agnes tag In dem iore, do men zalte von gottes gebúrte dritzehen hundert ior ahtzig vnd fúnf iore (A, Bl. 6 v ; Rieder 1905, S. 15*4-16*10). [Wir, Bruder Konrad von Braunsberg, Meister des Johanniterordens des Heiligen Spitals von Jerusalem in Deutschen Landen, bestätigen in dieser Urkunde, daß mit unserem Willen und Wissen in Latein und Deutsch in drei Bücher alle die Begebenheiten geschrieben wurden, wie wir sie vernommen und gehört haben von ehrbaren Personen, wie und warum das Haus zu dem ‚Grünen Wörth‘ in seinem allerersten Ursprung, von alters her ent- Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 220 stand. Danach [wurden] das Leben der Stifter und viele andere bessernde Materien [aufgeschrieben], durch die es erneuert worden ist, und auch alle Absichten und Vorgehensweisen, mit denen es nach vielen Veränderungen unserem Orden gegeben wurde, wobei wir auch selber anwesend waren und es in Empfang nahmen. Und deshalb wollen wir, daß dieselben drei Bücher zu einer ewigen Erinnerung in dem vorgenannten Haus zu dem ‚Grünen Wörth‘ bleiben sollen in Verwahrung und in der Pflege eines Küsters, der sie an einem öffentlichen Ort aufbewahren soll, zu dem alle Brüder desselben Hauses Zugang haben, denen wir auch gebieten bei der Tugend und der Gewalt der heiligen Gelübde, daß kein Bruder, jetzt oder später, sich der drei Urkundenbücher jemals bemächtigen solle oder behaupten dürfe, sie seien sein Eigentum. Wer sie gerne lesen oder nutzen will, der soll sie danach sogleich dem Küster wieder übergeben an den öffentlichen Ort zu einer stetigen Erinnerung an das gnadenreiche Wirken Gottes und seiner Freunde, die die Würde dieses Hauses ewig bezeugen sollen, damit es in um so größeren Ehren und in einem um so lobenswerteren Gottesdienst von allen Brüdern des vorgenannten, unseres Ordens ewig gehalten werde. Deshalb sollen auch die drei laikalen Pfleger, Herr Claus Lappe, Ritter, Herr Heintzemann Wentzel, Ritter, und Konrad zu der Megede und alle ihre Nachkommen mit Sorgfalt darauf achten und aufrichtig im Auge behalten, daß die vorgenannten drei Memorialbücher dem Haus zu dem ‚Grünen Wörth‘ von niemandem, unter keinen Umständen jemals entzogen werden, weil wir sie auch in ihre Obhut geben, mit umfassender Vollmacht, die wir ihnen mit der vorliegenden Urkunde darüber geben, die sie auch ewig in ihrem Besitz haben sollen. Als Zeugnis dessen haben wir, der vorgenannte Bruder Konrad von Braunsberg, Meister in Deutschen Landen, unser Siegel hieran gehängt und [diese Urkunde] wurde übergeben am Tag der liebreichen, heiligen Jungfrau Agnes, in dem Jahr 1385 nach Gottes Geburt.] Der Johannitermeister reguliert hier Aufbewahrungsort und Verwahrung der Handschriften sowie ihren möglichen Gebrauchszusammenhang bis ins Detail. Durch die festgelegte stabilitas loci der Urkundenbücher begrenzt er den kommunikativen Raum der Codices und legt ihre ‚Zielgruppe‘ auf zwei Personenkreise fest: die Klosterfamilie selbst sowie die Gäste der Komturei. Folgt man den Angaben im ‚Großen deutschen Memorial‘, übernehmen die Handschriften für diese beiden Gruppen unterschiedliche Funktionen: Den br deren des selben huses sollen die Texte jederzeit verfügbar sein, d.h., sie sollen die Handschriften an dem für alle zugänglichen Ort einsehen und auch für kurze Zeit ausleihen dürfen, um sie zu lesen oder bruchen. Die Manuskripte dienen als ewiges memoriale (A, Bl. 6 v ; Rieder 1905, S. 15*13f.), als eine stete[ ] vermanunge[ ] an die gnodenrichen werg gottes und sinre frúnde, die dis selben huses wirdikeit ewikliche bezúgen s llent, d.h. zur memoria an die Stifter und die Geschichte der Komturei. Der vorgeschriebene öffentliche Aufbewahrungsort der Handschriften (gemeine stat ) zeigt jedoch neben der Rolle als Textspeicher - d.h. als eine Art Kern des kulturellen Gedächtnisses - eine zweite Funktion der Handschriften auf, die vorrangig auf die Gäste der Komturei zielt: Die Memoriale sollen ‚sichtbar‘ sein, d.h., nicht allein die in ihnen enthaltenen Texte, sondern auch ihre Ausstattung und Einrichtung artikulieren das spirituelle wie ständische Selbstbild der Kommunität und eröffnen so einen medialen Raum, in dem die Institution ihre Legitimität und Beständigkeit augenfällig geltend machen kann. Auf die übersichtliche und einheitliche Gestaltung des ‚Großen deutschen Memorials‘ und - soweit aus dem ‚zweiten übriggebliebenen La- Die ‚Gottesfreundliteratur‘ im Archiv der Eigengeschichte 221 teinbuch‘ zu erschließen - auch auf die Ausführung des lateinischen Memorials wurde so große Sorgfalt verwandt: Durch die analoge Anlage der Urkundenbücher - beide zielen durch die Einrichtung eines Inhaltsverzeichnisses (A, Bl. 7 v -9 r ), die Zählung der Textbzw. Kapitelnummern in den Kopfzeilen und die Rubrizierung der Text- und Kapitelüberschriften sowie die Ausstattung mit Initialen unterschiedlicher Größe nicht nur auf eine eingängige Strukturierung und somit Lesbarkeit von Einzeltext wie Gesamthandschrift, sondern binden die Einzeltexte bereits auf der anschaulichen Ebene der Texteinrichtung in ein einheitliches und kontinuierliches Handschriftenprogramm ein -, durch die so visualisierte Unität des deutschen und lateinischen Urkundenbuches sowie durch das kalligraphische Niveau ihres Schrifttyps und -schmucks verleihen die Foliohandschriften aus Pergament den Texten der ‚Gottesfreundliteratur‘ einen spezifischen Nimbus, der ihre Signifikanz für die Gemeinschaft ausweist. Daneben integriert das Bildprogramm des Initialschmucks die Memoriale in vielfältige repräsentative Praxen der Selbstdarstellung und Vergegenwärtigung der institutionellen Identität. Während die Gestaltung der historisierenden Initiale auf Bl. 1 r ein Spezifikum des ‚Großen deutschen Memorials‘ ist - die Darstellung des heiligen Jakobus erinnert nicht allein an die Stiftung einer Meßpfründe durch Heinrich Blankhart, sondern führt auch ein zentrales Motiv der in der Handschrift versammelten Texte, die ker, ein und schreibt so die religiöse Zielsetzung der Stiftung in der Aufnahme weltlicher Pfründner zur Weltabkehr programmatisch fest -, während dieser spirituelle Deutungshorizont allein A eigen ist, wiederholen sich in den drei Urkundenbüchern heraldische Ausstattungselemente. Bleibt der Buchschmuck im ‚zweiten übriggebliebenen Lateinbuch‘ auf das Wappen Merswins im Binnenfeld der Initiale auf Bl. 1 v und die Miniatur des Vollwappens Werners von Hüneburg auf der letzten Seite des Codexes beschränkt und ist auch für das heute verlorene, dritte Urkundenbuch, das ‚Kleine deutsche Memorial‘, nur eine Abbildung des Wappens des ersten Stifters bezeugt (So sint sine woffen schilt vnd helm andersite dis blattes vnd in dem kleinen vrkúnde b che vnd in etlichen andern b chern gemolet ; A, Bl. 5 r ; Rieder 1905, S. 14*3-5), entwirft das ‚Große deutsche Memorial‘ auf der ersten Lage ein heraldisches Panorama, das die memoria an alle bedeutenden Stifter der Kommunität visuell in das Gedächtnis des Konvents einschreiben sollte: Die Miniatur des Vollwappens des ersten fundators, Werners von Hüneburg, auf Bl. 5 v , die heraldische Referenz an den Meßstifter Heinrich Blankhart im Binnenfeld der Initiale auf Bl. 2 v sowie die Medaillonranke auf Bl. 6 rv , in der das Wappen Merswins wiederholt erscheint, entwerfen eine Stiftungstradition und übernehmen somit - neben der Aufgabe als Erinnerungszeichen - eine legitimierende Funktion, indem sie den Ursprung der Stiftungen im Willen der Stifter verbürgen. Die Wappengruppe der Medaillonranke visualisiert darüber hinaus die Gruppenidentität der Johannitergemeinschaft. Der Wappenverbund - neben das Wappen Merswins treten die Wappen der Johanniter sowie das Wappen des Ordensmeisters in deutschen Landen - schreibt das Einvernehmen der unterschiedlichen klerikalen und laikalen Gruppen innerhalb des ‚Grünen Wörth‘ prospektiv fest und artikuliert überdies in der Zusammenstellung patrizischer und dynastischer Repräsentationszeichen das distinguierte Selbstverständnis der Gemeinschaft. Diese die drei Urkundenbücher verbindende prunkvolle Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 222 Ausstattung, die auf ihren öffentlichen Aufbewahrungsort rekurriert, verleiht den in ihnen tradierten Texten eine besondere Würde und integriert die Urkundenbücher in repräsentativ-memoriale, pragmatisch-rechtliche wie gemeinschaftlich-integrative Praxisdimensionen: In den Memorialen werden die in ‚Autographen‘ und Einzelhandschriften sowie auf Wachstafeln gesammelten Texte in einen gruppenspezifischen Gebrauchszusammenhang einbezogen, die Texte werden zu ‚Hausliteratur‘. Während die Urkundenbücher folglich gleichermaßen der Herausbildung einer institutionellen Gruppenidentität qua Erinnerung dienen sollen, sind sie anhand ihrer Zielgruppen innerhalb der Klosterfamilia zu differenzieren. Lateinisches Memorial und ‚Kleines deutsches Memorial‘ stimmen inhaltlich fast vollständig überein: Item das selbe dirte b ch z tútsche geliche seit von worte z worte dem ersten, latine b che, us genomen diser selben vorgenanten drier materien wenne das die drie artikele kúschikeit, gehorsame vnd arm t, aller geistlicher, ergebener lúte gelúbede, ouch dar inne stont z aller nehest noch vnsers ordens regele vnde nút in dem ersten latine b che (A, Bl. 6 r ; Rieder 1905, S. 14*29-33). [Dasselbe dritte Buch berichtet auf Deutsch wörtlich dasselbe wie das erste, lateinische Buch, mit Ausnahme der zuvor genannten drei Materien, weil die drei Artikel Keuschheit, Gehorsam und Armut, die Gelübde aller geistlichen, entsagenden Menschen, zuletzt auch darin stehen nach unserer Ordensregel und nicht in dem ersten, lateinischen Buch.] Der Inhalt der beiden nicht erhaltenen Codices ist somit aus dem in A gegebenen Inhaltsverzeichnis des lateinischen Memorials zu erschließen (A, Bl. 7 rv ; Rieder 1905, S. 17*25-19*30): Beide umfassen die ‚Gründungsgeschichte‘ und die ‚Lebensbeschreibung‘ der beiden Stifter, das ‚b ch von den vier ioren‘ und die ‚hinderste stroffunge‘ Merswins sowie die ‚Vogelnestvision‘ und das ‚b ch von den fúnf mannen‘ des Gottesfreundes. Im lateinischen Memorial treten das ‚b ch von dem meister‘, das ‚b ch von den zwey menschen‘ und das ‚b ch von den nún veilsen‘ hinzu, im ‚Kleinen deutschen Memorial‘ nur das Begleitschreiben zum ‚Meisterbuch‘, die nachträglich ergänzte Sakramentspredigt (A, Bl. 229 r ; Rieder 1905, S. 42*13-15) und die Erläuterung der Ordensgelübde des Gehorsams, der Armut und der Enthaltsamkeit. Beide Manuskripte versammeln somit die historia des Konvents mit den Viten- und Offenbarungstexten der Stifter und stellen durch diese Komposition eine Verbindung zwischen dem weltabgewandten und gottgefälligen Leben Rulman Merswins bzw. des Gottesfreundes und der eigenen Kommunität her: Die Codices wirken traditionsstiftend und -sichernd, indem sie eine Erinnerungskultur etablieren, die die Geschichte des Konventes und seiner Stifter als Handlungsanleitung versteht. Die Dignität der Stiftung wird in der Vergangenheit begründet und die Weltabkehr als Leitkonzept für die Zukunft festgeschrieben. Die mithin in weiten Teilen identische Textsammlung der beiden Manuskripte in Latein und Volkssprache erklärt sich durch die Zusammensetzung der familia des Klosters: Neben den lateinkundigen Johanniterpriestern leben auf dem ‚Grünen Wörth‘ laikale Pfründner, da Merswins Stiftung als fluhthufe [sic! ] g thertziger menschen (A, Bl. 130 v ; Rieder 1905, S. 35*32) bestimmt war, in dem noch vil leyen m htent wonende werden, die nút latine kúnnent (ibid.; Rieder 1905, S. 35*32f.). Die beiden Urkundenbücher werden somit angelegt, um Kleriker wie Laien in der Kommunität über die wechselvolle Geschichte der Komturei Die ‚Gottesfreundliteratur‘ im Archiv der Eigengeschichte 223 bis zum Tod Rulman Merswins sowie über das geistliche Leben der Stifter in Kenntnis zu setzen und so die Regeln der Stiftung zu begründen. Das dritte Urkundenbuch, das ‚Große deutsche Memorial‘, bietet demgegenüber jene Texte, in denen der memorative Charakter gegenüber einem didaktisch-erbaulichen zurücktritt. Im ersten Teil der Handschrift - einer Sammlung von 16 Gnadenviten, Visionsberichten und mystischen wie paränetischen Traktaten - wird ein Kaleidoskop des geistlichen Wirkens der Stifter nach ihrer Weltabkehr aufgefächert, indem die Bekehrung bzw. das gottgefällige Leben anderer, mit Merswin bzw. dem Gottesfreund verbundener Gottesfreunde beschrieben wird: In dis selbe gegenwertige, andere b ch ist z samene geschriben alle die t tschen b chere die R lman merswin selige, vnser lieber stifter, vnlange vor sime tode den br dern in wahs schreip von vil mirackeln vnd von grossen, úber natúrlichen, fr meden wundern, die got mit ettelichen sinen frúnden gewúrcket het (A, Bl. 6 r ; Rieder 1905, S. 14*17-21) [In demselben vorliegenden, zweiten Buch sind alle deutschen Bücher zusammengetragen, die der selige Rulman Merswin, unser lieber Stifter, kurz vor seinem Tod den Brüdern auf Wachstafeln aufschrieb von vielen Zeichen und großen, übernatürlichen, sonderbaren Wundern, die Gott mit manchen seiner Freunde gewirkt hat.] Mit dem - erst nachträglich erfolgten - Anschluß der Texte des ‚b ch von dem meister‘, des ‚b ch von den zwey menschen‘ und des ‚b ch von den nún veilsen‘ scheint sich das ‚Große deutsche Memorial‘ aufgrund der prominenten Figuration der beiden Stifter innerhalb der Texte von seiner auf die spirituelle Unterweisung der Pfründner zielenden Programmatik abzuwenden und eine Sammlung der spirituellen Gnadenerlebnisse der Stifter zu bieten. Den drei genannten Texten ist jedoch nicht allein eine historisch-referentialisierende Lektüreanweisung i.S. einer memorativen Explikation des ‚Erlebens‘ der Stifter eingeschrieben, vielmehr liegt der Wahrheitsanspruch der Texte in ihrer Applikation durch den Rezipienten, die von einer Anleitung zur meditativen Annäherung an Gott (‚b ch von den nún veilsen‘) 266 über eine umfassende Selbstbeeinflussung i.S. der gelassenheit (‚b ch von dem meister‘) 267 bis hin zu einer Unterweisung in traditionellen katechetischen wie mystischen Themen reicht (‚b ch von den zwey menschen‘). 268 Obwohl der Textsammlung des ‚Großen deutschen Memorials‘ eine i.e.S. institutionshistorische Aufgabe somit nicht fehlt - die Traktate, Viten und Offenbarungstexte dienen der Evidenz der Gottgefälligkeit der Stiftung, indem die Begnadung der Stifter und die Wirkmächtigkeit ihrer Verkündigung und somit ihre Vorbildlichkeit demonstriert wird - trotz dieser memorativen Funktion liegt das Augenmerk des „Thesaurus“ 269 auf der exemplarischen Anleitung zu einem geistlich vorbildlichen Leben. Das ‚Große deutsche Memorial‘ fungiert als Kristallisationskern des religiösen Leitkonzepts der Gottesfreundschaft, als spirituelles Handbuch der 266 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 4.2. 267 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 4.3. 268 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 4.4. 269 Johannes Janota, Straßburger Gottesfreunde, S. 134. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 224 Klosterfamilia, die (ebenso wie die Figuren der 16 Traktate) in der Nachfolge der Stifter lebt: Alle br dere vnde (alle rot durchgestrichen) personen s llent mit grosser dangberkeit ewekliche dar an gedencken vnd do bi merken vnd verston die l beliche wirdikeit vnd den tr stlichen, fruhtberen anstadel dis huses z dem gr nen werde vnd das die ernuwerunge ein súnderlich us erwelt, gnodenrich werg gottes ist Durch das vil menschen s llent gr sliche begobet vnd begnodet werden vnd ewiges lebendes versichert die es alleine glouben wellent vnd minne dar z haben mit dem tiger begirde vnd mit langm tiger, volle hertender us lidunge die werg vnd die goben gottes wie sú danne ie z mole vallent, sur oder s sse also ouch dise selben b chere alle wisent vnd lerent vnd exempel gent eime ieglichen menschen noch sinre neiglichheit vnd conplexiunen in weler wise er ioch von gotte getriben vnd vermanet wurt oder uf was grotes sin leben stot (A, Bl. 7 r ; Rieder 1905, S. 17*11-24). [Alle Brüder und Personen sollen sich mit großer Dankbarkeit ewig daran erinnern und durch sie die lobenswerte Würde und den tröstlichen, fruchtbringenden Anstand dieses Hauses zu dem ‚Grünen Wörth‘ erkennen und verstehen, daß die Erneuerung ein besonders auserwähltes, gnadenreiches Werk Gottes ist, durch das viele Menschen großzügig beschenkt und begnadet und des ewigen Lebens versichert werden sollen, die es nur glauben wollen und die das Bestreben dazu haben, mit langmütigem, ausdauerndem Leiden die Werke und die Gaben Gottes, wie auch immer sie dann ausfallen, sauer oder süß; wie auch dieselben Bücher alle wissen lassen und lehren und Beispiel geben, jedem Menschen nach seiner Bereitschaft und seinem Temperament, auf welche Art er auch von Gott getrieben und vermahnt wird oder auf welcher Stufe sein Leben steht.] In der zweiten Phase der Anlage der Memoriale des ‚Grünen Wörth‘ entsteht folglich eine Hausbibliothek, die alle relevanten Texte zur Geschichte des Hauses sammelt und sie mit geistlichen Gebrauchstexten für Andacht und Erbauung vereinigt, um so eine historische wie religiöse Identität der heterogenen, aus Johanniterpriestern und laikalen Pfründnern zusammengesetzten Klosterfamilia zu schaffen. Ist es die Aufgabe der drei Urkundenbücher, die memoria der Stifter in der Klostergemeinschaft zu bewahren, dienen die in der dritten Phase der Handschriftenproduktion zwischen 1393 und 1399 angelegten ‚Pflegermemoriale‘ dazu, die Geschichte der Institution auch außerhalb des Konventes bekannt zu machen. Die im Vergleich zu A und C deutlich schlichtere Anlage der Berliner ‚Pflegermemorial‘- Handschrift (d) zeigt in ihrem fast vollkommenen Verzicht auf Buchschmuck, daß die Dimension der ‚Sichtbarkeit‘ zugunsten der Texterschließung zurücktritt: Die Rubrizierung der Text- und Kapitelüberschriften sowie der Anfangsbuchstaben eines Satzes, das ausführliche Inhaltsverzeichnis (d, Bl. 4 v -6 r ) und die hierauf Bezug nehmende, am äußeren Rand der Seite in römischen Zahlen vorgenommene Numerierung der Kapitel dienen der Übersichtlichkeit und somit der Strukturierung der Handschrift. Die von pragmatischen Gesichtspunkten der Lesbarkeit geleitete Anlage deutet darauf hin, daß die Handschrift ihren Gebrauchskontext in der Einzellektüre findet. Auf eine Funktion des Textzeugen außerhalb der Konventsgemeinschaft wird so auch zu Beginn der Handschrift (d, Bl. 4 rv ) hingewiesen: Das vorliegende Manuskript ist eines der drei ‚Pflegermemoriale‘, d.h. ein Exemplar jener Handschriften, die für die drei weltlichen Verwalter des ‚Grünen Wörth‘ aus Stiftungsgel- Die ‚Gottesfreundliteratur‘ im Archiv der Eigengeschichte 225 dern (d, Bl. 4 r ; Rieder 1905, S. 161*5-12 [nach D]) erstellt wurden, damit die Johanniterkomturei sie ihnen leihweise bis zu ihrem Tod überlassen konnte: Vnd sol ir iegelicher súnderliche eins bi ime haben in sinre gewalt z eime angedenckigem memoriale, alse lange er lebet vnd pfleger ist [...] mit solicher gedinge: alse dicke der selben drier weltlichen pfleger einre abget vnd stirbet, so sollent die berigen zwene uf ire consciencie vnd in irme e de des selben abegestorbenen pflegers memoriale b ch von sinen erben vordern vnd schaffen, das es sime nochkummen werde, der an siner stat geúrsohsset vnd z pfleger [4 v ] gekosen wurt, Durch das die drie weltlichen pflegere vnd alle ire nochkummen n vnd harnach ewikliche deste me minne hant pfleger z sinde vnd sich deste gerner bent durch aller der vorgenantem l belicher patronen willen, das selbe ir hus z dem Gr nenwerde z hanthabende noch des briefes lute vnd sage, den s von dem orden dar ber hant vnd hie noch in dem sehsten capitele der ern werunge geschriben stot (d, Bl. 4 rv ; Rieder 1905, S. 161*3-5, 12-24 [nach D]). [Und jeder von ihnen soll ein besonderes bei ihm haben in seinem Besitz zu einer gedenkenden Erinnerung, solange er lebt und Pfleger ist [...], mit solcher Bedingung: Jedesmal, wenn einer derselben drei Pfleger abgeht und stirbt, so sollen die übrigen zwei bei ihrem Gewissen und ihrem Eid das Memorialbuch des verstorbenen Pflegers von seinen Erben fordern und bewirken, daß es seinem Nachfolger zukomme, der an seiner Stelle ausgesucht und zum Pfleger gewählt wurde, damit die drei laikalen Pfleger und alle ihre Nachfolger, jetzt und von nun an ewig, um so mehr Freude haben, Pfleger zu sein, und sich wegen des Willens all’ der vorgenannten, lobenswerten Patrone um so lieber anstrengen, dasselbe Haus zu dem ‚Grünen Wörth‘ zu erhalten nach den Bestimmungen des Briefes, den sie vom Orden darüber erhalten haben und der hier nach im 6. Kapitel [des Berichts über die] Erneuerung [des Klosters] geschrieben steht.] Jedes der drei ‚Pflegermemoriale‘ enthält dabei alle[ ] materien, die aller notdurftigest sint z wissende den drien weltlichen pflegern des vorgenanten huses z dem Gr nenwerde vnd die aller meist gez gnisse vnd vrkúnde gent der grossen, gnodenrichen wurdikeit des selben huses (d, Bl. 4 r ; Rieder 1905, S. 160*33-161*3 [nach D]). Die funktionale Ausrichtung der ‚Pflegermemoriale‘ an den Aufgaben der weltlichen Verwalter der Stiftung 270 bewirkt eine Konzentration des Handschriftenprogramms auf jene die Stiftung und ihre Regeln narrativ-legitimierenden Texte: die ‚Gründungsgeschichte‘ und die ‚Viten‘ der beiden Stifter. Während die Chronik mit der Grundlegung der Kommunität in einer weihnachtlichen Vision und der Illustration der Gottgefälligkeit der fundatio durch ihre wiederholte, mirakulöse Bewahrung in der krisenhaften Konventsgeschichte die Stiftung sowie ihre wirtschaftliche Leitung durch drei laikale Pfleger sanktioniert, ergänzen die beiden ‚Stifterviten‘ die Textsammlung durch die exemplarische Illustration des spirituellen Konzepts der Gründung. Über die memoria der Heiligkeit des Stifters hinaus wird im ‚b ch von den vier ioren‘ die zentrale Aufgabe der Stiftung - die Aufnahme laikaler und klerikaler Pfründner - durch die Weltabkehr ihres Gründers motiviert; das ‚b ch von den fúnf mannen‘ will durch die Reihung der Bekehrungsgeschichten eines nach Enthaltsamkeit strebenden Ehemannes, eines konvertierten Juden und eines der Weltweisheit entsagenden Domherrn sowie durch die Beschreibung ihrer anachoretischen, durch Ekstasen geprägten Lebensform unter der Leitung eines Gottesfreundes Ordensgeistlichen und laikalen Pfründnern ein Vorbild 270 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 2.3.5. und 4.5.2.2. Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 226 für ihr Gemeinschaftsleben auf dem ‚Grünen Wörth‘ vor Augen stellen. Das ‚Pflegermemorial‘ dient folglich dazu, den weltlichen Verwaltern der Stiftung ihre Regeln verständlich zu machen und sie auch in Zukunft auf diese zu verpflichten, indem jedem von ihnen in der ihm zur Verfügung stehenden Handschrift der religiöse wie realweltlich-konkrete Ursprung der in ihrer Obhut stehenden Kommende vergegenwärtigt wird. In der funktional ausgerichteten Erinnerungskultur des ‚Grünen Wörth‘ treten die ‚Pflegermemoriale‘ als normgebende Kompendien der Haustradition hervor. Wahrscheinlich war dieser legitimatorische Fokus der ‚Pflegermemoriale‘ sowie ihre Aufbewahrung außerhalb der Johanniterkommende - sind die Urkundenbücher auf der gemeinen stat Erinnerungszeichen für den Konvent, ist es für die ‚Pflegermemoriale‘ konstitutiv, daß sie diesen verlassen - der Anlaß für eine im 15. Jahrhundert entstandene Abschrift eines der ‚Pflegermemoriale‘ (D). In seiner Tätigkeit als Komtur um die Sicherung der geistlichen, finanziellen und rechtlichen Privilegien sowie des Besitzes des Hauses bemüht, fertigt Amandus Schmalriem eine - so läßt sich aus der Anlage der Handschrift folgern - möglichst genaue Kopie einer der Handschriften an, die den weltlichen Verwaltern bei der Legitimation und Ausübung ihres Amtes helfen sollten, d.h. alle für die Stiftung konstitutiven Texte sammelten. Als individuelles Referenzexemplar des Komturs oder als historisches Nachschlagewerk für die Konventsgemeinschaft konzipiert, hat die Abschrift des 15. Jahrhunderts somit Anteil an einem umfassenden Bemühen um die Traditionssicherung und Konsolidierung der Gemeinschaft. Gleichlautend mit den drei ‚Pflegermemorialen‘ wurde vor 1399 (d.h. etwa zur gleichen Zeit wie die ‚Pflegermemoriale‘) ein ‚Meistermemorial‘ angelegt, das dem obersten Meister des Johanniterordens in Deutschland übergeben wurde und - so berichtet die in die ‚Pflegermemoriale‘ kopierte einleitende Rubrik (d, Bl. 2 r -3 r ; D, Bl. 2 r -4 v ; vgl. auch B, Bl. 41 r ; Rieder 1905, S. 159*9-160*4, 116*39-117*33) - ebenso wie diese die von Merswin durchgesetzten Bedingungen der Stiftung auch von seiten des Ordens gegen Eingriffe und Veränderungen absichern sollte: Jeder nach 1399 gewählte Johannitermeister erhält die Abschrift der ‚Gründungsgeschichte‘ und der ‚Viten‘, damit er ewikliche durch dis gegenwertige b ch vermanet werde, wes sich der orden verbunden vnd versprochen het gegen den drien weltlichen pflegern von des selben Gr nenwerdes wegen, vnd das er ouch deste me truwen vnd gnaden dar z gewinne, so er in den materien mercket vnd verstot die gnodenriche almehtikeit der patronen vnd der stifter heilig leben (d, Bl. 2 v ; Rieder 1905, S. 117*24-29 [nach B]). Um diese historisch-narrative Legitimation zu leisten, wurde das ‚Meistermemorial‘ - neben der in seinem Textspeicher gebotenen Erinnerung an den wundersamen Ursprung der Stiftung und das heiligmäßige ‚Leben‘ der Gründer - mit prachtvollem Buchschmuck ergänzt. Es enthielt zahlreiche Bildseiten, die die Geschichte des ‚Grünen Wörth‘ illustrierten und von Gedichten begleitet wurden, die im ‚Briefbuch‘ angeführt sind (B, Bl. 73 rv ; Rieder 1905, S. 151*12- 153*26). Die Visualisierung der Historie führte ihre Gottgefälligkeit vor Augen und sanktionierte dadurch ihre Regeln. Die vollständige, wörtliche Übereinstimmung des ‚Meistermemorials‘ mit den ‚Pflegermemorialen‘ sollte gewährleisten, daß der orden vnd die drie weltlichen pflegere ewikliche in deste fridesammer eim tikeit vnd frúntschaft mitteinan- Die ‚Gottesfreundliteratur‘ im Archiv der Eigengeschichte 227 der blibent, das sú ietweder site einander deste minre getrengen mogent mit keinre vnredelicher ansproche oder vnzimelicher vorderunge in zanckender, zeffelnder wise, so s an sehent vnd in disen glichsprechenden memoriale b chern geschriben vindent den vnderscheit aller beredunge (d, Bl. 3 r ; Rieder 1905, S. 159*32-37 [nach D]). Die Übereinstimmung der Codices verpflichtet folglich weltliche wie geistliche Leitung des Konventes auf die gleiche Vergangenheit und soll zur Einmütigkeit in der Leitung der Stiftung führen. Erst nachdem den unterschiedlichen Gruppen der Klosterfamilia die drei Urkundenbücher zur Verfügung gestellt wurden und wohl auch erst parallel zur Fertigstellung der drei ‚Pflegermemoriale‘, entstand ein weiterer Codex, der dazu bestimmt war, auf dem ‚Grünen Wörth‘ zu verbleiben: das ‚Briefbuch‘. Der durch den späten Entstehungszeitpunkt gewonnene Eindruck, beim ‚Briefbuch‘ handele es sich um einen Nachtrag i.S. eines weder zielgerichtet in die stiftungssichernde Systematik des Handschriftencorpus integrierten noch programmatisch komponierten Addendums, wird durch die Anlage des Manuskriptes unterstrichen. Im Gegensatz zu den anderen Memorialen nicht in Textualis, sondern von einer Hand in Kursive geschrieben und - mit Ausnahme eines, wohl aufgrund seines sakralen Inhalts hervorgehobenen Blatts (Bl. 76 r ) - nur mit schlichtem, den Text gliedernden Buchschmuck versehen, wird der Foliohandschrift keine repräsentative Funktion in der Memorialüberlieferung des Hauses zugeschrieben. Sowohl die Rubrizierung der vom Redaktor angefügten Briefüberschriften als auch die Auszeichnung des Beginns jedes Schreibens durch Initialen zielen allein auf die leichte Orientierung innerhalb der Handschrift und die schnelle Erfassung der Texte, ohne den gesamten Codex einer Strukturierung zu unterziehen. Obwohl die von pragmatischen Gesichtspunkten der Lesbarkeit geleitete Anlage des ‚Briefbuches‘ auf einen intendierten Gebrauchszusammenhang in der individuellen Lektüre hindeutet, charakterisiert der Verzicht auf eine Inhaltsübersicht B als eine nur lose zusammengehaltene Sammlung von Texten, die offenbar keine intensiv-systematische noch eine selektiv-punktuelle, sondern eine kursorische Lektüre intendiert. Die den Codex eröffnenden redaktionellen Vorbemerkungen kennzeichnen diesen so explizit als ein Konglomerat von Texten, deren Kopie ausschließlich konservierenden Charakter habe: D is ist daz brief b chelin in dem versammelt sint alle die Missyven, die der liebe, verborgene gottes frúnt in berlant, R leman Merswines, vnsers stifters seligen, heimelicher geselle, ie z mole her abe geschriben het den priestern vnd personen z dem Gr nenwerde von den wercken gottes vnd ettelicher fr meder offenborunge vnd von maniger leige geschiht ires vnd ouch vnsers gebuwes [...] I tem diser selben briefe vnd missiven sint etliche z latine vnd z Tútsch geschriben in die drú vrkúnde b cher dez vorge t huses z dem Gr nenwerde, doch nuwent die notdurftigesten sinne, die in gezúgniße z den selben materien geh rent, vnd sint vil worte vnd sinne vnderwegen bliben die hie in disem gegenwertigen b che gantz geschriben stont noch ordenunge der materien, alse sú nochenander geh rent vnd eine vf die andere wiset wie doch etliche briefe werdent vorstonde die vil lihte z hinderste koment vnd noch der daten Júnger sint, abe den nieman irren sol in vúrwitziger zwifelunge wenne sú sint vf daz aller mercklicheste noch enander geordent mit fúrsatze durch daz die sinne aller menglich verston kúnne nu vnd harnoch ewicliche (B, Bl. 1 r ; Rieder 1905, S. 64*16-21). [Dies ist das Briefbüchlein, in dem alle Briefe vereinigt sind, die der liebe, heimliche Gottesfreund im Oberland, der Vertraute Rulman Merswins, unseres seligen Stifters, jemals Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 228 an Priester und Personen auf dem ‚Grünen Wörth‘ herabgesendet hat über die Werke Gottes und manche wundersame Offenbarung und über mancherlei Angelegenheit ihres und auch unseres Hauses. Auch sind einige derselben Briefe und Beglaubigungsschreiben auf Latein und Deutsch in den drei Urkundenbüchern des vorgenannten Hauses zu dem ‚Grünen Wörth‘ enthalten, aber nur die notwendigsten Gedanken, die als Beweis zu denselben Materien gehören, und viele Worte und Gedanken sind weggelassen worden, die hier, in diesem vorliegenden Buch, vollständig aufgeschrieben wurden, nach der Ordnung der Gegenstände, wie sie aufeinander bezogen sind und einer auf den anderen verweist, so daß doch einige Briefe am Anfang stehen, die vielleicht als letztes ankamen und in bezug auf den Zeitpunkt ihrer Niederschrift jünger sind, deretwegen niemand sich wundern soll und überklug zweifeln, denn sie wurden mit Absicht auf das allerdeutlichste nacheinander geordnet, damit die Bedeutung jeder verstehen kann, jetzt und hier nach ewiglich.] Die im Paratext des ‚Briefbuches‘ ausgewiesene Intention des Codexes, alle in den Handschriften des ‚Grünen Wörth‘ verwendeten, aber nicht vollständig zitierten Dokumente der Geschichte der Komturei zu sammeln, erklärt wohl auch die Erweiterung der inhaltlichen Konzeption der Handschrift: Neben den in der Rubrik angekündigten 21 Briefen, die der Gottesfreund zwischen 1368 und 1380 an Brüder, Komtur und Mitstifter des ‚Grünen Wörth‘ geschickt haben soll, versammelt der Codex weitere Schriften, die in der Inhaltsangabe der Handschrift fehlen. Nach der abschriftlichen Sammlung von fünfzehn Briefen werden die Bl. 47-82 mit Varia gefüllt, unter denen sich durchaus weitere Briefe befinden (Bl. 47 r -51 v , 55 v -56 r , 75 v ), das namensgebende Charakteristikum des Codexes geht jedoch verloren. Neben die umfangreiche Bearbeitung des ‚Schürebrand‘-Traktates (Bl. 56 r -73 r ) und die Sammlung mystisch-spiritueller sowie konventsgeschichtlicher Gedichte (Bl. 73 r -75 v , 76 r - 80 v ) tritt der detaillierte, redaktionelle Bericht über die vergeblichen Versuche der Straßburger Gemeinschaft, den Gottesfreund zu finden (Bl. 51 v -55 v ), sowie etliche Auszüge aus anderen Memorialen (Bl. 41 r -42 v : Prolog und Inhaltsangabe des ‚Meistermemorials‘; Bl. 42 v -44 r : das 25. Kapitel des ‚Pflegermemorials‘; Bl. 73 rv : Figuren und Gedichte des ‚Meistermemorials‘; Bl. 82 rv : Begleitbrief der drei Pfleger zum ‚Meistermemorial‘). Diese sammelnde Funktion der Handschrift erklärt wohl auch die Integration der beiden ehemals selbständigen ‚Autographen‘. Die Sonderstellung, die dem ‚Briefbuch‘ innerhalb der ‚Hausliteratur‘ des ‚Grünen Wörth‘ aufgrund der schlichten Anlage, seiner für Erweiterungen offenen Konzeption und der Integration der beiden ‚Autographen‘ attestiert werden kann, weist es als Archiv der institutionellen „Eigengeschichte“ 271 aus: Als Aufbewahrungsort für alle Dokumente, die für die Stiftung von historischer, lokaler oder spiritueller Bedeutung sind, sammelt, bewahrt und verzeichnet B offensichtlich all jene Schriftstücke, die in die Handschriftenprogramme der Urkundenbücher und ‚Pflegermemoriale‘ nicht integriert werden konnten, und fügt sie - unabhängig von ihrer materialen Beschaffenheit und mit erschließenden Bemerkungen versehen - zusammen. Ei- 271 Vgl. zur Definition: Karl-Siegbert Rehberg, Eine Grundlagentheorie der Institutionen: Arnold Gehlen. Mit systematischen Schlußfolgerungen für eine kritische Institutionentheorie, in: G. Göhler, K. Leuk und R. Schmalz-Bruns (Hgg.), Die Rationalität politischer Institutionen. Interdisziplinäre Perspektiven, Wiesbaden 1990, S. 115-144, hier S. 140. Die ‚Gottesfreundliteratur‘ im Archiv der Eigengeschichte 229 ne genauere Analyse des Sammlungsprofils der den Codex konstituierenden Briefe erschließt dabei die Funktion der Handschrift jenseits einer fingierten Dokumentation der Stiftungsgeschichte. Trotz ihres breiten thematischen Spektrums - die Gegenstände der Briefe reichen von der Renovierung der Klosteranlage über das Narrativ der intercessio des Gottesfreundes für die sündige Menschheit bis hin zur spirituellen Unterweisung -, trotz dieses augenscheinlichen Verzichts auf ein poetisches Prinzip figurieren die Briefe den Gottesfreund überwiegend als patronus, als treuen und freundschaftlichen Ratgeber, und binden den Leser der Handschrift in die amicitia spiritualis ein, welche die Gemeinschaft konstituiert: Die Kommunität des ‚Grünen Wörth‘ performativ entwerfend, nehmen die minnesame[n] briefe (B, Bl. 51 v ; Rieder 1905, S. 137*26) eine prospektive Festschreibung ihrer Adressaten vor und dienen als Mittel geistlicher Beeinflussung i.S. des religiösen Programms der Gottesfreundschaft und erweisen das ‚Briefbuch‘ somit als Kristallisationsort der institutionellen Gruppenidentität. 272 Die dritte Phase der Handschriftenproduktion der Johanniter leistet folglich zweierlei: Die den drei Urkundenbüchern komplementäre Anlage der ‚Pflegermemoriale‘ und des ‚Meistermemorials‘ überträgt das in den Memorialen angelegte Verständnis der ‚Gottesfreundliteratur‘ als ‚Hausliteratur‘ auf die außerhalb der Gemeinschaft lebenden ‚Funktionsträger‘ der Ordensleitung und Verwaltung. Dedikationsexemplare für Meister und Pfleger integrieren auch diese in die ‚Hausgeschichte‘ des ‚Grünen Wörth‘. Das zur gleichen Zeit entstandene ‚Briefbuch‘ bereichert die Sammlung der historia des ‚Grünen Wörth‘ in den Urkundenbüchern um detailreiche Dokumente und vertieft somit den Eindruck eines unmittelbaren Anschließens an eine lebendige Geschichte. Während für alle bisher betrachteten Handschriften ausführliche Kommentierungen zu ihrer Entstehung, Funktion und ihrem Inhalt vorliegen und die Manuskripte zudem durch zahlreiche Querverweise miteinander verbunden sind, werden die als letztes aufgezeichneten Textzeugen in der Überlieferung des ‚Grünen Wörth‘ nicht benannt. Die ‚Erweiterten Pflegermemoriale‘ (E; F), die ihren Namen von Karl Rieder erhielten und deren ältestes Exemplar aus dem 16. Jahrhundert stammt, sind im Kern ebenfalls Abschriften eines der ‚Pflegermemoriale‘, bieten jedoch darüber hinaus aus anderen Handschriften der Stiftung kopierte Zusätze, wie z.B. eine Auflistung vorgenommener Stiftungen an den ‚Grünen Wörth‘, die auch im ‚Großen deutschen Memorial‘ enthalten ist. Inwiefern es sich, wie von Rieder angenommen, auch hier um eine Abschrift eines uns im Original nicht mehr erhaltenen, zielgruppenspezifischen Codex handelt oder um eine spätere Kopie eines der ‚Pflegermemoriale‘, die mit Zusätzen versehen wurde, ist nicht zu rekonstruieren. Der zusammenfassende Überblick über die Textzeugen der ‚Gottesfreundliteratur‘, deren Provenienz auf dem ‚Grünen Wörth‘ liegt, verdeutlicht, daß die mehrfache Überlieferung eines Textes in der Komturei nicht durch eine allmähliche Ver- 272 Vgl. hierzu demnächst: Christiane Krusenbaum-Verheugen, Briefe ohne Referenz. Die imaginäre Korrespondenz des Gottesfreundes aus dem Oberland, in: Geert Warnar und Hans-Jochen Schiewer (Hgg.), Friends of God. Religious elites in the Rhineland and the Low Countries, Leiden (Brill’s Studies in Church History). Memoriale: Die Überlieferung in der Straßburger Johanniterkomturei 230 festigung der Fälschung bei ihrer Anlage zu erklären ist, sondern auf einem differenzierten und differenzierenden Verständnis von Texten und ihrer Präsentation in Manuskripten beruht. Die unterschiedliche, funktional bestimmte Zusammenstellung der Texte und ihre schlichte oder aufwendige Darbietung lassen vermuten, daß eine Wechselwirkung zwischen der in den einzelnen Codices präsentierten Textgestalt und ihrem ‚Sitz im Leben‘ zu verzeichnen ist, die es im 3. Untersuchungsteil - der textkritischen Analyse - zu hinterfragen gilt. 2.3 Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei zum ‚Grünen Wörth‘ 273 2.3.1 Die Überlieferung der Traktate des ‚Großen deutschen Memorials‘ (A) 274 2.3.1.1 ‚B ch von dem geuangen ritter‘ B 863 B ERLIN , S TAATSBIBLIOTHEK P REUSSISCHER K ULTURBESITZ , Ms. germ. fol. 863, Bl. 282 va -311 rb Papier - 28 x 21 cm - 352 Bll. (3 Faszikel: Bl. 1-112, 113-316, 317-352) - Kursive - alem. - 1435-1440 275 - Exempel- und Mirakelsammlung, 276 den engeren Überlieferungsverbund des ‚b ch von dem geuangen ritter‘ stellen Marienmirakel 277 dar. 273 Zur Anlage und Funktion des sehr detaillierten Überblicks über die Überlieferung der ‚Gottesfreundliteratur‘ außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ vgl. die Ausführungen auf S. 42; zur Einordung des Untersuchungsteils in den Argumentationsgang der Studie und für eine Zusammenfassung seiner Ergebnisse vgl. Kapitel 2.3.5. 274 In der folgenden Zusammenstellung der Überlieferung bleiben drei Texte aus der Betrachtung ausgeschlossen, da für diese bereits eingehende, überlieferungsgeschichtliche und textkritische Untersuchungen vorliegen oder in Vorbereitung sind: Zur ‚Schürebrand‘-Überlieferung vgl. Philipp Strauch, Schürebrand. Ein Traktat aus dem Kreise der Straßburger Gottesfreunde, in: Studien zur deutschen Philologie. Festgabe der Germanistischen Abteilung der 47. Versammlung Deutscher Philologen und Schulmänner in Halle. Zur Begrüßung dargebracht von Philipp Strauch, Arnold E. Berger und Franz Saran, Halle/ S. 1903, S. 1-82, sowie ders., Zum Tractat ‚Schürebrand‘, in: ZfdA 57 (1920), S. 223- 247; zum ‚b ch von der fúrkomenen gnoden‘ vgl. Wolfgang Eichler, Jan van Ruusbroecs ‚Brulocht‘ in oberdeutscher Überlieferung. Untersuchung und kritische Textausgabe, München 1969 (MTU 22); zum ‚baner b chelin‘ vgl. zukünftig: Sanne de Vries, in: Geert Warnar und Hans-Jochen Schiewer (Hgg.), Friends of God. Religious elites in the Rhineland and the Low Countries, Leiden (Brill’s Studies in Church History). Daneben wird das ‚b ch von den drien durch brúchen‘ ausgespart, da - entgegen den Angaben Walther Dolchs (Die Verbreitung oberländischer Mystikerwerke im Niederländischen. Auf Grund der Handschriften dargestellt, Leipzig 1909, S. 84f.) - nicht der Merswin zugeschriebene Text, sondern allein seine Vorlage, der Traktat ‚Von den drîn fragen‘, außerhalb der Johanniterkomturei tradiert ist. 275 Heike A. Burmeister, Der ‚Judenknabe‘, S. 137; vgl. die Wasserzeichenuntersuchung bei: Nigel F. Palmer, Die Münchner Perikopenhandschrift Cgm 157 und die Handschriftenproduktion des Straßburger Reuerinnenklosters im späten 15. Jahrhundert, in: Barbara Fleith und René Wetzel (Hgg.), Kulturtopographie des deutschsprachigen Südwestens im späten Mittelalter. Studien und Texte, Berlin; New York 2009 (Kulturtopographie des alemannischen Raumes 1), S. 263-300, hier S. 274, Anm. 31. 276 Vgl. für detaillierte Nachweise und Kurzcharakterisierungen der Texte des zweiten Faszikels, dem das ‚b ch von dem geuangen ritter‘ angehört: Ulla Williams, Die ‚Alemannische Vitaspatrum‘. Untersuchungen und Edition, Tübingen 1996 (TTG 45), S. 54*-71*, Sp. B 2, zu den Anekdoten und Dicta der Altväter (Bl. 113 ra -176 rb ); zu den 134 Exempelerzählungen (Bl. 176 rb -247 va ): Franz Bär, Die Marienlegenden der Straßburger Handschrift Ms. Germ. 863, S. 10-27. 277 Die Handschrift überschreibt den letzten Teil des zweiten Faszikels mit: Dis sint vnser frowen wunder (Bl. 247 va ). Während Burmeister diesen Titulus nur auf die sich unmittelbar anschließenden fünf Marienmirakel zu beziehen weiß (Heike A. Burmeister, Der ‚Judenknabe‘, S. 133), zeigt ein Überblick über die im Rest des Faszikels überlieferten Texte, daß die Überschrift den Sammelschwerpunkt der weiteren 67 Blatt ebenfalls bezeichnet, allerdings werden die Marienerzählungen hier durch Texte und z.T. sogar Textcorpora mit anderen thematischen Schwerpunkten unterbrochen. Der Überschrift folgen zunächst auf Bl. 247 va -251 rb fünf Marienmirakel und eine Legende um Maria Magdalena. Im Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 232 B ESCHREIBUNG : Franz Pfeiffer, Predigtmärlein, in: Germania 3 (1858), S. 407-444, hier S. 408-411; Franz Bär, Die Marienlegenden der Straßburger Handschrift Ms. Germ. 863 und ihr literarhistorischer Zusammenhang, Straßburg 1913, S. 1-37; Hermann Degering, Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der Preußischen Staatsbibliothek. Bd. I: Die Handschriften in Folioformat, Leipzig 1925 (Mitteilungen aus der Preußischen Staatsbibliothek VII), S. 120f.; Heike A. Burmeister, Der ‚Judenknabe‘. Studien und Texte zu einem mittelalterlichen Marienmirakel in deutscher Überlieferung, Göppingen 1998 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 654), S. 130-140. P ROVENIENZ : Auf dem hinteren Spiegel enthält die Handschrift einen Besitzvermerk des 15. Jahrhunderts, der wahrscheinlich von der Korrekturhand des Codexes geschrieben wurde: Dis b ch ist der Ruwerin sant marigen magdalenen z stroßburg, d.h., die Handschrift wird in den Besitz der Straßburger Gemeinschaft der ‚Büßerinnen der heiligen Magdalena‘ oder Sorores Penitentes B. Mariae Magdalenae Ordinis S. Augustini gewiesen, 278 deren konstitutive Aufgabe - die „Besserung gefallener und die Rettung gefährdeter Frauen“ 279 - jedoch bereits kurz nachdem der Orden die Regel des hl. Augustinus angenommen hatte (1232), 280 in Straßburg in den Hintergrund trat, da nun vorwiegend „Töchter wohlhabender Patrizierfamilien“ Aufnahme fanden. 281 Obwohl für die Entstehungszeit der Berliner Handschrift (1435-1440) keine weiteren Zeugnisse einer aktiven Buchkultur im Reuerinnenkloster belegt sind (alle anderen aus der Schreibstube des Klosters tradierten Codices sind in das letzte Drittel des 15. oder an den Anfang des 16. Jahrhunderts zu datieren), 282 ist eine Genese der sukzessiv für die lectio privata angelegten Sammelhandschrift 283 im Zusammenhang der (spärlich bezeugten) Klosterreform der Reuerinnengemeinschaft im Jahr 1437 wahrscheinlich. Anschluß an das ‚Fegfeuer des heiligen Patricius‘ (Purgatorium S. Patricii, dt.) in der Prosaübersetzung der ‚Legenda aurea‘ werden sechs weitere Exempel über das Fegefeuer gegeben, bevor sich - unterbrochen durch ein Kruzifix-Wunder - erneut fünf Marienmirakel anreihen. Auch in die Reihe der Exempel- und Wundergeschichten um den hl. Franziskus, den hl. Antonius, Johannes Baptist und die Apostel Andreas und Thomas ist erneut ein Block von vier Marienwundern eingelassen; sechs weitere Marienerzählungen sind angeschlossen. 278 Vgl. zu diesem Orden: André Simon, L’ordre des Pénitentes de S te Marie-Madeleine en Allemagne au XIII e siècle, Freiburg/ Schw. 1918; Kaspar Elm, Magdalenerinnen, in: LexMA Bd. 6 (1993), Sp. 71. Vgl. zur Straßburger Reuerinnengemeinschaft: Lucien Pfleger, Geschichte des Reuerinnenklosters St. Magdalena in Strassburg, in: Eugen Speich (Hg.), St. Magdalena in Strassburg. Geschichte des Klosters und der Pfarrei, Straßburg 1937, S. 1-84; Sigrid Schmitt, Geistliche Frauen und städtische Welt, S. 422-430. 279 Kaspar Elm, Magdalenerinnen, Sp. 71. 280 Nigel F. Palmer, Die Münchner Perikopenhandschrift Cgm 157, S. 4. 281 Lucien Pfleger, Geschichte des Reuerinnenklosters St. Magdalena, S. 5; Francis Rapp, Réformes et réformation à Strasbourg, S. 286. 282 Vgl. für eine Zusammenstellung der Handschriften: Sigrid Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Teil 2: Köln-Zyfflich, München 1989 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Bd. 5,2. Ergänzungsband I), S. 745f.; Christian von Heusinger, Spätmittelalterliche Buchmalerei in oberrheinischen Frauenklöstern, in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 107 (N. F. 68; 1959), S. 136-160, hier S. 151f.; Nigel F. Palmer, Die Münchner Perikopenhandschrift Cgm 157, S. 274-278. Palmer nimmt auch für die Münchner Handschrift eine Entstehung im Kontext der Reformversuche des Klosters ab 1437 an (ibid., S. 289). 283 Heike A. Burmeister, Der ‚Judenknabe‘, S. 138f. ‚b ch von dem geuangen ritter‘ 233 Da die Datierung der Handschrift und die Quellenberufung am Ende des ‚b ch von dem geuangen ritter‘ (der Text sei in einem Brief aus dem berlant enthalten [B 863, Bl. 311 rab ]) nachweisen, daß B 863 erst nach dem Text im ‚Großen deutschen Memorial‘ entstanden ist, zeichnen sich für das ‚b ch‘ zwei mögliche Überlieferungswege im Zuge der Auseinandersetzungen um die Einführung der strengen Observanz im Magdalenenkloster 284 ab: Am 13. April 1437 wandten sich Ammeister und Rat der Stadt Straßburg mit der Bitte um eine nachträgliche Autorisierung eines Reformvorhabens der Reuerinnengemeinschaft an Papst Eugen IV. und berichteten, die Priorin des Klosters und der größere Teil der Schwestern habe - aus Mangel eines geistlichen Hirten - den päpstlichen Legaten Julian, der sich auf dem Konzil in Basel aufhalte, gebeten, die Reform einzuleiten; dieser habe den Straßburger Dominikaner Peter von Gengenbach, Vikar des Dominikanerinnenkonventes St. Nikolaus in undis, mit der Reform beauftragt. 285 In diesem Dominikanerinnenkloster wurden nun nachweislich mehrfach Texte der ‚Gottesfreundliteratur‘ kopiert. 286 Es wäre also denkbar, daß Peter von Gengenbach das ‚b ch von dem geuangen ritter‘ in das Reuerinnenkloster transferierte. Im Zuge dieses Versuchs, das Reuerinnenkloster den Regeln und Gewohnheiten des Dominikanerordens zuzuführen, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Peter von Gengenbach und den Schwestern, da Peter die Priorin, Subpriorin und andere Amtsschwestern absetzte und sie durch Dominikanerinnen von andern landen, d.h. aus den reformierten Gemeinschaften in Himmelkron und Liebenau bei Worms austauschte. Mit der Tatsache nicht einverstanden, das frömde lut ir kinde gut geniessen und regieren und ir kinde also usgestossen sin solent, 287 griff der Rat der Stadt am 20. September 1437 erneut in die Belange des Klosters ein, wandte sich nun aber an den Generalpropst der Reuerinnen und bat ihn, gegen das Unrecht einzuschreiten. Zwei Monate später, im November 1437, beauftragte der Kardinallegat Julian schließlich die Prioren der Johanniter und Kartäuser, den Münstervikar Paulus von Preußen und den Magister des Armenspitals, die aus St. Magdalena vertriebene Priorin und die übrigen Schwestern in „den früheren Stand der Reform zurückzuführen“. 288 Das ‚b ch von dem geuangen ritter‘ kann auch im Zuge dieses zweiten Reformanlaufs mit Hilfe der Johanniter in das Reuerinnenkloster gelangt sein. 284 Vgl. Lucien Pfleger, Geschichte des Reuerinnenklosters St. Magdalena, S. 12-15; für eine differenzierte Darstellung der Umstände der Reform: Sigrid Schmitt, Geistliche Frauen und städtische Welt, S. 426f. 285 Lucien Pfleger, Geschichte des Reuerinnenklosters St. Magdalena, S. 12; vgl. hierzu auch: Iohannes Meyer, Buch der Reformacio Predigerordens, IV. und V. Buch, hg. von Benedictus Maria Reichert, Leipzig 1908 (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 3), S. 97f. 286 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 2.3.5.2.1. 287 Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2975, zit. nach Sigrid Schmitt, Geistliche Frauen und städtische Welt, S. 427. 288 Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2975 3 . Vgl. auch: Lucien Pfleger, Geschichte des Reuerinnenklosters St. Magdalena, S. 15; Sigrid Schmitt, Geistliche Frauen und städtische Welt, S. 427. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 234 B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Ein Vergleich der beiden Textzeugen des ‚b ch von dem geuangen ritter‘ zeigt eine hohe Übereinstimmung: Sowohl der Textbestand als auch seine Formulierungen sind durch eine überraschende Einhelligkeit charakterisiert, die auf eine Verwandtschaft der beiden Straßburger Handschriften schließen läßt. Entweder wurde die um einige Jahrzehnte jüngere Handschrift B 863 direkt vom ‚Großen deutschen Memorial‘ abgeschrieben oder beide Codices sind um Genauigkeit und Übereinstimmung bemühte Kopien einer nicht erhaltenen, gemeinsamen Vorlage. Da sowohl die eigenständigen Fehler der Berliner Handschrift als auch der in ihr überlieferte, sporadisch um Partikel, Anreden und Ortsadverbien gekürzte oder Einzelworte variierende Textverlauf keine Rückschlüsse auf den Tradierungsprozeß erlauben, machen allein die in A vorgenommenen zahlreichen Nachträge und Verbesserungen das Verhältnis der beiden Handschriften durchsichtig. Durch das Überspringen einzelner Worte oder ganzer Satzteile, welches das ‚Große deutsche Memorial‘ als Abschrift charakterisieren, werden im Verlauf des ‚b ch von dem geuangen ritter‘ an zahlreichen Stellen interlineare (A, Bl. 27 r , 28 v , 31 r , 42 v , 43 v , 46 r ) oder auf den Blatträndern angefügte Nachträge (A, Bl. 21 r , 23 r , 25 r , 26 v , 28 r , 29 v , 30 v , 39 r , 41 r , 42 r , 44 r , 45 v ) notwendig, die in der überwiegenden Zahl in der Berliner Handschrift vorhanden und in den Textverlauf integriert sind. Da es sich bei diesen nachträglichen Zusätzen nicht allein um Korrekturen agrammatischer, da unvollständiger Satzkonstruktionen handelt (die keine Schlußfolgerungen auf das Abhängigkeitsverhältnis der beiden Textzeugen zulassen, da eine Korrektur auch ohne Hilfe der Nachträge, aufgrund der Sprachkompetenz des Schreibers vorgenommen worden sein kann), da neben diesen Verbesserungen auch jene Zusätze, die den Text nicht korrigieren, sondern verdeutlichen oder um zusätzliche Aspekte ergänzen, in der Berliner Handschrift tradiert sind, scheint es sich bei B 863 um eine Kopie des ‚Großen deutschen Memorials‘ zu handeln, die vorgenommen wurde, als die Ergänzungen in A bereits durchgeführt waren: A 289 B 863 [21 r ] also woltent sú kein ding haben denne a l l e s (nachgetragen) in gemeineschaft [282 vb ] also woltent sú kein ding haben denn a l l e s in gemeinschafft / [31 r ] N hant si nút mitteinander denne ein kint vnd ist das g a r (nachgetragen) eine sch ne dohter [295 va ] N hant sú nit mit ein ander denne ein kint vnd ist das g a r eine sch ne dohter [39 r ] Do hette es mich in den ziten gar fr mede, wie den sachen were vnd ich l t zwene wol gelerte pfaffen, die ouch eins g t e n (nachgetragen), heiligen lebens worent [303 vb ] Do hette Es mich gar fr mede in den ziten, wie den sachen were Vnd l t zwene wol gelerte pfaffen, die ouch eines g t e n , heilgen lebendes worent Allein die wenigen nur in A und nicht in der Berliner Handschrift überlieferten Korrekturen widerlegen die These einer unmittelbaren Verbindung der Manuskripte. Während das Festhalten am nicht-korrigierten Text mitunter durchaus auf ein differentes Sprachgefühl oder einen unterschiedlichen stilistischen Gestaltungswillen zurückgeführt werden könnte, da beide Textvarianten - sowohl die in A als auch die in B 863 - grammatikalisch und semantisch sinnvolle Lektüren ermöglichen, lassen durch ‚fehlende‘ Korrekturen entstandene Fehler bzw. Textdifferenzen darauf schließen, daß die beiden Handschriften von einer gemeinsamen Vorlage kopiert wurden: Die Ergänzung des Personalpronomens ir auf Bl. 28 v in A ist so notwendig, um 289 Die textuelle Varianz der Handschriften wird im folgenden durch Sperrung markiert. Wenn nicht anders ausgewiesen, wurden die Hervorhebungen daher stets von der Verfasserin vorgenommen. ‚b ch von dem geuangen ritter‘ 235 die Valenz des Verbs abgân zu erfüllen; nur durch das eingefügte Dativobjekt wird verständlich, daß sich der gefangene Ritter von der Mutter Gottes abgewendet hat: vnd das weist du garwol das du es gar vil der kúnigin, gottes m ter, gelobet hest vnd breche es denne vnd ginge ir (nachgetragen) abe wer sol dir danne getuwen [sic! ] (A, Bl. 28 v ; in B 863 fehlt demgegenüber das Pronomen, vgl. Bl. 292 rb ). Auch ist die Konjunktion vnd, die in A zwei temporale Nebensätze miteinander verbindet, notwendig, da ohne sie die Reihung der Nebensätze nicht deutlich ist und somit der zweite Nebensatz als Beginn eines Hauptsatzes interpretiert wird: A B 863 [41 r ] aber so er in dem zuge úber sich uf gezogen wart v n d (nachgetragen) in dem zuge nuwent ein kleines fúnckelin vnd schinlin von dem hohen, bresten paradise in ane schinende wart, das was z stunt úber alle sine sinneliche vernunft, do von er nút gesagen kunde [306 rb ] Aber so er in dem zuge úber sich uff gezogen wart in dem zuge nuwent ein kleines f nkelin vnd schinlin von dem hohen, bersten paradise in ane schinende wart, das was z stvnt úber alle sine synneliche vernvnft, do von er nit gesagen kvnde Das Verhältnis der Berliner Handschrift zu diesen (dem ‚Großen deutschen Memorial‘ beigegebenen) Zusätzen läßt zusammenfassend darauf schließen, daß die beiden tradierten Textzeugen in keinem direkten Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen, sondern die gleiche Vorlage kopierten. Diese Form der Genese macht verständlich, wieso in der Handschrift des Reuerinnenklosters nur Teile der Korrekturen nachzuweisen sind. Die Mehrheit der Ergänzungen in A läßt sich als Korrektur von Auslassungen erklären, die durch die Mechanik des Abschreibeprozesses entstanden sind und in B 863 - aufgrund der direkten Abschrift aus der Vorlage - in den Textverlauf integriert werden konnten; nur wenige der Korrekturen wurden demgegenüber durch Fehler der Vorlage notwendig. Hinzu treten im ‚Großen deutschen Memorial‘ Zusätze, die als bewußte Verdeutlichungen der Vorlage gedient haben könnten, die jedoch in der Berliner Handschrift nicht erscheinen, da diese den Text aus A nicht kennt. Besondere Bedeutung gewinnt die These einer gemeinsamen Vorlage durch die in den Rubriken gemachten Angaben zu Autor und Genese des Textes. Auf den ersten Blick bestätigen die Unterschiede in der Einleitung zum ‚b ch von dem geuangen ritter‘ die These Rieders, die ‚Gottesfreundliteratur‘ beruhe auf anonym überlieferten Vorlagen, die nur auf dem ‚Grünen Wörth‘ dem Gottesfreund aus dem Oberland zugeschrieben würden, 290 denn nur in A findet dieser Erwähnung: Dis ist das b ch von dem geuangen ritter, des der liebe frúnt gottes in berlant kuntschaft hette vnd ouch sin heimelicher rotgebe was in geistlichen sachen, noch dem do ime die úbernatúrliche g tteliche gnode wart vnd us der geuengnisse kam Des selben geuangenen ritters leben vnd alle die grossen, tr stlichen mirackele, die got mit ime wirkete in der geuengnisse vnd dar noch nún ior Das schreip der liebe gottes frúnt in berlant R leman merswine, vnserme stiftere, sime lieben, heimelichen gesellen von worte z worte, alse dis b ch seit, das hie ane vohet vnd alsus sprichet (A, Bl. 20 v ; Schmidt 1866, S. 139). Die Handschrift der Reuerinnen berichtet über ihre Quelle demgegenüber lediglich, das ‚b ch‘ sei aus einem Brief entnommen worden, den ein grosser gottes fr nt schreip sime heimelichen gesellen (B 863, Bl. 282 va ). Erst in einem (dem Text angefügten) Schlußsatz weiß auch das Manuskript des Frauenkonvents von der Herkunft des Traktates aus dem Oberland: Dis b chelin wart von berlant har abe gesendet Des jores, do man zaltte von gottes gebúrte xiij hvndert Jor fiertzig vnd ix Jore 1349 (B 863, Bl. 311 rb ) und bietet so - in einer leichten syntaktischen Variation - die In- 290 Vgl. die Ausführungen auf S. 421f. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 236 formationen, die den Text auch in A beschließen: In dem iore, do man zalte von gottes gebúrte dritzehen hundert viertzig vnd nún iare do wart dis b chelin von berlant her abe gesendet (A, Bl. 46 r ; Schmidt 1866, S. 186). Die nahezu identische Quellenberufung macht es wahrscheinlich, daß die Reuerinnen die Vorlage ihres Textes von den Johannitern erhielten, die auch ihr ‚Wissen‘ um den Ursprung des ‚b ch‘ - entweder durch einen mündlichen Bericht oder in der Vorlage selbst - an die Straßburger Gemeinschaft weitergaben. Wenn somit nicht bereits die Vorlage - der auch im Haupttext beschriebenen großen Entfernung zwischen den Wohnorten des Gottesfreundes und des gefangenen Ritters entsprechend (Schmidt 1866, S. 163, 164f.) - die Aufzeichnung des Textes im ‚Oberland‘ imaginiert, erlauben die redaktionellen Erläuterungen in B 863 Einblicke in den Tradierungsprozeß, der vom ‚Grünen Wörth‘ ausging: Es ist zu vermuten, daß die von den Johannitern tradierten Informationen zum Text den Angaben in A entsprachen, B 863 übernahm in ihre redaktionellen Erläuterungen jedoch nur das für den Handschriftenzusammenhang Notwendige. Im Zentrum des Interesses stehen die im Traktat berichteten Marienmirakel (Dis ist von eime gefangenen Ritter, wie er úbernatúrlich begnodet wart / in der gefongnisse / wonne es vnßer liebe frowe also wolte, der er genoß ; B 863, Bl. 282 va ), der Ursprung des Textes bei einem Gottesfreund aus dem berlant (Bl. 311 rb ) tritt demgegenüber zurück, und auch die Vermittlung Rulman Merswins resp. der Johanniter ist nicht berichtenswert. Diese Auswahl des Erzählten zeigt zum einen, daß die von der Johanniterkomturei ausgehende Tradierung der Texte nicht zum Ziel hatte, die in den Handschriften des ‚Grünen Wörth‘ betonte Verbindung des Konvents zum Autor der Traktate weiterzugeben: Während das ‚Große deutsche Memorial‘ den Traktat aufgrund des Berichterstatters (des Gottesfreundes) und des Empfängers des Briefes (Rulman Merswins) in sein Textcorpus aufnimmt, wird diese Information in der weiteren Überlieferung anscheinend nicht forciert. Die Texte scheinen somit kontextabhängige Funktionen übernehmen zu können. Zum anderen verdeutlicht die selektive Weitergabe des Ursprungsberichts auf der Seite der Reuerinnen, daß weder die Anbindung an eine bekannte Straßburger Familie noch die Vermittlung durch einen Straßburger Konvent als Gewähr des Textes von Bedeutung sind; entscheidend ist allein das im Text enthaltene Marienmirakel. Eine realweltliche Anbindung wird nicht versucht; die Wahrheit des Textes ist von dieser unabhängig. 2.3.1.2. ‚B ch von einre heiligen Closenerin, hies Vrsula‘ B 165 B ERLIN , S TAATSBIBLIOTHEK P REUSSISCHER K ULTURBESITZ , Ms. germ. quart. 165, Bl. 160 r -182 r Papier - 21,3 x 14,3 cm - 265 Bll. - Bastarda - alem. - 2. Viertel 15. Jh. - Predigt- und Traktatsammlung, die durch ihre thematische Zentrierung auf das „Fegefeuer, [...] de[n] rechten Umgang[ ] mit der Schuld, [die] wahre[ ] Buße und [das] Freiwerden von Hindernissen und ‚gebresten‘“ eine moralisierende Rezeption der mystischen Predigten Taulers bietet. 291 B ESCHREIBUNG : Hermann Degering, Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der Preußischen Staatsbibliothek. Bd. II: Die Handschriften in Quartformat, Leipzig 1926 (Mitteilungen aus der Preußischen Staatsbibliothek VIII), S. 29f.; Hans Hornung, Daniel Sudermann als Handschriftensammler. Ein Beitrag zur Strassburger Bibliotheksgeschichte, Diss. [masch.] Tübingen 1956, S. 76-79; Thomas Lentes, ‚Tauler im Fegefeuer‘ oder der Mystiker als Exem- 291 Thomas Lentes, ‚Tauler im Fegefeuer‘, S. 125 und 126. ‚b ch von einre heiligen Closenerin, hies Vrsula‘ 237 pel. Formen der Mystik-Rezeption im 15. Jahrhundert. Mit einem Anhang zum Sterbeort Taulers und Textabdruck, in: Claudia Brinker, Urs Herzog, Niklaus Largier und Paul Michel (Hgg.), Contemplata aliis tradere. Studien zum Verhältnis von Literatur und Spiritualität. Festschrift für Alois M. Haas, Bern 1995, S. 111-155, hier S. 120f., 153-155; Johannes Gottfried Mayer, Die ‚Vulgata‘-Fassung der Predigten Johannes Taulers. Von der handschriftlichen Überlieferung des 14. Jahrhunderts bis zu den ersten Drucken, Würzburg 1999 (Texte und Wissen 1), S. 207 (Sigle B7); Rudolf Kilian Weigand, Predigen und Sammeln. Die Predigtanordnung in frühen Taulerhandschriften, in: Václav Bok, Ulla Williams und Werner Williams- Krapp (Hgg.), Studien zur deutschen Sprache und Literatur. Festschrift für Konrad Kunze zum 65. Geburtstag, Hamburg 2004 (Studien zur Germanistik 10), S. 114-155, hier S. 128f., 155. P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Balácz J. Nemes hat darauf hingewiesen, daß der Codex „eine mit Quarzlampe lesbare mittelalterliche Signatur des Dominikanerinnenklosters St. Nikolaus in undis in Straßburg [trägt] und [...] über eine der Schreiberhände mit einer anderen Handschrift aus diesem Kloster verbunden [ist].“ 292 B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Die Berliner Handschrift des ‚b ch von einre heiligen Closenerin, hies Vrsula‘ bietet eine redaktionelle Bearbeitung des in A tradierten Textes. Neben Varianten, die durch den unterschiedlichen Idiolekt der Handschriftenbenutzer zu erklären sind (B 165 präferiert z.B. das Gerundium gegenüber dem Vollverb und ersetzt die ungewöhnliche Jahreszählung in A durch gängigere Formen der Datierung), bietet B 165 gegenüber A zahlreiche ‚freie‘ Variationen, die von Zusätzen und Tilgungen adverbialer Bestimmungen des Ortes und der Zeit über eine veränderte Reihenfolge der Satzglieder bis hin zu Varianz in den Formulierungen reichen. Die angeführten Unterschiede schließen dabei eine Abschrift aus dem ‚Großen deutschen Memorial‘ nicht aus, da aus zwei nachträglich aus B 165 getilgten Passagen hervorgeht, daß der Codex keine identische Kopie seiner Vorlage, sondern eine dem Gebrauchszusammenhang in einem Dominikanerinnenkloster angepaßte Textfassung anstrebte. Sowohl die Lebensbeschreibung Vrsulas als auch ihrer Gefährtin Adelheit werden einer Zensur unterzogen, so daß der Text, dem in A vier Folioblätter (A, Bl. 50 r -54 r ) gewidmet sind, in der Berliner Handschrift nur drei Quartblätter (B 165, Bl. 168 v -171 v ) umfaßt. Dieser quantitative Unterschied liegt darin begründet, daß B 165 die Erzählung von der reichen Tuchmachertochter Vrsula, die - einer göttlichen Offenbarung folgend - mit Hilfe der Begine Vye im Berner Land eine Klause bezieht, als Vita einer vorbildlichen Asketin komponiert: Der Bericht über Vrsulas Leben als Rekluse wird auf ihrer zehn Jahre andauernden, selbst auferlegten bungen beschränkt, von denen sie in einer Vision befreit wird, um bis zu ihrem Tod im Trost Gottes zu leben und nach dem geduldigen Ertragen zahlreicher Anfechtungen an ihrem Totenbett, welche ihr die Qualen des Fegefeuers erlassen sollen (und durch die Thematisierung des Purgatorims die Aufnahme des Textes in die Sammelhandschrift erklären mögen), direkt in das Paradies aufgenommen zu werden. In A jedoch schließen sich den selbstgewählten Kasteiungen von Gott gesandte Versuchungen an, die Vrsula mit Hilfe ihres Beichtvaters zu überwinden sucht, wofür die rehte klefferin (A, Bl. 51 v ; Jundt 1879, S. 373) mit einer erneuten Anfechtung bestraft wird, denn der Beichtvater erklärt, Vrsula werde von den Versuchungen befreit, wenn sie einen man heimeliche z ir liesse (A, Bl. 51 r ; Jundt 1879, S. 372). In einer Vision, die der standhaften Vrsula zuteil wird, nachdem sie den Beichtvater aus ihrer Klause vertrieben hat, wird ihr erläutert: dise súnde, die hest du alle z broht mit dime klaffende also das du ime seitest von der grossen gnoden der bekorungen, die du heimeliche soltest getragen haben (A, Bl. 52 r ; Jundt 1879, S. 373f.). 292 www.Handschriftencensus.de/ 11818. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 238 Die Ellipse der Berliner Handschrift (sie umfaßt in Jundts Ausgabe [1879] S. 370, Z. 27 bis S. 375, Z. 31) ist - so legt bereits ihr Umfang nahe - nicht auf einen Abschreibefehler zurückzuführen, vielmehr ist die Episode um den sündhaften Beichtvater absichtlich aus dem Text gelöst worden; dabei legt der materiale Befund der Handschrift nahe (vor Bl. 169 r sind acht Blätter herausgetrennt), daß die Kürzung nachträglich vorgenommen wurde. Der Bericht über die Leiden, die aus Vrsulas bungen erwachsen, endet in A folgendermaßen: In disen selben zehen ioren beschach es dicke, das sú z vil ziten manigualtige, grosse, úbernatúrliche, fr idenriche wunder von gotte befant, gar vil me wenne sú begeren kunde wanne sú m hte es z keinen worten bringen, wanne es úber alle menschliche sinne was (A, Bl. 50 r ; Jundt 1879, S. 370). B 165 beschließt diese Station in der Vita Adelheits ebenso, der Satz wird jedoch am Ende des Blattes 168 v abgebrochen, mensch getilgt, um den Bericht über die bekorunge und die daraus erwachsende Erfahrung mit dem Beichtvater zu überspringen und statt dessen die in A aus den Versuchungen Gottes hervorgehenden Leiden auf die Selbstkasteiungen zu beziehen: In disen selben zehen Joren beschach es dicke, daz sú z vil ziten manigualtige, groß, vbernatúrliche, froidenriche wunder von gotte befant, gar vil me danne sú begeren kunde wanne sú m hte es z keinen worten bringen, wanne es uber alle ir (mensch durchgestrichen) [169 r ] lidende was gesin / do was sú sin alse gar krang vnd swach worden vnd also gar mager also das ir kume die h t obe dem gebeine bleip (B 165, Bl. 168 v / 169 r ). Der logische Zusammenhang des Textes wird so der Zensur geopfert, denn der neu gebildete Satz ist zwar grammatikalisch korrekt, ergibt jedoch keinen Sinn: Während die Wunder Gottes in A unaussprechlich, da allen menschlichen Sinnen unzugänglich sind, gelingt es Vrsula in B 165 nicht, die W u n d e r Gottes zu beschreiben, da sie ihr persönliches L e i d e n übersteigen. Da durch die Technik der Kürzung zudem auch Passagen gestrichen werden, deren Zensur nicht durch moralische Bedenken motiviert sein kann (z.B. der Tod der Begleiterin Vye), wird deutlich, daß der Text des ‚exemplars‘ zunächst vollständig in B 165 kopiert und der benannte Textausschnitt erst nachträglich durch Heraustrennen von acht Blatt entfernt wurde, was sowohl einen sinnvollen Textübergang als auch eine bewußte Selektion der zu streichenden Abschnitte verhinderte. Diese These wird durch die zweite in B 165 vorgenommene Kürzung bestätigt. Im ‚Großen deutschen Memorial‘ begibt sich die Begine Adelheit zur Klause Vrsulas, da sie von schweren Versuchungen heimgesucht wird und bereits zwei Beichtväter vergeblich um Rat ersucht hat, wie sie von diesen befreit werden könne: Rät der erste ihr zur Ehe (A, Bl. 55 v ; Jundt 1879, S. 380), schreibt ihr der zweite einen Brief mit aller gruwelichesten, behendesten, bedecketesten, verborgenesten, glosiertesten wort[en], die alle uf die nature geneiget werent (A, Bl. 56 v ; Jundt 1879, S. 382). Auch diese beiden Berichte über sündhafte Beichtväter werden in der Handschrift der Dominikanerinnen gestrichen; hier trägt Adelheit nur vor, sie werde von Versuchungen geplagt, woraufhin die Klausnerin ihr rät, dieses nicht zu beichten. Die Ellipse des Textes, der in A drei Folioblätter umfaßt (A, Bl. 54 r -57 r ; Jundt 1879, S. 378, Z. 1-S. 383, Z. 17), wurde jedoch nicht schon bei der Abschrift selbst vorgenommen, denn auch hier sind Rasuren am Ende eines Blattes, Nachträge einer späteren Hand sowie die Überklebung von Textteilen notwendig, um einen neuen Textzusammenhang zu schaffen: [171 v ] Z. 13 Do beschach es uf die sel- Z. 14 be zit Das ein gar riche, schone, wol Z. 15 gefrúnde iungfrowe in der selbe stat ‚b ch von einre heiligen Closenerin, hies Vrsula‘ 239 Z. 16 was, die was ein g telerin vnd ging Z. 17 vil z bredigen vnd z messen; vnd Z. 18 die selbe Júngfr we, die kam do z , Z. 18 das sú in gar uil grosser swer be- Z. 19 korungen viel / Also das sú vil von Z. 20 den bekorúngen bihten wart vnd die Z. 21 bekor nge (Einfügungszeichen #), die worent alse gar sche- Z. 22-25 [Rasur] [unterer Blattrand, auf einem nachträglich eingeklebten, zwei Zeilen abdeckenden Papierstreifen von anderer Hand: ] noment also vast an ir z das s ging z der lieben vrsulen vnd begert rotes von ir Do sprach s [172 r ] Z. 1 Als du nu bihtende wurst, so endarft Z. 2 du von den sachen nút anders bihten, Z. 3 wenne daz du dich schuldig gist / daz Z. 4 du dich aller infallender gedencke alse Z. 5 geswinde vnd alse vestekliche geweret Z. 6 nút enhest, alse du soltest / vnd was Z. 7 dich got dar Inne schuldig weis, das Z. 8 gist du dich schuldig / vnd so du gebih- Z. 9 test, so nút sitze lange mit den bihte- Z. 10 ren mere z sagmde [sic! ] Die Nachträglichkeit der Kürzung wird auch dadurch bestätigt, daß durch sie der Fokus des Textes verlagert wird, da der Zensur der gesamte Lebensbericht der jüngeren Frau zum Opfer fällt und somit die Konzeption Adelheits als Parallelfigur zu Vrsula nicht mehr erkennbar ist. Adelheit wird von der Nachfolgerin Vrsulas zu einer Zeugin ihrer Heiligkeit. Die im Text angelegte Wiederholbarkeit des gottgefälligen Lebens tritt gegenüber der Außerordentlichkeit der Vita Vrsulas zurück. Umfang und inhaltliche Parallelen in den gestrichenen Textteilen lassen darauf schließen, daß die Ellipsen auf nachträglichen Kürzungen beruhen, die die ausgesprochen kritische Figuration der Beichtväter in den Textpassagen für eine Rezeption in einem Dominikanerinnenkonvent, der auf die Seelsorge außenstehender Priester angewiesen war, für ungeeignet erachteten und sie der Zensur unterwarfen. Erlauben somit die beiden Eingriffe in den Textbestand keine Schlußfolgerungen auf das Verhältnis der beiden Überlieferungsträger, verdeutlichen sie die grundsätzliche Bereitschaft - zumindest einer späteren Nutzerin oder eines Redaktors -, in den Textverlauf der Berliner Handschrift einzugreifen. Ziel der überlieferten Kopie des Textes ist es somit nicht, den Lebensbericht zu konservieren, sondern ihn funktional in den neuen Überlieferungskontext einzubetten. Sowohl Textbestand als auch Textdifferenzen erhellen somit das Verhältnis der beiden Textzeugen nicht vollständig: Die Handschrift der Dominikanerinnen könnte sehr wohl auf das ‚Große deutsche Memorial‘ zurückgehen, wenn die Kopistin nicht nur nachträglich, sondern bereits während der Abschrift durch Kürzungen, Erweiterungen und Umformulierungen in den Text eingriff; beiden Handschriften kann jedoch auch eine gemeinsame Vorlage zugrunde liegen, deren Textverlauf sie unabhängig voneinander veränderten. Auch die unterschiedliche paratextuelle Rahmung des Textes - im Gegensatz zur Rubrik in A, welche den Gottesfreund aus dem Oberland als den Übersetzer der in welscher sproche verfaßten Aufzeich- Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 240 nungen Vrsulas und Adelheits figuriert (A, Bl. 46 r ; Jundt 1979, S. 364), bringen die Dominikanerinnen den Text weder mit dem Gottesfreund aus dem Oberland noch mit der Straßburger Johanniterkomturei in Verbindung, sondern überschreiben ihn: Diß ist von Vrselen, der closenerin z Brabant (B 165, Bl. 160 r ) -, selbst diese abweichende Figuration der Genese des Textes erlaubt aufgrund der unterschiedlichen redaktionellen Bearbeitungen des ‚b ch‘, die in den beiden Handschriften tradiert sind, keine Rückschlüsse auf ihr Verhältnis zueinander, da die fehlende Zuweisung des ‚b ch‘ an den Mitstifter des ‚Grünen Wörth‘ sowohl durch eine nachträgliche, im neuen Gebrauchszusammenhang begründete Tilgung als auch durch die Abschrift einer anderen, den Text anonym tradierenden Vorlage erklärt werden kann. 2.3.1.3. ‚B ch von einem eginwilligen, weltwisen manne‘ D ILLINGEN , S TUDIENBIBLIOTHEK , XV 125, Bl. 89 r -104 v 293 Papier - 20,5 x 14,5 cm - I + 180 + I Bll. - Bastarda - südrheinfränk. - 1433 (Bl. 181 v ) - mystische Sammelhandschrift B ESCHREIBUNG : Elisabeth Wunderle, Die mittelalterlichen Handschriften der Studienbibliothek Dillingen, Wiesbaden 2006, S. 253-258. V ERZEICHNET : Georg Steer, Strauch, Merswin, Sp. 433; Dietrich Schmidtke, ‚Der Marner‘ (oder ‚Der geistliche Kiel‘), in: 2 VL Bd. 6 (1987), Sp. 68-70. P ROVENIENZ : Die Besitzer der Handschrift sind erst im 17./ 18. Jahrhundert nachweisbar: Laut Eintrag auf Bl. 2 r (Ex Bibliotheca Reuerendissimi Episcopi Augustani) war der Codex im Besitz der Augsburger Bischöfe. Wahrscheinlich kam die Handschrift im Zuge der Säkularisation mit der Fürstbischöflichen Bibliothek nach Dillingen. B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Der Text wird mit dem ‚Marner‘ als eine Einheit aufgefaßt, da er folgendermaßen endet: Hie hat der Marner end ein ende vnd got vns sin hilff sende. Explicit hoc totum infunde da mihi potum (Bl. 104 v ). 2.3.2 Die Überlieferung des ‚b ch von den zwey menschen‘ Fr 194 F REIBURG I . B R ., U NIVERSITÄTSBIBLIOTHEK , Hs. 194, Bl. 137 r -168 v Papier - 22 x 14,5 cm - 169 Bll. - Bastarda - alem. - 1425/ 26 - Sammelhandschrift, die neben einer Bearbeitung der Legende der heiligen Maria Magdalena, der heiligen Martha und des heiligen Lazarus aus der ‚Legenda aurea‘, einem Traktat ‚Über die armen Seelen‘ und einer Predigt über das Leiden Christi (Lc 13, 6-9) 294 zwei Texte des Straßburger ‚Gottesfreund‘-Corpus bietet: das ‚b ch von den zwey menschen‘ ab dem dritten Kapitel (Bl. 137 r -168 v ) und das ‚b ch von dem meister‘ (Bl. 41 r -103 v ), dem eine Identifikation des Laien mit dem Gottesfreund fehlt. 295 293 Leider war eine Einsichtnahme in die Handschrift nicht möglich, um genauere Angaben zum Codex oder zur Textgestalt zu machen. 294 Vgl. Paul-Gerhard Völker, Die deutschen Schriften des Franziskaners Konrad Bömlin. Teil 1: Überlieferung und Untersuchung, München 1964 (MTU 8), S. 118; Kurt Ruh, Bonaventura deutsch. Ein Beitrag zur deutschen Franziskaner-Mystik und -Scholastik, Bern 1956 (Bibliotheca Germanica 7), S. 111. 295 Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 185; zur Textform x: S. 100f., 136f., 178-180 und 182-187. ‚b ch von den zwey menschen‘ 241 B ESCHREIBUNG : Rieder 1905, S. XVIIIf.; Winfried Hagenmaier, Die deutschen mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek und die mittelalterlichen Handschriften anderer öffentlicher Sammlungen. A: Deutsche Handschriften. B: Lateinische Handschriften. Mit Anhang, Wiesbaden 1988 (Kataloge der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau 1,4), S. 41-43; Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 100f. V ERZEICHNET : Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 430. P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Der Codex gelangte nach der Säkularisation im Jahr 1782 aus dem Klarissenkloster St. Klara in Freiburg in die dortige Universitätsbibliothek; diese Ordensgemeinschaft ist auch der einzige in der Handschrift nachzuweisende Besitzer. Auf Bl. 169 v trägt eine Hand des 15. Jahrhunderts ein: Dis b ch geh rt z sant Cloren ze Friburg in Brisc we; auf Bl. 5 r findet sich von späterer Hand ein ähnlicher Vermerk (Den Clarisserin zu freyburg in breysgau geherig). 296 Da die Freiburger Klarissen anscheinend kein eigenes Skriptorium besaßen, vermutet Bruckner, das Manuskript sei im Basler Klarissenkloster Gnadental entstanden, 297 da ein Teil der Basler Nonnen nach Beginn der Reformation in Basel 1523 im St. Klara-Kloster in Freiburg Zuflucht suchte. 298 Mit ihnen gelangten laut einer Chronikmeldung einige Handschriften in die Freiburger Niederlassung, unter ihnen die Codices Nr. 193 und 253 der Freiburger Universitätsbibliothek. 299 Da der spätere Besitzeintrag der vorliegenden Handschrift (Bl. 5 r ) mit dem Vermerk auf Bl. 3 r des Manuskripts 253 übereinstimmt, glaubt Bruckner, auch Codex 194 zu jenen Handschriften rechnen zu dürfen, die in Freiburg Exil fanden. 300 Im Unterschied zu dem von Bruckner angeführten Parallelfall kann die Freiburger Handschrift jedoch nicht erst im Zuge der Reformation in das Freiburger Ordenshaus gelangt sein, da sie - wie der Besitzeintrag auf Bl. 169 v aufzeigt - bereits im 15. Jahrhundert im Besitz des Freiburger Klarissenklosters war. Gegen die angenommene Genese in Gnadental spricht darüber hinaus der durch eine Wasserzeichenuntersuchung ermittelte Entstehungszeitpunkt in den Jahren 1425/ 26, in denen in Gnadental kein aktives Skriptorium nachgewiesen werden kann. 301 Schriftsprache (der Schreibdialekt weist ins südliche Oberrheingebiet), 302 Entstehungszeitpunkt (1425/ 26) sowie die Aufzeichnung durch eine Frauenhand 303 weisen das Basler Dominikanerinnenkloster St. Maria Magdalena an 296 Vgl. zu den Freiburger Klarissen: Hans Schadek und Jürgen Treffeisen, Klöster im spätmittelalterlichen Freiburg. Frühgeschichte, Sozialstruktur, Bürgerpflichten, in: Heiko Haumann und Hans Schadek (Hgg.), Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau, 3 Bde, Stuttgart 1992-1996, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum „Neuen Stadtrecht“ von 1520, Stuttgart 1996, S. 421-467; Ulrike Denne, Die Frauenklöster im spätmittelalterlichen Freiburg im Breisgau. Ihre Einbindung in den Orden und die städtische Kommunität, Freiburg/ Br. 1997 (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte 39). 297 Albert Bruckner, Scriptoria medii aevi Helvetica. Denkmäler schweizerischer Schreibkunst des Mittelalters, 14 Bde, Genf 1935-1978, Bd. 12: Das alte Bistum Basel, Genf 1971, S. 52, Anm. 261. 298 Brigitte Degler-Spengler, Das Klarissenkloster Gnadental in Basel 1289-1529, Basel 1969 (Quellen und Forschungen zur Basler Geschichte 3), S. 82f. und 85. 299 Degler-Spengler (ibid., S. 64) verweist auf Handschrift Nr. 65/ 217 des Generallandesarchivs in Karlsruhe, Bl. 19 r . 300 Albert Bruckner, Scriptoria, S. 52, Anm. 261. 301 Vgl. ibid., S. 51. 302 Winfried Hagenmaier, Die deutschen mittelalterlichen Handschriften, S. 42. 303 Albert Bruckner, Scriptoria, S. 52, Anm. 261, und Winfried Hagenmaier, Die deutschen mittelalterlichen Handschriften, S. 42. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 242 den Steinen (ad Lapides) als einen alternativen Entstehungsort der Handschrift aus, 304 zu dem die Klarissen seit der Reform des Dominikanerinnenklosters enge Beziehungen pflegten. 305 Die Freiburger Handschrift könnte im Zusammenhang der Einführung der strengen Observanz entstanden sein, da zwei der Reformschwestern, die aus dem Unterlindenkloster in Colmar nach Basel kamen, mit der Straßburger Johanniterkommende in Verbindung gebracht werden können und so eine Erklärung dafür bieten, wie der Text des ‚b ch von den zweyen menschen‘ ins Basler Steinenkloster gelangt sein könnte: Margaretha von Kentzingen und Margaretha Zorn. Von der erstgenannten g ten swöster, genamt Margretha von Kentzingen 306 gibt Meyers ‚Buch der Reformacio Predigerordens‘ im Zuge der Einführung der Observanz in Basel einen detaillierten Lebensbericht: Nach dem Tod ihres Mannes (1411), eines Kaufmanns und Ratsherrn in Kenzingen, verschenkt die fromme Margaretha ihr ganzes Gut. Nach einer fünfjährigen Bettelfahrt gelangt sie ins Marburger Elisabethenspital, wo sie zu Unrecht wegen Diebstahls zum Tode verurteilt wird, von dem sie jedoch durch einen Priester aus dem Breisgau, der sie als eine erber person wiedererkennt, errettet wird. Daraufhin sucht sie Rat beim Gottesfreund aus dem Oberland: Also kam yr in yr gemüt, wie sie sölt gon z dem grossen fründ gotes, der mit sinen halgen gesellen lebt in Oberland in dem gebirg. Von dem selben halgen man gotes hatt sy nun uss der masen vil g ts hören sagen; wie er von kinthait uf got andechtiklich gedienet hat und nun vast alt wer und in allen götlichen s achen von der gnaden gottes des halgen gaists gar wol erfaren wer. Und es ist och in der warhait also gew esen, won diser selig gotes man ist der fünf halger man ainer gewesen, von den daz selb büchlin von den V manen sagt; ja er ist der volkomes gewesen under in, als man an dem selben büchlin mercket; er ist diser halg man, der dem maister der halgen geschrift prediger ordens daz tugentrich a,b,c lert, nach zail der b chstaben und ainen selgen menschen uss im machet. R dolfs Merswins haimlicher fründ [235] ist er gewesen, und ym mit rat und dat hilfflich ist gewesen, daz daz gaistlich leben z sant Iohannes z dem gr nen berg z Strasburg gestift ward. [...] Z disem halgen man kam mit grosser arbeit dise selig frow vnd von gotes sunder gnaden, do fand sy in in siner wonung, sust möcht sy in nit funden haben, und lait im für die gelengenhait yrs lebens vnd begert sinen hailsamen rat, wie sy nun furbas uff dem weg gotz sölt wandlen [...]. Do sait er yr, wie von dem swöster closter z Schönenstainbach, gelegen in Elses, wer an ander swöster closter, genamt Underlinden in der statt Colmar, Basler bistum, z der gaistlicheit der volkomnen observantz reformiert, [...] und riet yr, daz sy in daz selb closter köm und under der gehorsami lebte und den orden da hielt, als an demütige layswöster. 307 Die engen Beziehungen Johannes Meyers, der die ‚Reformacio Predigerordens‘ 1468 in Straßburg schrieb, zum Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis lassen keine Entscheidung zu, ob Meyers Bericht über die Konsultation des Gottesfreundes 304 Obwohl die Straßburger Dominikanerinnen in den 50er Jahren des 15. Jahrhunderts mit den Freiburger Klarissen eine Gebetsverbrüderung eingingen (vgl. Thomas Lentes, Gebetbuch und Gebärde. Religiöses Ausdrucksverhalten in Gebetbüchern aus dem Dominikanerinnen-Kloster St. Nikolaus in undis zu Straßburg [1350-1550], 2 Bde, Diss. [masch.] Münster 1996, hier Bd. 2, S. 798), schließt die von Hagenmaier ermittelte Schriftsprache eine Entstehung im Straßburger Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis aus, der einzigen Konventsgemeinschaft, die neben dem ‚Grünen Wörth‘ und den Freiburger Klarissen über Handschriften des ‚b ch von den zwey menschen‘ verfügt. 305 Brigitte Degler-Spengler, Das Klarissenkloster Gnadental in Basel, S. 71. 306 Iohannes Meyer, Buch der Reformacio Predigerordens. IV. und V. Buch, S. 55. 307 Ibid., S. 58 (vgl. auch: Heinrich Seuse Denifle, Das Leben der Margaretha von Kentzingen, S. 483, Z. 24-S. 484, Z. 19). ‚b ch von den zwey menschen‘ 243 sich auf eine Basler Klostertradition berufen kann oder ausschließlich Beigabe des Dominikaners ist, der versucht, die Observanz auch durch jene den Straßburger Dominikanerinnen als vorbildlich geltende Gemeinschaft der Gottesfreunde 308 legitimieren zu lassen. Sollte es sich bei dem Rat an Margaretha von Kentzingen um ein der ‚reformacio‘ vorgängiges Element der Vita handeln, könnte die Dominikanerin, die mit der Haustradition des ‚Grünen Wörth‘ in enger Verbindung zu stehen scheint, das ‚b ch von den zwey menschen‘ nach Basel transferiert haben und auch für die Überführung des Codexes nach Freiburg verantwortlich sein: Als sie nach dem Tod ihres Mannes ein Leben in Armut wählt, übergibt sie ihre fünfjährige Tochter Magdalena Beutlerin dem Kloster St. Klara in ihrer Heimatstadt. 309 Der auf dem Pergamentblatt auf dem Deckel vermerkte Titel der Handschrift Leben der h.l.en Magdal. vnd Martha, der sich auf den ersten in ihr enthaltenen Text bezieht, wäre so vielleicht durch die Namenspatronin der Empfängerin zu erklären. Auch beim zweiten möglichen Tradierungsweg des ‚b ch von den zwey menschen‘ spielen neben der Verbreitung von Reformschriften durch die monastische Observanzbewegung familiäre Bindungen eine entscheidende Rolle: Gemeinsam mit Margaretha von Kentzingen traf 1423 ihre Namensvetterin Margaretha Zorn aus dem Kloster Unterlinden in Colmar im Basler Steinenkloster ein. Die wackhere fro e schwester aus adelichem geschlecht, die 1418 aus dem Straßburger Dominikanerinnenkloster St. Margaretha ins reformierte Kloster Schönensteinbach wechselte, ist nasmahls mit anderen schwesteren [...] gesandt worden dise nachfolgendte Clöster zu reformieren: Erstlichen [1419] das bei vndterlinden in Colmar. 2. [1423] das an der steinen zu Basel. 3. [1429] das zu hocheim oder himels Cron bei wurmbs. 4. [1437] das bei den reüweren [...] in strasburg, ob wolen dises Closter nicht vnseres Ordens ware. 310 Wie Margarethas Beispiel eindrücklich zeigt, unterstützte ihre Familie - ein Zweig des „weitverbreitetsten Geschlechts in Straßburg und im Elsaß“ 311 - nachdrücklich die dominikanische Ordensreform: 312 Die Zorn nahmen eine führende Rolle bei der Einführung der strengen Observanz in St. Agnes ein 313 und brachten in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zahlreiche dominikanische Reformschwestern hervor, 314 da das in Straßburg einflußreiche Geschlecht 315 in der Observanzbewegung ein Mittel erkannt hatte, in den bis dahin 308 Vgl. die Ausführungen auf S. 311. 309 Iohannes Meyer, Buch der Reformacio Predigerordens. IV. und V. Buch, S. 52. 310 Seraphin Dietler’s Chronik des Klosters Schönensteinbach. Auf Wunsch mehrerer Altertumsfreunde hg. von Staatsrat Dr. Joh. von Schlumberger, Gebweiler 1897, S. 319, sowie in den Berichten über die Reform in Unterlinden (S. 329), in Basel (S. 344) und in Worms (S. 388). Margaretha Zorn könnte mit der Tochter Margaretha und Bertold Zorns jun., eines Straßburger Ritters, identisch sein, die am 12.9.1410 im St. Margarethen Kloster in Straßburg bezeugt ist, da ihr ihre verwitwete Mutter 3 lb. Getreide und 10 s. jährliche Einkünfte aus Haus, Hof und Garten zu den Augstein ad suas necessitas in statu religion sublenad schenkte (Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 3124 18 ; mein herzlicher Dank gilt Sigrid Schmitt für den wertvollen Hinweis). 311 I. Kindler von Knobloch, Das goldene Buch von Straßburg, Wien 1886, S. 444. 312 Sigrid Schmitt, Geistliche Frauen und städtische Welt, S. 288. 313 Ibid., S. 272-283. 314 Ibid., S. 273f., 288. 315 Vgl. Martin Alioth, Gruppen an der Macht. Zünfte und Patriziat in Strassburg im 14. und 15. Jahrhundert. Untersuchungen zu Verfassung, Wirtschafts- und Sozialstruktur, 2 Bde, Basel; Frankfurt/ M. 1988 (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 156 und 156a), Bd. 2, S. 516, 532, 558, 568f. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 244 von patrizischen Familien dominierten Klöstern führende Positionen einzunehmen; 316 neben diesem Engagement der Familie für die dominikanische Reformbewegung unterhielten die Zorn jedoch auch enge und kontinuierliche Beziehungen zur Johannitergemeinschaft auf dem ‚Grünen Wörth‘: Am 4. April 1388 wird Nikolaus Zorn von Bulach als Pfleger der Jakobsmesse bezeugt; 317 derselbe ersetzte ein Jahr zuvor bereits Heintzeman Wetzel nach dessen Tod als Pfleger der gesamten Stiftung. 318 Sein Neffe, Rudolph, genannt von Raustein, 319 lebt 1455 als Bruder (= Pfründner? ) im ‚Grünen Wörth‘, 320 zugleich (von 1447 bis 1460) ist Nikolaus Bernhard Zorn von Bulach einer der Verwalter der Komturei, 321 der von Georg Zorn von Bulach (bezeugt 1460, 1469) in diesem Amt ersetzt wird. 322 Sowohl der Sohn Rudolphs, Nikolaus IX. (als Pfleger 1492 und 1500 nachweisbar), 323 als auch sein Enkel, Gaspard/ Caspar, 324 verwalten die Stiftung noch an der Wende zum 16. Jahrhundert. Aufgrund dieser anhaltenden Verbundenheit ihres Geschlechts mit der Straßburger Stiftung ist es wahrscheinlich, daß Margaretha das ‚b ch von den zwey menschen‘ bereits vor 1429 bekannt war, als sich eine Handschrift in ihrem Besitz nachweisen läßt, die das siebte Kapitel des ‚b ch‘ enthält (vgl. Sigle P). Der Anlaß zur Tradierung des Textes läge somit in einer Familientradition - Margaretha Zorn sah mit der Erzählung um die beiden Stifter des ‚Grünen Wörth‘ die Würde der von ihren Verwandten unterstützten Gründung bestätigt -, während die Verbreitung des ‚b ch‘ über den regionalen Rahmen Straßburgs hinaus die Reformbewegung der Dominikaner ermöglichte, welche die Nonne und mit ihr den Text von Colmar nach Basel führte. 316 Sigrid Schmitt, Geistliche Frauen und städtische Welt, S. 282f. 317 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 207*19-23. 318 Ibid., S. 155*24f. 319 I. Kindler von Knobloch, Das goldene Buch von Straßburg, S. 447. 320 Marguerite Jouanny, Les Hospitaliers en Basse Alsace, S. 109. 321 Ibid., S. 109; Philippe André Grandidier, Nouvelles uvres, S. 66. 322 Marguerite Jouanny, Les Hospitaliers en Basse Alsace, S. 109; Philippe André Grandidier, Nouvelles uvres, S. 66. 323 Marguerite Jouanny, Les Hospitaliers en Basse Alsace, S. 109; Philippe André Grandidier, Nouvelles uvres, S. 67. 324 Marguerite Jouanny, Les Hospitaliers en Basse Alsace, S. 109. ‚b ch von den zwey menschen‘ 245 L L EIPZIG , U NIVERSITÄTSBIBLIOTHEK , Ms. 1659, Bl. 98 r -165 v Papier - 19,2 x 13,2 cm - 279 Bll. - jüngere gotische Kursive - alem. - um 1460 - Sammelhandschrift mit Texten geistlichen Inhalts; in der Abschrift des Johanser vrkúnde b ch, die bis zu Bl. 171 der modernen Foliierung reicht, finden sich neben dem Auszug aus dem ‚b ch von den zwey menschen‘ und einer Bearbeitung des fünften Kapitels dieses Textes (Bl. 165 v -171 r ) das ‚b ch von dem meister‘ (Bl. 2 r - 77 r ) mit der separat tradierten ‚Klausnerinnenpredigt‘ (Bl. 81 v -94 v ), die Traktate ‚Geistliche Himmelfahrt‘ (Bl. 77 r -78 r ) und ‚Sendbrief vom Leiden‘ (Bl. 78 r -81 v ), eine Predigt Heinrichs von Löwen (Bl. 95 r -96 r ) und ‚Tauler im Fegefeuer‘ (Bl. 96 r -98 r ). 325 B ESCHREIBUNG : Franzjosef Pensel, Verzeichnis der deutschen mittelalterlichen Handschriften in der Universitätsbibliothek Leipzig. Zum Druck gebracht von Irene Stahl, Berlin 1998 (Deutsche Texte des Mittelalters Bd. 70; Verzeichnis altdeutscher Handschriften Bd. 3), S. 240-244; Ines Heiser, Autorität Freidank. Studien zur Rezeption eines Spruchdichters im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Tübingen 2006 (Hermaea N.F. 110), S. 36 (Sigle Le). P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Aus der nachträglich angefügten Inhaltsangabe auf Bl. 1 r geht hervor, daß die Handschrift im Besitz Daniel Sudermanns (1550-1631) war: 326 325 Die Tradierung des Exempels ‚Tauler im Fegefeuer‘ in einer Kopie eines Urkundenbuches des ‚Grünen Wörth‘ ist auch für dessen Textgeschichte von Interesse. Bisher sind der Forschung drei Handschriften des Exempels bekannt: Neben der oben beschriebenen Berliner Handschrift Ms. germ. quart. 165 (s. S. 236-240) wurde der Text in Colmar im Kloster Unterlinden (Colmar, Bibliothèque Municipale, Ms. 269) sowie im Bruderschaftsbuch des ‚Großen Spitals‘ in Straßburg aufgezeichnet (Straßburg, Archives de la Ville et de la Communauté urbaine, A. H. 66; vgl. Thomas Lentes, ‚Tauler im Fegefeuer‘, S. 120f.). Alle Textzeugen lassen sich in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts datieren. Sucht Lentes den Text in der dominikanischen Ordensreform, genauer im Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis, anzusiedeln (ibid., S. 138), machen der mögliche frühere Entstehungszeitpunkt des vorliegenden Textzeugen und der explizite Verweis auf seine Vorlage nun eine Genese des Textes auf dem ‚Grünen Wörth‘ nicht unwahrscheinlich. Zudem ist Lentes‘ Argument gegen die Genese in der Johanniterkomturei wenig stichhaltig. Er führt aus: „Ebensowenig plausibel ist die Annahme, daß der Verfasser des ‚TiF‘ im Umfeld Rulman Merswins oder zumindest im Umkreis des Johanniterklosters auf dem Grünen Wörth in Straßburg zu suchen sei. Zwar enthält die Handschrift aus St. Nikolaus in undis [gemeint ist Berlin, Ms. germ. quart. 165] andere Texte aus dem Umfeld des Johanniterklosters, ein Indiz für die Entstehung des ‚TiF‘ ebendort ist dies allerdings nicht. Dafür sind zu viele Texte unterschiedlicher Provenienz in die Handschrift eingeflossen. Gegen diese Annahme spricht zudem, daß im Umfeld Rulman Merswins die auf das Meisterbuch zurückgehende Legende vom schweren Sterben Taulers als Vorwegnahme des Fegefeuers stammt. Daß allerdings in der gleichen religiösen Gruppe fast gleichzeitig von ein und derselben Person, die zudem als charismatische Führungsgestalt verehrt wurde, zwei unterschiedliche Legenden über deren Sterben kursierten, läßt sich nicht vorstellen“ (ibid., S. 137). Lentes unterläuft hier ein argumentativer Kurzschluß: Die Identifikation des Meisters mit Tauler im ‚b ch von dem meister‘ gehört nicht zur primären Textschicht, sondern ist ein deutlich späterer Zusatz der Überlieferung (vgl. die Ausführungen in der Einleitung: S. 10f.); ohne diesen biographischen Bezug stehen ‚Tauler im Fegefeuer‘ und ‚Meisterbuch‘ nicht im Widerspruch zueinander, wie nicht zuletzt die Zusammenstellung im vorliegenden Codex zeigt. 326 Hans Hornung, Der Handschriftensammler Daniel Sudermann und die Bibliothek des Straßburger Klosters St. Nikolaus in undis, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 107 (N.F. 68; 1959), S. 338-399, hier S. 339-356. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 246 Gesprech zwischen einer Geistlichen Person vnd einem Leyen, oder gemeinen Mann, nach alter Catolischer weise, vnd wie ine der gemein Mann vff den rechten weg zú bringen vnderstanden, aúch was für predig der Mönch oder geistliche person vor vnd nach gethon; vnd ist dises genomen aúß der Johanniser Vrkunde búch z Straßburg biß in das 170 fol: am selben fol: ist vom h: Sacrament, hab ich her geschriben ao 1624. C D S Auf das von Sudermann als Quelle benannte Urkundenbuch der Straßburger Johanniter beruft sich auch die Handschrift selbst. Zu Beginn des ‚b ch von den zwey menschen‘ (Bl. 98 r ) wird die Quelle des Textes benannt: Diß stot in der Johanser vrkúnde b ch geschriben von den zwein menschen das erste capittel ; und am Anfang des fünften Kapitels (Bl. 165 v ) nochmals: Das vierde capittel in der Johanser vrkúnde b ch seit. Das dem Manuskript auf Bl. 275 v -278 r beigegebene Inhaltsverzeichnis berichtet zudem, die ersten 170 Bll. (der römischen, Bl. 2 r -171 r der modernen Foliierung) seien aus dem Urkundenbuch kopiert worden: Diß stot alles (uor am Rand nachgetragen) geschriben in der Johaniser vrkúnde b ch z Stroßburg von dem ane vange diß b ches bicz an das clxx (Bl. 275 v ). Der Codex muß folglich in einer Institution oder für eine Person geschrieben worden sein, die relativ enge Beziehungen zur Straßburger Kommende hatte. Als Herkunftsort der zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Sudermanns Sammlung befindlichen Handschriften kommen nach der Untersuchung Hornungs im wesentlichen zwei Klöster in Frage: Zwar konstatiert Sudermann selbst, er habe vber die 24 Jar Jmmer auß aller Länder stetten vnd Clöster gesammelt, 327 seine Aufzeichnungen weisen jedoch verstärkt in die Dominikanerinnenklöster St. Gertrudis in Köln und St. Nikolaus in undis in Straßburg. 328 Da im Besitz Sudermanns nicht eine einzige Handschrift des Kölner Klosters nachgewiesen werden kann, 329 stammt aus dem Straßburger Nikolaus-Kloster wahrscheinlich die überwiegende Zahl der Manuskripte in Sudermanns Sammlung, 330 die während seines zweiten Straßburger Aufenthalts (1585-1631) entstand. 331 Während die Bestände der bereits 1525/ 30 bzw. 1529 säkularisierten Dominikanerinnenklöster St. Katharina und St. Marx und Johannes 70 Jahre nach ihrer Auflösung wohl kaum noch zum Verkauf standen, wurden die Handschriften des 1592 aufgehobenen St. Nikolaus-Klosters 332 um die Jahrhundertwende, gerade als Sudermann seine Sammlung anlegte, auf dem Straßburger ‚Buchmarkt‘ angeboten. 333 Der Überlieferungsverbund sowie der mögliche Entstehungszeitraum der Leipziger Handschrift machen eine Entstehung dieses Codex in St. Nikolaus nicht unwahrscheinlich. Dies wird auch durch die Textkritik bestätigt: Das in der Pariser Handschrift (vgl. Sigle P) überlieferte siebte Kapitel des ‚b ch von den zwey menschen‘ bietet die gleiche Textversion wie die Leipziger Handschrift. 327 Zit. nach: Hans Hornung, Der Handschriftensammler Daniel Sudermann, S. 382. 328 Ibid., S. 383. 329 Ibid., S. 384. 330 Ibid., S. 395. 331 Hans Hornung, Daniel Sudermann als Handschriftensammler, S. 12*-14*. 332 Hans Hornung, Der Handschriftensammler Daniel Sudermann, S. 395. 333 Thomas Lentes, Gebetbuch und Gebärde, Bd. 1, S. 121f. ‚b ch von den zwey menschen‘ 247 P P ARIS , B IBLIOTHÈQUE NATIONALE DE F RANCE , Ms. allem. 222, Bl. 227 r -233 r Papier - 21,8 x 14,7 cm - II + 313 Bll. - Kursive - alem. - um 1430 (1427 ? ) - nach dem Autorprinzip eingerichtete mystische Sammelhandschrift, die u.a. die ‚Vita‘ und einen Auszug aus dem ‚Kleinen Briefbuch‘ Seuses, einen Zyklus von Tauler- Predigten, Marquards von Lindau ‚Dekalogerklärung‘ und eine Sammlung von Eckhart-Texten enthält. B ESCHREIBUNG : Gédéon Huet, Catalogue des manuscrits allemands de la Bibliothèque Nationale, Paris 1895, S. 121; Handschriftliche Beschreibungen für das Handschriftenarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Paul Wüst (19 + 1 Bll.; 1905), Walther Dolch (16 + 1 + 2 Bll.; 1909); Otto Simon, Überlieferung und Handschriftenverhältnis des Traktates ‚Schwester Katrei‘. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Mystik, Halle/ S. 1906, S. 27-31; Heinrich Seuse, Deutsche Schriften, hg. von Karl Bihlmeyer, Stuttgart 1907 [Unveränderter Nachdruck Frankfurt/ M. 1961], S. 8*; Georg Hofmann, Seuses Werke in deutschsprachigen Handschriften des späten Mittelalters, in: Fuldaer Geschichtsblätter 45 (1969), S. 113-206, hier S. 175 (Nr. 401), S. 187 (Nr. 507); Johannes Gottfried Mayer, Die ‚Vulgata‘-Fassung der Predigten Johannes Taulers, S. 264f.; Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters, begonnen von Hella Frühmorgen-Voss, fortgeführt von Norbert H. Ott zusammen mit Ulrike Bodemann, Bd. 4/ 1, München 2008, S. 171-174 und Abb. 81f. P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Auf dem Spiegelblatt der Handschrift findet sich folgender Besitzeintrag: Diz b ch geh rt in daz closter zu sancte Matheus, des heiligen apostelen und ewangelisten, den man sprichet z sancte Nicolaus in Undis z Stroszburg brediger ordens anno Clxviij [1518]. 334 Der zweite, auf dem Spiegelblatt von Texthand 335 eingefügte Besitzvermerk zeigt, daß der Codex zuvor im Besitz einer Nonne gewesen ist, die ihn wahrscheinlich als Geschenk von einer nicht nachweisbaren Mitschwester erhalten hat: s. Magred Z rnyn h r ich von weg S. Maria hellin [? ]. 336 Die bereits als mögliche Vermittlerin des Freiburger Exemplars des ‚b ch von den zwey menschen‘ aufgetretene Dominikanerin aus dem Basler Kloster Maria Magdalena an den Steinen war nur für kurze Zeit im Straßburger Dominikanerinnenkloster, als sie im Jahr 1429 auf dem Weg von Basel in das Kloster Himmelkrone bei Worms in Straßburg Station machte, 337 wo sie ihre Handschrift offenbar zurückließ. 334 Otto Simon, Schwester Katrei, S. 27. 335 Ibid., S. 28. 336 Ibid. 337 Iohannes Meyer, Buch der Reformacio Predigerordens. IV. und V. Buch, S. 79. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 248 2.3.3 Die Überlieferung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ SG 955 S T . G ALLEN , B ENDIKTINERABTEI , B IBLIOTHEK , Cod. 955, S. 274-348 Pergament und Papier - 14,5 x 20,5 cm - 354 S. - Bastarda - nd./ rheinfr. - 1. H. 15. Jh. B ESCHREIBUNG : Gustav Scherrer, Verzeichniss der Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Halle/ S. 1875, S. 358; Anton E. Schönbach, Studien zur Geschichte der altdeutschen Predigt. Sechstes Stück: Die Überlieferung der Werke Bertholds von Regensburg III, in: Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Klasse der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften 153 (1906), IV. Abhandlung, S. 129-152 (mit Abdruck der S. 70-104); Josef Quint, Neue Handschriftenfunde zur Überlieferung der deutschen Werke Eckharts und seiner Schule. Ein Reisebericht, Stuttgart; Berlin 1940, S. 24f. (Nr. 15, Sigle G 8); Georg Hofmann, Seuses Werke in deutschsprachigen Handschriften, S. 176 (Nr. 410); Dieter Richter, Die deutsche Überlieferung der Predigten Bertholds von Regensburg. Untersuchungen zur geistlichen Literatur des Spätmittelalters, München 1969 (MTU 21), S. 67f.; Karin Morvay und Dagmar Grube, Bibliographie der deutschen Predigt des Mittelalters. Veröffentlichte Predigten, München 1974 (MTU 47), S. 41f., 45-47; Bernd Adam, Katechetische Vaterunserauslegungen. Texte und Untersuchungen zu deutschsprachigen Auslegungen des 14. und 15. Jahrhunderts, München 1976 (MTU 55), S. 217; Werner Fechter, Zur handschriftlichen Überlieferung des pseudoalbertinischen ‚Paradisus animae‘ und seiner Übersetzungen ins Mittelhochdeutsche, in: ZfdA 105 (1976), S. 66-87, hier S. 76. P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Die Handschrift zeigt nur einen Besitzeintrag des 17. Jahrhunderts: St. Galli 1699 (S. 6). Denselben Vermerk trägt Codex 944, mit dem Zusatz: Emptus Friburgi. 338 Clark vermutet aufgrund dieses Kaufvermerks, daß die beiden Handschriften aus dem Klarissenkloster in Freiburg im Breisgau stammen. 339 I NHALT340 [Notizen von einer Hand des 17. Jahrhunderts, sonst unbeschrieben: Continentur in hoc libro varij Tractatus ascetici. In ea parte, qua diversus caracter est, narrantur vitae quinque Virorum ex ordine Praedicatorum] A. Erste Hand I. Sammlung geistlicher Traktate 1. S. 6-19 ‚Von der Minne‘ I Incipit: Wer got von hertzen mynnen wyl, der sol sin hertz ledigen von falscher mynnen [...] Inhaltsangabe: Kurt Ruh, ‚Von der Minne‘ I, in: 2 VL Bd. 6 (1987), Sp. 543. 338 Gustav Scherrer, Verzeichnis der Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 354. 339 James Migdley Clark, Alhart and Alphart, in: MLR 29 (1934), S. 440-443, hier S. 442f. 340 Der Inhalt der Handschrift wird hier ausführlich wiedergegeben, da nach der freundlichen Auskunft von Bettina Braun keine moderne Handschriftenbeschreibung vorliegt. ‚b ch von den fúnf mannen‘ 249 2. S. 19f. [Über Demut] Rubrik: Von der demoit Incipit: A lle tugende sint eine verloren arbeit, ob man der demoit nit enhat / want der alle togende sament / vnd die demoit verwirffet / Das ist glich ob man sto p gegen den wint / in vffner hant dr ge [...] 3. S. 20 [Tugenden, die der Gerechtigkeit innewohnen] Rubrik: Von den tugenden gerechtikeit Incipit: D ie gerechtikeit sol haben oben vns ere vnd gehorsamkeit [...] 4. S. 20f. [Formen und Nutzen der Liebe zu Gott] Rubrik: - Incipit: Es ist drier hand mynne [...] 5. S. 21f. [Von falscher und wahrer Andacht] Rubrik: Von Innkeit des menschen Incipit: M anghe Innkeit kompt dicke von der vorchte der hellen vnd von dem vegfüre / vnd von der verworffnijs des ertriches [...]. 6. S. 22-24 [Vier Dinge, an denen man die geistliche Armut des Menschen erkennen soll] Rubrik: Mirke diese vier dingh Incipit: Wir sollen merken vier ding an vns [...] 7. S. 24f. [Sechzehn Gründe zu wahrhafter Klage] Rubrik: Von rechtem Jamer Incipit: Das erste stuck rechtis jamers ist / das man gote (sol durchgestrichen) so v l laster vnd schanden hait erbotten von an beginne der welt / vnd húte erbudus vnd noch entbieten sol / bis an den Jungsten tag / In allen stetten burgen vnd dorffern von ieglichem monschen [...] 8. S. 25f. [Vier Zeichen, ob der Mensch das Himmelreich erlangt] Rubrik: Wie man den monschen erkennen sol, der zo hymmel k met Incipit: Uier zeichen sint an dem monschen, der zo dem hogsten lone in dem hymmel komen sol [...] 9. S. 26f. [Allegorische Anleitung zu einem reinen Herzen] Rubrik: Von dem reynen hertzen Incipit: D as reine hertz des cristen menschen, das ist ein tempel gotis / vnd das hertz sol haben vier h terjnne [...] 10. S. 27f. [Von müßigen und heilbringenden Worten] Rubrik: Von moeszigen worten Incipit: M ueszige worte / so wan sy kummen / der fl ch / want wie sol sy nit vor grosze sunde gehalten werden / so ist doch ir gewonheit bosze / sy irrent dicke gute werck [...] Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 250 11. S. 28f. Baumgarten geistlicher Herzen, Kap. 78 Rubrik: Wie du des morgens solt uf ston Incipit: So du des morgens uf stais so flis dich des / das du vnsern herren in dime hertzen vindes [...] Literatur: Helga Unger, Baumgarten geistlicher Herzen, in: 2 VL Bd. 1 (1978), Sp. 643-645. Ausgabe: Helga Unger, Geistlicher Herzen Baumgart. Ein mittelhochdeutsches Buch religiöser Unterweisung aus dem Augsburger Franziskanerkreis des 13. Jahrhunderts. Untersuchungen und Text, München 1969 (MTU 24), S. 262-264. 12. S. 29-32 Baumgarten geistlicher Herzen, Kap. 79 Rubrik: Wie du zo chore solt gon Incipit: So du zo chore geist oder zo gebete so sprich vor ein gebett das dich got gereinge zo sime lobe [...] Literatur: Helga Unger, Baumgarten geistlicher Herzen, in: 2 VL Bd. 1 (1978), Sp. 643-645. Ausgabe: Helga Unger, Geistlicher Herzen Baumgart, S. 264-266. 13. S. 32-35 [Über drei Stufen auf dem schmalen Weg zu Gott] Rubrik: Parate viam domini Incipit: S ant Johannes baptista, der der erste was, der y e gekundigit nehende, der sprach: Bereident den weck des herren vnd machet recht sine phede [...] 14. S. 35-37 [Neun Freuden des Klosterlebens] Rubrik: Von den geistlichen selen Incipit (S. 36): Unser herre sprichet von der geistlichen selen [...] 15. S. 37-39 ‚Die heilige Regel für ein vollkommenes Leben‘ (Auszug; Exempel 27: Bernhard und die fünf Brüder) Incipit: Sanctus bernhardus vragete sinen bruderen funffe / die jm allerbesten t chten vnd geuiellen [...] Literatur: Gabriele von Siegroth-Nellessen, ‚Die heilige Regel für ein vollkommenes Leben‘, in: 2 VL Bd. 3 (1981), Sp. 627f. Ausgabe: Die heilige Regel für ein vollkommenes Leben. Eine Cisterzienserarbeit des XIII. Jahrhunderts. Aus der Handschrift Additional 9048 des British Museum, hg. von Robert Priebsch, Berlin 1909 (DTM 16), S. 57, Z. 32-S. 59, Z. 2. 16. S. 39-42 [Mahnung vor dem Sündenfall geistlicher Menschen] Rubrik: Von des geistlichen menschen valle Incipit: Wer went / das er stee / der sehe, das er (es gestrichen) nit vallich wurde [...] 17. S. 42f. [Wider den Eigenwillen] Rubrik: Weder die, die eigens willen sigen ‚b ch von den fúnf mannen‘ 251 Incipit: Sanctus Johannes scribet in sime ewangelio von vnserm herren ihesu christo vnd sprichit alsus: Er kom in sin eigen herberg [...] 18. S. 43f. [Schaden des Lästerns] Rubrik: Von hinder Rede, wie boesz die sig Incipit (S. 44): Dv ensolt allem nie hinder reden / sunder du solt ouch dem hinder reder nit glouben [...] 19. S. 44f. [Drei Folgen der Sünden] Rubrik: Diesse nachgeschrebene grosze schaden koment von den sunden Incipit: D ry grosze schaden sol man mirken, die an den sunden sunderlichen ligent [...] 20. S. 45f. [Sechs Hindernisse für den vollkommenen Lobpreis Gottes] Rubrik: Von vj sachen, die vns Irrent, das wir nit vollenkomnen lob an vangen Incipit: Die erst sache, die vns irret, das ist vorsmacheit [...] 21. S. 46-51 [Drei Arten der Nachfolge Jesu] Rubrik: Vnser herre ihesus christus leret vns, wie wir jme nach sollen volgen Incipit: Q ui wlt venire post me [...] 22. S. 51-55 [Sieben Gründe, warum der Mensch seinen Eigenwillen aufgeben muß] Rubrik: Mirk diese vij sachen Incipit: S ieben sachen sint, da mit wir uberwúnden werden / das wir nit rechtis an vns haben [...] 23. S. 55-57 [Allegorische Unterweisung zur Nachfolge im Leiden] Rubrik: Wie wir vnser crütz sollen uf heben Incipit: W ir sollen ouch mirken das volkomen mittel teil / das du herre zeúgest den, die dir nach volgen / das ist das wir vnser crütz uff heben [...] 24. S. 57-59 [Zierden der Armut und des Glaubens] Rubrik: Wie du arm solt sin Incipit: S o wie das armoit groszer ist / y e groszer were das richt m / ob man mit dem arm t werben kúnde [...] 25. S. 59 [Mahnung an die grenzenlose Liebe Gottes] Rubrik: Wie got an vnse hertz clopphet Incipit: D u bist, der an vnse portze clopphet / vnd spriches: lieber son liebe t chter, wan bútes du mir din hertz [...] 26. S. 60 [Über rechte Buße] Rubrik: Wie du 30 Capitel solls steen Incipit: D u solt 30 Capitel sten an dem getichte, als vnser herre vur pilato stonde mit senftem antlitze [...] Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 252 27. S. 60-62 [Verhaltensregeln für den geistlichen Menschen in der Welt] Rubrik: Wie du dich vnder den luten sols halten mit schame Incipit: U nder den luten erbút dich l plich vnd senfmodich vnd mit ernst [...] 28. S. 62-68 ‚Paradisus animae‘ (Auszug) Rubrik: Von volkomner gehorsam Incipit: V olkomner gehorsamkeit czo gote ist / wan der monsch vnd fliszenklich [sic! ] bedenket, was got zo ieglicher z t / an ieglicher stat aller meist behage [...] Literatur: Bertram Söller, ‚Paradisus animae‘, in: 2 VL Bd. 8 (1992), Sp. 293-298. 29. S. 68f. [Gnaden des Eucharistieempfangs] Rubrik: Von vnsers herren lichnam Incipit: W an der elend mensch sinen got emphehet, sinen herren vnd sinen scheppher / so erhohit er jm sine sele [...] 30. S. 69f. [Sechs Ehren des Palmsonntags] Rubrik: Vff den Palm tag Incipit: M an vindet geschreben / das man vnserm herren sechser hande ere erboit an dem heiligen palm tage / vnd weder die sechs eren worden jme sechs vneren erbotten [...] II. Sammlung von Predigten 1. S. 70-73 Berthold von Regensburg, Von dem jüngsten Tag (Io 20,26) Rubrik: Bruder Bertoldus. Post octauam Incipit: I n dem achten dage waren die Júngern alle gesament, Thomas mit jn / do quam vnser herre vnd st nt mitten vnder jnn [...] Vgl.: Richter, S. 29 (X 37); Morvay/ Grube, S. 41. Abdruck bei: Schönbach 1906, S. 129-131. 2. S. 73-76 Berthold von Regensburg, Vom geistlichen Weg (2 Tim 4,7) Rubrik: Bruder Bertolt, sant Franciscus orden Incipit: D er cristen mensch sol louffen mit zwein f szen zo dem hymmelrich gotis [...] Vgl.: Richter, S. 32 (X 45); Morvay/ Grube, S. 42. Abdruck bei: Schönbach 1906, S. 131-133. 3. S. 76-78 Bruder Albrecht, Von viererlei Nutzen des Todes Christi (1 Pt 2,21) Rubrik: Bruder Albrecht, sant dominicus orden, hait diese lere geben Incipit: Z ú zweierhande sachen / was vns nútz der tod vnsers herren [...] Inhaltsangabe: Dagmar Ladisch-Grube, Bruder Albrecht, in: 2 VL Bd. 1 (1978), Sp. 173f.; dies., Albrecht, der Lesemeister, in: ibid., Sp. 199. Vgl.: Richter, S. 32 (X 46); Morvay/ Grube, S. 45. Abdruck bei: Schönbach 1906, S. 133f. ‚b ch von den fúnf mannen‘ 253 4. S. 78-82 Alhart, Vom zweifachen Reden Gottes mit der Seele (Apc 21,21) Rubrik: Bruder Alhart, ein mynnerbruder: Platee tue ierusalem Incipit: Vnser herre spricht durch sant Johannes m nt zo der sele [...] Inhaltsangabe: Kurt Ruh, Alhart, in: 2 VL Bd. 1 (1978), Sp. 239f. Vgl.: James Migdley Clark, Alhart und Alphart, in: MLR 29 (1934), S. 440-443; Kurt Ruh, Bonaventura deutsch, S. 57; Richter, S. 32f. (X 47); Morvay/ Grube, S. 46. Abdruck bei: Schönbach 1906, S. 134-136. 5. S. 82f. Bruder Albrecht, Von vier Tugenden (Eph 4,1.2.6) Rubrik: Bruder Albrecht: Fratres obsecro vos ego uinctus in domino ut digne ambuletis vocatione qua vocati estis cum omni humilitate [...] per omnia in omnibus nobis Incipit: Sanctus paulus leret vns, das wir fredelichen geen zo der ladünge [...] Inhaltsangabe: Dagmar Ladisch-Grube, Bruder Albrecht, in: 2 VL Bd. 1 (1978), Sp. 173f.; dies., Albrecht, der Lesemeister, in: ibid., Sp. 199. Vgl. Richter, S. 33 (X 48); Morvay/ Grube, S. 45. Abdruck bei: Schönbach 1906, S. 137. 6. S. 83-87 Bruder Albrecht, Von der Liebe zu Gott (Io 15,12) Rubrik: Bruder Albrecht: H oc est preceptum meum vt diligatis inuicen sicut dilexi vos Incipit: Vnser herre sprach diese wort zo sinen Júngern: dis ist myn gebott, das ir uch vnder en ander mynnent / als ich uch gemynnet han [...] Inhaltsangabe: Dagmar Ladisch-Grube, Bruder Albrecht, in: 2 VL Bd. 1 (1978), Sp. 173f.; dies., Albrecht, der Lesemeister, in: ibid., Sp. 199. Vgl.: Richter, S. 33 (X 49); Morvay/ Grube, S. 45. Abdruck bei: Schönbach 1906, S. 137-140. 7. S. 87-91 Berthold von Regensburg [? ], Vom göttlichen Lohn (Sap 10,17) Rubrik: Bruder Bertold: Reddet deus merceden [! ] laborum sanctorum suorum Incipit: An diesen worten mirken wir vier sachen [...] Vgl.: Richter, S. 33f. (X 50); Morvay/ Grube, S. 42. Abdruck bei: Schönbach 1906, S. 140-142. 8. S. 91-94 Bruder Peter, Von den sieben Schöpfungstagen (Gn 1,1) Rubrik: Bruder Peter: In principio creauit deus celum et terrm Incipit: Vnser herre sch ff in sechs tagen hymmel vnd erden vnd alle ding. An dem siebenden ruwit er von sime werck [...] Inhaltsangabe: Kurt Ruh, Bruder Peter, in: 2 VL Bd. 7 (1989), Sp. 419f. Vgl.: Richter, S. 34 (X 51); Morvay/ Grube, S. 46. Abdruck bei: Schönbach 1906, S. 142-144. 9. S. 94-100 Bruder Thomas, Von den drei höchsten Engeln (Ps 137,1) Rubrik: Broder Thomas: In conspectu angelorum psallam tibi deus meus Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 254 Incipit: In danielis b ch, des kúmyncks [sic! ] / hiez die verstanden vsz lesen / das man sy lernte, das sy kunden jme geantwerten [sic! ] / so man sy vur jn brechte [...] Inhaltsangabe: Kurt Ruh, Bruder Thomas, in: 2 VL Bd. 9 (1995), Sp. 807f. Vgl.: Richter, S. 24 (X 52); Morvay/ Grube, S. 47. Abdruck bei: Schönbach 1906, S. 144-148. 10. S. 100-104 Berthold von Regensburg: Von den drei Übergängen des Volkes Israel (Ecl 24,26) Rubrik: Bruder Berthold, der leesmeister: Transite ad me omnes qui concupistitis me Incipit: Zo drin molen hiesz man das volk vber gen, das vnser herre leite von Egipto mit Moyses [...] Vgl.: Richter, S. 31f. (X 44); Morvay/ Grube, S. 42. Abdruck bei: Schönbach 1906, S. 148-151. III. Sammlung geistlicher Kurztexte 1. S. 104f. [Vom Schweigen] Rubrik: Von Swigen Incipit (S. 105): D es geistlichen menschen recht ist swigen oder lutzel sprechen [...] 2. S. 105-107 [Exempelerzählung über den Wahrsager Bileam (Balaam) mit tropologischer Auslegung über nutzbringende und sündige Gedanken] Rubrik: Von viererhand gedanken Incipit: M an vindet geschreben, das ein volk solte striten mit ein [sic! ] konnig [...] 3. S. 107-109 [Vom Gehorsam] Rubrik: Von der luterkeit der Conciencien Incipit: [W]Ilch mensch wulte, das vnser herre alczijt by yme were / der sullte die luterkeit syner conciencien alczijt behalten [...] 4. S. 109-192 Vaterunserauslegung (Adonay-Auslegung) Rubrik: Wie man das pater noster beten sol Incipit: U atter vnser, der dar ist in den hymmeln [...] Inhaltsangabe: Bernd Adam, Katechetische Vaterunserauslegungen, S. 218f. 5. S. 192-194 [Über das göttliche Wesen der Seele] ohne Rubrik Incipit: MEnsch du bist gebildet nach der gotheit / du treis das bilde in dyner selen [...] ‚b ch von den fúnf mannen‘ 255 6. S. 195 [Spruch Meister Eckharts: 1. Diz ist Meister Eckehart, dem Got nie niht verbarc] ohne Rubrik Incipit: Meister Eckart sprach: das werck, das got wirket in einer got mynnender selen, die er also luter funde / das er sich geistlichen in sy m chte geberen, das werck ist gote lieber vnd lustlicher dan alle die werck, die er gewirket hoit an allen creaturen [...] Literatur: Josef Quint, Neue Handschriftenfunde, S. 24f. Ausgabe: Pfeiffer 1857, S. 597, Z. 4-29 7. S. 195f. ‚Paradisus animae‘ (sünde-Version, Prolog) Incipit: E Tliche sunden gelichent sich den dugenden also sere, das man sy vor dugenden s t, nochtan sy vndugeden sint [...] Literatur: Bertram Söller, ‚Paradisus animae‘, in: 2 VL Bd. 8 (1992), Sp. 293-298 8. S. 197-199 [Mhd. Übertragung von 1 Cor 13, 1-3 mit tropologischer Deutung im Hinblick auf die Liebe Christi] Incipit: [S]Anctus paulus sprichet in einer epistelen zo den luten von Corintien: das ich kunde sprechen aller menschen zúngen vnd aller engel zúngen en han ich enkein gotliche mynne, das en ist als nit [...] 9. S. 199f. [Anleitung zur Nachfolge Christi] Rubrik: I Sayas dicit: V enite ascendamus ad montem Incipit: Willen wir n vff den weg goin zo dem husze gotis so m sszen wir mirken vij sachen, die eim rechten pilgeryn zo gehoren [...] 10. S. 200f. [Exempel Lots (Gn 18, 34-19, 26)] Rubrik: Als Loth det Incipit: in v stetten enwaren nit me dan vier gerechter menschen… 11. S. 201-203 [Elias Kampf gegen den Baalskult (3 Rg 17ff.; 4 Rg 1ff.)] Rubrik: - Incipit: Es was ein konig hiesz Agap der hette ein fraw hiesz Ihesabel 12. S. 203 [Über die Höllenfürsten und die vier Tugenden, mit denen man sie vertreibt] Rubrik: - Incipit: Dis sint die vier f rste der tufel vnd der sunden 13. S. 204 [Die zehn ägyptischen Plagen] Rubrik: Die x plagen von Egipten Incipit: D ys sint die zeichen, die moyses dede von gotis wegen in egipten lande [...] 14. S. 205f. [Über geistliche Armut] Rubrik: GEware arm t best t an iiij stucken Incipit: Das erste, das ist arm t alles z tlichen gutis [...] Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 256 15. S. 206-209 [Gebet] Rubrik: Dis gebet, das hie nach geschreben steit, machte sant Augustin vnd man spricht so: wer es mit andacht leset oder mit andacht hoirt lesen, der en sol keins boszen todis sterben [...] Vnd man sprichet wer dis gebet xxx tage lese oder horde lesen das ist also n tze ob er hundert werb den psalter lese Incipit: O aller s sziste herre ihu crist der usz dem schosze des vatters almechtikeit gesant bisz an disze welt die sunder zo entbinden [...] 16. S. 209 [Anzeichen des Todes und der Todsünde] ohne Rubrik Incipit: D rú ding sint an dem doten [...] 17. S. 209 [Weinen des Herrn und Maria Magdalenas] ohne Rubrik Incipit: Man vindet in der heiligen geschrift, das vnser herre zo drin molen geweynet hot [...] [S. 209: Schreibervers: Biddent got vor der [sic! ] Schriber; S. 210 unbeschrieben] B. Zweite Hand I. S. 211-250 Ps.- Tauler, ‚Es ist ein hoher Berg‘ Incipit: [E]s ist ein hoher berg vnd vmb den berg ist ein tief vnd m rechte vnd je neher man dem berg ist, je herter vnd je schoner der weg ist [...] Überlieferung: Heinrich Seuse Denifle, Taulers Bekehrung. Kritisch untersucht, S. 10; Philipp Strauch, Zu Taulers Predigten, in: PBB 44 (1920), S. 1-26, hier S. 15; Paul-Gerhard Völker, Die deutschen Schriften des Franziskaners Konrad Bömlin, S. 111. II. S. 251-267 Heinrich Seuse, Vita, Kap. IL Incipit: [H]abe einen in getonen wandel. Bis nit ws brúchig weder an worten noch an wandel [...] Ausgabe: Bihlmeyer 1907, S. 163-170 III. S. 267-273 Heinrich Seuse, Vita, Kap. L Incipit: [N]Ach dem vernúnftigen in leitende des wssern menschen in den inren erh bent sich in der dochter geischlihe sinne [...] Ausgabe: Bihlmeyer 1907, S. 170-173, Z. 23 IV. S. 274-348 ‚b ch von den fúnf mannen‘ Incipit: Dis sreib [sic! ] der fruint [sic! ] gottes ws oberlant den Johansern z strasburg vnd stat ch in der sant Johansers wrkuind [sic! ] b ch geschriben [...] Inhaltsangabe: Steer, IV 2 Ausgabe: Schmidt 1854, S. 79-119 (nach B, Bl. 4 r -11 r ); Schmidt 1875, S. 102-138 (nach B, Bl. 4 r -11 r ); Strauch 1927b (ATB 23), S. 28-83 (nach B, Bl. 4 r -11 r ) ‚b ch von den nún veilsen‘ 257 2.3.4 Die Überlieferung des ‚b ch von den nún veilsen‘ 341 2.3.4.1 Volkssprachliche Fassungen 2.3.4.1.1 Die Fassung Rulman Merswins Die längere Fassung Au A UGSBURG , U NIVERSITÄTSBIBLIOTHEK , Cod. III. 1 2° 4 ‚b ch von den nún veilsen‘ (im Codex ohne Überschrift): Bl. 133 ra -178 va Papier - 29 x 20,5 cm - 194 Bll. - Bastarda - 1.-4. Hand nord-, 5. Hand mittelbair. - 1428 - katechetische Exempel- und Traktatsammlung, die in ein (dominikanisches? ) Frauenkloster weist. B ESCHREIBUNG : Karin Schneider, Deutsche mittelalterliche Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg. Die Signaturengruppen Cod. I. 3 und Cod. III. 1, Wiesbaden 1988 (Die Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg. Reihe 2: Die deutschen Handschriften, Bd. 1), S. 153-156; Kristina Freienhagen-Baumgardt, in: Helmut Gier und Johannes Janota (Hgg.), Von der Augsburger Bibelhandschrift zu Bertolt Brecht. Zeugnisse der deutschen Literatur aus der Staats- und Stadtbibliothek und der Universitätsbibliothek Augsburg, Weißenhorn 1991, S. 98, 100 (Nr. IV,12). V ERZEICHNET : Strauch 1929, S. VIIf. (Mayhingen III Deutsche Handschriften 2°4). 342 P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Die Handschrift wurde 1980 zusammen mit weiteren 193 Handschriften aus dem Privatbesitz der Fürsten Oettingen-Wallerstein in die Sammlung der Universität Augsburg übergeben. Der Einband des 18. Jahrhunderts gibt Aufschluß darüber, wann der Codex in die fürstliche Bibliothek gelangte. Die auf Vorder- und Rückendeckel in Gold gepreßten Supralibros verzierten am Ende des 341 Es lassen sich neben den im folgenden angeführten Codices nicht erhaltene Handschriften des ‚b ch von den nún veilsen‘ erschließen. Im Bücherverzeichnis des Dominikanerinnenkonventes Engelthal, das in der Mitte des 15. Jahrhunderts erstellt wurde (Johanna Thali, Beten, Schreiben, Lesen. Literarisches Leben und Marienspiritualität im Kloster Engelthal, Tübingen 2003 [Bibliotheca Germanica 42], S. 247), wird auf Bl. 7 v ein puch von den newn felßen aufgeführt. Da weitere Angaben fehlen, ist nicht zu entscheiden, um welche Fassung des Textes es sich handelt (ibid., S. 268). Nach dem mittelalterlichen Bibliothekskatalog kam durch die private Büchersammlung der Laienschwester Katharina Tucher auch in das Nürnberger Katharinenkloster ein (nicht tradiertes) puch, das helt in im die IX fels, dessen Vorrede zur Lesung am Allerseelentag verwendet wurde (Ulla Williams und Werner Williams- Krapp, Einleitung, in: Die ‚Offenbarungen‘ der Katharina Tucher, hg. von dens., Tübingen 1998 [Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte 98], S. 1-28, hier S. 20). Williams / Williams- Krapp (Offenbarungen, S. 20) und Schneider (Die Bibliothek des Katharinenklosters in Nürnberg und die städtische Gesellschaft, in: Bernd Moeller, Hans Patze und Karl Stackmann [Hgg.], Studien zum städtischen Bildungswesen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1978-1981, Göttingen 1983 [Abhandlungen der Akademie der Wissenschaft in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse Folge 3 Nr. 137], S. 70-82, hier S. 75) vermuten, es habe sich um die Fassung Merswins gehandelt. Zwingend ist diese Schlußfolgerung aus den erhaltenen Angaben aber wohl kaum (vgl. auch Johanna Thali, Beten, Schreiben, Lesen, S. 268, Anm. 117). 342 Strauch spricht von „Mayhinger Handschriften“, da die Sammlung der Fürsten zu Oettingen- Wallerstein ab 1841 in Maihingen aufgestellt wurde. Daraus ist jedoch keine Provenienz aus dem Kloster Maihingen zu erschließen. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 258 18. Jahrhunderts auf Geheiß des Fürsten Kraft Ernst (1748-1802) alle neu eingebundenen Handschriften. Der Fürst kaufte „in großem Stil, aber offenbar relativ planlos, Bücher und Handschriften zum Aufbau einer großen repräsentativen Bibliothek.“ 343 Es sind keine Nachweise erhalten, aus welchen Beständen diese Erwerbungen stammten. Durch den neuen Einband gingen zudem alle alten Besitzvermerke verloren, da auch Spiegel- und Vorsatzblätter durch neues, marmoriertes Papier ersetzt wurden. Die Provenienz der Handschrift ist somit nicht zu ermitteln. B ERLIN , S TAATSBIBLIOTHEK P REUSSISCHER K ULTURBESITZ , Ms. germ. oct. 181 ‚b ch von den nún veilsen‘ (im Codex ohne Überschrift): Bl. 2 r -93 r Papier - 14,2 x 10 cm - 251 Bll. (3 Faszikel: Bl. 1-93, 94-151, 152-251) - 1. Faszikel: Devotenbastarda 344 - nd. - 15. Jh. (3. Faszikel: 1472, Bl. 251 r ) 345 - die Handschrift bindet drei ehemals eigenständige Faszikel zusammen, auf denen neben dem ‚b ch von den nún veilsen‘ eine geistliche Anweisung zu einem frommen Leben (Bl. 94-151) und Gerhard Zerbolts von Zutphen ‚De reformatione virium animae‘ (Bl. 152-251) eingetragen waren. B ESCHREIBUNG : Hermann Degering, Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der Preußischen Staatsbibliothek. Bd. III: Die Handschriften in Oktavformat und Register zu Band I-III, Leipzig 1932 (Mitteilungen aus der Preußischen Staatsbibliothek IX), S. 59f. V ERZEICHNET : Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 427. 343 Karin Schneider, Deutsche mittelalterliche Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg, S. 11. 344 Wolfgang Oeser, Beobachtungen zur Entstehung und Verbreitung schleifenloser Bastarda, in: Archiv für Diplomatik 38 (1992), S. 235-343, hier S. 319-323, 327f. 345 Paläographische Kriterien sowie Einträge in der Handschrift widersprechen der von Degering vorgenommenen Datierung der Handschrift ins 14. Jahrhundert (Hermann Degering, Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften. Bd. III: Die Handschriften in Oktavformat, S. 60). Die verwendete schleifenlose Bastarda kann „kaum vor den zwanziger Jahren des 15. Jahrhunderts“ nachgewiesen werden (Karin Schneider, Paläographie und Handschriftenkunde, S. 74). Zudem wird die Abschrift des Textes ‚De reformatione virium animae‘ auf Bl. 251 r auf das Jahr 1472 datiert. Da die Handschrift aus drei Faszikeln zusammengebunden wurde, kann diese Datierung nicht auf den gesamten Codex übertragen werden, vielmehr ist eine spätere Bindung wahrscheinlich, da der Besitzeintrag auf dem vorderen Blatt von späterer Hand stammt als der Rest des Manuskripts (Thomas Kock, Schreiben um Gottes Lohn. Die Handschriften des Augustinerchorherrenstiftes Dalheim, in: Westfälische Zeitschrift 151/ 152 [2001/ 2], S. 321-347, hier S. 327). Auch Kocks Datierung eines Teils der Handschrift auf das Jahr 1452 beruht auf einem doppelten Mißverständnis: Zunächst glaubt er, bei folgendem Satz handele es sich um ein Schreiberkolophon zu Rulman Merswins Text, das einen „für die Devotio moderna durchaus typische[n] Bescheidenheitstopos“ (ibid.) enthalte: Dyt boek wart beghunt in der vasten, do men screif dusent yaer unde verdehalfhundert iaer unde twe iaer. Nemant en sal nach en darf vragen dor wen God dit boek gescreven hebbe (ibid.). Dieser Satz stellt jedoch ausschließlich die niederdeutsche Übertragung der Schlußpassage des ‚b ch von den nún veilsen‘ in der Fassung Rulman Merswins dar (vgl. Strauch 1929, S. 167, Z. 5-9). Im weiteren scheint Kock die durchaus ungewöhnliche Zeitangabe dusent yaer unde verdehalfhundert iaer unde twe iaer als 1452 verstanden zu haben, gemeint ist jedoch 1352. ‚b ch von den nún veilsen‘ 259 P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Auf dem Vorsatzblatt findet sich ein Besitzeintrag von späterer Hand als die drei Faszikel, der die Handschrift in die Bibliothek der Laienbrüder des Klosters Dalheim im Kreise Büren 346 weist: Dyt boeck horet dem closter to Dalhem. vnd sol syn vp der broder reüenter vor dat gemeyne beste. 347 Das Augustinerchorherrenstift war 1429 auf Bitten der Adligen der Umgebung 348 auf den Ruinen eines verlassenen Frauenklosters aufgebaut worden 349 und diente dem Kloster Böddeken als Wirtschaftshof, 350 bevor es am 25. Juli 1452 als eigenständiges Mitglied in die Windesheimer Kongregation aufgenommen wurde. 351 Die Provenienz der Handschrift ist durch diesen Besitzeintrag allerdings nicht nachgewiesen. Auch wenn die von Degering vorgenommene Datierung ins 14. Jahrhundert aufgrund paläographischer Kriterien zurückgewiesen werden konnte, 352 ermöglicht die verwendete Schriftart lediglich eine Eingrenzung des Entstehungszeitraums auf die Zeit nach den 20er Jahren des 15. Jahrhunderts. Zumindest Teile der Handschrift könnten somit geschrieben worden sein, bevor Dalheim über ein eigenes Skriptorium verfügte, da dieses nicht mit der Neugründung, sondern aufgrund des kräfteraubenden Wiederaufbaus erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eingerichtet wurde. 353 Da durch die Neubindung eventuell vorhandene Einträge vorgängiger Besitzer verlorengegangen sind, 354 ist eine Entstehung der einzelnen Faszikel in Dalheim nicht zwingend, aber auch nicht auszuschließen. Einträge in der Handschrift zeigen jedoch eindeutig, daß der Codex in seiner überlieferten Form, d.h. in der Bindung der drei Faszikel, erst im eigenständigen Augustinerchorherrenstift entstand: Hierauf weist zum einen die Datierung des letzten Faszikels auf das Jahr 1472, zum anderen der Zusatz des Besitzeintrages, das Buch 346 Zum Kloster Dalheim vgl. Wilhelm Segin, Domus sancti Petri in Daelhem, in: Wilhelm Kohl, Ernest Persoons und Anton G. Weiler (Hgg.), Monasticon Windeshemense, 4 Bde, Brüssel 1976-1984, Teil 2: Deutsches Sprachgebiet, Brüssel 1977 (Archives et bibliothèques de Belgique 16), S. 97-104; Wilhelm Segin, Kloster Dalheim im Sintfelde bei Paderborn. Mit einer siedlungsgeschichtlichen Einleitung, in: Westfälische Zeitschrift 91 (1935), S. 130-205; Manfred Balzer, Dalheim, in: Karl Hengst (Hg.), Westfälisches Klosterbuch. Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung, 3 Teile, Münster 1992-2003 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 44; Quellen und Forschungen zur Kirchen- und Religionsgeschichte 2), Teil 1: Ahlen-Mühlheim, Münster 1992, S. 228-233; Roland Pieper, Dalheim. Pfarrort - Kloster - Staatsdomäne, Münster 2003. 347 Thomas Kock, Schreiben um Gottes Lohn, S. 340, Abb. 2. 348 Wilhelm Segin, Kloster Dalheim, S. 156. 349 Die Urkunden des Klosters Dalheim, bearbeitet von Helmut Müller, Münster 1995 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission in Westfalen XXXVII; Westfälische Urkunden, Texte und Regesten 7), S. 89-96. 350 Thomas Kock, Schreiben um Gottes Lohn, S. 323. 351 Die Urkunden des Klosters Dalheim, S. 110f.; Wilhelm Segin, Kloster Dalheim, S. 163. 352 Vgl. die Ausführungen S. 258, Anm. 345. 353 Thomas Kock, Schreiben um Gottes Lohn, S. 337; Roland Pieper, Dalheim, S. 44. 354 Es wäre z.B. möglich, daß die einzelnen Faszikel von Böddeken aus nach Dalheim gelangten, da es durchaus üblich war, daß ein Mutterkloster bei einer Tochtergründung einen Grundbestand an Büchern an diese abtrat (Thomas Kock, Schreiben um Gottes Lohn, S. 337). Die von Wolfgang Oeser auf der Grundlage der zugänglichen Exemplare und der gedruckt vorliegenden Archivalien vorgenommene Zusammenstellung der „Handschriftenbestände und d[er] Schreibtätigkeit im Augustiner- Chorherrenstift Böddeken“ (in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 7 [1967], Sp. 317-447) verzeichnet das ‚b ch von den nún veilsen‘ jedoch nicht. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 260 solle im reüenter, also im Refektorium der Laienbrüder, aufbewahrt werden. Ein bei den Augustinerchorherren üblicher 355 separater Speisesaal der Konversen kann für Dalheim erst für den 1455 begonnenen Neubau nachgewiesen werden, der eine deutliche Trennung zwischen Laienbrüdern und Priestermönchen anstrebte. 356 Die in der Handschrift zusammengestellten Texte dienen folglich der in den Statuten der Windesheimer Kongregation vorgeschriebenen Tischlesung der Laienbrüder. 357 Fr 470 F REIBURG I . B R ., U NIVERSITÄTSBIBLIOTHEK , Hs. 470 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Send die IX felßen): Bl. 1 ra -78 rb Papier - 30 x 20,5 cm - I + 81 Bll. - in Kursive übergehende Bastarda: Bl. 78 vb Schreibervers von Matis Miller, Bl. 79 ra Schreiberzeichen 358 - schwäb. - 1465 (Bl. 78 vb ) - Einzelhandschrift des ‚b ch von den nún veilsen‘ B ESCHREIBUNG : Rieder 1905, S. XVIIIf.; Winfried Hagenmaier, Die Handschriftensammlung Franz Karl Grieshabers (1798-1866) in der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau. Hausarbeit zur Prüfung für den höheren Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken [masch.], Köln 1975, S. 64f.; Winfried Hagenmaier, Die deutschen mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek und die mittelalterlichen Handschriften anderer öffentlicher Sammlungen. A: Deutsche Handschriften. B: Lateinische Handschriften. Mit Anhang, Wiesbaden 1988 (Kataloge der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau 1,4), S. 113f.; Winfried Hagenmaier, Die datierten Handschriften der Universitätsbibliothek und anderer öffentlicher Sammlungen in Freiburg im Breisgau, Stuttgart 1989 (Datierte Handschriften der Bundesrepublik Deutschland II), S. 31 und Abb. 69. V ERZEICHNET : Strauch 1929, S. VII. P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Auf dem Deckel: Diß puch gehort in das kloster zu medingen prediger ordens, ein im frühen 13. Jahrhundert gegründetes, 1246 dem Dominikanerorden inkorporiertes Frauenkloster bei Dillingen. 359 Da der Schreiber der 355 Thomas Kock, Die Buchkultur der Devotio moderna. Handschriftenproduktion, Literaturversorgung und Bibliotheksaufbau im Zeitalter des Medienwechsels, Frankfurt/ M. [usw.] 1999 (Tradition - Reform - Innovation 2), S. 197. 356 Roland Pieper, Dalheim, S. 50. 357 Thomas Kock, Schreiben um Gottes Lohn, S. 327. Vgl. allgemein zur Tischlesung für Laienbrüder: Klaus Schreiner, Gebildete Analphabeten? Spätmittelalterliche Laienbrüder als Leser und Schreiber wissensvermittelnder und frömmigkeitsbildender Literatur, in: Horst Brunner und Norbert Richard Wolf (Hgg.), Wissensliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Bedingungen, Typen, Publikum, Sprache, Wiesbaden 1993 (Wissensliteratur im Mittelalter 13), S. 296-327, hier S. 313. 358 Vgl. die Abbildung des Notarzeichens bei Peter-Johannes Schuler, Südwestdeutsche Notarszeichen. Mit einer Einleitung über die Geschichte des deutschen Notarszeichens, Sigmaringen 1976 (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen 22), Tafel 134 Nr. 784. 359 Vgl. hierzu: Johann N. F. A. von Raiser, Urkundliche Geschichte des ehemaligen Frauenklosters Medingen, auch „Maria-Mödingen“ genannt, im itzigen Landgerichts-Bezirke Dilingen im k. bayer. Regierungs-Bezirke von Schwaben und Neuburg, Augsburg 1840; M. Canisia Jedelhauser, Geschichte des Klosters und der Hofmark Maria Medingen von den Anfängen im 13. Jahrhundert bis 1606, Vechta 1936 (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 34); Friedrich Zoepfl, Maria Medingen. Die Geschichte einer Kulturstätte im schwäbischen Donautal, Dillingen 1960 (Sonderdruck aus dem Jahrbuch des Historischen Vereins Dillingen 59/ 60 [1957/ 58]); Werner Meyer, Maria Mödingen, in: ders., Die Kunstdenkmäler von Schwaben. Bd. VII: ‚b ch von den nún veilsen‘ 261 Handschrift - Matis Miller - nur im vorliegenden Codex nachgewiesen werden kann, 360 ist nicht zu entscheiden, ob dieser die Abschrift im Auftrag des Konvents vornahm (und von diesem auch die Vorlage zur Verfügung gestellt bekam) oder ob die Schwestern erst die zweiten Besitzer des Manuskriptes waren, es vielleicht zunächst im Privatbesitz einer Schwester war. Für das Dominikanerinnenkloster können Beziehungen nach Straßburg nachgewiesen werden, die das Interesse am Text des ‚b ch von den nún veilsen‘ erklären könnten: Während der Hinweis Heinrichs von Nördlingen in einem Brief an die Konventsschwester Margareta Ebner, unczer groczer fraind die Merswin ze Strasburg sendet dir das wisz tuch zeinem rock und ze schappler, 361 nicht auf eine Beziehung der Dillinger Dominikanerinnen zur Straßburger Johannitergemeinschaft schließen läßt, da er nicht auf Merswins zweite Frau, sondern auf die Priorin des Straßburger Dominikanerinnenkonvents St. Marx, Katharina Merswin, 362 zu beziehen ist, bestätigt der Überlieferungsbefund der ‚Offenbarungen‘ der Margareta Ebner die engen Beziehungen des Dominikanerinnenklosters nach Straßburg: Die einzige mittelalterliche Kopie der ältesten, in Maria Medingen entstandenen Handschrift, deren Provenienz nicht im Konvent bei Dillingen liegt, stammt aus dem Straßburger Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis. Der Entstehungszeitraum - die heute in Berlin verwahrte Handschrift der ‚Offenbarungen‘ (Ms. germ. quart. 179) entstand um 1470, 363 der Codex der ‚nún veilsen‘ 1465 - könnte bestätigen, daß das Interesse der Medinger Schwestern am Text Merswins durch die Verbindung zu den Straßburger Dominikanerinnen entstand. 364 Landkreis Dillingen an der Donau, München 1972 (Die Kunstdenkmäler von Bayern. Regierungsbezirk Schwaben 7), S. 690-754. 360 Peter-Johannes Schuler, Südwestdeutsche Notarszeichen, S. 70. Schuler weiß über ihn nur zu berichten, daß er als öffentlicher Notar um 1460 tätig war (S. 71). 361 Philipp Strauch, Margaretha Ebner und Heinrich von Nördlingen, S. 263. 362 Vgl. die Ausführungen in der Einleitung, S. 23. 363 Manfred Weitlauff, Ebner, Margareta, Sp. 304. 364 Die Datierung macht es zudem unwahrscheinlich, jedoch nicht unmöglich, daß das Manuskript durch die erst 1467 bzw. 1472 in Medingen eintreffenden Reformschwestern in den Konvent eingebracht wurde; während des ersten, von Johannes Meyer (Buch der Reformacio Predigerordens. IV. und V. Buch, S. V, 147) dokumentierten Reformversuchs brachten die Pforzheimer Nonnen auch volkssprachliche Bücher als Leihgabe nach Medingen mit, wie ein Vertrag zwischen den Klöstern Pforzheim und Medingen auf der Rückseite der Urkunde 137 des Hauptstaatsarchivs München belegt. In der kaum lesbaren Auflistung der volkssprachlichen Bücher fehlt das ‚b ch von den nún veilsen‘ jedoch (HStA München, KU Maria Mödingen, Nr. 137; vgl. Marie-Luise Ehrenschwendtner, Die Bildung der Dominikanerinnen in Süddeutschland vom 13. bis 15. Jahrhundert, Stuttgart 2004 [Contubernium 60], S. 317). Ein Schreiben des Generalmeisters der Dominikaner, Leonardus de Mansuetis, berichtet 1472 zudem von einem (zweiten ? ) Reformversuch Maria Medingens durch fünf Schwestern aus dem Nürnberger Katharinenkloster (vgl. Barbara Steinke, Paradiesgarten oder Gefängnis? Das Nürnberger Katharinenkloster zwischen Klosterreform und Reformation, Tübingen 2006 [Spätmittelalter und Reformation N.R. 30], S. 55, Anm. 170). Da das ‚b ch von den nún veilsen‘ im Nürnberger Dominikanerinnenkloster durch die Schenkung der Katharina Tucher vorhanden war und der Text somit auch im Patriziat der Stadt bekannt war, ist es möglich, daß auch die vorliegende Handschrift aus dem Privatbesitz einer der Nonnen aus St. Katharina nach Medingen gelangte. Dies würde auch die Schreibernotiz erklären. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 262 SG 967 S T . G ALLEN , B ENEDIKTINERABTEI , B IBLIOTHEK , Cod. 967 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Wie man lebt in dissen sorglichen gegenw rtigen ziten [...] daz vindet man in dissem nachgeschreben velsen buch [...]): S. 148-259 Papier - 20,5 x 14,4 cm - 496 S. - Bastarda - alem. - in der vorliegenden Bindung: 1430-1436 365 - Sammelhandschrift vorwiegend katechetischer Texte (der Codex umfaßt u.a. den katechetischen Traktat ‚Von einem christlichen Leben‘ sowie dessen mystischen Überlieferungsverbund) 366 B ESCHREIBUNG : Gustav Scherrer, Verzeichniss der Handschriften von St. Gallen, S. 362; Kurt Ruh, Bonaventura deutsch, S. 169, Anm. 2, S. 277 und Anm. 2; Eckhart Greifenstein, Der Hiob-Traktat des Marquard von Lindau. Überlieferung, Untersuchung und kritische Textausgabe, München 1979 (MTU 68), S. 13; Nigel F. Palmer, Latein, Volkssprache, Mischsprache. Zum Sprachproblem bei Marquard von Lindau, mit einem Handschriftenverzeichnis der ‚Dekalogerklärung‘ und des ‚Auszugs der Kinder Israel‘, in: Spätmittelalterliche geistliche Literatur in der Nationalsprache, Bd. 1, Salzburg 1983 (Analecta Cartusiana 106,1), S. 70-110, hier S. 109; Rüdiger Blumrich, Marquard von Lindau, Deutsche Predigten. Untersuchung und Edition, Tübingen 1994 (TTG 34), S. 24*, 310ff. (Sigle Sg2); Barbara Christine Stocker, Friedrich Colner, Schreiber und Übersetzer in St. Gallen 1430-1436 (mit Beigabe der deutschen Wiborada-Vita in dynamischer Edition), Göppingen 1996 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 619), S. 34-41; Johannes Gottfried Mayer, Die ‚Vulgata‘-Fassung der Predigten Taulers, S. 226 (Sigle Ga 2); Falk Eisermann, ‚Stimulus amoris‘. Inhalt, lateinische Überlieferung, deutsche Übersetzung, Rezeption, Tübingen 2001 (MTU 118), S. 483. V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 259f. 365 Barbara Christine Stocker, Friedrich Colner, S. 34; Gustav Scherrer, Verzeichnis der Handschriften von St. Gallen, S. 362. 366 Gegenüber der Beschreibung bei Barbara Chrisitine Stocker, Friedrich Colner, S. 34-41, sind einzelne Präzisierungen im Hinblick auf die Textidentifikation möglich: Die Handschrift überliefert auf S. 76- 101 und 107-116 die Zusammenstellung katechetischer Kurztexte, die Weidenhiller unter dem Titel ‚Von einem christlichen Leben‘ zusammenfaßte. Im einzelnen sind in der vorliegenden Textform enthalten: S. 85: Pater noster; Ave Maria; S. 85f.: Apostolisches Glaubensbekenntnis; S. 86-96: Zehn Gebote mit Kommentar; S. 96-98: Acht Seligkeiten und die Tugenden (Verheißungen), die ihnen zugehören; S. 98: Die körperlichen und geistlichen Werke der Barmherzigkeit; Die drei göttlichen Tugenden und die vier Kardinaltugenden; S. 98, 107: Die zwölf Räte des heiligen Evangeliums; S. 107: Die sieben Sakramente; Die zwölf Früchte des Heiligen Geistes; Die sieben Gaben des Heiligen Geistes; Die fünf Kräfte der Seele; S. 107f.: Die fünf Sinne; S. 108f.: Die sieben Tugenden und die sieben Hauptsünden; S. 110-112: Die Töchter der sieben Hauptsünden; S. 112: Die neun fremden Sünden; Die 6 Sünden wider den Heiligen Geist; S. 113-116 und 99-101: Aufzählung der Sünden des Herzens, des Mundes, des Handelns und der Versäumnis, Beichtlehre und Schluß des Textes ‚Von einem christlichen Leben‘ (Inhaltsangabe, Überlieferung und [Teil-]Ausgabe: P. Eginio Weidenhiller, Untersuchungen zur deutschsprachigen katechetischen Literatur des späten Mittelalters. Nach den Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek, München 1965 [MTU 10], S. 148-152). Auf S. 109- 122 findet sich aus dem gleichen Überlieferungszusammenhang ‚Das geistliche Kloster‘ (vgl. ibid., S. 141, 142); auf S. 132-135 bietet der Codex den Traktat ‚Von der Siebenzahl‘ (ibid., S. 142), im Anschluß (S. 135-140) ‚Die sieben Zeiten des Leidens Christi‘ (ibid., S. 141). Schließlich handelt es sich bei der Predigt ‚Vom guten Hirten‘ (S. 473f.) nicht, wie Stocker, S. 40, vermutet, um einen Text Marquards von Lindau, sondern um einen Auszug aus Taulers Predigt ‚Dit is eyn schoen sermonen vanden werdighen heiligen sacrament‘ (Lieftinck Nr. XV: Gerd Isaac Lieftinck, De Middelnederlandsche Tauler-Handschriften, Groningen 1936, S. 302, Z. 5-303, Z. 4 [Redaktion U]). ‚b ch von den nún veilsen‘ 263 P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Friedrich Colner trägt auf S. 3 den Bestimmungsort der von ihm angefertigten Handschrift ein: Dis buch gehort den Closenern ze Sant júrgen in der oberen Closen Sant Benedicten orden vnd nach irem tod an das Gotzhús ze sant Gallen des selben ordens mit [? ] der Closen vnd all ir zu [? ] gehörd. Colner schrieb folglich diese sowie zehn weitere Handschriften 367 für weibliche Inklusinnen, die in der Nachfolge der heiligen Wiborada bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts in der oberen St. Georgen-Klause 368 bei St. Gallen lebten. Die Organisationsform des Rezipientenkreises, an den Friedrich Colner um 1430 seine Handschriften richtete, ist aufgrund der wenigen überlieferten Quellen schwer zu bestimmen. 369 Vermutet Stocker aufgrund des im Besitzvermerk verwendeten Plurals (den Closenern), daß „ein loser Zusammenschluß mehrerer Klausen anzunehmen [sei], dem einige nicht inkludierte Frauen in dienender Funktion zuzurechnen sind, so daß von einer nicht monastischen religiösen Gemeinschaft inkludierter und nichtinkludierter Frauen gesprochen werden kann“, 370 sieht Wilts um das Jahr 1430 bereits eine Beginengemeinschaft in der oberen Klause etabliert. 371 Dieser nicht eindeutig faßbaren spirituellen Gemeinschaft war Colner im Zuge der cura monialium als Beichtvater zugeteilt 372 und er sah sich daher verpflichtet, die Frauen mit geeigneter religiöser Literatur zu versorgen: Bei der Analyse der inhaltlichen Zusammensetzung des Gesamtwerks wird Colners Intention deutlich, seinem weiblichen Rezipientenkreis eine ihm gemäße, relativ breite Literaturauswahl des 13. und 14. Jh. bereitzustellen. Darunter fallen vorrangig homiletische Literatur wie Traktatliteratur bekannter und anonymer Verfasser. Die schwerpunktmäßige Auswahl der Predigten Taulers und des Engelberger Predigers deuten auf eine seelsorgerisch motivierte Bevorzugung der praktischen vor einer rein spekulativen Ausrichtung der Mystik, auch die Zusammenstellung der Traktate läßt einen franziskanisch-praktischen Schwerpunkt erkennen. Viele der anonymen Kurz-Traktate sind unter den Gesichtspunkten Lebenshilfe und Selbstvervollkommnung, besonders im Hinblick auf ein abgeschiede- 367 Vgl. die Zusammenstellung bei: Anton Näf und René Wetzel, Friedrich Kölner in St. Gallen (1430- 1436). Übersetzung und Schreibertätigkeit im Dienst von Reform und Seelsorge, in: Eckart Conrad Lutz (Hg.), Mittelalterliche Literatur im Lebenszusammenhang. Ergebnisse des Troisième Cycle Romand 1994, Freiburg/ Schw. 1997 (Scrinium Friburgense 8), S. 317-342, hier S. 342. 368 Josef Reck, St. Wiborada bei St. Gallen, in: Elsanne Gilomen-Schenkel (Hg.), Frühe Klöster, die Benediktiner und Benediktinerinnen in der Schweiz, Bern 1986 (Helvetica sacra. Abteilung III: Die Orden der Benediktinerregel 1, 3), S. 1934-1940, hier S. 1934. Der Zusatz des Besitzeintrags - die Handschrift solle nach dem Tod der Inklusen an das Benediktinerkloster fallen - zeigt, daß Friedrich Colner mit dem Ende dieser Lebensform bei St. Gallen rechnete und die Integration der Gemeinschaft in den Benediktinerorden anstrebte; tatsächlich wurden beide Klausen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verlassen (Emil Schlumpf, Quellen zur Geschichte der Inklusen in der Stadt St. Gallen, St. Gallen 1953 [Quellen zur vaterländischen Geschichte XLI/ 2], S. 21*) und spätestens 1511 in das Kloster St. Wiborada integriert, das 1599 dem Benediktinerorden beitrat (Josef Reck, St. Wiborada, S. 1934). 369 Barbara Christine Stocker, Friedrich Colner, S. 8; zur Quellenlage vgl. Emil Schlumpf, Quellen zur Geschichte der Inklusen. 370 Barbara Christine Stocker, Friedrich Colner, S. 7f. 371 Andreas Wilts, Beginen im Bodenseeraum, Sigmaringen 1994, S. 423. 372 Vgl. St. Gallen, Benedektinerabtei, Bibliothek, Cod. 994, S. 512: Dis b ch ist der Closnerin z sant J rgen jn der obrer Closen Sant Benedicten orden. Daz in geschribn hat und och ander b chly Br der Friderich Colner Conuentual des gotzhus zu sant Gallen jr bichtvatter (zit. nach: Peter Ochsenbein, Spuren der Devotio moderna im spätmittelalterlichen Kloster St. Gallen, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige 101 [1990], S. 475-496, hier S. 488, Anm. 42). Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 264 nes, klosterähnliches Leben, einzuordnen. Aber auch zeitgenössisch[e] Literatur des 15. Jh. liegt in den Schriften der Devotio moderna vor. Katechetische Ziele verfolgte Colner u.a. mit den Pater noster-Auslegungen und Katechismustraktaten, deutlich berücksichtigte er auch das Interesse der Rezipientinnen an hagiographisch und legendenhaft erzählender Literatur mit Lokalbezug. 373 Der Überlieferungszusammenhang des ‚b ch von den nún veilsen‘ zeigt einen eher katechetischen Schwerpunkt, 374 da die Handschrift z.T. den von Weidenhiller erarbeiteten Überlieferungskomplex um den Katechismustraktat ‚Von einem christlichen Leben‘ umfaßt, 375 diesen jedoch mit Predigten Taulers und Marquards von Lindau sowie Traktaten über christliche Tugenden und dem ‚b ch von den nún veilsen‘ anreichert. Der Kontext der Handschrift ordnet das ‚b ch‘ somit als Sündenspiegel in Texte didaktischen Inhalts ein. 376 Der Überlieferungszusammenhang macht es zudem wahrscheinlich, daß die Vorlage, aus der das ‚b ch von den nún veilsen‘ kopiert wurde, im Zuge der Rezeption der Texte der Devotio moderna in die Abtei nach St. Gallen gelangte, 377 da Weidenhiller vermutet, die zusammengehörenden, katechetischen Traktate seien in einem Augustinerchorherrenstift entstanden. 378 Woher die Hersfelder Mönche, die die St. Galler Abtei seit 1430 der Reform zuführen wollten, die Vorlagen für die Textabschriften nahmen, 379 konnte bisher nicht ermittelt werden. 380 Weidenhiller erkennt für die katechetischen Texte der Handschrift eine große Verwandtschaft mit der Münchner Handschrift Cgm 831, 381 welche, laut einem Eintrag auf Bl. 123 r , 1429 für Agnesen Aytingerin, Ulrich F rbers ze Ulm des cr mers frowen, von C nrat Knuss geschrieben wurde. 382 Stocker weist nun den Biberacher Schreiber Knuss, ohne eine weitere Begründung, in das Augustinerchorherrenstift St. Leonhard in Basel, das eine „traditionelle Beziehung“ zu St. Gallen unterhalten habe und 1464 von Böddeken aus der observanten Bewegung angeschlossen wurde. 383 Für beide Behauptungen, d.h. die Verortung des Schreibers im Augustinerchorherrenstift wie die Beziehungen der St. Galler Abtei zum Basler St. Leonhard- Stift, findet sich in Scarpatettis Untersuchung zum Kloster St. Leonhard kein Nachweis. 384 Ochsenbein erkennt die Verbindung zwischen der Schreibaktivität der Hers- 373 Barbara Christine Stocker, Friedrich Colner, S. 329. 374 Ibid., S. 40. 375 P. Egino Weidenhiller, Untersuchungen zur deutschsprachigen katechetischen Literatur, S. 140-152. 376 Anton Näf und René Wetzel, Friedrich Kölner in St. Gallen, S. 327, erkennen demgegenüber ein deutliches Interesse an den „mystische[n] Bestseller[n] der Zeit“. Vgl. jedoch die Überschrift zum ‚b ch von den nún veilsen‘, die den paränetischen Aspekt des Textes betont. 377 Peter Ochsenbein, Spuren der Devotio moderna, S. 492f. 378 P. Egino Weidenhiller, Untersuchungen zur deutschsprachigen katechetischen Literatur, S. 147. 379 Die Annahme Scherrers, das ‚b ch von den nún veilsen‘ sei von „anderer, älterer Hand als F. Cölners“ geschrieben (Verzeichnis der Handschriften von St. Gallen, S. 362), wird durch den paläographischen Befund nicht bestätigt. Vgl.: auch Anton Näf und René Wetzel, Friedrich Kölner in St. Gallen, S. 326. 380 Peter Ochsenbein, Spuren der Devotio moderna, S. 493. 381 P. Egino Weidenhiller, Untersuchungen zur deutschsprachigen katechetischen Literatur, S. 145. 382 Ibid., S. 142. 383 Barbara Christine Stocker, Friedrich Colner, S. 40f. 384 Beat Matthias von Scarpatetti, Die Kirche und das Augustiner-Chorherrenstift St. Leonhard in Basel (11./ 12. Jh.-1525). Ein Beitrag zur Geschichte der Stadt Basel und der späten Devotio moderna, Basel; Stuttgart 1974 (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 131): Zu den Schreibern vgl. S. 294- ‚b ch von den nún veilsen‘ 265 felder und den Texten der Devotio moderna auch maßgeblich in einem generellen Interesse an Reformliteratur. 385 Ohne ein eingehendes Studium der Archivalien des Gallusklosters scheint eine Rekonstruktion der Texttradierung folglich nicht möglich; allein die Zueignung des Textes an die St. Georgen-Klause durch den „reformwütigen“ Friedrich Colner 386 belegt jedoch die Rezeption des ‚b ch von den nún veilsen‘ im Zuge der monastischen Reformbemühungen: 387 Das Interesse am Text Merswins liegt nicht im visionären ‚Erleben‘ des menschen, die Integration in ein „deutsches Erbauungsbuch“ 388 legt das Augenmerk des Textes vielmehr auf die „Anweisung zum richtigen religiösen Leben und [die] Rückbesinnung auf allgemeinchristliche und monastische Werte und Traditionen“. 389 H ILDESHEIM , D OMBIBLIOTHEK , Hs. 724b ‚b ch von den nún veilsen‘ (im Codex ohne Überschrift): Bl. 2 r -68 v Papier - 21,5 x 14,7 cm - 299 Bll. - jüngere Form der gotischen Kursive - nd. - 1474-1479 390 - Predigthandschrift, der das zu Beginn gekürzte und durch einen Textverlust (Bl. 29 r ) 391 charakterisierte ‚b ch von den nún veilsen‘ vorangeht. B ESCHREIBUNG : Conrad Borchling, Mittelniederdeutsche Handschriften in Wolfenbüttel und einigen benachbarten Bibliotheken. Dritter Reisebericht, Göttingen 1902 (Nachrichten von der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse 1902 [Beiheft]), S. 211f.; Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage II. Zu Merswins Bannerbüchlein, in: ZfdPh 41 (1909), S. 18-31, hier S. 19-24; Philipp Strauch, Zu Taulers Predigten, in: PBB 44 (1920), S. 1-26, hier S. 11, 17-19, 20f. (Sigle Hi); Renate Giermann und Helmar Härtel unter Mitarbeit von Marina Arnold, Handschriften der Dombibliothek zu Hildesheim, Teil 2: Hs 700-1050, St. God. Nr. 1-51, Ps 1-6, J 23-95, Wiesbaden 1993 (Mittelalterliche Handschriften in Niedersachsen H. 9), S. 24-26; Johannes Gottfried Mayer, Die ‚Vulga- 322, sowie die Aufzählung im Register, S. 388; zu den Verbindungen des Stifts zum Zeitpunkt der Reform durch Böddeken vgl. S. 260-271. 385 Peter Ochsenbein, Spuren der Devotio moderna, S. 478. 386 Anton Näf und René Wetzel, Friedrich Kölner in St. Gallen, S. 333. 387 Eine von Scherrer offensichtlich vermutete Tradierung über familiäre Beziehungen der Familie Merswin nach St. Gallen bestätigt sich demgegenüber nicht. Scherrer weist darauf hin, daß die Merswin „auch S. Galler Patricier“ (S. 362) waren; diese können jedoch nur in einem Verzeichnis der ‚Ephemerides Monasterii S. Galli‘ bei Goldast in St. Gallen nachgewiesen werden: XII. Hugo Merswinus, de Steige propre Rotundum montem, quod habet Johannes Dispensator (Rerum alamannicarum scriptores aliquot vetusti, à quibus Alamannorum qui nunc partim Suevis, partim Helvetiis cessere, historiae tam saeculares quam ecclesiasticae traditae sunt, tribus tomis divisi, cum glossis rerum et verborum difficiliorum, ex bibliotheca Melchioris Haiminsfeldii Goldasti, cum indice rerum et verborum accuratissimo. Editio tertia, prioribus emendatior. Praefamine, vita ac scriptis auctoris et editoris Goldasti, et nonnullis aliis auctior cura Henrici Christiani Senckenberg, Francofurti et Lipsiae: Fleischer 1730, S. 95, li. Sp.). Dem Stadtarchiv in St. Gallen und besonders Stefan Sonderegger sei für ihre freundlichen Auskünfte herzlich gedankt. 388 Gustav Scherrer, Verzeichniss der Handschriften von St. Gallen, S. 362. 389 Anton Näf und René Wetzel, Friedrich Kölner in St. Gallen, S. 327. 390 Die im Handschriftenkatalog vermerkte Datierung des Textes Merswins auf das Jahr 1452 (Renate Giermann und Helmar Härtel, Handschriften der Dombibliothek, S. 24) beruht auf der mißverständlichen Formulierung verdehalf hundert jar (Bl. 68 v ), die das Entstehungsjahr des ‚b ch von den nún veilsen‘, wie üblich, mit 1352 bestimmt. 391 Renate Giermann und Helmar Härtel, Handschriften der Dombibliothek, S. 25. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 266 ta‘-Fassung der Predigten Johannes Taulers, S. 236f. (Sigle Hi, lies „Dombibliothek“ statt „Stadtbibliothek“). V ERZEICHNET : Strauch 1929, S. VIII (hier: Beverinsche Bibliothek); Wolfgang Stammler, Kleine Schriften zur Literaturgeschichte des Mittelalters, Berlin 1953, S. 162, Anm. 8; Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 427 (lies „Dombibliothek Hs. 724b“ statt „StB, Cod. 17“). P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Auf dem hinteren Vorsatzblatt wird die Fratergemeinschaft ‚Lüchtenhof‘ als Besitzer der Handschrift ausgewiesen: Liber presbiterorum et clericorum in orto luminum vulgariter in dem luchtenhoue beate Marie virginis probe et extra muros Hildensis in brulone. 392 Der Eintrag wird in der Volkssprache auf Bl. 1 r wiederholt: Dyt boeck hort to den prestern vnd clercken in dem luchthoue onser lieuen vrouwen to Hildensem. 393 Das 1440 gegründete und 1443 in den ‚Lüchtenhof‘ umgesiedelte Fraterhaus in Hildesheim 394 verfügte über eine bedeutende Schreibstube, 395 deren Erzeugnisse sich jedoch bis auf wenige Exemplare nicht erhalten haben. 396 Folgt man dem von Brüggeboes aufgrund kursorischer Bemerkungen zu einzelnen Schreibern bei Peter von Dieburg erstellten Inventar, das auch zwei Handschriften mit Taulertexten verzeichnet („Postillae Tauleri“ und „Historiae Tauleri“), 397 bietet der vorliegende Text eine für die Bibliothek des Fraterhauses untypische Sammlung, da „die religiöse Stimmung der Brüder im wesentlichen nüchtern und praktisch war [...], die Bibliothek enthielt laut Katalog [gemeint sind die Annalen] keine mystischen Schriften“. 398 K ÖNIGSBERG , S TAATS - UND U NIVERSITÄTSBIBLIOTHEK , Nr. 1785 [verschollen] Pergament - 16 x 11 cm - 145 Bll. - alem. - 2. H. 14. Jh. - Einzelhandschrift des ‚b ch von den nún veilsen‘ B ESCHREIBUNG : Emil Steffenhagen, Die altdeutschen Handschriften zu Königsberg, in: ZfdA 13 (1867), S. 501-574, hier S. 529 (Nr. XVIII); Emil Ettlinger, Handschriftliche Beschreibung für das Handschriftenarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (10 Bll.; 1912); Katalog der mittelalterlichen deutschsprachigen Handschriften der ehemaligen Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg. Nebst Beschreibungen der mittelalterlichen deutschsprachigen Fragmente des ehemaligen Staatsarchivs Königsberg. Auf der Grundlage der Vorarbeiten Ludwig Deneckes, erarbeitet von Ralf G. Päsler, hg. von Uwe Meves, München 2000 (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 15), S. 138f., 257. V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 260; Strauch 1929, S. VII. 392 Ibid., S. 24. 393 Ibid., S. 25. 394 Vgl. Helmut von Jan, Hildesheim (1440-1604), in: Wolfgang Leesch, Ernest Persoons und Anton G. Weiler (Hgg.), Monasticon Fratrum Vitae Communis, Teil II: Deutschland, Brüssel 1979, S. 83-93, hier S. 91; Wilhelm Brüggeboes, Die Fraterherren (Brüder des gemeinsamen Lebens) im Lüchtenhof zu Hildesheim, Diss. [masch.] Münster 1939, S. 9 und 11. 395 Helmar Härtel, Untersuchungen zur Bibliotheksgeschichte in Niedersachsen an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert, in: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte 11 (1986), S. 1-32, hier S. 12. 396 Helmut von Jan, Hildesheim. S. 88. 397 Wilhelm Brüggeboes, Die Fraterherren, S. 102-105. 398 Wolfgang Stammler, Studien zur Geschichte der Mystik in Norddeutschland, in: Archiv für Religionswissenschaft 21 (1922), S. 122-162, hier S. 128, Anm. 3. ‚b ch von den nún veilsen‘ 267 P ROVENIENZ : Aus dem 1846 unter Johannes Voigt angelegten Verzeichnis der Bestände der Staatsbibliothek in Königsberg geht hervor, daß die Handschrift nach der Auflösung der Klöster zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den Besitz der Bibliothek kam, 399 ein eindeutiger Provenienzvermerk fehlt jedoch. Päsler erkennt in den Zisterziensern in Pelpin den wahrscheinlichsten Vorbesitzer der Handschrift, 400 nimmt aber eine Entstehung in Südwestdeutschland an, da Ettlinger in seiner Handschriftenbeschreibung vermerkt, daß das als Vorsatz verwendete Pergamentblatt serum als Terminus für den Abend und ballius als Bezeichnung eines Hofbeamten verwendet und so eine französische Herkunft der eingearbeiteten Handschrift wahrscheinlich macht. 401 Kurzredaktionen der Fassung Rulman Merswins E ICHSTÄTT , B ENEDIKTINERINNENABTEI S T . W ALBURG , B IBLIOTHEK , Cod. germ. 2 ‚b ch von den nún veilsen‘ (im Codex ohne Überschrift): Bl. 110 va -134 vb Papier - 30 x 21 cm - 251 Bll. - Bastarda - bair. - 1459 (Bl. 251 vb ) - Sammlung von mystischen und aszetischen Traktaten, Antiphonen und Hymnen der Weihnachtszeit und Anweisungen zum Klosterleben. B ESCHREIBUNG : Joseph Lechner, Die spätmittelalterliche Handschriftengeschichte der Benediktinerinnenabtei St. Walburg/ Eichstätt (By.), Münster 1937 (Eichstätter Studien 2), S. 21- 27; Renate Wagner, Ein nücz und schone ler von der aygen erkantnuß. Des Pseudo-Johannes von Kastl ‚Spiritualis philosophia‘ deutsch. Text und Untersuchungen, München 1972 (MTU 39), S. 64-66. V ERZEICHNET : Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 427 (als Handschrift der Kurzfassung). B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Diese Version umfaßt: Strauch 1929, S. 75, Z. 32-S. 167, Z. 4; Schmidt 1859, S. 66-146. P ROVENIENZ : Auf dem hinteren Spiegel der Handschrift findet sich ein Besitzvermerk des Benediktinerinnenklosters in Eichstätt aus dem Ende des 15. Jahrhunderts: Das phuch gehort gein Sant walpurg zu eystet. 402 Der Codex ist jedoch wahrscheinlich nicht dort entstanden: „Unser Ms zeigt, wie ein genauer Vergleich ergibt, dieselbe gefällige Schrift wie Hs 214 (wenigstens Bl. 1-131) der Sem. Bibl. in Eichstätt und Cgm. 509 (nach Bl. 374 vb 1461 geschrieben! ), also Rebdorfer [Augustinerchorherren] Hss! Auch der Inhalt weist die engsten Zusammenhänge auf mit der deutschen Bücherei der Rebdorfer Reformzeit.“ 403 Das Manuskript muß zunächst auch bei den Augustinerchorherren verblieben sein, da Lechner umfangreiche Abschriften daraus in zwei Rebdorfer Codices nachweisen kann: 399 Katalog der mittelalterlichen deutschsprachigen Handschriften der ehemaligen Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, S. 257. 400 Ibid. 401 Ibid., S. 138. 402 Renate Wagner, Ein nücz und schone ler, S. 64, Anm. 35. 403 Joseph Lechner, Die spätmittelalterliche Handschriftengeschichte der Benediktinerinnenabtei St. Walburg, S. 21f. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 268 Text in Eichstätt, Benediktinerinnenabtei St. Walburg, Cod. germ. 2 Parallelüberlieferung in (ehemals) Rebdorfer Beständen Bl. 1 ra -32 rb ‚Das Buch von der Selbsterkenntnis‘ Berlin, Ms. germ. oct. 565, Bl. 28 r -100 r 404 Bl. 36 vb -108 ra ‚Das Buch von geistlicher Armut‘ Berlin, Ms. germ. oct. 565, Bl. 100 v -160 r (Auszüge) 405 Bl. 108 ra -110 va ‚Von den drîn fragen‘ Berlin, Ms. germ. oct. 517, Bl. 17 r -19 v 406 Bl. 136 ra -242 vb ‚Das Buch von dreierlei Ständen der Menschen‘ Berlin, Ms. germ. oct. 565, Bl. 184 r -233 r (Auszüge) 407 Die Datierung der Handschrift (1459) weist ihre Genese in den Zusammenhang der Reform des Rebdorfer Augustinerchorherrenstifts in der Mitte des 15. Jahrhunderts: Nachdem sich die 1153 gegründete Gemeinschaft 1454 der Windesheimer Kongregation angeschlossen hatte, 408 ließ der aus Kirschgarten bei Worms gerufene Prior Johannes Herdegen ab 1458 „von reformerprobten niederländischen Kräften“ 409 eine ca. 40 volkssprachliche Handschriften umfassende 410 Bibliothek anlegen, die vor allem für den Gebrauch der Laienbrüder bestimmt war 411 und neben „Werke[n] niederländischer Mystik und andere[r] [...] Devotenliteratur“ vor allem „[... die] üblichen, im süddeutschen Raum verbreiteten katechetischen“ Werke enthielt. 412 M ÜNCHEN , B AYERISCHE S TAATSBIBLIOTHEK , Cgm 452 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Von gelegenhait der gancen welt vie du [sic! ] geoffenward ward ainem diner gottes [...]): Bl. 1 r -41 r Papier - 15,4 x 10,5 cm - III + 210 Bll. - Bastarda - bair./ schwäb. - 2. H. 15. Jh. - Traktatsammlung, die Anleitungen zur Vollkommenheit und einem geistlichen Leben in Einkehr und göttlicher Weisheit vereinigt. 404 Ibid., S. 23, Anm. 42. 405 Ibid., S. 24, Anm. 45. 406 Ibid., S. 25, Anm. 46. 407 Ibid., S. 26, Anm. 48. 408 P. Norbert Backmund, Die Chorherrenorden und ihre Stifte in Bayern. Augustinerchorherren, Prämonstratenser, Chorherren v. Hl. Geist, Antoniter, Passau 1966, S. 119-123, hier S. 119. 409 Werner Williams-Krapp, Ein puch verschriben ze deutsch in brabantzer zunge. Zur Rezeption von mystischem Schrifttum aus dem niderlant im oberlant, in: Angelika Lehmann-Benz, Ulrike Zellmann und Urban Küsters (Hgg.), Schnittpunkte. Deutsch-niederländische Literaturbeziehungen im späten Mittelalter, Münster [usw.] 2003 (Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas 5), S. 41-53, hier S. 47. 410 Christian Bauer, Geistliche Prosa im Kloster Tegernsee. Untersuchungen zu Gebrauch und Überlieferung deutschsprachiger Literatur im 15. Jahrhundert, Tübingen 1996 (MTU 107), S. 20. Vgl. zur Rekonstruktion dieser Bibliothek: ibid., S. 211-248; Johannes Gottfried Mayer, Tauler in der Bibliothek der Laienbrüder von Rebdorf, in: Konrad Kunze, Johannes G. Mayer und Bernhard Schnell (Hgg.), Überlieferungsgeschichtliche Editionen und Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters. Kurt Ruh zum 75. Geburtstag, Tübingen 1989 (TTG 31), S. 365-390. 411 Adolf Spamer, Ueber die Zersetzung und Vererbung in den deutschen Mystikertexten, Gießen 1910, S. 85f. 412 Werner Williams-Krapp, Ein puch verschriben ze deutsch in brabantzer zunge, S. 47. ‚b ch von den nún veilsen‘ 269 B ESCHREIBUNG : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 260-262; Karin Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München. Cgm 351-500, Wiesbaden 1973 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis, T. 5, P. 3), S. 303- 305; Christian Bauer, Geistliche Prosa am Kloster Tegernsee. Untersuchungen zu Gebrauch und Überlieferung deutschsprachiger Literatur im 15. Jahrhundert, Tübingen 1996 (MTU 107), S. 223. V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 260f. (als Handschrift der Fassung Rulman Merswins). B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Die Handschrift umfaßt eine kürzende Redaktion der ‚Neunfelsen‘-Vision in der Fassung Rulman Merswins, die dem Text des Manuskripts 2626 der Straßburger Bibliothèque Nationale et Universitaire entspricht. 413 Abdruck der Vorrede bei Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 261. P ROVENIENZ : Der Codex ist durch drei Merkmale als Besitz der Laienbrüder des Augustinerchorherrenstifts Rebdorf bei Eichstätt ausgewiesen: 414 1. Auf der Versoseite des letzten Vorsatzblattes (Bl. III v ) findet sich folgender Besitznachweis: Das puch gehort den leyen brüder zu Rebdoff [sic! ] in das gemein. 2. Im vorderen Innenspiegel ist zusätzlich in eckiger Buchschrift mit brauner Tinte Rebdorff eingetragen. 3. Für die Handschrift kann eine Signatur der Laienbrüderbibliothek nachgewiesen werden: Auf einem Pergamentschild auf dem vorderen Buchdeckel sowie auf dem oberen Schnitt läßt sich der Buchstabe Y oder V erkennen. 415 M ÜNCHEN , B AYERISCHE S TAATSBIBLIOTHEK , Cgm 627 Auf Bl. 268 ra findet sich ein Verweis auf das ‚b ch von den nún veilsen‘: Diß stet am grünen puchlein vor den ne n velsen. Papier - 31,3 x 21,5 cm - 337 Bll. - Bastarda - nordbair. - 1458 (Bl. 333 va ) - mystische Sammelhandschrift mit Predigten und Mosaiktraktaten. B ESCHREIBUNG : Adolf Spamer, Ueber die Zersetzung und Vererbung in den deutschen Mystikertexten, Gießen 1910, S. 84-113; Eduard Schaefer, Meister Eckharts Traktat „Von Abegescheidenheit“. Untersuchung und Textneuausgabe, Bonn 1956, S. 49f.; Karin Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München. Cgm 501-690, Wiesbaden 1978 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis, T. 5, P. 4), S. 257-265; Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 110-113; Christian Bauer, Geistliche Prosa am Kloster Tegernsee, S. 226; Johannes Gottfried Mayer, Die ‚Vulgata‘-Fassung der Predigten Taulers, S. 253f. (Sigle M 13). V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 238f. (als Handschrift der Kurzfassung). 413 Werner Fechter, Deutsche Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts aus der Bibliothek des ehemaligen Augustinerchorfrauenstifts Inzigkofen, Sigmaringen 1997 (Arbeiten zur Landeskunde Hohenzollerns 15), S. 60. 414 Johannes G. Mayer, Tauler in der Bibliothek der Laienbrüder in Rebdorf, S. 370f. 415 Karin Schneider (Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München. Cgm 351-500, S. 303) liest als Signatur Y, ebenso zunächst auch Mayer (Tauler in der Bibliothek der Laienbrüder in Rebdorf, S. 371), in der tabellarischen Auflistung der Handschriften führt er die Handschrift jedoch unter V an (ibid., S. 386), dem folgt Bauer (Geistliche Prosa im Kloster Tegernsee, S. 223). Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 270 P ROVENIENZ : Die Provenienz der Handschrift konnte von Mayer aufgrund eines Schreibereintrags ermittelt werden: Anno domini millessimo quadringentesimo quinquagesimo octauo finitus est iste liber per manus Chunradi Welker de Eystet et scriptus est venerabili in X° patri et domino domino Johanni priori in Rebdorff conventuique ibidem finitusque in vigilia sancti Jacobi apostoli. 416 Konrad Welker von Eichstätt ist auch Schreiber der Münchner Handschriften Cgm 214 und 215, die beide einen Besitzeintrag der Laienbrüderbibliothek in Rebdorf aufweisen (Cgm 214, Bl. III v ; Cgm 215, Bl. II v ). Der Codex wurde folglich nicht nur für Rebdorf geschrieben - wie aus der Widmung an den Prior Johannes Herdegen (1458-1483) hervorgeht -, sondern ist auch hier entstanden. S TRASSBURG , B IBLIOTHEQUE N ATIONALE ET U NIVERSITAIRE , Ms. 2626 (olim L germ. 565) ‚b ch von den nún veilsen‘ (Hie hebt sich an das b chlin von den nún veilsen [...]): Bl. 191 v -209 v Papier - 30 x 21 cm - 225 Bll. - Bastarda - westschwäb. - um 1430 (Wasserzeichen: 1428-1434) - Sammlung geistlicher Prosatexte, darunter deutsche Viten und Exempel der ‚Vitaspatrum‘, das ‚Buch von geistlicher Armut‘ und das ‚Speculum artis bene moriendi‘, dt. B ESCHREIBUNG : Adolf Becker, Die deutschen Handschriften der Kaiserlichen Universitäts- und Landesbibliothek zu Straßburg, Straßburg 1914 (Katalog der Kaiserlichen Universitäts- und Landesbibliothek in Straßburg 6), S. 28; Ernest Wickersheimer, Catalogue général des manuscrits, S. 537; Ulla Williams, Die ‚Alemannischen Vitaspatrum‘, S. 36*f.; Werner Fechter, Inzigkofen, S. 60-62. V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 258f. (als Handschrift der Fassung Rulman Merswins). B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Die Handschrift umfaßt eine kürzende Redaktion der ‚Neunfelsen‘-Vision in der Fassung Rulman Merswins, die dem Text der Handschrift Cgm 452 der Bayerischen Staatsbibliothek in München (vgl. S. 268f.) entspricht. 417 P ROVENIENZ : Das Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen, dessen Besitzeintrag im Vorderdeckel steht, ist wahrscheinlich auch der Schreibort, da die Hand des Manuskripts mit dem ersten, anonymen Schreiber der Handschrift Berlin, Ms. germ. quart. 1110, übereinstimmt, die - so zeigt die zweite Schreiberin dieses Manuskripts, Anna Jäck - nachweislich in Inzigkofen entstanden ist. 418 Der Entstehungszeitpunkt der Handschrift deutet darauf hin, daß der Codex im Zusammenhang der 1430 eingeleiteten Reform des Augustinerchorfrauenstifts durch Pillenreuther Schwestern 419 geschrieben wurde und somit zur ersten Phase des Aufbaus der berühmten Bibliothek des Klosters zählt, in der vorwiegend mystische Schriften gesammelt wurden. 420 416 Johannes G. Mayer, Tauler in der Bibliothek der Laienbrüder in Rebdorf, S. 375, Anm. 42. 417 Werner Fechter, Inzigkofen, S. 60. 418 Ibid. 419 Ibid., S. 8. 420 Siegfried Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 40-44. ‚b ch von den nún veilsen‘ 271 Die literarischen Beziehungen der beiden Klöster, in deren Bibliotheken die auf den Visionsteil beschränkte und gekürzte Fassung des ‚b ch von den nún veilsen‘ enthalten war - das Augustinerchorherrenstift Rebdorf und das Stift der Chorfrauen in Inzigkofen -, wurden in der Forschung bereits mehrfach untersucht, da immer wieder Parallelüberlieferungen in den beiden Institutionen bemerkt wurden. Johannes Mayer konnte in seiner Studie über die Verbreitung der Predigten Taulers in den deutschsprachigen Handschriften des Stiftes Rebdorf den Überlieferungsweg für einige der Texte der Laienbrüderbibliothek über Pillenreuth nach Inzigkofen zurückverfolgen; 421 Siegfried Ringler rekonstruierte anhand des Codex 308 der Bibliothek des Schottenklosters in Wien die Verbindungen des Konvents von Inzigkofen mit dem Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Nürnberg 422 und wies den Konvent in Pillenreuth als Herkunftsort der Vorlagen für den Inzigkofener Codex nach. 423 Geht man davon aus, daß die so ermittelten Überlieferungswege auch für andere Texte genutzt wurden, hätte die Überlieferung der gekürzten Textform der Rulman- Merswin-Fassung von Inzigkofen, konkret aus dem Straßburger Ms. 2626, ihren Ausgang genommen. Diese Handschrift wäre sodann an den eng (und seit 1496 auch in einer Gebetsgemeinschaft) 424 mit Inzigkofen verbundenen Konvent Pillenreuth ausgeliehen worden; ein Pillenreuther Manuskript des Textes ist nicht überliefert, dies ist jedoch aufgrund des fast vollständigen Verlustes der Pillenreuther Bibliothek 425 erklärbar. Zudem ist es wahrscheinlich, daß der Verweis der Münchner Handschrift Cgm 627 auf Bl. 268 ra auf ein grüne[s] puchlein, in dem die ne n velsen zu finden seien (vgl. S. 268), auf einen Textzeugen in Pillenreuth zu beziehen ist, da sich auch die anderen im Codex vorhandenen und bei Mayer untersuchten Verweise auf Pillenreuther Manuskripte beziehen. 426 Dieses grüne[ ] puchlein hätte im Anschluß den Rebdorfer Laienbrüdern als Vorlage für den Eichstätter Codex germ. 2 gedient, denn der im Münchner Codex 627 beschriebene Überlieferungsverbund (die ‚nún veilsen‘ seien in einem grünen puchlein nach dem Traktat ‚Von den drîn fragen‘ zu finden) trifft auch auf den Eichstätter Codex zu. Der in der Münchner Handschrift Cgm 452 überlieferte Text wäre folglich aus der später nach St. Walburg gelangten Handschrift kopiert. Trotz der Differenzen, welche „die Annahme einer direkten Abhängigkeit“ zwischen der Münchner Handschrift Cgm 452 und dem Straßburger Manuskript 2626 verbieten, 427 könnte folglich die große textuelle Übereinstimmung durch die Vermittlung der Abschrift Pillenreuths erklärt werden, auch wenn diese nicht überliefert ist. 421 Johannes G. Mayer, Tauler in der Bibliothek der Laienbrüder in Rebdorf, S. 365-390. 422 Siegfried Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 45-49. 423 Ibid., S. 49f. 424 Ibid., S. 50. 425 Ibid. 426 Johannes G. Mayer, Tauler in der Bibliothek der Laienbrüder in Rebdorf, S. 376-380. Falls diese Vermutung zutrifft, wären - entgegen Spamers Thesen (Zersetzung und Vererbung, S. 94-97) - nicht nur die Codices München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 627, 214 und 215 aus der Quellenbibliothek abgeschrieben worden, sondern auch weitere Manuskripte - wie z.B. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 452. 427 Werner Fechter, Inzigkofen, S. 62. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 272 Die Bearbeitung des Adam Walasser Adam Walasser, geboren um 1520 in Ulm, gestorben 1581 in Dillingen, 428 arbeitete als Buchdruckergeselle in der ersten Dillinger Offizin des Sebald Mayer, 429 die seit ihrer Gründung im Jahr 1550, 430 vor allem jedoch nach ihrem Erwerb (1560) durch den Augsburger Bischof, Kardinal Otto Truchseß von Waldburg, und der Schenkung an das Dillinger Jesuitenkolleg (1568) 431 vornehmlich Schriften druckte, quibus et haereticorum vires admodum delibitantur, et orthodoxorum insigniter crescit fides ac pietas. 432 Um diese gegenreformatorische Aufgabe zu erfüllen, wurde Walasser wahrscheinlich bereits ab 1552 vom Rektor des Dillinger Kollegs, Theodor Canisius, dazu angeregt, 433 zahlreiche Übersetzungen und Bearbeitungen erbaulicher Texte und Lieder zu verfassen, 434 unter denen sich auch die 1569 bei Sebald Mayer ohne Verfasserangabe erschienene Bearbeitung der längeren Version von Rulman Merswins ‚b ch von den nún veilsen‘ befindet - wie aus der Titulatur der 1573 verlegten, zweiten Auflage hervorgeht. 435 Es ist durchaus denkbar, daß Walasser seine Vorlage aus dem nahen Dominikanerinnenkloster Medingen erhielt, das im Freiburger Manuskript 470 (vgl. S. 260f.) eine Einzelhandschrift des ‚Neunfelsenbuchs‘ besaß. Himlische Of=||fenbarungen S. Birgi=||ten / wie es jetzt in der || Welt ergehn soll. || Etlich Propheceyen D. || Johannis Thauleri. || Von den neun Felsen / vnd || von allerley St nden der || Menschen. || Von der Artzney wiřder die || anfechtung der letzten zeit / Landolphi. || Ein nutzlicher Tractat von Br der Claus in der Schwytz. ||...||. Dillingen: Sebaldum Mayer, 1569 [VD 16 ZV 15402] (Digitalisat des Exemplars: Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, Th. Sch. 51) ‚b ch von den nún veilsen‘ (Das B chlin von den neun Felsen / vnd von allerley St nden der Menschen): Bl. 81 r -170 r 428 Friedrich Zoepfl, Adam Walasser. Ein Dillinger Laientheologe des 16. Jahrhunderts, in: Jahrbuch des Historischen Vereins Dillingen a. D. 72 (1970), S. 7-43, hier S. 8. Vgl. zu diesem auch: Wilhelm Bäumker, Walasser, Adam, in: ADB 40 (1896), S. 640-643; Ekkart Sauser, Walasser, Adam, in: Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon 13 (1998), Sp. 176-178. 429 Friedrich Zoepfl, Adam Walasser, S. 9. 430 Otto Bucher, Sebald Mayer, der erste Dillinger Buchdrucker (1550-1576), in: Jahrbuch des Historischen Vereins Dillingen a. D. 54 (1952), S. 107-129, hier S. 108. 431 Ibid., S. 112f. 432 Zit. nach: ibid., S. 113, Anm. 28. 433 Friedrich Zoepfl, Adam Walasser, S. 10f. 434 Vgl. die Zusammenstellung: ibid., passim. 435 Himlische Offen=||barungen / warhaffte Pro=||pheceyen / vnd andere Gaistliche || Tract tlin / Von besserung lang einge=||wurtzleter mißbreuch in allerley Men=||schenstenden/ Von artzney wider der letz=||ten zeit anfechtung / vnd wie man z || rechter Christlicher volkom=||menheit kommen || mag. || ... auß S. Birgita / Johan. || Thaulero/ Heinrich Seussen / Ludolpho || Cartheuser [et]c. gezogen/ vnd durch || Adam Walasser widerum || ernewert / gebessert || vnd gemehrt. Dillingen: Sebaldum Mayer, 1573 [VD 16 W 793]. ‚b ch von den nún veilsen‘ 273 W IEN , Ö STERREICHISCHE N ATIONALBIBLIOTHEK , Cod. 11864 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Das Búchlein Von Den Nein fölßen Vnd Von Allerlä Stentten Der Menschen): S. 800-872 Papier - 30,2 x 21 cm - XIII Bll. + 872 S. - Eilschrift - obd. - 1573-1605 - neben dem ‚b ch von den nún veilsen‘ bietet der Codex mit Geilers von Kaysersberg ‚Der Seelen Paradies‘ eine Abschrift des Drucks von Schürer in Straßburg (1510) samt Titulatur und Widmung an Junker Hans von Schönau in Freiburg. B ESCHREIBUNG : Tabulae codicum manuscriptorum praeter Graecos et orientales in Bibliotheca Palatina Vindobonensis asservatorum, hg. v. Academia Caesarea Vindobonensis, 10 Bde, Wien 1864-1899, Bd. 7: Cod. 11501-14000, Wien 1867, S. 69; Hermann Menhardt, Verzeichnis der altdeutschen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek (Deutsche Akademie der Wissenschaften, Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur 13), 3 Bde, Berlin 1960-1961, Bd. 3, Berlin 1961, S. 1229f. V ERZEICHNET : Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 427 (als Handschrift der Fassung Rulman Merswins). P ROVENIENZ : Auf Bl. II r findet sich der folgende Besitzvermerk: In das verspörrte frawen-Closter Mariae Opfferung zu ynsprugg gehörig. Das Kloster der Servitinnen wurde jedoch erst 1607, also kurz nach der Fertigstellung der Handschrift, von Erzherzogin Anna Katharina von Tirol gegründet, 436 der Entstehungsort des Codexes ist somit nicht bekannt. Weitere Signaturen weisen auf andere Besitzer hin: Auf dem Buchrücken findet sich III.A.3., darunter Cod: Rec: N o 2047a. 437 436 Vgl. zu diesem Kloster: August Lindner, Die Aufhebung der Klöster in Deutschtirol 1782-1787. Ein Beitrag zur Geschichte Kaiser Joseph’s II, Innsbruck 1886, S. 150-185, hier S. 150. 437 Hermann Menhardt, Verzeichnis der altdeutschen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek, S. 1230. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 274 2.3.4.1.2. Die Kurzfassung A MSTERDAM , U NIVERSITEITSBIBLIOTHEEK , I G 25 (Cat. Nr. 554; olim Moll 52) ‚b ch von den nún veilsen‘ (Een goede leeringe): Bl. 1-49 r Papier - 13,8 x 9,7 cm - 253 Bll. - schleifenlose Bastarda - mndl. - ca. 1460-1470 - mystische Sammelhandschrift B ESCHREIBUNG : C. J. van der Kemp, De Duitsche ‚Gottesfreunde‘ en de Nederlandsche ‚Devoten‘, in: Studien en bijdragen op’t gebied der historische theologie 1 (1870), S. 258-302, hier S. 281f.; van Borssum Waalkes 1882, S. 5; Maurits B. Mendes da Costa, Catalogus der Handschriften II: De Handschriften der Stedelijke Bibliotheek met de latere aanwinsten, Amsterdam 1902, S. 93; BNM. V ERZEICHNET : Walther Dolch, Die Verbreitung oberländischer Mystikerwerke, S. 84; Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 239. P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Auf Bl. 1 r findet sich ein Besitzeintrag, aus dem hervorgeht, daß der Vorbesitzer Hendrik Jan van Wijn war: door mij gekocht in den boedel van H. Van Wiijn; seit 1860 befand sich die Handschrift im Besitz von Willem Moll. A UGSBURG , U NIVERSITÄTSBIBLIOTHEK , Cod. III. 1. 4° 4 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Der hernach stet geschriben das puch von den neün velsen genant [...]): Bl. 28 r -81 r Papier - 22,2 x 15,5 cm - 82 Bll. - Bastarda - nordbair. - 1434 - dem ‚b ch von den nún veilsen‘ ist von der Originalhand ausschließlich eine deutsche Fassung des ‚Speculum artis bene moriendi‘ beigegeben. B ESCHREIBUNG : Karin Schneider, Deutsche mittelalterliche Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg. Die Signaturengruppen Cod. I. 3 und Cod. III. 1, Wiesbaden 1988 (Die Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg, Reihe 2. Die deutschen Handschriften, Bd. 1), S. 254f.; Arnold Schromm, Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim am Ries. Buchpflege und geistiges Leben in einem schwäbischen Frauenstift, Tübingen 1998 (Studia Augustana 9), S. 220. V ERZEICHNET : Strauch 1929, S. XV (Mayhingen, III Deutsche Handschriften 4°4). P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Im Vorderdeckel findet sich eine Bleistiftsignatur (K 283), welche die Handschrift in das Zisterzienserinnenkloster Kirchheim weist. Dessen Bibliothek fiel nach seiner Auflösung 1830/ 31 an die Fürsten zu Oettingen-Wallerstein, deren Hauskloster Kirchheim war. 438 Ältere Besitzvermerke weist der Codex nicht auf, auch fehlt er in dem 1436/ 37 erstellten Bücherverzeichnis Kirchheims, das jedoch fast ausschließlich lateinische Handschriften aufzählt. 439 Eine im Umschlag des Codexes verarbeitete Pergamenturkunde Gregors XI. (1370-1378) weist die Handschrift nach Eichstätt. 438 Karin Schneider, Deutsche mittelalterliche Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg, S. 13. 439 Arnold Schromm, Die Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Kirchheim, S. 80-85. ‚b ch von den nún veilsen‘ 275 B ERLIN , S TAATSBIBLIOTHEK P REUSSISCHER K ULTURBESITZ , Ms. germ. oct. 188 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Dit is een wtscrijft e een ghetogen sy e wt eenen boeck dat heit vand negen velden [...]): Bl. 309 v (307 v )-332 v (330 v ) 440 Pergament und Papier - 13,8 x 11 cm - IV + 336 Bll. - Bastarda - mndl. - ca. 1490 - mystische Sammelhandschrift B ESCHREIBUNG : Bibliotheca Hoffmanni Fallerslebensis, Leipzig 1846, Nr. XVII, S. 22f.; Hermann Degering, Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der Preußischen Staatsbibliothek, Bd. III: Die Handschriften in Oktavformat, S. 61f.; Hans Wegener, Beschreibendes Verzeichnis der Miniaturen und des Initialschmucks in den deutschen Handschriften bis 1500, Leipzig 1928 (Beschreibende Verzeichnisse der Miniaturen-Handschriften der Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin 5), S. 157; Gerard Isaac Lieftinck, De Middelnederlandsche Tauler-Handschriften, Groningen 1936, S. 116-127; Kurt Ruh, Bonaventura deutsch, S. 142- 144; Albert Ampe, Marquard van Lindau en de Nederlanden, in: Ons geestelijk erf 34 (1960), S. 374-402, hier S. 391f. (Nr. 1); Stephanus G. Axters, Bibliotheca Dominicana Neerlandica Manuscripta 1224-1500, Louvain 1970 (Bibliothèque de la Revue d’Histoire Ecclésiastique 49), S. 199f.; Gerard Achten, Das christliche Gebetbuch im Mittelalter. Andachts- und Studienbücher in Handschrift und Frühdruck, 2. verbesserte und vermehrte Auflage, Berlin 1987 (Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Ausstellungskataloge 13), S. 65 (Nr. 28); Karl Stooker und Theo Verbeij, Collecties op orde. Middelnederlandse handschriften uit kloosters en semi-religieuze gemeenschappen in de Nederlanden, Deel 1: Studie; Deel 2: Repertorium, Löwen 1997 (Miscellanea Neerlandica XV und XVI), Deel 2, Nr. 985; Johannes Gottfried Mayer, Die ‚Vulgata‘-Fassung der Predigten Johannes Taulers, S. 214 (Sigle B22). V ERZEICHNET : Walther Dolch, Die Verbreitung oberländischer Mystikerwerke im Niederländischen, S. 84. P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Der erste Besitzvermerk der Handschrift weist diese im Jahr 1846 an Hoffmann von Fallersleben (Bl. 1 r ), der sie mit vielen anderen vier Jahre später an die Berliner Bibliothek verkaufte. Lieftinck vermutet jedoch, sie sei im Augustinerchorfrauenstift in Oostmalle entstanden: „Het komt mij niet gheel onmogelijk voor, dat dit hs., evenals hs. G 1 [Gent, Universiteitsbibliotheek, Hs. 966] geschreven zou kunnen zijn door heilken iacops Een vanden vieren die dit cloester (het besloten klooster der Regularessen te Oostmalle in het markgraafschap Antwerpen) hebben helpen begynnen ter eeren gods, al zouden wij, wat het dialect aangaat, de schrijfster liever in het Oosten des lands zoeken, in de buurt van Arnhem. [...] Tenslotten wijst ook de band van het handschrift, die vervaardigd is door de Broeders des Gemeenen Levens uit D o m u s F r a t r u m S a n c t i G r e g o r i i te’s-Hertogenbosch, in de richting van een Brabantsch klooster.“ 441 B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Bei dem Text handelt es sich um einen Auszug aus der Kurzfassung des ‚b ch von den nún veilsen‘: Dit is een wtscrijft e een ghetogen sy e wt eenen boeck dat heit vand negen velden. ende heeft vier capittelen (Bl. 309 v ). Obwohl die vier Kapitel in der üblichen Form benannt sind (Dat yerste is, hoe dat enen mensch voer quam ende een bedudynghe waer hem gegeheuen van god, dat hi dit boek scryuen most. Dat ander, hoe dat dese mensche vremde beelde vor worden ghehouden, Bl. 309 v ), werden das erste und das zweite ausdrücklich om der cortheit wil ausgelassen 440 Die moderne Bleistiftfoliierung der Handschrift überspringt Bl. 120; eine korrigierende, jedoch nicht durchgängig vorgenommene zweite Foliierung beginnt bereits mit dem zweiten Schutzblatt, so daß die Foliierungen ab Bl. 120 um zwei Ziffern voneinander abweichen (Gerard Isaac Lieftinck, De Middelnederlandsche Tauler-Handschriften, Groningen 1936, S. 116). 441 Ibid., S. 125f.; vgl. auch Karl Stooker und Theo Verbeij, Collecties op orde, Deel 2, S. 329f. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 276 (Bl. 310 r ): te mael after want ick den tyt niet wael en heb te scryuen, Ende myn meynynghe is hier wt te treck dat alre best. van vraghen e van antwoerden laet ic die omwege after ende, dier om laet ic dit capittel te mael staen e dat ander oeck. Auch das dritte Kapitel, das darüber berichtet, wie dem Menschen waert gewijst der kerstenheit gebreck (Bl. 310 r ), ist auf ein Blatt gekürzt. Der Fokus der Textwiedergabe liegt folglich auf der ‚Neunfelsen‘-Vision. B ERLIN , S TAATSBIBLIOTHEK P REUSSISCHER K ULTURBESITZ , Ms. germ. oct. 347 ‚b ch von den nún veilsen‘ (van deme anbeg ne): Bl. 1 r -58 r Papier - 14,5 x 10,6 cm - 61 Bll. - Textualis 442 - nd. - 15. Jh. - neben dem ‚b ch von den nún veilsen‘ enthält die Handschrift ausschließlich eine Osterpredigt für Nonnen. B ESCHREIBUNG : Alexander Reifferscheid, Beschreibung der Handschriftensammlung des Freiherrn August von Arnswaldt in Hannover, in: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung/ Niederdeutsches Jahrbuch 9 (1883), S. 132-142; 10 (1884), S. 5-43; 11 (1885), S. 99-10, hier 9 (1883), S. 133f.; Hermann Degering, Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der Preußischen Staatsbibliothek, Bd. III: Die Handschriften in Oktavformat, S. 118. V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 239 (als Handschrift von Arnswaldt 3130). P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Der Ursprung der Handschrift ist nicht mehr nachzuvollziehen, da mit der Neubindung im 18. Jahrhundert auch alle Besitzeinträge aus der Handschrift entfernt wurden. In die Berliner Bibliothek gelangte sie laut den Akzessionsjournalen 1887 aus dem Besitz des Freiherrn August von Arnswaldt in Hannover, zusammen mit Handschrift Ms. germ. oct. 353. B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Der Text ist stark gekürzt und zudem unvollständig („bricht mit D.[iepenbrock, Melchior, Heinrich Suso’s, genannt Amandus, Leben und Schriften. Nach den ltesten Handschriften und Drucken mit unver ndertem Text in jetziger Schriftsprache herausgegeben, Regensburg 3 1854] S. 385, 36 ab“). 443 B ERLIN , S TAATSBIBLIOTHEK P REUSSISCHER K ULTURBESITZ , Ms. germ. oct. 353 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Hier begynt dat boeck van den oerspronge off van d negen velzen): Bl. 1 r -93 v Papier - 14,3 x 10,5 cm - 179 Bll. - Kursive - mndl. - 15. Jh. - mystische Sammelhandschrift B ESCHREIBUNG : Alexander Reifferscheid, Beschreibung der Handschriftensammlung des Freiherrn August von Arnswaldt, 9 (1883), S. 139-141; Hermann Degering, Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der Preußischen Staatsbibliothek, Bd. III: Die Handschriften in Oktavformat, S. 119. 442 Kurt Heydeck gilt mein herzlicher Dank für seine freundliche Hilfe. 443 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 239. ‚b ch von den nún veilsen‘ 277 V ERZEICHNET : Walther Dolch, Die Verbreitung oberländischer Mystikerwerke im Niederländischen, S. 84; Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 239 (als Handschrift von Arnswaldt 3148). P ROVENIENZ : Auf dem Vorsatzblatt findet sich folgender Eintrag: Dyt boeck hoert toe nazareth bynen gelre intgemeyn. Die Vermutung Degerings, der Besitzeintrag verweise auf das „Kloster Nazareth bei Bredevoordt im Gelderlande“, konnte von Eva Lüders durch die Untersuchung Berliner Handschriften aus dem Nachlaß des Freiherrn August von Arnswaldt 444 korrigiert werden: Da dieser 1847 große Teile einer Geldener Bibliothek auf einer Auktion des Antiquariats Heberle in Köln erwarb, 445 ist die Schwesterngemeinschaft beatae Mariae in Nazareth in Schaar bei Bredevoert als der auf dem Vorsatzblatt ausgewiesene Vorbesitzer zu identifizieren. G EBRAUCHSKONTEXT : Aufgrund der „Lebensverhältnissen in den Frauenklöstern der Windesheimer Kongregation“ 446 und der Anlage der Handschrift als Traktatsammlung 447 nimmt Costard an, die Handschrift sei zur individuellen Schwesternlektüre verwendet worden. 448 B IELEFELD , S YNODALBIBLIOTHEK IN DER B IBLIOTHEK D . L ANDESKIRCHENAMTES , Hs. A 2 [olim: Bielefeld, Bibliothek der Altstädter Kirche, A 2] ‚b ch von den nún veilsen‘ (Hyr begynnet dat bockelin v den negen velsen ofte steenklipp): Bl. 174 ra -203 ra Papier - 27,9 x 22,6 cm - III + 213 Bll. - Bastarda - westf. - 1499 (bis Bl. 203 ra ) / 1502/ 08 (Nachtrag Bl. 204 ra -210 va ) - neben dem ‚b ch von den nún veilsen‘ überliefert der 1499 geschriebene Teil der Handschrift Seuses ‚Exemplar‘. B ESCHREIBUNG : Hermann Tümpel, Handschriftliche Beschreibung für das Handschriftenarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (21 Bll.; 1911); Hermann Tümpel, Niederdeutsche Handschriften in Bielefeld, in: Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 32 (1911), S. 62f., hier S. 62; Georg Hofmann, Seuses Werke in deutschsprachigen Handschriften, S. 134 (Nr. 3), 140 (Nr. 56), 166 (Nr. 328), 168 (Nr. 344); Kurt Otto Seidel, Mittelniederdeutsche Handschriften aus Bielefelder Bibliotheken. Beschreibungen - Texte - Untersuchung, Göppingen 1986 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 453), S. 7-11, Abb. 3-5; Kurt Otto Seidel, Mittelniederdeutsche literarische Handschriften in Bielefelder Bibliotheken, in: Niederdeutsches Wort 34 (1994), S. 13-20; Ulrich Hinz, Handschriftencensus Westfalen, Wiesbaden 1999 (Schriften der Universitäts- und Landesbibliothek Münster 18), S. 2f. (Nr. 04). 444 Eva Lüders, Zur Überlieferung der St. Georgener Predigten. Eine Folge von Einzelbeiträgen, in: Studia Neophilologica 29 (1957), S. 201-249; 30 (1958), S. 31-77; 32 (1960), S. 123-187, hier 32 (1960), S. 124-187. 445 Monika Costard, Predigthandschriften der Schwestern vom gemeinsamen Leben. Spätmittelalterliche Predigtüberlieferung in der Bibliothek des Klosters Nazareth bei Geldern, in: Volker Mertens und Hans-Jochen Schiewer (Hgg.), Die deutsche Predigt im Mittelalter. Internationales Symposion am Fachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin vom 3.-6. Oktober 1989, Tübingen 1992, S. 194-222, hier S. 199. 446 Ernest Persoons, Lebensverhältnisse in den Frauenklöstern der Windesheimer Kongregation in Belgien und in den Niederlanden, in: Harry Kühnel (Hgg.), Klösterliche Sachkultur des Spätmittelalters. Internationaler Kongreß, Krems an der Donau, 18. bis 21. September 1978, Wien 1980 (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philologisch-historische Klasse, Sitzungsberichte 367; Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterliche Realienkunde Österreichs 3), S. 73-111, hier S. 93f. 447 Monika Costard, Predigthandschriften der Schwestern vom gemeinsamen Leben, S. 209f. 448 Ibid., S. 211 und 212. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 278 V ERZEICHNET : Strauch 1929, S. XV. P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Vor Bl. 38 ist ein Zettel eingeklebt, auf dessen Rückseite sich folgender Besitzvermerk findet: To Biluelde Jn susterhus; der Codex gehörte somit den Augustinerinnen in Bielefeld, deren Niederlassung erst kurz vor der Abschrift des Codexes, 1491, gegründet worden war. 449 Da auf der Vorderseite des Zettels der Tod eines Beichtvaters des Konvents, Johann Harderick, verzeichnet ist, der nach dem ‚Nekrolog und Memorienbuch der westfälischen Benediktinerinnen-Abtei Herzebrock‘, 450 mit der die Augustinerinnen in einer Gebetsverbrüderung verbunden waren, 1567 verstarb, kann die Handschrift erst im 16. Jahrhundert im Besitz der Bielefelder Augustinerchorfrauen nachgewiesen werden. Von dort gelangte sie in die Bibliothek der Altstädter Kirche. B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Nach der Untersuchung Seidels gehört die vorliegende Handschrift „zur gleichen Handschriftengruppe wie die Vorlage des [Seuse-]Drucks von 1482 und die Wolfenbütteler Handschrift [Cod. Guelf. 78.5 Aug. 2°]“, 451 zu der Strauch auch die Codices Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 85.3. Aug. 2°, München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 759, und Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cpg 474, zählt. 452 B RÜSSEL , K ONINKLIJKE B IBLIOTHEEK VAN B ELGIË / B IBLIOTHÈQUE R OYALE DE B ELGIQUE , Ms. 11988-90 (Cat. 3384) ‚b ch von den nún veilsen‘ (Dat boeck van den oorspronck): Bl. 149 r -201 v Papier - 14,1 x 10,5 cm - II + 202 + I Bll. - schleifenlose Bastarda - mndl. - ca. 1490 - Sammelhandschrift, die neben dem ‚b ch von den nún veilsen‘ die ‚legende van sinte elizabeth van dueringhen‘ des Dietrich von Apolda und eine mndl. Übersetzung der ersten beiden Teile von Henricus Pomerius’ ‚De origine monasterii Viridisvallis‘ umfaßt. B ESCHREIBUNG : Joseph van den Gheyn, Catalogue des Manuscrits de la Bibliothèque Royale de Belgique, Bd. 5: Histoire - Hagiographie, Brüssel 1905, S. 370f.; Stephanus G. Axters, Bibliotheca Dominicana Neerlandica, S. 252; Jan van Ruusbroec 1293-1381. Tentoonstellingscatalogus. Met als bijlage een chronologische tabel en drie kaarten [Tentoonstelling ter gelegenheid van het 6. eeuwfeest van het overlijden van Jan van Ruusbroec, georganiserd door het Comité ‚Jan van Ruusbroec‘ 1981 in de Koninklijke Bibliotheek Albert I, Nassaukapel en Galerij Houyoux, van 17 oktober tot 28 november 1981], Brüssel 1981, S. 101f.; Karl Stooker und Theo Verbeij, Collecties op orde, Deel 2, Nr. 250; Jan Deschamps und Herman Mulder, Inventaris van de Middelnederlandse handschriften van de Koninklijke Bibliotheek van Belgi (voorlopige uitgave), Derde aflevering, Brüssel 2000, S. 7f. P ROVENIENZ : Die Handschrift weist keinen Besitzeintrag auf, wurde jedoch - dies geht aus einer Schreibernotiz hervor (Bl. 92 v ) - in einem Frauenkloster geschrieben. Die bisher veröffentlichten Handschriftenbeschreibungen vermuten übereinstimmend, das Manuskript sei bei 449 Gerhard Rehm, Die Schwestern vom gemeinsamen Leben im nordwestlichen Deutschland. Untersuchungen zur Geschichte der Devotio moderna und des weiblichen Religiosentums, Berlin 1985 (Berliner Historische Studien 11), S. 81: Rehm weist darauf hin, daß die Niederlassung in Bielefeld nicht eindeutig als devotes Schwesternhaus identifiziert werden kann, da das Klosterarchiv verschollen ist. 450 Nekrolog und Memorienbuch der westfälischen Benediktinerinnen-Abtei Herzebrock, hg. und erl. von Franz Flaskamp, Wiedenbrück 1954 (Quellen und Forschungen zur westfälischen Geschichte 80), S. 10, Nr. 16. 451 Kurt Otto Seidel, Mittelniederdeutsche Handschriften aus Bielefelder Bibliotheken, S. 82f. 452 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 241. ‚b ch von den nún veilsen‘ 279 den Brüsseler Augustinerchorfrauen S. Elisabeth van de berg Sion geschrieben worden, da der Codex durch die ‚Legende van sinte elizabeth van dueringhen‘, der Patronin des Klosters, eröffnet wird und der zweite noch in die Handschrift aufgenommene Text, die wahrscheinlich in Groenendaal entstandene Übersetzung des Pomerius-Textes ‚De origine monasterii Viridisvallis‘ (Bl. 93 r -148 v ), auf eine enge Beziehung zum Rookloster in Groenendaal schließen läßt, das die Rektoren des Brüsseler Augustinerchorfrauenstifts stellte. 453 D EN H AAG , K ONINKLIJKE B IBLIOTHEEK , 73 G 30 (olim L 49) ‚b ch von den nún veilsen‘ (Deus propicius esto michi [mihi] pecori [peccatori]): Bl. 49 r -79 v Pergament - 14,4 x 10 cm - 79 Bll. (2 Faszikel: Bl. 1-48, 49-79) - schleifenlose Bastarda - mndl. - 1. Faszikel: letzte Jahre des 13. Jahrhunderts, 454 2. Faszikel: 1400 - der ursprünglichen Einzelhandschrift des ‚b ch von den nún veilsen‘ ist auf einem gesonderten Faszikel ‚Die rede von 15 graden‘ vorangestellt. B ESCHREIBUNG : van Borssum Waalkes 1882, S. 5; Catalogus codicum manuscriptorum Bibliothecae Regiae, Vol. 1: Libri theologici, Hagae Comitum 1922, S. 170f. (Nr. 611); Johann Baptist Schoemann, Die Rede von den 15 Graden. Rheinische Gottesfreunde-Mystik, Berlin 1930 (Germanische Studien 80), S. 7f.; Johanna Marie Willeumier-Schalij, Dat boec der minnen (Die Rede von den 15 Graden), Leiden 1946, S. CVIII-CXII; C. J. van der Kemp, De Duitsche ‚Gottesfreunde‘ en de Nederlandsche ‚Devoten‘, S. 281; Karl Stooker und Theo Verbeij, Collecties op orde, Deel 2, Nr. 1271 und 1299; Wybren Scheepsma, The Limburg Sermons. Preaching in the Medieval Low Countries at the Turn of the Fourteenth Century, translated by David F. Johnson, Leiden; Boston 2008 (Brill’s Series in Church History 34), S. 73-75. V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 239 (Sigle B). P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Es ist nicht bekannt, wo die beiden Faszikel der Handschrift geschrieben wurden. Der Codex in seiner heutigen Gestalt gelangte 1847 aus der Gemeinde in Weesp nach Den Haag; er stammt aus dem Besitz des sog. Oude Convent, des S. Jan Evangelisten Hauses der Schwestern vom gemeinsamen Leben. 455 Van Borssum Waalkes nimmt an, die Handschrift sei mit einem Codex identisch, 456 der im Bücherverzeichnis des Barbaraklosters in Delft, im 15. Jahrhundert erstellt, wie folgt verzeichnet ist: Item Hermans boec van den negen velden [nachträglich hinzugesetzt: ij warf]. 457 B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Der Text ist unvollständig: Er bricht in der Beschreibung des ersten Felsens ab (van Borssum Waalkes S. 69 [14]) und setzt bei der Beschreibung des Ur- 453 Jan van Ruusbroec 1293-1381. Tentoonstellingscatalogus, S. 102; die gleichen Argumente wiederholen: Karl Stooker und Theo Verbeij, Collecties op orde, Deel 1, S. 102f., 313, Anm. 94, und Deel 2, S. 91. 454 Hans Kienhorst, De ‚Wrake van Ragisel‘-fragmenten. Layout en opkomst van het literaire handschrift in de dertiende eeuw, in: Jaarboek voor Nederlandse boekgeschiedenis 6 (1999), S. 49-66, hier S. 53. 455 Johanna Marie Willeumier-Schalij, Dat boec der minnen (Die Rede von den 15 Graden), S. CXI. Stooker und Verbeij halten es demgegenüber auch für möglich, daß sich die Handschrift im Besitz des Jonge Hof, der Tertiarissenniederlassung S. Maria in Weesp, befunden habe, bevor sie in die Weesper Sammlung gelangte (vgl. Karl Stooker und Theo Verbeij, Collecties op orde, Deel 2, S. 424, 431). 456 G[odschalk] H[oratius] van Borssum Waalkes, Inleiding, in: Dat boeck van den oorspronck. Een Handschrift. Met inleiding en Aanteekeningen, hg. von dems., Leeuwarden 1882, S. 3-11, hier S. 9, Anm. 2. 457 Lorenz Niessen, Die Bibliothek des Barbaraklosters in Delft, in: Germania 31 (1886), S. 334-343, hier S. 341 (Nr. 77). Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 280 sprungs wieder ein (ibid., S. 127 [9]). Van der Kemp vermutet, der Ausfall sei „door ouderdom en veelveldig gebruik“ entstanden, 458 während van Borssum Waalkes aufgrund einer Textumstellung davon ausgeht, „dat B. [die vorliegende Handschrift] altijd het aangewezen hiaat heeft gehad, òf dat de hersteller van het defecte Ms. al zeer wonderlijk is te werk gegaan, door bijeen te voegen wat volstrekt geen zin of slot heeft“. 459 D ÜSSELDORF , U NIVERSITÄTS - UND L ANDESBIBLIOTHEK , Ms. B 119 ‚b ch von den nún veilsen‘ (im Codex ohne Überschrift): Bl. 121 r -156 v Papier - 21 x 13,5 cm - 160 Bll. (2 Teile: Bl. 1-120; Bl. 121-160) - 2. Teil: gotische Kursive - mndl. - Mitte 15. Jh. - dem ‚b ch von den nún veilsen‘ ist allein eine Vaterunserauslegung beigegeben. B ESCHREIBUNG : Conrad Borchling, Mittelniederdeutsche Handschriften in den Rheinlanden und in einigen anderen Sammlungen. Vierter Reisebericht, Göttingen 1914 (Nachrichten von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse 1913 [Beiheft]), S. 89-92; Pieter F. Obbema, Brinckerinck e Jan van Schoonhoven, in: Ch[ristian] de Backer, A. J. Geerts und A. G. Weiler, Codex in Context. Festschrift A. Gruijs, Nijmegen 1985, S. 277-288, hier S. 281; Handschriftencensus Rheinland. Erfassung mittelalterlicher Handschriften im rheinischen Landesteil von Nordrhein-Westfalen mit einem Inventar, hg. von Günter Gattermann, bearbeitet von Heinz Finger, Marianne Riethmüller u.a., 3 Bde, Wiesbaden 1993 (Schriften der Universitäts- und Landesbibliothek 18), Bd. I, S. 361f.; Agata Mazurek und Joachim Ott, Die mittelalterlichen Handschriften der Signaturengruppe B in der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf. Teil 2: Ms. B 101a bis Ms. B 214, Wiesbaden 2011 (Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf. Katalog der Handschriftenabteilung 2), S. 110-113. V ERZEICHNET : Strauch 1929, S. XV. P ROVENIENZ : Die vorliegende, aus zwei ehemals selbständigen Teilen bestehende Handschrift wurde im Kreuzbrüderkonvent Marienfrede (Maria Pacis) bei Hamminkeln, der 1444 aus einer Augustinerchorherrengemeinschaft hervorging, 460 gebunden; auch wird diese Gemeinschaft als Besitzer der Handschrift ausgewiesen: Dit boeck hoert toe den Cruysbroedern in Marienvreed (Bl. 1 r ); in den Wrede is dit bock gescreven (Bl. 160 v ). Der Kreuzbrüderkonvent muß jedoch nicht der Entstehungsort des früher entstandenen zweiten Teils der Handschrift sein, in dem das ‚b ch von den nún veilsen‘ zu finden ist. B EMERKUNGEN ZUM T EXT : „Eine der Düsseldorfer Hs. näher verwandte, aber am Schluß unvollständige Hs. ist Nr. 3130 der v. Arnswaldtschen Hss. in Berlin [Ms. germ. oct. 347], Bl. 1 r - 58 r .“ 461 458 C. J. van der Kemp, De Duitsche ‚Gottesfreunde‘ en de Nederlandsche ‚Devoten‘, S. 281. 459 Van Borssum Waalkes 1882, S. 135, Anm. 2. 460 Gerold Bönnen und Frank G. Hirschmann, Klöster und Stifte von um 1200 bis zur Reformation, Bonn 2006 (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, Beiheft IX/ 3), S. 38. 461 Conrad Borchling, Mittelniederdeutsche Handschriften in den Rheinlanden, S. 91f. ‚b ch von den nún veilsen‘ 281 G ENT , B IBLIOTHEEK VAN HET B ISSCHOPPELIJK P ALEIS , ohne Signatur 462 Fragment des ‚b ch von den nún veilsen‘ Pergament - 14,4 x 10,8 cm - 52 Bll. - mndl. - ca. 1460 B ESCHREIBUNG : BNM; Karl Stooker und Theo Verbeij, Collecties op orde, Deel 2, Nr. 444. P ROVENIENZ : Laut der Beschreibung des BNM aus dem Jahr 1911 gehörte die Handschrift zur Sammlung des Kleinen Beginenhofs in Gent. G ENT , U NIVERSITEITSBIBLIOTHEEK , Hs. 1348 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Hier beghint dat boeck vanden ix velden): Bl. 105 r -187 r Papier und Pergament - 13,5 x 10,2 cm - 203 Bll. - Halbkursive und Kursive - mndl. - 15. und 16. Jh. (Wasserzeichen: 1491-1564) - den ursprünglichen, von der zweiten Hand geschriebenen Überlieferungsverbund des ‚b ch von den nún veilsen‘ stellen Texte zur Unterweisung für das Klosterleben dar. B ESCHREIBUNG : Albert Derolez, Inventaris van de Handschriften in de Universiteitsbibliotheek te Gent, Gent 1977, S. 108; Jutta Seyfarth (Hg.), Speculum virginum, Turnhout 1990 (Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis 5), S. 122* (Nr. 26); Joris Reynaert, Catalogus van de Middelnederlandse Handschriften in de Bibliotheek van de Rijksuniversiteit te Gent, Bd. II/ 1: De handschriften verworven na 1852. Deel 1, Gent 1996 (Werken uitgegeven door de Faculteit van de Letteren en Wijsbegeerte 182), S. 234-237; BNM. P ROVENIENZ : Die Besitzer der Handschrift können erst ab dem 18. Jahrhundert nachgewiesen werden: Bis 1750 gehörte sie Jacob Marcus. H EIDELBERG , U NIVERSITÄTSBIBLIOTHEK , Cod. Pal. Germ. 474 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Daz ist das b ch von den nün velsen): Bl. 78 ra -118 vb Papier - 20,4 x 14,8 cm - 212 Bll. - Bastarda - schwäb. - 1435 - Sammelhandschrift mystischer und geistlich unterweisender Prosatexte. B ESCHREIBUNG : Karl Bartsch, Die altdeutschen Handschriften der Universitätsbibliothek Heidelberg, Heidelberg 1887 (Kataloge der Universitäts-Bibliothek Heidelberg I), S. 144 (Nr. 254); Georg Hofmann, Seuses Werk in deutschsprachigen Handschriften, S. 143 (Nr. 85); Nigel F. Palmer, Latein, Volkssprache, Mischsprache, S. 107; Matthias Miller und Karin Zimmermann, Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg. Cod. Pal. germ. 304-495, Wiesbaden 2007 (Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg VIII), S. 535-539. V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 237. 462 Leider war eine Einsichtnahme in die Handschrift nicht möglich, um genauere Angaben zum Codex oder zur Textgestalt geben zu können. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 282 K RAKAU , U NIWERSYTET B IBLIOTHEKA J AGIELLOŃSKA , Berol. Ms. germ. quart. 1497 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Hye hebet sich an die vor rede des buches von den newn velsen zu sagen als man es hie nach geschriben vindet von stucken zu stucken): Bl. 96 vb -150 rb Papier - 25,4 x 19 cm - IV + 243 Bll. - Bastarda - md. - 1417 (Bl. 166 vb ) / Mitte 15. Jh. - mystische Sammelhandschrift, die um den ‚Lucidarius‘, die ‚Teufelsbeichte‘ und Texte der Dietrichepik erweitert wurde. B ESCHREIBUNG : Hermann Degering, Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der Preußischen Staatsbibliothek. Bd. II: Die Handschriften in Quartformat, Leipzig 1932 (Mitteilungen aus der Preußischen Staatsbibliothek IX), S. 247; Georg Hofmann, Seuses Werke in deutschsprachigen Handschriften, S. 139 (Nr. 44); Klaus Klein, Eine wiedergefundene Handschrift mit ‚Laurin‘ und ‚Rosengarten‘ I und II, in: ZfdA 113 (1984), S. 214-228, und 115 (1986), S. 49-78; Joachim Heinzle, Einführung in die mittelhochdeutsche Dietrichepik, Berlin; New York 1999, S. 148; Helgard Ulmschneider, wist mes vil, vremde mere oder zum zit vertriben? Zur Überlieferung der Prologe des deutschen ‚Lucidarius‘ in den mittelalterlichen Handschriften, in: ZfdA 138 (2009), S. 141-165, hier S. 150f.; Helgard Ulmschneider, Der deutsche ‚Lucidarius‘, Bd. 4: Die mittelalterliche Überlieferungsgeschichte, Berlin; New York (TTG 38), S. 145-150. V ERZEICHNET : Philipp Strauch 1929, S. XV. P ROVENIENZ : Am Ende des ‚b ch von den junckfrawen‘ ist ein Handwechsel durch ein Schreiberkolophon markiert. Nach einer Schlußformel heißt es auf Bl. 166 v : Diß buch wart geschriben in dem iar, als man zalt von xps geburt M ∙ cccc vnd in dem sibenczehesten iar amen dico vobis Diß buch hat geschriben Johanneß von marsel, pit fur in durch gocz willen amen. Danach schließt sich in roter Tinte von anderer Hand an: Dis buch hat laßen schriben meister hans kraus vnd ist im lieber den manig man seyn weip. Ulmschneider vermutet, daß es sich bis Bl. 217 um das ‚Hausbuch‘ des Hans Kraus handelt, dem in einer ersten Ergänzungsphase der ‚Lucidarius‘ mit dem Exempel von der ‚Teufelsbeichte‘ beigegeben wurde, die beide von der gleichen Hand geschrieben sind; zu einem späteren Zeitpunkt folgten die heldenepischen Texte. 463 „Nähere Hinweise auf die Lokalisation der Handschrift geben, außer der vorwiegend mitteldeutschen Sprache, die vorn und hinten eingeklebten Deckelspiegel, in denen in einem lateinischen Kanzleitext des 15. Jahrhunderts mehrfach ein Dekan Ignacius und St. Aposteln in Köln erwähnt werden. Die Angabe von Strauch [...], daß die Handschrift [...] zu den Beständen des Dominikanerklosters in Düsseldorf gehörte, würde in denselben geographischen Raum deuten; allerdings ist der nur noch teilweise lesbare Stempel mit diesem Eintrag auf 1 r (... F.F. Praedicatorum Prov. Theutoniae) neuzeitlich.“ 464 Zudem hatte „die alte Provinz Teutonia [...] in Düsseldorf niemals ein Kloster“. 465 Vielleicht gelangte die Handschrift durch die Sammlung des Paulus von Lo ë in die Bibliothek der Düsseldorfer Dominikaner, da dieser für die Reihe ‚Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland‘ „Zeugnisse der Tradition und der eigenen Geschichte“ sammelte. 466 463 Helgard Ulmschneider, wist mes vil, vremde mere oder zum zit vertriben? , S. 150f. 464 Helgard Ulmschneider, Der deutsche ‚Lucidarius‘, S. 148 und 150. 465 Willehad Paul Eckert, Das Dominikanerkloster St. Joseph in der Herzogstraße von den Anfängen bis 1933, in: Annette Baumeister, Thomas Eggensperger, Ulrich Engel und Wieland Koenig (Hgg.), caritas & scientia. Dominikanerinnen und Dominikaner in Düsseldorf. Begleitbuch zur Ausstellung, Düsseldorf 1996, S. 83-98, hier S. 83. 466 Ibid., S. 91. ‚b ch von den nún veilsen‘ 283 L EEUWARDEN , F RIESCH G ENOOTSCHAFT , ohne Signatur (Aufbewahrungsort unbekannt) 467 Papier - 11,5 x 8,5 cm - mndl. - 2. H. 16. Jh. - Einzelhandschrift des ‚b ch von den nún veilsen‘ B ESCHREIBUNG : van Borssum Waalkes 1882, S. 3-11. V ERZEICHNET : Walther Dolch, Die Verbreitung oberländischer Mystikerwerke im Niederländischen, S. 84. P ROVENIENZ : Van Borssum Waalkes (1882, S. 10) vermutet, die Handschrift sei in einem Kloster der Windesheimer Kongregation in Friesland entstanden und sei - nach der Auflösung des Klosters im 16. Jahrhundert - in den Besitz der Familie van Eijsinga gelangt, die den Codex der Friesch Genootschap schenkte. B EMERKUNGEN ZUM Text: Die Handschrift ist ediert bei G.H. van Borssum Waalkes 1882. M ELK , B ENEDIKTINERABTEI , S TIFTSBIBLIOTHEK , Cod. 1745 (olim 471) ‚b ch von den nún veilsen‘ (im Codex ohne Überschrift ) : Bl. 1 r -88 v , 109 r -144 v Papier - 14,5 x 10 cm - 236 Bll. - Bastarda - böhm. - 1. V. 15. Jh. - Sammlung Ps.- Augustinischer Predigten und Traktate des Bernhard von Clairvaux. B ESCHREIBUNG : Josef Quint, Fundbericht zur handschriftlichen Überlieferung der deutschen Werke Meister Eckharts und anderer Mystikertexte, Stuttgart 1969, S. 41f. (Sigle Me 6); Freimut Löser, Meister Eckhart in Melk. Studien zum Redaktor Lienhart Peuger. Mit einer Edition des Traktats ‚Von der sel wirdichait vnd aigenschafft‘, Tübingen 1999 (TTG 48), S. 12 Anm. 41 und Anm. 45, S. 78 und Anm. 18 (Sigle Me 6); vorläufige Beschreibung durch Christine Glaßner. V ERZEICHNET : Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 427. P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Auf Bl. 1 r findet sich ein Melker Besitzvermerk des 16. Jahrhunderts, der Dialekt der Handschrift weist sie aber nach Böhmen. B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Die kürzere Fassung ist hier nicht vollständig wiedergegeben: „Es fehlen Kap. V-XVII [der Ausgabe Diepenbrocks] und der Mittelteil von Kap. XXIII: (1 r -14 r ) Diepenbrock Vorrede und Kapitel I-IV (S. 505-515), (14 r ) Überleitung (nicht bei Diepenbrock) [...] (14 v -15 r ) leer, (15 v -24 r ) Diepenbrock Kap. XIX-XXII, (24 r -26 r ) Diepenbrock Kap. XVIII (S. 525f.), (26 v ) leer, (27 r -88 v ) Diepenbrock Kap. XXIII-XXXII (S. 533-571, Kap. XXIII nur teilweise, bis S. 534, Z. 3). (109 ar -114 v ) Diepenbrock Kap. XXIII Teil 2 = S. 536 Zeile 3 von unten [...] (109 ar -114 v ) [...] Diepenbrock Kap. XXIII, Ende.“ 468 467 In der von Dolch angegebenen Handschrift: Leeuwarden, Provinciale Bibliotheek van Friesland, Hs. 685 (Walther Dolch, Die Verbreitung oberländischer Mystikerwerke im Niederländischen, S. 84), findet sich das ‚b ch von den nún veilsen‘ nicht: Vgl. Joseph Maria Martinus Hermans (Hg.), Gebedenen Getijdenboeken en andere devote Handschriften in de Provinciale Bibliotheek van Friesland. Tentoonstelling 24 april - 31 juli 1987, Provinciale Bibliotheek van Friesland, Leeuwarden 1987, S. 21-23, sowie die freundliche Auskunft von Jacob van Sluis. 468 Mein herzlicher Dank gilt Christine Glaßner, die mir ihre bisher unveröffentlichte Handschriftenbeschreibung überließ. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 284 M ÜNCHEN , B AYERISCHE S TAATSBIBLIOTHEK , Cgm 759 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Daz ist daz p ch von den n n velsen): Bl. 102 ra -152 va Papier - 21 x 14,5 cm - I + 179 Bll. (aus drei Faszikeln zusammengebunden) - Bastarda - ostschwäb. - Mitte 15. Jh. (Wasserzeichen 1440-50) - Sammelhandschrift, die mystische Texte und Unterweisungen für das Klosterleben vereint. B ESCHREIBUNG : Maria Moser, Handschriftliche Beschreibung für das Handschriftenarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (6 Bll.; 1930); Georg Hofmann, Seuses Werke in deutschsprachigen Handschriften, S. 146 (Nr. 114); Karin Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München. Cgm 691-867, S. 271-274; Karin Schneider, Die datierten Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München, Teil 1: Die deutschen Handschriften bis 1450, Stuttgart 1994 (Datierte Handschriften in Bibliotheken der Bundesrepublik Deutschland IV,1), S. 45 und Abb. 182. V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 236. P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Im 18. Jahrhundert in der Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra, Augsburg (Ex libris im Vorderdeckel und Bibliotheksvermerk auf Bl. 1 r : Monasterii s. Udalrici Augustae). Da Cgm 519 vom gleichen, anonymen Schreiber 1454 in Augsburg aufgezeichnet wurde, ist die vorliegende Handschrift wahrscheinlich auch hier entstanden. M ÜNCHEN , B AYERISCHE S TAATSBIBLIOTHEK , Cgm 838 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Hie vahet an das b chlin von den neün velsen): Bl. 60 r -138 v Papier - 15 x 10,2 cm - I + 139 Bll. - Bastarda - ostschwäb. - 2. H. 15. Jh. (Wasserzeichen 1469-1476) - mystische Sammelhandschrift B ESCHREIBUNG : Karin Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München. Cgm 691-867, S. 563-565; Nigel F. Palmer, Latein, Volkssprache, Mischsprache, S. 108. V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 237. P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Augsburg, Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra (Ex libris im Vorderdeckel und Bibliotheksvermerk des 17. Jahrhunderts auf Bl. 1 r ). B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Der ‚Neunfelsen‘-Text ist mit Schreiberinitialen A.B. versehen (Bl. 138 v ); laut Schneider handelt es sich um die gleiche Textversion, die sich auch im Codex Cgm 759 findet. M ÜNCHEN , B AYERISCHE S TAATSBIBLIOTHEK , Cgm 843 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Dy IX felß ): Bl. 131 r -133 r Papier - 14,7-15,2 x 10,5 cm - 139 Bll. - Bastarda - nordbair. - Ende 15. / Anfang 16. Jh. (Wasserzeichen: 1493-1527) - mystische Sammelhandschrift B ESCHREIBUNG : Georg Hofmann, Seuses Werke in deutschsprachigen Handschriften, S. 146 (Nr. 121), S. 170 (Nr. 357); Otmar Wieland, Gertrud von Helfta, ein botte der götlichen miltekeit, Ottobeuren 1973 (Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige, Ergänzungsband 22), S. 31-42; Karin Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München. Cgm 691-867, S. 584-592; Florian Sepp, Bettina Wagner und Stephan Kellner, Handschriften und Inkunabeln aus süddeutschen Frauen- ‚b ch von den nún veilsen‘ 285 klöstern in der Bayerischen Staatsbibliothek München, in: Eva Schlotheuber, Helmut Flachendecker und Ingrid Gardill (Hgg.), Nonnen, Kanonissen und Mystikerinnen. Religiöse Frauengemeinschaften in Süddeutschland. Beiträge zur interdisziplinären Tagung vom 21. bis 23. September 2005 in Frauenchiemsee, Göttingen 2008 (Veröffentlichungen des Max- Planck-Instituts für Geschichte 235; Studien zur Germania Sacra 31), S. 317-372, hier S. 371. V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 238. P ROVENIENZ : Die Provenienz der Handschrift konnte bisher nicht ermittelt werden, obwohl sich auf Bl. 1 r ein (teilweise radierter) Eintrag findet, der eine Besitzerin benennt: S. Clara Pampergerin 14... . Obwohl „Inhalt und Mundart [...] auf ein nordbairisches Augustinerinnenkloster [weisen]“, ist eine Schwester dieses Namens „weder in Pillenreut noch in Mariastein nachweisbar“. 469 B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Kurzredaktion der Neunfelsen-Vision (vgl. die Edition bei Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 256f.). M ÜNCHEN , B AYERISCHE S TAATSBIBLIOTHEK , Cgm 7248 ‚b ch von den nún veilsen‘ (dis b ch von Gott [? ]): Bl. 2 r -71 r Papier - 20,5 x 14,5 cm - 178 Bll. (6 Faszikel: Bl. 1-74; 75- 98; 99-106; 107-130; 131-152; 153-178) 470 - Bastarda 471 - ostschwäb. - um 1440 - Sammelhandschrift, die ursprüngliche Überlieferungseinheit (Faszikel 1) verbindet den Text mit einem Brief König Hugos IV. von Zypern aus dem französischen Haus Lusignan an die Königin von Sizilien über seinen Türkensieg vom 24. Juni 1345. B ESCHREIBUNG : München. Handschriftliches Repertorium der deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek, Bd. 7: Cgm 5155-7385 (BSB Cbm Cat. 55), S. 395f.; Kurt Ruh, Bonaventura deutsch, S. 100f.; Werner Fechter, Inzigkofen, S. 68-73 (Nr. 12); Peter Schmidt, Gedruckte Bilder in handgeschriebenen Büchern. Zum Gebrauch von Druckgraphik im 15. Jahrhundert, Köln [usw.] 2003 (Pictura et Poesis 16), S. 360f.; Karin Schneider, Einleitung, in: Pseudo-Engelhart von Ebrach. Das Buch der Vollkommenheit, hg. von ders., Berlin 2006 (DTM 86), S. IX-LXVIII, hier S. LI; Florian Sepp, Bettina Wagner und Stephan Kellner, Handschriften und Inkunabeln aus süddeutschen Frauenklöstern, S. 347 (unter der Signatur Cgm 7284). V ERZEICHNET : Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 427. P ROVENIENZ : Fechter weist darauf hin, daß der Codex im Vorderdeckel den in Inzigkofen seit 1550 verwendeten Besitzvermerk zeigt 472 und ein lateinischer Brief auf den hinteren Dekkel aufgeklebt wurde, der auf Ereignisse in Inzigkofen und im Augustinerchorherrenstift Indersdorf im Jahr 1505 verweist. 473 Der ostschwäbische Schreibdialekt schließe eine Entstehung des Codexes in Inzigkofen jedoch aus. 474 Da der Schreiber des ‚b ch von den nún veilsen‘ drei weitere Handschriften geschrieben habe, die am 24. Februar, 2. Juni und 7. Juli 1440 vollendet wurden und sich heute ebenfalls in Inzigkofener Beständen fänden, 475 nimmt Fech- 469 Karin Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München. Cgm 691-867, S. 585. 470 Werner Fechter, Inzigkofen, S. 68. 471 Brigitte Gullath gilt mein herzlicher Dank für ihre freundliche Hilfe. 472 Werner Fechter, Inzigkofen, S. 73. 473 Ibid. 474 Ibid. 475 Ibid., S. 180. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 286 ter an, die vier Handschriften seien in einer Augsburger Schreiberwerkstatt entstanden. 476 Wahrscheinlich sind die Codices von Inzigkofen erworben worden, um „noch fehlende wesentliche Mystikertexte in der Originalsprache und lateinische in Übersetzung dem dortigen Konvent zu vermitteln“. 477 Da der vorliegende Codex aus einzelnen Faszikeln besteht, ist es nicht sicher, ob er schon zusammengebunden nach Inzigkofen gelangte oder erst hier zusammengebunden wurde. Block 2, der „persönliche“ Gebete enthält, deutet darauf, daß eine Nonne diesen Block oder die ganze Handschrift einbrachte. 478 N ÜRNBERG , S TADTBIBLIOTHEK , Cent. VII, 42 ‚b ch von den nún veilsen‘ (im Codex ohne Überschrift): Bl. 66 r -87 v Papier - 14,7 x 10,5 cm - 177 Bll. - Kursive - nürnberg. - 1. H. 15. Jh. - Sammelhandschrift vornehmlich kurzer Texte, die zum christlichen Leben anleiten. B ESCHREIBUNG : Karin Schneider, Die deutschen mittelalterlichen Handschriften. Beschreibung des Buchschmucks: Heinz Zirnbauer, Wiesbaden 1965 (Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg 1), S. 346-351; Georg Hofmann, Seuses Werk in deutschsprachigen Handschriften, S. 147f. (Nr. 136), 156f. (Nr. 237), 165f. (Nr. 323); Peter Ochsenbein, Die Offenbarungen Elsbeths von Oye als Dokument leidensfixierter Mystik, in: Kurt Ruh (Hg.), Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposion Kloster Engelberg 1984, Stuttgart 1986 (Germanistische Symposien. Berichtsbände VII), S. 423-442, hier S. 425. V ERZEICHNET : Strauch 1929, S. XV. P ROVENIENZ : Der Codex gehörte dem Katharinenkloster in Nürnberg (Bl. 177 v : Das puch geh rt in das closter zu sant Katherein prediger orden in N rwerg); darüber findet sich, nur noch schwach lesbar, ein weiterer Eintrag: wann die vetter hie von den predigern daz puchlin wider wollen haben, so süll wir in daz antwurten on widerred. Wahrscheinlich ist die Handschrift im Predigerkloster entstanden und kam als Leihgabe in das Katharinenkloster. R IJSENBURG , G ROOT S EMINARIE , Hs. 105/ 54 (Aufbewahrungsort unbekannt) ‚b ch von den nún veilsen‘: Bl. 332 v -338 r Papier - 20,3 x 14,2 cm - 348 Bll. - mndl. - ca. 1500 - Sammelhandschrift mystischer und katechetischer Texte B ESCHREIBUNG : Karl Stooker und Theo Verbeij, Collecties op orde, Deel 2, Nr. 8; Stephanus G. Axters, Bibliotheca Dominicana Neerlandica, S. 157f., 202. V ERZEICHNET : Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 427. P ROVENIENZ : In der Handschrift findet sich ein Besitzvermerk von Maritgen Sijmens onse moeder ende Diemer Jans dr [= jans dochter], die wahrscheinlich mit einer gleichnamigen Schwester aus dem Tertiarissenkloster ‚Oude Hof‘ (S. Catharina) in Alkmaar identifiziert werden kann, die das Kloster 1531 leitete 479 und für deren Privatgebrauch der Codex bestimmt war. 480 476 Ibid., S. 73. 477 Ibid., S. 180f. 478 Ibid., S. 73. 479 Karl Stooker und Theo Verbeij, Collecties op orde, Deel 2, S. 11. 480 Ibid., Deel 1, S. 141, Anm. 45 und S. 142, Anm. 50. ‚b ch von den nún veilsen‘ 287 S ALZBURG , B ENEDEKTINERINNENABTEI N ONNBERG , B IBLIOTHEK , Cod. 23 A 22 (XX 40) ‚b ch von den nún veilsen‘ (Hye hebt sich an ein meteri von neyn velsen vnd ein yglicher vels hat sein wesundrew wedeyttung): Bl. 1 r -97 r Papier - 14,3 x 10,2 cm - 112 Bll. - Bastarda - bair./ öster. - 3. Drittel 15. Jh. - in das Manuskript ist nur ein weiterer Text eingebunden, eine deutsche Fassung der ‚Interrogatio Sancti Anselmi de passione Domini‘. B ESCHREIBUNG : Gerold Hayer und Susanne Lang, Die deutschen Handschriften des Mittelalters des Benediktiner-Frauenstifts Nonnberg zu Salzburg, Wien [in Vorbereitung] (Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters, Reihe III, Bd. 3). 481 V ERZEICHNET : Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 427. P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Auf Bl. 1 r findet sich ein Besitzvermerk des 17. Jahrhunderts Auß der Nunbergerischen liberej, ältere Einträge oder Signaturen sind nicht nachweisbar. S TUTTGART , W ÜRTTEMBERGISCHE L ANDESBIBLIOTHEK , Cod. theol. et phil. 4° 503 ‚b ch von den nún veilsen‘ (im Codex ohne Überschrift): Bl. 2 r -57 r Papier - 21,5 x 15 cm - 119 Bll. - Bastarda - schwäb. - 15. Jh. (ca. 1480) - die Handschrift bietet neben der Übersetzung des 1. Kapitels von Bonaventuras ‚Soliloquium‘ einen Auszug aus Marquards von Lindau ‚Eucharistietraktat‘ und dessen ‚Hiob-Traktat‘. B ESCHREIBUNG : Handschriftlicher Katalog der Württembergischen Landesbibliothek; Kurt Ruh, Bonaventura deutsch, S. 136f.; Gerrit Falk, Beschreibung im Rahmen des Oberseminars Handschriftenkunde bei Prof. Fischer in Tübingen 1967; 482 Eckart Greifenstein, Der Hiob- Traktat des Marquard von Lindau, S. 82f. V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 237f. P ROVENIENZ : Aus dem durch Feuchtigkeit schwer lesbaren Eintrag auf Bl. 2 r geht hervor, daß die Handschrift aus den Monasterii Wiblingen, d.h. der Benediktinerabtei St. Martin in Wiblingen, stammt. B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Das ‚b ch von den nún veilsen‘ ist eine Mischredaktion aus der kürzeren Fassung und der Rulman-Merswin-Version: Das ‚Rügenbuch‘ (Bl. 2 r -18 r ) folgt der kürzeren Textgestalt (Diepenbrock 1854, S. 330-354, Z. 34), die ‚Felsenvision‘ (Bl. 18 r -50 v ) zunächst dem Text Merswins (Strauch 1929, S. 73, Z. 13-S. 139, Z. 21), bevor sie - ab dem Blick in den Ursprung (Bl. 50 v -57 r ) - zur kürzeren Version zurückkehrt (Diepenbrock 1854, S. 382, Z. 1-S. 390, Z. 27). 483 481 Mein herzlicher Dank gilt Gerold Hayer, der mir die vorläufige Handschriftenbeschreibung zur Verfügung gestellt hat. 482 Mein herzlicher Dank gilt der Handschriftenabteilung der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, die mir die unveröffentlichten Handschriftenbeschreibungen zur Verfügung gestellt hat. 483 Gerrit Falk, Beschreibung im Rahmen des Oberseminars Handschriftenkunde bei Prof. Fischer in Tübingen 1967, S. 3f. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 288 U TRECHT , M USEUM C ATHARIJNECONVENT , B IBLIOTHEEK , BMH SJ H 164 (olim Haarlem, Bischoppelijk Museum SJ 164) ‚b ch von den nún veilsen‘ ([...] dat boec vanden neghen velden): Bl. 6 r -94 v Pergament und Papier - 14,4 x 10,6 cm - 142 Bll. - Textualis - mndl. - 1440-1460 - neben dem ‚b ch von den nún veilsen‘ bietet der Codex geistliche Traktate und Visionen. B ESCHREIBUNG : BNM P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Die Schreibsprache weist nach Nordholland, die Initiale am Beginn des Textes ist mit dem Buchschmuck des ‚Haarlem Missale‘ der Augustinerchorherren verwandt. Die Handschrift gelangte 1937 aus der Pfarrkirche St. Joseph in Haarlem in den Besitz des Bischöflichen Museums und wurde 1976 an das Museum Catharijnekonvent in Utrecht übergeben. W EERT , M INDERBROEDERKLOOSTER B IBLIOTHEEK , Cod. 15 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Dit sijn die neghen velden): Bl. 267 r -288 r Papier - 13,2 x 9,5 cm - VI + 313 + VI Bll. - Kursive - mndl. - Anfang des 16. Jh. - Sammelhandschrift, die Texte zur Passion und eine Übertragung des pseudo- Augustinischen ‚Manuale‘ bietet. B ESCHREIBUNG : Jacques Johan Lub, Sinte Augustijns Hantboec. De Middelnederlandse Vertalingen van het aan Augustinus toegeschreven Manuale, 2 Bde, Assen 1962 (Neerlandica Traiectina X), Teil 1, S. 59-61; Jos A. A. M. Biermans, Middelnederlandse Bijbelhandschriften, Leiden 1984 (Verzameling van Middelnederlandse Bijbelteksten Catalogus), S. 22. P ROVENIENZ : Delft W IEN , Ö STERREICHISCHE N ATIONALBIBLIOTHEK , Ser. nova 12868 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Dit es van den IX velden ende van den staten der Welt ): Bl. 172 r -199 v Pergament und Papier - 14,4 x 10,6 cm - I + 210 Bll. - Eilschrift - vläm. - 1400- 1450 - bei der Handschrift handelt es sich um einen in vielem beispielhaften Codex im Gebrauch der Laienbrüder der Windesheimer Kongregation, da sie Regeln der Donaten und ein Wochenprogramm zur Meditation mit einer Sammlung von Exempeln, Predigten und Traktaten verbindet. B ESCHREIBUNG : Hermann Menhardt, Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek, 3 Bde, Berlin 1960f., Bd. 3, Berlin 1961 (Deutsche Akademie der Wissenschaften, Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur 13), S. 1531-1534; Heinrich Rüthing, Frömmigkeit, Arbeit, Gehorsam. Zum religiösen Leben von Laienbrüdern in der Windesheimer Kongregation, in: Klaus Schreiner (Hg.), Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter. Formen, Funktionen, politisch-soziale Zusammenhänge, München 1992 (Schriften des historischen Kollegs. Kolloquien 20), S. 203-226, hier S. 208-210; Karl Stooker und Theo Verbeij, Collecties op orde, Deel 2, Nr. 1032; Thomas Kock, Lektüre und Meditation der Laienbrüder in der Devotio moderna, in: Ons ‚b ch von den nún veilsen‘ 289 geestelijk erf 76 (2002), S. 15-63, hier S. 33-52 (= Edition der ‚Laienbrüderstatuten‘ und eines ‚Meditationsprogramms‘ aus dem Rookloster). P ROVENIENZ : Die Handschrift gehörte in das Laienrefektorium des Rooklosters bei Brüssel, wie aus mehreren Einträgen hervorgeht. Auf Bl. 36 v / 37 r : Dese oefenighe, die sollen onse leke broederen ten reuenter lezen in den heilighen daghen, die in der weke comen, op dat si se te bet onchonden ende oefenen moghen; auf Bl. 37 r : Dit selue heeft ten roden clooster ouer langhen tuyt ghewoonlyc gheweest in den donaten reefter, darunter: Dit boech hoert toe den bruederen van den roden cloestere in zonien bi brucelen; schließlich auf Bl. 171 v unter vielen Schriftproben: Bernardus de Bolza, Balthazar de Conza. Bis 1797 war die Handschrift im Besitz des Chambre héraldique in Brüssel, danach im Besitz von Kaiser Franz I. (Besitzstempel auf Bl. 1 v ). B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Der Codex wurde bisher nicht zu den Überlieferungsträgern des ‚b ch von den nún veilsen‘ gerechnet, da Menhardt ihn überschreibt mit: „Traktat von den 9 Feldern und von den Ständen (Zwiegespräch)“. 484 Auf den Text folgt zunächst ein Zitat aus Augustinus und dann (Bl. 199 v ): Dit boecxken was ghemaect gode ter eweger eeren ende siere [sic! ] lieuer moeder Int Iaer ons heren M°CCC° ende III. W OLFENBÜTTEL , H ERZOG A UGUST B IBLIOTHEK , Cod. Guelf. 78.5 Aug. 2 o ‚b ch von den nún veilsen‘ (Hie vachett an das p chlin von den newn velssen): Bl. 267 r -322 r Papier - 28 x 19,5 cm - 322 Bll. - 1473 (Bl. 322 r ) - Bastarda - bair. - Handschrift des ‚Exemplars‘ Heinrich Seuses B ESCHREIBUNG : Otto von Heinemann, Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel. Zweite Abtheilung: Die Augusteischen Handschriften IV, Wolfenbüttel 1900 (Nachdruck unter dem Titel: Die Augusteischen Handschriften. Bd. 4: Codex Guelferbytanus 77.4. Augusteus 2° bis Augusteus 4°, Frankfurt/ M. 1966 [Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe. Bd. 7]), S. 7 (Nr. 2772); Heinrich Seuse, Deutsche Schriften, S. 6*f., 19 (Abb. 2), 52 (Abb. 3), 150 (Abb. 8); Georg Hofmann, Seuses Werke in deutschsprachigen Handschriften, S. 137 (Nr. 31), 148f. (Nr. 147), 166 (Nr. 325), 167 (Nr. 337), 171 (Nr. 366); Daniela Kuhlmann, Heinrich Seuses ‚Buch der Wahrheit‘. Studien zur Textgeschichte, Diss. [masch.] Würzburg 1987, S. 74-77; Rüdiger Blumrich, Marquard von Lindau, S. 190; Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters, begonnen von Hella Frühmorgen-Voss, fortgeführt von Norbert H. Ott zusammen mit Ulrike Bodemann, Bd. 4/ 1, München 2008, S. 184-187, Tafel XV und Abb. 74f. V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 238. P ROVENIENZ : Auftraggeber, Erstbesitzer und Herkunft der Handschrift sind unbekannt. Während Bihlmeyer vermutet, die Handschrift stamme aus einem Nürnberger Kloster, schließt Blumrich aufgrund des Dialekts auf eine Entstehung in der Augsburger Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra. 485 484 Hermann Menhardt, Verzeichnis der altdeutschen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek, Bd. 3, Berlin 1961 (Deutsche Akademie der Wissenschaften, Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur 13), S. 1533. 485 Rüdiger Blumrich, Die Überlieferung der deutschen Schriften Seuses. Ein Forschungsbericht, in: ders. und Philipp Kaiser (Hgg.), Heinrich Seuses Philosophia Spiritualis. Quellen, Konzept, Formen und Rezeption. Tagung Eichstätt 2.-4. Oktober 1991, Wiesbaden 1994 (Wissensliteratur im Mittelalter 17), S. 189-201, hier S. 190. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 290 W OLFENBÜTTEL , H ERZOG A UGUST B IBLIOTHEK , Cod. Guelf. 85.3 Aug. 2 o ‚b ch von den nún veilsen‘ (Von den ix velsen): Bl. 1 r -44 r Papier - 28 x 21,5 cm - 118 Bll. - Bastarda - obd. - 1. H. 15. Jh. 486 - mystische Sammelhandschrift, die neben dem ‚b ch von den nún veilsen‘ eine Sammlung von gesichte[n] gibt. B ESCHREIBUNG : Otto von Heinemann, Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, S. 90 (Nr. 2886). V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 238. P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Zwar findet sich auf der Innenseite des Vorderdeckels ein Besitzeintrag, der jedoch - wahrscheinlich nachdem das Manuskript an eine andere Person gelangte - z.T. ausradiert wurde, so daß die Provenienz der Handschrift nicht bekannt ist: Daz buch ist Maister [...]. Herzog August erwarb den Codex 1652/ 53 für seine Bibliothek. W ÜRZBURG , U NIVERSITÄTSBIBLIOTHEK , M. ch. q. 144 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Een sonderlinghe goet onderscheit van bekeeringhe der menschen Gheheel ten een spieghelen [...]): Bl. 167 v -173 r Papier - 21 x 15 cm - 222 Bll. - Textualis und Kursive - mndl. - um 1470 - Sammelhandschrift, die Marienmirakel, Viten, Exempel und Traktate enthält. B ESCHREIBUNG : Josef Quint, Neue Handschriftenfunde, S. 231f. (Nr. 77); Albert Ampe, Marquard van Lindau, S. 400f. (Nr. 48); Robrecht Lievens, Jordanus van Quedlinburg in de Nederlanden. Een onderzoek van de handschriften, Gent 1958 (Koninklijke Vlaamse Academie voor Taalen Letterkunde 82), S. 387f. (Nr. 12); Hans Thurn, Die Handschriften der kleinen Provenienzen und Fragmente. Die mittelniederländischen Codices beschrieb W. Williams-Krapp, Wiesbaden 1990 (Die Handschriften der Universitätsbibliothek Würzburg 4), S. 139-148; Karl Stooker und Theo Verbeij, Collecties op orde, Deel 2, Nr. 58. V ERZEICHNET : Walther Dolch, Die Verbreitung oberländischer Mystikerwerke im Niederländischen, S. 84. P ROVENIENZ / V ORBESITZER : Durch zwei Besitzeinträge des 15. Jahrhunderts wird die Handschrift bei den Kartäusern in Amsterdam verortet: Dit boeck hoert toe die Carthusers büten Aemstelredam [...] CVII (Bl. 1 r , ein gleichlautender Eintrag findet sich auf Bl. 222 v ). Michel Pan konnte zudem aufzeigen, daß die volkssprachliche Handschrift nicht dem allgemeinen Bestand der Kartäuser angehörte, sondern 1460 im Besitz des Donaten Gherit Claeszoon war. 487 Die alte Signatur C V verweist wahrscheinlich auf eine Kiste, die die Bücher in der Volkssprache versammelte. 488 486 Sven Limbeck, Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel, sei für seine freundlichen Auskünfte zur Handschrift herzlich gedankt. Leider ermöglichte eine Autopsie des Wasserzeichens (Dreiberg ohne weitere Merkmale) keine genauere Datierung. 487 Michel Pan, Bezit, produktie en gebruik van boeken, in: Marian Schilder (Hg.), Amsterdamse kloosters in de Middeleeuwen, Amsterdam 1997, S. 67-83, hier S. 68. 488 Karl Stooker und Theo Verbeij, Collecties op orde, Deel 2, S. 28. ‚b ch von den nún veilsen‘ 291 Drucke ‚Das Buch genant Seuse‘, Augsburg: Anton Sorg, 1482, Bd. 2 [GW M 44616] (Digitalisat des Exemplars: München, Bayerische Staatsbibliothek: 2 Inc. c.a. 1261) ‚b ch von den nún veilsen‘ ([...] b ch von den Neün velsen [...]): Bl. CX v -CXLVI r V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 240. ‚Diss buch das da || gedicht hat der erleücht vater Amandus / genannt Seüß / [...]‘. Augsburg: Johann Othmar, 1512 [VD 16 S 6097] (Digitalisat des Exemplars: München, Bayerische Staatsbibliothek: Res/ 2 P. lat. 1430) ‚b ch von den nún veilsen‘ (Von den neün velsen in gemain): Bl. cxlii v -ccvii v V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 240. Des erleuchten D. Johan||nis / Tauleri / von eym waren Euangelis=||chen leben / G tliche || Predig/ || Leren/ || Epistolen / || Cantilenen/ || Prophetien/ || Alles eyn kostpar Seelen schatz / in alten geschryben Büchern f n||den / vnd n erstmals ins liecht kommen.|| Auch seynd hier bey die vorgedr ckte Predigen Thauleri / w lche in vori||gen Exemplaren dorch ab vnd zu s tzung gekurtzt / gelengt vnd ver||dunckelt waren ...|| treüwlich gebessert||. Köln: Jaspar von Gennep 1543 [VD 16: J 777] (Exemplar der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln: GB IV 7399) ‚b ch von den nún veilsen‘ (Von ix. stenden vmb fürbas z geen durch gelassenheit / in ein ware christenlich leben): Bl. cccxxxiij va -cccxxxvi vb V ERZEICHNET : Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 427. B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Das ‚b ch von den nún veilsen‘ wird unter ‚Etligen Prophecien odder weissagunge des erleüchten Doctor Johannis Tauleri in alten bücheren funden‘ (Bl. cccxxxij vb ) mit folgender Einleitung angeführt: In dem b ch vonn dem neünn felsen / hat Got in D. Thauleri tzeyten / eynen seinen auß erwelten frunde (es ist vnsicher ob es D. Thaul. selbs oder eyn ander gewesen sey) geoffenbartt / was grosse m nnichfeltige sunden durch die gantze Christenheyt geschen [...]. Es handelt sich um eine auf die Neunfelsen-Vision beschränkte und diese nochmals verkürzende Fassung der Kurzversion. Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 242/ 243, Bl. 56 va -59 vb , bietet eine mndl. Übertragung dieser Fassung: Van ix staden oin voirte gaen doir gelatenheit in een waer kestelicke leuen. 2.3.4.2 Lateinische Fassungen 2.3.4.2.1 Übertragung der Fassung Rulman Merswins K ÖLN , H ISTORISCHES A RCHIV DER S TADT , GB 4 o 100 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Incipit prologus in librum qui intitulatur de novem rupibus nove translationis): Bl. 108 r -171 r Papier - 21,5 x 14,5 cm - I + 188 Bll. - Mitte 15. Jh. (Wasserzeichen 1420? , 1448) B ESCHREIBUNG : Joachim Vennebusch, Die theologischen Handschriften des Stadtarchivs Köln, Teil 2: Die Quart-Handschriften der Gymnasialbibliothek, Köln; Wien 1980 (Mittei- Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 292 lungen aus dem Stadtarchiv von Köln, Sonderreihe: Die Handschriften des Archivs, H. 2), S. 107-110. V ERZEICHNET : Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 427. P ROVENIENZ : Die Handschrift zeigt mehrere Besitznachweise an die Kreuzherren in Köln: Auf Bl. 46 v vermerkt eine Hand des 15. Jahrhunderts Iste liber est fratrum sancte Crucis in Colonia, auf Bl. I r Liber fratrum sancte Crucis canonicorum regularium in Colonia. Zudem nennt sich auf Bl. 184 v ein Kölner Kreuzbruder als Schreiber; auch wurden Bl. 47 r -106 v von einem anderen, in einer weiteren Handschrift nachgewiesenen Kölner Kreuzbruder geschrieben. Da die Reform des Kreuzherrenordens, in deren Periode auch die Entstehung der vorliegenden Handschrift fällt, durch die Devotio moderna geprägt war 489 und viele Kreuzbrüder zu Beginn des 15. Jahrhunderts ihre grundlegende Ausbildung in den Devotenschulen erhielten, 490 ist es wahrscheinlich, daß das Interesse an dem Text des ‚b ch von den nún veilsen‘ durch die Fraterherren geweckt wurde: Die Kölner Kreuzherrenbibliothek, deren Entstehung sich einer mit der Reform 1425 einsetzenden enormen Schreibtätigkeit der Brüder verdankt, 491 ist durch devote wie mystisch-aszetische Literatur charakterisiert. 492 Deren Vorlagen erhält sie sowohl durch neue Mitglieder, die ihre Ausbildung in den Fratergemeinschaften absolviert hatten, 493 als auch durch den Generalprior Helmicus Amoris de Zutphen, der bei seinen häufigen Visitationen des Kölner Klosters in den 1420er Jahren wahrscheinlich Texte aus dem Fraterhaus in Deventer mitbrachte, 494 in dem sein Bruder, Gerardus Zerbolt de Zutphen, bis zu seinem Tod (1398) Bibliothekar gewesen war. 495 Daneben stellten Kölner Konvente den Kreuzherren Vorlagen zur Verfügung: die Fraterherren am Weidenbach, die Kartause St. Barbara und das Kloster Herrenleichnam, eine Niederlassung der Windesheimer Kongregation. 496 Auch wenn somit nicht eindeutig rekonstruiert werden kann, woher die Vorlage für die in Köln angefertigte Übertragung des ‚b ch von den nún veilsen‘ stammt, ist eine Vermittlung durch die Devotio moderna wahrscheinlich. B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Bei der vorliegenden Übertragung handelt es sich um die gleiche Textfassung, die auch in der Handschrift H 2184 der Archives départementales du Bas-Rhin (vgl. Sigle C) überliefert ist und dort Johannes von Schaftoltzheim zugeschrieben wird. Abweichend von der Fassung des ‚zweiten übriggebliebenen Lateinbuchs‘ ist nur eine deutliche Erweiterung des Kapitels über die Sünden der Medikanten zu verzeichnen (Bl. 121 v -138 r ). In der Kölner Handschrift wird weder eine Autorzuweisung vorgenommen, noch wird der Übersetzer des Textes benannt (s. die oben vermerkte Rubrik zum Text). Auch in dem auf Bl. I r bei der Zusammenbindung der Faszikel ergänzten Inhaltsverzeichnis werden keine weiteren Angaben gemacht: Tractata de ix rupibus. Der Handschrift fehlt die gesamte Neunfelsen- Vision, da sie mitten im Satz auf Bl. 171 r im letzten Kapitel des ‚Rügenbuchs‘ abbricht (vgl. C, Bl. 23 r ). Die Textlücke ist dabei nicht durch Blattverlust zu erklären; da die folgenden Bl. 171 v -177 v unbeschrieben geblieben sind und die letzte Lage der Handschrift (Bl. 178-188) 489 Robert Haaß, Die Kreuzherren in den Rheinlanden, Bonn 1932 (Rheinisches Archiv 23), S. 14f.; Martina Schöler, Ama nesciri. Spuren des Wirkens des Bibliothekars Conradus de Grunenberg († 1456/ 66) in der Bibliothek der Kölner Kreuzbrüder, Köln 2005 (Libelli Rhenani 11), S. 14. 490 Martina Schöler, Ama nesciri, S. 24 und 25. 491 Ibid., S. 28. 492 Ibid., S. 28; Robert Haaß, Die Kreuzherren in den Rheinlanden, S. 80. 493 Martina Schöler, Ama nesciri, S. 78. 494 Ibid., S. 79. 495 Ibid., S. 24 und 79. 496 Ibid., S. 80. ‚b ch von den nún veilsen‘ 293 aus einem im 15. Jahrhundert aufgelösten Codex der Kölner Kreuzherren ergänzt wurden, 497 scheint die Abschrift vielmehr nicht fertiggestellt worden zu sein. 2.3.4.2.2 Übertragungen der Kurzfassung B ASEL , U NIVERSITÄTSBIBLIOTHEK , Cod. A X 130 ‚b ch von den nún veilsen‘ (In libro de 9 rupibus designantur 9 status hominum ad deum tendentes): Bl. 192 v -193 r Papier - 21 x 14 cm - 322 Bll. - paläographische Kriterien weisen den Codex in das 15. Jh., es finden sich aber auch Teile, die von Händen des 14. Jh. geschrieben wurden. B ESCHREIBUNG : Gustav Binz, Die deutschen Handschriften der öffentlichen Bibliothek der Universität Basel. Bd. 1: Die Handschriften der Abteilung A, Basel 1907, S. 206-233. V ERZEICHNET : Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 427. P ROVENIENZ : Basler Predigerkloster oder Steinenkloster, auf Bl. 206 r wird C nradus Ebner als Besitzer genannt. B ERLIN , S TAATSBIBLIOTHEK P REUSSISCHER K ULTURBESITZ , Ms. Magdeburg 174 ‚b ch von den nún veilsen‘ (Incipit liber de novem Rupibus): Bl. 62 r -76 v Pergament und Papier - 21,4 x 15 cm - 168 Bll. - 15. Jh. B ESCHREIBUNG : Heinrich Dittmar, Die Handschriften und alten Drucke des Dom- Gymnasiums. Magdeburg 1878, S. 42-45. V ERZEICHNET : Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 239f.; Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 427. B EMERKUNGEN ZUM T EXT : Es handelt sich nur um den zweiten Teil des Textes; die am Schluß (Bl. 76 v ) gegebene Datierung auf das Jahr 1302 ist wahrscheinlich ein Abschreibefehler der üblichen Datierung auf 1352. Compendi-||vm verae salv-||tis, continens Tractatus duos le-||pidos iuxtà àc pios, ex germa-||nico nunc demùm redditos || Latinè per F. Laurentium || Surium Carthusianum Coloniensem. Köln: Johannes Quentel (Erben), 1553 [VD 16 ZV 14640] (Exemplar der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln: Wallraf F V 265) ‚b ch von den nún veilsen‘ (Compen-||dii verae salvtis tractatus alter: || Qui in Germanico inscribitur ‚De nouem || Rupibus, & vt certis licet c iecturis as-||sequi, editus est à D. Henrico Su-||sone viro sanctiss. qui eti mul||tis claruit miraculis: tamet-||si ipse nomen su pro-||dere noluit ): Bl. 115 v -179 v 497 Joachim Vennebusch, Die theologischen Handschriften des Stadtarchivs Köln, Teil 2, S. 107. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 294 2.3.5 Die ‚Gottesfreundliteratur‘ im Textuniversum der Exempel: Handschriften als Medien individueller informatio 2.3.5.1 Für Gottesfreunde im oberlant und niderlant : Geographische Verbreitung und Chronologie der Überlieferung außerhalb der Johanniterkomturei Die eingeschränkte Verbreitung der ‚Gottesfreundliteratur‘ außerhalb ihres institutionellen Ursprungs bestätigt die funktionale Charakterisierung der in der Johanniterkomturei entstandenen Handschriften als eine Epitomisierung der organisatorischen wie religiösen Ordnung des ‚Grünen Wörth‘: 498 Ohne eine Anbindung an den Straßburger Konvent besitzt das Textcorpus offenbar nur eine geringe Wirkmächtigkeit. Zwar bleiben die Texte nicht durchgehend auf den ‚Grünen Wörth‘ beschränkt (eine von Rieder wiederholt vermutete, selektierende Aufgabe der Texte i.S. von Geheimschriften ist somit auszuschließen), die Tradierung verläuft jedoch (abgesehen von dem ‚b ch von den nún veilsen‘ und dem ‚b ch von dem meister‘) stets mit einem - im einzelnen noch zu definierenden - Bezug zur Stiftung Rulman Merswins. Rein quantitativ erlaubt die Verbreitung eine Unterteilung der ‚Gottesfreundliteratur‘ in drei Gruppen (vgl. Tabelle), die mit der geographischen Distribution des einzelnen Textes korreliert: Soweit die konsultierten Handschriftenkataloge ein zuverlässiges Bild der Überlieferung gestatten, bleibt der überwiegende Teil des ‚Gottesfreund‘-Corpus (Textgruppe 1) ‚Hausliteratur‘, d.h., die Texte sind - zumeist unikal, jedoch durchaus auch mehrfach - ausschließlich in der Schreibstube des ‚Grünen Wörth‘ kopiert worden. Von einer weiteren Distribution ausgeschlossen bleiben dabei nicht nur jene Texte, die aufgrund ihres Inhaltes nur für das ‚Haus‘ von Bedeutung sind - wie etwa die ‚Gründungsgeschichte‘ und die Briefsammlung des Gottesfreundes -, sondern auch die geistliche Lebensbeschreibung Rulmans und der überwiegende Teil der 16 das ‚Große deutsche Memorial‘ eröffnenden Traktate und Exempelerzählungen. 499 Gegenüber dieser dominanten Gruppe an Texten, die keine Übertragung in andere Gebrauchskontexte erfuhren, setzen sich wenige Texte des Corpus ab, die auch außerhalb der Mauern der Johanniterkomturei - wenn auch nur vereinzelt - rezipiert wurden (Textgruppe 2). Im Gegensatz zur ‚Vita‘ Merswins finden die beiden als Lebensbeschreibungen des Gottesfreundes deklarierten Schriften - das ‚b ch von den zwey menschen‘ und das ‚b ch von den fúnf mannen‘ - durchaus, wenn auch nicht in signifikantem Umfang, in die Bibliothek anderer Klostergemeinschaften Eingang: 498 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 2.2.2. 499 Zur ersten Textgruppe, die ausschließlich in der Johanniterkomturei zum ‚Grünen Wörth‘ überliefert ist, zählen im einzelnen: die Briefe, das ‚b ch von dem fúnckelin in der selen‘, das ‚b ch von einre geistlichen leitern‘, das ‚b ch von der geistlichen stegen‘, das ‚b ch von einre offenborunge‘; das ‚b ch von den vier ioren sines anevohenden lebendes‘; das ‚b ch von zweyen heiligen closter frowen in peyerlant‘, das ‚b ch von den zweyen iungen fúnfzehen ierigen knaben‘, das ‚exemplar [...] alse ein heiliger br der in eime closter cvlerete einen iungen, súndigen priester, hies br der Walther‘, die ‚Gründungsgeschichte‘ , eine ‚nútzliche letze‘, eine ‚letze wart eime iungen br dere gegeben‘, eine ‚materie von eime iungen, weltlichen, wol gefrúnden manne‘, die ‚siben werg der erbermede‘‚ die ‚tofele‘, eine ‚warnende lere [...] schreip der gnodenriche, erlúhtete lerer Br der Johans tauweler‘. Für Gottesfreunde im oberlant und niderlant 295 Eine um 1425 entstandene Handschrift des ‚b ch von den zwey menschen‘ (Fr 194) wird durch einen Besitzeintrag des 15. Jahr-hunderts in die Sammlung der Klarissen in Freiburg/ Br. gewiesen, das Straßburger Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis besaß in L, vom Anfang des 15. Jahrhunderts, und P, entstanden um 1427, zwei Manuskripte, die die ‚Vita‘ des Gottesfreundes, oder Teile daraus, überliefern. Das ‚b ch von den fúnf mannen‘ findet sich nur unikal in einer St. Galler Handschrift des 15. Jahrhunderts (SG 955). Auch der mit 16 Traktaten und Exempeln umfangreichste Textverbund der Johannitergemeinschaft, der erste Teil des ‚Großen deutschen Memorials‘, erlangt lediglich ein sehr eingeschränktes Interesse. Nur vier der hier gegebenen Erzählungen und Unterweisungen sind auch außerhalb der Komturei abgeschrieben worden: Das ‚b ch von dem geuangen ritter‘ wird zu Beginn des 15. Jahrhunderts in eine Marienwunder-Sammlung der Reuerinnengemeinschaft St. Maria Magdalena in Straßburg integriert (B 863); das ‚b ch von einem eginwilligen, weltwisen manne‘ wurde 1433 in eine südrheinfränkische Sammlung mystischer Texte aufgenommen (Dillingen, Studienbibliothek, XV 125); das ‚b ch von einre heiligen Closenerin, hies Vrsula‘ besitzt nur das Straßburger Nikolauskloster (B 165), während Merswins oberdeutsche Bearbeitung von Ruusbroecs ‚Brulocht‘ dreimal außerhalb der Johanniterkomturei tradiert wurde: Zwei der Handschriften des ‚b ch von der fúrkomenen gnoden‘ können dabei mit einiger Wahrscheinlichkeit in die Straßburger Dominikanerinnengemeinschaft St. Nikolaus in undis gewiesen werden (Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 194, 2. V. 15. Jh.; München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 818, 1441); die Provenienz des dritten Textzeugen (Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, HB I 203, 1. H. 15. Jh.) liegt im ‚Großen Spital‘ in Straßburg. 500 Bleibt die Beziehung der die Handschriften besitzenden Konvente zur Straßburger Johanniterkomturei durch diese Aufzählung noch im Unklaren, ist die lokale Konzentration der Tradierung auf Straßburg sowie die durchweg späte, erst im 15. Jahrhundert einsetzende Überlieferung auffällig. Da Texte „nicht selten in der Frühphase der Überlieferung ein ‚Kernland‘ der Rezeption im Umkreis des Entstehungsgebiets ausformen, von dem sie sich erst in der Folgezeit mehr und mehr lösen“, 501 erlaubt der augenfällige Schwerpunkt der Überlieferung Schlüsse auf Genese und Funktion der Texte: Es ist anzunehmen, daß die Texte nicht nur in der Komturei entstanden, sondern das Wissen um die Geschichte und Spiritualität der Stiftung auch die weitere Tradierung steuerte, d.h., der Kontakt zur Kommende ist nicht nur für die Vorlagenbeschaffung und somit nur in der ersten Phase der Verbreitung entscheidend; vielmehr scheint die Kenntnis des ‚Grünen Wörth‘ - dies veranschaulicht die unterbliebene Streuung der Texte über die Grenzen Straßburgs hinaus - Voraussetzung für ihre Lektüre. Auch aus ihrem engen institutionellen Gebrauchszusammenhang gelöst, bleibt die Rezeption der ‚Gottesfreundliteratur‘ offenbar auf die Komturei und ihren Nimbus als Stätte hervorragender Religiosität bezogen. 500 Vgl. Wolfgang Eichler, Jan van Ruusbroecs ‚Brulocht‘ in oberdeutscher Überlieferung. 501 Ursula Hess, Heinrich Steinhöwels ‚Griseldis‘. Studien zur Text- und Überlieferungsgeschichte einer frühhumanistischen Prosanovelle, München 1975 (MTU 43), S. 61. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 296 Hervorstechende Ausnahme der selektiven Rezeption der ‚Gottesfreundliteratur‘ ist das ‚b ch von den nún veilsen‘, das nicht nur eine breite, sondern auch geographisch verstreute und ordensübergreifende Tradierung erfuhr. 502 Entscheidenden Anteil an der weit verbreiteten Überlieferung hat dabei zwar die kürzere Fassung, aber auch der Überlieferungsbefund der Version Merswins allein weicht deutlich von dem der anderen Texte ab, so daß der Ausweis einer eigenständigen Textgruppe angemessen scheint: Das ‚b ch von den nún veilsen‘ wurde außer im Norden und Nordosten im gesamten deutschen Sprachraum tradiert, von der Fratergemeinschaft in Hildesheim (H 724b) zu den Klausnerinnen bei St. Gallen (SG 967). Die gleichmäßige Streuung der Handschriften, die auch für die kurze Fassung auszumachen ist, läßt ein anderes Rezeptionsmovens erkennen als im Fall der auf Straßburg konzentrierten Überlieferung. Macht bereits die große Handschriftenverteilung eine Abschrift des ‚b ch von den nún veilsen‘ aufgrund seiner Verbindung zu Rulman Merswin bzw. dem ‚Grünen Wörth‘ unwahrscheinlich, demonstriert der durchgehende Verzicht der Überlieferungsträger, auf den Verfasser oder die Provenienz der ‚nún veilsen‘ hinzuweisen, daß die Tradierung hier durch einen Faktor strukturiert worden sein muß, der außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ liegt. Ein Überblick über die Träger der Überlieferung der Fassung Merswins weist den größten Anteil an ihrer Rezeption den laikalen und klerikalen Zweigen der Devotio moderna zu: B 181 war für die Laienbrüderbibliothek der Augustinerchorherren in Dalheim bestimmt (15. Jh.), H 724b für die dortige Fratergemeinschaft ‚Lüchtenhof‘ (1474-1479), die Laienbrüderbibliothek der Augustinerchorherren in Rebdorf besaß zwei Abschriften des ‚b ch von den nún veilsen‘ (Eichstätt, Benediktinerinnenabtei St. Walburg, Bibliothek, Cod. germ. 2, 1459; München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 452, 2. Hälfte 15. Jh.); schließlich wurde der Text auch im weiblichen Zweig des devoten Ordens rezipiert: Den Augustinerchorfrauen in Inzigkofen gehörte mit dem Straßburger Manuskript 2626 (um 1430) eine Kopie des Textes. Von einer Distribution im Rahmen der Windesheimer Kongregation ausgeschlossen bleiben demgegenüber Fr 470 aus dem Dominikanerinnenkloster Medingen bei Dillingen von 1465 und SG 967 für die Klausnerinnen der St. Georgen Klause, zusammengestellt zwischen 1430 und 1436. Die Verbreitung des ‚b ch von den nún veilsen‘ in der Fassung Merswins scheint folglich durch die institutionelle Organisation der Devotio moderna gesteuert, das Rezeptionsmovens sowie der Gebrauchszusammenhang des Textes sind vom ‚Grünen Wörth‘ - im Gegensatz zur zweiten Textgruppe - unabhängig. 502 Ein vergleichbares Überlieferungsbild ergibt sich für das ‚b ch von dem meister‘: vgl. Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin. Für Gottesfreunde im oberlant und niderlant 297 Textgruppe Texte Überlieferung außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ (Angenommene) Provenienz Textgruppe 2: Texte, die vereinzelt außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ überliefert sind ‚Baner b chelin‘ Brüssel, Koninklijke Bibliotheek van Belgi / Bibliothèque royale de Belgique, Ms. 2184 (Cat. 1991), Bl. 261 r -268 r Beginenhof in Brüssel (? ) Deventer, Stadssarchiv en Atheneumbibliotheek, 101 D 12, Bl. 198 v -205 v Schwestern vom gemeinsamen Leben St. Ursula, Deventer Heverlee, Abdij van‘t Park, Cod. Norbertijnerabdij 8 - Utrecht, Museum Catharijneconvent, Bibliotheek, BMH h1 - ‚B ch von dem geuangen ritter‘ B 863, Bl. 282 va -311 rb Reuerinnengemeinschaft Maria Magdalena, Straßburg ‚B ch von den fúnf mannen‘ SG 955, S. 274-348 Im 17. Jahrhundert im Besitz des Klosters St. Gallen; vorher im Besitz der Klarissen in Freiburg/ Br. ? ‚B ch von den zwey menschen‘ Fr 194, Bl. 137 r -168 v Laut Besitzeintrag gehört die Handschrift dem Klarissenkloster St. Klara in Freiburg, wahrscheinlich ist sie jedoch im Basler Dominikanerinnenkloster St. Maria Magdalena an den Steinen geschrieben. L, Bl. 98 r -165 v Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis, Straßburg P, Bl. 227 r -233 r Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis, Straßburg, zuvor im Privatbesitz der Margaretha Zorn ‚B ch von der fúrkomenen gnoden‘ Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 194, Bl. 213 r -235 r Dominikanerkloster oder Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis, Straßburg München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 818, Bl. 1 r -23 r Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis, Straßburg (? ) Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 298 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, HB I 203, Bl. 9 r -32 v Dis b ch geh ret br der Wernher und br der Cl uselin zueczwein [nach dem Katalog unleserlich, vielleicht Merswin? ] pfr ndensen in dem grossen spittal z Strassburg. 503 Später gelangte die Handschrift, wahrscheinlich durch die Vermittlung Konrad Bömlins, zu den Klarissen nach Oggelsbeuren (vgl. Besitzeintrag Bl. 1), da dieser - 1436 eine Fastenpredigt in der Kirche der Johanniter hielt 504 und zudem als visitator der schwäbischen Provinz 1437 den Nonnen in der klosen ze ogelspuren Anweisungen für ihr Zusammenleben gab (vgl. Stuttgart, Hauptstaatsarchiv, Nr. B. 482 a , Nr. 4). 505 ‚B ch von eime eginwilligen, weltwisen manne‘ Dillingen, Studienbibliothek, XV 125, Bl. 89 r -104 v - ‚B ch von einre heiligen Closenerin, hies Vrsula‘ B 165, Bl. 160 r -182 r Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis, Straßburg ‚Schürebrand‘ Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 171, Bl. 295 r - 304 v Provenienz unbekannt, Vorbesitzer Daniel Sudermann, Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus, Straßburg (? ) St. Gallen, Benediktinerabtei, Bibliothek, Cod. 76, S. 2-174 zunächst St. Leonhard, dann St. Georgen-Klause bei St. Gallen St. Gallen, Benediktinerabtei, Bibliothek, Cod. 1003, S. 10-201 Frauenkloster Wonnenstein bei Teusen, Kanton Appenzell 503 Virgil Ernst Fiala und Hermann Hanke, Die Handschriften der ehemaligen Hofbibliothek Stuttgart, S. 89. Nach der freundlichen Auskunft von Herrad Spilling, Württembergische Landesbibliothek, ist der Besitzeintrag der Handschrift so stark getilgt, daß er nicht mehr lesbar ist. 504 Paul-Gerhard Völker, Die deutschen Schriften des Franziskaners Konrad Bömlin, S. 144. Die Predigt war wahrscheinlich Ausdruck der engen Beziehungen der Straßburger Franziskaner zu der Johanniterkommende, die 1454 in eine Gebetsbrüderschaft eintraten (vgl. Francis Rapp, Réformes et réformation à Strasbourg, S. 148, auch Anm. 58, S. 334, Anm. 103). 505 Gerhard Völker, Die deutschen Schriften des Franziskaners Konrad Bömlin, S. 141. Für Gottesfreunde im oberlant und niderlant 299 Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. theol. 1890, S. 154-177 Abschrift Daniel Sudermanns Nürnberg, Stadtbibliothek, Cod. Cent. VI, 46 d , Bl. 140 r -198 v Dominikanerinnenkloster St. Katharina, Nürnberg Textgruppe 3: Texte, die eine breite Überlieferung außerhalb Straßburgs zeigen ‚B ch von den nún veilsen‘ in der Fassung Rulman Merswins Au, Bl. 133 ra -178 va - B 181, Bl. 2 r -93 r Laienbrüder des Augustinerchorherrenstifts Dalheim Fr 470, Bl. 1 ra -78 rb Dominikanerinnenkloster Maria Medingen bei Dillingen SG 967, S. 148-259 St. Georgen-Klause, St. Gallen H 724b, Bl. 2 r -68 v Fratergemeinschaft ‚Lüchtenhof‘, Hildesheim Königsberg, Universitätsbibliothek, Nr. 1785, Bl. 2 r -144 r (verschollen) - ‚B ch von den nún veilsen‘ in den Kurzredakionen der Fassung Rulman Merswins Eichstätt, Benediktinerinnenabtei St. Walburg, Bibliothek, Cod. germ. 2, Bl. 110 va -134 v Augustinerchorherrenstift Rebdorf, Eichstätt München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 452, Bl. 1 r -41 r Laienbrüder des Augustinerchorherrenstiftes Rebdorf, Eichstätt München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 627, Verweis auf Bl. 268 ra Augustinerchorherrenstift Rebdorf, Eichstätt Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 2626, Bl. 191 v -209 v Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen ‚B ch von den nún veilsen‘ in der Kurzfassung Amsterdam, Universiteitsbibliotheek, I G 25, Bl. 1-49 r Privatbesitz des Hendrik Jan van Wijn Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. III.1.4° 4, Bl. 28 r -81 r Zisterzienserinnenkloster Kirchheim am Ries (? ) Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. oct. 188, Bl. 309 v (307 v )-332 v (330 v ) Augustinerchorfrauenstift, Oostmalle (? ) Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. oct. 347, Bl. 1 r -58 r - Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 300 Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. oct. 353, Bl. 1 r -93 v Schwesterngemeinschaft Nazareth, Schaar bei Geldern Bielefeld, Synodalbibliothek in der Bibliothek des Landeskirchenamtes, Hs. A 2, Bl. 174 ra -203 ra Augustinerchorfrauenstift, Bielefeld Brüssel, Koninklijke Bibliotheek van Belgi / Bibliothèque royale de Belgique, Ms. 11988-90, Bl. 149 r -201 v Augustinerchorfrauenstift S. Elisabeth van de berg Sion, Brüssel Den Haag, Koninklijke Bibliotheek van België / Bibliothèque Royale de Belgique, 73 G 30, Bl. 49 r -79 v - Düsseldorf, Universitäts- und Landesbibliothek, Ms. B 119, Bl. 121 r -156 v Kreuzbrüderkonvent Marienfrede, Hamminkeln (? ) Gent, Bibliotheek van het Bischoppelijk Paleis, ohne Signatur Kleiner Beginenhof, Gent Gent,Universiteitsbibliotheek, Hs. 1348, Bl. 105 r -187 r - Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. Germ. 474, Bl. 78 ra -118 vb - Krakau, Uniwersytet Bibliotheka Jagiellońska, Berol. Ms. germ. quart. 1497, Bl. 96 vb -150 rb Privatbesitz des Hans Kraus (aus Köln? ) Leeuwarden, Friesch genootschaft, ohne Signatur (Aufbewahrungsort unbekannt) Kloster der Windesheimer Kongregation in Friesland (? ) Melk, Benedikinerabtei, Stiftsbibliothek, Cod. 1745, Bl. 1 r -88 v , 109 r - 144 v Böhmen (? ) München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 759, Bl. 102 ra -152 va Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra, Augsburg München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 838, Bl. 60 r -138 v Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra, Augsburg Für Gottesfreunde im oberlant und niderlant 301 München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 843, Bl. 131 r -133 r - München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 7248, Bl. 2 r -71 r Augustinerchorfrauenstift, Inzigkofen Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VII, 42, Bl. 66 r -87 v Dominikanerinnenkloster St. Katharina, Nürnberg Rijsenburg, Groot Seminarie, Hs. 105/ 54, Bl. 332 v -338 r (Aufbewahrungsort unbekannt) Tertiarissenkloster ‚Oude Hof‘, Alkmaar Salzburg, Benediktinerinnenabtei Nonnberg, Bibliothek, Cod. 23 A 22, Bl. 1 r -97 r - Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. theol. et phil. 4° 503, Bl. 2 r -57 r Benediktinerabtei St. Martin, Wiblingen Utrecht, Museum Catharijneconvent, Bibliotheek, BMH SJ H 164, Bl. 6 r -94 v - Weert, Minderbroederklooster, Bibliotheek, Cod. 15, Bl. 267 r -288 r Delft Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Ser. nova 12868, Bl. 172 r -199 v Laienrefektorium des Rooklosters, Groenendaal Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 78.5 Aug. 2°, Bl. 267 r -322 r Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra, Augsburg (? ) Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 85.3 Aug. 2°, Bl. 1 r -44 r - Würzburg, Universitätsbibliothek, M. ch. q. 144, Bl. 167 v -173 r Laienbruder Gherit Claeszoon bei den Kartäusern in Amsterdam Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 302 ‚B ch von dem meister‘ 506 Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. III. 1. 4°34, Bl. 211 r -235 r - Bamberg, Staatsbibliothek, Msc. Hist. 160, Bl. 62 r -109 r Franziskanerkloster, Bamberg Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 171, Bl. 215 r -253 v Provenienz unbekannt, Vorbesitzer Daniel Sudermann; Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis (? ) Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 1134, Bl. 16 r -84 v - Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 1522, Bl. 149 r -174 r Kartause St. Salvatorberg, Erfurt Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 1597, Bl. 16 v -99 v - Beuron, Benediktiner-Erzabtei, Bibliothek, 8° Ms. 42, Bl. 203 r -255 v - Frankfurt/ M., Universitätsbibliothek, Ms. germ. oct. 30, Bl. 35 v -84 r Der erste nachzuweisende Besitzer der Handschrift ist die Zisterzienserabtei Bronnbach. Freiburg, Universitätsbibliothek, Hs. 194, Bl. 41 r -103 v s.o. Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. St. Blasien 75, Bl. 226 r -284 v Dominikanerinnenkloster Pforzheim, danach Benediktinerabtei St. Blasien Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. St. Georgen 80, Bl. 2 r - 45 v Benediktinerabtei St. Georgen Leipzig, Universitätsbibliothek, Ms. 559, Bl. 1 v -39 v Im Privatbesitz Nicolaus Trosters (Bl. 1 v ) Mainz, Stadtbibliothek, Hs I 322, Bl. 39 r -83 r Laienbrüderbibliothek der Kartause St. Michaelsberg, Mainz 506 Die in der Tabelle gegebene Zusammenstellung der Handschriften, die den vollständigen Text des ‚b ch von dem meister‘ überliefern, beruht auf: Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 86-129. Für Gottesfreunde im oberlant und niderlant 303 München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 372, Bl. 1 r -60 v Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra, Augsburg München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 373, Bl. 10 r -73 r , 76 r -87 v Ursprünglich im Besitz der Augsburger Franziskaner- Observanten, dann der Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra, Augsburg München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 627, Bl. 231 ra -238 vb , 290 v -333 r Geschrieben für Johannes Herdegen, Prior im Augustinerchorherrenstift Rebdorf, Eichstätt München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 628, Bl. 78 ra -83 ra , 117 ra - 144 ra Benediktinerabtei Tegernsee München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 5233, Bl. 227 r -273 r Dominikanerinnenkloster St. Katharina, St. Gallen Nürnberg, Stadtbibliothek, Cod. Cent. VI, 43 g , Bl. 139 r -173 r Dominikanerinnenkloster St. Katharina, Nürnberg Nürnberg, Stadtbibliothek, Cod. Cent. VI, 61, Bl. 12 r -26 v Dominikanerinnenkloster St. Katharina, Nürnberg (? ) Prag, Nationalbibliothek, Cod. XVI.G.24, Bl. 2 r -87 v Klarissenkloster St. Clara, Eger Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. theol. et phil., 2° 283, Bl. 227 ra -263 vb ; 265 rb -272 rb Augustinerchorfrauenstift, Inzigkofen Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3022, Bl. 118 r -202 v Ex Bibliotheca Iohannis Michaelis a Loen (Vorderdeckel innen) Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 17.12 Aug. 4°, Bl. 13 v -77 v ; 80 v -92 v Nördlingen (? ) Würzburg, Universitätsbibliothek, M. ch. f. 66, Bl. 276 r -287 r Würzburg (? ) Diese Grundzüge der chronologischen Verteilung und geographischen Verbreitung der ‚Gottesfreundliteratur‘ erlauben sowohl Schlüsse über ihre Genese als auch auf die spezifische Funktion, die das Corpus sowohl innerhalb als auch außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ übernimmt. Rieders eingehende überlieferungsgestützte Untersuchung der Schriften des ‚Grünen Wörth‘ kulminiert in der These, die gesamte Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 304 Sammlung basiere auf vorgängigen, anonym tradierten Traktaten, „die als Erbgut der Bibliothek des Hauses gehörten, mögen sie nun von Nikolaus von Löwen selber aus den Niederlanden mitgebracht oder schenkungsweise von Rulmann und andern Wohltätern dem Hause übergeben worden sein“. 507 Auch wenn eine Orientierung der ‚Gottesfreundliteratur‘ an den Gattungskonventionen von Viten, Exempeln und Legenden evident ist und z.T. konkrete Vorlagen der Texte identifiziert werden konnten, 508 macht die Chronologie der Tradierung die Annahme identischer, die Figuren lediglich im Anonymen belassender Vorlagen unwahrscheinlich: Die gesamte erhaltene Überlieferung ist dem ‚Grünen Wörth‘ nachträglich; für keinen der Texte kann auch nur eine vor den Textzeugen der Johanniter zu datierende Handschrift belegt werden, auch gleichzeitige Tradierung ist selten: Allein die (verschollene) Königsberger Handschrift des ‚b ch von den nún veilsen‘ in der Fassung Rulman Merswins, die - nach den vorliegenden Handschriftenbeschreibungen - in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts geschrieben wurde, und eine Handschrift der Kurzfassung (Den Haag, Koninklijke Bibliotheek van België / Bibliothèque Royale de Belgique, 73 G 30), deren zweites Faszikel auf 1400 datiert wird, kommen dem durch eine Wasserzeichenuntersuchung ermittelten Entstehungszeitpunkt der Einzelhandschrift des ‚b ch von den nún veilsen‘ (1352) nahe. Bleibt die Datierung aufgrund paläographischer Kriterien auf eine Begrenzung des Entstehungszeitpunktes auf 50 Jahre beschränkt, liegt der Schwerpunkt der Überlieferung doch eindeutig in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Darüber hinaus weisen einige der Textzeugen explizit daraufhin, von wem sie den Text erhalten haben: Die Leipziger Handschrift des ‚b ch von den zwey menschen‘ führt so aus: Diß stot in der Johanser vrkúnde b ch geschriben von den zwein menschen (L 98 r ); in der St. Galler Handschrift des ‚b ch von den fúnf mannen‘ heißt es: Dis sreib der fruint gottes ws oberlant den Johansern z strasburg vnd stat ch in der sant Johansers wrkuind b ch geschriben (SG 955, S. 274); auch B 863 weiß, daß das ‚b ch von dem geuangen ritter‘ von berlant gesandt wurde (Bl. 311 rb ). Das skizzierte Überlieferungsbild - die erst spät einsetzende Überlieferung und der in den Manuskripten z.T. nachzuweisende Literaturtransfer zwischen dem ‚Grünen Wörth‘ und den einzelnen Konventen - verdeutlicht, daß eine Charakterisierung der Literaturproduktion auf dem ‚Grünen Wörth‘ als eine vereinnahmende Kopie i.S. einer bloßen Addition einer Autorschaftszuweisung an bestehende Texte - zumindest für die singulär verbreiteten, in der zweiten Gruppe zusammengestellten Texte - unwahrscheinlich ist; ebenso verfehlt wäre es, der Aktivität der Schreibwerkstatt des ‚Grünen Wörth‘ aufgrund des Überlieferungsbefundes das Siegel der ‚Originalität‘ aufzudrücken. Eine Verwendung von Schreibmustern und -konventionen oder auch eine Ausgestaltung narrativer Kerne ist nach wie vor denkbar und bedarf der späteren, eingehenden Analyse. 509 Durch das Fehlen einer der Tradierung auf dem ‚Grünen Wörth‘ vorgelagerten Überlieferung tritt nun jedoch der eigenständige Anteil der Johanniterkomturei stärker in den Blick, und die Frage wird entscheidend, inwiefern die Schreibpraxen der Stiftung Merswins gängigen Verfahren der Retextualisierung 507 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 264. 508 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 4. 509 Vgl. die Untersuchungen in Kapitel 4. Für Gottesfreunde im oberlant und niderlant 305 entsprechen. 510 Nicht ‚Wiedergebrauch‘ i.S. eines Transfers eines ‚stabilen‘ Textes in einen neuen Gebrauchszusammenhang, sondern ‚Wiedererzählen‘ als Neukonzeption und Ausgestaltung genrespezifischer Konventionen wären damit das gestaltende Prinzip der ‚Gottesfreundliteratur‘. Die relativ beschränkte Aufnahme der ‚Gottesfreundliteratur‘ in Sammlungen anderer geistlicher Gemeinschaften oder auch in den Bücherbestand privater Handschriftenbesitzer bestätigt - dies ist die zweite, aus dem Überblick über die Tradierung der ‚Gottesfreundliteratur‘ zu ziehende Schlußfolgerung - Steers Charakterisierung des Corpus als ‚Hausliteratur‘, 511 d.h., die Sammelhandschriften finden ihren gemeinsamen funktionalen Bezug in der ‚Hausgemeinschaft‘. Während das Interesse an der Ordenstradition und ihren viris illustribus für den Dominikanerorden reich bezeugt ist, nimmt die literarische Legitimation sowie textuelle Fundierung der Spiritualität der Straßburger Kommende in der Ordensüberlieferung der Johanniter eine Sonderstellung ein. Obwohl seit dem Verlust des Heiligen Landes die Seelsorge- und Lehrtätigkeit zur konstitutiven Aufgabe des Johanniterordens wurde, 512 unterblieb die Ausbildung eines ordensspezifischen spirituellen oder liturgischen Kanons, da die von den Ordenspriestern übernommene Predigt für die Bruderschaft sowie der Unterricht in den ordenseigenen Schulen nicht in der Ordensregel vorgeschrieben wurde, 513 sondern weitgehend auf der Eigeninitiative der einzelnen Konvente beruhte. 514 Ein dem Orden gemeinsames Text- und Überlieferungscorpus bildete sich daher nicht aus und so besaßen „von den etwa 100 Kommenden des deutschen Großpriorates [...] mit Ausnahme von Straßburg, nur fünf eine Bibliothek. Die kleinsten waren in Berg an der Wupper mit sieben und in Mühlhausen mit 14 Büchern. Heimbach besaß 44 Bücher, Münchenbuchsee 150 und Schlettstadt sogar 216“. 515 Das singuläre Interesse der Hausgemeinschaft des ‚Grünen Wörth‘ an der literarischen Festschreibung der eigenen Tradition scheint in deren spezifischer Zusammensetzung sowie den ihr zugrundeliegenden Regeln des Gemeinschaftslebens begründet, die einer historischen wie spirituellen Legitimation bedurften. Neben den Pfründnern des Johanniterspitals und der Bruderschaft der Kommende, in der - so doku- 510 Zu einer ähnlichen Bewertung der Schlußergebnisse von Rieders Arbeit gelangt auch Strauch: „Ich denke einstweilen sehr skeptisch über des Nicolaus verschiedene, keiner grossen umarbeitung benötigende ‚asketische tractate‘ [...]. Es ist doch auffallend, dass von diesen tractatvorlagen fast nichts auf uns gekommen ist: [...]. Die quellen mögen oft nur in kurzen berichten legendarisch-visionären inhalts bestanden haben; eigene arbeit bei ihrer verwertung kommt in höherem masse in betracht, als Rieder das annimmt (ich schliesse dies aus der verhältnismässig grossen stilistischen gleichmässigkeit in den Gottesfreundtractaten [...]).“ (Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 135). 511 Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 438. 512 Berthold Waldstein-Wartenberg, Die Vasallen Christi. Kulturgeschichte des Johanniterordens im Mittelalter, Wien [usw.] 1988, S. 75. 513 Vgl. hierzu: Gerhard Tonque Lagleder, Die Ordensregel der Johanniter/ Malteser. Die geistlichen Grundlagen des Johanniter-/ Malteserordens, mit einer Edition und Übersetzung der drei ältesten Regelhandschriften, St. Ottilien 1983. 514 Berthold Waldstein-Wartenberg, Die Vasallen Christi, S. 75f. 515 Ibid., S. 345. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 306 mentiert die Handschrift 467 der Universitätsbibliothek Freiburg 516 - jene Laien zusammengeschlossen waren, die nach ihrem Tod der Kommende ihr gesamtes Vermögen überschrieben, nahmen Laien in Verwaltung und Gestaltung des Gemeinschaftslebens auf dem ‚Grünen Wörth‘ eine führende Position ein: Von einem Laien gestiftet, wird in der zwischen Rulman Merswin und dem Johanniterorden 1371 geschlossenen ‚Gründungsurkunde‘ die im klerikalen Diskurs festgeschriebene Dichotomie zwischen Geistlichen und Laien nicht aufgehoben, ihre beiden Pole erfahren aber eine Annäherung. Gilt den maßgeblichen kirchenrechtlichen wie bildungsgeschichtlichen Differenzierungen zwischen clerici litterati und laici illitterati 517 der Laie aufgrund seiner mangelnden Lateinkenntnisse in Fragen des religiösen Wissens als unterweisungsbedürftiger simplex, 518 durchbrechen Merswins Bestimmungen das dualistische Schema von „zwei qualitativ verschiedene[n] Handlungsbereiche[n] spezifisch qualifizierter Handlungsträger“, 519 indem er drei weltlichen Pflegern nicht nur die Verwaltung der Stiftung überträgt, sondern ihnen auch ein entscheidendes Gestaltungsrecht für die vita communis einräumt: Zwar stiftet Merswin den Johannitern das closter und daz hus zu dem Gr nen werde [...] mit kirchen, Häusern, Garten und Zubehör, 520 diese können jedoch über den Besitz nicht frei verfügen, da ohne die Zustimmung der drei Pfleger kein des huses eigen durch Brüder oder Meisterschaft des Ordens versetz[t], [...] verk ffe[t] oder verendere[t] werden darf; 521 auch muß der Komtur jährlich vor den drei Pflegern Rechnung ablegen, 522 um Verschwendung zu vermeiden. Neben diese wirtschaftlich-administrativen Befugnisse tritt der bedeutende Einfluß der Pfleger auf das Gemeinschaftsleben. Sie haben nicht nur das Vorschlagsrecht für die Ordenspriester, 523 die auf dem ‚Grünen Wörth‘ Aufnahme finden, sie wählen auch die Pfründner der Komturei aus, die als weltliche[ ] manne, zu Gehorsam und Enthaltsamkeit verpflichtet, in der Komturei leben alse ein[ ] bruder. 524 Diese von den üblichen consuetudines der Priesterkommenden abweichende vita communis von Klerikern und Laien wird in der Textsammlung der Memorialbücher legitimiert und für die Zukunft festgeschrieben. Die drei ‚Pflegermemoriale‘ dienen als Handbücher für die weltlichen Verwalter unmittelbar dem Verständnis und der Bewahrung der Regeln der Stiftung: Die ‚Gründungsgeschichte‘ führt die Notwendigkeit laikaler Pfleger durch den mehrmaligen wirtschaftlichen Niedergang der vor- 516 Vgl. Winfried Hagenmaier, Die deutschen mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek und die mittelalterlichen Handschriften anderer öffentlicher Sammlungen [...] in Freiburg im Breisgau und Umgebung, S. 110f. 517 Vgl. die grundlegende Definition bei Adolf Martin Ritter, Laie I, in: TRE Bd. 20 (1990), S. 378-385; K. Mörsdorf, Laie, in: 2 LThK Bd. 6 (1961), Sp. 733-741. 518 Klaus Schreiner, Laienfrömmigkeit - Frömmigkeit von Eliten oder Frömmigkeit des Volkes? Zur sozialen Verfaßtheit laikaler Frömmigkeitspraxis im späten Mittelalter, in: ders. (Hg.), Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter. Formen, Funktionen, politisch-soziale Zusammenhänge, München 1992 (Schriften des Historischen Kollegs 20), S. 1-78, hier S. 16f. 519 Ibid., S. 14. 520 Vgl. UBSt Bd. 5: Politische Urkunden von 1332 bis 1380, bearbeitet von Hans Witte und Georg Wolfram, Straßburg 1896, S. 719-722, hier S. 719, Z. 37-S. 720, Z. 1. 521 Ibid., S. 720, Z. 16-19. 522 Ibid., S. 720, Z. 20-29. 523 Ibid., S. 721, Z. 2-9. 524 Ibid., S. 720, Z. 30-S. 721, Z. 1. Für Gottesfreunde im oberlant und niderlant 307 angegangenen Gründungen auf dem ‚Grünen Wörth‘ vor Augen, während die ‚Viten‘ der beiden Stifter in der religiösen Abkehr von einem weltzugewandten Leben und in der anachoretischen Lebensform der fúnf mannen die beiden Grundfesten des Gemeinschaftslebens narrativ ausgestalten. Ist die enge funktionale Ausrichtung des Textcorpus der ‚Pflegermemoriale‘ an den spezifischen Verhältnissen auf dem ‚Grünen Wörth‘ somit unmittelbar einsichtig, scheint das Handschriftenprogramm des ‚Großen deutschen Memorials‘ auf die Unterweisung der laikalen Pfründner in einem klosterähnlichen Gemeinschaftsleben zugeschnitten: Das spirituelle Leitkonzept der Stiftung - die Gottesfreundschaft - wird nicht theologischdogmatisch erklärt, sondern narrativ entfaltet. Durch die Präsentation unterschiedlicher Formen der Bekehrung, die exemplarische Gestaltung von Gnadenviten sowie die Sammlung von mystischen, paränetischen und katechetischen Traktaten wird nicht theologische scientia als konstitutive Bedingung eines gottgefälligen Lebens benannt, sondern die vollständige Übergabe der Person an Gott, die auf einer unterschiedlich konturierten Erfahrung des Transzendenten beruht. Dieses Konzept der Gottesfreundschaft i.S. eines affectus, der den religiösen Vollzug wie die praktische Lebensführung bestimmt, ist die spirituelle Grundlage für ein gleichberechtigtes Gemeinschaftsleben von Laien und Klerikern im hus der zuflucht des ‚Grünen Wörth‘. In der skizzierten Ausrichtung der ‚Gottesfreundliteratur‘ an der Lebensform der Hausgemeinschaft der Komturei scheint die maßgebliche Erklärung für die geringe Übertragbarkeit der auf dem ‚Grünen Wörth‘ entstandenen Texte zu liegen: Nicht nur die i.e.S. historiographischen Quellen wie ‚Gründungsgeschichte‘ und Briefsammlung, sondern auch die Exempel, Viten und Mirakel der ‚Gottesfreundliteratur‘ spiegeln als Ausdruck einer spezifisch männlichen Laienspiritualität die Regeln der Stiftung Merswins wider, so daß eine Überführung in den Gebrauchszusammenhang anderer Konvente, deren Gemeinschaftsleben einer anderen spirituellen Fundierung unterlag, ebenso erschwert wurde wie die private Rezeption innerhalb der spätmittelalterlichen Bewegung der ‚Laienfrömmigkeit‘. Im Gegensatz zum Leben in der klosterähnlichen Pfründnerkommunität des ‚Grünen Wörth‘ wollte diese „gleichermaßen ewiges Heil und zeitliche Wohlfahrt“, 525 d.h. ein „Leben in der Welt, das nicht von dieser Welt“ sein sollte, 526 ermöglichen. Die für die meisten Texte des Corpus charakteristische Beschränkung der Tradierung wäre folglich weder zufälliges Resultat der Überlieferungsgeschichte noch Ergebnis einer bewußten Steuerung durch die Johanniter, die ihre ‚Fälschung‘ zu verschleiern suchten, sondern vielmehr Ausweis einer Fokussierung der ‚Gottesfreundliteratur‘ auf die Interessen der Gemeinschaft: Das Textcorpus präsentiert eine Spiritualität für „Laien im Kloster“. 527 525 Klaus Schreiner, Laienfrömmigkeit, S. 64. 526 Christoph Burger, Theologie und Laienfrömmigkeit. Transformationsversuche im Spätmittelalter, in: Hartmut Boockmann, Bernd Moeller und Karl Stackmann (Hgg.), Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Politik - Bildung - Naturkunde - Theologie. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1983 bis 1987, Göttingen 1989, S. 400-420, hier S. 405. 527 Vgl. Ernst Tremp, Laien im Kloster. Das hochmittelalterliche Reformmönchtum unter dem Ansturm der Adelskonversionen, in: Eckart Conrad Lutz und Ernst Tremp (Hgg.), Pfaffen und Laien - ein Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 308 2.3.5.2 Laikale Klosterliteratur: Rezipientenkreise und Gebrauchsformen der Überlieferung außerhalb der Johanniterkomturei Um Rezipientenkreis sowie ‚Sitz im Leben‘ der ‚Gottesfreundliteratur‘ außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ zu skizzieren, werden im folgenden zwei exemplarische Tradierungszusammenhänge detailliert rekonstruiert, da eine eingehende Beschäftigung mit allen Gebrauchszusammenhängen, in die das Corpus integriert wurde, im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist. Auffälliger Konzentrationspunkt der Überlieferung der nur vereinzelt rezipierten Texte ist das Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis in Straßburg. Die Dichte der Überlieferung in diesem Konvent verspricht einen paradigmatischen Zugang zur Rezeption im engen (Straßburger) Umkreis der Johanniterkomturei. Dieser Blick auf das Zentrum der Überlieferung soll durch die Tradierung der Merswin-Fassung des ‚b ch von den nún veilsen‘ ergänzt werden, da die Grundzüge der Rezeption vermuten lassen, daß Motivation und Trägerschaft der Überlieferung hier grundlegend abweichen. 2.3.5.2.1 Exempla der Reform: Die ‚Gottesfreundliteratur‘ im Straßburger Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis Die geographische Verbreitung der nur vereinzelt außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ überlieferten Texte zeigt eine deutliche Konzentration auf Straßburg: Sieht man von der in St. Gallen tradierten Handschrift des ‚b ch von den fúnf mannen‘ (SG 955) und dem durch die Freiburger Klarissen auf uns gekommenen Codex des ‚b ch von den zwey menschen‘ (Fr 194) ab, blieb die gesamte Überlieferung dieser Textgruppe auf Straßburg und hier maßgeblich auf das Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis beschränkt: So enthält die Berliner Handschrift Ms. germ. quart. 194, die 1425 von den Dominikanerinnen geschrieben wurde, Ruusbroecs ‚Brulocht‘ in der Bearbeitung Merswins, ebenso hat wohl auch die Münchner Handschrift des Textes (Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 818) eine Provenienz bei den Dominikanerinnen. Die einzige Kopie des ‚b ch von einre heiligen Closenerin, hies Vrsula‘ war ebenfalls im Besitz des Frauenkonventes (B 165), P - aus dem Privatbesitz der Margaretha Zorn in die Sammlung der Dominikanerinnen gelangt - bietet das siebte Kapitel des ‚b ch von den zwey menschen‘. In L schließlich lag den Nonnen eine Abschrift eines der Urkundenbücher der Johanniterkommende vor. Bedenkt man zudem, daß vielleicht auch Teile der weiteren Distribution - die Überlieferung des ‚b ch von dem geuangen ritter‘ im Straßburger Reuerinnenkloster (B 863) - auf die Vermittlung des Klosters zurückzuführen sind, ist nach der Grundlage dieser intensiven Rezeption und der sich anschließenden Distributionsfunktion zu fragen. Die Überlieferung der ‚Gottesfreundliteratur‘ im Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis fällt mit der Blütezeit des vornehmlich patrizisch gefärbten mittelalterlicher Antagonismus? Freiburger Colloquium 1990, Freiburg/ Schw. 1999 (Scrinium Friburgense 10), S. 33-56. Exempla der Reform 309 Stadtklosters 528 zusammen: 1431 durch vier Schwestern aus dem Steinenkloster in Basel und acht aus Unterlinden reformiert, 529 wurde der Konvent zu einem „Hauptstützpunkt der Reformpartei“, 530 in dem nach der Einführung der strengen Observanz eine rege literarische Sammelbemühung einsetzte: 531 Über die Schreibstube des Klosters ist wenig bekannt, 532 für die wesentlichen Phasen der Ordensreform des 15. Jahrhunderts läßt sich jedoch eine aktive Schreibtätigkeit ausmachen: Sowohl in der Phase der sich durchsetzenden Reform, in den 30er Jahren des 15. Jahrhunderts, als auch für die Zusammenarbeit mit Johannes Meyer in den 70er Jahren 533 (der durch die Widmung und die Aufforderung zur abschriftlichen Verbreitung seiner ‚Papstchronik Predigerordens‘ an Priorin und Konvent seine Wertschätzung für die Schreibstube des Nikolaus-Klosters zum Ausdruck bringt) 534 ist ein Schwerpunkt in der Buchherstellung nachzuweisen. 535 Nicht nur die Schreibtätigkeit des Konventes selbst, sondern sein gesamter Buchbesitz ist dabei durch die Observanzbewegung geprägt, wie Lentes in seiner „Profilierung der mittelalterlichen Bibliothek von St. Nikolaus in undis“ herausarbeitet. 536 Trotz der Vorbehalte, mit denen eine Bestandsrekonstruktion verbunden ist, da ein mittelalterlicher Bibliothekskatalog fehlt und die tradierten Handschriften aufgrund des spezifischen Sammelinteresses des Schwenckfeldianers Sudermann 537 kein repräsentatives Bild der Bibliothek bieten, zeigen die in den Codices der Dominikanerinnen überlieferten Texte, daß ihr Skriptorium nicht allein als Kopier- und Distributionszentrum für Reformprediger fungierte, 538 sondern die literarische Sammeltätigkeit des Konvents insgesamt auf die Erstellung einer paradigmatischen Reformbibliothek zielte: 539 528 Francis Rapp, Réformes et réformation, S. 286, Anm. 39. Vgl. zur Geschichte des Klosters: Sigrid Schmitt, Geistliche Frauen und städtische Welt, S. 492-505. 529 Iohannes Meyer, Buch der Reformacio Predigerordens. IV. und V. Buch, S. 82f. 530 Hans Hornung, Daniel Sudermann als Handschriftensammler, S. 112*. 531 Andreas Rüther und Hans-Jochen Schiewer, Die Predigthandschriften des Straßburger Dominikanerinnenklosters St. Nikolaus in undis. Historischer Bestand, Geschichte, Vergleich, in: Volker Mertens und Hans-Jochen Schiewer (Hgg.), Die deutsche Predigt im Mittelalter. Internationales Symposion am Fachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin vom 3.-6. Oktober 1989, Tübingen 1992, S. 169-193, hier S. 181; Volker Mertens und Hans-Jochen Schiewer, Erschließung einer Gattung. Edition, Katalogisierung und Abbildung der deutschsprachigen Predigt des Mittelalters, in: editio 4 (1990), S. 93-111. 532 Zusammenstellung der Nachrichten bei: Hans Hornung, Daniel Sudermann als Handschriftensammler, S. 110*ff. 533 Vgl. Meyers Bericht, die Priorin des Klosters, Barbara, habe an der ‚Reformacio‘ mitgewirkt: An disem b ch het z letzste ein g t teil z gesetz die priorin von Sant nicolaus z strosburg, also sy dan selber in der arbeit der reformacio bek meret gewesen ist. ‚Brief Johannes Meyers über seine Schriften‘, in: Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 195, Bl. 255 v ; zit. nach: Heribert Christian Scheeben, Handschriften I, in: Archiv der deutschen Dominikaner 1 (1937), S. 149-202, hier S. 188. 534 Vgl. Thomas Lentes, Gebetbuch und Gebärde, Bd. 1, S. 109. 535 Ibid., S. 110, 134. 536 Ibid., S. 125-138. 537 Vgl. zum Sammelinteresse Sudermanns: Hans Hornung, Der Handschriftensammler Daniel Sudermann, S. 357-382. 538 Vgl. zur Diskussion um das spezifische Sammelinteresse des Dominikanerinnenklosters St. Nikolaus in undis: Andreas Rüther und Hans-Jochen Schiewer, Die Predigthandschriften, S. 175; Thomas Lentes, Gebetbuch und Gebärde, Bd. 1, S. 127-130. 539 Thomas Lentes, Gebetbuch und Gebärde, Bd. 1, S. 134. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 310 ‚Der Heiligen-Leben‘, Teile der ‚Elsässischen Legende Aurea‘, Ausschnitte der ‚Vitaspatrum‘, Standardautoren wie Marquard von Lindau, Konrad Bömlin u.a. sind hier versammelt. Heinrich Seuse ist nicht nur mit den üblichen Teilen wie den ‚100 Betrachtungen‘ vertreten; hinzukommen Ausschnitte sowohl aus dem ‚Büchlein der Ewigen Weisheit‘ und eine der 6 bekannten illustrierten Handschriften seiner ‚Vita‘. Die Liste wäre leicht um mystische Autoren zu erweitern; Johannes Tauler findet sich ebenso sehr wie Material aus der frauenmystischen Literatur (Margaretha Ebner, Elisabeth von Schönau, Mechthild von Hackeborn). Typische oberrheinische Reformprediger wie Geiler von Kaysersberg, Johannes Kreutzer und Johannes Meyer mit seiner ‚Reformacio Predigerordens‘ sind gleich mehrfach vertreten. Aus dem Umkreis der Devotio moderna lassen sich Jan van Russbroek und Thomas von Kempen nachweisen. 540 Die institutionelle Geschichte des zweiten Überlieferungszentrums der ‚Gottesfreundliteratur‘ vermittelt folglich den Eindruck, das Interesse des ersten observanten Dominikanerinnenklosters Straßburgs an der ‚Hausliteratur‘ eines Konvents ihrer Heimatstadt sei durch die Affinität zwischen den in der Observanzbewegung forcierten Formen der Frömmigkeit auf der einen Seite und der in der ‚Gottesfreundliteratur‘ artikulierten, spezifischen Spiritualität der semi-religiösen Gemeinschaft des ‚Grünen Wörth‘ auf der anderen Seite zu erklären. Für die programmatisch geforderte Rückkehr zu den ursprünglichen Idealen des monastischen Zusammenlebens, die für die Dominikanerinnen neben der strengen Handhabung der Klausur vor allem die Betonung der vita communis in Gebet, Lesung und Arbeit beinhaltete, 541 übernahm die Lektüre eine entscheidende Funktion, da nur die Durchdringung des gesamten Tagesablaufs mit Lesungen die Schwestern stetig „auf die letzte Zielsetzung ihrer Lebensweise, die vollständige Hinordnung auf Gott, zurückverwiesen“ 542 und so die spirituelle Überhöhung aller klösterlichen Lebensvollzüge i.S. der Reform gewährleisten konnte. Folgt man Williams-Krapps Charakterisierung der Reformliteratur, lassen sich zwei Texttypen identifizieren, die dieser Funktion als „Trägermedium“ 543 der Observanzbewegung besonders adäquat sind: Eine unmittelbare Ausrichtung des Lebens an religiöser Lehre i.S. der Reformkonzepte leiste i.w.S. katechetische Literatur wie Dekalog-Erklärungen, Pater-Noster-, Eucharistie- und Meßtraktate, Sterbelehren sowie Passionstraktate. 544 Die Lektüre dieser moralisch-didaktischen Texte diente, so Williams-Krapp, als Anleitung zur Frömmigkeit i.S. der via purgativa. 545 Die zweite charakteristische Gattung der Reformliteratur seien Legendensammlungen, 546 die den Schwestern „Vorbilder der Nachfolge“ vor Augen führten. 547 Schließt man sich dieser eher skizzenhaften Beschreibung der Reformliteratur an, scheint das Interesse der Dominikanerinnen an den Texten der ‚Gottesfreundliteratur‘ doppelt motiviert: Zum einen galten die Johanniter in Straßburg bis 540 Ibid., S. 132f. 541 Barbara Steinke, Paradiesgarten oder Gefängnis? , S. 29-54. 542 Marie-Luise Ehrenschwendtner, Die Bildung der Dominikanerinnen, S. 151. 543 Thomas Lentes, Gebetbuch und Gebärde, Bd. 1, S. 109. 544 Werner Williams-Krapp, Observanzbewegungen, monastische Spiritualität und geistliche Literatur im 15. Jahrhundert, in: IASL 20 (1995), S. 1-15, hier S. 10. 545 Ibid. 546 Ibid. 547 Thomas Lentes, Gebetbuch und Gebärde, Bd. 1, S. 109. Exempla der Reform 311 zum Beginn des 16. Jahrhunderts als eine Pflegestätte besonders religiösen Lebenswandels, 548 wie u.a. das Lob des Johannes Geiler von Kaysersberg zu illustrieren vermag, der in seinem ‚Pater Noster‘ (1508) berichtet, die Brüder des ‚Grünen Wörth‘ seien gar fromm andechtig geistlich herren / und wol reformieret / guotter obsernanntz [sic! ] und regel / als meniglich wissen ist / und geistlichen priestern zympt und zügehoert. 549 Als Vorbilder monastischen Lebenswandels wurden die Johanniter mehrmals von Rat und Bischof mit der Reform eines Klosters beauftragt: Neben der Reuerinnengemeinschaft Maria Magdalena sollten die Johanniter des ‚Grünen Wörth‘ 1448 auch die Karmeliter einer strengen Observanz zuführen. 550 Die Kopie der ‚Hausliteratur‘ dieses Konvents wäre somit durch die hohe Reputation der Stiftung Merswins motiviert: Die virtus der Hausgemeinschaft soll durch die Rezeption der ihr eigenen Literatur i.S. des von Meyer in der ‚Reformacio‘ propagierten „Lernens am Modell“ 551 auch in die Gemeinschaft der Dominikanerinnen getragen werden. 552 548 Francis Rapp, Réformes et réformation, S. 217. 549 Pater Noster (1508), [S. 151], Sp. 1, zit. nach: Rita Voltmer, Wie der Wächter auf dem Turm. Ein Prediger und seine Stadt. Johannes Geiler von Kaysersberg (1445-1510) und Straßburg, Trier 2005 (Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte 4), S. 172. 550 Ibid., S. 328f. 551 Thomas Lentes, Gebetbuch und Gebärde, Bd. 1, S. 109. 552 Einige der in der Sammlung Sudermanns überlieferten Handschriften scheinen zudem einen engen Kontakt zwischen der Johanniterkommende und dem Dominikanerinnenkloster im Zuge der cura monialium zu suggerieren, da die Schwestern des Nikolausklosters offenbar Predigten der Johanniterpriester sammelten: In Ms. germ. quart. 35 und 206 der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin liegen zwei Predigten des Erhard von Dünungen vor (Hans Hornung, Daniel Sudermann als Handschriftensammler, S. 25), die der Johanniterpriester im Klarissenkloster auf dem Roßmarkt gehalten hat (Andreas Rüther und Hans-Jochen Schiewer, Die Predigthandschriften, S. 190); die in Ms. germ. quart. 182 aufgezeichnete Predigt des lrich selige sant Johans z dem gr nen werde scheint im Kloster der Dominikanerinnen selbst gehalten worden zu sein (Hans Hornung, Daniel Sudermann als Handschriftensammler, S. 111). Rüther und Schiewer vermuten aufgrund dieser Überlieferung, daß auch die Kleriker des Ritterordens als Prediger in Frauenklöstern auftraten (Andreas Rüther und Hans-Jochen Schiewer, Die Predigthandschriften, S. 190). Ein genauerer Blick auf den Überlieferungszusammenhang der Predigten und die daraus ableitbare Genese der Codices stützt diese Schlußfolgerung jedoch nicht. Die beiden Predigten des Erhard von Dünungen bilden den Beginn (Bl. 1 r - 17 v ) eines Predigtcorpus, dem von anderer als der Aufzeichnungshand (Hans Hornung, Daniel Sudermann als Handschriftensammler, S. 26) eine Notiz über die Genese der Sammlung beigegeben wurde (Bl. 43 r ): dise bredigen het angnesa steffan | sahssen dohter geh rt bredigen vnd | het sú behalten in irem herttzen vnd | hett sú geschriben vnd det sú abe ir | geschrift anderwerbe schriben vnd | sint dis die bredigen | die hie noch geschriben stont (zit. nach ibid., S. 25). Folgt man der hier beschriebenen Entstehungsgeschichte des Manuskripts, hat Agnes, Tochter des Stefan Sachs, in den Jahren 1433-1437 in verschiedenen Straßburger Klöstern und Kirchen Predigten gehört, diese nachträglich aus dem Gedächtnis aufgeschrieben und zuletzt in Reinschrift gebracht (ibid., S. 24, Anm. 1). Da das Nikolauskloster 1431 bereits zur strengen Observanz zurückgekehrt war und folglich die Klausur wieder eingeführt wurde, kann Agnes die Predigten nur vor ihrem Eintritt in das Kloster gehört haben. Ob die Niederschrift der Predigten durch den Eintritt in das Dominikanerinnenkloster motiviert war oder schon früher entstand, ist nicht mehr zu rekonstruieren. Entscheidend ist jedoch, daß die Aufzeichnung der Predigten des Johanniterpriesters in diesem Codex keine Rückschlüsse auf eine Predigttätigkeit der Kleriker des Ritterordens im Dominikanerinnenkonvent zuläßt. Auch die Aufzeichnung einer weiteren Predigt eines Johanniterpriesters durch die Straßburger Dominikanerinnen in der Berliner Handschrift Ms. germ. quart. 182 (Bl. 264 r -277 r ) ist wohl kaum durch „vertiefte Kontakte [...] zu den hauseigenen Lektoren und Konfessoren“ (Andreas Rüther und Hans-Jochen Schiewer, Die Predigthandschriften, S. 191) motiviert, vielmehr zeigt sich hier die Einbindung des Konventes in die Reformbewegung des Dominikanerordens, deren Verbreitung die Schwestern durch die Aufzeichnung und weitere Distribution von reform-affinen Schriften Vorschub zu leisten suchten. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 312 Zum anderen ist die Rezeption der ‚Gottesfreundliteratur‘ durch die Dominikanerinnen in ihren thematischen und genrespezifischen Entsprechungen mit der ‚Reformliteratur‘ begründet: Die Aufforderung zur gelassenheit in der Nachfolge Hiobs im ‚b ch von der fúrkomenen gnoden‘, die Anleitung zur angemessenen Bußpraxis in der Redaktion des ‚b ch von einre heiligen Closenerin, hies Vrsula‘ sowie die Reihe der Unterweisung, die das ‚b ch von den zwey menschen‘ über den rechten Eucharistieempfang, die Charakteristika der vollkommenen Liebe zu Gott bis hin zur Wahl des richtigen Ratgebers entfaltet, entsprechen ebenso dem katechetischen Kanon der Reformtexte wie die literarische Form der Exempel, Dialoge und Traktate eine grundsätzliche Konvergenz von Laienfrömmigkeit und reformerischer Nonnenspiritualität offenbart. Zeigt die Kopie der ‚Gottesfreundliteratur‘ in einem Dominikanerinnenkloster, daß die „Grenzen zwischen Ordensreform, Kirchenreform und Laienfrömmigkeit [verschwimmen]“, 553 demonstriert die Integration der Texte in inhaltlich divergente und auf stringente Text- und Codexgliederungen 554 durchweg verzichtende, d.h. für die lectio communis formal ungeeignete Sammelhandschriften, daß ein Transfer zwischen den beiden Gebrauchskontexten nur im Rahmen der lectio privata möglich war, für deren Inhalte in Regeln und Konstitutionen keine eingehenden Vorschriften vorlagen. Während sowohl für Kapitel als auch für die begleitende Lektüre zu den Handarbeiten 555 und besonders für die lectio ad mensam ein restriktiver Lektürekanon vorlag - neben der Erinnerung an Regeln und Konstitutionen dient die Lektüre während der Mahlzeiten mit volkssprachlichen Erklärungen der Konventsmesse, Predigten zum Tagesevangelium und Erläuterungen des Kirchenfestes dem tieferen Verständnis des Chorgebets 556 -, während für die institutionalisierte, gemeinschaftliche Lektüre somit eingehende Vorschriften existierten, waren die Inhalte der privaten Andacht zwar durchaus an den „bekannte[n], durch den Gottesdienst geläufi- 553 Klaus Graf, Ordensreform und Literatur in Augsburg während des 15. Jahrhunderts, in: Johannes Janota und Werner Williams-Krapp (Hgg.), Literarisches Leben in Augsburg während des 15. Jahrhunderts, Tübingen 1995, S. 100-159, hier S. 136. 554 Obwohl Hasebrinks Untersuchung der beiden Tischlesungskataloge des Katharinenklosters in Nürnberg (Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VII, 25 und Cent. VII, 79, Bl. 3 r -87 r ) nachweisen konnte, daß die lectio ad mensam eng an die geistliche Kultur der städtischen Umgebung gebunden ist und eine gemeinschaftliche Lektüre des ‚b ch von den nún veilsen‘ im Rahmen der Tischlesung auch nachgewiesen werden kann (s. unten, S. 321, Anm. 601), fehlen den bei den Straßburger Dominikanerinnen tradierten Handschriften explizite Hinweise auf den Gebrauch im Refektorium oder Einrichtungsmerkmale, die eine Einbindung der Manuskripte in diesen Gebrauchszusammenhang ermöglichen würden: Sowohl die thematisch-inhaltliche und nicht nach dem Kirchenjahr geordnete Predigtsammlung in B 165 als auch die Zusammenstellung von Texten zur Leidenstheologie in Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 194, und München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 818, zuletzt die verfasserorientierte Sammlung mystischer Texte in P bedürften einer Erschließung durch Inhaltsverzeichnisse bzw. Register oder deutliche Orientierungshilfen, um durch eine gezielte Auswahl einzelner Texte oder Textpassagen in der Praxis der Tischlesung Verwendung zu finden. Vgl. Burkhard Hasebrink, Tischlesung und Bildungskultur im Nürnberger Katharinenkloster. Ein Beitrag zu ihrer Rekonstruktion, in: Martin Kintzinger, Sönke Lorenz, Michael Walter (Hgg.), Schule und Schüler im Mittelalter. Beiträge zur europäischen Bildungsgeschichte des 9. bis 15. Jahrhunderts, Köln [usw.] 1996 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 42), S. 187-216. 555 Marie-Luise Ehrenschwendtner, Die Bildung der Dominikanerinnen, S. 209-211. 556 Barbara Steinke, Paradiesgarten oder Gefängnis? , S. 31. Exempla der Reform 313 ge[n] Gebete[n]“ 557 orientiert, hinzu traten jedoch private und d.h. nach jeweils individuellen Interessen zusammengestellte Gebets- und Andachtsbücher, 558 deren Selektion dem Zugriff der Seelsorger weitgehend entzogen und allein den Schwestern überlassen war. 559 Die Tradierung der ‚Gottesfreundliteratur‘ in diesem schwer systematisierbaren und wenig erforschten 560 Handschriftentypus führt dabei vor Augen, daß die Rezeption der einzelnen Texte des Corpus unterschiedlich motiviert ist und nur in einem Ausnahmefall auf das Interesse der Schwestern an einem Konvent ihrer Heimatstadt und dessen spiritueller Tradition zurückgeführt werden kann. Der Überlieferungsverbund der Handschrift Cgm 818 der Bayerischen Staatsbibliothek in München weist das Interesse an der oberdeutschen Bearbeitung des ‚Brulocht‘ als Anleitung zur individuellen Kontemplation des Leidens Christi i.S. einer Formung einer angemessenen Gebetshaltung aus: Obwohl die Sammlung nichtliturgischer Passionsgebete erst den Abschluß des Codexes bildet, scheint das vorangeschickte Kompendium von Texten der Leidenstheologie und Passionsbetrachtung allein der Vorbereitung auf eine adäquate Gebetspraxis zu dienen, d.h., Merswins ‚b ch von der fúrkomenen gnoden‘ dient als programmatische Eröffnung eines ‚Privatgebetbuchs‘. 561 Bevor das Heilsgeschehen in Traktaten sowie Predigten vergegenwärtigt und spirituell gedeutet wird, und die Passionsbetrachtungen eine Anleitung zur detaillierten Imagination der Kreuzigung geben, 562 zeigt Merswins Traktat auf, wie man dem Bräutigam, der für die menschliche Braut gestorben ist, geistlich entgegengeht: Die Armut des Geistes, die gelassenheit, in der Nachfolge Hiobs und Jesu wird als Weg zur Erkenntnis Gottes aufgezeigt und der Codex somit durch eine Aufforderung zur mystischen Deutung des Passionsgeschehens programmatisch eröffnet. Die Durchdringung der biblischen Ereignisse zielt nicht auf die intellektuelle memoria der Heilstatsachen, sondern auf die mental-spirituelle Nachfolge, die informatio 563 zur gelassenheit. Suggeriert bereits die enge konzeptuelle Einbindung des ‚b ch‘ in das Handschriftenprogramm, daß das Interesse an Merswins Traktat in seiner Thematik aufgeht, demonstriert die einleitende Rubrik, daß die Rezeption nicht 557 Marie-Luise Ehrenschwendtner, Die Bildung der Dominikanerinnen, S. 217. Vgl. auch: Peter Ochsenbein, Deutschsprachige Privatgebetbücher vor 1400, in: Volker Honemann und Nigel F. Palmer (Hgg.), Deutsche Handschriften 1100-1400. Oxforder Kolloquium 1985, Tübingen 1988, S. 379- 398. 558 Ibid., S. 228. 559 Vgl. den einem Beichtspiegel aus St. Katharina in Nürnberg vorangeschickten Versuch, einen restriktiven Kanon für die Privatandacht zu etablieren: Etlich lesen gern hohe materie, die sy nit versten vnd fragen nit. Die lerer loben nit hoch verdeuczte pucher, sunder was von beichten, von tugenden vnd von [134 v ] von [sic! ] sunden vnd von cristlichen siten, von andacht, psalter vnd gepeth vnd der gleichen, die sein loblich vnd guet. Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VI, 84, Bl. 134 rv , zit. nach Barbara Steinke, Paradiesgarten oder Gefängnis? , S. 37. 560 Peter Ochsenbein, Deutschsprachige Privatgebetbücher vor 1400, S. 379. 561 Vgl. die gebrauchsfunktionale Definition bei: Thomas Lentes, Gebetbuch und Gebärde, Bd. 1, S. 199-211, gegenüber der idealtypischen, textsortenspezifischen Bestimmung bei Peter Ochsenbein, Deutschsprachige Privatgebetbücher vor 1400, S. 380. 562 Vgl. zur Interpretation von Passionsbetrachtungen als geistliche Mnemotechnik: Thomas Lentes, Gebetbuch und Gebärde, Bd. 1, S. 361-478. 563 Konrad Kunze, Ulla Williams und Philipp Kaiser, Information und innere Formung. Zur Rezeption der ‚Vitaspatrum‘, in: Norbert Richard Wolf (Hg.), Wissensorganisierende und wissensvermittelnde Literatur im Mittelalter. Perspektiven ihrer Erforschung. Kolloquium 5.-7. Dezember 1985, Wiesbaden 1987 (Wissensliteratur im Mittelalter 1), S. 123-142. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 314 durch die ‚Autorschaft‘ eines Straßburger Patriziers und Stifters motiviert ist. Die Überschrift weiß nicht um die Bearbeitung des Rulman Merswin und so fehlt ihr jeglicher expliziter Bezug zum ‚Grünen Wörth‘: Dis ist gar ein gewore, fruhtber, nútze lere, genummen usser dem anvange des brunluft b chelins, daz ein lieber, heilger waltpriester in probant schreip, heisset br der Johannes R sebr ch, vnd sante es har vs in oberlant den gottes frúnden des jubel jores / do man zalte von gottes geburt xiijc vnd l ior (München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 818, Bl. 1 r ). Die fruhtber, nútze lere des Traktates wird der Dominikanerin folglich durch die eremitische Lebensform des (anscheinend unbekannten, da näher charakterisierten) Johannes Ruusbroec und dessen Kontakte zu den Gottesfreunden des oberlant[s] empfohlen. Da diese nicht näher spezifiziert werden noch ihre spirituelle Verbundenheit zur Straßburger Johanniterkomturei ausgewiesen wird, läßt die Überschrift des Traktates offen, ob die Gottesfreunde als (informelle) spirituelle Gemeinschaft in Straßburg bekannt und daher nicht erläuterungsbedürftig waren oder ob es sich bei ihrer Erwähnung um einen schlichten Erklärungsversuch für den literarischen Transfer aus probant ins oberlant handelt. Der Verzicht der Rubrik, die Bearbeitung des ‚Brulocht‘ im urbanen Milieu Straßburgs zu verorten, obwohl die übereinstimmende Datierung der Textübermittlung (1350) und der Bezug auf die Gottesfreunde des Oberlands einen Bezug der Vorlage von den Johannitern wahrscheinlich macht, verdeutlicht, daß die Rezeption des Textes nicht durch eine „Einbindung in eine spezifische städtische Kommunikationsgemeinschaft“ 564 motiviert und forciert wurde; eine Tradierung aufgrund eines gemeinschaftlichen Selbstverständnisses einer „Herrenschicht“ 565 i.S. der memoria an die spirituelle Tradition der Stadt und ihrer religiös-kulturellen Elite ist auszuschließen. Vielmehr verdeutlicht die Überlieferung des ‚b ch von der fúrkomenen gnoden‘ in der Handschrift einer Dominikanerin und im ‚Großen deutschen Memorial‘, das vorrangig den laikalen Pfründnern des ‚Grünen Wörth‘ als spirituelles Handbuch diente, erneut die Konvergenz der „Bedürfnisse[ ] der Nonnen in den reformierten Frauenklöstern“ 566 mit den religiösen Interessen der städtischen Laien, die vor allem „im Bereich der Passionsfrömmigkeit, des affektiven Nachvollziehens des Leidens Christi“ nachgewiesen werden konnten. 567 Auch die beiden weiteren, im St. Nikolauskloster überlieferten Codices, die nur einen kürzeren Text bzw. Auszüge aus der ‚Gottesfreundliteratur‘ tradieren, haben ihren ‚Sitz im Leben‘ in der lectio privata der Dominikanerinnen, repräsentieren jedoch - im Gegensatz zum Münchner ‚Gebetbuch‘ - zwei unterschiedliche Handschriftentypen: Während die Anlage von B 165 als Sammlung unterschiedlicher literarischer Kleinformen wie Predigten, Traktate und katechetische Stücke, deren Umfang zehn 564 Ursula Peters, Literatur in der Stadt. Studien zu den sozialen Voraussetzungen und kulturellen Organisationsformen städtischer Literatur im 13. und 14. Jahrhundert, Tübingen 1983 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 7), S. 293. 565 Ibid., S. 35. 566 Klaus Graf, Ordensreform und Literatur, S. 136. 567 Ibid. Vgl. auch: Karin Schneider, Die Bibliothek des Katharinenklosters in Nürnberg und die städtische Gesellschaft; Antje Willing, Literatur und Ordensreform im 15. Jahrhundert. Deutsche Abendmahlschriften im Nürnberger Katharinenkloster, Münster [usw.] 2004 (Studien und Texte zum Mittelalter und zur Frühen Neuzeit 4), S. 82. Exempla der Reform 315 großzügig beschriebene Quartblatt nicht übersteigt, den Codex als „Andachtsbuch“ ausweisen, 568 dessen Texte auf den begrenzten täglichen Freiraum für die Privatandacht zugeschnitten scheinen, tradiert P mit der ‚Vita‘ Seuses und der ‚Dekalogerklärung‘ Marquards von Lindau hauptsächlich längere Texte und ist, wie der Aufbau nach dem Verfasserprinzip zeigt, den sog. ‚Autorenhandschriften‘ 569 zuzurechnen, die einer kontinuierlichen und aufmerksamen, die einzelnen Episoden der ‚Vita‘ sowie des ‚Büchleins der ewigen Weisheit‘ detailliert erinnernden sowie ihre spirituelle Bedeutung durchdringenden „geistliche[n] Lesung“ bedürfen, 570 um die im Anschluß an Seuses ‚Exemplar‘ gegebenen Miniaturen zu verstehen. Trotz dieser durch den Überlieferungsverbund suggerierten Einbindung der Codices in unterschiedliche Lektürepraxen, stimmt ihre Interpretation der ‚Gottesfreundliteratur‘ auffallend überein: Beide Manuskripte tradieren die Texte ohne Autorschaftszuweisung oder Identifikationen der in ihnen auftretenden Gottesfreunde und rezipieren sie ausschließlich als religiöse Exempla. Die Erzählung von Vrselen, der closenerin z Brabant (B 165, Bl. 160 r ) ist im Überlieferungskontext von B 165 nicht länger die ‚Vita‘ einer vom Gottesfreund aus dem Oberland beratenen Inkluse, sondern Illustration eines angemessenen Umgangs mit Schuld und Beispiel für die jenseitige Belohnung eines tugendhaften, inkludierten Lebens. Ohne die in A dem Text vorangehende, redaktionelle Identifikation des Autors mit dem Mitstifter des ‚Grünen Wörth‘ ist der Text kein Dokument spiritueller Freundschaft, sondern Einführung in eine den Monialen angemessene Bußgesinnung, die sie - ebenso wie Vrsula - vor dem Fegefeuer bewahren soll. Auch der Pariser Codex, der durch den Besitzeintrag der Margaretha Zorn eine Motivation der Textkopie durch die enge Verbindung des Straßburger Patriziats zur Stiftung Rulmans vermuten ließ, ist allein am exemplarischen Potential des ‚b ch von den zwey menschen‘ interessiert: Die isolierte Tradierung des siebten Kapitels, in dem ein nicht näher charakterisierter Gottesfreund von einem Weltweisen berichtet, der die Christusnachfolge in der Welt und nicht in einem Kloster anstrebt, verlegt den Zielpunkt der narrativen Argumentation auf die Heilswirksamkeit des Gebets. Da der fehlgeleitete Weltweise nach seinem Tod einem Gottesfreund erscheint, um ihn um das Gebet der Gottesfreunde für seine Erlösung aus dem Fegefeuer zu bitten, führt das Exempel nicht nur die Bedeutung der geistlichen Lebensform für das Seelenheil, sondern auch die Heilswirksamkeit der Gebetsverpflichtung, welche die Dominikanerinnen im Totengedenken übernehmen, wirkungsvoll vor Augen. Die Tradierung der ‚Gottesfreundliteratur‘ im Straßburger Kloster St. Nikolaus in undis ist somit nicht auf ein Interesse an der Spiritualität und Geschichte eines benachbarten und von den Familien der Schwestern geförderten Konvents zurückzuführen; die durchgehend anonymisierten Abschriften sowie die - im einzelnen noch zu untersuchenden - Bearbeitungen 571 i.S. einer einheitlichen, reform-affinen Perspektive demonstrieren vielmehr, daß die in germanistischen Arbeiten zur Über- 568 Thomas Lentes, Gebetbuch und Gebärde, Bd. 1, S. 204f. 569 Ibid., S. 153. 570 Ibid. 571 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 4. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 316 lieferungsgeschichte übereinstimmend anerkannte und immer wieder exemplifizierte Bedeutung der Klosterreform für die Rezeption und Distribution geistlicher Prosa im Spätmittelalter 572 auch für die Lektüre der ‚Gottesfreundliteratur‘ außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ ausschlaggebend war. Im Gegensatz zu dem von Williams-Krapp in mehreren programmatischen Aufsätzen 573 vorgeschlagenen Deutungshorizont, der „die immense Verbreitung volkssprachlicher geistlicher Literatur im 15. Jahrhundert“ 574 durch eine planmäßige Abschreibe- und Sammeltätigkeit der Konvente bei der Anlage observanter Bibliotheken erklärt, verläuft die Tradierung der ‚Gottesfreundliteratur‘ jedoch allein durch den „kontingente[n] Faktor[ ]“ 575 des individuellen Buchbesitzes der Monialen, d.h. durch die von den Schwestern aufgrund ihrer spirituellen Interessen erstellten Sammelhandschriften oder ihnen zugedachter Buchgeschenke. 576 Die dominikanische Reformbewegung ist somit nur in einem eingeschränkten Sinne als Movens der Rezeption der ‚Gottesfreundliteratur‘ zu bezeichnen: Zum einen fungiert der andauernde Lektürestrom in einem observanten Kloster als Katalysator der Tradierung. Obwohl es sich bei dem Straßburger Textcorpus nicht um systematisch verbreitete Reformliteratur handelt, bietet die Durchdringung des gesamten Tagesablaufs der Schwestern mit spirituellen Lesungen den Anlaß zur Rezeption der ‚Gottesfreundliteratur‘ im Rahmen der lectio privata. Zum anderen werden das ‚b ch von der fúrkomenen gnoden‘, die Vita Vrsulas und die Auszüge aus dem ‚b ch von den zwey menschen‘ für ihre Lektüre im Straßburger „Protagonistenkloster“ der Observanzbewegung einer zielgerichteten Neugestaltung i.S. des dominikanischen Gebrauchszusammenhangs unterzogen: Um in den Lektürekanon eines reformierten Dominikanerinnenklosters Eingang zu finden, muß die ‚Gottesfreundliteratur‘ ihren narrativen Fokus - die Exemplifizierung spiritueller, in der Liebe zu Gott begründeter Freundschaft - aufgeben und verliert durch die damit verbundene Diversifikation ihres Themenspektrums auch ihr Spezifikum: ‚Gottesfreundliteratur‘ wird zu reform-affiner Exempelliteratur. Hervorstechende Ausnahme dieser gebrauchsfunktionalen Überarbeitung scheint auf den ersten Blick Handschrift 1659 der Universitätsbibliothek Leipzig zu sein, da diese eine vollständige Abschrift eines der Memoriale der Johanniter bietet: Diß stot alles (uor am Rand nachgetragen) geschriben in der Johaniser vrkúnde b ch z Stroßburg von dem ane vange diß b ches bicz an das clxx (L, Bl. 275 v ). Die exakte Quellenangabe sowie die anscheinend lückenlose Kopie eines vrkúnde b ch[s] eines anderen Konvents, d.h. einer Handschrift, die nicht grundlegende, der diskursiven, theologisch-aszetischen 572 Vgl. zusammenfassend und differenzierend: Antje Willing, Literatur und Ordensreform im 15. Jahrhundert. 573 Werner Williams-Krapp, Ordensreform und Literatur im 15. Jahrhundert, in: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 4 (1986/ 87), S. 41-51; ders., Observanzbewegung; ders., Frauenmystik und Ordensreform im 15. Jahrhundert, in: Joachim Heinzle (Hg.), Literarische Interessenbildung im Mittelalter. DFG-Symposion 1991, Stuttgart; Weimar 1993 (Germanistische Symposien. Berichtsbände XIV), S. 301-313; ders., ‚Dise ding sint dennoch nit ware zeichen der heiligkeit‘. Zur Bewertung mystischer Erfahrung im 15. Jahrhundert, in: Lili 80 (1990; Sonderheft: Wolfgang Haubrichs [Hg.], Frömmigkeitsstile im Mittelalter), S. 61-71. 574 Werner Williams-Krapp, Frauenmystik, S. 301. 575 Klaus Graf, Ordensreform und Literatur, S. 122. 576 Ibid., S. 131. Exempla der Reform 317 Tradition entnommene Unterweisungsliteratur sammelt, sondern Zeugnis von der Geschichte einer Kommunität gibt, die nicht einmal dem gleichen Orden angehört, belegt offensichtlich ein von den anderen Handschriften der Dominikanerinnen divergierendes Rezeptionsmovens: das Interesse an der spirituellen Tradition ihrer Heimatstadt. Der wiederkehrende (Bl. 98 r , 165 v , 275 v ), der Autorisierung dienende (? ) Verweis des Leipziger Codex auf seine Vorlage im vrkúnde b ch einer als vorbildlich geltenden religiösen Gemeinschaft bleibt jedoch der einzige Bezug der kopierten Texte auf den ‚Grünen Wörth‘; sowohl die in der Leipziger Handschrift gegebene Abschrift des ‚b ch von dem meister‘ als auch des ‚b ch von den zwey menschen‘ verzichten auf die Identifikation des laikalen Protagonisten der Texte mit dem Mitstifter der Johanniterkomturei. Aufgrund dieser nur oberflächlichen Anbindung der im Leipziger Codex versammelten Texte an die Johanniter nutzt auch die Kopie des vrkúnde b ch[s] die ‚Gottesfreundliteratur‘ als Bereicherung des textuellen Fundus der observanten Bibliothek um aszetisch-didaktische wie spekulative Texte: Die durch das ‚b ch von den zwey menschen‘ eröffnete Unterweisungsreihe, die von Regeln zur Vermeidung der Sünde der Unkeuschheit über eine Einführung in die Passionsbetrachtung bis zur Lehre vom Sakramentsempfang reicht, kann so am Schluß der Handschrift in eine eigenständige Sammlung katechetischer Texte der Dominikanerinnen übergehen. Das Memorial, das im Gebrauchszusammenhang der Johanniterkomturei die Gründung durch das heiligmäßige Wirken der Stifter fundiert, wird folglich im Rahmen einer observanten Standardbibliothek zu einem schlichten Textkompendium exemplarischer Literatur. Zusammenfassend kann die Einbindung der ‚Gottesfreundliteratur‘ in die Schreib- und Lektürepraxen eines observanten Dominikanerinnenklosters somit als Dekontextualisierung und Nivellierung ihrer Eigenart charakterisiert werden: Durch die Anbindung der Lektüre der Dominikanerinnen an die Ziele der Observanzbewegung tritt der Corpuszusammenhang, die spezifische Komposition und Verknüpfung der Texte als Dokumente einer spirituellen Freundschaft, hinter dem exemplarischen Potential der Einzeltexte zurück. Die Rahmung der Texte durch Gebete, Exempelreihen und Predigtsammlungen lenkt die Aufmerksamkeit auf jene Aspekte der Texte, die für die Dominikanerinnen Deutungsfunktion haben (das Motiv des Fegefeuers, die Erklärung der gelassenheit, die Illustration der Heilswirksamkeit des Gebets etc.), und verdeutlicht so, daß die Dominikanerinnen die Texte, deren Transfer in einen neuen Gebrauchszusammenhang allein aufgrund der grundlegenden Konvergenz zwischen Laien- und Nonnenspiritualität möglich war, gerade nicht als Frömmigkeit der laici verstanden, sondern sie auf die Regeln des Gemeinschaftslebens und die verpflichtenden liturgischen Dienste des Dominikanerinnenordens bezogen: ‚Gottesfreundliteratur‘ wird so nicht nur zu allgemeingültiger Exempelliteratur, sondern zu einer den weiblichen Klosteralltag spirituell deutenden und somit regulierenden Reformliteratur. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 318 2.3.5.2.2. Anleitung zur laikalen Meditation: Das ‚b ch von den nún veilsen‘ in der Kultur der Devotio moderna Beruht die Überlieferung der zweiten Textgruppe auf den Beziehungen des ‚Grünen Wörth‘ zu einzelnen geistlichen Gemeinschaften und erklärt damit die begrenzte Überlieferung der ‚Gottesfreundliteratur‘, wird die Tradierung des ‚b ch von den nún veilsen‘ über weite Teile des deutschsprachigen Gebietes anscheinend durch die Ausbreitung des monastischen Zweigs der Devotio moderna, der Augustinerchorherrenstifte der Windesheimer Kongregation, 577 gestützt. Überblickt man die Überlieferung der Fassung Rulman Merswins in ihrer ausführlichen und in ihrer gekürzten Textgestalt, stammen fünf der insgesamt sieben Textzeugen, deren Provenienz wir bestimmen können, aus Konventen der Windesheimer Kongregation oder aus den Gemeinschaften der Brüder und Schwestern vom gemeinsamen Leben. 578 Diese augenfällige Konzentration der Überlieferung im Bereich der Devotio moderna erklärt sich wahrscheinlich durch eine (im 15. Jahrhundert geschlossene? ) Gebetsverbrüderung der Johannitergemeinschaft zum ‚Grünen Wörth‘ mit dem Windesheimer Chorherrenstift, 579 die wohl auch zum Austausch von Texten genutzt wurde. Kann die Verbreitung des ‚b ch von den nún veilsen‘ nicht mehr im Detail rekonstruiert werden, 580 ist der Träger der augenfälligen institutionellen Tradierung in 577 Eine umfassende Darstellung der Windesheimer Geschichte fehlt, einen ersten Überblick gewährt: Wilhelm Kohl, Die Windesheimer Kongregation, in: Kaspar Elm (Hg.), Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, Berlin 1989 (Berliner Historische Studien 14; Ordensstudien VI), S. 83-106. 578 Vgl. die Zusammenstellung in der Tabelle auf S. 299-301. 579 Vgl. Marguerite Jouanny, Les Hospitaliers en Basse-Alsace, S. 245. Zu einer möglicherweise bereits früher existierenden Beziehung zwischen den Straßburger ‚Gottesfreunden‘ und Groenendaal, die nicht allein durch die Paratexte zu Merswins Bearbeitung des ‚Brulocht‘ (A, Bl. 122 r ) und Gerardus de Sanctis ‚Prologhe‘ zu den in der Handschrift 3416-21 der Koninklijken Bibliotheek in Brüssel versammelten Werken Ruusbroecs suggeriert wird, sondern darüber hinaus durch die wahrscheinlich in Straßburg entstandenen oberdeutschen Bearbeitungen des Traktates ‚Van den blinckenden steen‘ und der ‚Becoringhen‘ bestätigt wird, vgl.: Wolfgang Eichler, Jan van Ruusbroecs ‚Brulocht‘ in oberdeutscher Überlieferung, S. 30-32; ders., Zur Rezeption von Ruusbroecs ‚Geistlicher Hochzeit‘ in Oberdeutschland. Über das Entstehen und ‚Verlieren‘ einer Übersetzung im späten Mittelalter, in: Rolf Bräuer und Otfrid Ehrismann (Hgg.), Mediävistische Literaturgeschichtsschreibung. Gustav Ehrismann zum Gedächtnis. Symposion Greifswald 18.9.-23.9.1991, Göppingen 1992 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 572), S. 275-287, hier S. 276-278; ders., Jan van Ruusbroecs ‚Van den blinckenden steen‘ in oberdeutscher Überlieferung, in: Würzburger Prosastudien I. Wort-, Begriffs- und Textkundliche Untersuchungen, hg. von der Forschungsstelle für deutsche Prosa des Mittelalters am Seminar für deutsche Philologie der Universität Würzburg, München 1968 (Medium Aevum. Philologische Studien 13), S. 199-220; Thom Mertens, Ruusbroec onder de Godsvrienden, in: Rita Schlusemann und Paul Wackers (Hgg.), Die spätmittelalterliche Rezeption niederländischer Literatur im deutschen Sprachgebiet, Amsterdam; Atlanta 1997 (Amsterdamer Beiträge zur Älteren Germanistik 47), S. 109-130, hier S. 115 und 120. 580 In den tradierten Quellen zu Bibliotheksbeständen und Handschriftentransfer zwischen den Konventen von Böddeken, Kirschgarten und Rebdorf ist der Austausch des Textes nicht verzeichnet. Zum einen kann das ‚b ch von den nún veilsen‘ in den von Oeser rekonstruierten Beständen Böddekens nicht nachgewiesen werden (Wolfgang Oeser, Die Handschriftenbestände, Sp. 317-447). Zum anderen fehlen Quellen für einen Bücheraustausch zwischen Böddeken und Kirschgarten (Thomas Kock, Zur Produktion und Verbreitung von Handschriften im 15. Jahrhundert - Das Rechnungsbuch aus dem Augustiner-Chorherrenstift Kirschgarten, in: Helmut Grünke und Rainer A. Müller [Hgg.], Anleitung zur laikalen Meditation 319 der Einrichtung von Laienbrüderbibliotheken zu erkennen, wie die Besitzeinträge der Handschriften zeigen: Dyt boeck horet dem closter to Dalhem. vnd sol syn vp der broder reüenter vor dat gemeyne beste (Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kutlurbesitz, Ms. germ. oct. 181, Vorsatzblatt); Das puch gehort den leyen brüder zu Rebdoff [sic! ] in das gemein (München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 452, Bl. III v ). Obwohl der Besitzeintrag der Hildesheimer Handschrift diese den prestern vnd clercken in dem luchthoue onser lieuen vrouwen (H 724b, Bl. 1 v ) zuweist, wurde wahrscheinlich auch dieser Codex für die Laienbrüder der Fratergemeinschaft geschrieben, da in den Häusern vom gemeinsamen Leben die im monastischen Zweig der devoten Bewegung übliche Differenzierung zwischen Handschriften, die für den Gebrauch der Weltgeistlichen bestimmt sind, und solchen, die den Laienbrüdern zugehören, aufgrund der geringen Anzahl der Semireligiosen nicht gebräuchlich war. 581 Darüber hinaus ist eine Lektüre durch die im Provenienzvermerk offensichtlich ausgewiesenen klerikalen Brüder der Gemeinschaft durch den Textkanon der Fraterherrn, 582 das ‚Propositum‘ des Begründers Groote, weitgehend ausgeschlossen: In der Aufzählung der theologischen Bücher und Traktate, „die Grote auf seinem geistlichen Lebensweg unterstützten“, 583 fehlt das ‚b ch von den nún veilsen‘ und es ist auch dem Textkanon für die tägliche, private Lektüre der Kanoniker nicht eingefügt. Die Überlieferung des ‚b ch von den nún veilsen‘ im Rahmen der Devotio moderna ist somit auf einen spezifischen Adressatenkreis, die Laienbrüder, 584 zugeschnitten. Da die Statuten der Windesheimer Kongregation in ihrem vierten Hauptteil, der von den conversis, donatis et familiaribus handelt, lediglich den Gehorsam als die summa constitutio des religiösen Lebens der Laienbrüder ausweisen, 585 traten in einigen Konventen neben die Statuten schriftliche Laienbrüderordnungen, 586 welche das spirituelle Leben dieser Gruppe regulierten. Im folgenden sollen die Laienbrüderstatuen Böddekens 587 näher betrachtet werden, weil dieses Stift das Mutterkloster Dalheims 588 und durch die Vermittlung Kirschgartens 589 auch an der Reform in Rebdorf Kloster und Bibliothek. Zur Geschichte des Bibliothekswesens der Augustiner-Chorherren in der Frühen Neuzeit. Tagung der Akademie der Augustiner-Chorherrn von Windesheim vom 12. bis zum 14. November 1998 in der Benediktinerinnenabtei Mariendonk bei Kempen, Paring 2000 [PAAC 2], S. 23-58, hier S. 42). Auszuschließen ist eine Distribution durch die Einführung der Windesheimer Observanz jedoch nicht, wie vor allem die engen Beziehungen Rebdorfs und Inzigkofens zeigen. 581 Thomas Kock, Lektüre und Meditation, S. 16, Anm. 5, und ders., Die Buchkultur der Devotio moderna, S. 193. 582 Thomas Kock, Die Buchkultur der Devotio moderna, S. 114. 583 Ibid., S. 115. 584 Die in den Windesheimer Statuten vorgenommene Differenzierung der nicht zum Chorgebet zugelassenen Klosterfamilia in Konversen, Donaten und laici, die sich durch Umfang und Form der Gelübde und Gebetspflichten unterscheiden, wurde in der Praxis immer mehr aufgegeben, so daß im folgenden auf diese interne Differenzierung verzichtet und mit Rüthing übergreifend von ‚Laienbrüdern‘ gesprochen werden kann (vgl. Heinrich Rüthing, Frömmigkeit, Arbeit, Gehorsam, S. 205; Wilhelm Kohl, Konversen und verwandte Gruppen in den Klöstern der Windesheimer Kongregation, in: Kaspar Elm [Hg.], Beiträge zur Geschichte der Konversen im Mittelalter, Berlin 1980 [Berliner Historische Studien 2; Ordensstudien 1], S. 67-91). 585 Heinrich Rüthing, Frömmigkeit, Arbeit, Gehorsam, S. 206. 586 Ibid., S. 208. 587 Vgl. die Edition bei: Thomas Kock, Lektüre und Meditation, S. 55-60. 588 Thomas Kock, Schreiben um Gottes Lohn, S. 323. Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 320 beteiligt war 590 und die Reformklöster ihre Laienbrüderregel an die von ihnen reformierten Klöster weitergaben. 591 Die in der Handschrift 1254/ 589 der Trierer Stadtbibliothek überlieferten Statuten können daher an die Stelle der nicht erhaltenen Regeln aus Dalheim und Rebdorf sowie Inzigkofen treten. Die ‚statuta laicorum‘ suchen das in den programmatischen Traktaten der Bewegung entworfene geistliche Übungsprogramm, das in der intensiven Lektüre und Meditation religiöser Texte die Grundlage einer Erneuerung der Einzelperson sowie der Gestaltung der vita communis erkennt, auf jene Gruppe in den Gemeinschaften zu übertragen, für die das konstitutive Element devoter Lebensführung - der bewußte Umgang mit der materiellen sowie spirituellen Dimension von Buch und Schrift 592 - gegenüber den labores exteriores zurücktritt: Die Laienbrüderregeln suchen die Arbeit der Donaten durch die Lektüre im Refektorium in das Stufenprogramm der exercitia spiritualia 593 zu integrieren, um auch die Semireligiosen an das Ziel der devoten Lebensführung heranzuführen. Alse die segheninghe ghesproken is, so sulle ghij zedelike gaen sitten, die een na den anderen, ende setten iu covelen op iu hoevet sonder hoet unde waren iu oghen net umme tho siene wie ander tafelen sitte afft wat hie voer hem hebbe, meer slaen iu oghen vor iu neder ende vergaderen iu synne tho horne die hillighen lere ende woerde die men daer leset ende merken die, op dat ghij iu leven ende zeden daer nu gelijc moghen maken, also dat ghij daer neit allene spise des lichames mer oic der zelen halen. Alse ghij sitten sijn gaen ter tafelen, so sulle ghij een horen lesen, eer ghij beghynnen [98 v ] tho ethene, uit welken worden ghij wat merken sullen dat iu ynnicheit af vuricheit in brenghen mach, up dat ghij iu neit haestelike af girichlike storten up die spise alse een hongherich vraet dien men neit saden en mach, meer nemen die spise al satelike alse medicine, neit na hongher ende gulsicheit, mer na noetdrofticheit des lichaemes. Alse die broders gheten hebben, so segghe die leser: „Mer du heer“ etc. [...] So sal dan een igelic haestelike [99 r ] gaen weder op syn werck ende hoede dem dan vor vele sprekens dat hie die lere hie over tafelen gehort hevet, niet en verghete, noch syn herte niet traech en werde ten bedene. 594 Auch wenn die Lektüre der Laienbrüder zeitlich und inhaltlich stark eingeschränkt ist (vorgelesen werden während des gemeinsamen Essens im Reventer neben den Statuten 595 nur einige wenige Basistexte), so zeigen die Regeln der Tischlesung, daß auch das Formungsprogramm der Laien anhand der Trias von lectio, meditatio und oratio verläuft: Das auffällige Changieren der Anweisungen zwischen wörtlicher und metaphorischer Sinnebene der ‚Speisung‘ weist darauf hin, daß die Arbeit der Laienbrüder durch ein indefesse ruminare, eine mentale Betrachtung des vorgelesenen Textes 589 Zur Reform Kirschgartens durch Böddeken vgl. Eugen Schatten, Kloster Böddeken und seine Reformtätigkeit im 15. Jahrhundert, Münster 1917; Joachim Kemper, Klosterreform im Bistum Worms im späten Mittelalter, Mainz 2006 (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 115), S. 223-232. 590 Joachim Kemper, Klosterreform im Bistum Worms, S. 260-263. 591 Thomas Kock, Lektüre und Meditation, S. 55. 592 Nikolaus Staubach, Text als Prozeß. Zur Pragmatik des Schreibens und Lebens in der Devotio moderna, in: Christel Meier, Volker Honemann, Hagen Keller und Rudolf Suntrup (Hgg.), Pragmatische Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur. Akten des Internationalen Kolloquiums des Sonderforschungsbereiches 231, 26.-29. Mai 1999, München 2002 (Münstersche Mittelalter-Schriften 79), S. 251-276, hier S. 254. 593 Nikolaus Staubach, Pragmatische Schriftlichkeit im Bereich der Devotio moderna, in: FMSt 25 (1991), S. 418-461, hier S. 435. 594 Thomas Kock, Lektüre und Meditation, S. 57, Z. 78-S. 58, Z. 100. 595 Ibid., S. 60, Z. 200f. Anleitung zur laikalen Meditation 321 mit Hilfe des intonierenden Nachvollzugs und der Imagination innerer Bilder, 596 begleitet werden soll. Die Meditation einzelner Textelemente durch häufige Wiederholung zielt dabei auf die Anpassung des in der lectio ad mensam Vorgetragenen an die „geistliche Lebenspraxis und Erfahrung“ 597 des einzelnen, was in der oratio münden soll: Das Herz der Brüder soll niet traech en werde ten bedene, d.h., die Konversen werden durch das Vorlesen im Refektorium zu einer Spiritualisierung ihrer körperlichen Arbeit angeleitet, indem ihr gesamtes Tagwerk von frommen Betrachtungen begleitet werden soll. Das Ziel der Laienbrüderlektüre unterscheidet sich folglich nicht von dem der Fraterbzw. Augustinerchorherren; die entscheidende Differenz liegt vielmehr in der Gewichtung der einzelnen Schritte des Stufenprogramms: Dem extensiven Lektürekanon der Augustinerchor- und Fraterherren, der durch ein systematisches und elaboriertes Andachtsprogramm zu bestimmten Tageszeiten und während der Messe begleitet wird, 598 wird „die Meditation bestimmter, vorgegebener Themen“ gegenübergestellt, 599 die den Laienbrüdern während der Tischlesung in praktischen Anleitungen in Form von Tugend- und Lastertraktaten sowie anderen exercitia spiritualia 600 bekannt gemacht werden. Auch wenn auf das ‚b ch von den nún veilsen‘ in den thematisch geordneten Wochen- und Tagesschemata zur Meditation nicht verwiesen wird, noch in den eingesehenen Handschriften mit Hilfe des Inhaltsverzeichnisses oder von Randnotizen einzelne Textpassagen ausgewiesen werden, die die Lektüre bestimmten Tageszeiten oder Wochentagen zuordnen, weist der (durch die Besitzeinträge ausgewiesene) Gebrauchszusammenhang im Refektorium der Laienbrüder das ‚b ch von den nún veilsen‘ folglich als „Handbuch der Meditation“ aus. 601 Zur meditativen Durchdringung des gesamten Tagesablaufs in einem semireligiösen Gemeinschaftsleben 596 Niklaus Largier, Präsenzeffekte. Die Animation der Sinne und die Phänomenologie der Versuchung, in: Poetica 37 (2005), S. 393-412. 597 Nikolaus Staubach, Gerhard Zerbolt von Zutphen und die Apologie der Laienlektüre in der Devotio moderna, in: Thomas Kock und Rita Schlusemann (Hgg.), Laienlektüre und Buchmarkt im späten Mittelalter, Frankfurt/ M. [usw.] 1997 (Gesellschaft, Kultur und Schrift. Mediävistische Beiträge 5), S. 221-289, hier S. 251. 598 Vgl. Fritz Oskar Schuppisser, Schauen mit den Augen des Herzens. Zur Methodik der spätmittelalterlichen Passionsmeditation, besonders in der Devotio moderna und bei den Augustinern, in: Walter Haug und Burghart Wachinger (Hgg.), Die Passion Christi in Literatur und Kunst des Spätmittelalters, Tübingen 1993, S. 169-210. 599 Thomas Kock, Lektüre und Meditation, S. 31. 600 Nikolaus Staubach, Gerhard Zerbolt von Zutphen, S. 251. 601 Thomas Kock, Schreiben um Gottes Lohn, S. 327. Diese Vermutung wird durch einen Textzeugen der kürzeren Fassung des ‚b ch von den nún veilsen‘ bestätigt: In Codex 12868 der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien, die die Einsteiner Laienbrüderregel und eine Meditationsanleitung überliefert, findet sich - wenn auch auf einem anderen Faszikel, jedoch in diesen Überlieferungskontext gestellt - das ‚b ch von den nún veilsen‘ (vgl. die Ausführungen S. 288f.). Vgl. zudem die Lektüre einer Fassung des ‚b ch von den nún veilsen‘ im Rahmen der Tischlesung der Nürnberger Dominikanerinnen, wie aus dem 1455/ 57 entstandenen Tischlesungskatalog hervorgeht (Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VII, 79, Bl. 3 r -87 r ; Antje Willing, Literatur und Ordensreform, S. 61). Zum Fest ‚Allerseelen‘ führt das Lesamtbüchlein aus: Aller sel tag: | J. XX. puch, die legent von allen selen,| am XLIIII. plat.| [...] N. IIII. puch, von den IX velsen, | am I. plat.|| (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, hg. von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München, Bd. 3, Teil 3: Bistum Bamberg, bearbeitet von Paul Ruf, München 1939 [Unveränderter Nachdruck München 1969], S. 670, Z. 12-15). Textkompendien: Die Überlieferung außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei 322 scheint das ‚b ch von den nún veilsen‘ durch zwei textuelle Charakteristika besonders geeignet: 602 Neben der formalen Gestaltung des ‚b ch‘ - der repetitiven Struktur der Syntax und Formulierungen sowie der Gliederung in kurze Texteinheiten -, die den kontemplativen Nachvollzug des Textes durch seine mühelose Memorierbarkeit erleichtert, fördert das thematische Spektrum des ‚Neunfelsenbuches‘ seine Verwendung als Meditationsanleitung, da es sich in jene Meditationsstoffe eingliedert, die im Laufe einer Woche betrachtet werden sollen: „einerseits Stoffe, welche die Furcht Gottes fördern [...] (z.B. Sünde, Tod, Jüngstes Gericht, Hölle), zum anderen aber auch Inhalte, welche die Hoffnung und die Gottesliebe zu fördern geeignet sind.“ 603 Liefert der erste Teil des Textes in einem Sündenkatalog der einzelnen Stände den Laienbrüdern Denkanstöße für die morgendliche und abendliche Gewissensprüfung und leitet so zur purgatio an, erleichtert die lebensweltliche Bildlichkeit der ‚Neunfelsen‘-Vision, welche die via illuminativa bis hin zur visio Dei beschreibt, die Übertragung vom Bild zum geistlichen Sinn, so daß die imaginatio dem Betrachtenden den geistlichen Aufstieg erschließt und ihn zur persönlichen Aneignung der präsentierten Tugenden und Glaubenssätze anleitet. Die Integration des ‚b ch von den nún veilsen‘ in den Gebrauchszusammenhang der Devotio moderna erklärt sich folglich weder durch die ästhetische Qualität des Textes noch durch die Beziehungen zum ‚Grünen Wörth‘ - der Text ist in den devoten Gemeinschaften stets anonym tradiert -, sondern allein durch seine laikale Spiritualität und meditative Faktur. Im Rahmen der Tischlektüre der Laienbrüder dient das ‚b ch von den nún veilsen‘ als Anleitung zur kontemplativen Überformung eines laikalen, durch Handarbeit geprägten Alltags, als Handbuch einer Spiritualität religiöser Laien. 602 Zur meditativen Faktur des ‚b ch von den nún veilsen‘ vgl. Kapitel 4.2.2.1. 603 Fritz Oskar Schuppisser, Schauen mit den Augen des Herzens, S. 171. 3. Textreliquien vs. Textspeicher: Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 3.1 Methodische Vorüberlegungen: Zur Anlage der überlieferungsgeschichtlichen Untersuchung Die 1905 von Rieder veröffentlichte, eingehende Analyse der auf dem ‚Grünen Wörth‘ entstandenen Codices der ‚Gottesfreundliteratur‘ blieb bis heute die einzige und somit maßgebliche textkritische Auseinandersetzung mit dem Corpus. Trotz der von Strauch in seiner Rezension vorgebrachten Einwände gegen Einzelaspekte der Handschriftenanalyse und gegen die Identifizierung des Johanniterpriesters Nikolaus von Löwen als Spiritus rector der Gottesfreund-Mystifikation leistet die Untersuchung eine überlieferungsgeschichtliche Fundierung und Präzisierung der plausiblen ‚Fälschungs‘-Thesen Denifles und bietet, so der implizite Forschungskonsens, eine, wenn in Details auch diskutable, so insgesamt doch einsichtige Bewertung der Überlieferung der Straßburger Komturei: Rieder nimmt an, bei dem Handschriftenverbund handele es sich um eine langsam verfertigte Fälschung der Lebensbeschreibungen der Stifter, die diese durch mystische Gnadenerlebnisse zu heiligmäßigen Gründerfiguren stilisieren wollten. Die Überzeugungskraft der These beruht dabei hauptsächlich auf einem Charakteristikum der Überlieferung, das Rieder für j e d e n der 22 Texte des Corpus anführt: Die den Schriften in Rubriken beigegebene Erläuterung ihrer Genese könne, so Rieder, nicht mit den Ergebnissen der Textkritik in Einklang gebracht werden; keines der ‚Autographen‘ sei die Vorlage der weiteren auf dem ‚Grünen Wörth‘ entstandenen Textzeugen. 1 Dieses textkritische Ergebnis leitet Rieder aus zwei ‚Belegen‘ ab. Zum einen würde die ausführliche Kommentierung der Textgeschichte sowie der Hinweis auf ‚autographe‘ Textzeugen erst in der letzten Phase des Tradierungsprozesses, präziser in den redaktionellen Zusätzen zu den ‚Autographen‘ im ‚Briefbuch‘ und in den nachträglich angefügten Teilen des ‚Großen deutschen Memorials‘, den Texten beigegeben; beide seien sekundäre Ergänzungen, die Zweifel an der Autorschaft der Stifter durch den Nachweis ‚autographer Originale‘ auszuräumen trachteten. 2 Rieder führt so z.B. zum ‚b ch von den vier ioren‘ aus: Warum Nikolaus von Löwen das V o r h a n d e n s e i n dieser eigenhändigen Schrift erst im Briefbuch, in den früheren Memorialen dagegen n i r g e n d s erwähnt, ist nur dann zu begreifen, wenn das im Briefbuch eingefügte Buch der Vier-Jahre auch erst in und mit dem Briefbuch entstanden ist, d.h. wenn die Vier-Jahre weder die Lebensbeschreibung noch die eigenhändige Schrift Rulmanns sind, sondern Nikolaus von Löwen ihr Fälscher ist. 3 1 Vgl. z.B. die Ausführungen zum ‚b ch von den zwey menschen‘: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 89-91; zum ‚b ch von dem meister‘: ibid., S. 93-95; zum ‚b ch von den nún veilsen‘: ibid., S. 99-105; zum ‚b ch von den vier ioren‘: ibid., S. 168-171, und zum ‚b ch von den fúnf mannen‘: ibid., S. 172-175. 2 Ibid., S. 174. 3 Ibid., S. 167f. Hervorhebung im Original. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘‘ 324 Als zweites Argument für die angeblich nachträglich (also nach Rulmans Tod und nach der Anlage der ‚Pflegermemoriale‘) hergestellten ‚Autographen‘ dienen Rieder augenfällige Unterschiede zwischen dem Textverlauf der ‚Originale‘ und den Textversionen der weiteren Überlieferung, wie etwa fehlende Überschriften 4 und detailliertere Einleitungen 5 in den ‚Autographen‘, sowie ‚Zusätze‘ in den späteren Textzeugen, 6 die alle gleichermaßen nachweisen könnten, daß die Textfassung der ‚Autographen‘ nicht die Grundlage der Überlieferung sei: Es ist ein allgemein anerkannter psychologischer Grundsatz: wenn jemand etwas durch Abschrift überliefert, was ihm teuer und lieb ist, so überliefert er es mit aller Sorgfalt, ganz, ohne jede Auslassung und ohne jede Zutat. Ein teures Andenken mußte aber für Nikolaus von Löwen wie für die andern Brüder von Grünenwörth die eigenhändige Lebensbeschreibung ihres Stifters sein, umso mehr als dieser seine Lebensbeschreibung bei Lebzeiten so geheim gehalten und mit silbernem Siegel versehen hatte. Nikolaus von Löwen durfte also beim Abschreiben nichts weglassen, was in ihr geschrieben stand. Nun f e h l t aber in a l l s e i n e n A b s c h r i f t e n [des ‚b ch von den vier ioren‘, d.V.] d e r A n f a n g : eine völlig unbegreifliche Erscheinung, wenn diese Abschriften n a c h Rulmanns Original angefertigt worden sind, oder mit anderen Worten, wenn diese „eigenhändige“ Lebensbeschreibung v o r Anlegung der Pflege[r]bücher schon vorhanden war. Ist aber die „eigenhändige“ Lebensbeschreibung erst mit Anlegung des Briefbuches entstanden, dann läßt sich leicht erklären, wie Nikolaus von Löwen einen Zusatz beifügen konnte [...], um die Wahrheit des Inhalts zu bekräftigen und vor jedem Zweifel sicher zu stellen. Nikolaus von Löwen gibt also etwas als eigenhändige Schrift Rulmanns aus, was in der Tat keine solche ist: N i k o l a u s v o n L ö w e n i s t e i n F ä l s c h e r . 7 Wie bereits ausgeführt, 8 ist es das Ziel des dritten, überlieferungsgeschichtlichen Untersuchungsteils der vorliegenden Studie, die gerade skizzierte und von der Forschung bislang akzeptierte Charakterisierung des ‚Gottesfreund‘-Corpus einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Dabei wird zu zeigen sein, daß das von Rieder formulierte Untersuchungsergebnis - bei dem gesamten Überlieferungskomplex handele es sich um nachträgliche, legitimatorische Fälschungen - durchaus keine zwingende Schlußfolgerung aus den textkritischen Befunden darstellt, sondern vielmehr auf einer Bewertung des Tradierungsprozesses nach den Maßgaben eines philologischen Textverständnisses und diesem impliziter, exakter Kopierverfahren beruht. Nur vor dem Hintergrund eines modernen Verständnisses von ‚Text‘ und ‚Schriftlichkeit‘ und daraus abgeleiteter Konzepte von Textgenese (Original) und -tradierung (wortgetreue Kopie) ist die Varianz in der Überlieferung der ‚Gottesfreundliteratur‘ über die zu konstatierenden, unterschiedlichen Formen der Textkonstitution hinaus als falsifikatorische Technik zu charakterisieren. Demgegenüber möchte die im folgenden durchgeführte textkritische Analyse das spezifische Modell von Textualität ermitteln, das der Tradierung der ‚Gottesfreundliteratur‘ zugrundeliegt. Zur Rekonstruktion der Textpraxis der Johanniterkomturei, die von modernen, 4 Ibid., S. 101, 168. 5 Ibid., S. 168f., 173. 6 Ibid., S. 101-103, 169. 7 Ibid., S. 169f. Hervorhebung im Original. 8 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 1.2. Methodische Vorüberlegungen 325 philologischen Leitkonzepten erkennbar abweicht, bieten sich dabei drei auf dem ‚Grünen Wörth‘ stets gemeinsam tradierte und sich daher gegenseitig kommentierende und erhellende Texte an: die Chronik des ‚Grünen Wörth‘ bis 1382 sowie die beiden ‚Stifterviten‘, das ‚b ch von den vier ioren sines ane vohenden lebendes‘ und das ‚b ch von den fúnf mannen‘. Dieser Nukleus der ‚Gottesfreundliteratur‘ gewährt einen paradigmatischen Zugang zum Schlüsselproblem des Überlieferungskomplexes, da die genannten Texte der spirituellen Regulierung und historischen Situierung der Stiftung dienen und folglich durch ihren genuinen Ursprung bei den Johannitern sowohl die Funktion der ‚Autographen‘ der Stifter und somit das Verständnis von ‚Originalität‘ in der Manuskriptwerkstatt offenbaren als auch durch ihre Relevanz für die memoria der Institution einen besonders kontrollierten und damit zugleich regelkonformen Tradierungsprozeß erwarten lassen. Das Ziel der Analyse - die Überprüfung der redaktionellen wie textinternen Textentstehungs- und Überlieferungsgeschichten - bedingt eine grundsätzliche methodische Orientierung an den Verfahren traditioneller Textkritik. Die Implikationen und Problematik der sog. Lachmannschen Methode, die im Rahmen einer in den vergangenen Jahren intensiv geführten Debatte über editorische Verfahrensweisen der Mittelalterphilologie immer deutlicher ins Bewußtsein trat, erfordern im Fall der ‚Gottesfreundliteratur‘ einige Modifikationen an Arbeitstechniken und Terminologie der traditionellen Philologie, um diese sachgerecht anwenden zu können. Da die folgenden textkritischen Untersuchungen keine Edition anstreben, sondern das Spezifikum einzelner Textversionen zu charakterisieren suchen, um leitende Konzepte der Texttradierung und somit das Verständnis von Textualität der Johanniterkomturei zu rekonstruieren, zielt die durchgeführte, vollständige Kollationierung der Texte und der Vergleich der Handschriften nicht auf eine isolierte Betrachtung, wenn auch charakteristischer, so doch singulärer Abweichungen der unterschiedlichen Textzeugen, vielmehr sucht die Analyse durch eine Typologie der Varianz den Zusammenhang der erfaßten Unterschiede zu überblicken. Der Vergleich des Textbestandes und der Textfolge stehen jeweils zu Beginn der Untersuchungen der Einzeltexte, um die Grobstruktur der in den Manuskripten überlieferten Textformen einander gegenüberzustellen. Die hier verzeichneten Zusätze bzw. Auslassungen sowie Vertauschungen der Abfolge und veränderten Textgliederungen umfassen stets ganze Textpassagen, gehen also über die Satzebene hinaus. Diese Bedingung wird gestellt, da Textbestand und -folge nicht nur eine eventuelle Verwandtschaft zwischen Manuskripten offenlegen können, sondern auch bewußte Bearbeitungsprozesse herausstellen, wenn Differenzen nicht auf die Mechanik des Abschreibeprozesses zurückzuführen sind. Die Untersuchung der Makrostruktur der Textzeugen schärft folglich bereits den Blick für die Prinzipien, die die Textvervielfältigung steuern. Im Anschluß werden jene Unterschiede analysiert, die sich auf der Mikroebene des Textes - von der Ebene des Einzelwortes bis hin zum Satzgefüge - befinden. Neben die traditionelle Untersuchung von ‚Fehlern‘, die hier nur dann als solche verstanden werden, wenn eine a-grammatische Konstruktion vorliegt oder der Sinn des Textes verbzw. entstellt ist, tritt eine Studie der Textformulierungen: Differenzen im Wort- oder Satzteilbestand, Umstellungen, Austausch von Lexemen oder Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘‘ 326 Satzteilen bis hin zu unterschiedlichen Formulierungen im weitesten Sinne sollen zeigen, inwiefern die Tradierung durch Variation gelenkt ist, und ob die einzelnen Handschriften eine kohärente, zielstrebige Bearbeitung erstellen. Obwohl die Untersuchung somit textuelle Variation in den Fokus stellt, bleibt ihr Ziel, die Tradierungswege des Corpus zu ermitteln, und nicht eine detaillierte Wiedergabe der Quantität der textuellen Modifizierungen. Hieraus ergeben sich gewisse Beschränkungen der Studie: Für die Textgeschichte relativ belanglose Textvarianz im Bereich der Flexion (wie Tempusaustausch, Wechsel von starker und schwacher Flexion und Gerundium-Ersatz oder -Einfügung), der Lexik (Substitution von Artikeln und Pronomina) und der Syntax (Einsatz oder Ausfall von Konjunktionen) wird nicht verzeichnet. Auch werden dialektale Varianten ebenso wie Synonyma-Austausch nur summarisch behandelt. Obwohl somit die Variation nicht auf allen Ebenen des Textes gleichermaßen erfaßt wird, erscheint das gegebene Material ausreichend, um sowohl die Textgeschichte zu rekonstruieren als auch einen Eindruck von Art und Umfang der Variation zu vermitteln. Wie bereits Rieders eher kursorische Durchsicht der Textzeugen vermuten ließ, verdeutlicht eine detaillierte textkritische Analyse, daß die zu verzeichnenden Differenzen der Handschriften nur z.T. auf die Mechanik des Abschreibeprozesses, im stärkeren Maße auf bearbeitende Schreibpraxen zurückzuführen sind, so daß eine Modifikation des herkömmlichen Begriffsapparates notwendig ist: „Fast alle Begriffe, die zur Bezeichnung der Unterschiede zwischen verwandten Texten zur Verfügung stehen (Kürzung, Erweiterung, Umstellung, Verschiebung, Ergänzung, Auslassung, Ersatz usw.) [sind] von der Sichtweise der traditionellen Textkritik geprägt [...], insofern sie immer schon eine bestimmte Änderungsrichtung implizieren“ 9 und somit einen Ausgangstext i.S. eines ‚unveränderlichen‘ Originals voraussetzen. Die Überlieferung des ‚Grünen Wörth‘ erlaubt jedoch eine Entscheidung über einen Bezugstext nicht, sie ist vielmehr durch jeweils gleichwertige Dokumente des historischen Gebrauchs eines Werkes geprägt. Die von Bumke - in Ermangelung „neutraler“ Begriffe 10 - vorgeschlagene Beschreibung epischer Variation durch „Begriffspaare“ wie „plus/ minus, mehr/ weniger, Vor-/ Nachstellung“ 11 suggeriert aber ebenfalls eine größere Neutralität als ihr eigen ist, weil das entscheidende terminologische Problem der gewählten Referenzgröße auch hier nicht gelöst wird. Im folgenden wird daher an der weniger technizistischen Begrifflichkeit der klassischen Philologie festgehalten, mit dem maßgeblichen Unterschied, daß die Terminologie nicht das Verhältnis der Handschriften zu einem zu ermittelnden ‚Original‘, sondern ihre Beziehung untereinander bezeichnet. 12 Zwei zentrale Begriffe der etablierten textkritischen Begrifflichkeit sind von dieser Regelung jedoch ausgenommen: 9 Joachim Bumke, Die vier Fassungen der ‚Nibelungenklage‘. Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte und Textkritik der höfischen Epik im 13. Jahrhundert, Berlin; New York 1996, S. 391. 10 Ibid. 11 Ibid. 12 Vgl. auch: Kurt Otto Seidel, Die St. Georgener Predigten. Untersuchungen zur Überlieferungs- und Textgeschichte, Tübingen 2003 (MTU 121), S. 148. Methodische Vorüberlegungen 327 Eine terminologische Sonderstellung nimmt zum einen der Begriff der ‚Lesart‘ oder ‚Variante‘ ein, da diese im Rahmen der sog. Lachmannschen Methode eine enge, an die Konzeption des Autortextes gebundene Bedeutungsdefinition erhalten hat. Ist das Ziel der Edition die Rekonstruktion des Originals, sind Lesarten Fremdvarianten, d.h., sie werden nicht auf den Autor, sondern auf sekundäre Änderungen in der Rezeption durch Abschreiber oder Drucker zurückgeführt (z.B. Lesefehler, Augensprünge, Änderungen aufgrund von unleserlichen oder unverständlichen Textstellen) und sind daher nach Maßgabe des iudicium des Herausgebers zu eliminieren. Demgegenüber sind unterschiedliche Autorenfassungen in ihrer Gleichwertigkeit vom Herausgeber auszuweisen. Aufgrund dieser für das Textcorpus problematischen Implikation werden die Begriffe ‚Variante‘ und ‚Lesart‘ für „Textabweichung[en] geringeren Umfangs“ 13 vermieden und stattdessen wird auf die neutralen Termini ‚Textdifferenzen‘ oder ‚Varianz‘ zurückgegriffen. Eine Intentionalität der Unterschiede ist dabei nicht notwendig impliziert, aber auch nicht ausgeschlossen. Der zweite zu erörternde Begriff steht für die Verbindung mehrerer Textdifferenzen, die durch ihre Kooperation eine neue Textkohärenz erzeugen: (Spätestens) seit Bumkes Publikation zur ‚Nibelungenklage‘ können die bisher verwendeten Begriffe der ‚Fassung‘, ‚Redaktion‘ und ‚Bearbeitung‘ „nicht mehr unbedacht benutzt werden“. 14 Fassungen, bei denen es sich in einem Minimalkonsens um „unterschiedliche Ausformungen eines insgesamt als identisch wahrgenommenen Werks“ 15 handelt, wurden von Bumke einer prinzipiellen Nobilitierung unterzogen: In der Textkritik Lachmannscher Prägung als „methodisches Konstrukt [... verstanden], mit dessen Hilfe aus der jeweiligen Überlieferung ein Originaltext wiederzugewinnen bzw. der ‚beste‘ Text herzustellen sei“, 16 sucht Bumke sie als Charakteristikum „eines frühen Zustandes volkssprachlicher Schriftlichkeit, als die Texte noch prinzipiell variabel waren,“ 17 zu etablieren. Hierzu löst Bumke die der Definition der ‚Fassung‘ implizierte Autorbindung und definiert ‚Fassungen‘ - in Abgrenzung von ‚Bearbeitungen‘ - nach der Möglichkeit, „eine vorausgehende Version stemmatologisch [...] rekonstruieren zu können“: 18 Von Fassungen spreche ich, wenn ein Epos in mehreren Versionen vorliegt, die in solchem Ausmaß wörtlich übereinstimmen, daß man von ein und demselben Werk sprechen kann, die sich jedoch im Textbestand und/ oder in der Textfolge und/ oder in den Formulierungen so stark unterscheiden, daß die Unterschiede nicht zufällig entstanden sein können, vielmehr in ihnen ein unterschiedlicher Formulierungs- und Gestaltungswille sichtbar wird; und wenn das Verhältnis, in dem diese Versionen zueinander stehen, sich einer stemmatologischen Bestimmung widersetzt, also kein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne 13 Winfried Woesler, Lesart, Variante, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft Bd. 2 (2000), S. 401-404, hier S. 401. 14 Hans-Jochen Schiewer, Fassung, Bearbeitung, Version und Edition, in: Martin J. Schubert (Hg.), Deutsche Texte des Mittelalters zwischen Handschriftennähe und Rekonstruktion. Berliner Fachtagung 1.-3. April 2004, Tübingen 2005 (editio; Beihefte 23), S. 35-50, hier S. 38. 15 Bodo Plachta, Fassung, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft Bd. 1 (1997), S. 567f., hier S. 567. 16 Ibid., S. 568. 17 Joachim Bumke, Die vier Fassungen der ‚Nibelungenklage‘, S. 389. 18 Hans-Jochen Schiewer, Fassung, Bearbeitung, Version und Edition, S. 39. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘‘ 328 der klassischen Textkritik vorliegt, womit zugleich ausgeschlossen wird, daß die eine Version als Bearbeitung der anderen definiert werden kann; vielmehr muß aus dem Überlieferungsverbund zu erkennen sein, daß es sich um ‚gleichwertige Parallelversionen‘ handelt. 19 Unter einer Bearbeitung verstehe ich eine Textfassung, die eine andere Version desselben Textes voraussetzt und sich diesem gegenüber als sekundär zu erkennen gibt. 20 Bumkes Definition birgt zwei, in den maßgeblichen Rezensionen bereits ausführlich diskutierte Probleme: 21 Zum einen ist die voluntaristische Definition, d.h. die definitorische Bindung an einen Gestaltungswillen, wenig praktikabel, da „textanalytisch“ 22 nicht abschließend zu rekonstruieren ist, ob Textdifferenzen auf bewußte Eingriffe zurückzuführen sind; 23 zum anderen ist die vorgeschlagene Differenzierung zwischen ‚Fassung‘ und ‚Bearbeitung‘ nicht „substantiell-historisch“, sondern allein „methodisch-erkenntnistheoretisch“ zu begründen: 24 Die ‚Fassung‘ ist eine ‚Bearbeitung‘, deren Vorlage aus der Kollationierung nicht ermittelt werden kann 25 und der deshalb ein höheres Maß an Eigenständigkeit und Originalität zugesprochen wird. Die Autorität, die in der Textkritik der Lachmannschen Tradition durch die Rekonstruktion eines Autorwillens dem ‚Original‘ zugesprochen und von Bumke für die Bedingungen der mittelalterlichen Schriftkultur als anachronistisch abgelehnt wurde, wird in seiner Terminologie der ‚Fassung‘ verliehen: „In gewissem Sinn nehmen die Fassungen [...] den Platz ein, den in der alten Textkritik das Original innehatte.“ 26 Die vorgenommene Hierarchisierung zwischen ‚(Parallel-)Fassung‘ und ‚Bearbeitung‘ wird im folgenden daher in eine prinzipielle Gleichwertigkeit im Hinblick auf Autorisation und Intentionalität überführt und ausschließlich von ‚Versionen‘ gesprochen, 27 die durch partielle „Textidentität aufeinander beziehbar und durch Textvarianz voneinander unterschieden“ sind. 28 Da darüber hinaus - trotz zahlreicher Bestimmungsversuche - bisher keine objektivierbaren Kriterien für die Definition 19 Joachim Bumke, Die vier Fassungen der ‚Nibelungenklage‘, S. 32. 20 Ibid., S. 45. 21 Vgl. Peter Strohschneider, Rezension zu: Joachim Bumke, Die vier Fassungen der ‚Nibelungenklage‘, in: ZfdA 127 (1998), S. 102-117, bes. S. 114-117; ders., Rezension zu: Die ‚Nibelungenklage‘, hg. von Joachim Bumke, in: Arbitrium 19 (2001), S. 26-32, bes. S. 28; Albrecht Hausmann, Mittelalterliche Überlieferung als Interpretationsaufgabe. ‚Laudines Kniefall‘ und das Problem des ‚ganzen Textes‘, in: Ursula Peters (Hg.), Text und Kultur. Mittelalterliche Literatur 1150-1450. DFG- Symposion 2000, Stuttgart; Weimar 2001 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 23), S. 72-95; demgegenüber positiv: Karl Stackmann, Joachim Bumkes Ausgabe der „Klage“. Notizen zu einer bemerkenswerten Neuedition, in: ZfdPh 120 (2001), S. 381-393, bes. S. 392. 22 Peter Strohschneider, Rezension zu: Joachim Bumke, Die vier Fassungen, S. 115. 23 Ähnliche Einwände sind auch gegen die von Steinmetz vorgeschlagene Unterscheidung von Bearbeitungen anhand ihres „Intentions-“ und „Adaptionsgrades“ vorzubringen: Ralf-Henning Steinmetz, Bearbeitungstypen in der Literatur des Mittelalters. Vorschläge für eine Klärung der Begriffe, in: Elizabeth Andersen, Manfred Eikelmann, Anne Simon unter Mitarbeit von Silvia Reuvekamp (Hgg.), Texttyp und Textproduktion in der deutschen Literatur des Mittelalters, Berlin [usw.] 2005 (Trends in Medieval Philology 7), S. 41-61. 24 Albrecht Hausmann, Mittelalterliche Überlieferung als Interpretationsaufgabe, S. 79. 25 Ibid., S. 78f. 26 Joachim Bumke, Die vier Fassungen der ‚Nibelungenklage‘, S. 48. 27 Vgl. auch: Hans-Jochen Schiewer, Fassung, Bearbeitung, Version und Edition, S. 40. 28 Siegfried Scheibe, Zum editorischen Problem des Textes, in: ZfdPh 101 (1982; Sonderheft: Norbert Oellers und Hartmut Steinecke [Hgg.], Probleme neugermanistischer Edition), S. 12-29, hier S. 28. Methodische Vorüberlegungen 329 und Differenzierung von ‚Fassungen‘ und ‚Redaktionen‘ mit Hilfe des Umfangs der Textvarianz bzw. -identität erarbeitet wurden, soll hier eine Unterscheidung aufgrund der Art der Textvarianz erfolgen: Beschränken sich die Unterschiede zweier Textversionen auf rein quantitative Aspekte, genauer: kann eine der Versionen als Kürzung bzw. Erweiterung einer anderen erklärt werden, wird dies als ‚Redaktion‘ bezeichnet. Treten darüber hinaus qualitative Veränderungen hinzu oder ist Textvarianz bei übereinstimmendem Textbestand zu verzeichnen, wird von ‚Fassungen‘ gesprochen. 3.2 Die Tradierung der ‚Gründungsgeschichte‘ Die Chronik der Johanniterkomturei zum ‚Grünen Wörth‘ bis zum Tod ihres Stifters im Jahr 1382 ist der Grundstock einer Überlieferungseinheit, die den Kern der ‚Pfleger‘- und ‚Erweiterten Pflegermemoriale‘ bildet: Zusammen mit den ‚Viten‘ der beiden Stifter stellt sie die ‚gesta Viridis Insul ‘ dar, d.h., sie eröffnet eine Haustradition, die die mirakulösen Ereignisse im Zuge des Wiederaufbaus ebenso wie die Gnadenerlebnisse der Stifter bekannt macht. Diese von lokalen Interessen geprägte Funktion führt zu einem signifikanten Gegensatz in der Überlieferung des Textes: Während die Bedeutung der Chronik für die Institution die breite Überlieferung innerhalb der Komturei veranlaßt, bewirkt ihre exklusive Beschäftigung mit der Stiftung und die daraus resultierende, geringe Übertragbarkeit gleichzeitig die Beschränkung auf diesen Ort: Die Chronik eröffnet sowohl die beiden ‚Pflegermemoriale‘ (d, Bl. 6 v -24 r ; D, Bl. 9 r -42 r ) 29 als auch ihre später entstandenen, erweiterten Fassungen (E, Bl. 2 r -35 v ; F, Bl. 1 r -27 v ), 30 und auch Goetzmann stellt eine Kopie der ‚Gründungsgeschichte‘ aus seiner deutschsprachigen Vorlage (D) an den Beginn seiner Bearbeitung (G, Bl. 8 v -29 v ). 31 Der ‚Grüne Wörth‘ besaß darüber hinaus zwei weitere, nicht erhaltene Textzeugen der Konventsgeschichte: Neben dem volkssprachlichen ‚Kleinen deutschen Memorial‘ (verzeichnet in der Inhaltsangabe auf Bl. 6 r in A [Rieder 1905, S. 14*29-33]) 32 lag im ‚Ersten, lateinischen Memorial‘ 33 eine lateinische Fassung der Chronik vor: Item z dem ersten ist in latine z samene in ein b ch geschriben alle die urkúnde vnd mirackele, do mitte dis selbe hus z dem gr nenwerde ist ernuwert worden vnd ch wie es in dem aller ersten ursprunge gestiftet wart vnd was grosser, manigualtiger, fr meder trúcke sider dar uf gefallen sint (A, Bl. 7 r ; Rieder 1905, S. 17*25-29). 34 [Auch sind zunächst in lateinischer Sprache gemeinsam in ein Buch geschrieben worden alle Zeugnisse und Wunder, mit denen dieses Haus zu dem ‚Grünen Wörth‘ erneuert und auch auf welche Weise es in seinem Ursprung gestiftet wurde, und welche großen, mannigfaltigen, seltsamen Bedrängnisse seither darauf gefallen sind.] Auch das dem Johannitermeister in deutschen Landen zugedachte ‚Meistermemorial‘ umfaßte den Bericht über die Anfänge des ‚Grünen Wörth‘ (aufgelistet in B, Bl. 41 v [Rieder 1905, S. 117*39-118*2]). 29 Vgl. die Handschriftenbeschreibungen auf S. 140-152 (d) und S. 153-158 (D). 30 Vgl. die Handschriftenbeschreibungen auf S. 159-163 (E) und S. 164-171 (F). 31 Vgl die Handschriftenbeschreibung S. 172-200. 32 Vgl. die Ausführungen auf S. 222f. 33 Vgl. die Ausführungen auf S. 135-139. 34 Vgl. hierzu auch die Bemerkungen zu den beiden ‚übriggebliebenen Lateinbüchern‘ in C, Bl. 49 v (Rieder 1905, S. 61*17-21): wanne sú [die beiden ‚übriggebliebenen Lateinbücher‘] sagent den anefang vnd die ordenunge vnd alle l iffe des huses z dem gr nenwerde, wie es von alter har ist kummen in grosser, gnodenricher wirdikeit ie us eime stamme in den andern von dem aller ersten ursprunge vntze in sce Johans orden vnd gestiftet durh die erlúhteten frúnde gottes z eime fluhthuse (gleichlautend in d [Bl. 59 r ] und D [Bl. 109 v ]). Die Tradierung der ‚Gründungsgeschichte‘ 331 Trotz des (an der Breite der Überlieferung ablesbaren) 35 hohen Stellenwerts, den die Chronik in den tradierten volkssprachlichen Codices des ‚Grünen Wörth‘ einnimmt, schließt Rieder „die Frage nach dem Verhältnis der einzelnen deutschen Versionen“ aus seiner Untersuchung aus, 36 da aufgrund der großen Übereinstimmungen zwischen den volkssprachlichen Textzeugen der Chronik nur der Vergleich der lateinischen mit der deutschen Textfassung für die Genese der Gottesfreund- Mystifikation aufschlußreich sei. Auch hier sollen die Textdifferenzen zwischen lateinischer und deutscher Konventsgeschichte den Ausgangspunkt der Untersuchung bilden. Grundlage dieses Vergleichs sind die im ‚zweiten übriggebliebenen Lateinbuch‘ (C, Bl. 48 v und 49 r ; Rieder 1905, S. 59*26-30 und 60*14-19) und in der Bearbeitung des ‚ersten übriggebliebenen Lateinbuchs‘ durch Goetzmann (G, Bl. 69 r und 135 v ; Rieder 1905, S. 122, Anm. 2) gegebenen Inhaltsangaben einzelner Kapitel der lateinischen Chronik, weil die zu Beginn von Goetzmanns Kompilation gegebene Abschrift der Kapitel 1-12 der ‚Gründungsgeschichte‘ nicht an die Stelle des nicht überlieferten lateinischen Textes treten kann, da sie einer deutschen Vorlage folgt: vnd fange nún nach gegebenem obigem Bericht an daß teütsche memorial abzuschreiben mit disen eigenen worten (G, Bl. 2 v ; Rieder 1905, S. XVII). Trotz dieser äußerst schmalen Quel- 35 Der Eindruck, die Chronik bilde einen Überlieferungsschwerpunkt innerhalb der Stiftung, wird verstärkt, wenn man die Schmidt noch zugänglichen, 1870 jedoch verbrannten Exemplare des ‚Pflegermemorials‘ zu den Überlieferungsträgern der ‚Gründungsgeschichte‘ hinzurechnet. Schmidt vermerkt insgesamt vier Abschriften des „Memorials“ (Carl Schmidt, Die Gottesfreunde im vierzehnten Jahrhundert, S. 34), bei denen es sich, wie bereits ausgeführt (vgl. die Handschriftenbeschreibung d auf S. 147f., Anm. 187), um die Berliner Quarthandschrift 839 (d) sowie um das Manuskript H 2190 der Archives départementales du Bas-Rhin (F) handelt, darüber hinaus jedoch um die verbrannte Handschrift C 831 fol. der Straßburger Bibliothèque Nationale et Universitaire und eine auch Strobel und Rathgeber bekannte (vgl. S. 148, Anm. 187), jedoch nie mit einer Signatur bezeichnete Quarthandschrift aus Pergament. Schmidt ediert nun 1854 die Chronik nach „Auszügen aus dem Memorial“ (ibid., S. 34-54), ohne seine Vorlage näher auszuweisen, so daß die Ausgabe einer der beiden nicht-tradierten Handschriften folgen und diese in der hier vorgenommenen textkritischen Untersuchung vertreten könnte. Tatsächlich kann Schmidt den Text der Chronik nicht nach der Berliner Handschrift (d) ediert haben, da sie sich 1854 bereits im Besitz Pfeiffers („i[m] Ausland“) befand und Schmidt folglich nicht zugänglich war. Auch kann das ‚Erweiterte Pflegermemorial‘ als Grundlage der Edition ausgeschlossen werden, da in F ausgefallene Textstellen in der Edition Schmidts nachzuweisen sind. Schließlich finden sich die für die Abschrift des ‚Pflegermemorials‘ aus dem 15. Jahrhundert (D) charakteristischen Textdifferenzen bei Schmidt nicht. Die beiden Textzeugen interpretieren eine zweideutige Textstelle in d in genau entgegengesetzter Richtung (vgl. die Ausführungen auf S. 341f.): Während D eine Satzkonstruktion mit der Partikel bor als ironische Kritik der Leitung des Trinitätsklosters durch die Benediktiner versteht (D, Bl. 13 v : aber sy hielten es ouch nit in eren), deutet der Text in der Edition Schmidts bor als Steigerungspartikel und tauscht sie gegen gar aus: Aber sie hielten es in gar vil grosser eren, si visitiertent es alle ior einest zuo den zwein Kirwihen noch den ostern (Schmidt 1854, S. 38). Obwohl Schmidt somit nachweislich eine der beiden nicht tradierten Handschriften als Grundlage seiner Ausgabe nutzte, kann die Edition Schmidts aus einem gravierenden methodischen Einwand nicht in die überlieferungsgeschichtliche Analyse einbezogen werden: Die Arbeitsweise Schmidts beim Erstellen der Edition ist für uns nicht rekonstruierbar; weder sind seine Vorlagen eindeutig identifiziert noch liegt eine Aussage Schmidts zu seiner Editionsweise vor. „Auch ist der Text an manchen Stellen so verderbt, daß man nur auf eine schlechte Abschrift eines vorhandenen Textes schließen darf, wenn nicht die Fehler, wie es allerdings sehr wahrscheinlich ist, Schmidt zuzurechnen sind“ (Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 121; vgl. auch: ibid., S. 164*, Anm.). Entgegen der Praxis Rieders, der dem Text der ‚Gründungsgeschichte‘ „de[n] Text bei Schmidt, Gottesfr. 34ff. zu Grunde [ ]legt, da uns hier die ursprüngliche Sprache NvLs besser entgegentritt als in D, E, F“ (ibid., S. 164*, Anm.), bleibt Schmidts Edition daher aus der weiteren Analyse ausgeschlossen. 36 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 122f. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 332 lenlage arbeitet Rieder sowohl Unterschiede in Textumfang als auch in Textgliederung zwischen der ursprünglichen lateinischen und der nachträglichen deutschen Fassung heraus: Aufgrund der von Goetzmann in Klammern verzeichneten Kapitelnumerierung des lateinischen Memorials rekonstruiert Rieder eine „wahrscheinlich nur 11, sicherlich höchstens 12 Kapitel“ 37 umfassende, lateinische Chronik und folgert aus dem deutlich längeren Textbestand der volkssprachlichen Fassung, „daß auch der Text der 11 oder 12 Kapitel in manchen Punkten anders lautete“. 38 Diese ursprüngliche, kürzere Fassung sucht Rieder durch eine eingehende Kritik der volkssprachlichen Version (wieder)herzustellen, d.h., er scheidet manches „aus inneren Gründen [aus ...], was aller Wahrscheinlichkeit nach auch in der ersten lateinischen Vorlage nicht stand“. 39 Im einzelnen identifiziert Rieder folgende zentrale Erweiterungen der volkssprachlichen gegenüber der lateinischen Version der ‚Gründungsgeschichte‘: Sowohl die Kapitelüberschrift und der Anfang des ersten Kapitels (Rieder 1905, S. 164*6-165*23) als auch das Ende des vierten Kapitels (Rieder 1905, S. 169*3-14) stellten einen allein „äußerliche[n] Zusatz“ 40 dar, der durch den Bericht über die grossen sweren trúcke[ ] (Rieder 1905, S. 164*11) und wortzeichen (ibid., S. 164*8f), die Rulman Merswin zur Stiftung des ‚Grünen Wörth‘ zwangen, den logischen Erzählzusammenhang unterbreche, denn er führe - da er „nach dem ganzen Aufbau der Chronik [...] logisch und naturgemäß [...] in den Beginn des 4. Kapitels“ bzw. in das 5. Kapitel 41 gehöre - zu Wiederholungen und Aufhebungen der Chronologie. Während die Zusätze zu Beginn des ersten und am Ende des vierten Kapitels keine inhaltliche Revision der Chronik bezeugten, erführen das fünfte und achte Kapitel eine tiefgreifende Überarbeitung, indem sie den Gottesfreund dazu nutzten, um „Rulmanns Starrsinn [... zu] beschönig[en]“. 42 Das elfte Kapitel schließlich, das die Quellen der Chronik benennt und das Ziel ihrer Aufzeichnung umreißt, war nach Rieder in der ursprünglichen lateinischen Fassung gar nicht enthalten, da es den Erzählzusammenhang unterbreche. 43 Rieder erkennt in diesen Zusätzen eine gemeinsame Tendenz: Sei die durchaus glaubwürdige, ursprüngliche lateinische Gestalt der Chronik auf der „feste[n] und sichere[n] Grundlage“ der Urkunden des Hauses erstellt worden 44 und habe daher keine Referenz auf den Gottesfreund enthalten, sondern ausschließlich „die Wiederherstellung der zerfallenen Hofstätte zum Grünenwörth und noch mehr die Übergabe derselben an die Johanniter [... als] ein Werk der 37 Ibid., S. 123. 38 Ibid. Rieder sieht sich in dieser Annahme dabei durch die vorgenommene Teilung des lateinischen Memorials gestützt: „Schon a priori können wir eine Übereinstimmung beider Überlieferungen, der lateinischen mit der deutschen, ausschließen, da ja das Erste Lateinische Memorial nur deswegen in die Reihe der ‚übriggebliebenen‘ Bücher gestellt wurde, weil der ursprüngliche lateinische Text mit dem späteren deutschen nicht übereinstimmte“ (ibid.). Zu Beginn und am Ende des ‚zweiten übriggebliebenen Lateinbuchs‘ und (gleichlautend) im 27. Kapitel der ‚Pflegermemoriale‘ wird die Teilung jedoch ausschließlich auf die Unterschiede in den Fassungen des ‚b ch von den nún veilsen‘ zurückgeführt (C, Bl. 1 v , 49 r ; d, Bl. 58 r ; D, Bl. 108 r ; Rieder 1905, S. 48*1-5; 60*20-25). 39 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 124. 40 Ibid., S. 125. 41 Ibid., S. 128. 42 Ibid., S. 129. 43 Ibid., S. 125f. 44 Ibid., S. 127. Die Tradierung der ‚Gründungsgeschichte‘ 333 hl. Dreifaltigkeit“ 45 ausgewiesen, solle Rulman in den volkssprachlichen Versionen als Gottesfreund stilisiert und seine Stiftung hierdurch vor Veränderungen bewahrt werden. Diese „Fiktion“ sei nicht unvermittelt entstanden, vielmehr habe die Chronik, die zunächst in einem eigenständigen Codex aufgezeichnet gewesen sei, 46 bedingt durch die wirtschaftliche und rechtliche Lage der Stiftung, zwei Überarbeitungen erfahren: „Im Ersten Lateinischen und dem von ihm abgeleiteten Kleinen deutschen Memorial“ 47 werde - angeregt durch die Traktate des ersten Teils des ‚Großen deutschen Memorials‘ 48 - der Gedanke ausgebaut, „Rulmann ist ein Gottesfreund [...,] handelt wie ein Gottesfreund“ 49 und „steht im Verkehr mit [...] seine[m] ‚lieben heimlichen Freund[ ] im Oberland‘ [...], der [bei der Wiederherstellung des ‚Grünen Wörth‘] durch Rat und Tat auf Rulmann einwirken mußte.“ 50 Die zweite Überarbeitung der Chronik für die ‚Pflegermemoriale‘ diene der Verteidigung des Pflegerbriefes, da sich die Auseinandersetzungen zwischen Johannitern und Pflegern um deren Befugnisse, die bereits mit dem Umbau der Kirche und des Chors begannen, nach Rulmans Tod in den 90er Jahren zuspitzten: Von dem Standpunkte der Apologie aus ist dann auch leicht erklärlich, wie ein ganz neues Kapitel, das 11., beigefügt wurde, ohne daß es in den Zusammenhang von 10 und 12 paßt, aber den gleichen Zweck verrät, von dem auch der Pflegereid (1393) spricht. Denn ausdrücklich wird hier als Zweck der Chronik bezeichnet: das die ere gottes und sine gnadenrichen werck und der g te g tlich anefang der erbern gesellschaft deste minner abgange und zerst rt werde von unsern nachkomen (183*33) [...]. So begreift man auch, daß das 8. Kapitel eine besondere Umänderung erfahren mußte, da die ursprünglich geschilderten Zwistigkeiten zwischen Rulmann und Komtur nicht zum Bilde des „Gottesfreundes“ paßten. In den Anfang dieses Kapitels kam als neuer Bestandteil die Behauptung herein: der Pflegerbrief ist deswegen einzuhalten, weil er gemacht ist mit rote der erlúchteten gottesfrúnde [...] (177*33). 51 So unmittelbar einleuchtend Rieders Erklärung für die Umgestaltung der Chronik erscheinen mag, soll seine Rekonstruktion der lateinischen Konventsgeschichte und sein auf ihr beruhender Vergleich mit der überlieferten volkssprachlichen Fassung nochmals im Detail nachvollzogen werden, da die aus den Memorialen zu erschließenden Unterschiede zwischen lateinischer und volkssprachlicher Chronik Rieders weitreichende Schlußfolgerungen zu Form und Funktion der Überarbeitung nicht rechtfertigen. Die Quellen bezeugen zunächst nur den kürzeren Umfang der lateinischen Fassung; Goetzmanns Bearbeitung bietet drei Textstellen, die nähere Angaben zur Länge der Chronik im lateinischen Memorial machen: 1. Im Anschluß an die ‚Lebensbeschreibung‘ Merswins im ‚b ch von den vier ioren‘ heißt es: |: in dem 12 Capitel deß lateinischen vnd im 13. ten Capitel deß teütschen memorials stehet am end zú lesen, wer Rúlman Merschwein gewesen dises sollte vnten daß erste Capitel 45 Ibid., S. 153. 46 Ibid., S. 156, Anm. 3. 47 Ibid. 48 Ibid., S. 127-130. 49 Ibid., S. 156. 50 Ibid., S. 153f. 51 Ibid., S. 155f. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 334 se n; laútet wie folgt : | (G, Bl. 69 r ). Der hier angekündigte, von Goetzmann als Ergänzung der ‚Vita‘ Merswins angefügte Bericht über das Leben des Stifters entspricht dem zweiten Teil des 13. Kapitels der volkssprachlichen Fassung der Chronik, der das weltliche Leben Merswins bis zu seiner Umkehr umfaßt (Rieder 1905, S. 189*14-190*22). 2. Der erste Teil des 13. Kapitels der elsässischen Chronik (Rieder 1905, S. 187*21- 188*32) wird erst in einem Nachtrag in G, unter folgendem Titel, angeschlossen: |: nún folgt aúf daß end der beschreibúng alles deßen, waß sich mit Rúlman Merschwein biß 1382 zúgetragen, die beschreibúng deß ends seines lebens, so in dem lateinischen daß 11 te [korrigiert aus 12 te ], im teütschen aber daß 13. te Capitel ist, vnd laútet also : | (G, Bl. 135 v ). Während diese beiden - offenbar widersprüchlichen - Verweise Goetzmanns (die Lebensbeschreibung Merswins bildet einmal das zwölfte, das andere Mal das elfte Kapitel der lateinischen ‚Gründungsgeschichte‘) eine Entscheidung über den Umfang der lateinischen Version (elf oder zwölf Kapitel) nicht erlauben, wird eine Fassung der lateinischen Chronik in zwölf Kapiteln (3.) durch Goetzmanns Inhaltsangabe des 13. Kapitels des ‚ersten übriggebliebenen Lateinbuchs‘ unmißverständlich belegt: Daß dre zehnde Capitel |: deß Lateinischen memorials : | redet von einem sendschreiben, so der viel geliebte freünt gottes im oberland denen weltlichen priesteren zu dem grünen werth, bevor es dem st: [30 r ] Johannis orden übergeben war, geschriben, [...] vnd überschickte ihnen zugleich das nächst hierunten beschribene buch, welhes handlen thut von bekehrung eines magisters in der heiligen schriftt [...] (G, Bl. 29 v ). Laut den Angaben in G bot das 13. Kapitel des ‚ersten übriggebliebenen Lateinbuchs‘ folglich den Begleitbrief zum ‚Meisterbuch‘, der - so ist der Inhaltsangabe des lateinischen Memorials in A zu entnehmen - unmittelbar auf die ‚Gründungsgeschichte‘ folgte (A, Bl. 7 r ; Rieder 1905, S. 17*30-33); die Chronik umfaßte folglich zwölf Kapitel. Die hiermit bestätigte Beigabe eines Kapitels in der volkssprachlichen gegenüber der lateinischen Fassung berechtigt jedoch nicht zu Rieders Schlußfolgerung, die gesamte Konventsgeschichte sei einer eingehenden Überarbeitung ‚sub specie Amici Dei‘ unterzogen worden: Die veränderte Anzahl der Kapitel - die primär nur eine andere Textgliederung und nicht zwingend einen differierenden Textbestand impliziert - deutet zunächst nur auf den Zusatz eines Kapitels, der - so exemplifiziert die Beigabe der Spitalordnung in den ‚Erweiterten Pflegermemorialen‘ - keine konstitutive Veränderung der gesamten Textgestalt nach sich ziehen muß: Sowohl E als auch F (und unabhängig von ihnen auch G) fügen nach dem neunten Kapitel, das von der Stiftung des Spitals im Jahr 1382 berichtet, in einem eigenständigen, in F vier Blatt umfassenden Abschnitt (Bl. 18 v -20 v ; in E, Bl. 23 r -26 r ; Rieder 1905, S. 211*6- 213*16) Regeln für die Aufnahme von Bedürftigen in das Spital an, die 1401 vom Johannitermeister Hesse Schlegelholz erlassen wurden. 52 Diese Erweiterung, die die 52 Die Regeln haben ihre Vorlage im sog. ‚Bruderschaftsbuch‘ der Johanniterkomturei: Der Spittalmeister solle [sic! ] das Fürkhommen, versorgen vnnd versehen nach deß vorgeschrybnen Brieues Lauthe vnd sage, also auch in Die Tradierung der ‚Gründungsgeschichte‘ 335 chronologische Abfolge der Ereignisse durchbricht, verdeutlicht zweierlei: Zum einen bleibt der Zusatz punktuell und löst keine weiteren Eingriffe in das Textgefüge aus; zum anderen artikuliert sich hier beispielhaft ein Verständnis der Konventsgeschichte als einer lebendigen Tradition: Die in der Chronik berichteten Ereignisse stellen nicht nur erinnerungswürdige, zum Abschluß gebrachte Historie dar, sondern sind verpflichtender Wegweiser des Handelns in einer bis in die unmittelbare Gegenwart hineinreichenden Geschichte. Dieses Verständnis der institutionellen Tradition als einer fortlaufenden Erneuerung im Geiste der Stiftung manifestiert sich auch im Prinzip der Texttradierung als Fortschreibung; die Überlieferung der ‚Gründungsgeschichte‘ zielt offenbar nicht auf eine konstante Weitergabe einer stabilen Textgestalt, vielmehr zeichnet sich die chronikale Schreibpraxis durch Texterweiterungen aus, die auch die Unterschiede zwischen lateinischer und volkssprachlicher Fassung erklären mögen. 53 Im weiteren erlauben es zwei Rückverweise im 88. Kapitel des ‚zweiten übriggebliebenen Lateinbuchs‘ (C), Rieders Erklärung für die Erweiterung - die nachträgliche Integration der Figur des Gottesfreundes aus dem Oberland - abzuweisen: Der in den überlieferten deutschen Textzeugen im achten Kapitel beschriebene Umbau der Kirche des ‚Grünen Wörth‘ wurde, laut den Angaben in C, in der lateinischen Fassung bereits im sechsten Kapitel beschrieben (C, Bl. 49 r ; Rieder 1905, S. 60*14- 19), der Bericht der beiden Benediktinermönche nicht dem elften (Rieder 1905, S. 183*23-27), sondern dem neunten Kapitel beigegeben (C, Bl. 48 v ; Rieder 1905, S. 59*26-29). Für die volkssprachliche Textfassung ist folglich eine Verschiebung der Textgliederung um zwei Kapitel auszumachen, die bereits vor dem achten Kapitel der deutschen Chronik eingetreten ist. Eine Erweiterung des Textes muß folglich vor diesem (und nicht erst mit dem elften, von Rieder als nicht authentisch ausgeschlossenen) Kapitel stattgefunden haben. Der Gottesfreund tritt jedoch bis zum achten Kapitel nur zweimal auf: Zum einen - ausführlich - bei der (erneuten) Grün- dem selben Spittal ein tafel hannget vnnd zu uorderst in dem Bruderschafft Buch geschr ben stadt (F, Bl. 20 v ; Rieder 1905, S. 213*7-11). 53 Goetzmanns Bearbeitung liefert einen weiteren Einwand gegen Rieders Differenzierung zweier deutlich voneinander unterschiedener Fassungen: Der Kustos bietet in Kapitel 1 bis 12 seiner Handschrift eine Abschrift der Chronik der Johanniterkomturei aus D. Obwohl Goetzmann hier den Text nach einer volkssprachlichen Vorlage präsentiert, erlaubt dies aufgrund des Kompilationsverfahrens der Handschrift eine kritische Betrachtung der Thesen Rieders. Goetzmanns Hauptanliegen ist - wie bereits in der Handschriftenbeschreibung dargelegt (vgl. S. 189-200) - die möglichst vollständige Aufzeichnung der Geschichte der Komturei und nicht die getreue Abschrift einer Vorlage. Dem Wunsch nach Vollständigkeit entsprechend bietet Goetzmann den Textbestand der ihm wahrscheinlich nicht bekannten ‚Erweiterten Pflegermemoriale‘, d.h., die in D überlieferten 13 Kapitel werden nach dem neunten Kapitel um zusätzliche Bemerkungen zu den Regularitäten zur Aufnahme in das Spital ergänzt, die Goetzmann aus dem ‚br derschafftbuch‘ übernimmt: hieher gehört, waß in dem bruderschafftbuch mit F bezeichnet am 16. a vnd 16. b blatt stehet, also ... (G, Bl. 25 r ). Goetzmanns Entscheidung, die Chronik in dieser deutschen Fassung zu präsentieren, spricht zunächst für Rieders Vorstellung einer deutlich kürzeren lateinischen Fassung. Die von Goetzmann in Parenthesen ergänzten Erläuterungen und Verweise auf erklärende Textstellen in anderen, in der Komturei verwahrten Handschriften erlauben es aber, die von Rieder angenommenen Überarbeitungen auszuschließen: Goetzmann weist an keiner Textstelle auf die lateinische Fassung der Chronik hin und verzeichnet keine Abweichungen oder ‚Merkwürdigkeiten‘, wodurch die von Rieder konstatierten gravierenden Unterschiede zwischen lateinischer und volkssprachlicher Fassung wenig plausibel erscheinen. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 336 dung des ‚Grünen Wörth‘, die zu Beginn des ersten Kapitels beschrieben wird (Rieder 1905, S. 164*6-165*23), sodann bei der im fünften Kapitel dargelegten Entscheidung, die Stiftung dem Johanniterorden zu übertragen (Rieder 1905, S. 170*9- 11 und 28f., 171*11f.). Beide Stellen bilden keine eigenständigen Kapitel und eine von Rieder angenommene nachträgliche Integration des Gottesfreundes vermag die Erweiterung der ‚Gründungsgeschichte‘ nicht zu erklären. 54 Im Gegensatz zu Rieders weitreichender Interpretation kann die Texterweiterung in der volkssprachlichen Fassung nicht als zwingendes Indiz mystifizierender Textbearbeitung verstanden werden, sondern artikuliert - soweit aus der dürftigen Quellenlage erschließbar - eine spezifische Schreibpraxis: Die lateinische Chronik galt offenbar als ‚offener‘ Text, dessen Konzeption und Textgeschichte mit der ersten Niederschrift nicht als abgeschlossen galt, sondern eine stetige Arbeit am Text verlangte. Weder Tendenz noch Grund der Bearbeitung für die volkssprachliche Fassung sind jedoch ohne die Vergleichsgrundlage der lateinischen Version zu erschließen; eine Umgestaltung kann sowohl durch den zeitlichen Abstand zwischen erster, lateinischer Niederschrift der Konventsgeschichte und der späteren Aufzeichnung für die Handexemplare der Pfleger, d.h. durch eine fortwährende Adaptation des Textes an den Gang der Geschichte, als auch durch die unterschiedlichen Zielgruppen des lateinischen, klerikalen Lesern vorbehaltenen (? ) Urkundenbuchs und der den laikalen Verwaltern zugedachten ‚Pflegermemoriale‘, d.h. durch eine unterschiedliche Definition von Erinnerungswürdigem, erklärt werden. Die Quellenlage erlaubt es leider nicht, weitere Erkenntnisse zu der vorgenommenen Retextualisierung zu gewinnen; die tradierten Textzeugen der volkssprachlichen Fassung können jedoch dazu dienen, die vermutete, historisch adaptive Schriftpraxis zu überprüfen, da diese auch die weitere Tradierung des Textes steuern müßte. Auffallendes Charakteristikum der Tradierung der volkssprachlichen Textfassung der ‚Gründungsgeschichte‘ ist nun aber die hohe Textkonstanz; das Ziel der Vervielfältigung der Chronik auf dem ‚Grünen Wörth‘ scheint die Bereitstellung wörtlich identischer Kopien für alle ‚Pflegermemoriale‘ (d; D) und ihre erweiterten Fassungen (E; F) zu sein. Die Eingriffe in den Textbestand der Konventsgeschichte beschränken sich so auf den bereits diskutierten Einschub der Spitalordnung in E und F, und auch die Textgliederung stimmt in den überlieferten Handschriften grundsätzlich überein, d.h., die Chronik ist in dreizehn Kapitel gegliedert; allein E und F umfassen aufgrund ihres Zusatzkapitels vierzehn Abschnitte. Die Kapitelbezeichnungen variieren leicht durch die Eingliederung der Konventshistorie in das jeweilige Anlageprinzip der Sammelhandschriften: Die beiden Exemplare der ‚Pflegermemoriale‘ (d; D) begreifen alle in ihnen versammelten Schriften als ein umfassendes textuelles Kontinuum und nehmen daher eine durchgehende, die Einzeltexte übergreifende Numerierung der Kapitel vor. Diese Interpretation des Codexinhaltes als Texteinheit wird in D verstärkt, indem die vollständigen, mit den anderen Handschriften zumeist übereinstimmenden Kapitelüberschriften ausschließlich im Inhaltsverzeichnis zur gesamten Handschrift (D, Bl. 6 r -9 r ) ausgewiesen werden, während sich der Haupt- 54 Vgl. auch: Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 125. Die Tradierung der ‚Gründungsgeschichte‘ 337 text der Chronik zur Identifizierung der Kapitel auf ihre Zählung beschränkt. Gegenüber dieser Ausformung eines Handschriftenprogramms legen die ‚Erweiterten Pflegermemoriale‘ (E; F) ihr Augenmerk vor allem auf eine schnelle Orientierung innerhalb des Codexes, indem sie die einzelnen Abschnitte mit einer in den Formulierungen mit d und D identischen inhaltlichen Charakterisierung des Einzelkapitels überschreiben, auf eine Numerierung der Kapitel - wahrscheinlich da den Handschriften ein Inhaltsverzeichnis fehlt - aber vollständig verzichten. Auch die einzige, auf den ersten Blick inhaltlich tiefergreifende Textdifferenz der Kapitelüberschriften - die unterschiedliche Bezeichnung des ersten Kapitels - läßt sich durch die differenten Strukturierungen der Codices erklären: Da die ‚Gründungsgeschichte‘ die ‚Erweiterten Pflegermemoriale‘ (E; F) eröffnet, ohne daß ihnen - wie in d und D - eine Titulatur oder ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt werden, interpretieren E und F die einleitenden Sätze des ersten Kapitels als Einführung zur gesamten Handschrift und sparen die in d tradierte Kapitelüberschrift aus. Die im 15. Jahrhundert erstellte Abschrift eines ‚Pflegermemorials‘ (D) will demgegenüber die einzelnen materien im Inhaltsverzeichnis deutlicher gegeneinander abgrenzen und stellt daher den Textbeginn der Chronik in der Überschrift zum ersten Kapitel heraus: d D 55 F [6 v ] Das erste capitel seit, wie die lieben zwene stifter in bernat rlicher wise von gotte betwungen wurdent, das hus z dem Gr nenwerde z ernuwende, vnd wie es von alter ist harkumen vnd in dem ursprunge gestiftet wart. Dis ist die ernuwerunge des huses vnd der woninge z dem Gr nenwerde vnd seit, wie es ande(r)werbe von n weme uf angefangen vnd erhebet ist worden von gotte mit vil urkúndes vnd mit manigualtigen, grossen wortzeichen durch den lieben, s nderlichen, erlúhteten gottes frúnt, Rulman merswin seligen, fundator vnd ane heber dis selben huses [9 r ] Diß ist das erst capittel. [6 r Item die erst materie ist die ernuwerung, von der ouch das erst capittel seyt, wie die lieben stiffter beyde glich mit grossen [6 v ] mirackeln vnd mit g ten wortzeichen von gotte getwungen wurdent, das sy sich m stent des huses z m gr nenwerd vnderwinden. Vnd seyt ouch, wie es von alter her ist komen vnd wie es in dem aller ersten vrsprunge gestifftet wart ] Diß ist die ernuwerung des huses vnd der wonung z m gr nen werd vnd seyt, wie es anderwerb von nuwem vff angefangen vnd erhebt ist worden von gott mit vil vrkúndes [9 v ] Vnd mit manigfaltigen, grossen wortzeichen Durch den lieben, súnderlichen, erlúhteten gottes frúndt, R lman merswin seligen, fundator vnd anheber desselben huses (Rieder 1905, S. 164*6-10) [1 r ] [D]Is Ist die Erneuwerung des hauses vnnd der wonung z dem Grünen werde vnnd seit, wie es anderwerbs von Nauwem vff angefangen vnnd erhebett ist worden von Gott mitt vil vrkundes vnd mitt manigfaltigen, grosen wortzeichen durch den lieben, sonderlichen, erleüchteten Gottes freundt, Ruolman Merschwein seeligen, fundator vnnd anheber diß selben hauses 55 Der in der zweiten Spalte für D wiedergegebene Text ist konstruiert: Die Kapitelüberschrift ist aus dem auf Bl. 6 r -9 r zu findenden Inhaltsverzeichnis in Handschrift D entnommen, während der Textverlauf nach dem Haupttext wiedergegeben ist. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 338 Der durch Textbestand und -gliederung gewonnene Eindruck, die überlieferten Handschriften seien eng miteinander verwandt, bestätigt sich durch die Untersuchung der Textvarianz. Die vorliegenden Memoriale weisen einen nicht nur inhaltlich, sondern über weite Strecken auch wörtlich übereinstimmenden Text auf. Es gibt nur wenige, zumeist auf die Ebene des Satzes oder des Wortes bezogene Differenzen, die zudem textanalytisch nicht belastbar sind, da die Varianz den einzelnen Handschriften eigentümlich, eine Verwandtschaft der Codices aus ihr somit nicht zu erschließen ist. Der Ursprung der textuellen Differenzen kann darüber hinaus in bewußten redaktionellen Bearbeitungen ebenso wie in den vielfältigen Formen von Schreiberversehen gesucht werden. So zeichnen die im 15. Jahrhundert entstandene Handschrift H 1383 der Archives départementales (D), deren große textuelle Übereinstimmung mit dem am Ende des 14. Jahrhunderts geschriebenen Berliner Codex d zunächst eine direkte Abhängigkeit suggeriert, zwei Arten von Textdifferenzen gegenüber dem älteren Exemplar des ‚Pflegermemorials‘ aus: Neben dem unregelmäßigen Ausfall von grammatisch zumeist nicht notwendigen Partikeln, Adjektiven oder Satzteilen, der sowohl durch eine flüchtige Abschrift als auch durch eine kürzende Bearbeitung erklärt werden kann, ist die Textversion in D durch Textvarianz im Bereich der Lexik und Satzteilformulierungen charakterisiert, die zum einen auf eine Adaptation Schmalriems, zum anderen auf iterierende Variation schließen läßt. Durch den regelmäßigen und systematischen Austausch von Lexemen (die indefiniten Adverbien allessament und allewegent werden z.B. durch alles [Bl. 11 v gegenüber d, Bl. 7 v und F, Bl. 3 r ] und allezit ersetzt [Bl. 40 v gegenüber d, Bl. 23 v und F, Bl. 26 v ]) sowie die Vermeidung spezifischer syntaktischer Strukturen sucht Schmalriem anscheinend Verständnisschwierigkeiten, die bei der Kopie der älteren Vorlage eintraten, auszugleichen. Als Beispiel der wiederkehrenden Auflösung von Genitivkonstruktionen mag die zu Beginn der ‚Gründungsgeschichte‘ beschriebene göttliche Ermahnung zur Einrichtung eines nuwe[n] gotteshus[es] dienen: d F wanne in got durch manigualtige, grosse, swere tr cke ber nat rliche in grossen mirackeln vnd offenborungen dicke vnd vil dar z ermanete vnd treip, das er ime solte ein nuwe gotzhus einre kirchen an vohen z buwende in der stat z strasburg (Bl. 6 v ) wann in Gott durch manigfaltige, schwere trucke vbernaturliche in grosen miracklen vnnd offenborungen dicke vnnd vil darz ermanette vnnd tribe, das er ime solte ein Neuwes Gotteshauß einer kirchen anfahen z bauwende in der Statt z Straßburg (Bl. 1 r ) Sowohl d als auch F bedienen sich eines genitivus definitivus, der als Genitiv der Identität das Gotteshaus durch das Synonym kirche erklärt; der in D tradierte Text der ‚Gründungsgeschichte‘ bezeugt demgegenüber eine weitere Semantik des Lexems gotzhus i.S. eines Klosters als Gottesstätte und liest einre kirchen daher als Dativ, der - um eine grammatikalische Konstruktion zu erlangen - eine Ergänzung der Präposition mit verlangt: wann got yn durch manigfaltige, grosse, swere trúcke bernatúrlich in grossen myrackeln vnd offenbarungen dick vnd vil dar z ermante vnd treib, Das er im solt ein nuwe gottes huß mit einer kirchen anfohen z buwen In der stat Straspurg (D, Bl. 9 v ; Rieder 1905, S. 164*11-14) Die Tradierung der ‚Gründungsgeschichte‘ 339 Außer dieser offensichtlich nachträglichen Anpassung der Konventsgeschichte an einen veränderten Sprachgebrauch weist D wiederholt Veränderungen auf der Ebene der Formulierungen auf, die nicht in einem Bearbeitungsprinzip zu bündeln und daher nicht mit Gewißheit als redaktionelle Eingriffe zu bezeichnen sind: d D F vnd die h e i l i g e , andehtige k rche stunt ellendekliche vnd de alse eine sch re (Bl. 8 v ) 56 Vnd die e l l e n d , andechtige kirche gantz ellendeclich vnd de stundt als ein schúre (Bl. 13 v ; Rieder 1905, S. 168*12-14) Vnnd die h a l i g e , andechtige kürche stúnd Ellendlich vnnd öde also ein scheure (Bl. 4 v ) vnd das fundamente von g r w e l i c h e m e , v n m e s s i g e m e , grosseme getrenge sich har us ber das ertrich wante vnd z berste gelag; Vnd viel der tormenter vnd das hus nider der muren noch mit solicheme g r u w e l i c h e m e , v n g e h r e m e , g r o s s e m e g e b r o h t z e v n d e r s c h r c k e n l i c h e m e g e k r e c h t z e , das mengelich m hte verzagen (Bl. 21 r ) vnd das fundament von v n g e h ú r e m , g r o s s e m g e t r n g e sich her vß ber das ertrich wandte vnd z berst gelag; Vnd viel der dormenter vnd das huß nidder der muren noch mit solichem g r u w e l i c h e m , e r s c h r o c k e n l i c h e m g e b r c h t e , [36 v ] das meniglich m cht verzagen (Bl. 36 rv ; Rieder 1905, S. 185*3-7) vnnd das fundament von v n m e s s i g e m , g r e ú w l i c h e m , grossem getrenge sich harzú vber das Erterich wandte vnnd z oberste gelag; Vnnd viel der dormenter vnnd das hauß darnider der mauren auch mit solchem g r e u w l i c h e n , v n g e h e u w r e n , g r o s s e n g e b r e c h e n v n n d E r s c h r o c k h e n l i c h e n g e k r e c h e , das menigklich mochte verzagen (Bl. 23 v ) Vnd der rot satte es ouch vmb vnd vmbe vol dúrrer ufgerihteter wellen, die der br dere worent, vnd vnder stiessent ouch die mit d rreme strowe In der meinunge, das s z stunt ein f r dar in gestossen woltent haben, S o n u w e n t d i e e n g e l l e n d e r d a s h o u b t z d e r s t a t h a r h e t t e n t g e k e r e t , a l s e g a r v e r z a g e t w a s a l l e s v o l g w o r d e n (Bl. 21 v ) Vnd der rat satzt es ouch vmb vnd vmb vol dúrrer wellen, die der br der worent, vnd vnder stiessent sy ouch mit dúrrem stro In der meynung, das sy z stunt ein fúr wolten dar in gestossen haben, s o d i e e n g e l l e n d e r s i c h g e g e n d e r s t a t k e r t e n (Bl. 37 v ; Rieder 1905, S. 186*7-11) vnnd der Rhat satzte es auch vmb vnd vmb voll dürrer vffgerichten wellen, [24 v ] die der Brüedere waren, vnnd stiessen auch die mit dúrrem strauw in der meinunge, daß s zu stund ein Feur darein gestossen wollten haben, S o n u n d i e E n g e l l e n d e r d a s h a u b t z d e r s t a t t h a r h e t t e n g e k e r t , a l s o g a r v e r z a g t w a s a l l e s v o l c k h w o r d e n (Bl. 24 rv ) Gegenüber diesen - wenn auch nicht zahlreichen, so doch vielfältigen - Formen textueller Differenzen, die d und D voneinander trennen, geht die F genuine Textvarianz in einem Lexemersatz zur Sicherung des Textverständnisses auf: So wird, wie im 15. Jahrhundert häufig, das in den beiden ‚Pflegermemorialen‘ (d; D) verwendete Lexem minne in F durch das Wort liebe ersetzt (d, Bl. 18 v [Rieder 1905, S. 181*12], Bl. 19 r [Rieder 1905, S. 182*13] und Bl. 22 v [Rieder 1905, S. 188*1] vs. F, Bl. 18 r , 21 r und 26 r ), und auch das Adjektiv endelicher ist einer Bedeutungsverschiebung unterworfen, so daß F beispielsweise die in d vorgenommene Charakterisierung der Johanniter als ‚zuverlässig‘ ersatzlos streicht: Vnd ouch keine schamme d rfent haben, vmb das 56 Die textuelle Varianz der Handschriften wird im folgenden durch Sperrung markiert. Wenn nicht anders ausgewiesen, wurden die Hervorhebungen daher stets von der Verfasserin vorgenommen. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 340 es ist ein endelicher (orden gestrichen), erlicher leygen orden, gestiftet uffe Ritterschaft (d, Bl. 10 r ; Rieder 1905, S. 170*23-25 vs. F, Bl. 7 r ). Während weder die Textdifferenzen, die D und F jeweils allein von der Berliner Handschrift d trennen, noch die große textuelle Übereinstimmung und die Datierung der drei Codices (d entstand Ende des 14. Jahrhunderts; D vor 1467; F im 16. Jahrhundert) eine Entscheidung zwischen drei möglichen verwandtschaftlichen Beziehungen zulassen - die Berliner Handschrift kann für D und F als Vorlage gedient haben, F kann nachträglich aus D entstanden sein und schließlich können alle überlieferten Handschriften auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen -, während die bisher vorgenommenen Charakterisierungen der Textversion Schmalriems und des ‚Erweiterten Pflegermemorials‘ keine Schlußfolgerungen über die Entstehung der Handschriften erlauben, ist die in D und F übereinstimmende Varianz von entscheidender Bedeutung, da F nicht unmittelbar aus D entstanden sein kann, teilt der Codex doch keine der für D gegenüber d verzeichneten Textdifferenzen (vgl. Tabelle S. 339). Liefert die übereinstimmende Verbesserung von Fehlern, die in d auftreten, 57 kein stichhaltiges Indiz für das Verhältnis der Manuskripte, da das Sprachwissen der Schreiber die Korrektur ausgelöst und der Kontext eine gleichlautende Verbesserung verursacht haben kann, und ist auch die gemeinsame Varianz im Wortbestand als zufällige Übereinstimmung erklärbar, belegt eine gleichartige lexikalische Textdifferenz in D und F, daß die beiden Codices nicht unmittelbar auf d zurückgehen können: d D F Alsus het die almehtige, ewige trifaltikeit, der gnodenriche, minnenkliche, aller berster, hochgelobtester patrone, disen b e d e n stifter, sine us erweleten gehorsamen fr nt, durch vil grosser, swerer trucke z diseme buwe getwungen (Bl. 9 r ) Alsuß hat die all[14 v ]mechtige, ewige driualtikeit, der genadenriche, mynnecliche, aller berste, hochgelobtste patrone, Dise l i e b e n stiffter, sine vßerwelten gehorsamen frúnde, durch vil grosser, swerer trucke z disem buwe getwungen (Bl. 14 rv ; Rieder 1905, S. 169*3-5) Also hatt die almechtige, Ewige dre faltigkhait, der gnadenreiche, minnenliche, alle oberste, hochgelobtester patrone, dise L i e b e n Stifftere, seine außerwelten gehorsamen freünd, durch vil grosser schwerer trücke z disem Bauwe gezwúngen (Bl. 5 v ) Die Korrespondenz der beiden jüngeren Handschriften im Numerus des Demonstrativums (Akk. Pl.: dise) gegenüber der a-grammatischen, da der Flexion des Adjektivs und dem Plural der Apposition widersprechenden Singular-Form des Berliner 57 Es lassen sich drei einheitliche Verbesserungen von offensichtlichen Fehlern in d feststellen: Zunächst wird die vor stette in d ausgefallene Präposition in D (Bl. 10 v ) und F (Bl. 2 r ) übereinstimmend ergänzt (so auch Rieder 1905, S. 165*10-13): vnd z merre kraft vnd urkundes dis wortzeichens, das es in deste gel iplicher were vnd n t dar an zwifeln dorftent, so wurdent s s t e t t e wider gerech vnd gesunt (d, Bl. 7 r ) vs. vnd z merer craft vnd vrkund diß wortzeichens, das es yn dest gl ublicher were vnd nit dar an zwifeln dorfften, So wurdent sy a n s t e t t wider gerech vnd gesunt (zit. nach D, Bl. 10 v ); zum anderen wird auch der Nebensatz vnd wenne ie eine parte noch der andern mit vil kumbers kume do z brohte (d, Bl. 9 v ) mit einem Subjekt versehen: Vnd wenn e s ye eine parthie nach der andern mit vil kummers kume dar z brachte (zit. nach D, Bl. 15 r ; vgl. auch: F, Bl. 6 r ; Rieder 1905, S. 169*30-32). Schließlich vervollständigen D und F den in d in der Abschrift der Bestätigungsurkunde nur mit dem Zunamen bezeichneten Konrad von Braunsberg um C nrat (d, Bl. 13 r vs. D, Bl. 22 v und F, Bl. 12 r ; Rieder 1905, S. 175*15). Die Tradierung der ‚Gründungsgeschichte‘ 341 Codexes (disen) schließt eine unabhängige, korrigierende Kopie aus d nicht aus, die einheitliche semantische Varianz von beden in lieben ist jedoch nur durch die Annahme einer anderen, nicht tradierten Vorlage zu erklären: Entweder D und F gehen auf eine gemeinsame, von d abgeleitete Zwischenstufe *DF zurück (1), die kleinere Veränderungen im Textverlauf vornahm und in die vor allem D, aber auch F nochmals eingreifen, oder es handelt sich bei d, D und F um selbständige Abschriften einer verlorenen Vorlage, deren Textverlauf (dise lieben stiffter) von d verlesen wird (2). Zuletzt kann es sich bei D und F um Abschriften einer nicht tradierten ‚Pflegermemorial‘-Handschrift handeln, die von der gleichen Vorlage kopiert wurde wie d (3): (1) d (2) X (3) X *DF d D F d Y D F D F Eine Entscheidung zwischen diesen Möglichkeiten der Tradierung der ‚Gründungsgeschichte‘ ist auch durch die Hinzuziehung von zwei weiteren textkritischen Befunden nicht möglich: 1. Der vereinzelt zu belegende längere Textverlauf von D und F gegenüber d kann sowohl durch Erweiterungen der angenommenen Zwischenstufe *DF bzw. der verlorenen ‚Pflegermemorial‘-Handschrift als auch durch Kürzungen entstehen, die Handschrift d bei der Abschrift einer allen Codices gemeinsamen Vorlage vorgenommen hat: d D F Aber die almehtige, ewige triualtikeit meinde alleine die Johanser vnd wolte s do haben fur andere (Bl. 10 r ) Aber die allmechtige, ewige driualtikeit meinte allein die Johanser vnd wolte sy do haben fúr a l l andere (Bl. 16 v ; Rieder 1905, S. 171*5f.) aber die almechtige, ewige Dre faltigkhait meinde alleine die Johannser vnnd wolte s da haben für a l l e andere (Bl. 7 r ) das durch in von noweme uf gestiftet ist vnd gelegen in der vorstat z strasburg, mit sichern g tern vnde g lten, die z dem selben huse vnd kyrchen wartent, z sinre (durchgestrichenes vor) vnd sinre vordern selen heil (Bl. 14 r ) Das durch yn von nuwem vff gestifftet ist vnd gelegen in der vorstatt z Straspurg, mit sichern g tern vnd g lten, die z dem selben huse vnd kirchen wartent v n d g e h r e n t , z siner vnd siner vordern selen heyl (Bl. 23 v ; Rieder 1905, S. 176*15- 21) das dúrch Ine von Neuwem vff gestifftet ist vnnd gelegen in der vorstatt z Straßburg, mit sichern gueteren vnd gülten, [13 r ] die z demselben haúse vnnd k rchen wartendt v n n d g e h ö r e n , z seinere vnnd z seiner vordern seelen he l (Bl. 12 v / 13 r ) 2. Die in den tradierten Handschriften jeweils eigenständig formulierte, sich z.T. widersprechende Bewertung der Benediktiner, die das Trinitätskloster nach der Stiftung durch Wernher von Hüneburg bewirtschafteten, wurde augenscheinlich durch die Konstruktion mit dem semantisch zweideutigen Präfix bor ausgelöst. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 342 In d heißt es über die erste Klostergemeinschaft: aber s hieltent es in bor uil gr ssern eren, S visitiertent es alle ior einest z den zweigen kyrwihen noch den ostern (d, Bl. 8 v ). Die Ambiguität dieser Konstruktion wird in den weiteren Handschriften unterschiedlich aufgelöst: In einer ersten Interpretation des Präfixes bor dient das Lexem in der Zusammenstellung mit einem attributiven Adjektiv der Steigerung; so liest F: aber s hielten Es in baß vil grössern Ehren (Bl. 4 v ). Durch die ausschließliche Verwendung des Präfixes in negierten Sätzen kommt es seit dem Althochdeutschen zu einer zweiten Verwendungsweise: Auch ohne Negationspartikel ist bor Mittel der Verneinung, das zumeist litotisch gebraucht wird. 58 So deutet D den Satz als ironischen Vorwurf gegen die Benediktiner: aber sy hielten es ouch nit in eren (D, Bl. 13 v ; so ähnlich auch Rieder 1905, S. 168*4f.: aber sie hielten es ouch nút in gar vil grosser eren). Die lexikalische Varianz dieser Textstelle strebt somit eine De-Ambiguisierung der Konstruktion mit Hilfe des Präfixes bor an, die eine angenommene Zwischenstufe *DF aus d übernommen, in einem anderen Exemplar der ‚Pflegermemoriale‘ ebenfalls enthalten gewesen oder sich bereits in der gemeinsamen Vorlage befunden haben kann (vgl. S. 331, Anm. 35). Obwohl die textkritischen Befunde folglich keine abschließende Charakterisierung der Genese der ‚Gründungsgeschichte‘ erlauben, 59 offenbart die Überlieferung der volkssprachlichen Fassung des Textes - im Gegensatz zu dem durch die Erweiterung in E und F Erwarteten - einen vorwiegend reproduzierenden Schriftgebrauch. Übereinstimmendes Ziel der erhaltenen Textzeugen ist eine wortgetreue Kopie des vorhandenen Textbestandes. Dieses Leitkonzept einer identischen Reproduktion wird offenbar nur dann verlassen, wenn das Textverständnis ausschließlich durch Lexemaustausch oder Veränderung der grammatischen Konstruktion zu gewährleisten ist. Diese Praxis des Schriftgebrauchs deutet auf eine enge Verknüpfung von Inhalt und Form: Das semantische wie hermeneutische Potential des Textes scheint an seinen Wortlaut gebunden, ja in diesem aufzugehen. Traditionsweitergabe impliziert offensichtlich nicht nur Bewahrung des - als historisches Geschehen verbürgten - Inhalts, sondern meint sogleich wortgetreue Textsicherung. Für die Referentialisierbarkeit der historia ist die Textgestalt konstitutiv. 58 Mittelhochdeutsches Wörterbuch, hg. von Kurt Gärtner, Klaus Grubmüller und Karl Stackmann, Bd. 1, Lieferung 5/ 6, Stuttgart 2009, Sp. 924, Z. 22-62. Vgl. auch Matthias Lexer, Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, Stuttgart 31 1965, S. 24, Sp. 3; Lexer Bd. 1, Sp. 326. 59 Auch die von Rieder für Handschrift E verzeichnete Varianz erlaubt keine Entscheidung zwischen den Entstehungsszenarien. Fast alle der ausgewiesenen Textdifferenzen stimmen mit dem Textverlauf in F überein. Eine unmittelbare Abschrift der Handschrift E von F ist jedoch durch zwei Belege auszuschließen: Zum einen sind in F ausgefallene Passagen in E überliefert; Rieder verzeichnet z.B. für eine auf Bl. 21 r in F nicht tradierte Textstelle für E folgende Textdifferenz: man werde es gr slich b e s t u n d e n t e und hinderredende (Rieder 1905, S. 182*, Anm. 23). Zum anderen teilt E auch Varianz mit den anderen Überlieferungsträgern, so liest E - genau wie D (Bl. 35 v ) - In solicher vorgeschribener lidender wise der allmechtige, ewige got w o l s i n e werck gewúrckt hat (Rieder 1905, S. 184*, Anm. 25). Die wechselnden Übereinstimmungen der Textversion E zeigen, daß es sich bei der Handschrift um keine unmittelbare Kopie einer der tradierten Textfassungen handelt. Schließlich verdeutlicht die in E präsentierte, eigenständige Version der bereits diskutierten bor-Textstelle (sie hieltent es in v o r v i l grössern eren; Rieder 1905, S. 168*, Anm. 4), daß der Codex als Abschrift aus einer allen gemeinsamen Vorlage, eines weiteren ‚Pflegermemorials‘ oder aus der Zwischenstufe *DF entstanden sein kann. 3.3 Die Tradierung des ‚b ch von den vier ioren‘ Da das ‚b ch von den vier ioren sines anevohenden lebendes‘ als religiöse Lebensbeschreibung Rulman Merswins die Neugründung der Komturei durch den Bankier spirituell motiviert und zugleich der Stiftung ein geistliches Fundament verleiht, ist die ‚Vita‘ stets in direktem Anschluß an die Chronik des ‚Grünen Wörth‘ überliefert. Innerhalb der Johanniterkomturei einen Überlieferungsverbund bildend, enthalten sowohl die beiden erhaltenen Manuskripte des ‚Pflegermemorials‘ (d, Bl. 24 r -33 v ; D, Bl. 42 r -59 v ) 60 als auch die ‚Erweiterten Pflegermemoriale‘ (E, Bl. 35 v -52 r ; F, Bl. 27 v - 39 v ) 61 das ‚b ch von den vier ioren‘. Wie schon bei der ‚Gründungsgeschichte‘ sind zudem zwei nicht tradierte Textzeugen zu erschließen: Die im ‚Großen deutschen Memorial‘ enthaltene Inhaltsangabe des ‚Ersten, lateinischen Memorials‘ 62 (A, Bl. 7 r ; Rieder 1905, S. 18*8-12) sowie die Aufzeichnungen Goetzmanns (G, Bl. 58 r -69 v ) 63 führen das ‚b ch‘ als Teil des ersten Urkundenbuches auf und geben zugleich Kenntnis darüber, daß das ‚Kleine deutsche Memorial‘, 64 das geliche seit von worte z worte dem ersten latine b che (A, Bl. 6 r ; Rieder 1905, 14*29), den Text ebenfalls umfaßte. Abweichend von der Überlieferungssituation der ‚Gründungsgeschichte‘ wird die ‚Vita‘ zusätzlich in einer ehemals selbständigen Einlage im ‚Briefbuch‘ geboten (B, Bl. 33 r -40 v ), 65 bei der es sich, so führen die redaktionellen Vorbemerkungen aus, um das von Merswin hinterlassene ‚Autograph‘ handelt. Außerhalb der Straßburger Johanniterkomturei ist Rulman Merswins Lebensbeschreibung nicht tradiert. Die Bedeutung des ‚b ch von den vier ioren sines anevohenden lebendes‘ für die Straßburger Stiftung kann an der sehr ausführlichen Einleitung abgelesen werden, die das ‚Briefbuch‘ (B, Bl. 32 v ) dem ‚Autograph‘ voranschickt. Der vom Redaktor gegebene Bericht kann in drei Sinnabschnitte untergliedert werden; der erste Teil der Vorbemerkung konzentriert sich auf die Textgenese: D is kleine sexsternelin bappires mit den ahte blettern ist daz selb selbe b ch R lman Merswines, vnsers stifters, eigene hant, alse er es selber schreip vnd schriben m ste von den ersten vier ioren sines anevohenden lebendes vz gehorsame gottes vnd sines heimelichen gesellen, dez lieben frúnt gottes in oberlant, alse es die br dere sante Johans orden fundent noch R lemannes tode hinder ime geschriben ligende in eime beslossen kensterlin vnd sin eigen silberin Ingesigel vssewendig an dem coopertorio hangende vmbe sant Marien magdalenen dag Anno domini M CCC lxxxij. Der selbe gottes frúnt in berlant R lemanne Merswine, vnserme stifter, do gegene wider vmb geschriben gap den anefang sins lebendes, alse wir es z Tútsch vnd z latine in den drien vrkúndeb chern geschriben hant, wie gar fr mdecliche, in vil groszen mirackeln er ch von gotte die ersten fúnf ior durch vil lustliches trostes vnd ouch durch manigualtige, swere bekorunge 60 Vgl. die Handschriftenbeschreibungen auf S. 140-152 (d) und S. 153-158 (D). 61 Vgl. die Handschriftenbeschreibungen auf S. 159-163 (E) und S. 164-171 (F). 62 Vgl. die Ausführungen auf S. 135-139. 63 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 172-200. 64 Vgl. die Ausführungen auf S. 222f. 65 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 75-128. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 344 vnd widerwertikeit, von innan vnd von vssan, gezogen vnde gef rt wart; vnd die selben fúnf ior, dez lieben frúnt gottes anefang, ist in tytelieret vnd genennet in den vrkúnde b chern daz b ch von den zweien menschen (B, Bl. 32 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 1, Z. 4-24). [Dieser kleine Sexternio aus Papier, der acht Blatt umfaßt, ist das höchstselbe Buch von Rulman Merswins, unseres Stifters, eigener Hand, wie er es selber schrieb und schreiben mußte über die ersten vier Jahre seines anfangenden Lebens aus Gehorsam gegenüber Gott und seinem vertrauten Freund, dem Gottesfreund aus dem Oberland, so wie die Brüder des Johanniterordens es nach seinem Tod auffanden: von ihm schriftlich hinterlassen, in einem verschlossenen Kistchen mit seinem silbernen Siegel außen an dem Dekkel hängend, um den Tag Maria Magdalena (22. 07.) 1382. Derselbe Gottesfreund im Oberland übergab Rulman Merswin, unserem Stifter, im Austausch wiederum eine Schrift über den Anfang seines Lebens, wie wir es in deutscher und lateinischer Sprache in den drei Urkundenbüchern schriftlich besitzen, [berichtend] wie überaus wunderbar auch er in sehr großen Wundern von Gott in den ersten fünf Jahren, innerlich und äußerlich, durch sehr wohlgefällige Ermutigung und auch durch verschiedenartige, schwere Versuchungen und Feindseligkeiten geleitet und geführt wurde; und eben diese fünf Jahre, der Anfang des lieben Gottesfreundes, sind betitelt und benannt in den Urkundenbüchern das „Buch von den zwei Menschen“.] Die Entstehung der Bekehrungsgeschichte des Stifters des ‚Grünen Wörth‘ wird hier, dem Topos des Schreibbefehls entsprechend, auf die Initiative des Gottesfreunds aus dem Oberland zurückgeführt, der Rulman im Namen Gottes dazu aufforderte, sein Leben niederzuschreiben und ihm als ‚Gegenleistung‘ die eigene Lebensbeschreibung, das erste Kapitel des ‚b ch von den zwey menschen‘, übergab. 66 Der Text konnte jedoch von den Brüdern der Johanniterkomturei nicht sogleich nach der Niederschrift gelesen werden, sondern wurde erst nach dem Tod des Stifters, am Tag Maria Magdalena 1382, 67 in einem kensterlin versiegelt aufgefunden. Der zweite Teil der Einleitung identifiziert die in das ‚Briefbuch‘ (B) eingenähte Handschrift als das von den Johannitern aufgefundene ‚Autograph‘: vnd wie wol dis gegenwertige b ch R lemannes, vnsers stifters, leben vnd ouch daz vorgonde b ch der fúnf manne leben [das ‚b ch von den fúnf mannen‘ steht in B auf Bl. 3 r -11 v , d.h. vor dem ‚b ch von den vier ioren‘, d.V.] z Tútsch vnd z latine in den drien vrkúnde b chern vnd in andern b chern manigualtecliche geschriben sint noch danne so s llent dise zwei bappirine b chere, der erste stam vnd vrsprung, ire eigene hant vnd ir selbes geschrift, vf diser hofestat z dem Gr nenwerde bliben vnd gar erwirdeclich gehalten werden glich eime heilt me. in der selben meinunge sú ch in dis brief b chelin gebunden sint, z eime ewigen vrkúnde, do bi wir vnd alle vnsere noch komen deste me minne gewinnent z allen den andern iren materien. do durch wir billiche sullent vermanet werden, das wir vns der selben frúnde gottes, vnsere lieben stifter, br derliche minne vnd gemeinsame deste fruhtberer machent mit rehter dangberkeit, daz wir durch sú vf einer solichen gnodenrichen, heilgen hofestat von gotte versammelt sint vnd in ir zale geh rent vnd mit in s llent messen die fruht irs gnodenrichen verdienendes in glicheme teile iemer ewicliche, ob wir selber wellent vns sin enpfenglich machen mit glouben vnd minnen vnd mit dem tigem er- 66 Es ist auffallend, daß die Überlieferung - im Gegensatz zur Einleitung - anscheinend nicht das ‚b ch von den zwey menschen‘ als das Pendant zum ‚b ch von den vier ioren‘ auffaßte, sondern das ‚b ch von den fúnf mannen‘, das stets zusammen mit den ‚vier ioren‘ überliefert ist. 67 Karl Rieder gibt versehentlich den Martinstag des Jahres 1382 als Auffindungstag des Autographs an: vgl. ders., Der Gottesfreund vom Oberland, S. 167. Die Tradierung des ‚b c h von den vier ioren‘ 345 folgende in gantzer z uersiht irs getruwen, g tlichen rotes vnd irs minnesamen, frúntlichen schribendes, alse vns dise gegenwertige briefe vnd die vrkúnde b chere manigualtikliche bewisent in allen materien (B, Bl. 32 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 1, Z. 24-S. 2, Z. 22). [Und obwohl dieses vorliegende Buch über Rulmans, unseres Stifters, Leben und auch das vorangehende Buch über das Leben der fünf Männer in deutscher und lateinischer Sprache in den drei Urkundenbüchern und in anderen Büchern mehrfach aufgeschrieben ist, trotzdem sollen diese zwei Papierbücher, die erste Ursache und der Urspung, von ihrer eigenen Hand und in ihrer eigenen Schrift, auf dieser Hofstatt zu dem ‚Grünen Wörth‘ bleiben und in Würde gehalten werden gleichsam wie ein Heiltum / eine Reliquie. Mit dieser Absicht wurden sie auch in das ‚Briefbüchlein‘ eingebunden zu einem ewigen Zeugnis, durch das wir und alle unsere Nachkommen um so mehr Liebe zu ihren anderen Werken gewinnen sollen, durch die wir in angemessener Weise ermahnt werden sollen, daß wir uns derselben Freunde Gottes, unserer lieben Stifter, brüderlichen Liebe und Gemeinschaft um so fruchtbarer erweisen mit rechter Dankbarkeit dafür, daß wir durch sie auf einer solchen gnadenreichen, heiligen Hofstatt durch Gott versammelt sind und zu ihrer Gemeinschaft zählen und mit ihnen die Frucht ihres gnadenreichen Verdienstes ewig teilen, wenn wir uns selber dafür empfänglich machen wollen durch Glaube und Liebe und in demütiger, vollkommen zuversichtlicher Befolgung ihres göttlichen Rates und ihres liebevollen und freundschaftlichen Schreibens, wie uns diese vorliegenden Briefe und die Urkundenbücher in allen ihren Materien verschiedenartig beweisen.] Die hier gegebene, ausführliche Begründung für die Aufnahme der eigenhändigen Schrift Merswins in die ‚Dokumentensammlung‘ des ‚Briefbuches‘ (B), die in den bisherigen Untersuchungen auf die Identifizierung der eingelegten Papierblätter als ‚Autograph‘ des Stifters reduziert wurde, faßt pointiert das Textverständnis, das der Tradierung des ‚b ch von den vier ioren‘ zugrundeliegt, zusammen: Da die Qualität der in Urkundenbüchern und ‚Pflegermemorialen‘ tradierten Textfassung ausdrücklich unabhängig vom ‚Autograph‘ konstatiert wird, wird die eigenhändige Aufzeichnung Merswins offensichtlich nicht bewahrt, damit alle weiteren Abschriften auf einen authentischen, den Textsinn verbürgenden Autortext rekurrieren können, d.h., die Konservierung des ‚Autographs‘ beruht nicht auf der philologischen Norm eines textkonstituierenden, auktorial autorisierten ‚Originals‘, sondern hat memorativen Charakter: Das ‚Autograph‘ zeigt in seiner Materialität den Ursprung des Hauses auf und mahnt als Erinnerungszeichen an den Stifter die späteren Bewohner zur imitatio. Der Prozeß der Überlieferung gründet sich folglich nicht auf ein modernes Konzept von Textualität, sondern auf einen institutionengebundenen Textbegriff, der die Bedeutung des einzelnen Textzeugen allein auf der Grundlage seiner gemeinschaftsbildenden Funktion und nicht seiner Position in der Textgeschichte bestimmt. Im Gegensatz hierzu entsprechen die im dritten Teil der Einleitung von B gegebenen Informationen deutlich dem philologischen Textverständnis, da Rulman Merswin hier als Autor konturiert wird. Auf der Grundlage des einheitlichen Stils und der Datierung innerhalb der Autorbiographie wird auch das ‚b ch von den nún veilsen‘ als Werk Rulman Merswins identifiziert: Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 346 ch mag ein ieglich mensche wol mercken vnd sunder allen zwifel gentzliche gl ben bi den minnekosenden worten R lman Merswins, vnsers stifters, leben, alse dicke es iemen liset vnd vor gelesen het oder lesende wurt das b ch von den nún veilsen, das der selbe R lman Merswin ch geschriben het vnd schriben m ste von g tlicher betwúngnisze vnd von insprechende dez heilgen geistes. in der selben meinunge ch das selb b ch von den n n veilsen, z túsch vnd z latine, in die drú vrkúnde b cher geschriben ist, wanne sú bede mitenander concordierent vnd gliche hellent an dem tigen worten, an inbrúnstiger minne, an bernatúrlichen, grossen, wunderlichen werken vnd goben gottes, vnd ch bede mitenander geschriben wurdent in den ziten, do R lman Merswin, vnser stifter, von gotte betwungen wart, b cher z schribende, alse die daten sagent, die bede glich sprechent in disen zweien b chern, den nún velsen vnd den vier ioren, R lman Merswines anefang, wenne in ir ieglicheme sunderliche geschriben stot, das es volbroht wurde dez iores, do man zalte von gotz gebúrte M ccc fúnfzig vnd zwei ior (B, Bl. 32 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 2, Z. 23-42). [Auch kann jeder, der die Leben[sbeschreibung] Rulman Merswins, unseres Stifters, liest und zuvor das ‚b ch von den nún veilsen‘ gelesen hat oder es noch lesen wird, anhand seiner minnekosenden (tröstenden) Worte leicht erkennen und ohne allen Zweifel glauben, daß derselbe Rulman Merswin auch [das ‚b ch von den nún veilsen‘] geschrieben hat und schreiben mußte, aufgrund göttlichen Zwangs und der Eingebung des Heiligen Geistes. Aus diesem Grund ist das ‚b ch von den nún veilsen‘ auch auf Deutsch und Latein in die drei Urkundenbücher geschrieben worden, weil sie beide miteinander übereinstimmen und gleichlauten in demütigen Worten, brennender Liebe, in übernatürlichen, großen, wunderbaren Werken und Gaben Gottes und auch beide zugleich geschrieben wurden, zu jener Zeit, als Rulman Merswin, unser Stifter, von Gott gezwungen wurde, Bücher zu schreiben, wie die Datierungen berichten, die in diesen zwei Büchern, den ‚neun Felsen‘ und den ‚vier anfangenden Jahren‘ Rulman Merswins, übereinstimmen, denn in jedem von ihnen steht unabhängig voneinander geschrieben, daß es im Jahr 1352 vollendet wurde.] Die anderen Straßburger Überlieferungsträger verzichten auf eine klar vom Text getrennte Einleitung: d, D und F beziehen jedoch in die Überschrift des ersten Kapitels des ‚b ch von den vier ioren‘ die Information mit ein, daß der Text der ‚vier iore‘ nach dem Tod Merswins versiegelt aufgefunden wurde: 68 d D F Item das viertzehenste capitel ist die andere materie vnd das b ch, das man hinder R lman merswine, dem stifter, geschriben vant vnder sin selbes Ingesigel, von den Diß ist das viertzehend capittel vnd ist das b ch, das man hinder R lman merswin geschriben fandt. (42 r ) [7 v I tem das vierzehend capittel ist die ander materie vnd das b ch, Das man hinder R lman merswin, dem stiffter, geschriben fandt, von den vier Joren sins anfohenden I tem diß capittel ist die ander matherie vnnd das B ch, das man hinder Rulman Merschwein, dem Stiffter, geschr ben vandt vnder sein selb Ins gell, von den vier 68 Die in A zum ‚b ch von den vier ioren‘ im lateinischen Urkundenbuch gegebenen Informationen entsprechen fast wörtlich den Angaben der Überschriften in d, D und F: Item do noch [d.h. nach dem ‚Meisterbuch‘] das b ch, das vnser lieber stifter R leman merswin noch sime tode mit sin selbes geschrift vnd vnder sime eigenen Ingesigele lies hinder ime geschriben vinden von den ersten vier ioren sines ane vohenden lebendes alse er sich von der welte z gotte kerte (A, Bl. 7 r ; Rieder 1905, S. 18*8-12). Die Tradierung des ‚b c h von den vier ioren‘ 347 vier ioren sins ane vohenden lebendes. Vnd seit dis selbe capitel von dem ersten iore, in dem er aller koufmanschatz vnd aller l stlicher geselleschaft vrlop gap l terliche durch got (Bl. 24 r ) lebens; vnd seyt diß capittel von dem ersten Jor, in dem er aller kouffmanschatz vnd aller lustlicher gesellschafft vrlob gab luterlich durch got ] Jaren seins aneuahenden Lebens; vnnd seit diß selbe Capittell von dem (vierte [sic! ] getilgt) Ersten Jare, in dem er aller kauffmanschafft vnnd aller Lustiger geselschafft vrlaub gab Lauterlich durch Gott | (Bl. 27 v ) Im Gegensatz zu den redaktionellen Vorbemerkungen in B weisen die ‚Pflegerbücher‘ (d; D) und das ‚Erweiterte Pflegermemorial‘ (F) hier nicht darauf hin, daß sich das ‚Autograph‘ des Textes noch innerhalb der Johanniterkomturei befindet. Rieder glaubt in dieser Differenz einen ausschlaggebenden Beweis für den Betrug des Nikolaus von Löwen erkennen zu können: Sowohl der fehlende Hinweis der Handschriften d, D und F auf das in B archivierte ‚Autograph‘ als auch die Einbindung des Exemplars des Stifters in das ‚Briefbuch‘, in einen erst nachträglich, als Ergänzung der Urkundenbücher konzipierten Codex, seien mit der notwendigen Wertschätzung gegenüber einer eigenhändigen Lebensbeschreibung eines Stifters nicht zu vereinbaren, woraus folge, daß das ‚Autograph‘ „weder die Lebensbeschreibung noch die eigenhändige Schrift Rulmanns“ sei, 69 sondern eine erst nach d, D und F von Nikolaus von Löwen angelegte Fälschung. 70 Beide von Rieder angeführten Indizien einer falsifikatorischen Schriftpraxis kann die eingehende Kommentierung der Handschriften jedoch durch die spezifische Funktion des ‚Autographs‘ für die Überlieferung des ‚b ch von den vier ioren‘ plausibel erklären: Alle erhaltenen Textzeugen des ‚b ch von den vier ioren‘ beruhen auf einem Exemplar der ‚Pflegermemoriale‘, das jeweils einem der drei weltlichen Pfleger übergeben wurde und demnach die Komturei verlassen sollte. Der Verweis auf die eigenhändige Niederschrift im ‚Briefbuch‘ (B), welches auf dem ‚Grünen Wörth‘ verwahrt wurde, ist für den intendierten Gebrauchszusammenhang außerhalb des Konvents daher wenig sinnvoll. Auch wird die Integration der ‚eigenhändigen‘ Schrift in das wenig repräsentative, erst spät angelegte ‚Briefbuch‘ unmittelbar einsichtig, wenn man ihre Funktion - in Übereinstimmung mit der gerade diskutierten paratextuellen Notiz - nicht in der Verbürgung einer authentischen, hoch-autorisierten Textgestalt, sondern in ihrer textunabhängigen materiellen Verbindung zum Stifter erblickt. 71 Diese Vermutung, die im ‚Autograph‘ tradierte Textform des ‚b ch von den vier ioren‘ gelte der weiteren Überlieferung nicht als bewahrenswerte und daher identisch zu reproduzierende Version der ‚Stiftervita‘, wird durch den Vergleich der Textzeugen bestätigt, denn B bietet eine von allen anderen Überlieferungsträgern abweichende Fassung der Bekehrungserzählung. Die unterschiedliche Textgliederung ist dabei von nur eingeschränktem Aussagewert, da sich in ihr vor allem verschiedene Formen der Textstrukturierung in Einzel- und Sammelhandschriften manifestieren: 69 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 168. 70 Ibid. 71 Die weiteren inhaltlichen Unterschiede der Einleitung bzw. Kapitelüberschriften basieren auf den verschiedenen Gesamtkonzeptionen der Handschriften, die weiter unten detaillierter erläutet werden (vgl. S. 348-350). Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 348 Während das ‚Autograph‘ die einzelnen Sinneinheiten des Textes nicht mit Hilfe von Kapitelüberschriften ausweist, sondern das ‚b ch‘ durch wiederkehrende Formulierungen zu Beginn und am Ende der Kapitel gliedert (der Anfang jeden Kapitels lautet n des ... jores [B, Bl. 36 r und 37 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 14, Z. 19 u. S. 18, Z. 4], das Ende wird durch dis ist van dem ... jore bezeichnet [B, Bl. 36 r und 37 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 14, Z. 18 u. S. 18, Z. 1-3]) und den Abschluß der Erzähleinheiten zusätzlich durch einen Strich, der den Rest der Zeile einnimmt, visuell hervorhebt, unterwerfen die weiteren Codices die ‚Stiftervita‘ den in ihnen durchgehend gebräuchlichen Strukturierungsprinzipien: Wie in der Gliederung der ‚Gründungsgeschichte‘ beschränkt sich D im Haupttext auf eine Numerierung der Kapitel, welche an die Zählung der Erzählabschnitte der Chronik anschließt, und bietet ausführliche, mit d und F übereinstimmende Kapitelbezeichnungen nur im Inhaltsverzeichnis zur Gesamthandschrift. Das Berliner ‚Pflegermemorial‘ (d) und das ‚Erweiterte Pflegermemorial‘ (F) weisen demgegenüber auch im Fließtext des ‚b ch von den vier ioren‘ detaillierte Überschriften auf, die den Inhalt des folgenden Kapitels zusammenfassen und (abgesehen von kleineren Abweichungen) wörtlich übereinstimmen. Gewährt die unterschiedliche Gestalt der Textgliederung nur begrenzte Einblicke in den Prozeß der Überlieferung, da sie sich auf eine verschiedenartige redaktionelle Textpräsentation beschränkt, lassen sich in bezug auf den Textbestand zwei wesentliche Unterschiede zwischen ‚Autograph‘ und der in den Sammelhandschriften enthaltenen Textfassung konstatieren: Den wohl augenfälligsten Zusatz bieten die Handschriften d, D und F, indem sie den Text im 16. Kapitel mit zwei redaktionellen Bemerkungen versehen (d: Bl. 29 v / 30 r und 31 rv ; D: Bl. 52 r -53 r und 55 v / 56 r ; F: l. 35 r und 36 v / 37 r ), deren deutliche Markierung und inhaltliche Orientierung an der in B dem ‚b ch von den vier ioren‘ vorangeschickten Einleitung ihre interpretatorische Belastung als paradigmatische Beispiele der Bearbeitungslust des Nikolaus von Löwen 72 jedoch verbieten. Nutzen die beiden ‚Pflegermemorialhandschriften‘ (d; D) das Mittel der Rubrizierung, um die beiden Einschübe bereits rein optisch vom Haupttext der ‚Stiftervita‘ abzuheben, nimmt das ‚Erweiterte Pflegermemorial‘ F eine paratextuelle Rahmung der beiden redaktionellen Erweiterungen vor, um den Übergang zum ‚Originaltext‘ Merswins deutlich hervorzuheben. Das Ende des ersten Einschubs lautet so in allen drei Handschriften: N vohent hie wider an R lman merswines, des stifters, wort, alse er su mit sin selbes hant noch sime tode hinder ime lies geschriben vinden, alsus sprechende (d, Bl. 30 r ; vgl. D, Bl. 53 r ; F, Bl. 35 r ); den Abschluß der zweiten Erweiterung markieren die Codices wie folgt: N vohent R lmannes rede hie wider an, wie er z dem selben menschen, dem gnodenrichen, erl hteten leÿgen, sime heimelichen fr nde, alsus sprach (d, Bl. 31 v ; vgl. D, Bl. 56 r ; F, Bl. 37 r ). Obwohl die redaktionellen Zusätze der Sammelhandschriften somit ihre Textversionen von der Textform des ‚Briefbuches‘ (B) unterscheiden, bezeugt die deutliche Abgrenzung von redaktioneller Beigabe und der Vorlage entnommenem Textverlauf ein ausgeprägtes Bewußtsein verschiedener Textebenen und der Zugehörigkeit der Texte zu verschiedenen 72 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, passim. Die Tradierung des ‚b c h von den vier ioren‘ 349 Autoren. Auch der Inhalt der beiden Zusätze - der Verweis auf andere, auf dem ‚Grünen Wörth‘ überlieferte b chelin, der die im Text der ‚vier iore‘ allgemein gehaltenen Mitteilungen über weitere Schriften Rulman Merswins bzw. des Gottesfreundes konkretisiert - bestätigt den Eindruck, die drei Sammelhandschriften zielten auf eine inhaltlich konservative, das ‚b ch‘ allein formal an die Präsentationsformen des Codexes adaptierende Texttradierung, da beide Einschübe ihre Grundlage in den einleitenden Bemerkungen im ‚Briefbuch‘ (B) haben: Der erste Einschub (d, Bl. 29 v / 30 r ; D, Bl. 52 r -53 r , F, Bl. 35 r ; Rieder 1905, S. 195*39-196*14), welcher das b chelin, das Rulman Merswin seinem eben menschen z helfe (d, Bl. 29 v ) schreiben mußte, als das ‚b ch von den nún veilsen‘ identifiziert, greift den dritten Sinnabschnitt der Einleitung in B auf; 73 der zweite Einschub (d, Bl. 31 rv ; D, Bl. 55 v / 56 r ; F, Bl. 36 v / 37 r ; Rieder 1905, S. 197*7-197*25) 74 entnimmt die Konturierung eines Schriftenaustausches zwischen den beiden Stiftern den redaktionellen Bemerkungen in B, um das b chelin, do an geschriben stot funf ior mins [d.h. des Gottesfreunds] anefanges (d, Bl. 31 r ), mit dem ‚b ch von den zwey menschen‘ gleichsetzen zu können. Die von Rieder argumentativ stark belastete Ellipse der Einleitung des ‚Briefbuches‘ (B) in d, D und F erweist sich so als Verschiebung: Die Erklärung über weitere Schriften der Gottesfreunde, die in B - da der Text des Einschubs bereits abgeschlossen vorlag - nur an den Anfang gesetzt werden konnte, wird in den folgenden Handschriften jeweils an der relevanten Textstelle eingefügt. Neben diesen Veränderungen des Textbestandes durch redaktionelle Eingriffe, denen durch ihre klare Abgrenzung eine überlieferungsgeschichtliche Analyse nur bedingt Rechnung tragen muß, tritt eine Textstelle, an der B gegenüber d, D und F nicht nur einen ausführlicheren Text i.S. von weitläufigeren Formulierungen bietet, 75 sondern auch eine inhaltliche Erweiterung zeigt. Der divergierende Anfang der Texte ist aufgrund seiner prominenten Position dabei kaum auf einen zufälligen Textverlust in ‚Pflegermemorialen‘ und ‚Erweiterten Pflegermemorialen‘ zurückzuführen. D, d und F scheinen vielmehr absichtlich auf den Anfang des ersten Kapitels in B zu verzichten: allen den si k nt geton, die dis b chelin lesent oder herent lěsen, was her an geschribben stot, das es also ist und l ter worheit ist, vnd das behěbe ich bi der g ngensten ferthe, also ich vsser der zit gescheiden bin; vnd z eime gerehten geworen worzeihen so sol men finden hangende min eigin ingesigel an eime riemen an dieseme b chelin (B, Bl. 33 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 3, Z. 1-7). Der in das ‚Briefbuch‘ (B) integrierte Text bietet keinen offensichtlichen Anlaß, warum d, D und F sich gegen eine Überlieferung entscheiden, handelt es sich doch um die Betonung und den Beweis der transzendenten (Schwur beim Jüngsten Gericht) 73 Die Formulierung dieses Zusatzes entspricht dabei - bis auf Satzumstellungen und durch den zeitlichen Abstand begründete Einzelwortvarianz (so ersetzt F auch im Text der Einschübe, wie im gesamten Text der ‚vier iore‘, das Wort minne durch liebe und präferiert wunder vor wercke) - dem Wortlaut der Einleitung zum ‚b ch von den nún veilsen‘ in A. Vgl. den Textverlauf in A, Bl. 131 v (Rieder 1905, S. 38*1-13) mit dem Textverlauf in d, Bl. 29 v / 30 r ; D, Bl. 52 r -53 r ; F, Bl. 35 r (Rieder 1905, S. 195*39-196*14). 74 Der zweite Einschub ist auch bei Strauch verzeichnet: Philipp Strauch 1927b [ATB 23], S. 22, Anm. 16. 75 Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 350-361. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 350 und der immanenten Wahrheit des Textes (Beweis durch das Siegel), und so erkennt Rieder in diesem Ausfall einen weiteren Beweis für die Fälschung des ‚Autographs‘: Da das „teure[ ] Andenken“, welches die eigenhändige Lebensbeschreibung des Stifters für die „Brüder vom Grünenwörth“ darstelle, nach „ein[em] allgemein anerkannte[n] psychologische[n] Grundsatz“ eine sorgfältige Abschrift - „ohne jede Auslassung und ohne jede Zutat“ - verlange, lasse sich die Ellipse des Textbeginns in d, D und F nur erklären, wenn „die ‚eigenhändige‘ Lebensbeschreibung erst mit Anlegung des Briefbuches entstanden“ sei, die einleitenden Sätze einen erst nachträglich von Nikolaus von Löwen hinzugefügten Zusatz bildeten, 76 „um die Wahrheit des Inhalts zu bekräftigen und vor jedem Zweifel sicher zu stellen“. 77 Berücksichtigt man im Gegensatz zu Rieders ausschließlich textgeschichtlicher Argumentation den vom Konzept des Textdokuments abweichenden, memorativen Status des ‚Autographs‘ als Erinnerungszeichen und bedenkt die in den ‚Pflegermemorialen‘ (d; D) und ‚Erweiterten Pflegermemorialen‘ (E; F) vorgenommene Einbindung des ‚b ch von den vier ioren‘ „in einen grösseren zusammenhang“, 78 erklärt sich die Ellipse des Textbeginns weitaus weniger spektakulär und rein pragmatisch: Den Abschriften k o n n t e das Wahrheitszeichen des Siegels nicht beigegeben werden und so mußte der Bericht über die wahrheitsverbürgende Besiegelung des ‚Autographs‘ den Rubriken übergeben werden. Die Analyse der Textvarianz bekräftigt den Eindruck, das in B integrierte (durch charakteristische Fehler als Abschrift ausgewiesene) 79 ‚Autograph‘ nehme eine Sonderstellung in der Überlieferung ein, da der in ihm tradierte Text sowohl im Umfang als auch im Wortlaut in erheblichem Maße von dem in den anderen Überlieferungs- 76 Rieder bewertet den einleitenden Satz in B als nachträgliche Hinzufügung, da Goetzmann in seiner Kompilation dem ‚b ch von den vier ioren‘ das 25. Kapitel des lateinischen Memorials voranschickt, das eine[ ] vorred von dem lebenslauff der ersten vier jahren Rulman Merschweins bietet (G, Bl. 58 r -59 v ; Rieder 1905, S. 228*9-229*29). Am Ende dieser Vorbemerkungen ist nun zu lesen: Rulman hat auch beÿ Verlust seiner seel vor seinem tod bekennt, das alles wahr seÿe, so darin geschriben und beschriben stehet (G, Bl. 59 v ; Rieder 1905, S. 229*26f.). Im Gegensatz zur Fassung in B seien diese Bemerkungen jedoch „n i c h t i m T e x t a l s W o r t e R u l m a n n s , s o n d e r n i n d e r V o r r e d e a l s W o r t e N i k o l a u s v o n L ö w e n s “ enthalten (Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 169; Hervorhebung im Original), somit seien sie nicht ursprünglicher Bestandteil des Textes, sondern späterer Zusatz. Rieders Argumentation ist jedoch entgegenzuhalten, daß es durchaus möglich ist, daß die Vorbemerkungen, die in B den Textbeginn der ‚Vita‘ bilden, im lateinischen Memorial in die Vorrede des ‚b ch‘ aufgenommen wurden, da eine wörtliche Übernahme (mit dem Verweis auf das Siegel) auch hier nicht möglich war. 77 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 170. 78 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 128. 79 Folgende nachträglich gestrichene Doppelung läßt sich nur als Fehler in einem mechanischen Abschreibeprozeß erklären: Auf Bl. 37 r findet sich ein Homöoteleuton, ausgelöst von die zit: das was sache, das ich von der gnoden gottes wol etthewas befvnden hette d i e z i t , d i e i c h f o r m o l e s i n d e r z i t g e l e b b e t h e t t e ; das ich die selbe zit, d i e i c h (gestrichen f o r m o l e s i n d e r z i t g e l e b b e t h e t t e , d a s i c h ) one getteliche minne f rtribben hette (B, Bl. 37 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 17, Z. 3- Z. 5; Hervorhebung d.V.). Die Tatsache, daß das ‚Autograph‘ durch den genannten Fehler als Abschrift charakterisiert ist, läßt dabei nicht auf seine Nachträglichkeit schließen, da die Reinschrift von einem auf Wachstafeln notierten Konzept - nach den Aussagen des ‚Großen deutschen Memorials‘ (A, Bl. 7 v / 8 r ; Rieder 1905, 19*34-20*9) - für die Überlieferung auf dem ‚Grünen Wörth‘ durchaus üblich war. Die Tradierung des ‚b c h von den vier ioren‘ 351 trägern weitestgehend identischen 80 Textverlauf abweicht. Diese Differenzen wurden bereits von Rieder und Strauch - allerdings nur oberflächlich und unpräzise 81 - wahrgenommen und von beiden als Redaktionen bewertet, die entweder (im ‚Autograph‘) dem Stilprinzip einer „offenkundig gekünstelte[n]“ Erweiterung im Dienste des „Geheimnisvollen“ 82 oder (in den ‚Pflegermemorialen‘ und den ‚Erweiterten Pflegermemorialen‘) dem Bearbeitungsgrundsatz des „straffere[n] zusammenziehen[s] stilistischer breiten“ 83 folgen. Den maßgeblichen Unterschied übereinstimmend im Umfang der Texte erblickend, bewerten Strauch und Rieder die Bearbeitungsrichtung jedoch divergierend: „Nach den Grundsätzen über Textvergleichung“ sei es, so Rieder, „unmöglich“, daß die kürzeren Texte in D/ d und E/ F aus dem ‚Autograph‘ entstanden seien; „das gegenseitige Verhältnis der Texte stellt sich vielmehr so, daß γ [B] aus α [D] direkt oder durch Vermittlung von β [E] hervorgegangen ist.“ 84 Genau entgegengesetzt erklärt Strauch die Genese der Handschriften; auf Rieder Bezug nehmend führt er aus: Hinsichtlich des textes aber lässt eine sorgfältige vergleichung der fassung α β γ (im Pflegermemorial, im Erweiterten pflegermemorial, sog. autograph) α [D] β [E] als solche erkennen, die gelegentlich die widerholungsreiche gar zu redselige breite diction in γ [B] - ein characteristicum der gesamten Gottesfreundlitteratur - etwas eindämmen [...], war in ihnen der tractat von den Vier jahren doch auch nur der kleinere teil (drei capitel) eines grösseren ganzen. Und was hätte andererseits Nicolaus von Löwen veranlassen sollen, den ursprünglichen text, der denn doch die rolle eines autographs zu spielen bestimmt war, stilistisch durch widerholung und umschreibung in die länge zu ziehen? 85 Auch wenn Strauchs Vorstellung einer Neugestaltung des Textes im Zuge der Abschrift für die ‚Pflegermemoriale‘ und der von ihnen abgeleiteten Handschriften wahrscheinlich ist, simplifiziert auch er den Charakter der Umgestaltung. Die im ‚Briefbuch‘ (B) überlieferte Textform und die Version der ‚Pfleger‘- und ‚Erweiterten Pflegermemoriale‘ stellen zwei verschiedene Fassungen des ‚b ch von den vier ioren‘ dar, die unterschiedlichen elokutionären Verfahren verpflichtet sind und somit auch ein anderes Wirkpotential umfassen: Das ‚Briefbuch‘ gestaltet die religiöse ‚Vita‘ mit den rhetorischen Mitteln der evidentia, „die auf nicht-diskursive Weise, nämlich im Wege der Veranschaulichung, zur Einsicht führen“, 86 d.h., das Geschehen wird so 80 Zu den Differenzen zwischen d, D und F vgl. S. 363-368. 81 Rieder führt zu den Unterschieden der Fassungen aus: „Sonst [abgesehen von der Einleitung in B und den Einschüben in den ‚Pflegermemorialen‘] stimmt der Text der Abschrift mit dem sogenannten Original, abgesehen von den sprachlichen Eigentümlichkeiten, inhaltlich, aber keineswegs dem W o r t l a u t nach überein“ (Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 169; Hervorhebung im Original). 82 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 183, Anm. 3. 83 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 128. 84 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 170f. 85 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 127f. 86 A. Kemmann, Evidentia, Evidenz, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik Bd. 3 (1996), Sp. 33-47, hier Sp. 39f. Dieser mimetische Effekt der evidentia rückte in der jüngeren mediävistischen Forschung unter dem von Horst Wenzel geprägten und propagierten Paradigma der ‚Poetik der Sichtbarkeit‘ in den Fokus des literaturwissenschaftlichen Interesses, wurde hier jedoch stets als ein Charakteristikum höfischen Erzählens verstanden, das die Körperlichkeit des öffentlichen und herrschaftlichen Handelns in der mittelalterlichen Adelsgesellschaft durch Strategien der Visualisierung und reziproken Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 352 lebendig und detailliert dargestellt, daß nicht nur die Suggestion einer visuellen Wahrnehmung (subiectio sub oculos), 87 sondern auch des unmittelbaren (Mit)Erlebens erreicht wird. Diese sprachlich generierte „Teilhabe“ 88 an der Bekehrungsgeschichte soll dem Rezipienten durch die Erregung seiner Affekte eine Partizipation an den Gnadenerlebnissen Merswins ermöglichen. Die in d, D und F überlieferte Textfassung ist demgegenüber um perspicuitas bemüht, die sich zur intellektuellen Belehrung der brevitas und detractio bedient. Da die Verpflichtung der beiden identifizierten Textfassungen gegenüber unterschiedlichen diskursiven Regeln der Texterstellung 89 das gesamte Textgewebe erfaßt, eine umfassende Gegenüberstellung der Versionen in diesem Rahmen folglich nicht möglich ist, bedarf die folgende Darstellung einer doppelten Reduktion: Zum einen sollen die mannigfaltigen und kleinteiligen Unterschiede in den Formen der Textkonstitution mit Hilfe der von Lausberg vorgenommenen, 90 der Rhetoriklehre Quintilians 91 entlehnten Differenzierung dreier Modi der evidentia strukturiert werden, ohne damit notwendig eine Ausgestaltung der Textform auf der Grundlage dieser mitunter plakativ gewählten stilistischen Prinzipien zu implizieren. Obwohl Quintilians ‚Ausbildung des Redners‘ auch im Mittelalter maßgeb- Sichtbarkeit in literarischen Texten zu imitieren trachte. Die im folgenden analysierten rhetorischen Visualisierungsstrategien des ‚b ch von den vier ioren‘ stellen nun diesen Versuch, die durch poetische Verfahren erzeugte Augenscheinlichkeit allein als virtuelle Körperlichkeit, d.h. als textuelles Pendant der höfischen Kultur zu begreifen, in Frage und bezeugen das Verfahren als eine generelle literarische Strategie der Rezeptionslenkung i.S. der Partizipation. Vgl. Horst Wenzel, Hören und Sehen, Schrift und Bild. Kultur und Gedächtnis im Mittelalter, München 1995, bes. S. 338-413; ders., Wahrnehmung und Deixis. Zur Poetik der Sichtbarkeit in der höfischen Literatur, in: Horst Wenzel, C. Stephen Jaeger (Hgg.), Visualisierungsstrategien in mittelalterlichen Bildern und Texten, Berlin 2006 (Philologische Studien und Quellen 195), S. 17-43. 87 Vgl. Horst Wenzel, Sagen und Zeigen. Zur Poetik der Visualität im ‚Welschen Gast‘ des Thomasin von Zerclaere, in: ZfdPh 125 (2006), S. 1-28, hier S. 3. 88 Horst Wenzel und Christina Lechtermann, Repräsentation und Kinästhetik. Teilhabe am Text oder die Verlebendigung der Worte, in: Paragrana 10.1 (2001), S. 191-213, hier S. 191. 89 Nicht alle Unterschiede der beiden Fassungen können auf differierende Stilprinzipien zurückgeführt werden. Neben die Veränderung der Reihenfolge einzelner Satzglieder, die nur einmal - bei der handlungslogischen Einordnung von Merswins Entschluß, seinen Körper zu bewahren, um ihn vermehrt dem lidenden we in der Nachfolge Christi auszusetzen (B, Bl. 37 rv ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 17, Z. 9-S. 18, Z. 3 vs. d, Bl. 29 rv ; vgl. D, Bl. 51 v / 52 r ; F, Bl. 34 rv ) - eine Änderung des Erzählverlaufs herbeiführt, tritt Varianz auf der Ebene des Einzelwortes, deren Ursache nicht zu erkennen ist, z.B.: Fassung in B Fassung in d, D, F (zit. nach d) n fiel mir ch der gegene in vnd wart gedenkende, wie gar derliche vnd wie gar v n n c b e r l i c h e (ich nachgetragen) mine zit vir tr ben hatte (Bl. 33 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 4, Z. 5-7; Hervorhebung d.V.) Vnd ich gedohte ouch dar gegene, wie gar t rliche vnd v n f r u h t b e r l i c h e ich mine zit vertriben hette (d, Bl. 24 v ; vgl. D, Bl. 42 v / 43 r ; F, Bl. 28 r ; Hervorhebung d.V.) vnd wanne es ch beschach, das mir der barmeherzige, milte got mir diese grose, fr den riche, veber natt rliche g o b b e sante, so was mir rehthe, wie das ich einen forgesmag der eewige fr den bef nden hette (Bl. 34 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 7, Z. 26-30; Hervorhebung d.V.) vnd wenne mir ouch der erbarmhertzige, milte got diese grosse, fr idenriche, bernaturliche g n o d e sante, So was mir rehte, wie das ich einen vorsmack der ewigen fr iden befunden hette (d, Bl. 26 r ; vgl. D, Bl. 45 r ; F, Bl. 29 v ; Hervorhebung d.V.) 90 Heinrich Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft, 2 Bde, München 1960, Bd. 1, § 812-819 (S. 402-407). 91 Vgl. Marcus Fabius Quintilianus, Ausbildung des Redners. Zwölf Bücher, hg. und übersetzt von Helmut Rahn, 2 Bde, Darmstadt 1972 und 1975 (Texte zur Forschung 2 und 3). Die Tradierung des ‚b c h von den vier ioren‘ 353 lich war, 92 fungiert die rhetorische Terminologie im folgenden somit nicht als produktionsästhetische, sondern als beschreibende Kategorie. Zum anderen müssen aus der Textur der Fassungen einzelne Textpassagen isoliert werden, anhand derer die benannten Verfahren beispielhaft aufgezeigt werden können. Die dominierende Gedankenfigur der ‚autographen‘ Fassung ist die hypotyposis, die einen Vorgang nicht als geschehen konstatiert, sondern ihn in seinen „kleinste[n] Vorgangs- und Gegenstandseinzelheiten“ 93 vorführt und so die „Augenwahrnehmung der Hörer“ 94 überzeugend fingiert. Dieses Leitprinzip der Detaillierung wird in der Textversion des ‚Briefbuches‘ (B) durch die anadiplotische Wiederaufnahme der zuletzt beschriebenen Handlung erreicht, und zwar in zwei verschiedenen Ausformungen. Im engeren Sinn der Anadiplose wiederholt der Text wörtlich das gerade Geschehene und erreicht somit die Vorstellung einer kleinschrittigen Sukzession von Ereignissen: Fassung in B 95 Fassung in d, D, F (zit. nach d) in dieseme grossen liddende was ich alle die zit in der kirchen, vncze an die zit, das man die kirche beschliessen welte, v n d d o g i n g i c h h e r v s v n d g i n g h e i m v n d g i n g i n m i n e k a m m e r , wanne ich van groseme lidden we n t essen m the. d o i c h a l s o i n m i n e r k a m m e r n s a s , do wart ich an eime b chelin lesende gar g te ding van dem liddende vnsers herren (Bl. 35 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 15, Z. 3- 9) In diseme grossen lidenden we was ich alzit in der kýrchen, vntze das man sú besliessen wolte. Do ging ich heim in meine kammere, wanne ich von grosseme lidenden we nut essen m hte vnd las in eime b chelin gar g te ding von dem lidende vnsers herren (d, Bl. 27 r ; vgl. D, Bl. 47 v ; F, Bl. 31 rv ) mir wart ch in dieseme firden jore gebben eine gar veber natt rliche, grose gobbe, v n d w a s d i e g o b b e a l s o , d a s m i r v a n d e r g n o d e n g o t t e s g e b b e n w a r t , also das ich groses jomers in mime herzen befant (Bl. 38 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 21, Z. 2-6) Dar z wart mir ein bernat rliche gobe von gotte gegeben, das ich grossen iomer vnd begirde hette noch lidende (d, Bl. 31 r ; vgl. D, Bl. 54 v ; F, Bl. 36 r ) Im weiteren erfolgt die Wiederaufnahme des Geschehens durch die wiederholt eingesetzte, beinahe standardisierte Formel do das bzw. es beschach, in der das absolute Verb beschehen die Prädikatsfunktion im Hauptbzw. im temporalen Nebensatz übernimmt, während das „einfache Verb“ 96 in den subordinierten Subjektsatz verschoben wird. Die wiederkehrende Konstruktion mit Hilfe dieses Kolons bietet 92 Hennig Brinkmann, Zu Wesen und Form mittelalterlicher Dichtung, Halle/ S. 1928 [Unveränderter Nachdruck Darmstadt 1979], S. 47. 93 Heinrich Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik, Bd. 1, § 813 (S. 404). 94 Haiko Wandhoff, Ekphrasis. Kunstbeschreibungen und virtuelle Räume in der Literatur des Mittelalters, Berlin; New York 2003 (Trends in Medieval Philology 3), S. 21. 95 Die textuelle Varianz der Handschriften wird im folgenden durch Sperrung markiert. Wenn nicht anders ausgewiesen, wurden die Hervorhebungen daher stets von der Verfasserin vorgenommen. 96 Werner Cordes, Der zusammengesetzte Satz bei Nicolaus von Basel, Leipzig 1889, S. 38; die beiden anderen Verwendungsweisen der Phrase ez beschiht, die Cordes verzeichnet - die Einleitung eines konditionalen Satzgefüges (ibid., S. 96) und eines Subjektsatzes (S. 147f.) - bleiben in der Fassung der Handschriften d, D, F erhalten. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 354 nicht allein die Möglichkeit, das gerade detailliert Berichtete zusammenfassend zu rekapitulieren und so das Geschehen als engmaschige Folge von Begebenheiten zu komponieren, 97 sondern erlaubt es auch - und diese Funktion dominiert in B -, die Ereignishaftigkeit des Geschehens zu betonen, indem die Aufmerksamkeit nicht auf den im Subjektsatz beschriebenen Vorgang, sondern auf den im Vorfeld des übergeordneten Satzes beschriebenen, unmittelbaren Neueinsatz der Handlung gelegt wird. Diese (sich im gesamten Text anaphorisch wiederholende) Konstruktion führt zugleich zu parallel gebauten Sätzen, deren Reihung eine poetisch ungestaltete, allein mimetisch-dokumentierende Aufzeichnung fingieren: Fassung in B Fassung in d, D, F (zit. nach d) n in dieseme selben ersten jore, do ich eins nahtes vf st nt vnd mine mettin betten wolte vnd do ich si anne fohen wolte, d o b e s c h a c h e s z s t n t , d a s m i r g a r g e s w i n d e g a r v s s e r m o s e n g a r g r o s e , f r e m m e d e b e k o r v n g e n i n f i e l l e n t (Bl. 34 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 10, Z. 12-17) Vnd in diseme selben ersten iore, do ich eins nahtes uf gestunt vnd mine mettin wolte ane vohen z bettende, d o v i e l e n t m i r z s t u n t a l s e g a r g r o s s e , f r m e d e , v n g e n a n t e , v n r e i n e , b s e , v n k s c h e b e k o r u n g e n i n (d, Bl. 27 r ; vgl. D, Bl. 47 r ; F, Bl. 31 r ) vnd wart ch die vebernatt rliche, liehtriche, getteliche, minnenriche gnode also gar f l starg in mir, a l s o d a s e s b e s c h a c h i n m i r , w a n n e i c h e i n e n m e n s c h e n w a r t a n n e s e h h e n d e , so was mir, wie das ich in der lieht richen, gettelichen gnoden wol etthewas sehhende was, wie das es vmbe in st nde (Bl. 37 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 18, Z. 14-20) Vnd wart ouch die bernat rliche, liehtriche, g tteliche gnode alse gar starg in mir, das mich duhte, das ich in der liehtrichen gnoden einen iegelichen menschen wol bekante, wie es vmb in st nde (d, Bl. 29 v ; vgl. D, Bl. 52 r ; F, Bl. 34 v ) n d o e s b e s c h a c h , d a s d i e s e v i e r j o r v s k o m e n t v n d d i e z i t v i r g a n g e n w a s , i n d e m a l l e r e r s t e n m a n n o t t e d e r n o c h , do beschach es (dar z gestrichen) z einer zit, das ich fan der gnaden gottes in ein gar gros, veber natt rlich lieht gezogen wart (Bl. 40 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 25, Z. 17-21) V n d i n d e m a l l e r n e h s t e n m a n o t t e n o c h d i s e n e r s t e n v i e r i o r e n , do wart ich von der gnoden gottes in ein gar gros, bernat rlich lieht [33 r ] gezogen (d, Bl. 32 v / 33 r ; vgl. D, Bl. 58 v ; F, Bl. 38 v ) 97 Von den zahlreichen, den Textverlauf des ‚b ch‘ durchziehenden Beispielen dieser wiederholenden, die Erzählung kleinteilig strukturierenden Funktion des temporalen Nebensatzes möge eines genügen: So schließt die Fassung in d, D und F (d, Bl. 30 v ; vgl. D, Bl. 53 v / 54 r ; F, Bl. 35 v ) Merswins demutsvolles Erschrecken über seine unio-Begirde unmittelbar an sein Gebet an, in dem er die Nähe Gottes sucht, nachdem seine Verzückungen ausbleiben: So ich denne an mine gebette was, so wart eine begirde in mir ufstonde noch disem fr idenrichen troste mines hertzen vnd miner selen fr ide, aber ich erschrack sin gar sere. Die Textform B fügt demgegenüber einen temporalen Nebensatz ein, der den Eigenwillen der unio-Sehnsucht nochmals herausstellt: so beschach es wol z ettelichen ziten, so ich an mime gebette was, also das mir dan wart in fallende, das eine begirde wart in mir vf stonde, vnd was die also, das ich gerne gehebbet hatte den fr den richen trost mins herzen vnd sellen fr de; w a n n e e s a b e r b e s c h a c h , d a s i c h b e f a n t , d a s d i e s e g r o s e b e g i r d e i n m i r v f w a r t s t o n d e , so rschrag ich sin gar sere (B, Bl. 38 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 19, Z. 30-S. 20, Z. 2). Die Tradierung des ‚b c h von den vier ioren‘ 355 Beide Formen der Wiederholung - die anadiplotische Wiederaufnahme sowie die parallel gefügten Sätze mit Hilfe der Formel do das/ es beschach - erzeugen gemeinsam den Eindruck eines unmittelbaren, auf momentaner Anschauung beruhenden und durch die Ereignisse affizierten Augenzeugenberichts und erhöhen so die credibilitas der ‚Vita‘, während die Fassung der ‚Pflegermemoriale‘ (d; D; F) eine möglichst klare und geradlinige Präsentation i.S. der oratio aperta anstrebt, die der natürlichen Reihenfolge der Ereignisse folgt. Die Detaillierung und kleinschrittige Veranschaulichung wird in B teilweise zur expolitio, zur „Ausmalung [...] eines Gedankens (res) durch Abwandlung (variatio) der sprachlichen Formulierung (verba) und der zum Hauptgedanken (res) gehörenden Nebengedanken (res)“, 98 gesteigert, wie z.B.: Fassung in B Fassung in d, D, F (zit. nach d) do gingent mir die gen vf vnd sach vmbe mich vnd sach nit, abber was dis was, das weis ich n t, got der weis es wol, abber eins das befant ich wol, also das mine natt re gar frelliche worden was, vnd ich st nt ch geswinde van dem bette vf vnd was in grosen fr den gehorsam. vnd also schiere ich van dem bette kam, do befant ich z st nt ein groses worzeihen: ich befant, das mir min lip, der mir do formoles vndenan gar sere gros z rblegget [36 r ] vnd geswollen was, do was veber al n t me vnd was alles abbe, vnd ich befant ch, das ich in aller miner natt ren groser craft gewar wart, vnd dar z so kam ch also gar vnmessige, grose fr de in min liplich herze, also das ich z st nt alles wees fúr gas vnd alles des liddendes, das ich formoles ie gehebet hatte (Bl. 35 v / 36 r ; Strauch 1927b [ATB 23] S. 13, Z. 17-31) Do tet ich mine ougen uf und sach n t. Aber mine nature, die was gar fr ilich worden. Vnd ich befant z eime grossen wortzeichen, das mir die geswulst nidenan an mime libe z mole abe was vnd in aller miner naturen grosser kraft gewar wart vnd dar z soliche grosse, vnmessige fr ide, die ich in mime liplichen hertzen befant, das ich alles des lidendes vnd wewes vergas, das ich vormoles ie gehebet hette (d, Bl. 28 r ; vgl. D, Bl. 49 r ; F, Bl. 32 v ) N do ich befant, das ich in diesen zweigen joren (das gestrichen) also gar sere faste abbe gen men hette vnd also gar krang in aller miner natt ren worden was, das ich sin ettewas rschrag, wanne mir min natt rlich lebben faste geriet lieben, vnd dar vmbe es mir liebende was, das was sache, das ich von der gnoden gottes wol etthewas befvnden hette die zit, die ich formoles in der zit gelebbet hette; das ich die selbe zit, die ich (gestrichen formoles in der zit gelebbet hette das ich) one getteliche minne f rtribben hette: har vmbe so was ich gl bende alle die zit, die ich formoles one getteliche minne f rtribben vnd gelebbet hette, das die selbe zit gar vnwert vor dem eewigen himmelschen fatter were (Bl. 37 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 16, Z. 34-S. 17, Z. 9) Abe diser grossen krangheit erschrack ich ettewas, do ich alse sere geriet abe nemen, wanne ich bekante wol, das vnserme lieben herren die zit gar vngeneme was, das ich bitze dar vertriben hette one alle g tteliche minne (d, Bl. 29 r ; vgl. D, Bl. 51 rv ; F, Bl. 34 r ) 98 Heinrich Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik, Bd. 1, § 830 (S. 413). Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 356 mir wart ch in dieseme firden jore gebben eine gar veber natt rliche, grose gobbe, vnd was die gobbe also, das mir van der gnoden gottes gebben wart, also das ich groses jomers in mime herzen befant, also das ich grose begirde hatte, vnd wer es der wille gottes, das ich gar gerne lidden hette; den jomer, den fant ich in mime herzen noch liddende, vnd das lidden wer ch wie gros vnd wie swere es wolte, das wolte ich gar gerne vnd gewillekliche lidden, sime liddende vnd sime bittern dode z eren (Bl. 38 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 21, Z. 2-12) Dar z wart mir ein bernat rliche gobe von gotte gegeben, das ich grossen iomer vnd begirde hette noch lidende, wie gros vnd wie swere das were gesin, das wolte ich gerne gelitten haben, sime lidende vnd sime bittern tode z eren (d, Bl. 31 r ; vgl. D, Bl. 54 v ; F, Bl. 36 rv ) Dieses Verharren bei einem Ereignis oder einem Gedanken führt zu jener in der Forschung häufig bemängelten „widerholungsreiche[n] gar zu redselige[n] breite[n] diction“, 99 ist jedoch nicht zweckfreie amplificatio, sondern veranschaulicht die Wirkung der Ereignisse auf das Sprecher-Ich und will so das Eindrucksvolle des Geschehens im Rezipienten spiegeln. 100 Die homodiegetische Erzählperspektive bewirkt so nicht nur eine Wahrnehmung des Geschehens aus der Perspektive einer textinternen Figur, zusammen mit den sprachlichen Imaginationsstrategien der Detaillierung erreicht diese Erzählhaltung eine Intensivierung der Wahrnehmung des Lesers, 101 eine Partizipation am Geschehen. 99 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 128. 100 Die Technik der expolitio bietet vielleicht auch eine Erklärung für die auffällige, im Schlußsatz des Textes enthaltene Varianz der Fassungen: B d D F do lies ich fan diesen fier joren mins anne fanges vnd lies es also ston v n d l i e s e s g e s c h r i b b e n f i n d e n n o c h m i m e d o d e , also man es ch hie finden sol (Bl. 40 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 27, Z. 26-29) do lies ich dise vier iore mins anefanges also geschriben ston, d a s m a n s n o c h m i m e t o d e v i n d e n s o l t e (Bl. 33 v ) do ließ ich dise vier jore myns anfangs also geschriben ston, d a s m a n s y n a c h m i n e m t o d e f i n d e n s o l t (Bl. 59 v ) da Ließ ich dise vier Jar meines aneuanges geschr ben stan, d a s m a n s n a c h m e i n e m T h o d f ü n d e n s o l l t e (Bl. 39 v ) Rieder glaubt, allein anhand der in B vorhandenen Formulierung die Fälschung des ‚Autographs‘ nachweisen zu können: „Ganz korrekt ist der Schluß in α [D] und β [E/ F], nicht aber der in γ [B]; denn der gegenüber der Fassung von α und β charakteristische Zusatz in γ: und l i e s es geschribben finden noch mime dode beweist deutlich, daß das sogenannte Autograph erst nach Rulmanns Tod geschrieben wurde“ (Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 171; Hervorhebung im Original). Die in Rieders Augen „verräterische“ (ibid.) Verwendung der Präteritum Singularform des Verbs lassen ist jedoch - vor dem Hintergrund der eben gemachten Beobachtung zum Stilgestus der expolitio - auch anders zu erklären: Die Konstruktion vnd lies beginnt nämlich bereits am Anfang des Hauptsatzes, wird dann - in Abweichung von der Fassung in d, D und F - wiederholt, um sie für das Hinterlassen des ‚b ch von den vier ioren‘ nochmals aufzugreifen, so daß die mißverständliche Formulierung entstand: vnd lies es geschribben finden noch mime dode, die wohl nicht mehr besagt, als daß der Text ohne weitere Veränderungen nach dem von Merswin gefaßten Beschluß von ihm aufbewahrt wurde, ausschließlich damit er nach seinem Tod aufgefunden werden konnte (ähnliche Überlegungen finden sich bei Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 128, Anm. 1). 101 Horst Wenzel, Sagen und Zeigen, S. 13. Die Tradierung des ‚b c h von den vier ioren‘ 357 Der zweite von Lausberg angeführte Modus der evidentia - der „Gebrauch des Präsens [...] auch für nicht in der Gegenwart liegende Gegenstände“, 102 der den Geschehnissen eine höhere Erlebnisqualität und emotionale Überzeugungskraft verleiht, - wird in B nicht regelmäßig zur Vergegenwärtigung des Geschehens verwendet; 103 jedoch macht die Fassung des ‚Briefbuches‘ exzessiven Gebrauch von dem Gleichzeitigkeit suggerierenden Zeitadverb n . Obwohl die Erzählung im Imperfekt steht, schließt das „insistierende nû [...] die Erzählzeit an die Jetzt-Zeit und gibt ihr damit die Verbindlichkeit unmittelbarer Aktualität“, 104 d.h., der „Gegensatz von epischer Rede und visueller Partizipation“ wird überspielt, 105 indem der Handlungsraum des erlebenden Ich mit dem Kommunikationsraum des erinnernden Ich gleichzeitig gedacht wird und so der Leser/ Hörer i.S. Bühlers in den Schauraum des Textes eintreten kann. 106 Diese „Deixis am Phantasma“, die als sprachlicher Appell einen imaginativen Handlungsraum für den Rezipienten eröffnet und ihn so in das Textgeschehen versetzt, wird in d, D und F vermieden, indem n konsequent in vnd transponiert wird (vgl. z.B.: B, Bl. 34 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 9, Z. 33-36 vs. d, Bl. 26 v ; D, Bl. 46 v ; F, Bl. 30 v / 31 r ; B, Bl. 34 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 10, Z. 13-17 vs. d, Bl. 27 r ; D, Bl. 47 r ; F, Bl. 31 r und B, Bl. 39 v / 40 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 24, Z. 33f. vs. d, Bl. 32 v ; D, Bl. 58 r ; F, Bl. 38 v ). Auch die gehäufte Verwendung der periphrastischen Form des Verbs mit Hilfe des Präteritums von sîn/ wesen bzw. werden und dem Partizip Präsens in der ‚autographen‘ Fassung anstelle des in ‚Pfleger‘- und ‚Erweiterten Pflegermemorialen‘ gebrauchten einfach flektierten Verbs, dient dem Präsent-Machen des Geschehens, da so die Aktionsart artikuliert werden kann. Nutzt B die Ergänzung des Partizips Präsens mit sîn nicht konsequent, um den durativen Charakter 107 des Verbalvorgangs hervorzuheben oder durch die Verwendung der progressiven Form die Aussage zu 102 Heinrich Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik, Bd. 1, § 814 (S. 404-406, hier S. 404). 103 Die translatio temporum findet im ‚b ch von den vier ioren‘ nur singulär Anwendung: Im zweiten Jahr seiner Bekehrung zu einem gottgefälligen Leben wird Rulman durch eine Erkrankung so geschwächt, daß er an einer Wallfahrt nach Rom nicht teilhaben kann und seine Selbstkasteiungen aufgeben muß. Trotz seines Leidens ersehnt er nicht den Tod, sondern entwickelt zum ersten Mal seit seiner Bekehrung ein positives Verhältnis zu seiner körperlichen Existenz und begründet dies wie folgt: abber die zit, d o i c h n g e g e n w e r t i g i m e b i n [sic! ], in der liddenden minnenden sch le, do wrt man inne geleret, wie die geworen anne better den fatter in dem geiste vnd in der worheit anne bittent (B, Bl. 37 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 17, Z. 9-13). Dieser Sprung ins Präsens wird von den anderen Überlieferungsträgern nicht geteilt; dort heißt es - der internen Chronologie des Textes folgend: A b e r d i e n o c h g o n d e z i t , d i e i c h n o c h d o v o r h a n d e n h e t t e , d i e w i l e i c h w a s i n d e r l i d e n d e n m i n n e s c h l e n , do inne man geleret wurt, wie die geworen ane better den vatter in der worheit vnd in dem geiste ane bettent (d, Bl. 29 r ; D,Bl. 51 v ; F, Bl. 34 r ; zit. nach d). 104 Horst Wenzel, Sagen und Zeigen, S. 14f. 105 Ibid., S. 14. 106 Zu Präsenz erzeugenden Funktionen deiktischer Ausdrücke vgl. Karl Bühler, Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Mit einem Geleitwort von Friedrich Kainz, Jena 1934 [Unveränderter Nachdruck Stuttgart 3 1999], Teil II, hier S. 121; Georg Sitta, Deixis am Phantasma. Versuch einer Neubestimmung, Bochum 1991 (Bochumer Beiträge zur Semiotik 31); Veronika Ehrich, Hier und jetzt. Studien zur lokalen und temporalen Deixis im Deutschen, Tübingen 1992 (Linguistische Arbeiten 283). 107 Hermann Paul, Mittelhochdeutsche Grammatik, 25. Auflage, § S 28 (S. 306). Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 358 intensivieren, 108 da sich die Konstruktion auch „unendlich oft [findet], [...] wenn es sich nur [um] einen einmaligen, nicht dauernden Vorgang handelt,“ 109 setzt die Textform B die Partizipialkonstruktion mit dem Präteritum des starken Verbums werden gezielt ein, um einen inchoativen Charakter, 110 d.h. das plötzliche Einsetzen einer Handlung, auszudrücken: 111 Fassung in B Fassung in d, D, F (zit. nach d) do w r d e n t mir gar fil gedenke i n f a l l e n d e , vnd w a r t mir gar swerliche i n f a l l e n d e der vebellonden welte vntr we vnd ire falsheit (Bl. 33 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 3, Z. 29-31) Do v i ( e ) l mir gar swerliche in mine gedencke der bellonenden welte vntruwe vnd ire falscheit (d, Bl. 24 v ; vgl. D, Bl. 42 v ; F, Bl. 27 v ) do w a r t ich vf z himmel s e h h e n d e vnd w a r t die gr ndelose rbermede gottes mit groseme erneste vnd mit eim(e) grosen, r wigen herzen a n n e r f e n d e (Bl. 33 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 4, Z. 22-25) do s a c h ich uf z himele vnd r f t e die gr ndelose erbermede gottes mit grosseme erneste vnd mit eime grossen ruwigen hertzen a n (d, Bl. 24 v ; vgl. D, Bl. 43 r ; F, Bl. 28 r ) do w a r t ich an eime b chelin l e s e n d e gar g te ding van dem liddede vnsers herren (Bl. 35 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 11, Z. 8-10) vnd l a s in eime b chelin gar g te ding von dem lidende vnsers herren (d, Bl. 27 r ; vgl. D, Bl. 47 v ; F, Bl. 31 v ) Der dritte Modus der evidentia - die direkte Rede - schließlich konturiert beide Fassungen noch einmal deutlich, da die ‚autographe‘ Version die gedanklichen Reflexionen des erzählenden Ichs sowie seine Dialoge mit der göttlichen Stimme stets in direkter Rede vor den Rezipienten stellt, während die Fassung in d, D, F die indirekte Rede präferiert: Fassung in B Fassung in d, D, F (zit. nach d) vnd do diese grose, vnreine, strenge bekorvnge also lange gewerte vnze an die zit, das es dag wart, vnd do fiel mir in den sin, das ich wart gedenkende: d v s o l t r e h t e g o n i n d i e k i r c h e , d o i s t Vnd do es tag wart, do ging ich in die kyrche, in der min herre vnd min got gegenwertig was, v n d r f t e d i e l i e b e m t e r g o t t e s a n e v n d b a t s ú m i t g r o s s e m e e r n e s t e , d a s s i r 108 Ibid., ebenso Karl Weinhold, Mittelhochdeutsche Grammatik, 2. Auflage, Paderborn 1883 [Unveränderter Nachdruck Paderborn 1967], S. 310; Otto Behaghel, Deutsche Syntax. Eine geschichtliche Darstellung, 4 Bde, Heidelberg 1923-1932 (Germanische Bibliothek I. Reihe: Grammatiken, 10. Bd: Deutsche Syntax), Bd. II: Die Wortklassen und Wortformen: B. Adverbium C. Verbum, Heidelberg 1924, S. 381. Auch die Bildung des Konjunktivs unterscheidet sich in den beiden Fassungen charakteristisch voneinander, da B auch hier die Umschreibung durch ein Hilfsverb bevorzugt. Als ein Beispiel unter vielen sei hier jene Stelle im ersten Kapitel des ‚b ch von den vier ioren‘ genannt, in der Rulman Merswin verzückt wird und das Gefühl hat, eine Stimme spräche zu ihm. In B (Bl. 33 r ; Strauch 1927b [ATB 23] S. 4, Z. 35-S. 5, Z. 2) heißt es: vnd was mir ch in dieseme selben vmbe f rende, wie neiswas gar vsser mosen s se wort z mir s p r e c h e n d e w e r e , während d (Bl. 25 r ) liest: vnd was mir ouch in diseme selben vmbe f rende wie nieswas gar usser mossen s sse wort z mir s p r e c h e (vgl. D, Bl. 43 v und F, Bl. 28 r ). 109 Werner Cordes, Der zusammengesetzte Satz, S. 230. Vgl. z.B.: B, Bl. 36 r (Strauch 1927b [ATB 23], S. 14, Z. 22f.) vs. d, Bl. 28 r , D, Bl. 49 v , F, Bl. 33 r ; B, Bl. 36 v (Strauch 1927b [ATB 23], S. 15, Z. 31f.) vs. d, Bl. 28 v , D, Bl. 50 v , F, Bl. 33 v ; B, Bl. 39 v (Strauch 1927b [ATB 23], S. 23, Z. 21-24) vs. d, Bl. 32 r , D, Bl. 57 r , F, Bl. 37 v . 110 Hermann Paul, Mittelhochdeutsche Grammatik, 25. Auflage, § S 28 (S. 307). 111 Karl Weinhold, Mittelhochdeutsche Grammatik, S. 466; Otto Behaghel, Deutsche Syntax. Bd. II, S. 383; Werner Cordes, Der zusammengesetzte Satz, S. 231. Die Tradierung des ‚b c h von den vier ioren‘ 359 d i n h e r r e v n d d i n g o t g e g e n w e r t i g , v n d d e n s o l t e i c h d e n m i t g r o s e m e e r n e s t e a n n e r f e n , o b b e e s s i n w i l l e s i , d a s e r d i r d i e s e g r o s e v n r e i n e b e k o r u n g e a b b e n e m m e ; i s t e s d e n s i n w i l l e , s o n i m m e t e r d i r s i a b b e . vnd ich det also vnd r fte die liebe m ter gottes anne (Bl. 35 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 10, Z. 26-37) k i n t b e t t e , w e r e e s s i n w i l l e , d a s e r m i r d i e v n r e i n e n b e k o r u n g a b e n e m e; aber es enhalf ouch n t, sin wart alles ie me vnd ie me (d, Bl. 27 r ; vgl. D, Bl. 47 rv ; F, Bl. 31 r ) n do ich dire cranckeit z der erren kranckeit gewar wart, d o g e ( d o c h t ) i c h : d v b i s t z k r a n c , d v m a h t n i e r g e n t k m e n , v n d d v s o l t d i c h r e h t h e a n d i n b e t t e l e g e n , w a n n e d v m a h t n i e r g e n t k m e n , v n d s o l t d i c h n r e h t e g o t t e b e f e l h e n v n d i n l o s e n d n r e h t e a l s o e r w i l , v n d w i l e r d e n , d a s d v r b r i c h e s t , i n g o t t e s n a m m e n ! w i l e r d i c h d e n d o t h a b b e n , a b b e r i n g o t t e s n a m m e n ! a l s v s l e i t e i c h m i c h i n g a r g r o s e r k r a n g k e i t , d i e i c h b e f a n t i n a l l e r m i n e r n a t t r e n , a n d a s b e t t e (Bl. 35 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 12, Z. 12-21) vnd ich leite mich in grosser krangheite an ein bette v n d b e f a l c h m i c h g o t t e , d a s e r m i t m i r w r k e t e s i n e n a l l e r l i e b s t e n w i l l e n , e b e e r w o l t e , d a s i c h e r b r e c h e o d e r s t r b e (d, Bl. 27 v ; vgl. D, Bl. 48 rv ; F, Bl. 32 r ) wanne van einer, die vnder den andern was, die ist n t schadde z schribbende, vnd das ist, das mich got lies anne fallen mit vngl ben; vnd was das in alsollicher wise, das mir der d fel in die sinne warf: w i e m a g d a s g e s i n , d a s d e r f a t t e r v n d d e r s n v n d d e r h e i l l i g e g e i s t i n e i m e v n d i n e i n e r n a t t r e n m g e n t g e s i n ? (Bl. 36 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 14, Z. 29-35) Vnd dar z ouch von grosseme vngelouben, das mir in viel, w i e d a s m h t e g e s i n , d a s d e r v a t t e r v n d d e r s n v n d d e r h e i l i g e g e i s t m h t e n t g e s i n i n e i m e w e s e n d e v n d i n e i n r e n a t u r e n (d, Bl. 28 v ; vgl. D, Bl. 49 v ; F, Bl. 33 r ) Die in B präferierte wörtliche Wiedergabe von Dialogen, Selbstgesprächen und Gedankengängen fördert den Eindruck des Zeigens, der unmittelbaren Gegenwärtigkeit des Geschehens 112 und erlaubt so einen direkten, lebendigeren Zugang zu Rulmans Bekehrungsgeschichte. Die daraus resultierende stärkere Beteiligung des Rezipienten an der Erzählung wird durch die wiederholte Apostrophe an den Leser bzw. Hörer verstärkt. Im gesamten Textverlauf wird der enge Kontakt, der am Beginn der Textversion in B in einer Adresse des Erzähler-Ichs an alle[ ] [...], die dis b chelin lesent oder herent lesen (B, Bl. 33 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 3, Z. 1f.) erzeugt wurde, durch das wiederkehrende, aufmerksamkeitserregende wissent bzw. ir sullent wissen aufrecht erhalten (B, Bl. 33 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 3, Z. 23f.; Bl. 34 r ; ibid., S. 8, Z. 13; Bl. 38 r ; ibid., S. 19, Z. 16; Bl. 40 r ; ibid., S. 25, Z. 4; Bl. 40 v ; ibid., S. 26, Z. 20f., S. 27, 112 Heinrich Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik, Bd. 1, § 816f. (S. 406). Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 360 Z. 7f.). Diese Phrasen dienen gleichermaßen dazu, die Wichtigkeit des Textes für seine Rezipienten emphatisch zu betonen und die Wahrhaftigkeit des Geschehens zu beteuern. Zielen die Wendungen an den Leser somit vorwiegend auf eine Durchbrechung der Erzähldistanz, eine Aufhebung der kategorialen Differenz von Diegese und Lebenswelt, artikuliert die Apostrophe an einer Textstelle darüber hinaus die tiefgreifende Emotionalisierung des Erzählers. Am Ende des Berichts über das erste Jahr seines weltabgewandten Lebens wendet sich das Sprecher-Ich in einer aversio, einer Abwendung vom eigentlichen Redegegenstand, pathetisch an die Rezipienten, um die Unmöglichkeit des Schreibens angesichts der zuteil gewordenen Gnade zu betonen. Gemeinsam mit der wortreichen Dokumentation der Inkommunikabilität des Erlebten inszeniert die Hinwendung an den Leser die starke Erregung Merswins, die sich auch in weiteren Wort- und Klangfiguren, wie Alliterationen, pleonastischen Reihungen und Parallelismen, artikuliert: Fassung in B Fassung in d, D, F (zit. nach d) ach! alle liebe criston menschen , ir s llent wissende sin, das vnser lieber herre jesvs cristvs, der barmherzige, milte got, mir des aller ersten jores mins anne fanges mit mir, siner armen, vnwrdigen creat ren, also gar fil groser, wnderlicher werke wrkende was, der ich n t alle geschribben k nde noch m the, wanne ich ir alle n t z worten bringen m the, wanne ir gar fil veber alle mine sinneliche vir nvmft was; her vmbe so k nde ich noch vir m the es mit allen minnen [sic! ] sinnen n t z bringen, also das ich van dieseme aller ersten jore me geschribben m the; vnd ich wenne es wol vnd gl be es ch rehte wol, vnd wer es also gesin, das ich diese grosen, veber natt rlichen, wnderlichen wnder alle geschribben m the habben, so gl be ich das wol, das kein messeb ch so gros si, ich hette gn g z d nde gehebbet, solte ich die werg gottes von dem ersten jore dran geschriben habben. dis ist van dem aller ersten jore (Bl. 36 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 13, Z. 35-S. 14, Z. 18) Do von ich doch mit vnderscheide n t me geschriben kan, wanne vnserr lieber herr w rckete alse gar vil grosser, bernat rlicher, fr meder wunder vnd wercke mit mir, sinre armen creaturen, in diseme ersten iore, die ber alle sinne worent vnd mit keinen worten us z sprechende sint vnd ouch kume in dem aller grosten messeb che gestanden m htent sin, das man in der zit vindet, solte man es alles geschriben haben (d, Bl. 28 r ; vgl. D, Bl. 49 rv ; F, Bl. 32 v ) Die Gegenüberstellung der beiden Fassungen des ‚b ch von den vier ioren‘ verdeutlicht, daß sich in den Versionen charakteristisch voneinander abweichende Wirkungspotentiale artikulieren: Die Komposition des Textes im ‚Autograph‘ nach den Prinzipien der evidentia appelliert vornehmlich an die Affekte des Lesers. Die Suggestion des detaillierten, anschaulichen und emotionalisierten Berichts ist die unmittelbare Teilhabe, das Selbst-Erleben. Die Evokation des Geschehens insinuiert dabei zweierlei: Im Hinblick auf den Textentstehungsprozeß erwecken die Verfahren den Eindruck einer noch durch das Erlebte geprägten und folglich authentischen Niederschrift - solange der Texteffekt nicht auf seine zugrundeliegenden Techniken zurückgeführt und seine Authentizität gerade aufgrund der angewendeten rhetorischen Verfahren hinterfragt wird. Richtet man das Augenmerk auf die Seite der Rezeption, Die Tradierung des ‚b c h von den vier ioren‘ 361 überzeugt die ‚autographe‘ Fassung mit den Mitteln der szenischen Gestaltung nicht nur von der Faktizität des Geschehens, sondern - durch die Teilhabe - auch von einer grundsätzlichen Wiederholbarkeit am Rezipienten. Dieser affektive Zugang der in das ‚Briefbuch‘ (B) inserierten Fassung wird in d, D und F durch eine narratio perspicuitas ersetzt. Diese sucht durch gedankliche wie sprachliche Klarheit und nur das Notwendige umfassende Kürze im narrativen Bericht eine intellektuelle Überzeugung zu erreichen. Nicht dem movere, sondern dem docere verpflichtet, zielt diese Version des ‚b ch von den vier ioren‘ nicht auf die credibilitas der Anschaulichkeit des Selbsterlebten, sondern bezieht ihre probilitas aus dem nüchternen und luziden Bericht der Ereignisse. Die Suggestion der Unmittelbarkeit wird durch die ‚Rationalität‘ der Darstellung ersetzt. Die beiden Fassungen B und dDF lassen sich folglich sowohl auf der Mikroebene (Bevorzugung der Konjunktion n gegenüber vnd ; der periphrastischen Formenbildung sowie der direkten Rede) als auf der Makroebene des Textes (Komposition anhand der Regeln der evidentia bzw. der perspicuitas) deutlich voneinander unterscheiden. Der Umfang und die Intensität der ermittelten Differenzen läßt somit grundlegend differierende Verfahren der Textkonstitution erkennen, die textkritische Rückschlüsse auf eine Priorität der Textform in B oder der Version, die d, D und F bieten, nicht ermöglicht, da die Vervielfältigung des ‚b ch von den vier ioren‘ nicht nach dem in der Moderne präferierten Prinzip identischer Kopien erfolgt sein kann. Die Richtung der notwendig vollzogenen Bearbeitung - Erweiterung oder Kürzung - ist jedoch textkritisch (und d.h. ohne Rückgriff auf spezifische Normen von Originalität und ihnen inhärente Vorstellungen eines Tradierungsprozesses) nicht abzuleiten: Das ausgewiesene ‚Autograph‘ kann nach den Regeln der Textkritik sehr wohl das ‚Original‘ des ‚b ch von den vier ioren‘ sein, dessen unmittelbaren Zugang zum Geschehen die ‚Pflegermemoriale‘ (d; D; F) durch Kürzung und Glättung in eine didaktisierende, heiligmäßige Stiftervita transformieren, die den Stilidealen lateinischer Hagiographie verpflichtet ist. Ebenso ist es textkritisch denkbar (wenn auch nur durch zusätzliches Kontextwissen, etwa Denifles Nachweis der Mystifikation des Gottesfreundes, zu plausibilisieren), daß die Fassung in d, D und F nachträglich um eine erweiternde, sich der detaillierten Imagination bedienende, folglich Authentizität inszenierende Fassung ergänzt wird. Obwohl die Textkritik folglich nicht zwischen authentischer Textgenese und diese nachahmender Fälschung unterscheiden kann, exemplifiziert die Analyse der Überlieferung des ‚b ch von den vier ioren‘ ein historisches Textwissen, das zwischen einer vom erlebenden Ich niedergeschriebenen, primären Aufzeichnung eines Gnadenlebens und seiner angeblich nachträglichen Verbreitung im Rahmen einer historiographischen Überlieferungseinheit konzeptuell und reflektiert unterscheidet. Trotz dieser basalen Trennung der beiden Fassungen sind einige, wenn auch eingeschränkte, Aussagen zum Verwandtschaftsverhältnis der Textzeugen möglich. Aus einem gemeinsamen Fehler läßt sich die Verwandtschaft aller Handschriften erschließen. ‚Autograph‘ und ‚Pflegermemoriale‘ verbindet eine Gerundivkonstruktion, deren zweites Glied - die Ergänzung des Partizips Präsens mit einer flektierten Form des Verbums sîn/ wesen bzw. werden - fehlt: Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 362 B d D F wanne ich befant in mir alsolliche grose fr de, van der fr de ich gewar (das durchgestrichen) wart, also das min herze in mime libbe f r schlahende vnd dobbende van rehther fr den, van der fr den, die ich in der gr ndelosen rbermede gottes bef nden hette (Bl. 33 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 5, Z. 18-23) 113 wanne ich befant in mir, das min hertze in mime libe f r slahende vnd tobende von rehter fr iden, die ich in der grundelosen erbermede gottes befunden hette (Bl. 25 r ) wann ich befandt in mir, das myn hertz in minem libe f r slahende vnd tobende von rechter fr uden, die ich in der grundelosen erbermde [44 r ] gottes befunden hett (Bl. 43 v / 44 r ) dann ich befand in mir, das mein hertz in meinem Leib f rschlahende vnnd tobende von rechter fröuwden, die ich in der grundlosen Barmhertzigkait befunden hette (Bl. 28 v ) Die durch die Einleitung in B suggerierte, nie explizit behauptete, direkte Abhängigkeit der Handschriften d, D und F von dem in das ‚Briefbuch‘ eingenähten ‚Original‘ ist jedoch nicht nur aufgrund der divergierenden Fassungen, sondern auch durch Trennfehler der Handschrift B gegenüber der restlichen Überlieferung auszuschließen. Während einige Fehler in der Fassung des ‚Briefbuches‘ (B) - wie etwa das Fehlen eines Prädikats 114 oder die Verdopplung eines Objekts 115 - einem kompetenten Sprachbenutzer auffallen und zu unabhängigen, aber gleichlautenden Verbesserungen in ‚Pfleger‘- und ‚Erweiterten Pflegermemorialen‘ führen können, ist eine Abweichung der Handschrift B gegenüber der restlichen Überlieferung und ihre übereinstimmende ‚Korrektur‘ in d, D und F nicht durch das Regelsystem der Sprache zu erklären; eine identische Ergänzung in d, D und F ohne Verwandtschaft der Handschriften ist auszuschließen: B d D F min herre vnd min got, miner natt ren ist dis lidden gar widder wertig, Min herre vnd min got, wie wider wertig dis liden miner naturen ist, Min herre vnd myn got, wie widerwertig diß lyden miner naturen ist, mein herr vnnd mein Gott, wie widerwertig das Le den meiner Natúren ist, 113 Bei der Form der 3. Sg. Ind. Prät. des Verbs werden, die in der Edition Strauchs in Klammern nach dobbende hinzugesetzt ist, handelt es sich um eine Konjektur des Herausgebers. 114 B fehlt so auf Bl. 33 r das Verb sehen; zwar ist die Vorsilbe anne vorhanden und das Verb auch in den vorhergehenden Sätzen mehrmals wiederholt, jedoch erlaubt die vorliegende Konstruktion keine absichtliche Ellipse: vnd do ich sine gr se vnd mine kleine anne sach vnd ich die grose minne anne sach, die er hie in dem ellende in menslicher natt ren hatte, so ich den mine cleine minne vnd minne f r s met zit anne vnd das dan gegen dem sinen also gar n t was; n do mir diese gedenke vnd noch gar fil me in gefallen warent, do wrdent diese gedenke also starg, also das ein starker, groser r we wart in mir vf stonde (Strauch 1927b [ATB 23], S. 4, Z. 9-17). Demgegenüber verändern d (Bl. 24 v ), D (Bl. 43 r ) und F (Bl. 28 r ) die Konstruktion so, daß die Ellipse möglich wird: Vnd do ich die grosse minne ane sach, die er hie in dem ellende in menschlicher nature hette, Vnd ouch do gegene mine kleine minne vnd mine versumete zit, do wart ein grosser, starcker ruwe in mir uf stonde (d, Bl. 24 v ). 115 Auf Bl. 39 v in B ist so das Akkusativobjekt verdoppelt: sage anne dv, soltest (dv nachgetragen) i n n t gar fil billicher vnd gar fil m gelicher i n annesehhende sin z g te (Strauch 1927b [ATB 23], S. 24, Z. 25-27). In d (Bl. 32 v ), D (Bl. 57 v / 58 r ) und F (Bl. 38 r ) fehlt diese Doppelung: Du soltest dinen eben menschen vil billicher schetzen, was noch g tes usser ime werden mag (d, Bl. 32 v ). Die Tradierung des ‚b c h von den vier ioren‘ 363 har vmbe so bitte ich dich, das dv dich nit dran kerest vnd das dv n t d st also mine arme, s ndige natt re heissende odder begerde ist; folle bring dv dienen aller liebesten willen (Bl. 33 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 6, Z. 24-30) s o b e g e r e i c h s i n d o c h n t l i d i g z s t o n d e , vnd ich bitte dich, das du n t t gest alse mine arme, s ndige nature heischende vnd begerende ist; vollebring du dinen aller liebsten willen (Bl. 25 v ) S o b e g e r i c h d o c h s i n n i t l e d i g z s t o n d e , vnd bitt dich, das du nit t gest als myn arme, s ndige nature heischende vnd begerende ist; vollebring du dinen aller liebsten willen (Bl. 44 v ) s o b e g e r e i c h s e i n d o c h n i t L e d i g z s t o n d e , vnnd bitte dich, das du nit fülgest [? ] alle [sic! ] meine s ndige Nature heischende vnd begerende ist; Vollbring du deinen allerliebsten willen (Bl. 29 r ) Da die Satzkonstruktion in B, die auf den an das Adjektiv wider wertig angeschlossenen okkasionellen Nebensatz konzessiven Inhalts verzichtet, zu keiner grammatikalischen oder textpragmatischen Inkongruenz führt, kann die Formulierung im ‚Briefbuch‘ den Handschriften nicht als Grammatikfehler aufgefallen sein, der - unabhängig voneinander - verbessert wurde; die Textabschriften in d, D und F sind folglich nicht allein auf B zurückführbar. Die bisher untersuchten Abweichungen machen zwei Schlußfolgerungen möglich: Zum einen sind alle bekannten Überlieferungsträger - trotz der unterschiedlichen Fassungen - durch einen Bindefehler als miteinander verwandt nachgewiesen; zum anderen erscheint eine Entstehung der Gesamtüberlieferung aus dem postulierten ‚Autograph‘ nur dann möglich, wenn starke Eingriffe in den Text vorgenommen wurden und die Handschriften d, D und F - zusätzlich zum gemeinsamen Ursprung in B - auch anderweitig miteinander verwandt sind. Die Vermutung, d habe als Vorlage für D und F gedient, die sich zunächst hauptsächlich aus der gemeinsamen Fassung speist, wird durch die Verwandtschaft der drei Handschriften gestützt, die sich aus der ihnen gemeinsamen Ellipse eines Subjekts gegenüber der Fassung im ‚Briefbuch‘ (B) ableiten läßt: B d D F vnd mir fiel ch in, das ich gedenkende wart an das grose g t, das mir got geton het, vnd so grose minne e r z mir armen s nder gehebbet hatte in sime grosen liddende vnd in sime bittern dode (Bl. 33 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 3, Z. 33-S. 4, Z. 2) Vnd ich gedohte ouch do mitte an das grosse g t, das mir got geton het, vnd so grosse minne z mir armen s nder gehebet het in sime grossen lidende vnd insime [sic! ] bittern tode (Bl. 24 v ) Vnd ich gedacht ouch da mit an das groß g t, das mir got geton hett, vnd so grosse mynne z mir armen súnder het gehebt in sime grossen lyden vnd bittern tode (Bl. 42 v ) vnnd ich gedachte auch damitte an das grosse gut, das [28 r ] mir Gott gethan hatt vnnd so grosse Liebe z mir armen sunder gehebt hette, in seinem grossen Le den vnnd in seinem Bitteren Thode (Bl. 27 v / 28 r ) Eine direkte Abhängigkeit der Manuskripte D und F von ‚Pflegermemorial‘ d ist textkritisch nicht auszuschließen, wird jedoch durch zwei Befunde unwahrscheinlich: Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 364 1. Trotz der in ‚Pfleger‘- und ‚Erweiterten Pflegermemorialen‘ übereinstimmenden, von der Version im ‚Autograph‘ auffallend unterschiedenen Textfassung entsprechen die Abschriften des 15. und 16. Jahrhunderts in zwei Formulierungen dem Textverlauf in B gegen d: B d D F n do ich alsvs mit gar fil worten v n d c h i n f i l g r o s e n t r g k e n vnd ch (in über der Zeile nachgetragen) gar groseme, swerme, vnsegellichem liddende vnze fesper zit in dem bette gelag one allen befintlichen trost, vnd ich den dag vnd die naht in also gar grosen vnr wen vnd in also gar groseme liddenden we was gesin, do beschach es van groser kranckeite wegen, do gingent mir die gen in dem bette (alse durchgestrichen) also z (Bl. 35 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 13, Z. 1-9) Vnd do ich alsus mit gar vil worten v n d v i l g r o s s e n t r c k e n vnd ouch in gar grosseme, swereme, vnsegelichem lidende vntze vesper zit in dem bette gelag one allen befintlichen trost, Do gingent mir von grosser krangheit vnd von rehter vn tr we die ougen [28 r ] in dem (bette ist über der Zeile nachgetragen) z (Bl. 27 v / 28 r ) Vnd do ich also mit vil worten i n g r o s s e n t r ú c k e n vnd sw rem, vns glichen lyden vntz vesper zit in dem bett lag on allen befintlichen trost, Do gingent mir von grosser kranckheit vnd rechter vn tr we die ougen z (Bl. 48 v ) Vnnd da ich also mit gar vil worten i n v i l g r o s s e n T r ü c k e n was vnnd auch (mit durchgestrichen) in gar grossem vnseglichem Leyden vntze z vesper zeit in dem bette gelag ohn allen befündlichen Trost, da giengen mir von krangkhait vnnd von rechter vnruwe die augen [32 v ] in dem Bette z (Bl. 32 rv ) do ging ich z st nt in vnser lieben froewen m nster vnd lobbete got vnd vnser liebe froewe vmbe a l l e s d a s g t , das si mir armen, (vnwirden durchgestrichen) vnwrdigen s nder geton hattent (Bl. 36 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 13, Z. 32-35) do ging ich z stunt in vnserre lieben frowen m nster vnd lobete got vnd sine w rdige m ter vmb a l l e s g t , das s mir armen, vnw rdigen s nder geton hettent (Bl. 28 r ) do ging ich in vnser lieben frowen múnster vnd lobte got vnd sin wirdige m ter Vmb a l l e s d a s g t , das sy mir armen, vnwirdigen súnder getan hetten (Bl. 49 r ) da gieng ich z stund in vnser Lieben frauwen múnster vnnd Lobte Gott vnnd seine würdige m ter vmb a l l e ß d a s g t , das sÿ mir armen, vnwurdig súnder gethan hetten (Bl. 32 v ) Während das zweite Beispiel nur bedingt aussagekräftig ist, da die syntaktische Funktion des g t als Akkusativobjekt auch in der Konstruktion in d, d.h. ohne den bestimmten Artikel, allein mit Hilfe des stark pronominal flektierten Numeraladjektivs al ausgewiesen ist, eine anaphorische Struktur der Nominalphrase den Die Tradierung des ‚b c h von den vier ioren‘ 365 Anschluß des Relativsatzes jedoch durchsichtiger macht und eine jeweils eigenständige Ergänzung des Demonstrativums in D und F folglich möglich ist, ist die übereinstimmende lexikalische Varianz im ersten Beispiel nicht durch das sprachliche Regelsystem bedingt und deutet so auf eine Vorlage hin, die nicht mit d identisch ist. Sowohl der in D und F gewählte Anschluß des zweiten Glieds der Folge adverbialer Bestimmungen mit Hilfe der Präposition in als auch die in d vorgenommene einfache Reihung durch die Konjunktion vnd, durch welche die Nominalphrase vil grossen trúcken von mit abhängig ist, verlangen ein Dativobjekt und so sind beide Formulierungen der Modalität des Geschehens grammatikalisch korrekt und semantisch sinnvoll, konturieren das Geschehen allein im Detail unterschiedlich. Eine durch das Sprachwissen der Schreiber ausgelöste, voneinander unabhängige Ergänzung des in d tradierten Nominalkomplexes um die Präposition in ist folglich unwahrscheinlich. 2. Alle im ‚Pflegermemorial‘ d tradierten Schriften werden von einer anderen als der Texthand einer eingehenden Korrektur unterzogen, da das ‚Memorial‘ aufgrund von mechanischen Abschreibefehlern wiederholt einen unvollständigen oder defekten Textverlauf bietet. Auch im 14. Kapitel des ‚b ch von den vier ioren‘ wird so eine nachträgliche Ergänzung am linken Seitenrand vorgenommen, um den Textverlust zu bereinigen, der in d durch einen (von alz mole ausgelösten) Augensprung verursacht wurde: so wart eine begirde in mir ufstonde noch disem fr idenrichen troste mines hertzen vnd miner selen fr ide, aber ich erschrack sin gar sere, vnd ich tet alle mine kraft do z , das ich die begirde vertruhte vnd s alz mole [^] mit munde vnd mit gantzeme hertzen: [am linken Rand findet sich folgende Ergänzung ^: veruuarf vsser eime dem tigen grunde o d e r ich sprach ouch den z mole] (d, Bl. 30 v ) Aufgrund ihrer späten Entstehung könnten D und F alle in d an Merswins ‚Vita‘ nachträglich vorgenommenen Verbesserungen in den Haupttext integrieren und so bieten sie auch hier den vollständigen Textverlauf, der jedoch in einem Detail von der Formulierung der Korrektur abweicht: B D F wanne es aber beschach, das ich befant, das diese grose begirde in mir vf wart stonde, so rschrag ich sin gar sere vnd det alle mine craft do z , wie das ich getette, das ich die begirde vir tr tte vnd si al z mole vir wrfe. abber das beschach alz mole vsser eime dem tigen gr nde, w a n n e ich wart ch den z stvnt mit m nde vnd mit ganzeme herzen sprechende: (Bl. 38 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 19, Z. 35- S. 20, Z. 7) so wart ein begirde in mir vfston [54 r ] nach disem fr udenrichen troste, aber ich erschrack des gar sere vnd tett all myn crafft dar z , das ich die begirde vertruckte vnd sy allz mole verwarff vß einem dem tigen grunde. v n d ich sprach denn z mole mit munde vnd gantzem hertzen: (Bl. 53 v / 54 r ) so ward eine begirde in mir vffstonde nach disem freuwdenreichen Troste meins hertzens vnnd meiner seelen Freüwde, aber ich erschrack so gar sehre vnnd ich thett alle meine krafft da zu, das ich die begürde vertruckte vnd sÿ allzumal verwarff ausser eime demüetigem grunde. v n n d ich sprach auch denz male mit munde vnnd mit gantzem hertzen: (Bl. 35 v ) Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 366 Obwohl D und F auch hier die Textfassung mit d gegen B teilen, leiten sie die wörtliche Rede Merswins unterschiedlich ein: Während die späteren Abschriften (der kausalen Bedeutung der in B gebrauchten Konjunktion wanne entsprechend) Merswins Gebet als Ausdruck seiner willenlosen Demut erkennen, die auch seinen Widerstand gegen die unio-Begierde motiviert, bemerkt d im Gebet des Stifters - so suggeriert die parataktische Anbindung durch oder - einen neuen Aspekt seines Handelns. Wie bereits bei der Analyse der Gesamtanlage der Codices vermutet, scheinen D und F auf eine d sehr ähnliche, aber nicht mit dem Berliner Codex identische Vorlage zurückzugehen. Da die koordinierende Semantik des Lexems vnd der textuellen Stringenz allerdings stärker entspricht als die ausschließende Konjunktion oder, ist jedoch auch eine die Vorlage korrigierende, unabhängige Abschrift der beiden Manuskripte aus d nicht auszuschließen. Da das Verhältnis der späteren Abschriften zu der ‚Pflegermemorial‘-Handschrift d textkritisch nicht zu bestimmen ist und auf dem ‚Grünen Wörth‘ - laut den Angaben in den redaktionellen Bemerkungen der Codices - zwei weitere, mit d weitgehend übereinstimmende Exemplare des ‚Pflegermemorials‘ existierten, wird im folgenden die Vorlage für die in d, D und F tradierte Textfassung mit *d bezeichnet. Unabhängig davon, ob es sich bei D und F um eine direkte Abschrift aus d oder der Vorlage *d handelt, bezeugen die den beiden Handschriften jeweils genuinen, kleineren Abweichungen, daß sowohl die Abschrift eines ‚Pflegermemorials‘ aus dem 15. Jahrhundert (D) als auch das ‚Erweiterte Pflegermemorial‘ (F) offensichtlich keine wörtlichen Kopien anstreben, sondern die Version *dDF des ‚b ch von den vier ioren‘, wenn auch nur geringfügig, eigenständig bearbeiten. Ebenso wie in der Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘, 116 bietet die Abschrift D die kürzeste Textgestalt der Lebensbeschreibung Merswins, nimmt jedoch keine umfassende redaktionelle Bearbeitung vor, sondern beschränkt sich im wesentlich auf die Ellipse von Partikeln oder die Tilgung einzelner Elemente in den für den Stil des ‚b ch‘ in B charakteristischen, die amplificatio bis zum Pleonasmus steigernden Adjektivreihen: d D F vnd kam mir denne ie, so er wolte vnd in zit duhte, z helfe mit alsolicher grosser, befintlicher f r i d e n r i c h e r fr iden, das ich denne z stunt alles des lidendes vergas, das ich vormoles ie befunden hette (Bl. 26 v ) vnd kam mir dann ye, so er wolt vnd yn zit duchte, z helff mit solicher grosser, befintlicher fr uden, Das ich denn z stunt alles des lydens vergaß, das ich vormals ye befunden hett (Bl. 46 v ) vnnd kam mir den je, so er wolte vnnd in zeit dauchte, z helff mit alsollicher grosser, befindlicher f r e u w d e n r e i c h e r freuwden, daß ich dan z stund alles deß Lidens vergaß, das ich vormals je befunden hette (Bl. 30 v ) Vnd in diseme selben ersten iore, do ich eins nahtes uf gestunt vnd mine mettin wolte ane vohen z bettende, do vielent mir z stunt alse gar g r o s s e , f r m e d e , Vnd in dem selben ersten jore, do ich eins nachtes vffgestunt vnd mine mettin wolt betten, Do fielent mir z stunt also gar g r o s s e , b s e , v n k ú s c h e bekorungen Vnnd in disem selben Ersten jare, da ich eins nates [sic! ] auffst nd vnnd meine mettin wollt anfagen [sic! ] z betten, da füelen mir z stundt also g a r g r o s s e , 116 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 3.4. Die Tradierung des ‚b c h von den vier ioren‘ 367 v n g e n a n t e , v n r e i n e , b s e , v n k s c h e bekorungen in, abe den ich gar alz mole sere erschrag (Bl. 27 r ) in, abe den ich gar ser erschrack (Bl. 47 r ) f r e m b d e , v n g e n a n t e , v n r e i n e , b s e , v n k e ü s c h e bekherunge in, abe den ich gar alzumale sehre Erschrack (Bl. 31 r ) Nur vereinzelt mündet diese Tendenz zur Kürzung in eigenständiger Varianz auf der Ebene der textuellen Formulierungen: d; F (zit. nach d) D Ich m ste dis grosse, vnmessige, lidende we alleine tragen diese gantzen zwey ior us, one allen trost, das mir in zit noch in ewikeit keine creature z helfe kam noch mich in deheiner wise getr sten m hte, d a s m i r d a s g r o s s e , b e r n a t r l i c h e , h e l l e s c h e , l i d e n d e w e d e r v n g e n a n t e n b e r s i n n e l i c h e n b e k o r u n g e n e t t e w a s g e m i n r e t w e r e (Bl. 29 v ; vgl. F, Bl. 34 rv ) Ich m st das grosse, vnmeßige, lydende we allein tragen dise gantzen zwey jor vß, on allen trost, Das mir kein creature z helff kam noch mich in dheiner wise getr sten m chte, D a s m i r t z t d a r a n g e m y n n e r t w e r e (Bl. 52 r ) so were ich gerne vnder die heidenschaft geuaren vnd hette den heidenen von cristenem glouben geseit alse lange vnd alse vil, vntze das s mir durch cristms [sic! ] gelouben willen gros liden vnd martel an geton hettent. V n d e s s t u n t o u c h g e n t z l i c h e i n m i m e s i n n e , d a s s m i r s o g r o s s e p i n e v n d m a r t e l e n t k u n d e n t a n h a b e n g e t o n , d a r u m b i c h w o l t e a b e g e l o s s e n h a b e n , v n t z e d a s s m i r d e n t o t a n g e t o n h e t t e n t , dem strengen lidende vnd dem bittern tode vnsers herren z eren (Bl. 31 r ; vgl. F, Bl. 36 v ) so wer ich gern in die heydenschafft [55 r ] gefaren Vnd hett den heyden von cristenem glouben geseyt also vil, vntz sy mir durch cristens gloubens willen groß lyden vnd martel hetten angetan. V n d i c h w o l t o u c h n i t a b g e l a s s e n h a b e n , v n t z d a s s y m i c h g e t t e t h e t t e n , Dem strengen lyden vnd dem bittern tode vnsers herren z eren (Bl. 54 v / 55 r ) Wird in Handschrift D zumindest in Ansätzen ein Stilideal greifbar, welches die redaktionellen Schreibprozesse lenkt und das elokutionäre Prinzip der Fassung *dDF nochmals deutlicher akzentuiert, beschränken sich die Abweichungen in F im wesentlichen auf einen lexikalischen Austausch. Obwohl auch hier Kürzungen zu verzeichnen sind, die mitunter mit den Auslassungen in D übereinstimmen, zielt die in F vorgenommene Kopie des ‚b ch von den vier ioren‘ auf eine vollständige Wiedergabe der Textversion *dDF, eine Abhängigkeit von D ist somit auszuschließen. Bei der F genuinen Varianz handelt es sich primär um einen Einzelwortaustausch, der durch den Bedeutungswandel der Lexeme motiviert scheint. So wird nicht allein das Wort minne regelmäßig durch liebe ersetzt (z.B. Bl. 34 r ; 35 r ; 38 v ), sondern auch andere Begriffe - allerdings singulär - ausgetauscht, wie z.B.: d D F dis nam mich gros wunder, wanne ich befant in mir, das min hertze in mime libe f r slahende vnd tobende von rehter fr iden, die ich in der grundelosen e r b e r m e d e Diß nam mich groß wunder, wann ich befandt in mir, das myn hertz in minem libe f r slahende vnd tobende von rechter fr uden, die ich in der grundelosen e r b e r m d e Diß nam mich groß wunder, dann ich befand in mir, das mein hertz in meinem Leib f rschlahende vnnd tobende von rechter fröuwden, die ich in der grundlosen B a r m - Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 368 gottes befunden hette (Bl. 25 r ) [44 r ] gottes befunden hett (Bl. 43 v / 44 r ) h e r t z i g k a i t befunden hette (Bl. 28 v ) Ach min herre vnd min got, ebe ich an dir brechen wolte vnd dir abe ginge der gel bede, die ich dir, einigestes hertze liep, geton habe, gar verre lieber wolte ich erwelen, das min lichame von rehteme lidende zersprúnge vnd einen bittern, s c h e m m e l i c h e n , s t r e n g e n dot litte (Bl. 27 v ) O myn herr vnd myn got, e ich an dir brechen wolt vnd dir abginge der gelúbde, die ich dir, eyniges hertze lieb, geton habe, gar vil lieber wolt ich erwelen, das myn lichnam von rechtem lyden zersprúnge vnd einen bittern, s t r e n g e n tot litte (Bl. 48 v ) ach mein herr vnnd mein gott, ehe ich an dir brechen wollte vnnd dir abeging der glaubende, die ich dir, einigest hertz lieb, gethan habe, gar verre Lieber wollte ich ehe erwölen, das mein Leichnam von rechtem lidende zersprúnge vnnd einen Bitteren, s c h e n d t l i c h e n Todt Litte (Bl. 32 r ) Die skizzierten Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Manuskripte d, D und F erlauben es, ihre Beziehung zum sog. ‚Autograph‘ auf drei Arten zu beschreiben: 1. Die Textversion *dDF geht auf den Einschub in B zurück, zielt jedoch nicht auf eine wörtliche Abschrift, sondern greift kürzend und distanzierend in den Text ein: B B *d *d d Y d D F D F Diese Erklärung der Genese der Handschriften wäre insofern besonders aufschlußreich, als sie die Parallelüberlieferung zweier Fassungen und die Orientierung der gesamten Tradierung der Johanniterkomturei an der sekundären Version des ‚Pflegermemorials‘ nicht als problematisch erachten würde, vielmehr die Fassung des ‚Originals‘ im ‚Briefbuch‘ für ‚Pfleger‘- und ‚Erweiterte Pflegermemoriale‘ als ungeeignet bewertet. 2. Bei allen überlieferten Textzeugen (B, d, D, F) handelt es sich um unabhängige Abschriften einer gemeinsamen, nicht erhaltenen Vorlage, deren Textverlauf der Fassung *dDF entsprach, von der das ‚Autograph‘ sich deutlich distanziert: *d B d D F 3. Sowohl die Fassung des ‚Autographs‘ als auch die der anderen Handschriften gehen auf eine gemeinsame Vorlage zurück; d, D und F sind jedoch nicht unmittelbar aus dieser, sondern aus einer das alle verbindende Exemplar i. S. der Didaxe bearbeitenden Handschrift hervorgegangen: Die Tradierung des ‚b c h von den vier ioren‘ 369 X B *d d D F Wenn auch Möglichkeiten 2. und 3. aufgrund der Textbelege nicht auszuschließen sind, ist die unter 1. skizzierte Vorstellung der Genese wohl die wahrscheinlichste, da sie sowohl die Gemeinsamkeiten aller Überlieferungsträger als auch die unterschiedlichen Fassungen in B und *dDF relativ zwanglos durch eine einmalige Bearbeitung für die Kopie der ‚Pfleger‘- und ‚Erweiterten Pflegermemoriale‘ erklären kann und die Datierung der Handschriften den Ursprung in B sowie die Abschrift der Codices D und F von einem nicht erhaltenen Exemplar der ‚Pflegermemoriale‘ wahrscheinlich macht. Darüber hinaus entspricht diese Konzeption der Erstellung nicht nur den für die ‚Gründungsgeschichte‘ erarbeiteten Abhängigkeiten der Handschriften, 117 sondern auch den redaktionellen Beschreibungen der Textentstehung. Gleichgültig, welches der rekonstruierten Modelle der Textgenese zutrifft, läßt die textkritische Untersuchung der ‚Vita‘ Merswins zwei Charakteristika der Textüberlieferung erkennen: Die Tradierung des ‚b ch von den vier ioren‘ strebt - im Gegensatz zur ‚Gründungsgeschichte‘ - keine Bewahrung der Textgestalt an, die Textproduktion und -verbreitung auf dem ‚Grünen Wörth‘ erfolgt somit nicht nach einem einheitlichen, leitenden Prinzip; eine Subsumierung aller Texte unter die Schlagworte ‚Fälschung‘ oder ‚Variabilität‘ verbietet sich. Die bisher analysierten Texte suggerieren vielmehr eine genrespezifische Differenzierung der Tradierungsverfahren und des ihnen inhärenten Textverständnisses: Für die ‚Gründungsgeschichte‘ der Institution als historia ist eine wortgetreue Kopie regulierende Idee, die Textgestalt ist für das in der historischen Gattung vorherrschende Konzept von Textualität konstitutiv. Demgegenüber erscheint der Textbegriff der ‚Vita‘ offener, nicht an die Form gebunden, da unterschiedliche Verfahren der Bearbeitung die Tradierungspraxen des ‚b ch‘ auszeichnen. Die der Überlieferung inhärenten, unterschiedlichen Vorstellungen von Textualität spiegeln dabei offensichtlich die Zugehörigkeit der beiden Texte zu unterschiedlichen Genres und ihre Befolgung differenter diskursiver Regeln: Gilt dem ‚Grünen Wörth‘ die Chronik als bewahrenswerte Darstellung des Ursprungs des Hauses, deren Wahrheit an den textuellen Wortlaut gebunden ist, wird die ‚Vita‘ nicht als individuell geformte Geschichtsschreibung interpretiert, welche die Referenz auf realweltliches Geschehen notwendig impliziert. Die Konzeption von Wahrheit, Authentizität und Fiktion ist folglich nach Gattungen differenziert. Darüber hinaus scheinen die Prozesse der Textverarbeitung, die für die ‚Vita‘ Merswins kennzeichnend sind, an der funktionalen Ausrichtung der Codices orientiert, da sich die Fassung der historisch-legitimierenden Textzeugen charakteristisch von der Fassung des memorativen ‚Briefbuches‘ (B) unterscheidet. Für diese Unter- 117 Vgl. die Ausführungen auf S. 340-342. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 370 schiede lassen sich im wesentlichen zwei Erklärungen finden: Mit Rieder könnte man von einer besonders plumpen Fälschung i.S. eines nachträglich angefertigten, jedoch in wesentlichen Aspekten vom bisherigen Textverlauf abweichenden ‚Autographs‘ ausgehen, das dazu dienen sollte, der Verehrung des Stifters Vorschub zu leisten. Problematisch an dieser Interpretation erscheint jedoch nicht allein die wahrscheinlich frühe Datierung des ‚Autographs‘ in die Mitte des 14. Jahrhunderts, 118 sondern auch die Tatsache, daß bereits eine einfache, nicht auf einen Vergleich zielende Lektüre des Textes in B und einer beliebigen anderen Handschrift die unterschiedlichen Fassungen vor Augen führt und die Fälschung ihr Ziel - die Beglaubigung, daß der Patrizier und Bankier, der den ‚Grünen Wörth‘ gründete, ein Gottesfreund sei - verfehlen müßte, ohne für die anderslautende Fassung in B einen Grund benennen zu können. Da Fälschungen - um nicht als solche dekuvriert zu werden - jedoch besonders regelkonform vorgenommen werden müssen und die Schreiber und Redaktoren des ‚Grünen Wörth‘ durchaus zu einer textsichernden Kopie fähig waren, erscheint eine andere Erklärung plausibler. Für diese ist die Differenz der beiden Fassungen nicht zufälliges und verräterisches Indiz einer Fälschung, sondern konstitutives Element der funktionalen Differenzierung der Überlieferungsträger. Die beiden Versionen können als unterschiedliche, in einem realen Textentstehungsprozeß entstandene oder aus der diskursiven Tradition abgeleitete, nachträglich fingierte Stadien eines Retextualisierungsprozesses gelesen werden: Die Textversion des ‚Autographs‘ bietet in diesem Verständnishorizont die erste textuelle Manifestation des von Merswin Erlebten - oder zumindest eine Inszenierung von ‚Unmittelbarkeit‘, die mit topischem Inventar authentisches Erleben suggeriert, während die in den ‚Pflegermemorialen‘ gebotene Textfassung dieses ‚Erleben‘ einer Umschreibepraxis unterzieht, die anscheinend weniger auf Nachvollzug und Teilhabe als auf distanzierende Betrachtung und Didaxe zielt. Die Textfassungen demonstrieren so eine bewußte und reflektierte Unterscheidung zwischen einer autobiographischen, ersten Niederschrift und einer funktional auf memoria und Didaxe verpflichteten Fassung des Textes in den ‚Pflegermemorialen‘. 118 Vgl. die Ausführungen auf S. 75f. 3.4 Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ Die stiftungslegitimierende Überlieferungseinheit um die Lebensbeschreibung des zweiten Stifters, des Gottesfreundes aus dem Oberland, komplettierend, ist das ‚b ch von den fúnf mannen‘ ebenso wie die ‚Vita‘ Merswins in fünf Handschriften überliefert, deren Provenienz in der Straßburger Johanniterkomturei zu suchen ist: in den als Autograph des Gottesfreundes ausgewiesenen, vormals eigenständigen Papierbögen, die in der Mitte der ersten Lage des ‚Briefbuches‘ (B) 119 eingenäht und nun als Bl. 3-11 dieses Codexes gezählt werden; in der Berliner ‚Pflegermemorial‘- Handschrift (d, Bl. 33 v -53 r ) 120 sowie der Abschrift eines nicht erhaltenen, weiteren Exemplars der ‚Pflegermemoriale‘ (D, Bl. 60 r -97 r ) 121 und schließlich in den sog. ‚Erweiterten Pflegermemorialen‘ (F, Bl. 44 v -75 r ; E, Bl. 59 r -99 r ). 122 Ebenso wie für die ‚Gründungsgeschichte‘ der Komturei und das ‚b ch von den vier ioren‘ ist auch für die Erzählung des Gottesfreundes darüber hinaus eine nicht erhaltene lateinische Fassung aus den Angaben im ‚Großen deutschen Memorial‘ (Bl. 7 v ; Rieder 1905, S. 18*24-27) zu erschließen: In A wird der fúnf manne leben das vns der selbe gottes frúnt in berlant ouch schreip z eime gebesserlichen exemplar von sin selbes leben vnd von aller sinre br der leben als achter Bestandteil des ‚Ersten, lateinischen Memorials‘ 123 aufgeführt; auch enthält Goetzmanns Handschrift den Text auf Bl. 104 r -125 r , er folgt hier jedoch „ganz dem deutschen Text des Pflegerbuchs“. 124 Außerhalb Straßburgs ist die religiöse Lebensbeschreibung der Gottesfreunde nur unikal in der St. Galler Sammelhandschrift 955 (SG 955) 125 überliefert und bildet dort den Abschluß des zweiten Faszikels (S. 274-348). 126 Dem Umgang mit Merswins ‚Autograph‘ des ‚b ch von den vier ioren‘ entsprechend versieht das ‚Briefbuch‘ (B) auch die ‚Vita‘ des Gottesfreundes mit umfangreichen Paratexten; dem Einschub ist eine zweiteilige Einleitung vorangestellt: In einer Rubrik erklärt der Redaktor zunächst, wieso die vier bogene Bappires (B, Bl. 3 r ; Rieder 1905, S. 69*14; Strauch 1927b [ATB 23], S. 28, Z. 6f.) in die Briefsammlung der Johanniter aufgenommen wurden: Der eingebundene Quaternio umfaßt die Lebensbeschreibung des leige[n] vnd gottes frúnt sowie seiner Mitbrüder, eine geschrift dez lieben gottes frúndes eigene hant (B, Bl. 3 r ; Rieder 1905, S. 69*12ff.; Strauch 1927b [ATB 23], S. 28, Z. 4, 9), die in Würde auf dem ‚Grünen Wörth‘ bewahrt werden soll: darvmbe sint die selben vier bogene, dez frúnt gottes hant, z allernehst hie noch geordent vnd in 119 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 75-128. 120 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 140-152. 121 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 153-158. 122 Vgl. die Handschriftenbeschreibungen auf S. 159-163 (E) und S. 164-171 (F). 123 Vgl. die Ausführungen auf S. 135-139. 124 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 171. 125 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 248-256. 126 Diese Handschrift ist zwar bereits in Strauchs Edition des ‚b ch von den fúnf mannen‘ (Strauch 1927b [ATB 23], S. VI) erwähnt; er bezieht sie aber nur „vereinzelt“ (ibid.) in den Anmerkungen zum Text in seine Ausgabe ein, ohne ausführliche Angaben zur überlieferungsgeschichtlichen Position des Manuskripts zu machen. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 372 gebunden in aller der gestalt vnd forme unuerandert, z glicher wise, alse es (R reht gestrichen) R preht, dez lieben frúnt gottes diener, selber brohte R leman Merswine, vnserme stifter, z dem Gr nenwerde (B, Bl. 3 r ; Rieder 1905, S. 69*17-21; Strauch 1927b [ATB 23], S. 28, Z. 11-16). Diesem ‚Autograph‘, so die Vorbemerkung weiter, war ein Brief beigefügt, den Rulman zusammen mit der eigenhändigen Schrift zu Pfingsten 1377 den Johannitern übergab und dessen Abschrift den zweiten Teil der Einleitung in B bildet. In der Tradition der Dedikationsschreiben widmet sich der Begleitbrief des Gottesfreundes vornehmlich der causa scribendi sowie der Rezeptionslenkung und Überantwortung des Werkes an die Johannitergemeinschaft. Die zu Beginn des Briefes gegebene, ausführliche Darlegung des Schreibanlasses in der Bitte der jüngeren Johanniterbrüder um einen (moralisch) g te[n] Text greift den Topos des Schreibbefehls auf. Die Veranlassung zum Schreiben und das damit eingeforderte Rederecht liegt nicht in der Person des Gottesfreundes, sondern wird auf jene Gemeinschaft übertragen, der der Text auch zugedacht ist: I n cristo ihesu vsser sime vz flússigen, minne quellenden herzen so m szent gegr sset sin, mine vil lieben br der z dem Gr nenwerde. Mir hat R lemanne, min heimelicher frúnt, geschriben, Also daz mich die Jungen br der gebetten habent, also daz in ettewaz g tes geschriben werde. Nu vil lieben br der, Ich kunde mich nu z mole nit beszers verston, wan daz ich ch schriben súlte vnser br der leben, vnd das habe ich ouch geton vnd habe ch gesant ein teil vnser lieben br der leben wanne wiszent, vnd solte ich ch von worte z worte alles ir leben geschriben haben, So gl be ich, daz ich es kume an ein gantzes Meszeb ch geschriben m hte haben. vnd wiszent, daz ich ch der br der leben geschriben habe Do habe ich inne gemeinet, vnd wer es, daz es beschehe daz vwer br der eime alsoliche gnode wurde, also daz er bernatúrliche von dem heilgen geiste begnodet vnd ber ret wurde, weleme br der daz vnder ch beschehe, der m hte danne wol ettewas lere in vnser br der leben finden, Also daz er sich deste baz dar noch gerihten kúnde; wanne wiszent, lieben br der, daz got sine frúnde gar vngelich in f rende vnd ziehende ist, wanne er in siner ewigen wisheit gar wol bekennende ist, was eime ieglichen menschen mit sunderheit z geh rende ist (B, Bl. 3 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 28, Z. 23-S. 29, Z. 9). [Seid gegrüßt in Jesus Christus, aus seinem ausfließenden, Liebe ausgießenden Herzen, meine (sehr) lieben Brüder auf dem ‚Grünen Wörth‘. Mir hat Rulman Merswin, mein vertrauter Freund, geschrieben, daß mich die jungen Brüder gebeten haben, daß ihnen etwas Gutes geschrieben werde. Nun, (sehr) liebe Brüder, ich konnte mich sogleich auf nichts Besseres besinnen, als Euch das Leben unserer Brüder zu schreiben, und das habe ich auch getan und Euch einen Teil des Lebens unserer Brüder gesandt, denn Ihr müßt wissen, sollte ich Euch ihr Leben vollständig, in allen Einzelheiten berichtet haben, so glaube ich, daß ich es kaum in ein Missale geschrieben haben könnte. Und Ihr sollt weiterhin wissen, daß ich damit, daß ich Euch das Leben der Brüder [auf]geschrieben habe, [folgendes] beabsichtigt habe: Geschehe es, daß einem Eurer Brüder eine solche Gnade zuteil würde, daß er übernatürlich von dem Heiligen Geist begnadet und berührt würde, welchem der Brüder unter Euch das geschehe, der könnte dann in dem Leben unserer Brüder ein wenig Anleitung finden, so daß er sich um so besser danach richten könnte. Denn Ihr sollt wissen, liebe Brüder, daß Gott seine Freunde sehr ungleich hineinführt und -zieht, weil er in seiner ewigen Weisheit sehr wohl weiß, was einem jeglichen Menschen mit Besonderheit zugehört.] Diese Legitimierung des Schreibens durch den Topos, Wissen verpflichte zur Mitteilung, wird schließlich durch eine pragmatische, genauer kirchenrechtliche, vervoll- Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 373 ständigt, indem der Gottesfreund abschließend den Komtur der Johanniter um eine Approbation seines Textes bittet; nur wenn dieser den Text billige, solle er den Brüdern bekannt gemacht werden: Lieben br der, ich rote ch vszer gelichen truwen: alles, daz ich ch geschriben von allen vnsern br dern habe, daz ir daz gent vwerm kommendúr von gehorsame wegen in sine hant und lont es in besehen. Sprichet er denne, ez sige ime liep daz ir es habent, vnd git es ch wider, so nement es von gotte vnd von siner hant in gehorsame widervmbe vnd wer es aber, daz der Commendúr spreche, ir súllent ez nút haben, so súllent ir es ime in gehorsame ch lossen. also súllent ir in allen dingen gehorsam sin Es t der naturen we oder wol vnd daz ist ch reht vnd ist ch ein rot dez heilgen geistes (B, Bl. 3 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 29, Z. 23-33). [Liebe Brüder, ich rate Euch in derselben Aufrichtigkeit: Alles, das ich Euch von dem Leben aller unserer Brüder geschrieben habe, daß Ihr das Eurem Komtur aus Gehorsam übergebt und es ihn prüfen laßt. Sagt er dann, es sei ihm willkommen, daß Ihr es habt und gibt es Euch wieder, so nehmt es von Gott und von seiner Hand in Gehorsam wieder an. Wäre es aber, daß der Komtur urteilt, Ihr sollt es nicht haben, so sollt Ihr es ihm in Gehorsam auch überlassen. Auf diese Weise sollt Ihr in allen Dingen gehorsam sein, es nütze der [= Eurer] Natur oder schade ihr, und dies ist auch recht und ein Rat des Heiligen Geistes.] Zudem steuert der Brief die weitere Tradierung des Textes: Durch die notwendige Eile bei seiner Erstellung (die Abfassungszeit betrug fünf Tage, da R preht aus ungenannten Gründen nach diesem Zeitraum nach Straßburg reisen mußte und den Text bei dieser Gelegenheit an Rulman übergeben sollte) habe der Gottesfreund vwer sproche vnd vnser sproche vnderenander geschriben vnd dar z so ist die geschrift gar bele z lesende (B, Bl. 3 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 29, Z. 12f.); Nikolaus von Löwen wird daher vom Gottesfreund bestimmt, eine Abschrift des Textes vorzunehmen. Der paratextuelle Rahmen des ‚b ch von den fúnf mannen‘ wird durch eine Schlußbemerkung, die der Schreiber des ‚Briefbuches‘ auf den freigelassenen Raum der letzten Seite des ‚Autographs‘ nachträgt (B, Bl. 11 v ; Rieder 1905, S. 71*28-72*15; Strauch 1927b [ATB 23], S. 81, Z. 13-S. 82, Z. 12), geschlossen: Nachdem der Papierquaternio erneut als ‚Autograph‘ identifiziert und nochmals auf die im letzten Kapitel enthaltene Lebensbeschreibung des Gottesfreundes verwiesen wurde, folgt - einen bereits im Zusammenhang mit der ‚Vita‘ Merswins diskutierten Gedanken wiederholend - eine Ermahnung, das Andenken der mit dem ‚Grünen Wörth‘ verbundenen und vor Gott für eben diese Komturei Fürsprache haltenden Gottesfreunde in Ehren zu halten und daher auch das bappirine b ch [...] glich eime grossen heilt me (B, Bl. 11 v ; Rieder 1905, S. 71*35-37; Strauch 1927b [ATB 23], S. 81, Z. 23f.) zu bewahren, obwohl dis b ch dicke vnd vil abegeschriben ist vnd wir es ouch selber zwiualtekliche z Thútzsche vnd z latine mit texte geschrift in zweigen, wol gebundenen, g ten b cheren geschriben hant (B, Bl. 11 v ; Rieder 1905, S. 71*32-35; Strauch 1927b [ATB 23], S. 81, Z. 18-21). Auch für die Archivierung des ‚Autographs‘ des Gottesfreundes wird folglich von im engeren Sinne textkritischen Argumenten zunächst abgesehen, eine memorative und heilsversprechende Funktion dominiert: Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 374 dobi wir vnd alle vnsere nochkommen ewekliche gemanet werdent an die fruhtbere, grosse gnode vnd wúrdikeit dis huses z dem gr nenwerde vnd an die getruwen fúrsprecher, die wir an in vor gotte in himmele hant wanne sú hie vf ertriche vnsere lieben, súnderlichen frúnde vnd vettere gewesen sint in g ttelicher minnen vnd in br derlicher truwen, dar vs sú vns dis b ch und vil anderre g ter, gebesserlicher exemplar vnd lere dicke geschriben hant, der wir billiche niemer vergessen s llent; so mag vns grosse, iemer werende, ewige fruht dar durch volgen, obe wir selber wellent (B, Bl. 11 v ; Rieder 1905, S. 71*38- 72*5; Strauch 1927b [ATB 23], S. 81, Z. 25-S. 82, Z. 1). [Wodurch wir und alle unsere Nachkommen ewig erinnert werden sollen an die fruchtbare, große Gnade und Würde dieses Hauses zu dem ‚Grünen Wörth‘ und an die treuen Fürsprecher, die wir in ihnen vor Gott im Himmel haben, weil sie hier auf Erden unsere lieben, besonderen Freunde waren in göttlicher Liebe und in brüderlicher Treue, aus der sie uns dieses Buch und viele weitere gute, bessernde Beispiele und Unterweisungen häufig geschrieben haben, die wir gerechter Weise nie mehr vergessen sollen, so kann uns daraus große, immerwährende Frucht zuteil werden, wenn wir selber wollen.] Zuletzt wird auch ein i.w.S. textkritisches Argument für die Archivierung des ‚Autographs‘ gegeben: Nur in diesem Exemplar des Textes seien ettewie vil heimelicher rede vnd artickele enthalten, die in keime b che niergent anderswo geschriben sint wenne sú niemanne z geh rent denne alleine núwent dem húse vnd den br deren hie z dem gr nenwerde vnd were ouch nút g t, das sú ieman anders lese, der nút z dem huse geh ret Es het ouch der liebe frúnt gottes in oberlant, vnser getruwer vatter, nút also gemeinet vnd er befalch es ouch súnderliche mit grosseme erneste in eime briefe, das men dis gegenwertige b ch abe solte schriben vnd die selben heimelichen artickele alle vsse liesse, also daz sú niemanne fr medes z lesende wúrdent (B, Bl. 11 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 82, Z. 1-12). Nur in diesem Exemplar des Textes seien [einige vertrauliche Reden und Artikel] enthalten, [die in keinem Buch nirgendwo anders [auf]geschrieben sind, weil sie niemandem zukommen, außer allein dem Haus und den Brüdern hier auf dem ‚Grünen Wörth‘, und es wäre auch nicht gut, wenn sie jemand anders läse, der nicht zu dem Haus gehört. Der liebe Freund Gottes im Oberland, unser treuer Vater, hat es auch nicht so vorgesehen und er befahl es auch ausdrücklich, mit großem Ernst in einem Brief, daß man dies vorliegende Buch abschreiben sollte und dieselben vertraulichen Artikel alle auslasse, so daß sie niemand Fremdem zu lesen zukämen.] Die paratextuellen Beigaben der anderen Codices sind im Vergleich zum ‚Briefbuch‘ deutlich weniger umfangreich; die in der einleitenden Rubrik in d gegebenen Informationen ähneln den Ausführungen in B dabei am deutlichsten. Auch das ‚Pflegermemorial‘ erklärt die Entstehung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ durch die bette [...] der selben br dere um ein gebesserliche[s] exemplar und datiert den Text vmb die pfingesten In dem iore, do man zalte von gottes gebúrte dritzehen hundert ior sibentzig vnd siben iore (d, Bl. 33 v ). d integriert somit den in B wiedergegebenen Begleitbrief in den Einleitungstext, nimmt dabei jedoch zwei entscheidende Änderungen vor: Zum einen beruft sich d zwar auf die eigenhändig geschriebene Vorlage des Textes, gibt jedoch keinen Hinweis, daß man das ‚Autograph‘ noch immer auf dem ‚Grünen Wörth‘ besitze; zum anderen nimmt d einen Wechsel im Adressatenbezug bzw. in der Perspektivierung der Einleitung vor: Ist die Vorbemerkung im ‚Briefbuch‘ (B) aus der Sicht der Brüder des ‚Grünen Wörth‘ verfaßt (die Einleitung spricht von v n s e r s Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 375 stifters geselle; daz w i r nennent), 127 nimmt das ‚Pflegermemorial‘ eine Außenperspektive ein (den br deren z dem Gr nenwerde, d, Bl. 33 v ), da es nicht für die auf dem ‚Grünen Wörth‘ lebenden Kleriker und Pfründner, sondern für die laikalen Verwalter der Stiftung geschrieben wurde. Diese Distanzierung des Geschehens von den Adressaten der Handschrift wird durch die ausschließlich memorative Begründung für die Aufnahme des Textes in die Sammelhandschrift verstärkt: Während der Begleitbrief des Gottesfreundes die Unterweisung des einzelnen Bruders als Bestimmung seines Textes ausweist, dient das ‚b ch‘ im ‚Pflegermemorial‘ (den Ausführungen der redaktionellen Nachbemerkungen in B folgend) als sunderber merglich urk nde der grossen, gnodenrichen wúrdikeit des vorgenanten h u s e s (d, Bl. 33 v ), also dem Ausweis der Dignität der Johanniterkommende, der sich die zukünftigen Brüder verpflichtet fühlen sollen: Vnd ist wol ein sunderber merglich urk nde der grossen, gnodenrichen wúrdikeit des vorgenanten huses z dem gr nenwerde, das billiche alle die bewegen vnd manen sol, die n oder har nach kuntsame oder wandelunge in das selbe hus iemer gewinnent, das s in selber die gnode deste fruhtberer vnd enpfen(g)licher machent vnd [34 r ] in ein steter gegenwurf sige in aller dienstberkeit, do von ire minne vnd truwe z nemme in gantzer hoffenunge vnd z uersiht, der selben stifter vnd fr nde gottes vnd der gnoderichen, heiligen houestat vnd der hochgelobte, wúrdigen patronen ewikliche zu gemessende, welre hande dienest oder truwe, liplich oder geistlich, s in keinreleyge wise iemer ane geuellet dem selben huse z t nde von gnoden oder durch irre liplichen narunge willen (d, Bl. 33 v / 34 r ). [Und es ist wohl ein besonders zu bedenkendes Zeugnis der großen, gnadenreichen Würde des zuvor genannten Hauses zu dem ‚Grünen Wörth‘, das billigerweise alle diejenigen dazu bewegen und ermahnen soll, die jetzt oder später Kenntnis von oder Umgang mit demselben Haus haben werden, daß sie die Gnade für sich selbst um so fruchtbarer und empfänglicher machen, und [es] ihnen ein stetiges Vorbild sei in allem Dienst, wovon ihre Liebe und Treue zunehme in vollständiger Hoffnung und Zuversicht, diesen Stiftern und Gottesfreunden und der gnadenreichen, heiligen Hofstatt und den hochgelobten, würdigen Patronen in Ewigkeit angemessen zu sein, welche Art Dienst oder Pflicht, leiblicher oder geistlicher Art, ihnen in irgendeiner Art und Weise jemals auferlegt wird, die sie für dieses Haus aus Gnade oder für ihr leibliches Wohlergehen zu tun haben.] Diese historisch-memorative Funktion des Textes, die Ermahnung der Pfleger zur Besinnung auf die würdevolle Tradition des Hauses, greift d auch im abschließenden Paratext zum ‚b ch von den fúnf mannen‘ auf, indem auf weitere grosse[ ] mirackele vnd gebesserliche[ ] exemplar vnd tr stliche[ ], g te[ ] materien verwiesen wird, die in den drei Urkundenbüchern der Johanniterkommende gesammelt sind, um allen den, die es in deheiner leÿge wise oder state, lipliche oder geistliche, ewikliche iemer geregierende werdent, ein verpflichtendes Vorbild vor Augen zu stellen, durch das s enpfen(g)lich werdent z kummende an die zale aller diser vorgeschribenen usserweleten, ber nat rlichen, erl hteten fr nde gottes in ewikeit (d, Bl. 53 r ). Die beiden später entstandenen Textzeugen D und F sind auf unterschiedliche, jeweils spezifische Weise den vom Redaktor dem Text beigegebenen Bemerkungen in d verpflichtet: Obwohl die Abschrift eines ‚Pflegermemorials‘ aus dem 15. Jahr- 127 Die textuelle Varianz der Handschriften wird im folgenden durch Sperrung markiert. Wenn nicht anders ausgewiesen, wurden die Hervorhebungen daher stets von der Verfasserin vorgenommen. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 376 hundert (D) auf jede Form der Einleitung verzichtet, bietet D am Ende des Textes eine wörtliche Kopie der abschließenden Bemerkungen in d (D, Bl. 97 r ), d.h., Schmalriems Codex umfaßt keine Informationen zu Schreibanlaß und Ursprung des ‚b ch‘ im ‚Autographen‘ des Gottesfreundes, sondern beschränkt sich auf den zur Lektüre appellierenden Verweis auf weitere Exempla, die auf dem ‚Grünen Wörth‘ verwahrt sind, und betont folglich die didaktische vor der historischen Funktion des Textes - ob aufgrund der historischen Distanz zur Gründung oder aufgrund einer anders gewichtenden Vorlage, bleibt ungewiß. Die Textfassung des ‚Erweiterten Pflegermemorials‘ (F) kombiniert demgegenüber Exzerpte aus ‚Pflegermemorial‘ (d; D) und ‚Briefbuch‘ (B): Mit der redaktionellen Einleitung in d bis auf orthographische und lexikalische Anpassungen wörtlich übereinstimmend, bietet das Manuskript dem Text direkt angeschlossen, ohne jegliche Markierung eines neuen Sinnabschnitts, auch das in d und D tradierte Nachwort (F, Bl. 74 v / 75 r ), schließt jedoch - durch eine Initiale abgesetzt (F, Bl. 75 r ) - einen Bericht über die gescheiterte Suche der Johanniter nach den Gottesfreunden im ‚Oberland‘ an. Diese auch im ‚Briefbuch‘, jedoch nicht im unmittelbaren Anschluß an das ‚b ch von den fúnf mannen‘, sondern erst an späterer Stelle (nach dem 20. Brief, B, Bl. 51 v -55 v ) überlieferte Schilderung wird in F wahrscheinlich in den Kontext der Exempelreihe gestellt, weil die ‚Expedition‘ des Johanniterpriesters Nikolaus von Löwen nach Engelberg eng mit der Verbreitungsgeschichte dieses Textes verbunden ist: Nachdem die Brüder des ‚Grünen Wörth‘ auf Merswins Totenbett vom Ableben des ihnen unbekannten Kuriers zwischen Straßburg und dem Oberland erfahren haben und kurz darauf mit dem Stifter nicht nur der heimeliche frúnt des Gottesfreundes, sondern auch der Mittelsmann für die gesamte Korrespondenz mit dem Oberland stirbt (F, Bl. 75 r -76 r ; Rieder 1905, S. 137*33-138*5, 138*20-29 [nach E]), interpretieren die Brüder des ‚Grünen Wörth‘ das abrupte Ende des ehemals intensiven und emotionalen Kontakts zum zweiten Stifftere vnd vettere vnd sonderliche[n] Freund (F, Bl. 75 r ) des Konvents mit Hilfe des Gleichnisses der törichten Jungfrauen (Mt 25, 1-13) als göttliche Strafe für ihren Ungehorsam (F, Bl. 76 r ; Rieder 1905, S. 138*29-139*5 [nach E]). Erst sieben Jahre nach Merswins Tod - 1389 - unternehmen die Brüder einen Versuch, nach der Gemeinschaft im Oberland zu suchen, der durch die Lektüre des ‚b ch von den fúnf mannen‘ ausgelöst wird: Als ettliche Erbare personen, pfaffen vnd Le en, frauwen vnd man, z Fre búrg im Breißgaúwe die Lebensbeschreibung der Gottesfreunde lesen, bemerken sie, daß Johannes von Bolsenheim, Prior in Engelberg, von Ir Ieckhlichem sonderlich [77 r ] z Fre burg gesagt hette alle khúndtsame z gle cher we se, also in der fünff manne B ch von irem Lebende geschr ben stodt (F, Bl. 76 v / 77 r ; Rieder 1905, S. 139*26-29 [nach E]). Die aufgrund dieser Nachricht von Nikolaus von Löwen zum offensichtlichen Vertrauten der Gottesfreunde unternommene Reise zum Benediktinerkonvent Engelberg bleibt jedoch erfolglos und so übergibt er dessen Prior ein abgeschrifft der dre er weltlichen pflegernbúch (F, Bl. 77 r ; Rieder 1905, S. 139*37 [nach E]), 128 um ihn über die Geschichte und die Stifter des ‚Grünen Wörth‘ aufzuklären. Das dem ‚Erweiterten Pflegermemorial‘ (F) genuine Nachwort verbindet folglich zwei typische 128 Vgl. zur ‚Expedition nach Engelberg‘: Kapitel 4.5.2.4. Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 377 Elemente paratextueller Kommunikation: Zum einen gibt es Erläuterungen zur weiteren Textgeschichte, indem mit Freiburg/ Br. und Engelberg Stationen seiner Verbreitung umrissen werden; zum anderen schließt das Nachwort die Lebensbeschreibung der Gottesfreunde ab, indem den Figuren der Diegese eine grundsätzliche Referentialisierbarkeit bestätigt, jeder Versuch einer Begegnung jedoch auf die allegorische Ebene der Nachfolge und ihre Belohnung im Jenseits verwiesen wird: wir sollen s nun fürbaß mer suchen vnnd auch fünden In dem Ewigen Leben mit Eruolgende Ires minnesamen, guten Rathes (F, Bl. 77 v ; Rieder 1905, S. 218*32f. [nach E]). Auch die heute in St. Gallen verwahrte Handschrift 955 ist kein vom Straßburger Konvent unabhängiger Textzeuge, wie Quellenberufung und Autorzuweisung verdeutlichen. Die einleitenden Worte beschränken sich hier auf die Überschrift: Dis sreib der fruint gottes ws oberlant den Johansern z strasburg vnd stat ch in der sant Johansers wrkund b ch geschriben (S. 274). Der Verweis auf die in der Johanniterkomturei vorliegende Textfassung bleibt dabei aber in doppelter Weise unbestimmt: Weder ist eine Identifizierung der konkreten Handschrift, auf die die Rubrik referiert, aufgrund des Titels möglich, 129 noch wird dieses wrkund b ch ausdrücklich als Vorlage des in St. Gallen vorliegenden Textes benannt; eine Kopie aus einem der Straßburger ‚Pflegermemoriale‘ (d; D) oder deren erweiterter Fassung (F) wird jedoch durch den Schlußsatz des Textes in SG 955 wahrscheinlich: alsolicher grossen merachkulen vnd geberlicher exempelar vnd tr stlicher, g tter marterern [sic! ] stont gar vil in den drien vrkunde búcher z túcze vnd z letine aller diser vorgeschribenen, vsserwelten, ber natúrlicher, erluchtigen frúnde gottes in ewikeit. dar z helffe vns allen die almechtikeit, ewige, heilige trivaltikeit. amen (SG 955, S. 348). Die Erläuterung in SG 955 verweist auf die Nachworte in d (Bl. 53 r ), D (Bl. 97 r ) und F (Bl. 74 v / 75 r ) und ist somit auf die Johanniterbibliothek bezogen, SG 955 ist folglich von der Straßburger Überlieferung abhängig. Die dem ‚b ch von den fúnf mannen‘ beigegebenen paratextuellen Elemente lassen sich folglich sowohl aufgrund ihres Umfangs als auch aufgrund ihres Inhaltes in drei Gruppen gliedern, die zugleich erste Hinweise auf die verwandtschaftlichen Beziehungen der Handschriften bieten: Die in bezug auf Textgenese und -rezeption detailliertesten Aussagen trifft das ‚Briefbuch‘, um mit Hilfe der Entstehungsgeschichte des Textes i.S. eines für den ‚Grünen Wörth‘ verfaßten, unterweisenden Sendschreibens nicht allein die enge geistliche Freundschaft zwischen der Johannitergemeinschaft und ihrem spirituellen Führer, dem Gottesfreund aus dem Oberland, zu illustrieren, sondern darüber hinaus das ‚eigenhändige‘ Exemplar des Stifters 129 Die Vorlage der St. Galler Handschrift wurde von Strauch als der in das „Johannitermemorial aufgenommene Text“ identifiziert (Philipp Strauch, Einleitung, in: Merswins Vier anfangende Jahre. Des Gottesfreundes Fünfmannenbuch. [Die sogenannten Autographa], hg. von dems., Halle/ S. 1927 [ATB 23; Schriften aus der Gottesfreund-Literatur 2], S. VI), ohne jedoch Gründe für diese Zuweisung auszuführen oder die gemeinte Handschrift eindeutig zu bestimmen. Wahrscheinlich benennt Strauch mit dieser Formulierung die in das ‚Briefbuch‘ eingenähte Fassung, da sich die gesamte Einleitung seiner Edition ausschließlich auf den im folgenden herausgegebenen Text des ‚Autographs‘ bezieht. Diese Zuordnung scheint jedoch weniger auf textkritischen Untersuchungen als vielmehr auf der Quellenberufung in der Handschrift selbst zu beruhen (vgl. auch die Diskussion der von SG 955 verwendeten Vorlage weiter unten, S. 407-409). Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 378 als Erinnerungszeichen an den heiligmäßigen Ursprung der Komturei zu erweisen. Im Gegensatz zu diesem primär institutionshistorischen Interesse der Paratexte in B richtet die Abschrift D - und in Teilen auch SG 955 - ihren Blick allein auf die Bedeutung des Textes für die geistliche Ausrichtung der Komturei, und so verzichten die Handschriften bei der Präsentation des ‚b ch von den fúnf mannen‘ auf Aussagen zum ‚Autograph‘. Grenzen sich diese beiden Codices in ihrer redaktionellen Rahmung des ‚Fünfmannenbuchs‘ deutlich voneinander ab und artikulieren unterschiedliche Interessen an der ‚Vita‘ des Gottesfreundes, orientiert sich die dritte Gruppe, repräsentiert durch d und F, an der Version des ‚Briefbuches‘, bemüht sich aber ebenfalls um einen eigenen Zugang zum Text: Die Handschriften wissen zwar um die eigenhendige geschrift, legen jedoch nur geringen Wert auf deren materielle Existenz und erkennen den institutionshistorischen Wert des ‚Autographs‘ daher in seiner exemplarischen, besonders nachdrücklich zur imitatio der Haustradition verpflichtenden Dimension, die im Nachwort der erweiterten Fassungen durch die Stilisierung als Vermächtnis unterstrichen wird. Die jeweils individuellen redaktionellen Beigaben zum ‚b ch von den fúnf mannen‘ lassen folglich darauf schließen, daß die Handschriften nicht vollkommen unabhängig voneinander entstanden sind; ein linearer Entstehungsprozeß (eine der überlieferten Handschriften ist die Abschrift einer anderen) ist textkritisch jedoch nur möglich, wenn die Kopisten keine textbewahrende, sondern eine dem spezifischen Gebrauchszusammenhang angepaßte, ihre Vorlage eigenständig bearbeitende Tradierung des ‚b ch‘ anstreben. 130 130 Diese Differenzen, welche die redaktionellen Einbettungen des ‚b ch von den vier ioren‘ spiegeln und somit durch den (bereits mehrfach umrissenen) Gebrauchskontext der Codices zu klären sind, nimmt Rieder erneut zum Anlaß, eine Fälschung des ‚Autographs‘ anzunehmen: „Wäre ferner Nikolaus von Löwen das sogenannte Autograph des Fünf-Mannenbuchs bei Anlegung der Memorialbücher schon vorgelegen, dann hätte er keinen Grund gehabt: 1. den ‚eigenhändigen‘ Begleitbrief im ‚Briefbuch‘ wegzulassen und sich mit der Abschrift zu begnügen; 2. seine Angaben über die Herkunft des Fünf-Mannenbuchs im Großen Deutschen Memorial wie den Pflege[r]büchern auf die einfachste Form herabzudrücken; denn nirgends erwähnt er hier, daß das Fünf-Mannenbuch noch e i g e n h ä n d i g vorhanden sei“ (Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 173; Hervorhebung im Original). Beiden Argumenten liegt eine einseitige, das Original hypostasierende Interpretation der Überlieferung zugrunde: Die Präsentation des ‚Begleitbriefes‘ als Abschrift erklärt sich durch seine Position in den redaktionellen Vorbemerkungen, die genuiner Teil des ‚Briefbuches‘ sind und dessen Konzeption folgen: A l l e in B gesammelten Briefe sind ausschließlich in Kopie erhalten. Durch das Rieder zwar bekannte, jedoch nicht untersuchte Exemplar der ‚Pflegermemoriale‘ in d und die in ihm enthaltene Einleitung wird auch die augenfällige Differenz zwischen der Informationsfülle in B und den nur knappen Ausführungen in A und D relativiert, da die Berliner Handschrift sehr detaillierte Kenntnisse der Umstände der Textübergabe an die Komturei erkennen läßt, jedoch nicht auf die in B integrierte ‚autographe‘ Handschrift verweist. Ist dies für d durch die Bestimmung des Manuskriptes für einen der weltlichen Pfleger und somit durch einen Gebrauchszusammenhang außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ erklärbar, bleibt die Ellipse des Verweises im ‚Großen deutschen Memorial‘ bemerkenswert. Allerdings läßt sich auch für A keine Verweispraxis erkennen, die durch die von Rieder postulierte Regelmäßigkeit charakterisiert ist, vielmehr wird formelhaft für ‚Meisterbuch‘ (A, Bl. 7 r ; Rieder 1905, S. 18*7), ‚Zweimannenbuch‘ (A, Bl. 7 v ; Rieder 1905, S. 19*6f.) und ‚Neunfelsenbuch‘ (A, Bl. 7 v ; Rieder 1905, S. 19*23f.) festgehalten, der ‚Grüne Wörth‘ besitze jeweils auch eine volkssprachliche, mit der lateinischen wörtlich übereinstimmende Fassung. Einzelne Handschriften, gar ‚Autographen‘, werden nicht aufgezeigt. Das Fehlen einer systematischen Verweispraxis ist auch daran zu erkennen, daß in der Auflistung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ auch ein Hinweis auf die im ‚Kleinen deutschen Memorial‘ enthaltene Kopie des Textes fehlt, obwohl diese nachweislich dem ‚Großen Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 379 Der Vergleich des Bestandes des ‚Kerntextes‘ läßt eine enge Zusammengehörigkeit der Straßburger Überlieferungsträger erkennen, da nur B zwei charakteristische Zusätze gegenüber der restlichen Überlieferung aufweist: In einer ersten Texterweiterung fügt das ‚Briefbuch‘ im Vergleich zu d (Bl. 42 r ), D (Bl. 75 r ; Rieder 1905, S. 201*, linke Spalte), F (Bl. 57 v ) und SG 955 (S. 311) dem Bericht über das Leben des zweiten Bruders, des lidenden emans, eine topische Legitimation der ‚Vita‘ durch das ihr inhärente Lob des wundersamen Wirkens Gottes an (B, Bl. 7 r ; Rieder 1905, S. 201*21-32; Strauch 1927b [ATB 23], S. 50, Z. 7-13), für deren Ellipse in der weiteren Überlieferung kein naheliegender Grund zu erkennen ist. Der zweite, deutlich umfangreichere Zusatz des ‚Briefbuches‘ findet sich im letzten Kapitel des Textes, nachdem der Gottesfreund seinen ‚Lebensbericht‘ nach der Beschreibung einer ihm zuteil gewordenen Verzückung unterbrochen hat, da er den Selbstruhm fürchtet, der autobiographischen Zeugnissen mystischen Erlebens inhärent ist (B, Bl. 10 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 73, Z. 24f.). Die nur in B angeschlossene Passage verweilt jedoch nur kurz bei der Problematik visionären Schreibens, indem den Johannitern eine ausführliche Lebensbeschreibung des Gottesfreundes versprochen wird, ist es gottes wille, das min heimmellicher fr nt lenger in der zit bliben sol dan ich (B, Bl. 10 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 73, Z. 27-29); anstelle eines ausführlichen Berichts über weitere Einzelheiten der religiösen ‚Vita‘ des Stifters lösen die Pluspassagen in B das narrative Genre durch die diskursive Unterweisung ab und geben den Johannitern Verhaltensregeln an die Hand, die folgende Aspekte umfassen: die Johanniter sollen ihre Lebensform der Klausur annähern, indem sie den Konvent nur verlassen, wenn sie dazu gezwungen sind, denn: der vs gang, der hindert iemer etthewas eins geworen nohern inganges (B, Bl. 10 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 74, Z. 13f.); die Brüder werden zum Gehorsam gegenüber den Ordensregeln ermahnt, die auch das tägliche Chorgebet umfaßten, von dem sie die Berührung durch den Heiligen Geist nicht entbinde (B, Bl. 10 rv ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 74, Z. 18- S. 75, Z. 6); eine Frauenschelte mündet in den wiederholten Appell zur Weltflucht (B, Bl. 10 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 75, Z. 7-22); die Reihe der Verbote wird abschließend ins Positive gekehrt, indem der Konvent an die Annehmlichkeiten seines Gebäudes als auch an die gottgefällige Ordnung der Stiftung erinnert wird, für die die Brüder Gott Lob schulden. Um das g te[ ], getteliche[ ], friddeliche[ ] (B, Bl. 10 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 76, Z. 5) Gemeinschaftsleben noch weiter zu steigern, schlägt der Gottesfreund vor, einige der Brüder könnten die Gottesfreunde besuchen, um ihr vorbildliches Leben mit ihnen zu teilen (B, Bl. 10 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 75, Z. 20-78, Z. 8). Anhand dieser in B ca. ein Blatt umfassenden Erweiterung sucht Rieder die Nachträglichkeit des ‚Autographs‘ zu erweisen, indem er den Zusatz als jene ettewie vil heimelicher rede vnd artickele identifiziert (B, Bl. 11 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 82, Z. 2), deutschen Memorial‘ bekannt war, da auf Bl. 6 r in A eine Inhaltsangabe des Urkundenbuches überliefert ist. Der fehlende Hinweis ist somit nicht notwendiges Indiz der Nachträglichkeit. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 380 die im redaktionellen Nachwort in B als genuine Textelemente der in das ‚Briefbuch‘ integrierten Fassung ausgewiesen werden, 131 die hier gegebene Begründung für die Auslassung der beschriebenen Passage in der weiteren Überlieferung jedoch als nicht stichhaltig zurückweist, da dem Inhalt jegliche Brisanz fehle, die es verständlich machen könne, daß die Lektüre niemanne [...] denne alleine [...] den br deren hie z dem gr nenwerde (B, Bl. 11 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 82, Z. 4f.) erlaubt sei: Denn die Fortsetzung des Textes nach dieser Ermahnung enthält die gleichen Ermahnungen, zu streiten wider die Unreinheit und die Versuchungen des bösen Feinds, Ermahnungen, die ebenfalls n u r für die B r ü d e r gelten. Man hat es demnach in dem Autograph nicht mit einem ursprünglichen Text zu tun, der in den Abschriften ausgelassen worden wäre, sondern mit einer E i n s c h a l t u n g , die eine Erweiterung des ursprünglichen Textes der Memorialbücher darstellt, um der in den Grundzügen schon ausgeführten Ermahnung kräftigeren Nachdruck zu geben. 132 Gewichtiger als dieses inhaltliche scheint Rieder ein paläographisches Argument: Der letzte Satz der Erweiterung in B sei mit der gleichen Tinte, die auch für die Erstellung des ‚Autographs‘ verwendet wurde, d.h. von der Texthand, umrahmt worden (B, Bl. 10 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 78, Z. 7f.; vgl. auch Anm. 7). Diese Hervorhebung des Schlußgedankens, der Gottesfreund werde die Johannitergemeinschaft nur besuchen, wenn sich die Kommunität im Oberland auflöse, „hatte keinen Sinn, wenn sie vom Gottesfreund vorgenommen wurde, ist aber wohl zu begreifen, wenn sie von Nikolaus von Löwen stammt, dem viel daran lag, jedermann zu überzeugen, daß es eitel Mühe sei, dem Gottesfreund und dessen Gesellschaft auf die Spur zu kommen“. 133 Für Rieder beweisen diese beiden Beobachtungen, daß „das sogenannte ‚Original‘ erst in und mit dem Briefbuch entstanden, also kein ‚Original‘“ sei, sondern „den ursprünglichen fälschenden Gedanken Nikolaus von Löwens erweitern, vertiefen und vor jedem Zweifel an der Echtheit sicher stellen sollte“. 134 Beide von Rieder angeführten Charakteristika des Einschubs lassen sich jedoch auch erklären, wenn man von einer primären Entstehung des ‚Autographs‘ ausgeht: Zwar kehren protreptische Gedanken sowohl im ‚b ch von den fúnf mannen‘ als auch in der gesamten ‚Gottesfreundliteratur‘ wiederholt wieder, selten jedoch finden sie sich in einer so prägnanten und institutionsspezifischen Form wie in den Zusätzen in B. Die Bestimmung des B genuinen Nachwortes, diese rede vnd artickele seien ausschließlich für den Konvent bestimmt, verdeutlichen in ihrer Interpretation als ‚Hausregel‘ so nur den gebrauchsspezifischen Kontext, für den die Textpassagen anwendbar und somit nützlich sind. 135 Auch das auf den ersten Blick zentrale kodi- 131 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 173f. 132 Ibid., S. 173. Hervorhebung im Original. 133 Ibid., S. 174. 134 Ibid. 135 Rieders vehemente Ablehnung dieser zwanglosen Erklärung scheint dabei maßgeblich durch sein Verständnis des Nachwortes geprägt: Er betont, daß es sich um h e i m l i c h e [ ] rede vnd artickele handele (Der Gottesfreund vom Oberland, S. 172; Hervorhebung im Original), und reduziert das Adjektiv dabei auf die semantische Komponente des ‚Geheimen‘. Der Aspekt der Vertrautheit, der in der genauen Kenntnis der Gewohnheiten der Brüder des ‚Grünen Wörth‘ betont wird, tritt in Rieders Interpretation zurück, obwohl auch die in den redaktionellen Nachbemerkumgen explizit gegebene Begründung für die Ellipse in den anderen Überlieferungsträgern diesen Aspekt betont: wenne sú nieman- Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 381 kologische Argument - die Einrahmung des Zusatzes mit jener Tinte, die auch von der Texthand verwendet wurde - verliert an Überzeugungskraft, insofern sich eine zwanglose Erklärung für die Markierung durch den Schreiber des ‚Autographs‘ finden läßt: Die Linie faßt nicht - wie von Rieder suggeriert - alle „wichtigen Worte“ des Zusatzes ein, 136 sondern umschließt lediglich ein Glied des durch Parallelismus gekennzeichneten konditionalen Schlußsatzes des Einschubs: vnd an f nf ende der cristenheit gedeilet wrde vnd wer es, das es beschehhe, so m the es wol beschehhen, das ich in vgwer lant k mende wrde (B, Bl. 10 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 78, Z. 7-10). 137 Dieser Teilsatz ist nun eine fast wörtliche Wiederholung eines zu Beginn des Abschnittes bereits erörterten Gedankens (B, Bl. 10 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 74, Z. 2f.): vnd in f nf ende der cristenheit geteilet wrdent, vnd ich f rsihhe mich, vnd ist es, das es beschiht, dass ich z ch wrde k mende. Die Markierung scheint so - wie bereits von Strauch vermutet - „nichts anderes als tilgung zu beabsichtigen“. 138 Während die weitere Straßburger Überlieferung einen übereinstimmenden Textbestand bietet, grenzt sich die St. Galler Handschrift im Hinblick auf den Umfang des ‚b ch von den fúnf mannen‘ deutlich von den anderen Überlieferungsträgern ab. Neben Textausfall, der in der mangelnden Sorgfalt und Flüchtigkeit der Abschrift begründet ist - SG 955 ist durch zahlreiche Augensprünge, 139 ungezählte Einzelwortausfälle 140 und regelmäßige Korrekturen gekennzeichnet -, neben diesen fehlerhaften Textverlust treten planvolle Kürzungen ausgewählter Textpassagen der Straßburger Textzeugen, welche SG 955 als redaktionelle Bearbeitung ausweisen. Die Intentionalität der textuellen Umgestaltung kann aus zwei Sachverhalten abgeleitet werden: Zum einen werden für die umfangreichen Kürzungen zwar Brüche in ne z geh rent denne alleine nuwent dem huse vnd den br deren hie z dem gr nenwerde (B, Bl. 11 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 82, Z. 4f.) - „weil sie [die Regeln] niemandem zukommen außer dem Haus und den Brüdern hier zu dem Grünen Wörth“. 136 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 174. 137 Bei Strauchs Angabe, die Umrahmung ende bereits in Z. 8 und betreffe somit nur folgende Worte vnd an f nf ende der cristenheit gedeilet wrde (vgl. Strauch 1927b [ATB 23], S. 78, Anm. zu Z. 7), handelt es sich wohl um ein Versehen in der Zeilenangabe, das auf einem Augensprung in seiner Ausgabe beruht. 138 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 128. 139 Von den zahlreichen, die Nachlässigkeit der St. Galler Handschrift ausweisenden Textausfällen, die durch einen Augensprung ausgelöst sind, möge ein Beispiel eines durch sprechende ausgelösten Homöoteleutons genügen, das sich im Kapitel um den Boten R preht findet, der - im Gegensatz zum Koch der Gottesfreunde - keine Visionen erfährt. Von den anderen Bewohnern des Oberlands auf diesen Mangel angesprochen, beruft sich R preht in allen Überlieferungsträgern übereinstimmend auf das Vorbild der heiligen Martha; das Argument der Gottesfreunde, der Koch habbe das besser deil rwellet (B, Bl. 9 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 70, Z. 12f.), wird jedoch mit unterschiedlichem Gewicht versehen, denn in B (Bl. 9 v ) und d (Bl. 50 v ) wird es von Gott selbst vorgebracht (so redde wir dan etthewas dar z vnd sprechent: obbe dan got wurt z dir sprechende), in SG 955 hingegen entfällt der konditionale Nebensatz und somit tragen die Brüder das Argument vor: so rettent wir denne ettwas dar z vnd sprechende: der koch, der habe das selber teil erwalt (SG 955, S. 344). 140 Auch der Ausfall von einzelnen Worten muß auf die Flüchtigkeit der Abschrift zurückgeführt werden, da die Auslassungen oft Satzglieder betreffen, die konstitutiv sind. Wiederholt ist so das Objekt von einer Ellipse betroffen: SG 955 motiviert z.B. die Bekehrung des weltwisen juristen im dritten Kapitel nicht durch seine Beobachtung einer Verzückung, die einem der Gottesfreunde während des Lesens der Messe zuteil wird, vielmehr entfällt in der im Schweizer Stift bewahrten Handschrift das in den anderen Textzeugen tradierte Akkusativobjekt messe (vgl. z.B.: B, Bl. 7 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 52, Z. 32-34), da der Schreiber in SG 955 (S. 316) mit der Genitivergänzung der brúedere eins die Valenz des Verbs h ren erfüllt sieht: des selben tages, do er der brúedere eins horte. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 382 der textuellen Kohärenz in Kauf genommen, die Ellipsen sind jedoch stets so komponiert, daß die Grammatikalität des Textes nicht beeinträchtigt wird, wozu sich die kürzende Version in SG 955 z.T. des Zusatzes neuer, verbindender Elemente bedient. Zum anderen lassen die Auslassungen durch ihre Konzentration auf zwei thematische Schwerpunkte eine zielgerichtete Bearbeitung des ‚b ch‘ erkennen: In einem ersten redaktionellen Bearbeitungsprozeß tilgt die durch ihre Textzusammenstellung in eine geistliche Gemeinschaft gewiesene Handschrift 141 jene Textpassagen, in denen sich die Mitbrüder des Gottesfreundes von kirchlich autorisierten, zönobitischen und eremitischen Lebensformen abwenden, um an der von Gott bevorzugten laikalen Kommunität der Gottesfreunde teilzuhaben. So unterwirft die St. Galler Textform die latente Aufhebung des kirchenhierarchischen ordo, die in der Konfrontation der unterschiedlichen Formen des Mönchtums mit dem Gemeinschaftsleben der Gottesfreunde enthalten ist, der Zensur: Während der d meherre in den Straßburger Textzeugen nach seiner wundersamen Genesung durch die Fürsprache Marias den Gottesfreund um Rat ersucht, welchem Orden er beitreten solle, um ein gottgefälliges Leben zu führen, und erst die vom Gottesfreund gegebene Antwort - ein Bericht über das Leben seiner Mitbrüder - den Besuch des Kapitulars im Oberland motiviert und seinen Eintritt in die Gemeinschaft der Gottesfreunde herbeiführt (vgl. B, Bl. 7 rv ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 51, Z. 36-S. 52, Z. 28), tradiert die St. Galler Handschrift die rât-Szene zwischen Gottesfreund und d meherre nicht (S. 316); so entsteht duch die Tilgung der implizit formulierten Ordenskritik eine handlungslogische Leerstelle, da der Aufenthalt des Domherren im Oberland im Erzählzusammenhang in SG 955 unbegründet bleibt. Auch der zweite längere Textverlust in der Erzählung um den dritten Bruder läßt sich als eine zielgerichtete Bearbeitung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ für einen Gebrauchszusammenhang in einer Ordensgemeinschaft erklären: Als der d mherre nach acht Jahre andauernden Versuchungen eine Verzückung erfährt, erwägt er in der Straßburger Überlieferung, die Gottesfreunde zu verlassen, um Einsiedler zu werden. Diese eremitische Lebenspraxis wird jedoch als Einflüsterung des Teufels entlarvt, der versuche, den Domherren des Rückhaltes, den die Gemeinschaft der Gottesfreunde auf dem beschwerlichen Weg zu Gott biete, zu berauben (Bl. 8 r ; vgl. d, Bl. 44 v / 45 r ; D, Bl. 80 v / 81 r ; F, Bl. 62 rv ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 56, Z. 26-S. 57, Z. 27). Die St. Galler Handschrift verzichtet auf diese kontrastierende Gegenüberstellung zwischen einem Leben in der Rekluse und in einer Gemeinschaft (S. 321), wahrscheinlich da die Berufung auf die Tradition des Eremitentums zu den topischen Legitimationsformen eines kontemplativen und asketischen Klosterlebens zählt. Da SG 955 mit der Erkenntnis des Domherren wiedereinsetzt, er habe einen diabolischen Ratschlag erhalten (S. 321; vgl. B, Bl. 8 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 57, Z. 27-32), wird die Textkohärenz durch die Bearbeitung jedoch auch hier gestört, da der Textverlauf in SG 955 weder erklärt, auf welchen Rat sich die Einsicht des Domherren bezieht, noch verdeutlicht, wieso eine erneute Umkehr des Bruders notwendig wird. 141 Vgl. die Handschriftenbeschreibung S. 248-256. Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 383 Der zweite Fokus redaktioneller Ellipsen liegt in der Beschreibung ekstatischen und mystischen ‚Erlebens‘: In der redaktionellen Bearbeitung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ aus dem 15. Jahrhundert werden die Gnadenerlebnisse der Gottesfreunde nicht narrativ entfaltet, sondern lediglich konstatiert, so daß sie - ihrer Plastizität beraubt - nicht zum kontemplativen Nachvollzug einladen, sondern als Zeichen der Gotterwähltheit der Gottesfreunde dienen. So fehlen der Textform in SG 955 nicht allein die überschwenglichen Beschreibungen der Verzückung des Domherren (B, Bl. 7 v / 8 r ; d, Bl. 44 v ; D, Bl. 80 r ; F, Bl. 61 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 55, Z. 17- S. 56, Z. 11 vs. SG 955, S. 320) und eines zum Priester geweihten Witwers (B, Bl. 6 v ; d, Bl. 41 v ; 142 D, Bl. 74 rv ; F, Bl. 56 v / 57 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 48, Z. 29-36 vs. SG 955, S. 311) sowie dessen eindringliches Bitten um Versuchungen als Mittel der imitatio (B, Bl. 7 r ; d, Bl. 42 r ; D, Bl. 74 v / 75 r ; F, Bl. 57 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 49, Z. 18-25 vs. SG 955, S. 312), nicht allein diese punktuellen Beschreibungen hochemotionalisierter Formen der ekstatischen Gottesannäherung werden in SG 955 vermieden, übereinstimmend mit dieser Reduktion des ‚b ch von den fúnf mannen‘ auf seine didaktischen Aspekte i.S. einer Wegweisung zur Gnade, für die mystisches Erleben allein als Belohnung christlich vorbildlichen Verhaltens von Bedeutung ist, wird auch das abschließende Kapitel einer eingehenden Revision unterzogen (vgl. SG 955, S. 345-348; Strauch 1927b [ATB 23], S. 70, Z. 27-32; S. 71, Z. 8-21; S. 80, Z. 7-S. 81, Z. 9 vs. d, Bl. 50 v -53 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 70, Z. 32-71, Z. 8; S. 71, Z. 8-21; S. 80, Z. 7-S. 81, Z. 9): Ebenso wie die Straßburger Überlieferung leitet der homodiegetische Erzähler, der mit dem Gottesfreund im Oberland identifiziert wird, den letzten Abschnitt als seine eigene Lebensbeschreibung ein, zu der er sich durch den Wunsch der Brüder des ‚Grünen Wörth‘ verpflichtet fühlt. Im Unterschied zu B, d, D und F nutzt der Gottesfreund in SG 955 den Verweis auf den unpersönlichen, allein zum Lobe Gottes formulierten Bericht des Paulus über seine Auffahrt in den dritten Himmel jedoch nicht (2 Cor 12), um dem Beispiel des Apostels folgend, die ihm in einer gnadenvollen Verzückung sowie in leidvollen Versuchungen zuteilgewordene Liebe Gottes mitzuteilen, ohne sich dem ungebührlichen Selbstruhm schuldig zu machen. Da SG 955 den Mittelteil des Kapitels vollständig tilgt, obwohl nur hier die im Einleitungssatz versprochene Lebensbeschreibung des Gottesfreundes gegeben wird, reduziert die St. Galler Redaktion das letzte Kapitel des ‚b ch‘ auf eine Paraphrase des zwölften Kapitels des Hebräerbriefes (Hbr 12, 5-13) und figuriert Paulus somit ausschließlich als mahnenden Seelsorger, der seine Gemeinde (und mit ihr die Leser des ‚Fünfmannenbuchs‘) an die Notwendigkeit der Züchtigungen durch Gott erinnert. Die Analyse des Textbestandes in SG 955 weist die Handschrift folglich gegenüber der Straßburger Überlieferung als eigenständige Bearbeitung aus, die eine (noch näher zu bestimmende) Straßburger Vorlage durchgehend didaktisiert und um spekulative Aspekte kürzt. Insofern Clarks Zuweisung der Handschrift an die Freiburger Klarissen zutreffend ist, 143 deren Gemeinschaft sich spätestens in den 50er Jah- 142 Der Textverlauf in d weicht hier leicht ab, vgl. die Ausführungen auf S. 394. 143 Vgl. die Ausführungen in der Handschriftenbeschreibung, S. 248. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 384 ren des 15. Jahrhunderts der strengen Observanz anschloß, 144 ist die Redaktion wohl in der Reformtheologie des 15. Jahrhunderts begründet: Die Konzentration der Kürzungen auf jene Textpassagen, die von ekstatischem und mystischem ‚Erleben‘ berichten oder ein Leben in der Klostergemeinschaft problematisieren, bezeugt nicht allein den Gebrauchszusammenhang des Codexes in einem Konvent, sondern auch eine Verschiebung des Konzepts von Heiligkeit. Die in der Reformtheologie propagierte Spiritualität zielt nicht auf eine individuelle Gottesbegegnung, sondern will eine in den christlichen Tugenden grundgelegte, durch die geistlichen Aufgaben des Konvents regulierte und in diesen aufgehende Lebensform als vorbildlich präsentieren. 145 Zugleich dokumentiert die in SG 955 vorgenommene Konzentration der ‚Viten‘ der Gottesfreunde auf die Ermahnung zur Weltflucht einen Textgebrauch, der das ‚b ch von den fúnf mannen‘ nicht als historiographischen Bericht über eine geistliche Gemeinschaft, sondern als Exempelsammlung interpretiert, deren spirituelles Spektrum und didaktisches Potential dem jeweiligen Gebrauchszusammenhang und dessen Konzept eines vorbildlichen Lebens angepaßt werden kann. Auch die Form der Textgliederung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ demonstriert seine Integration in unterschiedliche Handschriftenkonzepte und so wiederholen sich in der Straßburger Überlieferung die verschiedenartigen Formen der Textstrukturierung, die von der ‚Vita‘ Merswins bekannt sind: Wie beim ‚b ch von den vier ioren‘ bietet die in B tradierte Version des ‚Fünfmannenbuchs‘ keine Kapiteleinteilung, sondern markiert Sinnabschnitte innerhalb des Textverlaufs durch wiederkehrende Formulierungen. So lautet der erste Satz jeder Erzähleinheit, die sich einem der Gottesfreunde widmet: n van dem [...] br der, während der Schluß der Sinnabschnitte - in nur leichter Variation - wie folgt markiert wird: n dis van vnserme [...] br der. Demgegenüber versehen d, D 146 und F die sieben Erzähleinheiten des ‚b ch von den fúnf mannen‘ mit detaillierteren Kapitelüberschriften, die - bis auf die in F fehlende Numerierung - fast wörtlich übereinstimmen und den Text in die Schreibeinheit der Sammelhandschrift integrieren. 147 Obwohl die Straßburger Handschriften folglich in der Form differieren, stimmen sie in der Gliederung des Textes überein. Die St. Galler Handschrift schließlich entspricht in Gliederung und Bezeichnung der Kapitel in weiten Teilen der Überlieferung der ‚Pflegermemoriale‘ (d; D) und der ‚Erweiterten Pflegermemoriale‘ (E; F), weist jedoch ab dem fünften Kapitel eine Besonderheit auf, da mit dem kurzen Abschnitt über den Koch die Perspektive der Rubrizierung wechselt: Während der Text der Kapitelüberschriften bisher stets aus einer heterodiegetischen Perspektive verfaßt wurde, der Haupttext aber aus homodiegetischer Sicht berichtete, sind nun auch die Überschriften aus dem Blickwinkel der Gemeinschaft formuliert: Dis seit von k ner, v n s e r e n koche, wie der ob 144 Vgl. Thomas Lentes, Gebetbuch und Gebärde, Bd. 1, S. 241. 145 Vgl. für eine genauere Analyse der Bearbeitungsformen im Rahmen der Observanzbewegung Kapitel 4.4.2.2. 146 Die Übereinstimmung der Kapitelgliederung in D mit der Einteilung im ‚Pflegermemorial‘ d und in F ist auch für das ‚b ch von den fúnf mannen‘ nur zu erkennen, wenn das Inhaltsverzeichnis des Codexes in die Analyse einbezogen wird, da ausschließlich hier die ausführlichen Kapitelüberschriften gegeben werden. 147 Vgl. die Charakterisierung der Handschriftenkonzepte in Kapitel 3.2, S. 336f. Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 385 eime hafen mit m se by dem f re von im selber kam vnd verzucket wart (S. 339) und - nochmals deutlicher - N n schribe i c h uich von r precht, v n s e r e m diener, der ouch ein lieber gottes diener gewesen (S. 343). Dem letzten Kapitel schließlich fehlt jegliche Art von Überschrift. Obwohl die St. Galler Handschrift mit der Formulierung der Kapitelüberschriften folglich dem Textverlauf in d, D und F nähersteht als dem des ‚Briefbuches‘ (B), entspricht der Blickwinkel, aus dem die Rubrizierung des fünften und sechsten Kapitels vorgenommen wurde, der Perspektive des sog. ‚Autographs‘, dem jegliche Kapiteleinteilung fehlt. Dieser widersprüchliche textkritische Befund läßt sich mit zwei Vorstellungen der Textgenese vereinbaren: 1. SG 955 kopiert die Überschriften unverändert aus einer nicht tradierten Vorlage; 2. die St. Galler Handschrift greift in den Textverlauf ein, indem sie den Standpunkt der Rubriken zum Geschehen der Diegese verändert: Ob die Transformation dabei von homodiegetischer zu heterodiegetischer oder, falls die Fassungen in den ‚Pflegermemorialen‘ (d; D) vorlagen, umgekehrt vorgenommen wurde, ist textkritisch nicht zu entscheiden. 148 Während die Bearbeitung der St. Galler Handschrift bereits auf der Ebene des Textbestandes deutlich wurde, erlaubt erst die Analyse der Textdifferenzen eine weitere Differenzierung innerhalb der Überlieferungsträger, die auf dem ‚Grünen Wörth‘ entstanden. Entsprechend der Tradierung des ‚b ch von den vier ioren‘ tritt das in B integrierte ‚Autograph‘ auch hier den anderen Handschriften gegenüber. Trotz der jeweils spezifischen, noch zu diskutierenden Ausgestaltung des Textes in d, D, F und SG 955 gehören die genannten Manuskripte einer übereinstimmenden Textversion an, die aufgrund der Dominanz quantitativer Unterschiede zum ‚Autograph‘ als kürzere Redaktion des ‚b ch von den fúnf mannen‘ bezeichnet werden kann. 149 Das definitorische Merkmal der Redaktion - ein Unterschied im Textbestand - tritt (im Gegensatz zu der bereits analysierten Version in SG 955) erst auf der Mikroebene 148 Eine Veränderung der Perspektive wird an einer Stelle auch im Verlauf des Haupttextes vorgenommen, wie folgende Verbesserung erkennen läßt: so s llent ir wissen, das ich nuit weinen wenne die trehen, die also gúetlich also lachende von (ime gestrichen) mir fliesende sint (S. 282). Ob es sich bei diesem Wechsel von der heterodiegetischen zur homodiegetischen Perspektive um eine Bearbeitung der Vorlage handelt oder um einen schlichten Abschreibefehler, ist aufgrund des unikalen Auftretens dieses Eingriffs nicht zu erschließen. 149 Die Alleinstellung des ‚Briefbuches‘ gegenüber den anderen Überlieferungsträgern aufgrund charakteristischer Fehler ist für den Nachweis einer gemeinsamen Version der weiteren Textzeugen nur von begrenztem Aussagewert, da dies auch durch eine unabhängige Korrektur erklärt werden kann. So ergänzen die späteren Überlieferungsträger mehrmals ein im Textverlauf des ‚Briefbuches‘ fehlendes Verb: In B ist z.B. die flektierte Form von hân in folgendem perfektivem Prädikat entfallen: n s llent ir ch wissen, das got dieseme selban br der in diesan zweigan h ndern joran also gar vsser mossan vil g ttas geton, das vnsprachliche ist (B, Bl. 4 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 32, Z. 29-32); d (Bl. 35 r ), D (Bl. 62 r ), F (Bl. 47 r ) und SG 955 (S. 280) jedoch tradieren ein vollwertiges Verb: geton het. Auch heißt es in ‚Pflegermemorialen‘ (d, Bl. 37 v ; D, Bl. 66 r ), ‚Erweitertem Pflegermemorial‘ (F, Bl. 50 r ) und der St. Galler Handschrift 955 (S. 291) übereinstimmend: das wip hette in dem tage ein b tte mit kalteme wasser g e t o n in die kammer setzen, während dem postulierten Autograph das Partizip Präteritum fehlt (B, Bl. 5 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 38, Z. 6). Im ‚Briefbuch‘ nicht enthaltene Subjekte sind in den anderen Handschriften - zumeist in der Form eines Personalpronomens - tradiert. So wird ein in Handschrift H 2185 (B, Bl. 6 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 42, Z. 7-9) nicht verzeichneter Subjektwechsel zwischen dem Gottesfreund und dem Ehemann in den übrigen Handschriften markiert: vnd ich hies in gar fruntliche wilkommen sin [...] vnd e r h p z stunde ane (d, Bl. 39 r ; D, Bl. 69 r ; F, Bl. 52 v ; SG 955, S. 299). Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 386 des Textes ein, d.h., die den Manuskripten d, D, F und SG 955 gemeinsamen Kürzungen werden nicht durch den Verlust größerer Textpassagen, sondern durch Einzelwortausfälle bzw. Ellipsen von Teilsätzen erreicht. Die gegenüber der ‚autographen‘ Version vorgenommenen Auslassungen treten dabei nicht ad libitum im Textverlauf auf, sind vielmehr als systematische und regelmäßige Kürzungen zu charakterisieren, die sich auf zwei typische Textphänomene der ins ‚Briefbuch‘ integrierten Textform konzentrieren: Der Textverlauf des Einschubs in B ist durch wörtliche Wiederaufnahmen einzelner Satzglieder gekennzeichnet, die in ihrem kontemplativen Gestus die sprachreflexive Auseinandersetzung um adäquate Begrifflichkeit mystischer Literatur nachempfinden und so die Teilhabe des Rezipienten an der Verfertigung des Textes, an einer ersten Niederschrift, suggerieren. Diesen pleonastischen Elementen wird von den späteren Überlieferungsträgern dabei offensichtlich keine narrative Funktion zugeschrieben, da sie auf die redundanten Textteile vollständig verzichten, wie folgende Beispiele illustrieren mögen: B d D F SG 955 n lase ich ch wissan van dem ersten br der. der selba ersta br der, d a l a s a i c h c h w i s s a n , das der van g gent vf sich gar gresliche vnd gar strenclicha in dem liddende vnsers heren gevebet hat (Bl. 4 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 30, Z. 7-11) N losse ich úch wissen von dem ersten br dere. Der selbe erste br der was sich von iugent uf gar gr sliche vnd gar strengliche in dem lidende vnsers herren bende (Bl. 34 r ) N laß ich úch wissen von dem ersten br der. Der selb was von jugent vff sich gr ßlich vnd strenglich bende in dem lyden vnsers herren (Bl. 60 r ) Nun lasse ich euch wissen von dem Ersten Bruder. Der selbe Erste Br der was sich von jugend auff gar grössliche vnnd gar strengkliche in dem Leidende vnsers herren vbende (Bl. 45 v ) Nun los ich wúch wise von dem ersten br der. der selbe erste br der vas sich von jugent wf gar groseliche vnd gar strengliche in dem liden wnsers heren webende (S. 274) vnd was die gnode obbe dem altar also gar gros, das er van imme selber kam, v n d w a r t i m m e s e l b a r a l z m o l e b e n m e n vnd wart vir z ket, das er van der zit n t woste (Bl. 6 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 48, Z. 26-29) vnd was die gnode obe dem altar alse gar gros, das er von ime selben kam, vnd wart verzucket, das er von diser zit n t enwuste (Bl. 41 v ) Vnd was die genade ob dem altar also groß, das er von im selber kam, vnd wart verzuckt, das er von diser zit nit enwissete (Bl. 74 r ) vnd was die gnade ob dem altar alse gar groß, das Er von Ime selber kham, vnnd wardt verzucket, das Er von diser Zeit nit wuste (Bl. 56 v ) vnd was die gnode ob dem alter gar gros, das er von ime selber kam, vnd wart verzuket, das er von diser zit nút en wust (S. 311) Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 387 vnd do der priester vnsern heren herwidder abbe lies, a l l e d i e w i l l e , d a s e r i n h e r w i d d e r a b b e l i e , do sach er, das der dotte, vir wndete man an dem crvze widder in die cleine felotte gonde was (Bl. 8 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 63, Z. 10-13) Vnd do der priester vnsern herren her wider abe lies, so sach er, das der tote, verwundete man andem cr tze wider in die cleine offlotte gonde was (Bl. 47 v ) Vnd do der priester vnsern herren wider her abe ließ, Do sach er, das der tote, verwundte man an dem crútze wider in die kleine ofelate ging (Bl. 86 r ) vnd da der priester vnsern Lieben herren wider abe Ließ, da sach er, das der totte, verwundte man an dem kreitz wider in die kleine Offlatten gonde was (Bl. 66 r ) vnd do der priester wnsern herren her wider nider lies, do sacher er, das der tote (verwundete nachgetragen) man wider in die cleine oflate gonde was (S. 330) Wie bereits in der ‚autographen‘ Fassung des ‚b ch von den vier ioren‘ wird auch in der in B eingelegten Textversion der ‚Vita‘ des Gottesfreundes die formelhafte Wendung do es beschach wiederholt eingesetzt, 150 um die Ereignishaftigkeit des Geschehens herauszustellen, während die anderen Textzeugen auf die Markierung des inchoativen Charakters des Erzählten verzichten, wie z.B.: 151 B d D F SG 955 n b e s c h a c h e s z st nt, do er diesa redde getet vnd es das wip gehorte, was siner meinvnge was, do wart si z st nt gar Vnd z stunt, do er dise rede getet vnd es das wip erh rte, was sinre meinunge was, Do wart s z stunt gar usser mossen Vnd z stunt, do er dise rede getet vnd das wip horte, was sin meynung was, Do wart sy gar vsser massen zornig (Bl. 65 v ) Vnnd zu stund, da er dise red gethett vnd es daß weib erhorte, was seiner me nung was, da ward s zu stund auß der massen vnd z stunt, do er dise rede getet vnd es das wip erhorte, vas siner meinug was, Do war sui z st nt gar wsser mossen zornig 150 Wie im ‚b ch von den vier ioren‘ nutzt auch die ‚Vita‘ des Gottesfreundes dieses Kolon, um Temporal-, Substantiv- und Konditionalsätze einzuleiten (vgl. Werner Cordes, Der zusammengesetzte Satz, S. 38, 96, 147f.); die Kürzung beschränkt sich jedoch auf die ersten beiden Satztypen. 151 Die Ellipse semantisch leerer, formelhafter Wendungen in den ‚Pflegermemorialen‘ und ihren erweiterten Fassungen sowie der Handschrift aus St. Gallen beschränkt sich jedoch nicht auf diesen Teilsatz - auch wenn sie hier am regelmäßigsten durchgeführt wurde. Mehrfach wird z.B. auch die relativierende Formulierung odder wie das sigge in d, D, F und SG 955 nicht tradiert, z.B.: B d D F SG 955 die kard ser, das sint gar heillige, g te l te, w i e d a s s i g g e , noch dan so nemme ich n t gros irdens g t, das er ein jor bi in wonnen svlta (Bl. 4 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 33, Z. 9-12) Die kart ser, das sint gar g te, heilige l te, noch danne so nemme ich n t gros irdensch g t, das er ein ior bi in wonen solte (Bl. 35 v ) Die carthúser sint heilige lúte, dannoch n me ich nit groß g t, das er ein ior by in wonen solt (Bl. 62 v ) Die karteüser, das seind gute, he lige Leuth; noch denocht so neme ich nit groß Irdisch gut, das er ein Jar be inen wandlen sollte (Bl. 47 v ) die kartuiser sint gar g t, heilige luite, noch denme so neme ich [281] Nút gros irdensch g t, das er ein Jor bý in wonen solte (S. 280f.) Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 388 vsser mosan zornig (Bl. 5 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 37, Z. 18-21) zornig (Bl. 37 r ) zornig (Bl. 50 r ) (S. 289) w a n n e e s n b e s c h i h t , das dv dich alsvs gelidigest, wanne dv dan wilt, so welle wir dich dan gerne z eime br der nemmen (Bl. 6 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 48, Z. 10-12) wenne du dich n alsus gelidigest vnd du denne wilt, so wellent wir dich denne gerne in vnsere geselleschaft z eime br der nemmen (Bl. 41 v ) wenn du dich n alsus geliddigst vnd du denn wilt, so wöllent wir dich gern in vnser gesellschafft z eim br der nemen (Bl. 73 v ) Wanne nun du dich allso geledigst Vnnd du danne willt, so wöllen wir dich dann gern in vnser geselschafft zu einem Bruder nemmen (Bl. 56 v ) wenne du dich och alsus gelidigest vnd du den wilt, so wellen wir dich denne gern in wnser gesselschaft z eime br der nemmen (S. 310) v n d w a n e s d a n b e s c h a c h , das in got widder z imme selber lies, so wart er s fzende (Bl. 6 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 49, Z. 4f.) Vnd wenne in denne got wider z ime selber lies, so wart er s ftzende (41 v ) vnd wenn yn dann got wider z im selbß ließ, so wart er súffzende (74 v ) Vnnd wenne in den Gott wider zu Ime selber Ließ, so ward Er svfftzende (57 r ) vnd wen In got selber wider z im selber lies, so wart er súfzende (S. 311) Das in der Tilgung von Wiederholungsfiguren erkennbare Ziel der redaktionellen Bearbeitung in d, D, F und SG 955 - die Erstellung einer kürzeren, prägnanteren Textform - scheint auch fast alle Textdifferenzen zu motivieren, die die Ebene der Formulierungen betreffen, wie etwa: 152 B d D F SG 955 wanne dv es dan also lange geliedest, also es got selber gestattet vnd ch habban wil, n wissest, liddest d v d i c h a l s v s h i e d v r c h v n z e a n d i e s t n d e , d a s e s z i t w r t , d i e z i t g o t w o l w e i s , s a w i s s e s t , so wil ich vnsers heren vnd vnsers gottes wenne du es denne also lange gelidest, alse es got selber gestattet vnd haben wil, v n d s o e r d e n n e w e i s , d a s e s z i t i s t , so wil ich vnsers herren vnd vnsers gottes b rge gegen dir sin, das er dir denne von allen dinen arbeiten hilfet z g r o s s e m f r i d e n (Bl. 39 v ) Wenn du es denn also lange gelydest, als es got selber gestattet vnd haben wil, V n d e r d e n n w e i ß , d a s e s z i t i s t , So wil ich vnsers herren búrge sin gegen dir, Das er dir dann von allen dinen arbeiten hilffet z g r o s s e m f r i d d e n (Bl. 70 r ) wanne du es dann allso Lange lidest, als es Gott selber gestatten vnnd haben will, v n n d s o e r d e n w e i ß t [sic! ], d a s e s Z e i t i s t , so will ich [54 r ] vnses [sic! ] herren vnnd vnsers Gotteß Bürge gegen dir sein, Das er dir denne von allen deinen arbeiten wenne du es also lange gelidest, also es got selber gestatet vnd haben wil v n d s o e r d e n n e w e i s , d a s e s z i t i s t , so wil ich wnsers herren vnd wnsers gottes buirge gesin, das er dir denne von allen dinen arbeiten hilfet z g r o s e m f r i d e n (S. 302) 152 Zur bereits in dieser Tabelle erkennbaren Tendenz der Handschrift D, nochmals kürzend in den Textverlauf der gekürzten Version einzugreifen, vgl. unten S. 395-404. Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 389 b rge gegen dir sin, also das er dir dan van allen dienen erbeiten hilfet v n d d i r z g r o s e n f r i d d e n h i l f e t (Bl. 6 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 43, Z. 27-34) hülffet z u g r o s s e m f r d e n (Bl. 53 v / 54 r ) abbar dv m st e mit groseme erneste besorgan, w i e d a s d v g e t s t , das dv dis grose irdersche g t, das got vffe dich geworfan hat, w i e d a s d v d e m g e t h s t , a l s o d a s e s b e s t e l l e t v n d b e s o r g e t w e r d e , a l s o d a s e s a l l e s i n d i e e r e g o t t e s w i d d e r v m b e k m e (Bl. 6 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 47, Z. 13-18) Aber du m st e mit grosseme erneste besorgen, das du das grosse irdensche g t, das got uffe dich geworfen het, i n d i e e r e g o t t e s o r d e n s t v n d b e w e n d e s t (Bl. 41 r ) Aber du m st E mit grossem ernst besorgen, Das du das groß Irdensch g t, das got vff dich geworffen hat, i n d i e e r e g o t t e s o r d e n s t v n d b e w e n d e s t (Bl. 73 r ) Aber du muost Ehe mit grossem Ernst besorgen, das du das grosse Irdische g t, das Gott auffe dich geworffen hatt, I n d i e E h r e G o t t e ß O r d e n s t v n n d b e w e n d e s t (Bl. 56 r ) aber du m st E mit grossem ernste besorgen, das du das grosse irdesche g t, das got wf dich geworfen hat, i n d i e e r e g o t t e s o r d n e s t v n d b e w e n d e s t (S. 309) also wart dir j de z rotta, das er ging z siema sch he macher, der do was ein g ter, armer criston man, dem dir selba j de fil g tes geton hatte, bedda mit lihhende vnd ch mit gebbenda. a l s o b e s c h a c h e s , d a s d i r s e l b a j d e a n e i m e o b b e n d e g a r h e i m m e l l i c h e g i n g z s i m e Alse wart dirre iude zu rote, das er ging z sime sch hemacher, der do was ein guter, armer cristen man, dem dirre selbe iude vil g tes geton hette, mit lihende vnd ouch mit gebende. Vnd er sprach z ime gar heimeliche an einem obende spote, wanne er gar nohe bi ime gesessen was: Ich wolte ettewas heimeliches mit Also wart diser Judde z rote, das er ging z sinem sch macher, der was ein g ter, armer cristen man, Dem diser judde vil g tes geton hett, mit lyhen vnd mit geben. Vnd sprach z im heimlich an eim obend spote, dann er nohe by im gesessen was: Ich wolt ettwas heimlichs mit dir reden (Bl. 85 v ) Also ward der Jude zu rhat, das Er gieng zu seim schuchmacher, der was Ein guter, armer Christen man, dem der selbe Jud vil gutes gethan hette, mit Lihende vnnd mit gebende. Vnnd er sprach zu ime gar heimliche an einem abende spatte, da Er nahe be Ime gesessen was: Ich wollte ettwas heimliche also wart dire Jude z rote, das er gieng z sime sch hemacher, der do was ein g ter, armer cristen man, dem der selbe Jude wil g tes geton het, [329] Mit lihen vnd och mit geben. vnd er sprach z ime an einem obent spote, wen er gar nohe bý im gessessen was: Ich wolte etwas heimlich mit dir reden Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 390 s c h h e m a c h e r , wanne er gar nohe bi imme gesessan was, vnd sprach z dem sch he macher: i c h b i t t e d i c h , ich wolte ettewas heimmelliches mit dir reden (Bl. 8 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 62, Z. 7-16) dir reden (Bl. 47 r ) mit dir Reden (Bl. 65 v ) (S. 328f.) Obwohl die Textzeugen d, D, F und SG 955 folglich vornehmlich durch das Bemühen um eine Textreduktion zu charakterisieren sind, lassen sich nicht alle Textphänomene, die die kürzere Redaktion vom ‚Autograph‘ trennen, auf dieses Prinzip zurückführen. Während der regelmäßige Ersatz des in B präferierten Zeitadverbs n durch die Konjunktion vnd 153 ebenso wie die Transponierung der periphrastischen in die einfache Verbflexion 154 aus der Bearbeitung des ‚b ch von den vier ioren‘ für ‚Pfleger‘- und ‚Erweiterte Pflegermemoriale‘ bekannt ist und für den Traktat des Gottesfreundes (so zeigt die wenig konsequente Durchführung der Substitutionen) nicht durch unterschiedliche textuelle Konstitutionsprinzipen (evidentia vs. perspicuitas), sondern durch divergierende Stilideale zu erklären ist, sind die d, D, F und SG 955 gemeinsamen Zusätze nicht im redaktionellen Bearbeitungsprozeß begründet, belegen aber die enge Zusammengehörigkeit der Handschriften, da sie weder semantisch noch grammatikalisch notwendig sind, wie die folgenden Beispiele zeigen: B d D F SG 955 do beschach es eins sammestages obbe dem dissche, da wir wol halbes gessan hattent, das er wart vs schriggende (Bl. 7 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 54, Z. 34-36) do beschach es d a r n a c h eins samestages obe tische, do wir wol h [sic! ] halber gessen hettent, das er wart us schrigende (Bl. 44 r ) Do beschach es d a r n a c h eins samstags ob tische, do wir wol halber geessen hatten, Do wart er mit einer grossen, luten stymme vßschryende (Bl. 79 r ) da beschach es d a r n a c h Eines Sambstages ob Tisch, da wir wol halber gessen hetten, das Er was außschre ende (Bl. 60 v ) do beschach es d a r n o c h eins samstages obe tische, do wir vol halber gessin hetten, das er wart wz srigende (S. 319) 153 Vgl. z.B.: B, Bl. 4 v (Strauch 1927b [ATB 23], S. 35, Z. 4-6) vs. d, Bl. 36 r ; D, Bl. 64 r ; F, Bl. 48 v ; SG 955, S. 284f.; B, Bl. 5 r (Strauch 1927b [ATB 23], S. 35, Z. 16f.) vs. d, Bl. 36 r ; D, Bl. 64 r ; F, Bl. 48 v ; SG 955, S. 285; B, Bl. 5 v (Strauch 1927b [ATB 23], S. 39, Z. 33-S. 40, Z. 1) vs. d, Bl. 38 r ; D, Bl. 67 r , F, Bl. 51 r ; SG 955, S. 294f.; B, Bl. 5 v (Strauch 1927b [ATB 23], S. 40, Z. 6-8) vs. d, Bl. 38 r ; D, Bl. 67 v ; F, Bl. 51 v ; SG 955, S. 295; B, Bl. 5 v (Strauch 1927b [ATB 23], S. 40, Z. 30-32) vs. d, Bl. 38 v ; D, Bl. 68 r ; F, Bl. 51 v , SG 955, S. 296; B, Bl. 8 r (Strauch 1927b [ATB 23], S. 56, Z. 26-28) vs. d, Bl. 44 v ; D, Bl. 80 v ; F, Bl. 62 r , SG 955 Ausfall. 154 Vgl. z.B.: B, Bl. 5 r (Strauch 1927b [ATB 23], S. 35, Z. 29-33) vs. d, Bl. 36 v ; D, Bl. 64 v ; F, Bl. 49 r , SG 955, S. 286; B, Bl. 9 r (Strauch 1927b [ATB 23], S. 67, Z. 1-4) vs. d, Bl. 49 r ; D, Bl. 89 r ; F, Bl. 68 v , SG 955, S. 336. Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 391 do bef nde wir also gar grose minne in imme z dem heilligen sackermente (Bl. 9 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 68, Z. 22-24) do befundent wir alse gar grosse minne in ime, d i e e r h e t t e z dem heiligen sacramente (Bl. 49 v ) do befunden wir grosse mynne in Im, d i e e r h e t t z dem heilgen sacrament (Bl. 90 r ) da befunden wir alle grosse Liebe in Ime, d i e E r h e t t e zu dem hailigen sacrament (Bl. 69 v ) do bewnden wir also gar grosse minne in ime, d i e e r h e t t e z dem heiligen sackrmente (S. 340) so sprichet er: vnd dette ich ch also, wer wolte dan die ding vs rihten vnd vir sorgan? (Bl. 9 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 70, Z. 9-11) So [50 v ] sprichet er: vnd tete ich ouch alse e r , wer wolte denne die ding us rihten vnd versorgen? (Bl. 50 rv ) So spricht er: T te ich als e r , wer wolt denn die dinge versorgen? (Bl. 91 v ) So sprichet er: vnd thett ich auch alß E r , wer wollte dann die ding verrichten vnd ver sehen? (Bl. 70 v ) so sprichet er: vnd dette ich ouch also e r , wer [344] wolte denne die ding was [sic! ] richten vnd versorgen? (S. 343f.) her [10 r ]vmba so wil ich etthewas, doch mit k rczen worten, van mir selber schribban (Bl. 9 v / 10 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 70, Z. 31f.) Har vmb so wil ich c h ettewas, doch mit gar kurtzen worten, von mir selber schriben (Bl. 50 v ) har vmb wil ich ú c h ettwas, doch mit kurtzen worten, von mir selber schriben (Bl. 92 r ) harumb so will ich e u c h ettwas, doch mit gar kurtzen worten, von mir selber schre ben (Bl. 71 r ) har vmb so wil ich ú c h doch etwas, doch mit gar kurczen worten, von min selber schriben (S. 345) Der textkritische Vergleich der beiden Versionen des ‚b ch von den fúnf mannen‘ ermöglicht zwei Schlußfolgerungen: Trotz der zu verzeichnenden Parallelen zum Tradierungsprozeß des ‚b ch von den vier ioren‘ (Vermeidung von Wiederholungen, Paraphrase der Formulierung do es beschach, Austausch des Zeitadverbs n und Substitution periphrastischer Verbformen) und der daraus ableitbaren Unterwerfung der einzelnen Texte unter die für den jeweiligen Codex spezifischen Stilprinzipien, unterscheidet sich die Textvarianz in der religiösen ‚Lebensbeschreibung‘ Merswins kategorial von den gerade diskutierten Differenzen. Die schon rein quantitativ meßbare Ungleichheit der Varianz - die Abweichungen in der Überlieferung der Stiftervita sind weitaus zahlreicher - ist dabei äußeres Indiz des unterschiedlichen Status der Textdifferenzen: Ist die Varianz des ‚b ch von den vier ioren‘ unterschiedlichen Wirkabsichten geschuldet, die in zwei differierenden Textrealisierungen resultieren und sich auf allen konstitutiven Ebenen des Textes artikulieren, bleibt die Diskrepanz der beiden Redaktionen der ‚Fünfmannen‘ auf die Textoberfläche, auf die stilistische Ausgestaltung, beschränkt: Die kürzere Redaktion weicht von der ‚autographen‘ Version durch ihre stärkere Tendenz zur abbreviatio ab, wobei die thematische Reduktion rein formal durch Ellipsen erreicht wird, die im ‚b ch von den vier ioren‘ erkennbare Retextualisierung allenfalls in Ansätzen erkennbar ist. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 392 Textgenetische Aussagen erlauben die beiden Redaktionen nur bedingt. Die von Rieder aufgrund der für B charakteristischen „künstlich angefertigte[n] Erweiterung“ 155 behauptete „unursprünglichkeit“ des ‚Autographs‘ 156 erscheint jedoch weniger plausibel als eine Ableitung der ‚Pflegermemoriale‘ (d; D) aus der ‚eigenhändigen‘ Handschrift, 157 da den Erweiterungen im ‚Briefbuch‘ keine Funktion für eine nachträgliche Fälschung zugeschrieben werden kann, 158 eine kürzende Bearbeitung des ‚Autographs‘ jedoch bereits im Begleitbrief des Gottesfreundes suggeriert wird, wenn er für die erbetene Abschrift des ‚b ch‘ ausführt: der es noch schriben sol der m s d e r s i n n e warnemen (B, Bl. 3 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 29, Z. 14f.; Hervorhebung d.V.), d.h. Eingriffe in den Text nicht nur gestattet, sondern ausdrücklich fordert. Die Entstehungszeit der Handschriften d (1393-1399), D (vor 1467), F (1. H. 16. Jh.) und SG 955 (15. Jh.), die ihnen gemeinsame Redaktion sowie die übereinstimmenden Zusätze der Codices lassen einen zweistufigen Entstehungsprozeß der Überlieferungsträger vermuten: Auf der Grundlage des ‚Autographs‘ in B wurde für die drei Pflegermemoriale eine kürzende Redaktion des ‚b ch von den fúnf mannen‘ erstellt, von der wir in d noch einen Textzeugen besitzen und deren Textversion alle weiteren Überlieferungsträger folgen: B *d d D F SG 955 159 Diese allein aufgrund der Unterschiede zwischen den beiden Textversionen erstellte Skizze des Überlieferungsweges des ‚b ch von den fúnf mannen‘ kann durch zwei Ergebnisse einer detaillierten textkritischen Untersuchung konkretisiert werden. Zwei Grammatikfehler erweisen die Verwandtschaft aller tradierten Manuskripte: Zum einen beruhen die unterschiedlichen Formulierungen eines Prädikats auf dessen analytischer Bildung. Wird das Partizip Präteritum, welches erläutert, daß der 155 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 175. 156 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 128. 157 Die Tatsache, daß es sich beim ‚Autograph‘ offensichtlich um eine Abschrift handelt, spricht nicht gegen diese Annahme, da man von einer Reinschrift eines Konzeptes ausgehen kann, auch wenn dies im Begleitbrief des Gottesfreundes nicht erwähnt wird. Die Einlage im ‚Briefbuch‘ weist eine Doppelung auf, die nur als Abschreibefehler zu erklären ist; auf Bl. 5 r (Strauch 1927b [ATB 23], S. 35, Z. 22f. und Anm.) heißt es: wanne er n t woste, wie er d n solta odder wie er d n solte. Strauch vermutet: „Vielleicht hiess es ursprünglich was (so SGallen [S. 285]) er d. s. odder wie er d. s.“ (ibid., S. 35, Anm. zu Z. 23). 158 Auch Rieder scheint sich über die Funktion der von ihm behaupteten Erweiterungen nicht im klaren, wenn er ausführt, die „eigentliche Abweichung der Texte“ beginne „erst gegen die M i t t e jeden Kapitels“, und dies als „schlaue Berechnung“ bewertet, „um äußerlich die Nichtübereinstimmung zu verdecken“ (Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 175, Anm. 1; Hervorhebung im Original). Warum das ‚Autograph‘ jedoch keine schlichte Kopie der Version der ‚Pflegermemoriale‘ bietet, diskutiert Rieder nicht. 159 Die gepunktete Verbindungslinie zwischen B und der Vorlage der Kurzredaktion *d soll verdeutlichen, daß alle erhaltenen Handschriften zwar von B ihren Ausgang nehmen, jedoch eine andere Textredaktion bieten als die im ‚Briefbuch‘ tradierte. Das Verhältnis der jüngeren Überlieferungsträger D, F und SG 955 zu *d bedarf dabei noch einer genaueren Klärung, was durch die gestrichelte Verbindungslinie markiert werden soll (vgl. die Ausführungen weiter unten, S. 395-410). Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 393 zweite Bruder nach seiner Weihe nur vier Messen gelesen hatte, bevor er verzückt wurde, in B (Bl. 6 v ), d (Bl. 41 v ) und SG 955 (S. 311) mit der flektierten Verbform kontrahiert, lösen D (Bl. 74 r ) und F (Bl. 56 v ) den hier vorhandenen grammatischen Fehler auf, ohne die semantische Unschärfe zu beseitigen: vnd do er n went fier messen g e h a t t e , in der f nfthen messen wart, do kam der barmherzige got (B, Bl. 6 v ; d, Bl. 41 v ; D, Bl. 74 r [hett gehebt]; F, Bl. 56 v [gehabtt hette], SG 955, S. 311 [het]; Strauch 1927b [ATB 23], S. 48, Z. 23-25 und Anm.: „lies gesprochen hatte? “). Zum anderen zeichnen sich B, d, F und SG 955 durch eine fehlende Markierung eines Subjektwechsels aus, wenn sie über eine dem Domherrn zuteil gewordene unio mystica berichten: also sas er vnze an den obbent, also das er sich also wening regete noch sins ottemen also wening gewar wrdent (B, Bl. 7 v ; d, Bl. 44 r ; F, Bl. 60 v / 61 r ; SG 955, S. 319f.; Strauch 1927b [ATB 23], S. 55, Z. 5-7). Bei seiner im 15. Jahrhundert erstellten Abschrift eines ‚Pflegermemorials‘ korrigiert Schmalriem die Inkongruenz zwischen dem Subjekt des Nebensatzes und der durch die Konjunktion noch angereihten Verbalphrase, indem er im zweiten Glied des Konsekutivsatzes das Personalpronomen wir ergänzt (D, Bl. 79 rv ). Machen es die allen Codices gemeinsamen Fehler bzw. auf diesen beruhende Korrekturen wahrscheinlich, daß die Überlieferung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ ihren Ausgang vom ‚Autograph‘ nahm, verdeutlicht die d, D, F und SG 955 gemeinsame Redaktion des Textes, daß die Handschriften auch jenseits ihres Ursprungs in B miteinander verwandt sind. Die naheliegende Schlußfolgerung - bei D, F und SG 955 handele es sich um direkte Abschriften aus d - verbietet sich jedoch aufgrund der d genuinen Textvarianz. 160 Vor allem die in d vorhandenen Ausfälle gegenüber der ‚autographen‘ Version, die D, F und SG 955 nicht teilen, zeigen, daß den Manuskripten wahrscheinlich eine andere Vorlage zugrundegelegen haben muß, da es sich bei den 160 Abgesehen von den im folgenden diskutierten Textausfällen, weist d im Vergleich zu den anderen Handschriften nur wenige eigenständige Textdifferenzen auf, die zudem auf Einzelwortvarianz beschränkt bleiben. An zwei Textstellen verwendet das ‚Pflegermemorial‘ eine andere Präposition als die weiteren Überlieferungsträger: Mit B (Bl. 5 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 38, Z. 19) heißt es in D (Bl. 66 r ), F (Bl. 50 v ) und SG 955 (S. 292): so m st dv alle naht ein alsollich lebban v a n mir habban, d.h., die Ehefrau wird als Verursacherin der Qual des zweiten Gottesfreundes identifiziert, während d neutraler formuliert (Bl. 37 v ): so m st du ein solich leben b i mir haben. Wahrscheinlich um die parallele Satzkonstruktion zu verdeutlichen, versichert der Gottesfreund gegenüber dem Ehemann in d, wenn er sich demütig in sein Leiden füge, m s dir [Gott] helfen u s allen dinen arbeiten vnd usser aller not (d, Bl. 39 v ), die anderen Handschriften lesen f a n allen dienan erbeiten (B, Bl. 6 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 43, Z. 32f.; D, Bl. 69 v ; F, Bl. 53 r ; SG 955, S. 301). Im weiteren tradiert d an einigen Textstellen andere Verben: Als die Gottesfreunde in d bemerken, daß die Absicht des weltwise[n] juriste[n], sich als Eremit zurückzuziehen, ein Ratschlag des Teufels sei, und sich daraufhin bittend an die Mutter Gottes wenden, konstruiert d in völligem Parallelismus: wir wurdent heimeliche mitteinander zu rote also, das wir vnser liebe frowe soltent ane r ffen vnd soltent s mit grosseme erneste bitten vnd soltent s ermanen, das er ir sun were vnd wir in hettent uffe s zu vns genommen, Vnd do von s o l t e n t wir s bitten, das s h lfe (Bl. 44 r ), während B (Bl. 7 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 54, Z. 24), D (Bl. 79 r ), F (Bl. 60 v ) und SG 955 (S. 319) die Reihung am Ende aufbrechen und soltent durch woltent ersetzen. In Einzelfällen können die Abweichungen des ‚Pflegermemorials‘ d von den anderen Handschriften auch als Verbesserungen von Abschreibefehlern erklärt werden. Auf Bl. 41 v war so zunächst das Prädikat des folgenden Hauptsatzes entfallen: vnd was du g tes mit dir bringest, das denne ouch fr liche armen l ten vnd den fr nden gottes (Bl. 41 v ), am Rand findet sich jedoch der Nachtrag teile, der offenbar ohne Einsicht in die Vorlage vorgenommen wurde, denn die restliche Überlieferung liest gip (B, Bl. 6 v ; D, Bl. 73 v ; F, Bl. 56 v ; SG 955, S. 310; Strauch 1927b [ATB 23], S. 48, Z. 6-8). Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 394 Ellipsen in d weder um grammatische noch semantische Fehler handelt und D, F und SG 955 den Text darüber hinaus auf die gleiche Weise ergänzen, und zwar dem Textverlauf im ‚Briefbuch‘ (B) entsprechend: d B D F SG 955 N beschach es z manigen ziten, so er ob alter stunt in der messen, das er verzucket wart, vnd werete der zug alse lange alse einre langen singenden messen lang (Bl. 41 v ) n beschach es imme z mannigen ziten, so er obbe altar st nt in der messen, das er fürz ket wart vnd das der z g also lange werte also einer langen singenden f r o n e messen lang (Bl. 6 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 48, Z. 36- S. 49, Z. 2) N beschach es z manigen ziten, so er in der messen ob altar stunt, das er verzuckt [74 v ] wart, Vnd w rte das einer singenden f r o n messen lang (Bl. 74 rv ) Nun beschach es Ime zu manigen Zeiten, so er Obe althar stundt in der messen, das Er verzuckt wurd, vnnd werete der Zug also Lang alß einer singenden f r o n messen Lang (Bl. 57 r ) nun beschach ez ime z manigen ziten, so er ob alter st nt In der messen, das er verzuket wart, vnd wert der zug also lange also einer langer f r o n messen lang (S. 311) Vnd do die messe us kam vnd vollebroht wart, do ging der iude wider heim in des sch hemachers hus, vnd er tet geswinde sine iuden cleider an vnd ging wider in sin hus (Bl. 47 v ) n do die messe vs was vnd folle broht wart, do ging dir j de b a l d e widder heim in des sch hemachers h s, vnd er det geswinde sine j den kleider w i d d e r an vnd ging widdar in sin h s (Bl. 9 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 63, Z. 20-22) Vnd do die messe vß kam, Do ging der judde b a l d e in des sch machers huß vnd tett sine judden kleider w i d e r an vnd ging in sin huß (Bl. 86 v ) Vnnd da die messe auß kham vnd volnbracht wardt, da gieng der Jud b a l d wider heim in deß schuchmachers hauß, vnnd er thett geschwind seine J denkleider w i d e r an vnnd gieng wider in sein hauß (Bl. 66 v ) vnd do die messe vz kam vnd volbrocht wart, do gieng der Jude b a l d wider [331] In des sch hemachers hus vnd det geswinde sin Juden cleider w i d e r an vnd gieng wider in sin hus (S. 330f.) N in der andern naht, do wart ime z verstonde geben (Bl. 48 r ) d o w a r t i m m e a b b a r i n d e m s c h l o f e f r g e h a b b e t vnd wart imme z vir stonde gebban (Bl. 9 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 64, Z. 7-9) N in der andern nacht, d o w a r t i m a b e r i n d e m s l o f f e f ú r g e h e h e b t vnd im z uerstonde gegeben (Bl. 87 r ) Nun in der anderen Nacht, d a w a r t I m e a b e r i n d e m s c h l a f f f u r g e h a b t vnd ward Ime zu verstonde [67 r ] geben (Bl. 66 v / 67 r ) nun in der andern nacht, d o w a r t i m i n d e m s l o f e f u i r [332] G e h e b e t vnd wart ime z verstonde geben (S. 331f.) vnde was verzucket, also das er in dise zit n t enwuste, vnd do er lange alse sas vnd n t rette, so haben wir ein kleivnd was vir z ket, also das er in diese zit n t woste, vnd do er lange also sas vnd n t rette v n d s i c h c h n t vnd verzuckt, Also das er in dise zit nit wissete, Vnd do er lange also saß vnd nit redte v n d s i c h n i t r e g vnnd was verzuckht, also das Er vmb dise zeit nit me wuste, Vnnd da er Lang also gesas vnnd nit vnd was verzuket, also das er in dise zit nút enwste vnd so er lange also gesas vnd nút enrette n o c h s i c h Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 395 nes, armes knebelin bi ime in der kuchin (Bl. 49 v ) r e g g e t e , so habbe wir ein kleines, armes knebelin bi imme in der k cin (Bl. 9 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 69, Z. 1-4) t e , So hant wir ein kleines, armes kn belin in der kúchen by ime (Bl. 90 v ) rette v n n d s i c h n i t r e g e t e , So haben wir ein kleines, armes kneblin be Ime in der kuchin (Bl. 69 v ) n ú t e n r e g e t e , s o haben wir ein cleines, armes knebelin by ime in der kuchen (S. 341) Die d, D, F und SG 955 gemeinsame Textversion kann folglich nicht durch eine direkte Kopie der jüngeren Textzeugen aus dem überlieferten ‚Pflegermemorial‘ (d) erklärt werden, vielmehr scheinen die vier Handschriften auf eine gemeinsame Vorlage zurückzugehen, die wiederum - dies erklärt die gemeinsamen Fehler - auf B basiert, jedoch keine wörtliche Abschrift, sondern eine kürzende Bearbeitung bietet. Betrachtet man abschließend das Verhältnis der einzelnen Handschriften zur erschlossenen, nicht tradierten Vorlage, erweisen sich die im 15. und 16. Jahrhundert entstandenen Textzeugen des ‚b ch von den fúnf mannen‘ als jeweils spezifische Bearbeitungen der Kurzredaktion des Textes, da D, F und SG 955 durch selbständige Varianz gegenüber der Vorlage charakterisiert sind. Die Abschrift D, das einzige Rieder zugängliche Exemplar der ‚Pflegermemoriale‘, zeichnet sich gegenüber der in d repräsentierten, mit der erschlossenen Vorlage wohl weitgehend übereinstimmenden Form der Kurzredaktion durch eine nochmals verknappende Bearbeitung aus, die sich im Gegensatz zur ersten Textreduktion in *d nicht auf eine punktuelle Tilgung redundanter Textpassagen beschränkt, sondern systematisch und flächendeckend in die Mikrostruktur des Textes eingreift. Zwar knüpft D an einige der Kürzungsverfahren der Kurzversion an, indem beispielsweise die wenigen in *d erhaltenen Konstruktionen mit do es beschach konsequent getilgt werden, 161 die wesentliche Textreduktion 162 entsteht jedoch durch zwei in *d nicht verwendete Methoden der Abbreviation: Die konstitutive Bedeutung der fortlaufenden Ellipse modifizie- 161 Zahlreiche der in D vorhandenen Ausfälle gegenüber B und d betreffen so pleonastische Formulierungen. Vgl. z.B.: B, d, F, SG 955 (zit. nach B) D vnd d the in ch rehte eigenliche, wie eine virmanvnge in imme sprechende were; v n d s p r a c h d i e a l s v s (Bl. 5 r ; vgl. d, Bl. 36 v ; F, Bl. 49 r ; SG 955, S. 286; Strauch 1927b [ATB 23], S. 36, Z. 4-6) In dem selben duchte yn eygentlich, wie ein vermanung in im s p r e c h e (Bl. 64 v ) do beschach es vffe eine zit, also das er an mich wart gedenkende, v n d g e d o c h t h e , ich wer etthewenne sin geselle gesin (Bl. 6 r ; vgl. d, Bl. 39 r ; F, Bl. 52 v ; SG 955, S. 298f.; Strauch 1927b [ATB 23], S. 41, Z. 34-S. 42, Z. 1) Do beschach es vff ein zit, das er wart [69 r ] gedencken, Ich wer etwenn sin geselle gesin (Bl. 68 v / 69 r ) alles, das ich ch van vnser br der lebben, ir aller, geschribban habbe, da lose ich ch wissan, alles, das si gelittan habbent, d a s s e l b e , i r a l l e r l i d d e n , das habbe ich alles mit der helfe gottes rlitten (Bl. 10 r ; vgl. d, Bl. 51 r ; F, Bl. 71 v ; SG 955 Ausfall; Strauch 1927b [ATB 23], S. 72, Z. 2-6) Alles, das ich úch von aller vnser br der leben geschriben habe, Vnd alles, das sy gelitten hant, das habe ich alles mit der hilff gottes erlitten (Bl. 93 r ) 162 In der Transkription der Handschriften manifestiert sich diese Tendenz in einer Differenz von drei Druckseiten zwischen der Abschrift von B und D. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 396 render Adjektive oder Partikel tritt am deutlichsten vor Augen, wenn man eine Textpassage in ihrem Zusammenhang betrachtet. 163 Als Beispiel sei das Kapitel um den Boten R preht gewählt, da es eine abgeschlossene Sinneinheit darstellt und in bezug auf die Kürzungstendenz als repräsentativ gelten kann: D B d [91 v ] Diß ist von dem xxij. capittel vnd seyt von R precht, irem diener. [8 v Item das zweyvndzwentzigst capittel seyt von R preht, irem getruwen diener, der ouch ein gotts frúndt gewesen ist ] N lieben br der, So hant wir denn R precht, vnsern diener und versorger, der vns das huß vnd alles, das wir hant, versorget. Mit dem hant wir z etlichen ziten etwas reden vnd sprechent: lieber r precht, wie kommt es, das du nit also heylig bist als vnser koch? So spricht er: T te ich als er, wer wolt denn die dinge versorgen? So sprochen wir: Got wurt z dir sprechen, Der koch hat das besser teyl erwelt. So spricht er: Got mag t n, was er wil, Aber eins, hett martha geton als maria, ir swester, Vnser herr m st dick bel geessen haben, Er wolte dann ber die nature gewúrckt haben, als er tet mit den fúnff broten. [9 v ] n vil lieban br der, so habbe wir dan r preht, vnsern vil lieban diener vnd f r sorger, der vns das hvs vnd alles, das wir hant, vir sorgende ist. mit dieseme so habbe wir z etthelichar zit ettewas h bescher redde vnd sprechent z imme: lieber r preht, wie k met es, das dv n t ch also heillig bist also vnser koch? so sprichet er: vnd dette ich ch also, wer wolte dan die ding vs rihten vnd vir sorgan? So redde wir dan etthewas dar z vnd sprechent: obbe dan got wrt z dir sprechenda, dar koch habbe das besser deil rwellet? so sprichet er gar geswinde: got mag d n, was er wil, abber eins, vnd hatte marta gedon, also maria, ir sweister, det, vnser here der m ste digke deste vebeler gessan habban, es wer dan gesin, das er veber die natt re wolte gewrket habben, alse er det mit den f nf broten. [50 r ] Item das zweÿ vnd zwentzigste capitel seit von R prehte, irme diener, der ouch ein lieber gottes frünt gewesen ist. N vil lieben br dere, so habent wir denne R preht, vnsern vil lieben diener vnd versorger, der vns das hus vnd alles, das wir hant, versorgende ist. Mit diseme so haben wir z ettelichen ziten ettewas h bescher rede vnd sprechent z ime: Lieber r preht, wie kummet es, das du n t ouch alse heilig bist alse vnser koch? So [50 v ] sprichet er: vnd tete ich ouch alse er, wer wolte denne die ding us rihten vnd versorgen? So redent wir denne ettewas dar z vnd sprechent: obe denne got z dir wurt sprechende, der koch habe das besser teil erwelet? So sprichet er gar geswinde: Got mag t n, was er wil, aber eins, vnd hette martha geton alse maria, ir swester, tet, vnser herre m ste dicke deste berler gessen haben, Es were denne gesin, das er ber die nature gew rcket wolte haben, Alse er tet mit den f nf broten. 163 Das Beispiel möge darüber hinaus nochmals verdeutlichen, daß Rieders Vermutung, „die eigentliche Abweichung der Texte“ beginne „erst gegen die M i t t e jeden Kapitels“ (Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 175, Anm. 1; Hervorhebung im Original), wohl eine Folge seines Verfahren ist, sich auch hier auf eine tabellarische Gegenüberstellung der Kapitelüberschriften und Anfangssowie Endpassagen (S. 199*-206*) zu beschränken; er erkennt daher nicht die gleichmäßige Verteilung der Kürzungen über den gesamten Textverlauf. Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 397 Soliche rede hant wir dick mit R precht; was wir dann mit im redent, So antwurtet er vns allwegen in solicher g tlicher meynung, Also das ich z got getruwe, er sye nach siner wise ein lieber gottes [92 r ] frúnt, Wann er meynet vns in also grosser g tlicher truwen als sich selber Vnd in g tlicher mynne me dann sich selber (Bl. 91 v / 92 r ) alsolliche redde habbe wir gar digke mit r ppreht; was wir dan mit imme reddent, so ist er vns allewe(ge)nt entwrde in einer alsollich gettelichen meinvngen, also das ich z gotte getr we, er si noch siner wisa ein liebar gottes fr nt, wanne er meinnet vns in also groser gettelicher tr wan also sich selber vnd in gettelicher minnen me dan sich selbar (Bl. 9 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 70, Z. 3-26) Alsolicher rede habent wir gar dicke mit R prehte; Was wir denne mit ime redent, so ist er vns allewegent entwurtende in einre alsolichen g ttelichen meinungen, also das ich z gotte getruwe, er sige noch sinre wise ein lieber gottes fr nt, wanne er meinet vns in alse grosser g ttelicher truwen alse sich selber vnd in g ttelicher minnen me denne sich selber (Bl. 50 rv ) Die zweite Praktik, die D zu einer effizienten Textreduktion nutzt, ist die pointiertere Neuformulierung einzelner Textpassagen, die jene für die Version in B charakteristischen Beschreibungen kleinster Vorgangs- und Gegenstandseinzelheiten zugunsten einer möglichst klaren, am Ergebnis orientierten Erzählweise auflöst und so eine auf unmittelbare Teilhabe zielende Ausmalung des Geschehens i.S. einer Erlebnisschilderung durch einen (historisch) distanzierenden Bericht ersetzt, wie die Beschreibungen der Bekehrung des zweiten Bruders und der Verzückungen des vierten Bruders beispielhaft vor Augen führen (vgl. die Tabelle auf den folgenden Seiten). Der Vergleich der Abschrift Schmalriems mit der Textform im ‚Briefbuch‘ und der kürzeren Redaktion in d und F 164 etabliert den Codex des 15. Jahrhunderts folglich als eigenständige Textfassung auf der Basis der Kurzversion. 164 Von einem ausführlichen Vergleich des Manuskriptes D mit der ebenfalls im 15. Jahrhundert entstandenen Handschrift SG 955 wird hier abgesehen: Nicht nur, daß SG 955 die Textdifferenzen, die D von B und d trennen, nicht teilt (s. unten, S. 397-404), die nur von D und SG 955 überlieferte Textvarianz beschränkt sich zudem hauptsächlich auf Auslassungen, die unabhängig voneinander entstanden sein können. Allein eine gemeinsame Textdifferenz beruht auf einem Zusatz: So interpretieren SG 955 (S. 306) und D (Bl. 71 v ) das Schuldbekenntnis der Ehefrau als auf ihren Mann bezogen: wene ich wol bekenne, das ich d i r wnrecht habe geton (SG 955, S. 306), während B (Bl. 6 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 45, Z. 28f.; so auch d, Bl. 40 v und F, Bl. 55 r ) es als allgemeine Aussage faßt: wanne ich wol bekenne, das ich vnrehte geton habbe. D d F SG 955 B N wart im Infallen von sant oswaltz vnd sant elisabethen leben, das sy in der e ge bet hetten, vnd wart mit im selber z rote, das er das siner gemahel wolt fúr halten. Das er ouch tett. Vnd mante sy an dise zit, wie gar kurtz sy ist. Vnd sprach do z ir: liebe frowe vnd gemahel, ich han dich lieb gehebt nach der zit (Bl. 65 r ) Nu wart er gedenckende vnd wart ime gar vaste in fallende, wie der liebe sante oswalt sin leben in der heiligen e noch gottes willen vertriben hatte, vnd viel ime ouch (mit nachgetragen) dem selben in, wie die liebe sancte Elsebet ouch ir leben in der heiligen ∙ e ∙ vertriben hatte. Do ime n alsus diser zweyger heiligen leben in viel, Do wart er in ime selber gedenckende: du solt n t lossen, du solt dime gemechede dise ding sagen vnd solt ir gar sere vaste (rube gestrichen) r mende sin, wie die liebe, hohe frowe sancte Elisabeth ir leben in der heiligen e vertriben hat, Vnd denne so sage ir ouch, wie der liebe sancte Oswalt ouch sin leben in der heiligen e vertriben hat. [37 r ] Vnd wenne du ir danne dyser zweyger heiligen leben geseist vnd s ir mit grosseme erneste ger mest, denne so solt du mit grosseme erneste mit ir reden vnd solt s manen an die zit, wie gar kurtz s ist, Vnd solt su denne Nun ward er [49 v ] gedenckhende vnd ward Ime gar vast einfallende, wie der Liebe Sanct Oßwalde sein Leben in der he ligen Ehe noch Gotteß willen vertr ben hatte, Vnnd fiel Ime auch mit dem selben ein, wie die Liebe Sanct Elisabeth auch Ir Leben in der ha ligen Ehe vertriben hette. Da Ime nun also diser zwe er he ligen Leben einviel, da ward er In Ime selber gedenckhen: du solt nit Lassen, du sollt deinem gemechend dise ding sagen, Vnnd sollt Ir gar sehr fast rüemende sein, Wie die Liebe, hohe Frauwe Sanct Elisabeth Ir Leben in der ha ligen Ehe vertr ben hatt, vnnd denne so sage Ir auch, wie der Liebe Sanct Oßwaldt auch sein Leben in der he ligen Ehe vertr ben hatt. Vnnd wenne du Ir dann von diser zwe er he ligen Leben geseist vnd s Ir mit grossem Ernst gerüemest, dann so solltu mit grossem Ernst mit Ir reden vnd sollt s manen an die Zeit, wie gar nun warter gedenkende vnd wart ime faste in wallende, wie der liebe sant oswalt sin leben in der helgen E noch d gottes willen vollebrocht vnd vertreip vnd wiel ime och ime dem selben in, wie die liebe sant ellisabet ir leben mit der helgen E vertriben hete. do ime n alsus diser [288] Z iger heilgen leben in viel, do wart er in ime selber gedenkende: du solt nit lossen, du solt dime gemechede dise ding sagen vnd solt ir gar vaste ruiemende sin, vie die liebe, hohe frowe sant elisabet ir leben in der helgen E vertriben het vnd do me (inde gestrichen) so sage ir och, wie liebe sant oswalt och sin leben in der heilgen E vertriben hat. vnd wenne du ir danne von diser z iger helgen leben geseit vnd sú (ime gestrichen) ir mit grosem ernest ger mest, den so solt du mit grossem ernst mit ir reden vnd solt sui [sic! ] manen an die zit, vie kurtz sui [sic! ] ist vnd solt sú bitten, das sui n wart er gedenkende vnd wart imme ch gar faste in fallende, wie dar liebe sant ossewalt sin lebban in dar heilligan e noch gottes wille vir tribban hatte vnd fiel imme ch mit dem selban in, wie die lieba sant delsibet ch ir lebban in der heilligan e f r tribban hatte. do imme n dire zweiger heiligen lebban alsvs in fiel, do wart er in ime selbar gedenkende: dv solt n t losan, dv solt diese ding dieme gemechede, dieme wibe sagen vnd solt ir sagan vnd gar sere faste r mende sin, wie die liebe, hohe froewe, die liebe sant elsebet, ir lebben in der heilligen e f r tribban hat, vnd dan so sage ir ch, wie dar liebe sant ossewalde ch sin lebban in dar heilligan e f rtribban hat. vnd wanne dv ir dan von der zweiger bedder heiligen lebban geseist vnd si ir mit groseme erneste ger mest, dan so solt dv mit groseme erneste mit ir reddan vnd solt si mannen an die zit, wie gar k rc si ist, vnd solt si den bitten, das si es bitten, das s es von g ttelicher minne t n welle, also das wir beide der bellonenden welte urlop gebent vnd vns vnderwindent den zweÿgen heiligen ettewas noch z volgende, du der lieben sant Eilsebet vnd ich dem lieben sant Oswalde; Vnd sprach do: liebe frowe vnd liebe gemahel mine, Ich habe dich liep gehebet noch der zit (Bl. 36 v / 37 r ) kurtz s ist, vnnd sollt s denne bitten, das s es von Gottlicher minne thun wölle, also das wir be de der vbellohnenden wellt vrlaub geben Vnnd vns vnderwinden den zwe en he ligen nachzufolgen, du der Lieben Sanct Elisabeth vnd ich dem Lieben Sanct Oßwalde vnd sprach da: Liebe Frauwe vnd Liebe gemahele min, Ich habe dich Lieb gehebt nach der Zeit (Bl. 49 rv ) [sic! ] es von g tlicher mine t n welle, also das wir bede mit der g tlicher mine der wibel lonnender welt wrlop geben vnd wns wnder windent der z iger helgen noch z folgen wnd (z gestrichen) der lieben sant elisabet vnd ich dem lieben sant oswalt; [289] vnd sprach do: liebe frowe vnd liebe gemehel min, Ich habe dich liep gehabet noch der zit (S. 287-289) vmbe getteliche minne d n welle, also das wir bedde der vebel lonnenden welta rlop gebbant vnd vns vnder windent der zweiger heilligen etthewas noch z folgende, dv der lieban sant delsebet vnd ich dem lieben sant dosewalde; vnd sprach do: liebe fr we vnd lieber gemahel minar, ich habba dich liep gehabat noch dar zit (Bl. 5 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 36, Z. 20- S. 37, Z. 8) Er kam z manigen ziten dar z , das er verzuckt wart, das er von diser zit nit wissete vnd dar Inn enpfand vil fr uden. Vnd in diser fr udenrichen gnaden was er vff zwey Jor odder me, Vnd do got bekante, das es zit was, do nam er im dise fr udenrichen goben vnd gab im da gegen vil manigfaltiger bekorungen, die also b se vnd vnsufer worent, das er kam z manigen ziten do z , das er verzucket wart, also das er von diser zit n t wuste, Vnd in den z gen, do befant er also vil fr idenricher fr iden, von den n t z redende ist vnd das ouch deheinen menschen z geloubende ist, er bef nde sin denne. N , vil lieben br dere, n s llent ir wissen, das er in diser fr idenrichen, bernat rlichen gnoden wol zweÿ ior oder ettewas me was gesin, Do got do wol bekante, das es zit was. do nam er ime alle dise grossen, l stlichen, befintlichen, fr idenrichen goben vnd gap ime es kham zu manigen zeiten darz , das er verzuckt wardt, also das er von diser zeit nit wußte, vnnd in den zügen, da befand er also vil freüdenreicher freüden, von den nit zu [68 v ] reden ist vnnd das auch dan kheinem mensch zu glauben ist, er befind s dann. Nun, vil Lieben brüeder, nuhn sollend Ir wissen, das er in der freuwdenreichen, vbernatürlichen Gnaden woll zwe Jar oder ettwas me was gesein, da Gott da woll bekhante, das es zeit was. da nam Er Ime alle dise grosse, Lustliche, befündlichen, freuwdenreichen gaben, er [336] kam z mengigen zitten dar z , das er verzuket wart, also das er von diser zit nút wuste, vnd in den zúgen, do befant er vil fr idenrich fr iden, do von nút z redende ist vnd das ouch deheinen m nschen z glouben ist. n , vil lieben brüeder, n s llent ir wissen, das er in dirre fr idenricher, bernatúrlicher gnoden wol zwey Jor oder ettwas me was gesin, do got do wol bekante, das es zitt was. do nam er ime alse disen grossen, lústlichen, befintlichen, fr idenrichen gaben, vnd gap ime do gegen gar vil er kam z mannigen ziten derz , das er vir z ket wart, also das er van dir zit n t woste, vnd den in den z gen, do befant er also fil fr den richer fr den, van den n t z reddende ist vnd das doheinen menschen z gl bende ist, er bef nde sin dan. n , fil lieban br der, n s llent ir wissende sin, das er in dir fr den richen, veber natt rlichen gnodan wol zwei jor oder ettewas me in veber natt rlichen fr den was gesin, do got do wol bekende was, das es zit was. do beschach es, also das imme got nam alle diesa l stlichen, grosan, befintsch dlich were, da von z reden oder z gedencken. Vnd ich m st im weren, das er den br dern nit da von seyte vnd nit da von bichtete. Aber die bekorung von vnglouben tet im sunderlich we, von der hett er wol vrlob z sagend vnd z bychtende. Vnd ich han nye von keinem vernomen, dem got in sinem ersten anfange also lustliche, liechtriche goben gab, als er im gab (Bl. 89 r ) dar gegene gar vil usser mossen grosser, manigualtiger bekorunge, die alse gar uns fer, b se worent, das es gar schedelich were, das man vil dar von rette oder dar nach gedehte, Alse gar fr mede bekorungen ir ein teil was, Vnd ich m ste ime weren, das er den br dern n t dar von seite vnd ouch n t dar von bihtete; Aber die bekorunge von vngelouben, die tet ime s nderliche we, von der hette er wol (urlop am Rand nachgetragen), den br dern z sagende vnd z bihtende. N wissent, vil lieben br dere, das ich n t vil von keinem menschen nie vernam noch nie gehorte sagen, dem got im sime ersten anefange alse gar grosse, l stliche, bernat rliche, liehtriche goben gebende was, alse er ime gap (Bl. 49 r ) vnnd gab Ime dargegen gar vil vssermassen grosser, manigfaltiger bekherungen, die also gar vnsuffer, Böse woren, das es gar schedlich were, das man vil daruon rette oder darnach gedechte, also gar frembde bekhorungen Ir ein theil was, Vnnd ich muste Ime wehren, das Er den Brüederen nit daruon seite vnd auch nicht daruon Bichtette; Aber die bekherungen von vnglauben, die thett Ime sonderlich we, von der hette er woll vrlaub, den Brüederen zu sagende vnd zu bichtende. Nuhn wüssent, vil Lieben Brüeder, das ich nit vil von kheinem menschen nie vernam noch nie gehorte sagen, dem Gott in seinem Ersten anfang allso gar grosse, Lustliche, vbernatürliche, Liebliche gaben gebende was, also er Ime gab (Bl. 68 rv ) vssermossen grosser, manig valtiger bekourunge, die also gar vnsufer, b se worent, das er gar schedenlich werre, das man vil dar von rette oder dar noch gedechte, also gar fr rde bekorunge ir ein teil was, vnd ich m ste ime [337] weren, das er den br der nut dar von seite vnd ouch ouch [sic! ] nút darvon bichtete; aber die bekorunge von vngl ben, die tet ime sunderlich we, von der hette er wol vrlob, den br deren von z sagen vnd z bichten. nú wissent, lieben br der, das ich nút wil keinen sachen nie vernan noch nie geh rte sagen, dem got in sinem ersten anfange also gar groß, lústlich, vber natúrliche, liechtriche goben gebende was, also er ime gab (S. 335-337) lichen, fr den richen gobban vnd gab imme der gegene gar vsser mosan gar fill [9 v ] bekorvngen, vnd gab imme ch der gar vil in fil mannigfaltiger wisan, die also gar vnsvfer, b se worent, also das sch deliche were, das man der van fil rette odder dar noch gedechte, also gar fremmede bekorvngen ir ein deil was, vnd ich m ste imme weren, das er der van den br dern n t seithe vnd ch n t der van bihthe. abber van der bekorvnge van vngl ban, die det imme s nderlinge we, vnd van der so hatte er wol rlop, den br dern z sagande vnd ch dar van z bihthende. n wissant, vil lieban br der, das ich n t vil van keinen menschen nie vir nam noch nie gehorte sagan, dem got in sime ersten anne fange also gar grose, l stliche, ber natt rliche, lieht riche goban gebbenda was, also er imme gap (Bl. 9 rv ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 66, Z. 27-S. 67, Z. 19) Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 401 Neben dieser Umformung mit dem Ziel der Textreduktion 165 kann eine sprachliche Überarbeitung i.S. einer systematischen Adaptation grammatikalischer Konstruktionen an die diachronen Veränderungen des Sprachsystems als Spezifikum der Textfassung in D identifiziert werden. 166 Daher ist es wahrscheinlich, daß die hier überlieferte Neugestaltung nicht aus der Vorlage übernommen, sondern erst im Zuge der Abschrift eines nicht-tradierten Exemplars der ‚Pflegermemoriale‘ von Schmalriem selbst erstellt wurde. Drei Formen der i.e.S. sprachlichen Bearbeitung weisen besonders nachdrücklich auf eine Umgestaltung im 15. Jahrhundert hin: Dem ‚b ch von den vier ioren‘ vergleichbar, zeichnet sich auch die ‚autographe‘ Version des ‚Fünfmannenbuchs‘ durch die häufige Verwendung periphrastischer Verbformen in der Verbindung des Partizips Präsens mit den Verben sîn oder werden aus, um duratives von inchoativem Geschehen zu differenzieren. Anders als bei der Tradierung der ‚Vita‘ Merswins jedoch, werden diese Formen nicht bei der Erstellung der Kurzversion des Textes, sondern nur in D konsequent gegen die einfachen Flexionsformen des Verbs ausgetauscht. Erklärt sich die Substitution der ingressiven Verbalphrase (Präteritalform von werden plus Partizip Präsens) durch den allgemeinen Rückgang dieser Konstruktion im 15. Jahrhundert, 167 scheint der in D vorgenommene Austausch der progressiven Formen nicht durch einen veränderten Sprachgebrauch begründet (die Periphrase durch das verbum substantivum ist noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts recht häufig), 168 sondern wird offensichtlich durch stilistische Erwägungen motiviert: Da B keine stringente Opposition zwischen periphrastischer und einfacher Form vornimmt, d.h., eine semantische Differenzierung der Aktionsart unterbleibt, 169 präferiert D die synthetische Verbflexion. Vergleiche z.B.: 165 Allerdings ist es nicht möglich, die gesamte Textvarianz durch den Willen zur Abbreviation zu erklären; es findet sich auch Einzelwortvarianz, für die kein offensichtlicher Grund vorliegt, wie z.B.: B, d, F, SG 955 (zit. nach B) D vnd in dem selban lachende, so habbe wir z mannigen ziten gesehhen, das imme die trehhene z beddan gen vs fl ssent v n d f l s s e n t v e b e r b e d d a b a g c k e n a b b e (Bl. 4 v ; vgl. d, Bl. 35 v ; F, Bl. 47 v ; SG 955, S. 281; Strauch 1927b [ATB 23], S. 33, Z. 23-26) Vnd in dem selben lachen, so hant wir z etlichen ziten gesehen, das im die tr hen z beden ougen vß flussent v n d i m b e r d i e b e d e n b a c k e n a b f y e l e n t (Bl. 62 v ) n do was ch do alle die liebe vnd tr we vnd fr ntschaft vs, d i e s i v o r m o l e s j e z s a m m e g e w n n e n t (Bl. 5 r ; vgl. d, Bl. 37 r ; F, Bl. 50 r ; SG 955, S. 290; Strauch 1927b [ATB 23], S. 37, Z. 26-28) Do mit was ouch alle liebe, truwe vnd frúntschafft vß, d i e s y v o r m a l s y e z i m h e t t e (Bl. 65 v ) 166 Z.T. ist auch die Einzelwortvarianz durch semantische Entwicklungen zu erklären: Regelmäßig vertauscht D das in B und d gebrauchte Lexem do von durch das Adverb dar vmb (B, Bl. 5 r und d, Bl. 36 r vs. D, Bl. 64 r ; B, Bl. 9 r und d, Bl. 47 v vs. D, Bl. 87 r ; B, Bl. 8 v und d, Bl. 47 r vs. D, Bl. 85 r ), auch meidet D seltene Lexeme: So bittet der Ehemann Gott in D nicht, ihm zu offenbaren, wie er zu einem nohern lebbende k men m the (B, Bl. 5 r ; d, Bl. 36 v ), sondern zu einem bessern leben (D, Bl. 64 v ). Auch der Gebrauch des starken Verbs der vierten Ablautreihe bekomen mit dem Dativ i.S. von ‚begegnen‘ (vgl. Lexer Bd. 1, Sp. 167) ist der Handschrift offenbar zu ungewöhnlich (B, Bl. 6 r ; d, Bl. 40 r ), denn in D (Bl. 71 r ) heißt es: Vnd wem er an der strassen b e g e g e n t e , der spottete sin. 167 Oskar Reichmann und Klaus-Peter Wegera (Hgg.): Frühneuhochdeutsche Grammatik von Robert Peter Ebert, Oskar Reichmann, Hans-Joachim Solms und Klaus-Peter Wegera, Tübingen 1993 (Sammlung Kurzer Grammatiken Germanischer Dialekte. A. Hauptreihe Nr. 12), S. 394. 168 Ibid. 169 Vgl. auch: Werner Cordes, Der zusammengesetzte Satz, S. 230. Vergleichbar systematisch fügt D den Konjunktiv in der indirekten Rede und im Konditionalsatz ein, z.B.: Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘‘ 402 B, d, F und SG 955 170 (zit. nach B) D so s llent ir wissan, das ich n t weina, wanne die trehhene, die also g tliche also lachende van mir f l i e s e n d e s i n t , die selben trehhene, die gont van mir onne alles min z d n (Bl. 4 v ; vgl. d, Bl. 35 v ; F, Bl. 47 v ; SG 955, S. 282; Strauch 1927b [ATB 23], S. 34, Z. 1-4) Ir s llent wissen, das ich nit weyne, wann die tr hen, die also g tlich lachende von mir f l i e s s e n t , die gont von mir one alles myn z t n (Bl. 63 r ) vnd den hilfest dv, die alle zit widder din gebot l e b b e n d a s i n t , vnd wir, die j descheit, die alle zit nach dienan willan vnd nach dienan gebotten l e b b e n d e s i n t , die lost dv vnder gon vnd vir[8 v ]derben (Bl. 8 rv ; vgl. d, Bl. 46 r ; F, Bl. 64 r ; SG 955, S. 325; Strauch 1927b [ATB 23], S. 59, Z. 24-28) Vnd den hilffestu, die allzit widder din gebott l e b e n t , Vnd wir, die Júdischeit, die allzit nach dinem willen vnd gebott l e b e n t , die lassestu vndergon vnd verderben (Bl. 83 r ) also w r d a n t si zwene des morgens an dem dage vffe di barb ne dar kirchen g o n d e , vnd er kam an ein loch, do er geliches vffe dan altar gar wol s e h h e n d a w a s (Bl. 8 v ; vgl. d, Bl. 47 v ; SG 955, S. 327f.; Strauch 1927b [ATB 23], S. 62, Z. 31-33) Also g i n g e n t die zwen des morgens vff die barbúne der kirchen, Vnd er kam an ein loch, das er glichs vff den altar s a c h (Bl. 86 r ) Der zweite durch die sprachliche Entwicklung motivierte Eingriff, den Schmalriem am Textverlauf der kürzeren Redaktion vornahm, ist der diachronen Rückläufigkeit von Genitivkonstruktionen geschuldet. Die Textfassung in D sucht den Genitiv als Rektionskasus des Verbs ebenso wie seinen Gebrauch in der Verbindung mit einem Substantiv oder Adjektiv mit Hilfe von Ellipsen oder Substitutionen durch präpositionale Ausdrücke zu vermeiden: B, d, F, SG 955 (zit. nach B) D do sprach er: jo mir bristet [5 r ] s i n rehte gn g (Bl. 4 v / 5 r ; vgl. d, Bl. 36 r ; F, Bl. 48 v ; SG 955, S. 285; Strauch 1927b [ATB 23], S. 35, Z. 11) Do sprach er: Jo mir bristet recht gen g (Bl. 64 r ) B, d, F und SG 955 (zit. nach B) D so gl be jch, das ich ettewas s c h u l d i g b i n , dir ettewas z rattende (Bl. 6 r ; vgl. d, Bl. 39 r ; F, Bl. 53 r ; SG 955, S. 300; Strauch 1927b [ATB 23], S. 42, Z. 20f.) So gloub ich, das ich s c h u l d i g s y e , dir etwas z rotende (Bl. 69 r ) n fan dem fieden vnserme br der, den wir habbent, da lase ich ch wissan, das der ein j de i s t g e s i n (Bl. 8 r ; vgl. d, Bl. 45 v ; F, Bl. 63 v ; SG 955, S. 323; Strauch 1927b [ATB 23], S. 58, Z. 24-26) Uon dem vierden br der schribet er also, Das der ein Judde w e r e (Bl. 82 r ) vnd da van, i s t es din wille (Bl. 9 r ; vgl. d, Bl. 47 v ; F, Bl. 66 v ; SG 955, S. 331; Strauch 1927b [ATB 23], S. 64, Z. 2f.) Vnd dar vmb, s y e es din wille (Bl. 87 r ) 170 Fehlt in der Tabelle der Verweis auf eine Textstelle in F oder SG 955, bieten diese abweichende Textformulierungen, die dem unterschiedlichen Umgang der Handschriften B bzw. d und D mit der periphrastischen Form nicht zuzuordnen waren. Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 403 also beschach es dar noch in dem sehsten jore d a r s e l b a n f a s t a n , also das er wart sinde an einer stat, do er gerne heimmelliche sin gebet pflag z d nde (Bl. 5 r ; vgl. d, Bl. 36 rv ; F, Bl. 49 r ; SG 955, S. 285f.; Strauch 1927b [ATB 23], S. 35, Z. 24-27) Also beschach dar nach in dem sehsten jore, das er i n d e r v a s t e n was an einer stat, do er sin gebett pflag heimlich z sprechen (Bl. 64 v ) vnd ir fiel doch z st nt in, also das si e s v a n i r e s m a n n e s w e g a n vir sch ldet m the habban (Bl. 6 r ; vgl. d, Bl. 40 v ; F, Bl. 55 r ; SG 955, S. 305; Strauch 1927b [ATB 23], S. 45, Z. 19- 21) Vnd ir viel ouch z stunt jn, das sy es a n i r e m m a n n e m ht verschuldet haben (Bl. 71 v ) Schließlich vermeidet D eine der ‚Gottesfreundliteratur‘ eigentümliche Form der pleonastischen Negation, über die Strauch im ersten Heft seiner ‚Schriften aus der Gottesfreund-Litteratur‘ vermerkt: nút wondent: für die GF-literatur charakteristisch ist die falsche, jedenfalls eigenartige Stellung der Negation bei w nen, das in solchen negierenden Fällen am besten durch ‚zweifeln, im Zweifel sein‘ übersetzt wird. [...] Auch bei dunken steht die Negation des öfteren in befremdender Weise, wo wir sie im Nebensatz erwarten. [...] Auch andere Verben begegnen, wo die Negation an Stelle uns geläufiger Affirmation tritt: so beim Verb. subst. [...]; getruwen [...], wellen. 171 Schmalriem war diese pleonastische Form der Negation offenbar nicht mehr geläufig, denn sie wird regelmäßig getilgt: B, d, SG 955 172 (zit. nach B) D vnd leit sich doch do inne gar g tliche vnd in groser dem tikeit, wanne imme was alle zit inne, d a s i n d e s n t t d t h e , das er keins veber natt rlichen trostes wert were (Bl. 4 r ; vgl. d, Bl. 34 r ; SG 955, S. 275; Strauch 1927b [ATB 23], S. 30, Z. 20- 23) Vnd leyd sich doch dar Inn gar gedulticlich vnd in grosser dem t, wann im was allzit Inne, d a s y n d u c h t e , d a s er keins bernatúrlichen trostes wert were (Bl. 60 v ) j c h w o n d e n t , dv hattes dich selbar rtrenket (Bl. 6 r ; vgl. d, Bl. 39 v ; SG 955, S. 303; Strauch 1927b [ATB 23], S. 44, Z. 7f.) i c h w o n d e , du hettest dich selber ertrenckt (Bl. 70 v ) vnd do er also sas vnd n t z ime reddan wolte, d o w o n d e d e r k n a b e n t , er wer dot (Bl. 9 v ; vgl. d, Bl. 50 r ; SG 955, S. 341; Strauch 1927b [ATB 23], S. 69, Z. 6f.) Vnd do er also saß vnd nit z im reden wolt, D o w o n d e d e r k n a b e , er wer tot (Bl. 90 v ) Die skizzierte Praxis einer sprachlich-grammatikalischen Adaptation des ‚b ch von den fúnf mannen‘ läßt es nicht unwahrscheinlich erscheinen, daß auch die systematische Verknappung der Kurzredaktion *d, die das Charakteristikum der Textfassung 171 Strauch 1927a [ATB 22], S. 98 (Anm. zu S. 17, Z. 32f.); vgl. auch: Werner Cordes, Der zusammengesetzte Satz, S. 45-47. 172 Zur Verwendung dieser Form der Negation in F s. unten (S. 406f.). Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘‘ 404 in D darstellt, von Schmalriem vorgenommen wurde. Die starke Kontrastierung Rieders zwischen der Textform der ‚autographen‘ Reinschrift und der Version der ‚Pflegermemoriale‘ beruht demnach allein auf einer späteren Bearbeitung. Obwohl sein später Entstehungszeitpunkt (16. Jahrhundert) eine Genese des ‚Erweiterten Pflegermemorials‘ (F) aus allen anderen (Straßburger) Textzeugen 173 ermöglicht, konnte die bereits diskutierte Varianz der Handschrift gegenüber der Textfassung des ‚Briefbuches‘ wie der Redaktion der beiden ‚Pflegermemorial‘- Handschriften erweisen, daß die Textform in F aus keinem der erhaltenen Überlieferungsträger hervorging: Eine Kopie aus dem im ‚Briefbuch‘ (B) erhaltenen ‚Autograph‘ konnte allein durch alle mit d, D und SG 955 gemeinsamen Textdifferenzen gegenüber dem Einschub in B ausgeschlossen werden, 174 zudem ist die Textvarianz, die das ‚Briefbuch‘ und das ‚Erweiterte Pflegermemorial‘ (F) miteinander verbindet, quantitativ unbedeutend und beschränkt sich maßgeblich auf gemeinsame Textausfälle. 175 Wenngleich es sich bei der Textform in F somit nachweislich um die kürzere Redaktion des ‚b ch von den fúnf mannen‘ handelt, die auch in d und D tradiert ist, kann der Schreiber der Handschrift des Margarethenklosters diese weder dem Berliner Exemplar des ‚Pflegermemorials‘ (d) noch der späteren Abschrift Schmalriems (D) entnommen haben, da die mit D und SG 955 übereinstimmende Ergänzung in d ausgefallener Einzelworte oder Teilsätze einer Kopie aus diesem Codex widerspricht 176 und auch die gemeinsamen Textabweichungen mit D nicht auf eine Genese aus der Abschrift Schmalriems schließen lassen: Zum einen teilt F keine der D genuinen Textdifferenzen, 177 zum anderen sind die Übereinstimmungen der beiden 173 Auf einen ausführlichen Vergleich mit der St. Galler Handschrift wird verzichtet, da nur Einzelwortausfälle F und SG 955 gemeinsame Textvarianz darstellen, die auch unabhängig voneinander eingetreten sein kann. Daneben tritt jedoch eine Textstelle, an der die beiden Codices eine gemeinsame Textdifferenz gegenüber B, d und D zu verzeichnen haben; sie findet sich im vierten Kapitel des ‚b ch von den fúnf mannen‘: ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ (F) und St. Galler Handschrift vergrößern den zeitlichen Abstand zwischen dem sprechenden Juden und dem Ursprung des Christentums durch die Substitution der Adverbiale der Zeit. Breitete sich das Christentum in B (Bl. 8 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 59, Z. 30f.) und d (Bl. 46 r ) in k rzen j o r e n aus, wird der Zeitraum in F (Bl. 64 r ) und SG 955 (S. 325) ausgeweitet: Vnnd dar zu so hastu ein Neuwen Glauben in kurzen z e i t e n Lassen auffgahn (zit. nach F). 174 Vgl. die Ausführungen auf S. 385-392. 175 Bei den gleichermaßen in Handschrift F und im ‚Briefbuch‘ ausgefallenen Elementen handelt es sich zumeist um Partikel, d.h. fakultative Satzglieder, die keine Verwandtschaft der Handschriften nachweisen, z.B. verstärken d (Bl. 51 r ) und D (Bl. 93 v ; in SG 955 ist diese Textstelle gekürzt) den Kontrast zwischen dem Unwissen des Gottesfreundes und der Allwissenheit Gottes, indem in der Textform des ‚Pflegermemorials‘ das Adverb wol am Ende des Satzes eingefügt wird, auf das B (Bl. 10 r ) wie F (Bl. 72 r ) verzichten: das weiß ich nit, gott der weis es. Auch eine übereinstimmende Einzelwortvarianz bietet kein eindeutiges Indiz einer Verwandtschaft: Betonen B und F übereinstimmend die Befolgung des Wortes Gottes durch Paulus, indem sie das Verständnis der Versuchungen als Gnadenerweis wiederholen (wanne der liebe sant p wels, der hatte van gotte wol das wort geheret, das er sprach: p wele, lo dir gen gen mit miner gnoden; der noch do gesties der liebe sant p wels der liddenden g n o d e n nie me abbe, wanne das er si gerne habben wolthe; B, Bl. 11 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 81, Z. 4-9; vgl. F, Bl. 74 v ), stellen die anderen Überlieferungsträger die Verbindung zu den zuvor diskutierten Versuchungen heraus: wanne der liebe sanctus paulus, der hette von gotte wol das wort geh rt, das er sprach: Paule, lo dir gen gen mit miner gnoden. Dar nach do gesties der liebe sanctus paulus der lidenden b e k o r u n g e n nie me abe, wanne das er s gerne haben wolte (d, Bl. 53 r ; vgl. D, Bl. 96 v / 97 r ; SG 955, S. 348). 176 Vgl. die Ausführungen auf S. 393-395. 177 Vgl. die Ausführungen auf S. 397-404. Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 405 Manuskripte textkritisch nicht belastbar: Ist die wesentliche textuelle Kongruenz - die einheitliche Ellipse fakultativer Satzglieder - kein zwingendes Indiz einer Verwandtschaft, erklärt sich auch der homogene Lexemaustausch zwanglos durch den zeitlichen Abstand, der sowohl D als auch F von B bzw. *d trennt und der sprachliche Adaptationen notwendig macht. So scheint beispielsweise weder F noch D die Semantik des schwachen Verbs behaben geläufig und so ersetzen sie es unabhängig voneinander mit dem im Wortschatz etablierten behalten, ohne das im 15. und 16. Jahrhundert gleichermaßen ungebräuchliche Lexem niuwan ebenfalls übereinstimmend zu transponieren: F D B, d, SG 955 (zit. nach d) vnd b e h a l t nichts dann dein blosse nodurfft (Bl. 56 v ) Vnd b e h a l t du allein din blosse notdurfft (Bl. 73 v ) vnd b e h e p du nuwent dine blosse notdurft (Bl. 41 v ; vgl. B, Bl. 6 v ; SG 955, S. 310; Strauch 1927b [ATB 23], S. 48, Z. 8f.) Auch die gleichlautende Ergänzung eines Numerale wird durch die Veränderungen in der Plural-Morphologie der starken Neutra motiviert: Als Substantiv der a-Deklination ist der Akkusativ Plural des Lexems wort im Mittelhochdeutschen zumeist durch eine Null-Endung markiert, wie sie in B, d und SG 955 verwandt wird: abber, lieben br der, alles sin lidden das leit (er nachgetragen) alles samment also gar dem tekliche vnd also gar get ltekliche vnd also gar semftm tekliche, also das er nie besweret der van wart noch nie vnget ltig w o r t dar van gesprach (B, Bl. 9 v ; d, Bl. 49 r ; SG 955, S. 337; Strauch 1927b [ATB 23], S. 67, Z. 22-26). D und F scheinen den Nominativ und Akkusativ Plural demgegenüber - wie das Neuhochdeutsche - in Anlehnung an die Maskulina auf -e zu bilden und kennen die endungslose Form nur noch in Verbindung mit einem Zahlwort: F D aber, Lieben Brüder, er Le d alles sein Le den also gar demüetigliche vnnd also gar dultigliche vnnd also gar senfftmüetiglichen, also das er nie beschwert dauon ward noch nie k h e i n vngedultig wort dauon sprach (Bl. 68 v ) Vnd er leydt sin lyden also dem ticlich vnd gedulticlich, Also das er nye beswart da von wart noch ye k e i n vngedultig wort sprach (Bl. 89 v ) Die gemeinsamen Zusätze der beiden Handschriften schließlich, die auf den ersten Blick ein starkes Argument für eine enge Zusammengehörigkeit der Codices bieten, lassen sich durchweg als Verbesserungen von Fehlern einer gemeinsamen Vorlage erklären, die aufgrund des Sprachwissens der Schreiber gleichartig vorgenommen wurden, wie z.B.: F D d B, SG 955 (zit. nach B) also nam Er vrlaub vnd gieng wider heim vnnd ward Ime also not, das er Also nam er vrlob vnd ging wider heim Vnd wart im also not, das er Alse nam er urlop vnd ging wider heim vnd wart ime alse not, das er sich also nam er rlop vnd ging widder heim vnd wart imme also not, das Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘‘ 406 sich gar geschwind gerichtet hette, vnnd nam alles sein bar gut zu Ime v n n d w a s a n d e m f ü n f f t e n t a g e w i d e r z u v n s k h o m e n vnnd warff vns alles sein bar gut vnder vnsere füesse (Bl. 60 r ) sich gar geswinde gerichtet hett, Vnd nam alles sin bar g t z [ime fehlt sic! ] V n d w a s a n d e m f ú n f t e n t a g e w i d e r z v n s k o m e n Vnd warff vns alles sin bar g t fúr vnser f sse (Bl. 78 r ) gar geswinde gerihtet hette, vnd nam alles sin bar g t z ime v n d w a s a n d e m f n f t e n t a g e w i d e r z v n s vnd warf vns alles sin bar g t vnder vnser f sse (43 v ) er sich gar geswinde gerihtet hatte, vnd nam alles sin bar g t z imme v n d w a s a n d e m f n f t e n d a g e w i d d e r b i v n s vnd was er van barme g te hatte, das nam er vnd warf es vns vnder vnser f se (Bl. 7 v ; SG 955, S. 317f.; Strauch 1927b [ATB 23], S. 53, Z. 23-28) Während d mit dem a-grammatischen, da prädikatslosen zweiten Hauptsatz offensichtlich den Textverlauf der Vorlage *d bewahrt, vervollständigen F und D das zweite Glied der Parataxe durch das Verb k(h)omen, das sich aufgrund der dynamischen und nicht statischen Semantik der Präposition zu (absichtliche, zweckhafte Bewegung auf ein Ziel hin) als Ergänzung des Verbum substantivum anbietet. Die Textvarianz weist das ‚Erweiterte Pflegermemorial‘ (F) folglich als weitere Abschrift der erschlossenen Vorlage der Kurzversion (*d) aus, die - ebenso wie bei der Tradierung des ‚b ch von den vier ioren‘ - um eine konservative Textweitergabe bemüht ist und allein punktuell in die Formulierungen der Kurzversion des ‚b ch von den fúnf mannen‘ eingreift, um den Text einem veränderten Sprachgebrauch anzupassen: Neben der Übertragung im 16. Jahrhundert ungebräuchlicher Lexeme - F ersetzt (fast) durchweg das in B und d verwendete Wort minne durch liebe (z.B. F, Bl. 47 r ; 55 v ; 56 v ; 68 r ; 70 r ; 70 v ; 71 r ; 71 v ; 72 v ) und trägt auch der semantischen Verschiebung innerhalb des Feldes der Präterito-Präsentien, genauer der Opposition zwischen turren und durfen, Rechnung 178 -, neben dieser durch diachrone Veränderungen in der Wortbedeutung bedingten Einzelwortvarianz sucht F das Verständnis des Textsinns der zeitgenössischen Leser auch auf der Ebene syntaktischer Konstruktionen zu sichern, indem die Handschrift beispielsweise jene für die ‚Gottesfreundliteratur‘ typische, pleonastische Negation des Verbs w nen durch die systematische Ergänzung des Adverbs anderst auflöst: B F n d e r m a n d e r w o n d e n t , si meinde es also si mit den geberden geborta (Bl. 5 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 38, Z. 10f.) v n n d e r m e i n d t n i t a n d e r s t , dan s meinte eß also, also s mit den geberden geborte (Bl. 50 v ) 178 In der ‚autographen‘ Fassung und mit ihr in den ‚Pflegermemorialen‘ und der St. Galler Handschrift wird beispielsweise betont, daß das Verbot der Ehefrau, Kinder wie Dienstboten sollten nicht mehr mit ihrem Mann sprechen, auch von deren subjektiver Disposition beeinflußt wird, da diese Handschriften das Verb turren gebrauchen, während F das Verbot des Handelns betont, indem der Codex durfen verwendet: vnnd s verbot den khinden, das s nit dorften mit Irem vatter Reden, vnd verbot allem Irem gesind, das sÿ nichts dorften thun, was er s hieß (F, Bl. 50 v vs. B, Bl. 5 v ; d, Bl. 37 v ; D, Bl. 66 v ; SG 955, S. 292f.; Strauch 1927b [ATB 23], S. 38, Z. 35-S.39, Z. 2). Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 407 j c h w o n d e n t , dv hattest dich selbar rtrenket (Bl. 6 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 44, Z. 7f.) i c h w a n d t n i c h t a n d e r s t , dann du hettest dich selber Ertrenckht (Bl. 54 r ) d o w o n d e d e r k n a b e n t , er wer dot (Bl. 9 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 69, Z. 6f.) d a w o n t e d e r k n a b e a n d e r s t n i t , dann er were Thodt (Bl. 69 v ) Im Gegensatz zur Bewertung Rieders, der Handschrift F aufgrund ihres weniger „altertümlichen Dialekt[s]“ 179 aus seinen textkritischen Untersuchungen ausschließt und mit E eine Abschrift des 18. Jahrhunderts seiner Edition des ‚Erweiterten Pflegermemorials‘ zugrundelegt, erweist die detaillierte Betrachtung der Textvarianz den Codex des 16. Jahrhunderts als konservative Abschrift der erschlossenen Vorlage *d. Demgegenüber bietet die St. Galler Handschrift nicht nur im Hinblick auf den Textbestand, sondern auch auf der mikrotextuellen Ebene der Formulierungen eine verknappende Bearbeitung der Kurzredaktion des ‚b ch von den fúnf mannen‘, die - so zeigt die diskutierte Textvarianz - auf keiner der erhaltenen Handschriften des Traktats beruht. Ist die von Strauch angenommene Kopie aus dem in das „Johannitermemorial aufgenommenen Text“ 180 unmöglich, da der St. Galler Codex der kürzeren Redaktion angehört, 181 scheiden die beiden ‚Pflegermemorial‘-Handschriften als Vorlagen für SG 955 aus, da die hier überlieferte Textform weder die Textausfälle in d 182 noch die für die Textfassung in D konstitutiven Varianten teilt. 183 Schließlich kann SG 955 das ‚b ch von den fúnf mannen‘ auch nicht aus dem ‚Erweiterten Pflegermemorial‘ (F) abgeschrieben haben, da dieser Codex erst nach der St. Galler Handschrift entstanden ist. 184 Auch die in SG 955 tradierte Textform beruht folglich auf der Vorlage *d der Kurzredaktion, unterzieht diese jedoch zwei Verfahren der Textreduktion, die den Formen der Bearbeitung in D ähneln: Die maßgebliche Verknappung geschieht durch eine fortlaufende Ellipse modifizierender Adjektive, unterschiedlicher Mittel der Steigerung sowie adverbialer Ausdrücke der Quantität oder Qualität bzw. der Zeit, für die jeweils ein Beispiel genügen möge: SG 955 B, d (zit. nach d) wissent, das es noch kume z i ior ist gesin, das got sin grundelose erbermde in sinner grosen miltikeit lies befinden vnd wart beruieret vnd befuntlichen begnodet w i b e r n a t ú r l i c h , f r d e n r i c h e , f r l i c h e , w n n e c l i c h e r [276] G n o d e n (S. 275f.) n wissent, das es noch kume uf zweÿ ior ist gesin, das got sine grundelose erbermede in siner grossen miltikeit in lies befinden vnd wart ber ret vnd befintliche begnodet b e r n a t r l i c h e i n f r i d e n r i c h e r , b e r n a t r l i c h e r , f r i l i c h e r , w u n n e n k l i c h e r , g n o d e n - 179 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 65. 180 Strauch 1927b [ATB 23], S. VI. 181 Vgl. die Ausführungen auf S. 385-392. Übereinstimmend mit diesem Befund fehlen dem letzten Kapitel auch die für B charakteristischen Einschübe (s. für eine detaillierte Diskussion S. 379-381). 182 Vgl. die Ausführungen auf S. 393-395. 183 Vgl. die Ausführungen auf S. 397-404. 184 Auch wenn man Rieder in seiner Annahme folgt, bei den beiden Manuskripten E und F handele es sich um Kopien eines Codexes, der vor dem Tod des Johanniterpriesters Nikolaus von Löwen fertiggestellt worden sei (vgl. Handschriftenbeschreibung E, S. 162), zeugt die nur geringe gemeinsame Textvarianz der Codices mit SG 955, die sich zudem fast ausschließlich auf Textausfälle bezieht, nicht von einer engen Beziehung der beiden Versionen des ‚b ch von den fúnf mannen‘ (vgl. S. 404, Anm. 173). Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘‘ 408 r i c h e r g o b e n (d, Bl. 34 r ; vgl. B, Bl. 4 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 30, Z. 24-30) aber got het es nun gefuieget vnd het im gegeben also, das er in disen dingen in der naturen a l s o g a r suiesse vnd senftigmúetig vnd fr lich vor den ist (S. 280) Aber got (got gestrichen), der het es n gef get vnde hette ime gegeben also, das er in disen dingen in der nature a l s o g a r u s s e r m o s s e n s sse vnd senftm tig vnd g a r fr ilich worden ist (d, Bl. 35 r ; vgl. B, Bl. 4 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 33, Z. 1-4) vnd richten wich, also das ir mit der welt nút me z t nd vnd bitten och wnser frowen, das sú wich gebe z t nde, was ir (wel gestrichen) aller liepster wille sige (S. 317) vnd rihtent ch, Also das ir mit der welte a l z m o l e n t me habent z t nde Vnd bittent ouch vnser frowe, das s úch gebe z t nde, weles ir aller liebster wille sige (d, Bl. 43 v ; B, Bl. 7 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 53, Z. 16-20) Also giengent wir in die kuchen vnd fundent in obe eime hafen mit m s [342] siczen (S. 341f.) Also gingent wir b a l d e alle in die kúchin vnd fundent in sitzende bi dem fúre ob eime hafen (d, Bl. 50 r ; vgl. B, Bl. 9 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 69, Z. 10-13) Daneben sucht SG 955 - ebenso wie D - das für die ‚autographe‘ Textfassung typische, redundante Verharren bei einem Geschehen durch die Detaillierung der Beschreibung und die Variation der gewählten Formulierung mit Hilfe von Tilgungen oder pointierten Neugestaltungen des Textes zu vermeiden. So genügt es SG 955 z.B., die göttlichen Gaben, die den ersten Bruder semftm tig und gar frelliche stimmen (Strauch 1927b [ATB 23], S. 33, Z. 4), durch den offensichtlichen Widerspruch zwischen seinem g ú e t l i c h e n lachen (SG 955, S. 281) und seinen Tränen zu beschreiben, während B (Bl. 4 v ), d (Bl. 35 v ), D (Bl. 62 v ) und F (Bl. 47 v ) ausführen: wanne wissent, das er z etthelichan zitan vnder vns sitzende ist vnd wurt also m i n n e n k l i c h e , s v e s e k l i c h e lachende v n d i n d e m s e l b a n l a c h e n d e , so habbe wir z mannigen ziten gesehhan, das imme die trehhene z beddan gen vs fl ssent vnd fl ssent veber bedda bagcken abbe (zit. nach B, Bl. 4 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 33, Z. 21-26). Ebenso verzichtet SG 955 darauf, die Widerbzw. Übernatürlichkeit der Suche nach einer Gottesbegegnung in der imitatio durch eine Tautologie hervorzuheben: SG 955, S. 278 d, Bl. 34 v ( vgl. B, Bl. 4 r ; D, Bl. 61 v ; F, Bl. 46 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 31, Z. 29-35) dis ist ein grose gnode in disem br der, wen wo der mensche in sime liplichen herczen treit vnd in allem zit Jomer noch lidende, dem liden wnsers heren z eren, d a s i s t v ý d e r m e n s c h l i c h e n a t u r e Dis ist eine grosse gnode in diseme br dere, wanne wo der mensche das alle zit in sinem liplichen hertzen treit vnd in alle zit iomert noch lidende, dem liden vnsers herren z eren, d a s i s t w i d e r m e n s l i c h e n a t u r e v n d i s t i n d e r n a t u r e n b e r d i e n a t u r e Neben dieser systematischen Bearbeitung der Kurzredaktion des ‚b ch von den fúnf mannen‘ i.S. einer anti-mimetischen, die Fiktion der unmittelbaren Teilhabe durch moralische Belehrung ersetzenden Kurzfassung des Textes ist SG 955 durch Einzelwortvarianz charakterisiert, deren Ursache textkritisch nicht zu bestimmen ist: Die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ 409 SG 955 B, d, F (zit. nach d) vnd wart ime faste in wallende, wie der liebe sant oswalt sin leben in der helgen E noch d gottes willen v o l l e b r o c h t v n d vertreip (S. 287) vnd wart ime gar vaste in fallende, wie der liebe sante oswalt sin leben in der heiligen e noch gottes willen vertriben hatte (Bl. 36 v ; vgl. B, Bl. 5 r ; F, Bl. 49 rv ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 36, Z. 20-23) 185 dire man, der rete mit dem wibe vnd bat sý, das sý a l s o w o l tet vnd alles ir beder teil g t neme (S. 293) Dirre man, der rette mit dem wibe vnd bat s , das s es d u r c h g o t t e s w i l l e n tete vnd alles ir beider g t neme (Bl. 37 v ; vgl. B, Bl. 5 v ; D, Bl. 66 v ; F, Bl. 50 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 39, Z. 2-4) gip wf die welt d u r c h w n s e r f r o w e n w i l l e n (S. 314) Gip uf die welt v n s e r r e l i e b e n f r o w e n z e r e n (Bl. 42 v ; vgl. B, Bl. 7 r ; D, Bl. 75 v ; F, Bl. 58 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 50, Z. 29f.) vnd ist es, das sú es ẃch git z verstonde, das ir bý wns sin s llent, so koment i n d e m n a m e n w n s e r s h e r r e n , so wellent wir wich gern haben (S. 317) vnd ist es denne, das s ch git z t nde, also das ir bi vns sin sollent, so kumment i n d e m n a m m e n g o t t e s f r l i c h e , so wollent wir úch danne gerne haben (Bl. 43 v ; vgl. B, Bl. 7 v ; D, Bl. 78 r ; F, Bl. 59 v / 60 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 53, Z. 20-23) vnd du lost sy richcen noch irme (willen gestrichen) v a l s c h e n (willen gestrichen) (vn über der Zeile ergänzt) g l o u b e n , also ich selber wz cristm geh rt habe (S. 325) vnd du lost s richtzen in irme grossen vngelouben, alse ich selber u s cristinen menschen geh ret habe (Bl. 46 r ; vgl. B, Bl. 8 v ; D, Bl. 83 v ; F, Bl. 64 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 60, Z. 1-3) Als Ergebnis der textkritischen Analyse des einzigen außerhalb Straßburgs überlieferten Textzeugen kann so festgehalten werden, daß auch dieser auf der Straßburger Überlieferung beruht und die in der Schweizer Handschrift tradierte Textfassung als eigenständige Bearbeitung der Vorlage *d zu bewerten ist. Die Überlieferungssituation des ‚b ch von den fúnf mannen‘ spiegelt - dies verdeutlicht die eingehende textkritische Untersuchung - die Tradierung der ‚Vita‘ Merswins im ‚b ch von vier ioren‘. Ließen sich dort zwei verschiedene Textfassungen für die ‚autographe‘ Schrift des Stifters und die Textform der ‚Pflegermemoriale‘ sowie der von ihnen abgeleiteten Handschriften unterscheiden, bieten die Textzeugen der ‚Lebensbeschreibung‘ des Gottesfreundes zwei unterschiedliche Redaktionen: Die in das ‚Briefbuch‘ (B) integrierte Textform stellt den ausführlichsten Textverlauf, während die übrigen Überlieferungsträger einen kürzeren Grundtext bieten. Im Unterschied zum ‚b ch von den vier ioren‘ jedoch bearbeitet jede der Handschriften diese kürzere Redaktion zusätzlich, wobei vor allem die Abschrift Schmalriems als auch die St. Galler Handschrift nochmals kürzend in den Text eingreifen. Aufgrund der Belege kristallisieren sich zwei mögliche Beziehungen der Manuskripte zueinander heraus: 185 D hat an dieser Stelle eine andere Textfassung (vgl. Tabelle S. 398f.). Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘‘ 410 1. Die in das ‚Briefbuch‘ (B) eingenähte Version des ‚b ch von den fúnf mannen‘ ist - wie in den Handschriften behauptet - das Original des Textes, d.h., die anderen Textzeugen gehen auf den hier enthaltenen Text zurück, bieten jedoch keine wörtliche Kopie des ‚Autographs‘, sondern eine, auf dessen Grundlage entstandene, kürzere Redaktion des Textes. Auch diese Vorlage *d diente den Manuskripten zumeist nur als Basis einer weiteren Bearbeitung: B *d d D F SG 955 2. Ebenso erlauben die dargestellten Überlieferungsbefunde jedoch die Annahme, daß allen Handschriften - auch der Version im ‚Briefbuch‘ (B) - ein weiterer, nicht überlieferter Textzeuge zugrunde liegt, dessen Textform d und F weitgehend bewahren, während die ‚autographe‘ Fassung sowie die Abschriften D und SG 955 jeweils eigenständige, einander entgegengesetzte Bearbeitungen der Vorlage bieten: B erweitert, D und SG 955 reduzieren den Textverlauf der Quelle. X B d D F SG 955 Da die einzelnen Handschriften nur wenige Textdifferenzen allein mit B teilen, diese zudem nicht ausschließlich durch ein - wie im einzelnen auch immer zu bestimmendes - verwandtschaftliches Verhältnis zu erklären sind und somit kein zwingender Grund für eine gemeinsame Vorlage aller Textzeugen besteht, erscheint die erste Hypothese zur Tradierung des Textes plausibler, da nur eine grundlegende Bearbeitung - die kürzende Redaktion - für ‚Pflegermemoriale‘ und ‚Erweiterte Pflegermemoriale‘ angenommen werden muß, deren weitere Eingriffe zudem als Fortführung dieser ersten Bearbeitungspraxis erklärbar sind. 3.5 Auto(hagio)graphie und Schriftkontinuum: Textgeschichte als Institutionengeschichte Die überlieferungsgeschichtliche Analyse der Keimzelle der Straßburger ‚Gottesfreundliteratur‘, der Überlieferungseinheit der Konventsgeschichte und der ‚Viten‘ der beiden Stifter, ließ eine genrespezifische Differenzierung des Konzeptes von Textualität und, daraus abgeleitet, unterschiedliche Normen der Texttradierung erkennen: Auf der einen Seite weist der materiell mediale Status der ‚Gründungsgeschichte‘ - drei weitgehend identische Kopien einer (erschlossenen) Vorlage - ein Textverständnis aus, dessen Ursprung gemeinhin erst mit der Geburtsstunde der neusprachlichen Philologien am Ende des 18. bzw. zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Verbindung gebracht wird. 186 Die materielle und somit auch semantische Fixierung der Chronik folgt offenbar der kulturellen Norm eines abgeschlossenen, vollendeten Textes, dessen unveränderliches hermeneutisches Potential nur bewahrt werden kann, indem kontingente Änderungen in der Überlieferung durch die wortgetreue Abschrift jedes Textzeugen vom Original auszuschließen sind. Bedeutungsidentität wird für die historische Referentialisierbarkeit postulierende Konventsgeschichte durch Zeichenidentität gewährleistet. Auf der anderen Seite erweist sich die Überlieferung der ‚Stifterviten‘ als Prototyp des in den letzten Jahren intensiv diskutierten Konzepts vormoderner Textualität: 187 Der Ursprung der Textüberlieferung liegt dabei wahrscheinlich durchaus in den als ‚Autographen‘ ausgewiesenen Handschriften; diese werden jedoch nicht identisch reproduziert, sondern unterliegen den Prozessen der „récriture“, der Aneignung im Schreibprozeß; das ‚b ch von den vier ioren‘ liegt in zwei Fassungen, das ‚b ch von den fúnf mannen‘ in zwei Redaktionen vor, die z.T. weitere Bearbeitung erfahren. Die textuelle Dynamik und Variabilität bleibt folglich prinzipiell im gesamten Tradierungsprozeß erhalten, ihre konstitutive Bearbeitung erfahren die beiden ‚Viten‘ jedoch unverzüglich nach ihrer ersten ‚autographen‘ Abfassung, d.h. vor der weiteren Tradierung auf dem ‚Grünen Wörth‘. Diese Gegenüberstellung der ‚eigenhändig‘ überlieferten Version und der in ‚Pfleger‘- und ‚Erweiterte Pflegermemoriale‘ eingegangenen Textform ist dabei weder durch die postulierte ‚Offenheit‘ der Texttradierung in einer Manuskriptkultur ausreichend charakterisiert, noch können die Differenzen als nachträglich vorgenommene Fälschung von Autorenmanuskripten erklärt werden, die dem Nachweis der Historizität der Lebensbeschreibungen und somit der Heiligmäßigkeit der Stifter dienen könnten, da die ‚Autographen‘ die Bewahrung des in allen Einzelheiten dem Autorwillen entsprechenden und somit authentischen Wortlauts anstreben müßten, wenn sie an einem Diskurs partizipier- 186 Vgl. z.B.: Louis Hay, „Den Text gibt es nicht.“ Überlegungen zur critique génétique , in: Stephan Kammer und Roger Lüdeke (Hgg.), Texte zur Theorie des Textes, Stuttgart 2005 (RUB 17652), S. 74-90; Bernard Cerquiglini, Éloge de la variante, S. 17-29 (übersetzt als: ders., Textuäre Modernität, in: ibid., S. 116-131). 187 Vgl. die Ausführungen auf S. 33f. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 412 ten, der nach philologisch-hermeneutischen Regeln operiert. Die augenscheinlichen und z.T. explizit hervorgehobenen (vgl. B, Bl. 11 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 82, Z. 1-12) Differenzen der beiden Versionen zeigen vielmehr, daß eine Kopie aus den ‚Autographen‘ nicht angestrebt wurde, sondern eine kategoriale, konzeptuelle Differenz zwischen der ‚eigenhändigen‘ Fassung der ‚Viten‘ und der weiteren Überlieferung etabliert und reflektiert wird. Diese im Tradierungsvorgang prozessualisierte Unterscheidung gilt dabei gleichermaßen für das wohl authentische ‚Autograph‘ Rulman Merswins als auch für das - durch die Untersuchungen Denifles nachgewiesenermaßen dessen Schreibpraktiken nur identisch nachbildende - ‚Autograph‘ des Gottesfreundes. Dieses basale textkritische Ergebnis - die Stabilität erstrebende Überlieferung der (kollektiv verfaßten? ) Chronik weist kein Autorenmanuskript aus, die durch Variabilität konstituierten ‚Viten‘ thematisieren ausführlich die Bedeutung der ‚Autographen‘, ohne auf diese zu rekurrieren - fordert eine produktionsästhetische Fragestellung, die nicht autor- und subjektbezogen ist, die die unterschiedlichen Fassungen eines Textes jedoch auch nicht durch das Postulat textueller ‚Offenheit‘ nivelliert, sondern die „materiellen und funktionalen Bedingungen“ 188 textueller Produktion im Gebrauchskontext der Handschrift - und das meint hier in der Institution - sucht. Die Stiftung des ‚Grünen Wörth‘ wird dabei als „soziale Ordnung[ ]“ verstanden, 189 d.h. als „sinnbezogene und ordnungsstiftende“ 190 Stabilisierung von Verhaltensmustern, welche vor allem durch historische Selbstlegitimierung und symbolische Darstellung institutioneller Ordnungsprinzipien und Ideen bewirkt wird: 191 Das in der „Memorialarbeit“ entworfene „Bild der eigenen Gründung“ 192 und des weiteren Verlaufs ihrer Geschichte verleiht der Institution „Dauer, Legitimität und Identität“, kurz Geltung. 193 Insofern die beiden ‚Stifterviten‘ mit der Bekehrung Rulman Merswins und dem vorbildlichen Gemeinschaftsleben der laikalen Gottesfreunde über den maßstabsetzenden Ursprung der Stiftung berichten und die Chronik der Komturei nicht das Prozeßhafte der Geschichte, sondern das ungebrochene Wohlwollen Gottes gegenüber der Stiftung und damit ihre Dignität vorführt, ist die betrachtete Überlieferungseinheit als Kristallisationspunkt „von Geltungsbestimmung, Gel- 188 Stephan Kammer und Roger Lüdeke, Einleitung, in: dies. (Hgg.), Texte zur Theorie des Textes, S. 9- 21, hier S. 16. 189 Hans Vorländer und Gert Melville, Geltungsgeschichten und Institutionengeltung. Einleitende Aspekte, in: dies. (Hgg.), Geltungsgeschichten. Über Stabilisierung und Legitimierung institutioneller Ordnungen, Köln [usw.] 2002, S. IX-XV, hier S. IX. Vgl. zum theoretischen Ansatz des SFB: Gert Melville, Institutionen als geschichtswissenschaftliches Thema. Eine Einleitung, in: ders. (Hg.), Institutionen und Geschichte. Theoretische Aspekte und mittelalterliche Befunde, Köln [usw.] 1992 (Norm und Struktur 1), S. 1-24. 190 Gert Melville, Institutionen als geschichtswissenschaftliches Thema, S. 7. 191 Hans Vorländer, Gert Melville, Geltungsgeschichte und Institutionengeltung, S. IXf. 192 Karl-Siegbert Rehberg, Zur Konstruktion kollektiver „Lebensläufe“. Eigengeschichte als institutioneller Mechanismus, in: Gert Melville und Karl-Siegbert Rehberg (Hgg.), Gründungssmythen - Genealogien - Memorialzeichen. Beiträge zur institutionellen Konstruktion von Kontinuität, Köln [usw.] 2004, S. 3-18, hier S. 3. 193 Hans Vorländer, Gert Melville, Geltungsgeschichten und Institutionengeltung, S. IX. Auto(hagio)graphie und Schriftkontinuum 413 tungssicherung [und] Geltungstransport“ 194 der Normen und Sinnvorgaben der Stiftung Merswins anzusehen und fungiert folglich als „Eigengeschichte“, 195 welche die Hausgemeinschaft des ‚Grünen Wörth‘ auf die Befolgung der internen Regeln der Gründung, d.h. auf eine Institutionenbildung, festzulegen sucht. Im Rahmen dieser Stabilisierung der Stiftung gegenüber ihrer latenten Bedrohung durch den Verlust der Verbindlichkeit ihrer institutionellen Ordnung repräsentieren die beiden in der Überlieferungseinheit verbundenen Texttypen unterschiedliche Formen der Autorisation von Stiftungsregeln, deren funktionale Differenzierung zugleich die divergierende Gestalt ihrer Tradierung bedingt. In den Memorialen der Johannitergemeinschaft fungiert die Konventsgeschichte des ‚Grünen Wörth‘ als retrospektive Geltungsgeschichte: 196 Die Historie der Institution demonstriert die Notwendigkeit der präsentierten Handlungsnormen sowohl durch das Negativbeispiel der beiden vorangehenden, auf dem ‚Grünen Wörth‘ angesiedelten Gemeinschaften, deren Scheitern auf den Identitätsverlust der Kommunität durch Korruption ihrer Regeln in den generaciones venturae 197 zurückgeführt wird, als auch durch die immer wieder neue Rückbesinnung auf die Ideale der Stiftung zu Lebzeiten Merswins. Die ‚Gründungsgeschichte‘ sucht das Fortdauern der Regularitäten bis in die Gegenwart folglich zu gewährleisten, indem gerade die Labilität einer langfristigen Kontinuität institutioneller Ordnungen aufgezeigt wird, der nur durch die stetige renovatio, die Erinnerung an die in der Tradition verankerten und bewährten Regeln, zu begegnen sei. Dieser Inszenierung der Beständigkeit des institutionellen Sinns entspricht die kontinuierliche Weitergabe der ‚Gründungsgeschichte‘ in der Haustradition. Die möglichst identische Kopie der ‚Gründungsgeschichte‘ für die Pfleger der Institution kanonisiert die erlassenen Regularitäten, indem sie ihre Unveränderlichkeit und Beständigkeit auch in der Materialität der Schrift demonstriert: Die ‚Gründungsgeschichte‘ erhält ihre Geltung durch die Auratisierung ihrer Urfassung, d.h., die Identität der ‚Pflegermemoriale‘ verweist auf eine primordiale Schriftquelle, die den Sinn der Stiftung verbürgt, indem sie den beständigen und daher identischen Rekurs auf den primären Wortlaut und den ihm inhärenten ursprünglichen Sinn ermöglicht. Dieser durch die Form der Tradierung suggerierten philologischen Schriftpraxis entspricht auch die materiale Präsentation der ‚Pflegermemoriale‘: Ihre Übersichtlichkeit, klare Struktur und große Lesbarkeit erleichtert die wiederholte Konsultation der Geschichte der Stiftung, um sie den Pflegern als Handlungsanleitung für die Zukunft zu empfehlen. 194 Gert Melville, Geltungsgeschichten am Tor zur Ewigkeit. Zur Konstruktion von Vergangenheit und Zukunft im mittelalterlichen Religiosentum, in: Hans Vorländer und Gert Melville (Hgg.), Geltungsgeschichten. Über die Stabilisierung und Legitimierung institutioneller Ordnungen, Köln [usw.] 2002, S. 75-107, hier S. 79. 195 Karl-Siegbert Rehberg, Zur Konstruktion kollektiver „Lebensläufe“, S. 3. 196 Gert Melville, Geltungsgeschichten am Tor zur Ewigkeit, S. 79. 197 Vgl. Markus Schürer, Die Dominikaner und das Problem der generaciones venturae. Zur Traditionsbildung und -vermittlung in der Frühphase der Institutionalisierung des Predigerordens, in: Gert Melville und Jörg Oberste (Hgg.), Die Bettelorden im Aufbau. Beiträge zu Institutionalisierungsprozessen im mittelalterlichen Religiosentum, Münster [usw.] 1999 (Vita regularis 11), S. 169-214. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 414 Das ‚b ch von den vier ioren‘ sowie das ‚b ch von den fúnf mannen‘ ergänzen das in der ‚Gründungsgeschichte‘ artikulierte Bemühen um eine Festigung der institutionellen Normen um die Dimension eines geltungsstiftenden Ursprungs: Durch die Begründung der von Merswin erlassenen Form des religiösen Gemeinschaftslebens in den Ereignissen seiner Weltabkehr und seiner geistlichen Freundschaft zur laikalen Kommunität im Oberland statten die ‚Viten‘ die kontingenten Regularitäten der Stiftung mit Sinnhaftigkeit aus und sind somit um eine „prospektive Stabilisierung“ 198 des institutionellen Leitbildes bemüht. Die schriftliche Fixierung des begnadeten Lebens des Gottesfreundes und Merswins soll durch den ihr inhärenten Aufruf zur imitatio die Einhaltung der von den Stiftern exemplifizierten und z.T. auch kodifizierten Handlungsnormen in die Zukunft hinein festschreiben: 199 in der selben meinunge sú ch in dis brief b chelin gebunden sint: z eime ewigen vrkúnde, do bi wir vnd alle vnsere noch komen deste me minne gewinnent z allen den andern iren materien. do durch wir billiche sullent vermanet werden, das wir vns der selben frúnde gottes, vnsere lieben stifter, br derliche minne vnd gemeinsame deste fruhtberer machent mit rehter dangberkeit, daz wir durch sú vf einer solichen gnodenrichen, heilgen hofestat von gotte versammelt sint vnd in ir zale geh rent vnd mit in s llent messen die fruht irs gnodenrichen verdienendes in glicheme teile iemer ewicliche, ob wir selber wellent vns sin enpfenglich machen mit glouben vnd minnen vnd mit dem tigem erfolgende in gantzer z uersicht irs getruwen, g tlichen rotes vnd irs minnesamen, frúntlichen schribendes, alse vns dise gegenwertige briefe vnd die vrkúnde b chere manigualtikliche bewisent in allen materien (B, Bl. 32 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 2, Z. 5-S. 2, Z. 22). [Mit dieser Absicht wurden sie [die beiden ‚Autographen‘ der ‚Viten‘] auch in das ‚Briefbüchlein‘ eingebunden: zu einem ewigen Zeugnis, durch das wir und alle unsere Nachkommen um so mehr Liebe zu allen anderen von ihnen geschriebenen Schriften gewinnen sollen, durch die wir in angemessener Weise ermahnt werden sollen, daß wir uns der brüderlichen Liebe und Gemeinschaft derselben Freunde Gottes, unserer lieben Stifter, um so fruchtbarer erweisen mit rechter Dankbarkeit dafür, daß wir durch sie auf einer solchen gnadenreichen, heiligen Hofstatt durch Gott versammelt sind und zu ihrer Gemeinschaft zählen und mit ihnen die Frucht ihres gnadenreichen Verdienstes ewig teilen, wenn wir uns selber dafür empfänglich machen wollen durch Glaube und Liebe und in demütiger, vollkommen zuversichtlicher Befolgung ihres göttlichen Rates und ihres liebevollen und freundschaftlichen Schreibens, wie uns diese vorliegenden Briefe und die Urkundenbücher in allen ihren Materien verschiedenartig beweisen.] Die exempla virtutis der Stifter sollen folglich die „unverfälscht[e] Fortsetz[ung]“ dessen sichern, „was d[ie] Beschriebene[n] ins Leben gerufen hatte[n]“. 200 Um die Fruchtbarkeit der Gründung, die zunächst durch die „charismatische“ 201 Präsenz der Stifter garantiert war, auch über deren Tod hinaus zu gewährleisten, müssen die ‚Viten‘ gleichzeitig das ‚historische‘ Verhalten der Stifter als imitationswürdig und somit normgebend exemplifizieren als auch die Gültigkeit eben dieser Normen bis zur Gegenwart demonstrieren. Für diese doppelte Funktion bedienen sich die ‚Viten‘ zwei- 198 Gert Melville, Geltungsgeschichten am Tor zur Ewigkeit, S. 86. 199 Ibid., S. 82. 200 Ibid., S. 83. 201 Ibid., S. 80. Auto(hagio)graphie und Schriftkontinuum 415 er verschiedener Schriftpraxen. 202 In ihrem Gebrauchszusammenhang im ‚Briefbuch‘ fungieren die ‚Autographen‘ als heilt me (B, Bl. 32 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 2, Z. 5), 203 als Text-Reliquien. 204 Die ausführliche Begründung für die Bewahrung der ‚eigenhändigen‘ Schriften sieht explizit von den textuellen Qualitäten der Überlieferungsträger ab, „es kommt nicht auf den in der Schrift gespeicherten Text und seine Bedeutung an, sondern auf seine dingliche Materialität“: 205 vnd wie wol dis gegenwertige b ch R lemannes, vnsers stifters, leben vnd ouch daz vorgonde b ch der fúnf manne leben [das ‚b ch von den fúnf mannen‘ steht in B auf Bl. 3 r -11 v , d.h. vor dem ‚b ch von den vier ioren‘] z Tútsch vnd z latine in den drien vrkúnde b chern vnd in andern b chern manigualtecliche geschriben sint noch danne so s llent dise zwei bappirine b chere, der erste stam vnd vrsprung, ire eigene hant und ir selbes geschrift, vf diser hofestat z dem Gr nenwerde bliben vnd gar erwirdeclich gehalten werden glich eime heilt me (B, Bl. 32 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 1, Z. 24- S. 2, Z. 5). [Und obwohl dieses vorliegende Buch über Rulmans, unseres Stifters, Leben und auch das vorangehende Buch über das Leben der fünf Männer in deutscher und lateinischer Sprache in den drei Urkundenbüchern und in anderen Büchern mehrfach aufgeschrieben ist, trotzdem sollen diese zwei Papierbücher, die erste Ursache und der Ursprung, von ihrer eigenen Hand und in ihrer eigenen Schrift, auf dieser Hofstatt zu dem ‚Grünen Wörth‘ bleiben und in Würde gehalten werden gleichsam wie ein Heiligtum / eine Reliquie.] Noch deutlicher heißt es über das ‚b ch von den fúnf mannen‘: vnd wie wol dis b ch dicke vnd vil abegeschriben ist vnd wir es ouch selber zwiualtekliche z Thútzsche vnd z latine mit texte geschrift in zweigen wol gebundenen, g ten b cheren geschriben hant ∙ noch danne so sol dis gegenwertige bappirine b ch, sin selbes geschrift, vf diser hofestat z dem gr nenwerde ewekliche bliben vnd gar erwúrdekliche gehalten werden glich eime grossen heilt me (B, Bl. 11 v ; Strauch 1927b [ATB 23] S. 81, Z. 18-25) [Und obwohl dieses Buch mehrmals und in Fülle abgeschrieben wurde und wir es auch selber zweifach, auf Deutsch und Latein, in Textualis in zwei wohl gebundenen, guten 202 Vgl. für das folgende grundlegend: Peter Strohschneider, Text-Reliquie. Über Schriftgebrauch und Textpraxis im Hochmittelalter, in: Sybille Krämer (Hg.), Performativität und Medialität, München 2004, S. 249-267; ders., Textheiligung. Geltungsstrategien legendarischen Erzählens im Mittelalter am Beispiel von Konrads von Würzburg ‚Alexius‘, in: Gert Melville und Hans Vorländer (Hgg.), Geltungsgeschichten. Über die Stabilisierung und Legitimierung institutioneller Ordnungen, Köln [usw.] 2002, S. 109-147. Im Gegensatz zu Strohschneiders Untersuchungen ist die Grundlage der folgenden Beobachtungen jedoch nicht die in der ‚Gottesfreundliteratur‘ gebotene Figuration des Schreibens, sondern die sich in ihrer Überlieferung manifestierende Textpraxis, wodurch der bei Strohschneider stets vorhandene „Ebenensprung“, durch den „literarische Szenarien ungewöhnlicher Zeichenpraxis, Textualitätsmarkierungen oder textfunktionale Bestimmungen“ zu „Dokumenten vormoderner Textpraxis“ stilisiert werden, vermieden wird (vgl. Ursula Peters, ‚Texte vor der Literatur‘? Zur Problematik neuerer Alteritätsparadigmen der Mittelalter-Philologie, in: Poetica 39 [2007], S. 59-88, hier S. 76). 203 Das Lexem heiltum kann als „mittelalterliche[r] deutsche[r] Ausdruck für [...] Virtus-Träger“ der Heiligen als Synonym zum nhd. Term ‚Reliquie‘ verstanden werden (vgl. Arnold Angenendt, Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart, München 1994, S. 158; vgl. für Gebrauchsnachweise auch: Lexer, Bd. 1, Sp. 1215). 204 Zum Begriff vgl. Peter Strohschneider, Text-Reliquie; ders., Textheiligung, S. 146. 205 Peter Strohschneider, Textheiligung, S. 254f. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 416 Büchern aufgeschrieben haben, dennoch so soll dies gegenwärtige Papierbuch, seine eigene Handschrift, auf dieser Hofstatt zu dem ‚Grünen Wörth‘ ewig bleiben und gar ehrwürdig gehalten werden gleichsam wie ein großes Heiligtum / eine Reliquie.] Die ‚autographen‘ Schriften werden in der Überlieferung folglich nicht i.S. der modernen Philologie als ‚Originale‘, als besonders autorisierte Zeichenträger, bewahrt, die die originäre Grundlage jedweder weiteren hermeneutischen Praxis bilden. Von der Verbürgung des Textsinns explizit entbunden, soll die Materialität der ‚eigenhändigen‘ Schriften die vermittlungslose Präsenz 206 der Stifter durch den substantiellen Zusammenhang zwischen Körper und Schrift verbürgen, sie sind Sekundärreliquien: 207 Die dingliche Evidenz der ‚Autographen‘ leistet eine Anknüpfung der sozialen und spirituellen Ordnung der Gemeinschaft an das Vorbild ihrer Stifter, die über eine bloße Unterweisung hinausgeht. Die materielle Existenz als ‚Autograph‘ verbürgt die institutionelle Anknüpfung an das geistliche Leben der Stifter und somit den Fortbestand der Stiftung im Geist der Gründer, indem ihre charismatische Heilswirksamkeit auf dem ‚Grünen Wörth‘ in den textuellen Reliquien auch nach ihrem Tod erhalten bleibt. Da diese auratische Präsenz nicht durch die Praxis der Lektüre wirksam werden kann, unterlagen die ‚Autographen‘ als Dingobjekte einem nicht-hermeneutischen, 208 d.h. sinnlichen Schriftgebrauch, der auf physischem, vor allem jedoch visuellem Kontakt beruht. Weder zur Archivierung des autorisierten, originären Wortlauts der ‚Lebensbeschreibungen‘ noch zur Kult-Praxis der reliquiären Berührung bestimmt, 209 scheint das ‚Briefbuch‘, ebenso wie die drei Urkundenbücher, dazu vorgesehen, an einer gemeinen stat zu verbleiben, die allen br deren des 206 Die Diskussion nicht-hermeneutischer Präsenz erfreut sich einer geisteswissenschaftlichen Konjunktur, die sich in der „Breite des (freilich auch hinsichtlich seiner Ausarbeitungsgrade wie seiner Plausibilitäten sehr heterogenen) terminologischen Angebotes“ manifestiert (Peter Strohschneider, Unlesbarkeit von Schrift. Literaturhistorische Anmerkungen zu Schriftpraxen in der religiösen Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts, in: Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Matias Martinez und Simone Winko [Hgg.], Regeln der Bedeutung. Zur Theorie der Bedeutung literarischer Texte, Berlin; New York 2003 [Revisionen. Grundbegriffe der Literaturtheorie 1], S. 591-627, hier S. 595, Anm. 13). Vgl. die Zusammenfassung der Diskussion in: Christian Kiening, Gegenwärtigkeit. Historische Semantik und mittelalterliche Literatur, in: Scientia Poetica. Jahrbuch für Geschichte der Literatur und der Wissenschaften 10 (2006), S. 19-46. 207 Arnold Angenendt, Reliquien/ Reliquienverehrung. II. Christentum, in: TRE (Studienausgabe) Bd. 29 (1998), S. 69-74, hier S. 74. Vgl. zur Verehrung von Codices und Autographen als Reliquien: Klaus Schreiner, Litterae mysticae. Symbolik und Pragmatik heiliger Buchstaben, Texte und Bücher in Kirche und Gesellschaft des Mittelalters, in: Christel Meier, Volker Honemann, Hagen Keller und Rudolf Suntrup (Hgg.), Pragmatische Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur, München 2002 (Münstersche Mittelalter Schriften 79), S. 277-337, hier S. 322-331; Thomas J. Heffernan, Sacred Biography. Saints and their Biographers in the Middle Ages, New York; Oxford 1988, S. 34-37. 208 Vgl. Hans-Ulrich Gumbrecht, Das Nicht-Hermeneutische. Skizze einer Genealogie, in: Jörg Huber und Alois Martin Müller (Hgg.), Die Wiederkehr des Anderen, Basel; Frankfurt/ M. 1996, S. 17-35; Aleida Assmann, Die Sprache der Dinge. Der lange Blick und die wilde Semiose, in: Hans Ulrich Gumbrecht und K. Ludwig Pfeiffer (Hgg.), Materialität der Kommunikation, Frankfurt/ M. 1988, S. 237-251, bes. S. 241f. 209 Die Materialität der ‚Autographen‘ weisen - im Gegensatz zu dem Epilepsie und Melancholie heilenden Evangeliar aus Mariä Himmelfahrt in Pürten (München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 5250), dessen Evangelistenbilder durch die Praxis der Auflegung vollständig verblaßt sind (Klaus Schreiner, Litterae mysticae, S. 326f.) - keine Gebrauchsspuren auf, die auf eine sinnliche Praxis der Berührung hindeuten. Auto(hagio)graphie und Schriftkontinuum 417 selben huses erloubet sige (A, Bl. 6 v ; Rieder 1905, S. 15*15f.). Der vorgeschriebene öffentliche Aufbewahrungsort gewährleistet, daß der Codex für den gesamten Konvent sichtbar ist, d.h., allein die Schau der Text-Reliquie des Stifters läßt die Klosterfamilie Anteil an ihrer heilsbringenden Aura haben. Obwohl die paratextuelle Rahmung der ‚Autographen‘ ihren Gebrauchszusammenhang über ihre Verehrung als heilt me hinaus nicht zu konkretisieren hilft, gibt die Form ihrer Aufbewahrung Hinweise auf ihren ‚Sitz im Leben‘: Ihre Bewahrung in einer Handschrift, die jene Dokumente zur Geschichte der Komturei versammelt, die in den drei Urkundenbüchern verwendet, aber nicht vollständig zitiert werden, die folglich die Funktion einer archivarischen Sammlung übernimmt, ebenso wie die redaktionelle Notiz auf der letzten Versoseite der ‚eigenhändigen‘ Schrift des ‚b ch von den fúnf mannen‘, die an jene von Nikolaus von Löwen auf den Versoseiten der Urkunden des ‚Grünen Wörth‘ angefügten Dorsualnotizen erinnert, 210 deutet darauf hin, daß der Gebrauch der ‚Autographen‘ der Stifter dem Umgang mit urkundlichen Originalen in städtischen Archiven des 14. und 15. Jahrhunderts ähnelt. Während die in Registern, Rechts- und Traditionsbüchern enthaltenen Abschriften bzw. Zusammenfassungen der Urkunden - den ‚Pflegermemorialen‘ vergleichbar - der schnellen Information über Aussteller, Empfänger und Inhalt der Dokumente diente und als Nachschlagewerke des Rats und der städtischen Kanzlei für den unmittelbaren Gebrauch bereitstanden, um das Handeln und den Status der Stadt zu legitimieren, verblieben die versiegelten Originale der Urkunden in den Kisten und Schränken des Archivs und waren somit in das ‚Alltagsgeschäft‘ der Stadtkanzlei nicht einbezogen und für eine Bezeugung der beurkundeten Rechts- und Geschäftsvorgänge nicht notwendig. Die urkundlichen Autographen garantierten zwar die Beweiskraft der Abschriften, diese Funktion als primordiales Schriftstück wird jedoch allein für wenige, für die Stadtgeschichte besonders wichtige Dokumente regelmäßig ins Gedächtnis gerufen. So wurde beispielsweise die besiegelte Urkunde über die Belehnung Ottos des Kindes mit dem neu geschaffenen Herzogtum Braunschweig-Lüneburg durch Friedrich II. im Jahr 1235 einmal im Jahr in Lüneburg zur Schau gestellt und von allen Ratsmitgliedern betrachtet, um an das Fundament der Rechte der Stadt und des Rats zu erinnern. Dieser Form der Verehrung als ‚Gründungsdokument‘ analog, könnten auch die ‚Autographen‘ des Gottesfreundes und Merswins in Praxen der Stiftermemoria integriert worden sein, welche an einem spezifischen Gedenktag, in unregelmäßigen Abständen oder durch die kontinuierliche Zugänglichkeit des ‚Briefbuches‘ für Mitglieder und Pfründner des Konvents an die spirituellen Grundlagen der Gründung gemahnen und die Präsenz der Stifter in ihrer Komturei gewährleisten sollten, indem ihre ‚Viten‘ nicht gelesen, ihre ‚eigenhändigen‘ Schriften jedoch in ihrer Materialität als Lebensdokument und Hinterlassenschaft zur Schau gestellt oder in einem feierlichen Akt erhoben wurden. Neben diesem reliquiären Status sind die ‚Autographen‘ einem weiteren Schriftgebrauch unterworfen, der ihre Funktion bei ihrer primären Niederschrift aufgreift und sie mit der folgenden Tradierung der Texte verbindet, indem nicht ihre Materia- 210 Vgl. die Ausführungen auf S. 77. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 418 lität, sondern ihre Textualität im Fokus steht. Das für beide ‚Autographen‘ verwendete preiswerte Schreibmaterial (Papier) sowie der Gebrauch einer flüchtigen und zugleich schnellen Schrift (Kursive bzw. simpelste Form der Textualis) verdeutlichen, daß beide Aufzeichnungen bei ihrer Entstehung als später zu vernichtende Vorlagen für einen Abschreibeprozeß konzipiert waren. Die vormals eigenständige Bindung des ‚Autographs‘ des ‚b ch von den vier ioren‘ und sein in den redaktionellen Vorbemerkungen postulierter, durch die Untersuchung des Papiers nicht zu bezweifelnder Entstehungszeitpunkt im Jahr 1352 zeigt, daß das ‚Autograph‘ Merswins nicht zeitgleich mit dem ‚Briefbuch‘ angelegt wurde, sondern der ‚eigenhändigen‘ Schrift vor ihrer Integration in die Dokumentensammlung ein anderer, nichtreliquiärer Gebrauchszusammenhang zugedacht war, der durchaus der in den redaktionellen Vorbemerkungen beigegebenen Figuration des Schreibens entsprochen haben kann: Merswin selbst schrieb demnach seine ‚Lebenserinnerung‘ nach einem (auf Wachstafeln erstellten? ) ersten Konzept auf diese Papierbögen ins Reine, um dem göttlichen Schreibbefehl zu genügen; diese Vorlage sollte - um die Anonymität des Schreibers zu sichern - nach ihrer Kopie nicht länger in Gebrauch bleiben, was ihre wenig anspruchsvolle Anlage erklären mag. Bei ihrem Auffinden in einem versiegelten Kistchen wird jedoch eine funktionale Neubestimmung i.S. der Reliquie vorgenommen, da nach dem Tod des Stifters sein ‚eigenhändiges‘ Schriftstück nicht länger allein einen Text enthält, sondern auch seine „Hinterlassenschaft“ darstellt. 211 Die primäre, zur Kopie bestimmte Niederschrift wird erst in dieser nachträglichen Funktion als Reliquie bewahrenswert. Das bereits fünf Jahre zuvor (seit 1377) auf der Komturei bekannte ‚Autograph‘ des Gottesfreundes durchläuft einen vergleichbaren, wenn auch weniger auratisierten Funktionswandel: Nach Auskunft des Begleitbriefs handelt es sich bei der ‚eigenhändigen‘ Niederschrift des ‚Fünfmannenbuchs‘ um eine (in großer Eile erstellte und daher nicht zu bewahrende) Vorlage für weitere Kopien, die erst im Gebrauchszusammenhang auf dem ‚Grünen Wörth‘ durch ihre materiale Verbindung zum Stifter einen neuen Status als Reliquie erlangt. Die zweite Funktion der ‚Autographen‘ greift nun den in ihrer primären Niederschrift enthaltenen Appell zur abschriftlichen Verbreitung auf, indem die ‚eigenhändig‘ tradierten ‚Lebensgeschehnisse‘ der Stifter vor ihrer Bereitstellung in der Hausüberlieferung des ‚Grünen Wörth‘ in den hagiographischen Diskurs und seine traditionellen Schriftpraxen überführt werden. Diese Integration in eine klerikale Schrifttradition ist für die beiden ‚Viten‘ spezifisch figuriert. Der Gottesfreund übergibt die Tradierung des ‚b ch von den fúnf mannen‘ mit dem Johanniterpriester Nikolaus von Löwen nicht nur einem „Verwalter der sakralen Schrifttraditionen“ 212 (B, Bl. 3 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 29, Z. 19-21), sondern erbittet sich darüber hinaus explizit die Approbation durch eine kirchliche Autorität: Lieben br der, ich rote ch vszer gelichen truwen: alles, daz ich ch geschriben von allen vnsern br dern habe, daz ir daz gent vwerm kommendúr von gehorsame wegen in sine hant und lont es in besehen. Sprichet er denne, ez sige ime liep daz ir es habent, vnd git es ch wider, so nement es von gotte vnd von 211 Peter Strohschneider, Unlesbarkeit, S. 607. 212 Ibid. Auto(hagio)graphie und Schriftkontinuum 419 siner hant in gehorsame widervmbe vnd wer es aber, daz der Commendúr spreche, ir súllent ez nút haben, so súllent ir es ime in gehorsame ch lossen. also súllent ir in allen dingen gehorsam sin Es t der naturen we oder wol vnd daz ist ch reht vnd ist ch ein rot dez heilgen geistes (B, Bl. 3 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 29, Z. 23-33). [Liebe Brüder, ich rate Euch in derselben Aufrichtigkeit: Alles, das ich Euch von dem Leben aller unserer Brüder geschrieben habe, daß Ihr das Eurem Komtur aus Gehorsam übergebt und es ihn prüfen laßt. Sagt er dann, es sei ihm willkommen, daß Ihr es habt, und gibt es Euch wieder, so nehmt es von Gott und von seiner Hand in Gehorsam wieder an. Wäre es aber, daß der Komtur urteilt, Ihr sollt es nicht haben, so sollt Ihr es ihm in Gehorsam auch überlassen. Auf diese Weise sollt Ihr in allen Dingen gehorsam sein, es nütze der [= Eurer] Natur oder schade ihr, und dies ist auch recht und ein Rat des Heiligen Geistes.] Der Text des ‚b ch von den vier ioren‘ wird demgegenüber durch die mirakulösen Umstände seiner Auffindung sakralisiert: Dis kleine sexsternelin bappires mit den ahte blettern ist daz selb selbe b ch R lman Merswines, vnsers stifters, eigene hant, alse er es selber schreip vnd schriben m ste von den ersten vier ioren sines anevohenden lebendes vz gehorsame gottes vnd sines heimelichen gesellen, dez lieben frúnt gottes in oberlant, alse es die br dere sante Johans orden fundent noch R lemannes tode hinder ime geschriben ligende in eime beslossen kensterlin vnd sin eigen silberin Ingesigel vssewendig an dem coopertorio hangende vmbe sant Marien magdalenen dag Anno domini M ccc lxxxij. (B, Bl. 32 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 1, Z. 4- 13). [Dieser kleine Sexternio aus Papier, der acht Blatt umfaßt, ist dasselbe Buch von Rulman Merswins, unseres Stifters, eigener Hand, wie er es selber schrieb und schreiben mußte über die ersten vier Jahre seines anfangenden Lebens aus Gehorsam gegenüber Gott und seinem vertrauten Freund, dem Gottesfreund aus dem Oberland, so wie die Brüder des Johanniterordens es nach seinem Tod auffanden: von ihm schriftlich hinterlassen in einem verschlossenen Kistchen mit seinem silbernen Siegel außen an dem Deckel hängend um den Tag Maria Magdalena 1382.] Auch wenn die Überlieferung des ‚Grünen Wörth‘ die ‚lesbaren‘ Versionen der ‚Viten‘ folglich nicht wörtlich aus den ‚Autographen‘ entnimmt, erschöpft sich ihre Bedeutung nicht in ihrem Reliquienstatus. Neben dieser „sekundären Funktion [von] Schrift“ 213 sind die eigenhändigen Aufzeichnungen auch der „Ursprung des Wissens“ 214 um die Heiligkeit der Stifter selbst: Die „Auto(hagio)graphie“ 215 verbürgt dabei nicht Autorschaft i.S. der autoritativen Verbürgung des originalen Wortlautes, sondern die Authentizität der Stifterbiographien, denn die Genese der ‚Viten‘ nach dem Muster der Hinterlassenschaft löst ein zentrales Problem religiöser Literatur: „Das Heilige entzieht sich der literarischen Darstellbarkeit, Literatur ist Ort der Dis- 213 Manfred Geier, Sekundäre Funktionen der Schrift, in: Hartmut Günther und Otto Ludwig (Hgg.), Schrift und Schriftlichkeit. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung, Berlin; New York 1994 (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 10.1), 1. Halbband, S. 678- 686. 214 Peter Strohschneider, Textheiligung, S. 140. 215 Ibid. Konzepte der Textualität auf dem ‚Grünen Wörth‘ 420 kursivierung, nicht der Realpräsenz.“ 216 Die ‚Lebensbeschreibungen‘ der Stifter, die in ‚Pflegermemorialen‘ und ihren erweiterten Fassungen der familia des ‚Grünen Wörth‘ präsentiert werden, weichen somit in ihrem Wortlaut von den ‚Autographen‘ ab, ihre Geltung erhalten sie jedoch nur, wenn sie sich als Teil der Tradition der autobiographischen Hinterlassenschaft ausweisen, denn nur durch den Ursprung des Wissens in den Stiftern selbst ist das Erzählen von der Heiligkeit der Gründer möglich. Die Besonderheiten der Tradierung des ‚b ch von den vier ioren‘ und des ‚b ch von den fúnf mannen‘ lassen sich somit durch den institutionellen Gebrauchszusammenhang der Texte erklären, der die ‚Viten‘ nur dann als prospektive Geltungsgeschichte nutzen kann, wenn sie gleichzeitig in ihrer primären materiellen Existenz die anhaltende Präsenz der Stifter selbst, in ihrer sekundären, durch Kopie erlangten Ubiquität in der Institution die textuelle Repräsentation der normgebenden Kraft der ‚Biographien‘ gewährleisten können. Obwohl der Überlieferungsverbund aus ‚b ch von den vier ioren‘, ‚b ch von den fúnf mannen‘ und Chronik des ‚Grünen Wörth‘ genrespezifisch unterschiedene Konzepte von Textualität exemplifiziert und somit eine einheitliche Charakterisierung der Tradierungspraxen des Corpus verbietet, erweisen die textkritischen Befunde zumindest eine pragmatische Kategorie als bestimmende Konstante des Textgebrauchs der Johanniterkomturei: Maßgeblich für die Textkonstitution und die Form der Tradierung ist kein Konzept von Autorschaft, für das allein der im Originalmanuskript faßbare Schöpfungsakt aussagekräftig, der weitere Überlieferungsprozeß demgegenüber sekundär wäre, vielmehr existiert der Text ausschließlich in unterschiedlichen Manifestationen, die ihn jeweils spezifischen Schreibpraxen und damit Gebrauchsformen innerhalb der Stiftung zuordnen: Textgeschichte ist Institutionengeschichte. 216 Bruno Quast, Vom Kult zur Kunst. Öffnungen des rituellen Textes in Mittelalter und Früher Neuzeit, Tübingen 2005 (Bibliotheca Germanica 48), S. 195. 4. Ûslesen und ûsschriben: Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 4.1 Methodische Vorüberlegungen: Zu literaturwissenschaftlichen Differenzierungsversuchen von Fakten, Fiktionen und Fälschungen Der Ausgangspunkt des vierten Teils der vorliegenden Studie ist eine Zusammenführung der von Rieder postulierten und skandalisierten Verfahren der Textproduktion der ‚Gottesfreundliteratur‘ mit der Forschungsdebatte um den „literarischen Status“ 1 hagiographischer und frauenmystischer Texte, die den Vorwurf der Fälschung i.S. eines fingierten mystischen Erlebens als ein anachronistisches Mißverständnis im hagiographischen Diskurs üblicher, literarischer Konstruktionspraxen ausweist. Nachdem im Rahmen der textkritischen Untersuchung des dritten Kapitels die Funktion der ‚Autographen‘ jenseits der Vortäuschung authentischer Autorschaft erwiesen werden konnte, soll im folgenden der Argumentationsgang der Studie Rieders wiederaufgenommen werden, um auch sein produktionsästhetisches Argument zum Ausweis des Corpus als Fälschung einer Revision zu unterziehen und damit zugleich den ontologischen Status der ‚Gottesfreundliteratur‘ sowie eines ihrer Protagonisten - des Gottesfreundes aus dem Oberland - zu analysieren. Zur Präzisierung und Pointierung seiner These sucht Rieder nachzuweisen, daß es sich bei der ‚Mechanik‘ der Fälschung nicht nur um eine Nachahmung erlebnismystischer Texte handele, sondern um eine plumpe Manipulation: Die Verfahren der Manuskriptwerkstatt beschränkten sich auf eine Individualisierung anonym überlieferter, mystisch-erbaulicher Traktatliteratur. 2 Der „rein äußerlich[e]“ 3 Bezug auf Rulman Merswin bzw. den Gottesfreund, der die didaktischen Traktate als historische Erlebnisse der beiden Stifter interpretiere, unterlaufe dabei einer stetigen Konkretisierung. Ausgangspunkt der von Nikolaus von Löwen vorgenommenen Stilisierung Merswins als Gottesfreund sei die Chronik der Komturei, die den Wiederaufbau des Konventes durch die Stiftung Rulmans als Werk des heiligen Geistes darstelle: 4 War dieses Werk nicht wert, den Werkmeister darob zu feiern? Das willkommene Mittel dazu gaben Nikolaus von Löwens [sic! ] verschiedene asketische Traktate, die als Erbgut der Bibliothek des Hauses gehörten [... und so wird] Rulmann, der Stifter von Grünenwörth, [... zu] ein[em] Gottesfreund, der sich von der Weltliebe abwandte, welcher er in den Jugendjahren den Tribut bezahlt hat, dann aber ein Leben der Buße, Einkehr und der Selbstheiligung führte, darum auch des himmlischen Trostes gewürdigt wurde: das alles in 1 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 2. 2 Vgl. z.B. die Ausführungen zum ‚b ch von den zwey menschen‘: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 84-89; zum ‚b ch von dem meister‘: ibid., S. 92f., 95f.; zum ‚b ch von den nún veilsen‘: ibid., S. 98f.; zum ‚b ch von den vier ioren‘: ibid., S. 165-168, und zum ‚b ch von den fúnf mannen‘: ibid., S. 171f., 182. 3 Ibid., S. 127. 4 Ibid., S. 263. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 422 der Weise, wie die asketischen Traktate es in lebhaftesten Farben beschreiben. Das war der erste Gedanke, der in Nikolaus von Löwen aufleuchtete, als er diese Traktate, zunächst das Zwei-Mannenbuch näher besah. Sie waren ihm höchst willkommen; sie bedurften keiner großen Umarbeitung, sie waren schon fertig, um aus ihnen das Bild zu entnehmen, das er alsbald von dem Stifter von Grünenwörth zu zeichnen beginnt. Wahre Gottesfreunde, so verlangen es die Traktate, stehen in beständigem Verkehr miteinander: auch Rulmann tut es. Wahre Gottesfreunde schreiben einander ihr Leben und geben es einander, um Gottes Werke zu preisen, die er an ihnen getan hat: auch Rulmann tut dies. Wahre Gottesfreunde schreiben Schriften zum Wohle der Mitmenschen, nennen aber keine Namen: auch Rulman tut dies. [...] Um diesen Zweck zu erreichen, bedurfte es nicht langer Überlegungen oder künstlerischer Umformung der Traktate, Nikolaus von Löwen durfte nur über die Traktate die Rubrik setzen: Unter den hier beschriebenen und auftretenden Personen ist „der eine“ Rulmann, „der andere“ sein geheimer Freund vom Oberland, und niemand konnte sich mehr dieses Gedankens beim Lesen entschlagen. 5 Nach der Fertigstellung der drei Urkundenbücher bemerkte Nikolaus von Löwen jedoch, so Rieder weiter, daß diese „unbestimmt[e]“ 6 Gleichsetzung Rulmans mit „dem einen“ Handlungsträger der Texte „in Widerstreit mit dem Bilde [geriete], das er von Rulmann zu zeichnen beabsichtigte. Denn von diesem ‚einen‘ waren in den Traktaten oft Züge erzählt, welche bei obiger Deutung Rulmann in schiefem Lichte hätten erscheinen lassen.“ 7 Nikolaus habe daher die Identifizierung deutlicher differenziert und „durch geschickte Interpolation“ 8 in den Textverlauf integriert: „Damit war Rulmann zum Gottesfreund gestempelt, der lebte und handelte wie ein wahrer Gottesfreund.“ 9 Erst bei der Anlage der ‚Pfleger‘- und ‚Meistermemoriale‘ bzw. des ‚Briefbuches‘ würden diese produktionsästhetischen Verfahren der schlichten, namentlichen Aneignung überschritten: 10 In den Jahren 1390 bis 1400 erstelle Nikolaus von Löwen autochthone Texte, welche die Mystifikation der Stifter präzisierten und festschrieben, da sich Merswins Sekretär durch Konflikte mit der Ordensleitung und den weltlichen Verwaltern über die Einhaltung der Regeln der Stiftung 11 dazu veranlaßt sehe, Johannitermeister, Pfleger und Brüder nachdrücklich auf die von Merswin vorgeschriebene Einrichtung der Stiftung zu verpflichten, indem er ihnen in der Geschichte des Konvents und in den ‚Viten‘ der Stifter die „Würdigkeit der Hofstätte“ 12 vor Augen führe oder in Briefen warnende Exempel an die Hand gebe, die dafür sorgen sollten, daß der Rat des Gottesfreundes befolgt würde. 13 Diese wenig differenzierte Charakterisierung der auf dem ‚Grünen Wörth‘ angewendeten Verfahren der Textproduktion als Mechanismen der Aneignung und Retextualisierung, die kaum über die Konstatierung textueller Vorlagen hinausgeht, kommt in Rieders Interpretation ein solches Gewicht zu, da seine Lektüre des ‚Got- 5 Ibid., S. 264f. 6 Ibid., S. 265. 7 Ibid. 8 Ibid. 9 Ibid. 10 Ibid., S. 260, 265. 11 Ibid., S. 265. Vgl. auch ibid., S. 152-156. 12 Ibid., S. 265. 13 Ibid., S. 266. Vgl. auch ibid., S. 202-206. Methodische Vorüberlegungen 423 tesfreund‘-Corpus auf einem mimetischen Verständnis der Textgruppe beruht, das im Rahmen der Forschungskontroverse um die Literarizität frauenmystischer Texte weitgehend obsolet geworden ist: Nur im Horizont einer simplifizierten Erlebnishermeneutik, 14 welche die enge „Verschränkung von mystischer Erfahrung [...] und deren sprachlicher Darstellung“ 15 verkennt und mystische Literatur als „authentischen und unmittelbaren Erlebnisbericht“ wertet, 16 ist jeder Rekurs eines Textes auf eine vorgängige literarische Tradition oder konkrete Vorlagen ein Verdachtsmoment, das den literarhistorischen Wert der „Schreibtischprodukte“ 17 aufgrund ihrer „Verunechtungen“ 18 nivellieren würde. Betrachtet man die von Rieder ausgewiesenen Techniken des Wiedergebrauchs vor dem Hintergrund der von Ringler ausgelösten „Neuorientierung der Forschung“, 19 verlagert sich das Interesse produktionsästhetischer Analysen von dem nicht länger skandalträchtigen Nachweis verwendeter Vorlagen zu einer detaillierten Betrachtung von Form und Funktion der Referenz auf textuell Vorgängiges. Auf der Grundlage von Parallelen in literarischer Technik (Typisierung, Reihenstruktur, vitenähnlicher Grundriß) und kommunikativer Intention (imitatio, Gottes- und Heiligenlob) 20 ordnet Ringler in seiner Dissertation die frauenmystischen Offenbarungs- und Vitentexte in die literarische Tradition der Hagiographie ein und öffnet so die „für den modernen Leser irritierenden Textmerkmale“ 21 des ‚Gnadenlebens des Friedrich Sunder‘ einem neuen Verständnishorizont: Während die monoton berichtende, wenig konkret-anschauliche, „endlos scheinende Aneinanderreihung einzelner Begebenheiten, [die] immer dem gleichen Schema folg[en]“, 22 mit Hilfe der bis dahin vorherrschenden (sozial)psychologischen oder religionsgeschichtlichen Interpretationsmuster allein als „literarisch anspruchslose“ Dokumente „einer unkontrollierten, [...] ja sogar pathologischen Rezeption“ 23 spekulativer Mystik charakterisiert werden könnten, sei es für ein literarhistorisch adäquates Verständnis unabdingbar, die anscheinend unmittelbar aus der Erfahrungswelt abgeleiteten Textmerkmale auf den hagiographischen Impetus des ‚Gnadenlebens‘ zurückzuführen, der sich - so zeigten die zahlreichen textuellen Parallelen 14 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 4. 15 Susanne Köbele, Bilder der unbegriffenen Wahrheit. Zur Struktur mystischer Rede im Spannungsfeld von Latein und Volkssprache, Tübingen; Basel 1993 (Bibliotheca Germanica 30), S. 30. 16 Peter Dinzelbacher, Zur Interpretation erlebnismystischer Texte des Mittelalters, in: ZfdA 117 (1988), S. 1-23, wieder in: ders., Mittelalterliche Frauenmystik, Paderborn [usw.] 1993, S. 304-331, hier S. 312. Der Historiker hält in zahlreichen und prominenten Veröffentlichungen an einem Abbildungsverhältnis zwischen gelebter Erfahrung und aus einem Mitteilungsdrang erwachsenden Texten fest. Vgl. auch: Peter Dinzelbacher, Vision und Visionsliteratur im Mittelalter, Stuttgart 1981 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 23). Zur Kritik an Dinzelbacher vgl. Susanne Köbele, Bilder der unbegriffenen Wahrheit, S. 21-24. 17 Peter Dinzelbacher, Zur Interpretation erlebnismystischer Texte, S. 311. 18 Ibid., S. 325. 19 Klaus Grubmüller, Einführung, in: Kurt Ruh (Hg.), Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposion Kloster Engelberg 1984, Stuttgart 1988 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 7), S. 347- 353, hier S. 349. 20 Siegfried Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 10. 21 Ursula Peters, Literaturgeschichte als Mentalitätsgeschichte? Überlegungen zur Problematik einer neueren Forschungsrichtung, in: Georg Stötzel (Hg.), Germanistik - Forschungsstand und Perspektiven. Vorträge des Deutschen Germanistentages. 2 Bde, Berlin; New York 1985, Bd. 2: Ältere Deutsche Literatur. Neuere Deutsche Literatur, S. 179-198, hier S. 193. 22 Siegfried Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 334. 23 Ursula Peters, Literaturgeschichte als Mentalitätsgeschichte? , S. 198. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 424 der Vita zu vorgängigen Nonnenbüchern und einzelpersönlichen Viten - hagiographischer Muster und Themen bediene, um ein exemplarisches Leben darzustellen. Das stereotyp repetierende Kompositionsverfahren des ‚Gnadenlebens‘ weise somit pointiert auf den „Literatur“-Charakter 24 der Texte hin und verbiete den vorherrschenden, psychohistorischen Deutungshorizont, da die Texte nicht auf die Darstellung einer „Persönlichkeit in ihrer [...] historischen Existenz“ zielten, 25 sondern ein vorgeprägtes Schema vorbildlichen Lebens illustrierten, um „ähnlicher Erfahrungen mystischer Art teilhaftig zu werden“. 26 Obwohl Ringler hier die „hagiographische Funktionsbestimmung“ 27 klar herausarbeitet und die Frage nach der Authentizität dezidiert abweist - die „Echtheit des Erlebens ist eben wirklich nicht eine Kategorie hagiographischer Literatur“ 28 -, differenziert er innerhalb der Gnadenviten unterschiedliche produktionsästhetische Schichten in bezug auf ihren ‚Erlebnisgehalt‘: Sei die „umfassende[ ] redaktionelle[ ] Überarbeitung“ 29 i.S. einer Legendarisierung und Objektivierung durch „Bilder[ ] literarischer Herkunft“ geprägt, 30 ließen sich - zumindest bei einer günstigen Überlieferungssituation - die ursprünglichen Aufzeichnungen der begnadeten Frauen rekonstruieren, die nicht von der literarischen Gestaltung betroffen seien, sondern als authentische, autobiographische Niederschrift des „realen Erleben[s] und Erfahren[s]“ 31 gelten könnten. Ringler erklärt die Diskrepanz zwischen retextualisierender Praxis und Selbstbeschreibung als Erlebnisbericht in den frauenmystischen Offenbarungs- und Vitentexten folglich durch die nachträgliche, der hagiographischen Gattungstradition entnommene Stilisierung und Legendarisierung lebensweltlichen, d.h. prädiskursiven Geschehens: Ist die redaktionelle Objektivierung durch die i.w.S. didaktische Intention der Texte begründet, ist ihre Gestaltung als (Er)Leben zugleich als Reminiszenz an die Erstursache der Texte in der lebensweltlichen Erfahrung und als literarisches Mittel zu erklären, das eine adäquate Rezeption gewährleisten soll. Gestützt auf feministische Untersuchungen zur Konstruktion von Weiblichkeit 32 und die sozialgeschichtliche Erforschung von Heiligkeitskonzepten 33 spitzt Ursula Peters die Ergebnisse Ringlers in ihrer Studie ‚Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum‘ 34 zu, indem sie die kultur- und bildungsgeschichtlichen Voraussetzungen der Genese frauenmystischer Literatur von ihrer lateinischen Vorgeschichte in den Viten der brabantischen mulieres sanct bis zu den dominikanischen Offenbarungs- und Vitentexten des 14. Jahrhunderts verfolgt. Der erste Teil der Monographie kann Ringlers Zurückweisung der Interpretation frauenmystischer Texte als faktographische Dokumente religiöser Lebens- und Frömmigkeitsformen in den Ergebnissen der mentalitätsgeschichtlichen Hagiographieforschung zusätzlich fundieren. Während der retextualisierende Wiedergebrauch „frei verfügbare[n] Erzählmaterial[s]“ 35 zunächst nur als methodisches Problem einer Differenzierung des „authentische[n] (‚historische[n]‘) 24 Siegfried Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 376. 25 Ibid., S. 364. 26 Ibid., S. 358. 27 Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 110. 28 Siegfried Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 9. 29 Ibid., S. 358. 30 Ibid., S. 354. 31 Ibid. 32 Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 1f. 33 Ibid., S. 4. 34 Vgl. hierzu folgende Rezensionen: Rosemary Hale, in: Speculum 68, 1 (1993), S. 239f.; Urban Küsters und Otto Langer, in: Arbitrium 9 (1991), S. 37-41; Uta Störmer-Caysa, in: Zeitschrift für Germanistik N.F. 3 (1993), S. 187-190; Martina Wehrli-Johns, in: PBB 112 (1990), S. 326-332. 35 Benedikt Konrad Vollmann, Erlaubte Fiktionalität: die Heiligenlegende, in: Fritz Peter Knapp und Manuela Niesner (Hgg.), Historisches und fiktionales Erzählen im Mittelalter, Berlin 2002 (Schriften zur Literaturwissenschaft 19), S. 63-72, hier S. 66. Methodische Vorüberlegungen 425 Kern[s]“ 36 von der pia fraus der Hagiographen 37 in die Reflexion der Geschichtswissenschaft Eingang fand, sieht die jüngere, mentalitätsgeschichtliche Forschung den wiederholten Gebrauch einzelner Stilfiguren und Redewendungen ebenso wie die Übernahme von Blöcken inhaltlichen Geschehens und die Übertragung ganzer Lebensläufe im Rahmen der kontinuierlichen hagiographischen Retextualisierung 38 als Ausgangspunkt eines adäquaten Verständnisses der Heiligenviten: Die Komposition der Texte mit Hilfe eines Formelschatzes demonstriere, daß die Funktion der Gattung nicht in der faktischen Beschreibung eines historischen Lebens aufgehe, die Hagiographen das exemplum eines Heiligen vielmehr dazu nutzten, ein Konzept von Heiligkeit zu propagieren. 39 Das Ziel der ‚neuen‘ Zugänge zur Hagiographie ist daher nicht länger die Beschreibung der „sainteté vécue“, 40 des ‚wahren‘ Lebens der Heiligen, sondern eine Rekonstruktion der „sainteté imaginée“, 41 der kollektiven mentalen Vorstellungen von Heiligkeit, die sich in der literarischen Gestaltung der ‚Lebensbeschreibungen‘ anhand historisch variabler Heiligkeitstypen manifestierten. 42 Auf der Grundlage dieser mentalitätsgeschichtlichen Forschungsergebnisse überprüft und differenziert Peters die These Grundmanns und Roisins, 43 die im 13. Jahrhundert in der Diözese Lüttich entstandenen Frauenviten böten Einblick in die beginischen Anfänge einer typisch weiblichen Frömmigkeitsform. Vor der Folie der „nouvelle hagiographie“ 44 verlöre die frauenmystische Literatur ihren „Sonderstatus als [...] trivialisierend[e ...] Realisierung“ 45 theoretischer (männlicher) Mystik, die auf der typisch weiblichen, physischen Konstitution und der daraus ableitbaren psychisch-mentalen Disposition beruhe. Vielmehr erkenne man in der „programmatische[n] 36 Franti š ek Graus, Hagiographische Schriften als Quellen der ‚profanen‘ Geschichte, in: Fonti medioevali e problematica storiografica. Atti del congresso internazionale tenuto in occasione del 90° anniversario della Fondazione dell’Instituto Storico Italiano (1883-1973). Roma 22-27 ottobre 1973, 2 Bde, Rom 1976f., Bd. I: Relazioni, Rom 1976, S. 375-396, hier S. 376. 37 Horst Fuhrmann, Die Fälschungen im Mittelalter. Überlegungen zum mittelalterlichen Wahrheitsbegriff, in: Historische Zeitschrift 197 (1963), S. 529-554; Franti š ek Graus, Fälschungen im Gewand der Frömmigkeit. 38 Vgl. Frank Bezner, Zwischen Sinnlosigkeit und Sinnhaftigkeit. Vgl. für Beispiele einer kontinuierlichen Neufassung einer Legende: Friedrich Wilhelm, Deutsche Legenden und Legendare. Texte und Untersuchungen zu ihrer Geschichte im Mittelalter, Leipzig 1907; Konrad Kunze, Studien zur Legende der heiligen Maria Aegyptiaca im deutschen Sprachgebiet, Berlin 1969 (Philologische Studien und Quellen 49). 39 Vgl. Joseph-Claude Poulin, L’idéal de sainteté, S. 39; vgl. hierzu: Wilhelm Pohlkamp, Hagiographische Texte als Zeugnisse einer ‚histoire de la sainteté‘. Bericht über ein Buch zum Heiligkeitsideal im karolingischen Aquitanien, in: FMSt 11 (1977), S. 229-240. 40 Pierre Delooz, Sociologie et canonisations. Préface de Gabriel Le Bras, Le Hayes 1969 (Collection Scientifique de la Faculté de Droit de l’Université de Liège 30), S. 7. 41 Ibid. 42 André Vauchez, La sainteté en Occident aux derniers siècles du Moyen Age; ders., Der Heilige, in: Jacques Le Goff (Hg.), Der Mensch des Mittelalters, Frankfurt/ M.; New York 1989, S. 340-373; ders., Heilige, Westkirche, in: LexMA 4 (1989), Sp. 2014f. 43 Herbert Grundmann, Die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Mystik, in: DVjs 12 (1934), S. 400-429; ders., Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Untersuchungen über die geschichtlichen Zusammenhänge zwischen der Ketzerei, den Bettelorden und der religiösen Frauenbewegung im 12. und 13. Jahrhundert und über die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Mystik (1935). Anhang: Neue Beiträge zur Geschichte der religiösen Bewegung im Mittelalter (1955), Darmstadt 1977; Simone Roisin, L’hagiographie cistercienne dans le diocèse de Liège au XIII e siècle, Löwen; Brüssel 1947 (Université de Louvain. Recueil de Travaux d’Histoire et de Philologie. 3 e série, 27 e fasc.). 44 André Vauchez, Prosélytisme et Action Antihérétique en Milieu Féminin au XIII e Siècle: La Vie de Marie d’Oignies († 1213) par Jacques de Vitry, in: Jacques Marx (Hg.), Propagande et Contre- Propagande Réligieuses, Brüssel 1987 (Problèmes d’Histoire du Christianisme 17), S. 96-110, hier S. 96. 45 Ursula Peters, Literaturgeschichte als Mentalitätsgeschichte? , S. 195. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 426 Ausrichtung der Lebensdarstellung auf bestimmte Themen“ 46 ihre Komposition auf der Grundlage eines Musters weiblicher Heiligkeit, das im 13. Jahrhundert in Brabant einsetzte und im 14./ 15. Jahrhundert in Italien seinen Höhepunkt fand: „ein auf die Betrachtung des Leidens Christi und die innere conversio des Herzens ausgerichtetes zurückgezogenes Leben zunehmender göttlicher Begnadung, an dem nur auserwählte Personen teilhaben“. 47 Bei den Viten handele es sich folglich um „zweckgerichtete[ ] Montage[n] von biographischen Materialien, hagiographischen Stereotypen und thematischen Schwerpunkten“, 48 die Schlußfolgerungen über die Lebens- und Frömmigkeitsformen der mulieres religios nicht zuließen, sondern als „programmatische Entwürfe neuer Ausdrucksformen weiblicher Religiosität“, 49 als „Vermittlung von Heiligkeitsvorstellungen, von spirituellen Programmen und ordensreformatorischen Postulaten“, 50 zu gelten haben. Diese Skepsis gegenüber dem Quellenwert frauenmystischer Texte für die Rekonstruktion lebensweltlicher Spiritualität wird - in Abgrenzung zu Ringler - im dritten, ausführlichsten Teil der Studie auf die wiederkehrende textinterne Figuration der Entstehung der Texte ausgedehnt. Die vertraute literarische Zusammenarbeit zwischen der göttlich inspirierten Frau und ihrem Beichtvater könne sowohl in der paradigmatischen Vita der Marie von Oignies als auch in den dominikanischen Nonnenviten des 14. Jahrhunderts als Teil der ‚neuen‘ Heiligkeitskonzeption ausgewiesen werden: Während die Konstellation ‚Seelsorger - Nonne‘ im ‚Supplementum‘ zur lateinischen Vita genutzt werde, um den Rollentausch zwischen theologisch gebildetem Kleriker und ungelehrter, aber begnadeter mulier religiosa als „freiwillige[ ] Unterwerfung [...] unter die in der Inkluse verkörperte paupertas Christi“ literarisch zu stilisieren, 51 werde die programmatische Figuration der Seelsorger als Initiatoren, Redaktoren und Verfasser der dominikanischen Viten als Teil des hagiographischen Programms ausgewiesen, der nicht über den tatsächlichen Entstehungsprozeß informiere, 52 da er „zur Aura des Heiligen gehöre[ ]: [D]er Schreibbefehl, Gottes Wunsch nach Verbreitung seiner Wundertaten, das Aufzeichnen spiritueller Erfahrungen in der Abgeschiedenheit, die heimliche Niederschrift durch einen Außenstehenden, der Beistand einer vertrauten Person und die Begnadung beim Schreiben“ 53 seien Teil des Begnadungsprozesses 54 und so gewährten die aus den Textentstehungsgeschichten erschlossenen, autobiographischen Aufzeichnungen - im Gegensatz zu Ringlers Hypothesen - so wenig wie die ausgeformten Viten Zugang zu einem „prädiskursiven Erfahrungssubstrat“, 55 sondern seien gleichermaßen „durch die hagiographischen Gattungstraditionen und programmatische Vorstellungen von Heiligkeit“ 56 geprägt: „Frauenmystische Werke sind in jedem Falle - das gilt für die vermuteten Basistexte wie auch ihre redaktionellen Umarbeitungen - literarisch konzipierte und intentional ausgerichtete Texte.“ 57 46 Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 36. 47 Ursula Peters, Literaturgeschichte als Mentalitätsgeschichte? , S. 195. Vgl. zu diesem Heiligkeitsideal auch: André Vauchez, La sainteté en Occident aux derniers siècles du Moyen Age, S. 243-249, 402- 410, 435-448, 472-478. 48 Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 36. 49 Ibid., S. 38. 50 Ursula Peters, Literaturgeschichte als Mentalitätsgeschichte? , S. 196. 51 Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 113f. 52 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 27. 53 Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 191. 54 Ibid., S. 146, 160f. 55 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 27. 56 Ibid., S. 27f. 57 Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 192. Methodische Vorüberlegungen 427 Sowohl die Kölner Dissertation Christine Ruhrbergs 58 als auch Susanne Bürkles Studie ‚Literatur im Kloster‘ 59 führen - wenn auch mit unterschiedlichen Fragestellungen - die Interpretation frauenmystischer Viten als programmatisch formulierte Konzeptionen weiblicher Heiligkeit weiter. In deutlicher Abgrenzung zu Ringler und Peters, die an einer Aufschlüsselung des Verhältnisses von Literatur und Realität nicht interessiert seien, 60 stellt Ruhrberg die Frage nach dem ‚Erfahrungsgehalt‘ in den verschiedenartigen Viten der Christina von Stommeln ins Zentrum ihrer Untersuchung. Der programmatische Titel - ‚Der literarische Körper der Heiligen‘ - macht dabei deutlich, daß Ruhrberg mit ihrem Insistieren auf der Kategorie der ‚Erfahrung‘ nicht zu essentialistischen Positionen zurückkehrt, sondern die vermutlich letzte Referenzgarantie frauenmystischer Texte - das weibliche Erleben der Körperlichkeit - dekonstruieren möchte, indem sie die „literarische Konstruktion dieser Frau, dieses Lebens, dieses Körpers“ 61 rekonstruiert. Da quellenkritische Studien zur beginischen Lebensform Christinas erweisen konnten, daß die verbreitete Vorstellung einer „unorthodoxe[n] neue[n] [Beginen-]Spiritualität“ 62 ein „Phantom der Forschung“ sei, 63 wählt Ruhrberg zwei methodische Ansatzpunkte, um Literarizität und Erfahrungsgehalt der Christina von Stommeln- Texte zu bestimmen. Zunächst analysiert sie die Vita des Petrus von Dacien vor dem Hintergrund des hagiographischen Gattungsrepertoires und stellt heraus, daß nicht nur die Berichte über die Stigmatisierung und die Entrückungszustände Christinas, welche die Begine als ‚neue‘, d.h. mystisch-aszetische Heilige auswiesen, 64 und die Dämonenerzählungen, die eine „Atmosphäre des Wunderbaren“ erzeugten, 65 traditionelle hagiographische Erzählelemente aufgriffen 66 und auf literarische Vorbilder verwiesen, 67 sondern auch die singuläre autobiographische Erzählperspektive des schwedischen Dominikaners 68 als textuelle Überzeugungsstrategie für das „Heiligkeitsprogramm“ der ‚Vita‘ fungiere und den Text so in die christliche Hermeneutik und das an sie gebundene Wahrheitsverständnis integriere: Die Hagiographie sei nicht an ein neuzeitliches Realitätsverständnis gebunden, ziele nicht auf die Abbildung der Wirklichkeit, sondern die Illustration vorgegebener Bedeutung. 69 Die Vita des Petrus sei somit als „Schreibtischmystik“ 70 zu charakterisieren, die nicht die realweltlichen Erfahrungen Christinas abbilde, sondern „normierte und idealisierte Erfahrungsweisen“ entwerfe. 71 Erst im letzten Kapitel ihrer Studie greift Ruhrberg die im Titel artikulierte Ausgangsthese wieder auf und unterzieht das Postulat der historischen Genderforschung, die wiederkehrende Thematisierung von Krankheit und Leiden innerhalb der Frauenviten der sanct modern 58 Christine Ruhrberg, Der literarische Körper der Heiligen. Leben und Viten der Christina von Stommeln (1242-1312), Tübingen; Basel 1995 (Bibliotheca Germanica 35). Vgl. folgende Rezensionen: Susanne Bürkle, in: PBB 120 (1998), S. 504-510; Leonard P. Hindsley, in: Speculum 73,1 (1998), S. 256-258; Gabriela Signori, in: Mittellateinisches Jahrbuch 31 (1996), S. 169-172. 59 Vgl. hierzu folgende Rezensionen: Leonard P. Hindsley, in: Speculum 77, 1 (2002), S. 151f.; Andreas Kraß, in: PBB 123 (2001), S. 491-498; Niklaus Largier, in: ZfdPh 122 (2003), S. 473-478; Johanna Thali, in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 158 (2006), S. 127-132; Werner Williams-Krapp, in: ZfdA 130 (2001), S. 464-469. 60 Christine Ruhrberg, Der literarische Körper der Heiligen, S. 354. 61 Ibid., S. 2. 62 Ibid., S. 176. 63 Ibid., S. 177. 64 Ibid., S. 231. 65 Ibid., S. 230. 66 Ibid., S. 229. 67 Ibid., S. 239. 68 Ibid., S. 203-213. 69 Ibid. 70 Ibid., S. 242. 71 Ibid., S. 163. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 428 erweise den Körper als „unhintergehbare Ebene der genuin weiblichen Erfahrung“, 72 einer kritischen Revision: Da sich „selbst noch die eigenartigsten unter den Dämonenerscheinungen [...] vollständig in die verbreiteten mittelalterlichen Dämonenlehren einordnen lassen“, 73 könne die Vorstellung, der „Einsatz von Körperlichkeit“ 74 biete im „historischen Quellenmaterial in jedem Fall einen Zugang zur gesuchten Subjektivität“, als „Vorurteil“ entlarvt werden. 75 Die „überbordende Körperlichkeit“ 76 rekurriere vielmehr auf jene vor allem von Caroline Bynum 77 herausgestellte kulturelle Konstruktion weiblicher Heiligkeit, welche die symbolische Affinität des weiblichen Geschlechts mit ‚Materie‘ und ‚Körper‘ nicht länger mit dem „virulente[n] Deutungsmuster der kirchlichen Körperverachtung“ und Misogynie erfasse, 78 sondern durch die Konzentration auf die humanitas Christi positiv umdeute: Frauen seien, so Bynum, „gerade wegen der mit dem Weiblichen assoziierten Körperlichkeit und Inferiorität besonders prädestiniert, sich mit Christus zu ‚identifizieren‘, dessen humanitas im Spätmittelalter [...] in einer breit ausgefalteten körperlichen Konkretheit erfaßt werde“. 79 In Abgrenzung zu Bynum interpretiert Ruhrberg diese Ausprägung des Konzepts weiblicher Heiligkeit jedoch nicht als „authentische weibliche religiöse Sprache“, 80 sondern als kulturelle Setzung der Hagiographen, die eine „mystische Lebensprogrammatik“ 81 propagierten und damit eine spezifisch weibliche Spiritualität erzeugten: Die „imaginierte Erfahrung“ 82 Christinas von Stommeln diene dazu, weibliche Heiligkeit an die körperliche Erfahrung Gottes zu binden; der Rekurs und beständige Appell der Viten an „körperlich gelebte Erfahrung“ sei „nicht etwa Ausgangspunkt oder das Material der Textentstehung“, 83 sondern ein „auf rhetorischem Weg zustande gekommener Entwurf von Leben“. 84 Während Ruhrberg somit die Frage nach dem Erfahrungsgehalt in das Zentrum ihrer Analyse stellt, erkennt Bürkle in der „die Forschungsdebatte [...] beherrschenden“ 85 Gegenüberstellung von Faktographie und literarischer Konstruktion eine „mißverständliche Alternative“, 86 da sie „einen für andere mittelalterliche Literaturen längst obsolet gewordenen Textbegriff ein[schließe], in dem [...] Literatur in erster Linie als bloßes Ausdrucksmedium erlebter mystischer Spiritualität und ‚uneinholbarer‘ religiöser ‚Individualität‘, als schlicht verstandene Mimesis aufgefaßt“ werde. 87 In Anlehnung an die Studie von Peters und die mentalitätsgeschichtliche Hagiographieforschung interpretiert Bürkle die Viten- und Offenbarungsliteratur des 14. Jahrhunderts nicht als Artikulation historisch-konkreter religiöser Erfahrung, sondern 72 Susanne Bürkle, Rezension zu: Christine Ruhrberg, Der literarische Körper der Heiligen, S. 509. 73 Christine Ruhrberg, Der literarische Körper der Heiligen, S. 393. 74 Ibid., S. 394. 75 Ibid. 76 Ibid. 77 Vgl. Caroline Walker Bynum, Holy Feast and Holy Fast. The Religious Significance of Food to Medieval Women, Berkley [usw.] 1987; dies., Fragmentation and Redemption. Essays on Gender and the Human Body in the Medieval Religion, New York 1991 [= dies., Fragmentierung und Erlösung. Gender Studies, Frankfurt/ M. 1996]. 78 Susanne Bürkle, Weibliche Spiritualität und imaginierte Weiblichkeit. Deutungsmuster und -perspektiven frauenmystischer Literatur im Blick auf die Thesen Caroline Walker Bynums, in: ZfdPh 113 (1994; Sonderheft: Christoph Cormeau [Hg.], Mystik), S. 116-143, hier S. 130. 79 Ibid., S. 131. 80 Christine Ruhrberg, Der literarische Körper der Heiligen, S. 443. 81 Ibid., S. 164. 82 Ibid., S. 244. 83 Ibid., S. 419. 84 Ibid. 85 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 2. 86 Ibid., S. 3. 87 Ibid., S. 4. Methodische Vorüberlegungen 429 als literarische Repräsentation des dominanten spätmittelalterlichen Typus mystischaszetischer Heiligkeit. In Bürkles Studie wird die Präsentationsform der Texte als „erfahrungsbezogene[ ] Selbstäußerung“ daher ausschließlich in ihrer „rhetorischen Konstruktion und der literaturhistorischen Bedingtheit“ 88 in den Blick genommen, d.h., der „referentialisierende Sog“ der Texte, ihre „konkret-sinnliche Unmittelbarkeit“ und „Erfahrungshaftigkeit“ soll als die „neue literarische Qualität“ 89 der volkssprachlich-religiösen Literatur aufgezeigt und auf ihre Funktion befragt werden. Die „literarische Potenz“ der Texte i.S. ihres Vermögens, einen „Realeffekt“ zu erzeugen, 90 führt Bürkle vorrangig auf die spezifische Ausgestaltung der Erzählinstanz und die offene, tendenziell unabgeschlossene Komposition der Texte zurück. Im Rahmen der Untersuchung der „immanente[n] Poetik und rhetorischen Legitimation frauenmystischer Einzeltexte“ 91 kann Bürkle eine textsortenspezifische Ausgestaltung der Erzählinstanzen erweisen, die das erzählte Geschehen (den genrespezifischen Anforderungen an Wahrheit und Faktizität entsprechend) legitimierten: Konturierten sich die Erzählinstanzen der ‚Nonnenbücher‘ als am erzählten Geschehen beteiligte Autoren 92 und rekurrierten somit auf die topische Begründung der Geschichtsschreibung durch Augenzeugenschaft, 93 um die auctoritas zur Abfassung einer „personenbezogene[n] Form einer Klostergeschichte“ 94 zu erhalten, sei in den volkssprachlichen Offenbarungstexten „die Niederschrift von religiöser Praxis und Erfahrung und die Verschriftlichung von ‚Leben‘ und göttlichen Offenbarungen“ 95 allein an die Mystikerin gebunden, wodurch der Schreibvorgang selbst in das Gnadengeschehen einbezogen und die Rezeptionshaltung entscheidend verschoben würden: „Als Effekt und Qualität eines so organisierten Textes erscheint das beschriebene, im weitesten Sinne mystische Geschehen als persönlich verbürgter Bericht mystischer Erfahrung oder sogar als quasiautobiographischer Text im schlichten Verständnis.“ 96 Dieser durch die Figur der schreibenden Mystikerin evozierte referentialisierende Sog werde durch typenspezifische Komponenten der frauenmystischen Einzeltexte verstärkt: Die wenig stringente Struktur ebenso wie die „Kombinatorik [...] unterschiedlicher Schreibweisen“ erzeuge eine „konzeptionelle ‚Offenheit‘“, 97 die eine Unabgeschlossenheit von ‚Leben‘ und ‚Werk‘ anzeige, 98 die als textueller Authentizitätseffekt auch die sporadisch „wechsel[nden] Erzählpositionen“ 99 umfasse. In deutlicher Abgrenzung gegen Ringler und Peters 100 lehnt es Bürkle aus „erzähllogischen“ Gründen 101 sowohl für die ‚Offenbarungen‘ Adelheid Langmanns als auch für die ‚Gnadenvita‘ Christine Ebners ab, den sporadischen Wechsel der Erzählperspektive zu einer Ich- Narration als Rückstände einer „ursprünglich in Ich-Form gehaltenen“, das meint zugleich „vorliterarischen“ 102 Textschicht zu interpretieren. Die Ich-Form werde vielmehr erzählstrategisch eingesetzt, um eine „Ineinssetzung von erzähltem Ich und Autorin“ 103 zu provozieren 88 Niklaus Largier, Rezension zu: Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 474. 89 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 5. 90 Ibid. 91 Ibid., S. 159. 92 Ibid., S. 159f. 93 Ibid., S. 161. 94 Ibid., S. 191. 95 Ibid., S. 265. 96 Ibid., S. 266. 97 Ibid., S. 267f. 98 Ibid., S. 284. 99 Ibid., S. 267. 100 Ibid., S. 275-277 und S. 284-286. 101 Ibid., S. 284. 102 Ibid., S. 278. 103 Ibid. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 430 und den Texten somit eine „autobiographische Valenz“ 104 zu verleihen, da es zum Wesen der Ich-Erzählung gehöre, eine „Garantie für Authentizität“ 105 zu suggerieren. So wie die Figuration der vertrauten Freundschaft zwischen Beichtvater und Mystikerin in den lateinischen Viten der Wahrheitsbeteuerung und die Gestaltung des Schreibaktes als „Intensivierung und Reaktualisierung religiöser Erfahrung“ 106 in den Einzelviten der Authentisierung diene, ziele die Emphase und Rhetorik des Ich, 107 die im subjektiven Gestus der Ich-Erzählung impliziert sei, auf die Erzeugung eines authentisierenden Sogs, der letztlich die „Verschleierung“ des Status der Fingiertheit 108 bewirken möchte. Vor dem Hintergrund der skizzierten Studien wird die von Rieder gebrauchte, jedoch auch in der neueren Forschung immer wieder aufgegriffene Dichotomie zwischen erfahrungshafter Unmittelbarkeit und literarischem oder gar kriminellem Konstrukt obsolet, da sich der Wiedergebrauch textueller Muster im ‚Gottesfreundcorpus‘ von gängigen diskursiven Praxen der Hagiographie und Mystik kaum unterscheidet; im Zusammenhang einer nachweislich fingierten Stifterfigur wird vielmehr die Analyse der Verfahren und Funktionen der Inszenierung erfahrungshafter Selbstäußerung besonders virulent, d.h., die Gegenüberstellung von ‚Erleben‘ und ‚Literatur‘ verschiebt sich zur Frage nach dem Status der Erfahrungs b e h a u p t u n g : Reklamiert das Corpus der ‚Gottesfreundliteratur‘ einen außertextuellen, faktischen Bezugspunkt, liegt somit eine Täuschungsabsicht vor, oder suspendieren die Texte eine Referenzbildung und nutzen einen der modernen Kategorie der Fiktionalität äquivalenten Status, um in einem komplexen, aber auf Durchschaubarkeit angelegten Verfahren eine exemplarische Autoritätsfigur zu etablieren? Das folgende Kapitel sucht diese Frage zu beantworten, indem die Verfahren der Textproduktion des ‚Grünen Wörth‘ rekonstruiert und der innerdiegetisch sowie paratextuell vorgenommenen Rezeptionslenkung gegenübergestellt werden. Die eingangs vorgenommene produktionsästhetische Analyse legt ihr Augenmerk dabei nicht auf die (durchaus interessante) Identifizierung weiterer im ‚Gottesfreund‘-Corpus verarbeiteter Vorlagen, da die Dokumentation retextualisierender Praktiken von der Verwendung vorgängiger Motive bis zur identischen Übernahme vollständiger Textpassagen lediglich den wiederholten Nachweis der Kompetenz der Manuskriptwerkstatt in hagiographischen wie mystischen Textpraktiken erbringen könnte. Statt dessen wird die Untersuchung das ‚b ch von dem meister‘, das ‚b ch von den nún veilsen‘ und das ‚b ch von den zwey menschen‘, für die in der Forschungsliteratur bereits konkrete Quellen identifiziert werden konnten, 109 auf die in ihnen erkennbaren Bearbeitungs v e r f a h r e n befragen. Obwohl auch für weitere im Straßburger Corpus tradierte Texte Vorlagen benannt werden konnten, 110 rechtfertigt die prominente 104 Ibid., S. 280 in Anlehnung an: Alois M. Haas, Deutsche Mystik, S. 297. 105 Ibid., S. 278. 106 Ibid., S. 266. 107 Ibid., S. 284. 108 Ibid., S. 34, Anm. 97. 109 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 4.2, 4.3.1. 110 Neben jenen Texten, die im folgenden im Zentrum der Untersuchung stehen und deren Vorlagen im weiteren detailliert diskutiert werden sollen, konnten bisher für folgende Texte konkrete Vorlagen identifiziert werden: Ruusbroocs ‚Brulocht‘ diente so als Grundlage für das ‚b ch von der fúrkomenen gnoden‘ (Wolfgang Eichler, Jan van Ruusbroecs ‚Brulocht‘ in oberdeutscher Überlieferung; ders., Methodische Vorüberlegungen 431 Position der ausgewählten Materien im Überlieferungsverbund gegenüber der singulären Tradierung des ‚b ch von der fúrkomenen gnoden‘ (A, Bl. 122 r -130 r ), des ‚b ch von den drien durch brúchen‘ (A, Bl. 106 v -111 r ) und des ‚baner b chelin‘ (A, Bl. 111 r -119 r ) diese Konzentration der Analyse. Die detaillierte Auseinandersetzung mit den retextualisierenden Gestaltungskonzepten des Corpus gründet sich auf zwei methodische Überlegungen. Zum einen sucht der Vergleich der ‚Gottesfreund‘- Texte mit konkreten Vorlagen das methodische Schlüsselproblem einer literaturwissenschaftlichen Adaptation der rhetorischen Text-Analyse 111 zu umgehen: die Unentscheidbarkeit des ontologischen Status stereotyper Verwendung von Topoi zwischen Fakt und Fiktion. Formgeschichtliche sowie textkritische Untersuchungen können das zentrale Bezugssystem der ‚Gottesfreundliteratur‘ über eine rhetorische Prägung hinaus als Textwelt offenlegen, welche die Sammlung als literaturinternes Rezeptionsphänomen kennzeichnet, das sich nicht aus außertextuellem Geschehen speist, gleichwohl den Anspruch auf Referenz ermöglicht. Zum anderen erlaubt gerade ein kleinschrittiger Vergleich zwischen Ausgangstext und Bearbeitung eine Rekonstruktion der historischen Aussagekraft und Funktion des Corpus, da nur im Rekurs auf die Quellen die literarische Tradition aufscheint, in welche sich die in vielen Aspekten singulären und in gattungstheoretischer Reflexion zurückhaltenden Texte einschreiben. Die Art und Weise der Bearbeitung läßt so die Anknüpfung an literarische Konventionen ebenso wie ihre Durchbrechung erkennen und erlaubt daher Rückschlüsse auf die intendierte Rezeptionshaltung. Erst der zweite Schritt - die Zusammenschau der erarbeiteten Verfahren der Textproduktion mit der Figuration des Schreibens in paratextueller Rahmung und innertextueller Inszenierung - kann das zeitgenössische Verständnis der Berufung auf ‚Erleben‘ und der Gestaltung der Texte als ‚Erfahrung‘ zwischen fiktionaler Selbstanzeige durch das Fiktionssignal des Dementis und einer „Verschleierung [...] der Fingiertheit“ zum Zweck einer authen- Zur Rezeption von Ruusbroecs ‚Geistlicher Hochzeit‘ in Oberdeutschland). Denifle konnte zudem nachweisen, daß der Traktat ‚Von den drîn fragen‘ nicht nur im ‚b ch von dem meister‘, sondern auch im ‚b ch von den drien durch brúchen‘ bearbeitet wurde (Heinrich Seuse Denifle, Taulers Bekehrung, S. 38-41). Schließlich weisen Strauch und Steer auf Parallelen zwischen dem ‚baner b chelin‘ und einer ‚Passionscollatie‘ Taulers hin, die in Hildesheim, Dombibliothek, 724b, Bl. 110 v - 115 r , überliefert ist: Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage II. Steer scheint sich im Verfasserlexikonartikel ebenfalls auf diese Handschrift zu beziehen, Strauchs Numerierung der einzelnen Traktate und Predigten der Hildesheimer Handschrift jedoch als Codex-Angaben mißverstanden zu haben, wenn er schreibt: „Die unmittelbare Quelle ist jedoch eine ‚Passionscollatie‘ aus den Kreisen der Brüder vom gemeinsamen Leben, erhalten in der Hs. Hildesheim, StB, cod. 17, 110 v -115 r “ (Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 427). Zur weiteren Überlieferung der Vorlage vgl. Walther Dolch, Die Verbreitung oberländischer Mystikerwerke im Niederländischen. Auf Grund der Handschriften dargestellt. Teil I, Leipzig 1909, S. 85f. 111 Wilhelm Pohlkamp, Hagiographische Texte als Zeugnisse einer ‚histoire de la sainteté‘, S. 237. Zur Kritik an der rhetorischen Analyse der Textentstehungsgeschichten mystischer Literatur: Urban Küsters und Otto Langer, Rezension zu: Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, bes. S. 40; Markus Schürer, Die Findung des Heiligen. Dominikus von Guzmán und Petrus Martyr als Figuren zwischen Topik und Singularität, in: Gert Melville und Markus Schürer (Hgg.), Das Eigene und das Ganze. Zum Individuellen im mittelalterlichen Religiosentum, Münster 2002 (Vita regularis 16), S. 339-377, bes. S. 339-343. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 432 tisierenden Täuschung einordnen, 112 d.h., die Funktion der textuellen Inszenierung erfahrungshafter Selbstäußerung, den textuellen Effekt des ‚Erlebens‘ erfassen. Diese Rekonstruktion der zeitgenössischen Deutung des Corpus soll abschließend durch die Analyse der Überlieferung der Texte außerhalb der Komturei überprüft werden: Neben dem Nachweis, daß - entgegen Rieders Vermutung - die gesamte Tradierung der Texte des Corpus außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ chronologisch erst nach den Aufzeichnungen in der Komturei erfolgt 113 und zudem a l l e überlieferten Textzeugen auf die Handschriften des ‚Grünen Wörth‘ rekurrieren, die Texte in der vorliegenden Gestaltung somit in der Komturei entstanden sind, deren textuelle Produktionsverfahren folglich nicht in der Identifizierung der handelnden Figuren mit (historischen) Personen aufgehen - geben Tradierungsformen und Überlieferungszusammenhang Aufschluß über das Interesse an der ‚Gottesfreundliteratur‘ und gewähren folglich einen Einblick in die historische Durchsichtigkeit des allegorischexemplarischen Charakters der Gottesfreund-Figur und die Gültigkeit eines (modernen) Lektüremodells, das auf eine „sinnstiftend vereindeutigende Verbindung von Leben und Werk“ 114 zielt. 112 Vgl. Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 34, Anm. 97, die jedoch vor dem Hintergrund der mittelalterlichen „Nichtunterscheidung von Fiktion und Realität“ die Topik der Authentisierungsstrategien der Texte nicht als Selbstanzeige, sondern „Suspendierung des Fiktiven“ interpretiert: „Als produktionstheoretische Fiktionssignale könnten hier allenfalls die Topoi der Wahrheitsbeteuerung (Augenzeugenschaft und Zeugenbefragung [...]), im Sinne eines Dementis begriffen werden. Doch sind diese dem hagiographischen Texttyp immanent und dienen der Beglaubigung und damit letztlich ‚Verschleierung‘ des Status der Fingiertheit.“ 113 Vgl. die Handschriftenbeschreibungen auf S. 231-293 und zusammenfassend 294-307. 114 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 245. 4.2 Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 4.2.1 Überblick über die Fassungen des ‚Neunfelsenbuches‘ Das ‚b ch von den nún veilsen‘ ist als die „bedeutendste“ 115 der Merswin-Schriften das in der Forschung am ausführlichsten behandelte Werk; seit Strauchs Aufsatz ‚Zur Gottesfreund-Frage‘ und der sich anschließenden Edition 116 ist es üblich, drei verschiedene Textfassungen der ‚nún veilsen‘ zu unterscheiden: 117 Neben der lateinischen Übersetzung, die der honestus et deuotus lector bone memorie frater Johannes de schaftoltzheim, ordinis fratrum heremitarum sancti augustini (C, Bl. 1 v ; Rieder 1905, S. 49*21- 23) 118 anfertigte, sind zwei volkssprachliche Textformen tradiert: die Version Rul- 115 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 236. 116 Merswins Neun-Felsen-Buch. (Das sogenannte Autograph), hg. von Philipp Strauch, Halle/ S. 1929 (Schriften aus der Gottesfreund-Literatur 3; ATB 27). 117 Vgl. zur Diskussion um ein zusätzliches beghardisches ‚Neunfelsen‘-Buch: Alexander Patschovsky, Straßburger Beginenverfolgung im 14. Jahrhundert, in: Deutsches Archiv 30 (1974), S. 56-198, bes. S. 118-125; Franz-Josef Schweitzer, Der Freiheitsbegriff der deutschen Mystik; Robert E. Lerner, The Heresy of the Free Spirit in the Later Middle-Ages, Berkley [usw.] 1972. Die Existenz eines häretischen ‚Neunfelsenbuchs‘ erschließt die Forschung seit Johann Lorenz Mosheims ‚De Beghardis et Beguinabus commentarius‘ (Lipsiae 1790) aus dem Codex 311 Helmst. der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, einer Sammelhandschrift aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die Dokumente zur dogmatischen Beurteilung der Beginenbewegung im allgemeinen und zu Straßburger Beginenprozessen im besonderen vereinigt (für eine ausführliche Beschreibung und Inhaltsangabe vgl. Alexander Patschovky, Straßburger Beginenverfolgung, S. 58-70). Der Traktat ‚de novem rupibus spiritualibus‘ wird in diesem Codex zwei Mal explizit erwähnt: Das Formular, das die Inquisitoren während der Straßburger Beginenverfolgung unter Bischof Lamprecht von Brunn im Jahr 1374 für ihre Verhöre nutzen sollten, schließt mit der Frage, ob die Angeklagte von quendam librum theotunicum [sic! ] Kenntnis habe, qui intitulatur ‚De novem rupibus‘ - vulgariter dicendo; dz b ch von den nùn feilsen‘ -, in quo dicuntur multa fidei katholice dissona contineri (zit. nach ibid., S. 184). Da die einzige inhaltliche Charakterisierung - der Relativsatz „in dem vieles mit dem katholischen Glauben nicht Übereinstimmendes enthalten sei“ - keine konkreten Aussagen über die ketzerischen Elemente des Buchs macht, ist die Beziehung des hier erwähnten Textes zu den tradierten volkssprachlichen Fassungen der ‚Neunfelsen‘ nicht zu bestimmen. Auch die zweite Erwähnung des Traktates - eine Marginalglosse zum 1317 verfaßten Publikationsschreiben des Beghardenprozesses unter Bischof Johann von Straßburg - erlaubt keine inhaltliche Konkretisierung des verworfenen Buchs, wurde von der Forschung jedoch zur Datierung des Textes benutzt. Der Vorwurf, die Begharden könnten sich an nichts erfreuen und durch nichts in Unruhe versetzt werden, wird am Rand kommentiert: in nona rupe (ibid., S. 135, Variante j). Indem Patschovsky nachweisen konnte, daß es sich beim Glossator der gesamten Handschrift um den Basler Domkanoniker Heinrich von Sachsen handelt, der zum Zeitpunkt des letzten in der Handschrift dokumentierten Prozesses (1374) als iudex quator ordinum mendicantium (ibid., S. 73) tätig war (ibid., S. 70-77), kann die übliche Datierung des häretischen Buchs auf das Jahr 1317 auf Mosheims Integration der Glosse in den Haupttext seiner Edition zurückgeführt und das Jahr 1374 als neuer terminus ante quem erwiesen werden (ibid., S. 123; Robert E. Lerner, Heresy, S. 210), woraus folgt, daß auch Merswins - auf 1352 datierte - Textfassung mit dem beghardischen Buch identifiziert werden könnte. Da es sich darüber hinaus bei dem von Mosheim gegebenen Auszug aus dem häretischen ‚Neunfelsenbuch‘ um ein deutsches Exzerpt der 1329 verurteilten Lehrsätze Meister Eckharts handelt (Philipp Strauch, Gottesfreund-Frage I, S. 285; vgl. auch: Patschovsky, Beginenverfolgung, S. 122), bleiben die Quellenaussagen zum häretischen ‚Neunfelsenbuch‘ zu unspezifisch, um seine Beziehung zu den tradierten volkssprachlichen Textformen zu bestimmen; sogar die Existenz des Buchs kann bezweifelt werden. Schweitzer kommt so zu dem Schluß: „So könnte man das begardische ‚Neunfelsenbuch‘ [...] endgültig aus der mystischen Literatur verbannen, wenn nicht ein gewisser Zweifel bliebe“ (Franz-Josef Schweitzer, Der Freiheitsbegriff der deutschen Mystik, S. 183). 118 Zu Johannes von Schaftoltzheim vgl. S. 136 mit Anm. 169. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 434 man Merswins und eine zweite, kürzere Fassung, die aufgrund der Augsburger Drucke der Werke Seuses aus den Jahren 1482 119 und 1512 120 lange Zeit dem Dominikaner zugeschrieben wurde. Eine genauere Einsicht in die Überlieferung zeigt jedoch, daß die große Variation innerhalb der drei bisher unterschiedenen Fassungen eine weitere Differenzierung notwendig macht. Zur lateinischen Version des Johannes von Schaftoltzheim, die - nach den Angaben der redaktionellen Einleitung zum ‚zweiten übriggebliebenen Lateinbuch‘ - auf der Textfassung Rulman Merswins beruht und die auch in der Kreuzbruder-Handschrift des Historischen Archivs der Stadt Köln (GB 4° 100) fragmentarisch überliefert wird, 121 treten weitere lateinischsprachige Texte, die sich aus verschiedenen anderen Fassungen des ‚Neunfelsen‘- Stoffes ableiten: In der Berliner Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz findet sich in Ms. Magdeburg 174 122 eine lateinische Übersetzung des zweiten Teils der Kurzfassung, die auf der Grundlage der volkssprachlichen Textversion entstanden ist, wie Strauch anhand sinnentstellender Übertragungen ins Lateinische nachweisen kann: 362, 35 [diese und die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf die Edition von Schmidt 1859] und beginnent denn ser schlaffen ‚erschlaffen‘ giebt μ [= Ms. Magdeburg 174] durch et sic tepescunt et incipiunt d o r m i r e wider; selbst wenn tepescunt übersetzung von schlaffen sein sollte, weist incipiunt dormire daneben doch auf eine vermischung von slaffen und slâfen. 376, 28 ir leiblich leben: in μ amabilis vita ! 378, 33fg. wysse das dyses hinderst teyl das hyr geschriben ist von dysem neunden velsen: in μ scias quod c e n t e s i m a pars huius noni rupis utilior est ecclesie quam omnia quae in isto libro scripta sunt; die vorlage von μ bot wol, wie auch Merswin meist, wenn auch nicht gerade an dieser stelle [...] schreibt, húnderst, hunderst. 383, 6 er gedacht er w lt gern davon schreiben: μ schreibt, für scriben : sterben lesend, et cogitavit quod libenter inde vellet m o r i sicud sibi praedictum fuit, fährt dann aber richtig, scribere voraussetzend, fort [...]. 386, 29 fg. und wie klein dise vorcht ist, so last sy doch got kein weil (‚einige zeit‘, Merswin 133, 29 keinne lenge kann auch nur meinen ‚eine unbestimmte zeit lang, ein weilchen‘ [...]) dar inne : μ missverstehend et licet p a u c i sint, tamen deus non permittit eos dudum ibi. 123 Ebenfalls auf der Kurzfassung des ‚Neunfelsen‘-Stoffes beruht die lateinische Übertragung des Kölner Kartäusers Laurentius Surius, die er 1553 in sein ‚Compendivm verae salutis‘ 124 integriert, da er - so erläutert Surius in seinem Dedikationsbrief an den Lübecker Dekan Johannes Tidemann - den heiligen Heinrich Seuse als den Verfasser des tractatvs alter: Qui in Germanico inscribitur ‚De nouem Rupibus‘ (Bl. 115 v ) ermitteln könne (Bl. 2 r -3 r ). Beigegeben ist dem Traktat eine ‚Explanatio svccincta et perspicua novem rvpivm, per Nouem ver Salutis, & Abnegationis suiipsius Gradus, 119 ‚Das Buch genannt Seuse‘, Augsburg: Anton Sorg, 1482 (GW M 44616) 120 ‚Diss buch das da gedicht hat der erleücht vater Amandus, genannt Seüß / [...]‘, Augsburg: Johann Othmar, 1512 (VD 16 S 6097; zit. nach dem Exemplar der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln: GB IV 1952) 121 Vgl. die Ausführungen zur Textgestalt in der Handschriftenbeschreibung S. 291-293. 122 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 293. 123 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 241f. 124 ‚Compendi-||vm verae salv-||tis, continens Tractatus duos le-||pidos iuxtà àc pios, ex germa- ||nico nunc demùm redditos || Latinè per F. Laurentium || Surium Carthusianum Coloniensem, Köln: Johannes Quentel (Erben), 1553 (VD 16 ZV 14640), Bl. 115 v -179 v (Exemplar der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln: Wallraf F V 265). Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 435 avthore D. Henrico Harphio‘, 125 um sowohl die ‚Neunfelsenvision‘ als auch die Aussagen über die Bewohner der einzelnen Felsen, die aliquot locis subobscura sunt (Bl. 180 r ), verständlicher zu machen. Dieser angefügte Kommentar ist eine lateinische Redaktion des 60. Kapitels von Hendrik Herps ‚Spieghel der volcomenheit‘, 126 eine wohl von der Fassung Merswins wie der Kurzversion des ‚b ch von den nún veilsen‘ unabhängige Bearbeitung 127 des Motivs der neun Stufen oder Grade der Vervollkommnung des Menschen, welches zur Topik visionärer Literatur zu rechnen ist. Der von Surius im ‚Compendium‘ erstmalig geschaffene Textverbund der lateinischen Kurzfassung mit der aus dem Überlieferungsverbund des ‚Spieghel‘ ausgeschiedenen Bearbeitung Herps findet - unterstützt durch die Autorzuweisung an Seuse - eine weite Verbreitung: Der Aufnahme in die ebenfalls von Surius besorgte lateinische Ausgabe der ‚Opera omnia‘ 128 Seuses von 1555 folgen zahlreiche lateinische Nachdrucke sowie Übersetzungen in verschiedene europäische Sprachen. 129 Auch die bisher der Merswin-Fassung zugeordneten Textzeugen überliefern verschiedene Bearbeitungen des im ‚Grünen Wörth‘ entstandenen Textes, die sich durch eine unterschiedlich stark ausgeprägte Abbreviationstendenz in drei Klassen gruppieren lassen: Sowohl die beiden Straßburger Textzeugen (A, Bl. 130 v -192 r ; J) 130 als auch Fr 470 131 überliefern die vollständige, ausführlichste Redaktion der Merswin zugeschriebenen Version. Während die Handschrift der Eichstätter Benediktinerabtei St. Walburg, Cod. germ. 2, 132 ausschließlich den zweiten Teil dieser Textform, das Offenbarungsgeschehen, tradiert, ohne weitere redaktionelle Eingriffe vorzunehmen, bietet die zweite Textgruppe - bestehend aus München, Bayerische Staats- 125 Ibid., ohne Blattzählung (Bl. 180 v -190 r ). 126 Lucidius Verschueren, Inleiding, in: Hendrik Herp O.F.M., Spieghel der volcomenheit, hg. von Lucidius Verschueren, Antwerpen 1931, S. 140. Vgl. auch: Joachim Vennebusch, Die Bücher der Kölner Kartäuser. Zur Geschichte der Klosterbibliothek (1451-1794), in: Rainer Sommer (Hg.), Die Kartause in Köln. Festschrift der evangelischen Gemeinde Köln zum 50. Jahrestag der Einweihung der Kartäuserkirche in Köln zur evangelischen Kirche am 16. September 1978, Köln 1978, S. 77-104, hier S. 85. Zur sehr komplexen Textgeschichte des 60. Kapitels, das eine Bearbeitung der 26. Predigt der von Herp verfaßten, lateinischsprachigen Abhandlung über die Kontemplation ‚Eden contemplativum‘ darstellt, vgl.: Lucidius Verschueren, Inleiding, S. 139-141, und den sich anschließenden tabellarischen Vergleich der unterschiedlichen Redaktionen o.S. 127 Die von Lucidius Verschueren (Inleiding, S. 119) eingeführte und von de Troeyer (Benjamin de Troeyer, Hendrik Herp, in: ders., Bio-Bibliographia Franciscana Neerlandica Ante Saeculum XVI. I. Pars Biographica, Nieuwkoop 1974, S. 108-123, hier S. 114) übernommene Identifizierung der Vorlage Herps mit Merswins Fassung der ‚Neunfelsen‘ wird bereits durch Verschuerens Charakterisierung von Herps Bearbeitung als „tamelik vrij, zodat letterlike ontleningen betrekkelik zeldzaam zijn“, wenig plausibel: „Het beeld van de 9 rotsplateau’s, waarlangs de ziel gevoerd wordt om de verschillende soorten Kristenen te beschouwen, is geheel verdwenen. Ook veel duisterheden en langdradige uitweidingen zijn geheel vervallen [...]. Het is interessant ook hier weer te constateren, hoe Herp zijn bron in een bepaalde zin interpreteert“ (Lucidius Verschueren, Inleiding, S. 119). 128 ‚D. Henrici || Svsonis, Viri Sancti||tate, Ervditione et || miraculis clari, Opera (qu quidem haberi po||tuerunt) omnia nunc demum post an||nos ducentos e Sueuico idiomate Latine translata per F. Lau||rentium Surium Car||thusianum‘, Köln: Johannes Quentel, 1555, S. 342-410 (VD 16 S 6098; zit. nach dem Exemplar der Kölner Universitäts- und Stadtbibliothek: GB IV 6748) 129 Vgl. die Zusammenstellung bei Lucidius Verschueren, Inleiding, S. 122-124. 130 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 45-74; 209-216. 131 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 260f. 132 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 267f. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 436 bibliothek, Cgm 452, 133 und Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 2626 134 - eine Kurzfassung der Rulman-Merswin-Version des ‚Neunfelsenbuchs‘, die das Textgeschehen nicht nur auf die Vision reduziert, sondern durch Umstellungen und Auslassungen 135 so stark in ihre Vorlage eingreift, daß die Übereinstimmung mit der kürzeren Textversion auf den ersten Blick zu überwiegen scheint: Dass es sich wirklich um kürzung der Merswinschen textgestalt handelt, erhellt daraus, dass cgm. 452 an andern stellen nur mit dieser, nicht mit der kürzeren bei Diepenbrock [= Heinrich Suso’s, gen. Amandus, Leben und Schriften, Augsburg 3 1854] übereinstimmt. Vereinzelte berührungen mit der fassung bei Diepenbrock erklären sich aus der von mm [= Cgm 452] angestrebten, um vieles knapperen textform. Merswins erweiterungen und widerholungen der vorlage hat mm gelegentlich wider so zusammengezogen, dass diese neugewonnene kurze textgestalt dem ursprünglichen texte bei Diepenbrock sich abermals nähert. Das hat nichts auffallendes, denn die redseligen ergüsse und widerholungen Merswins treten so aufdringlich zu tage, dass ein redactor, der kürzen wollte, ohne besonderes geschick hie und da der urform nahe kommen musste. 136 Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. III. 1. 2° 4, 137 und St. Gallen, Benediktinerabtei, Cod. 967, 138 nehmen eine Zwischenposition ein, da sie zwar beide Teile des ‚Neunfelsen‘-Buchs tradieren, jedoch gelegentlich „grössere ([Schmidt 1859] 50,8- 51,7. 56,3-63,25. 64,28-65,5. 145,21-146,17) und kleinere auslassungen“ 139 zeigen, d.h. eine Kürzung durch Straffung redundanter Formulierungen im gesamten Textverlauf anstreben. Aufgrund der Breite und Heterogenität der überlieferten Textformen ist es notwendig, die folgende Untersuchung auf die Textfassung Rulman Merswins zu beschränken. Deren lateinische Fassung, erstellt vom Augustinereremiten Johannes von Schaftoltzheim, bleibt aus der Analyse ausgeschlossen, da sie als offensichtlich nachträgliche Bearbeitung für die Untersuchung der Verfahren der Textkonstitution auf dem ‚Grünen Wörth‘ nur von nachgeordnetem Interesse ist. Bereits die Zeitgenossen bemerkten, daß die im ‚zweiten übriggebliebenen Lateinbuch‘ (C) 140 enthaltene Textform von den deutschen Textzeugen innerhalb des ‚Grünen Wörth‘ abweicht: H ij quatuor sexterni de nouem rupibus cum alijs sequentibus materijs et capitulis fuerunt vna particularum pertinencium in latinum memorialem librum, in quo coadmate [sic! : coadiute ? ] sunt omnes materie tractantes seu testimonium perhibentes qualiter scilicet domus hec viridis insule a principio sui hucusque est 133 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 268f. 134 Vgl. Werner Fechter, Inzigkofen, S. 60-62. Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 270. 135 „Im einzelnen ist zu bemerken, dass eine umstellung in mm - auf Schmidt [1859] 69, 13 [...] folgt inhaltlich zunächst 76, 33-80, 20 [...] und dann 69, 26-77, 8 [...] - wol sicher auf die directe vorlage zurückzuführen ist, dass gegen schluss (insb. von Schmidt s. 121 an) die kürzungen stark zunehmen: es sind in mm fortgefallen die partien bei Schmidt 115, 31-116, 34. 120, 2-121, 8. 129, 8-130, 14“ (Philipp Strauch, Gottesfreund-Frage I, S. 261). 136 Ibid. 137 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 257f. 138 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 262-265. 139 Philipp Strauch, Gottesfreund-Frage I, S. 260. 140 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 129-139. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 437 deducta et renouata Et quia liber harum nouem rupium in uerbis non ex toto cum wlgari theutonico concordat, prout eadem uerba a sui principio a spiritu sancto processerunt id circo eaedem materie sic manserunt remanentes et extra stantes et iterato de nouo directe secundum wlgare theutonicum in prenominatum primum scilicet memorialem librum sunt innodate Capitula tamen omnia libri eiusdem de nouem rupibus in utraque parte concordant in materia et in significacione hoc dempto quod aliqualiter discordant in uerbis idcirco quia exemplar presentis libri cum aliquibus incidentibus applicitum [sic! ] est ad sacram scripturam, prout honestus et deuotus lector bone memorie frater Johannes de schaftoltzheim, ordinis fratrum heremitarum sancti augustini, fieri procurauit et in librariam eiusdem ordinis in argentina poni fecit (Bl. 1 v , Rieder 1905, S. 49*9-24) [Diese vier Sexternionen über die neun Felsen mit weiteren, sich anschließenden Materien und Kapiteln waren eines der Teilstücke, die dem lateinischen Memorialbuch angehörten, in dem alle Gegenstände zusammengefaßt sind, die davon handeln und davon Zeugnis ablegen, wie dieses Haus auf dem ‚Grünen Wörth‘ von seinem Anfang bis heute errichtet und erneuert wurde. Und weil das Buch dieser neun Felsen in seiner Wortwahl nicht gänzlich mit der deutschen Volkssprache übereinstimmt, so wie dieselben Worte in ihrem Ursprung vom Heiligen Geist ausgingen, deshalb blieben dieselben Materien übrig und außerhalb stehend und wurden von neuem, nochmals in genauer Übereinstimmung mit der deutschen Volkssprache in das zuvor genannte erste [d.h.] Memorialbuch hineingeknotet/ eingebunden. Dennoch stimmen alle Kapitel eben dieses Buches über die neun Felsen in beiden Teilen in Inhalt und Bedeutung überein, wenn man das vernachlässigt, worin sie irgendwie nicht übereinstimmen, weil sich das Exemplar des vorliegenden Buches in manchen Zusätzen an die Heilige Schrift anlehnt, so wie es der ehrenwerte und demütige Lektor, der selige Bruder Johannes von Schaftoltzheim, Augustinereremit, besorgen und in die Bibliothek eben dieses Ordens in Straßburg stellen ließ.] Die volkssprachliche Einleitung des Manuskripts beschreibt das Verhältnis der lateinischen zur volkssprachlichen Fassung ebenso: Die lateinische Textversion sei zwar eine Übertragung der Version Merswins, biete jedoch sowohl auf der Bibel beruhende Zusätze (z geleiten glosen us der geschrift; C, Bl. 1 r ; Rieder 1905, S. 48*1f.) als auch Kürzungen (missehillet dem tútschen an abe gebrochenen worten; ibid.). Diese textgenetischen Ausführungen scheinen durch die in der Einleitung zu Strauchs Edition gegebenen Auszüge aus dem Kapitel über die Ehe eindrücklich bestätigt: 141 Der Lesemeister der Augustinereremiten nahm eine „freie, Merswins Redseligkeit einschränkende, gelegentlich aber auch Dogmatisches weiter ausspinnende und mit Stellen der heiligen Schrift belegende lat[einische] Übertragung“ vor, 142 die den Text offenbar in einen neuen Gebrauchszusammenhang stellen wollte: Die Ausrichtung auf ein klerikales Publikum - erkennbar an der eingehenden Auseinandersetzung mit den Mendikanten, 143 der Kommentierung der Gehorsamspflicht und des Armutsgelübdes 144 sowie den Anleitungen für Konventualen 145 - scheint zudem auch eine plausible Erklärung für den Ausschluß der Übertragung aus dem lateinischen Memorial zu geben, auch wenn es rätselhaft bleibt, wieso diese Differenzen erst nach der Abschrift entdeckt wurden. Obwohl die Amtszeit des Johannes als Generalvikar des Bischofs 141 Philipp Strauch, Einleitung, in: Merswins Neun-Felsen-Buch. (Das sogenannte Autograph), hg. von dems., S. V-XV, hier S. IX-XIV. 142 Ibid., S. VIII. 143 Ibid., S. XIIf. 144 Ibid., S. XIII. 145 Ibid., S. XIIIf. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 438 von 1356 bis 1381 eine frühe Abfassung der Übersetzung wahrscheinlich macht, deutet Strauchs Gegenüberstellung darauf hin, daß innerhalb des ‚Grünen Wörth‘ oder in dessen näherer Umgebung v o r Rulman Merswins postulierter Autorschaft keine andere Textform der ‚Neunfelsen‘ bekannt war. So erkenntnisreich folglich ein Vergleich der Merswin-Fassung, jedoch auch der anderen lateinischen Versionen der ‚Neunfelsen‘ mit der des Johannes wäre und nur dieser zur abschließenden Identifizierung der deutschen Vorlage des Augustinermönchs sowie der Funktion der lateinischen Fassung dienen könnte, muß dieser Vergleich einer auf die ‚Neunfelsen‘ beschränkten Studie überlassen bleiben. 4.2.2 Erweiterung und Reduktion als Mittel der Komposition: Die volkssprachlichen Fassungen des ‚b ch von den nún veilsen‘ Die im folgenden vorgenommene, auf die volkssprachlichen Textversionen konzentrierte Analyse widmet sich zwei Fragestellungen: Zunächst (Kapitel 4.2.2.1) soll das Verhältnis der in Straßburg überlieferten, (langen) Fassung Rulman Merswins zur kürzeren Version untersucht werden, um die von Rieder entwickelte und von Strauch bestätigte These, es handele sich bei den auf dem ‚Grünen Wörth‘ entstandenen Texten „stets um erweiterungen fremder vorlagen“, 146 zu überprüfen. Die Gegenüberstellung der beiden Textfassungen wird dabei zeigen, daß die von Strauch angenommene Priorität der Kurzfassung nicht bewiesen, eine Rekonstruktion der Textgeschichte vielmehr anhand der textuellen Differenzen nicht möglich ist, da die beiden Versionen der ‚Neunfelsen‘ unterschiedlichen Verfahren der Textkonstitution verpflichtet sind. Nur durch diese Einordnung von Merswins ‚b ch von den nún veilsen‘ in die ‚Skala‘ der ‚Neunfelsen‘-Bearbeitungen erscheint es möglich, den auf dem ‚Grünen Wörth‘ gepflegten Textgebrauch in den weiteren Zusammenhang der redaktionellen Praxis mittelalterlicher Textbearbeiter zu stellen. Der zweite Fragenkomplex (Kapitel 4.2.2.2) schränkt den Blick auf die Überlieferung der Textfassung Merswins ein und verfolgt mit der textkritischen Positionierung der Manuskripte des ‚Grünen Wörth‘ in der Überlieferung der längeren Textversion ein dreifaches Ziel: Nachdem (erstens) der Ursprung der ausführlichen ‚Neun Felsen‘-Fassung auf dem ‚Grünen Wörth‘ erwiesen wurde, soll (zweitens) die Analyse der textuellen Praktiken und Tradierungsverfahren, denen die Fassung in den weiteren Textzeugen unterworfen ist, redaktionelle Bearbeitungen visionärer Texte als in der monastischen Manuskriptkultur durchaus übliches Verfahren erweisen und darüber hinaus (drittens) die von Strauch vehement bestrittene Möglichkeit einer kürzenden Redaktion der Langfassung demonstrieren. Insgesamt ist die ‚Neunfelsen‘-Version Rulman Merswins außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ achtmal überliefert (Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. III. 1. 2° 4; 147 Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. oct. 181; 148 Freiburg, Universitätsbiblio- 146 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 235. 147 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 257f. 148 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 258-260. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 439 thek, Hs. 470; 149 St. Gallen, Benediktinerabtei, Bibliothek, Cod. 967; 150 Hildesheim, Dombibliothek, Hs. 724b; 151 Eichstätt, Benediktinerinnenabtei, St. Walburg, Cod. germ. 2; 152 München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 452 153 und Cgm 627; 154 Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 2626 155 ); hinzu treten die ‚Mischredaktion‘ der ‚Neunfelsen‘ in Stuttgart, Cod. theol. et phil. 4° 503 156 und die seit dem 2. Weltkrieg verschollene Handschrift 1785 der Königsberger Staats- und Universitätsbibliothek. 157 Aufgrund der oben bereits skizzierten Heterogenität der in den Handschriften überlieferten Texte sind diese Textzeugen für die Analyse der Überlieferungssituation unterschiedlich aussagekräftig und werden daher nur z.T. in die Argumentation einbezogen: Die starken Kürzungen, die die Münchner Handschrift Cgm 452 und der Straßburger Codex 2626 im Text Merswins vornehmen, erlauben es, von einer eigenständigen Redaktion zu sprechen. Diese Abbreviationen sind ebenso wie die Übertragung in niederdeutsche Mundarten aus der weiteren Analyse ausgeschlossen, da ihre Entstehungszeit 158 und charakteristische Anklänge an Merswins Formulierungen 159 zum einen demonstrieren, daß es sich um nachträglich entstandene Bearbeitungen der Merswin-Version handelt, die keine Rückschlüsse auf die ‚Originalität‘ dieser Textform zulassen, die starke Bearbeitung zum anderen eine genauere Aussage über die Abhängigkeit von einer konkreten, auf dem ‚Grünen Wörth‘ überlieferten Handschrift verhindert. Die textkritische Untersuchung konzentriert sich daher neben den Textzeugen der Johanniterkomturei auf drei Handschriften, deren Provenienz außerhalb Straßburgs liegt: Augsburg, Cod. III. 1.2° 4 (Au), Freiburg, Hs. 470 (Fr 470) und St. Gallen, Cod. 967 (SG 967); diese werden ergänzt durch die „vereinzelt“ 160 in Strauchs Edition aufgeführte Varianz der Königsberger Handschrift. Aufgrund des Textumfangs des ‚b ch von den nún veilsen‘ würde jedoch auch die eingehende Untersuchung der reduzierten Anzahl von Überlieferungsträgern den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Daher soll ein detaillierter, den gesamten Text umfassender Vergleich der Straßburger Überlieferung jene charakteristischen Textdifferenzen ermitteln, anhand derer es möglich ist, die außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ entstandenen Textzeugen zu den Straßburger Handschriften in Beziehung zu setzen. Zwei Kapitel von Merswins ‚Neunfelsenbuch‘ werden zudem für alle fünf Überlieferungsträger vollständig kollationiert, um der Einengung, die durch die Orientierung an den Unterschieden der Textzeugen des ‚Grünen Wörth‘ entsteht, zu begegnen. Es erschien sinnvoll, hierfür jeweils ein Kapitel aus dem sog. ‚Rügenbuch‘ und eines aus der eigentlichen 149 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 260f. 150 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 262-265. 151 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 265f. 152 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 267f. 153 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 268f. 154 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 269f. 155 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 270. 156 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 287. 157 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 266f. 158 Vgl. die Handschriftenbeschreibungen auf S. 258-260; 265f. 159 Vgl. Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 261. 160 Ibid., S. 259; Philipp Strauch, Einleitung, S. VII. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 440 ‚Neunfelsen‘-Vision zu wählen: Das Kapitel, das ein Panorama der weiblichen Sünden entfaltet, kann die Abhängigkeit der Überlieferung außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ von der Version der Komturei verdeutlichen, da dieses Kapitel charakteristische Abweichungen gegenüber der Kurzfassung zeigt; das Kapitel über die Vision des neunten Felsen wurde untersucht, weil es als Offenbarungstext eine relative Konstanz der Überlieferung erwarten läßt. 4.2.2.1 Didaxe vs. Meditation: Ein Vergleich der volkssprachlichen Kurz- und Langfassung des ‚b ch von den nún veilsen‘ Obwohl Strauch in seinem grundlegenden, bis heute den Forschungsstand repräsentierenden Artikel zum ‚b ch von den nún veilsen‘ einen, wenn auch z.T. recht unübersichtlichen, so doch eingehenden Vergleich der beiden Hauptfassungen des Textes vorgenommen hat, erfolgt die Gegenüberstellung der Kurzfassung mit Merswins Text für die vorliegende Untersuchung aus zwei Gründen erneut und weitgehend unabhängig von Strauch: Zum einen gründet sich die 1902 veröffentlichte Untersuchung auf zwei mitunter fehlerhafte bzw. ungenaue Editionen. Den Textbestand der Kurzfassung gibt Strauch aus Mangel einer Edition nach der nhd. Übertragung der Werke Seuses durch Diepenbrock wieder 161 und nimmt so neben den Fehlern des zugrundeliegenden Seuse-Drucks von 1482, der teilweise „geradezu lücken im satz“ läßt, 162 auch die Probleme der vom Herausgeber durchgeführten Umsetzung „in die jetzige[ ] Schriftsprache“ in Kauf. Auch Schmidts Ausgabe der Merswin-Fassung aus dem Jahr 1859 zeigt kleinere Auslassungen und Ungenauigkeiten. Die Grundlage für den hier vorgenommenen erneuten Vergleich bilden daher die Quellen selbst: Die Fassung Merswins wird im folgenden nach dem sog. ‚Autograph‘ (J), für die hier fehlenden Blätter ergänzt um die Fassung des ‚Großen deutschen Memorials‘ (A), wiedergegeben, 163 während die Zitate aus der Kurzfassung, für die eine Edition Desiderat bleibt, auf dem Augsburger Seuse-Druck (Johann Othmar, 1512 [Bl. clxii v -ccxvii v ]) basieren, da die frühere Ausgabe Fehler und Lakunen enthält, wie bereits - wenn auch topisch - im ‚Beschluß des Buches‘ von 1512 bemerkt wird: wann das Exemplar des Ersten drucks fast gebrechenlich vnd unbegreiffenlich des sinns halb gewesen, aber yetz verstendtlicher vnd cl rer nach vermügliachait gesetzt ist (Bl. ccxx r ). 164 Der 161 Heinrich Suso’s, genannt Amandus, Leben und Schriften. Nach den ältesten Handschriften und Drucken mit unver ndertem Texte in jetziger Schriftsprache herausgegeben von Melchior Diepenbrock. Mit einer Einleitung von J. Görres, Augsburg 3 1854. Für die folgende Untersuchung stand jedoch ausschließlich die zweite Auflage, Regensburg 1837, S. 366-433, zur Verfügung. 162 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 274. 163 Um einen Nachvollzug der Argumentation auch ohne Einsichtnahme in die Codices bzw. den Druck zu ermöglichen, wird zudem verwiesen auf die Standard-Edition: Merswins Neun-Felsen-Buch, hg. von Philipp Strauch. 164 ‚Diss buch das da gedicht hat der erleücht vater Amandus, genannt Seüß / [...]‘, Augsburg: Johann Othmar, 1512 (zit. nach dem Exemplar der Kölner Universitäts- und Stadtbibliothek: GB IV 1952). Zudem wird in Klammern verwiesen auf den „wörtlichen“ Abdruck (Carl Schmidt, Vorwort, in: Das Buch von den neun Felsen von dem Strassburger Bürger Rulman Merswin 1352. Nach des Verfassers Autograph, hg. von Carl Schmidt, Leipzig 1859, S. III-VIII, hier S. VI) dieser Ausgabe: Die Neün Velsen. Ein Stufengem lde christlicher Vollkommenheit. Vor f nf Jahrhunderten aus dem Himmel Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 441 Druck wird ergänzt durch die von Strauch in seiner Kollation 165 angeführten Textdifferenzen der ihm bekannten Handschriften der kürzeren Textgestalt, das sind: München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 759 166 (von Strauch mit Sigle M belegt), sowie Cgm 838 167 (Strauch: Sigle m); Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. Germ. 474 (Strauch: Sigle P); 168 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. theol. et phil. 4° 503 (Strauch: Sigle S); 169 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 85.3 Aug. 2° (Strauch: Sigle W) 170 und Cod. Guelf. 78.5 Aug. 2° (Strauch: Sigle w) 171 sowie die in die Edition von Borssum Waalkes 172 eingegangenen mittelniederländischen Handschriften: Amsterdam, Universiteitsbibliotheek, I G 25 (in von Borssum Waalkes‘ Edition mit Sigle A bezeichnet); Den Haag, Koninklijke Bibliotheek van België, 73 G 30 (Borsuum Waalkes: Sigle B) und der heute verschollene Codex der Friesch Genootschaft in Leeuwarden (Borsuum Waalkes: Sigle C). Neben diesen quellenkritischen Grund für den erneuten Vergleich der beiden volkssprachlichen Fassungen tritt eine texttheoretische Überlegung: Ausschlaggebendes Argument für die bisher vorgenommenen Rekonstruktionen der Textgeschichte waren nicht die Unterschiede zwischen der kürzeren und der längeren Version, sondern die jeweilige Konzeption des ‚Originals‘, wie die konträren Bewertungen der Überlieferung bei Schmidt und Strauch erkennen lassen. Obwohl beide unabhängig voneinander das maßgebliche differenzierende Merkmal der beiden Fassungen im Textumfang erblicken, ziehen sie unterschiedliche Schlußfolgerungen aus dieser quantitativen Differenz. Dem ersten Herausgeber der Straßburger Textfassung genügte das Fehlen einiger Textpassagen in der kürzeren Version, um Merswins Fassung als ‚Original‘ zu charakterisieren: Das Verhältniss des Originals zu dem unter Susos Schriften aufgenommenen Text habe ich schon [...] angedeutet; letzterer ist theilweise nur ein Auszug; manche unnöthige Wiederholungen sind weggelassen; indessen es fehlen auch grössere wichtigere Stücke, die offenbar aus dogmatischen Rücksichten übergangen worden sind. 173 Während für Schmidt somit allein die Q u a n t i t ä t die Originalität einer Textfassung erweist, argumentiert Strauch auf der Grundlage der Stil q u a l i t ä t : Die Klarheit des Ausdrucks und Gedankengangs zeichnen das Original aus, dem die wortreichen Wiederholungen der Fassung Merswins gegenüberstehen, die - organischem Wachstum analog - nur eine inhaltsleere „Anschwellung“ der Vorlage bieten: geschenkt; und nun unter Beglaubigung dieser Abkunft wieder im Urtext ausgegeben von Ludwig Hofaker, Tübingen; Leipzig 1841 (Elilytha oder Halle der Gott-Gelehrten 7). 165 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 242-255. 166 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 284. 167 Vgl. ibid. 168 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 281. 169 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 287. 170 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 290. 171 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 289. 172 Dat boeck van den oorspronck. Een Handschrift. Met inleiding en Aanteekeningen, hg. von G[odschalk] H[oratius] van Borssum Waalkes, Leeuwarden 1882. Vgl. die Handschriftenbeschreibungen auf S. 274, 279f., 283. 173 Carl Schmidt, Vorwort, S. V. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 442 Sorgfältige vergleichung beider texte vermag einen jeden leicht davon zu überzeugen, dass, abgesehen von einigen grösseren excursen, inhaltlich der um so vieles umfangreichere text Merswins nicht mehr bietet als die kürzere fassung. Dass diese aber nicht, wie gemeiniglich angenommen, ein excerpt aus Merswin sein kann, erhellt vor allem auch aus dem grunde, weil der kürzere text dann mit besonderem geschick gerade all das ausgemerzt haben müsste, was sich bei näherer untersuchung als specifisch merswinisch erweist. [...] Gründe für ein solches Verfahren lassen sich nicht auffinden, der umgekehrte weg allein ist verständlich. Merswin hat den kürzeren tractat für seine zwecke erweitert und mit zusätzen versehen. 174 Die entgegengesetzten Interpretationen der übereinstimmend charakterisierten textuellen Differenzen verdeutlichen die spezifische Qualität der Abweichungen. Durch eine detaillierte Rekapitulation der von Strauch vorgebrachten Argumente für die Priorität der Kurzfassung sowie eine Gegenüberstellung exemplarischer voneinander abweichender Textpassagen soll im folgenden gezeigt werden, daß die Differenzen der beiden Fassungen nicht textgenetisch - d.h. durch Kürzung oder Erweiterung - zu erklären sind, sondern unterschiedliche Verfahren der Textkonstitution offenbaren, die Rückschlüsse über die Priorität einer der Versionen nicht erlauben. Auch wenn nur beiläufig vorgebracht, 175 scheint Strauchs stichhaltigstes Argument für eine Interpretation der längeren Fassung als „bearbeitung des kürzeren tractates“ 176 jene Varianz, in der dem offensichtlich fehlerhaften Text Merswins eine korrekte Formulierung in den Textzeugen der Kurzversion gegenübersteht: Textverlauf der Kurzfassung Textverlauf der Merswin-Fassung (zit. nach J) Der mensch sahe auff / vnnd sahe, wie ain junge tochter von viertzehen jaren f rt an ainem sail ainen gar gaistlichen man vnd an dem gieng gar ain erberer weltlicher man gebunden / auch an dem selben sail Vnd giengen darnach zw frawen, die waren auch damit gebunden / vnd gieng die tocher vor an / vnder das garn / vnd zohe die andern alle nach jr vnder das garn. Der mensch sprach. herr, was bedeütet das? Die antwurt. Diser weltlicher man / vnd dise weltliche fraw, das waren erber leüt, [...]. der mensche was gehorsam vnd siht f r bas alles vffe dieseme ersten felse vnd siht, das eine gar g nge doeder, die schein anne z sehhende also ebbe si k me vffe irre fierzeh ior alt were, diese g nge doeder f rthe geb nden an eime seille gar einen erberen geislichen man, vnd noch demme geislichen man ginc ein erber weltlich man ch geb nden an demme selben seille vnd der noch zwo froewennamme ch geb nden an demme selben seille; vnd ginc diese gvnge doeder den fels for abbe vnd zoch den erbern geislichen man ir noch, vnd der noch den weltlichen man vnd die zwo froewen alle mittenander vnder das garn. abbe dirre gesihthe nam abber dirre mensche gros wnder vnd sprach: sage mir, herce liep mins, was ist dirre meinvngen, das eine also gar g nge doeder f ret geb nden an eime seille also gar erbere menschen vnd z het si den fels abbe ir noch vnder das garn? die entwrte sprach: das wil ich dir sagen, dirre weltliche man vnd dirre froewen nammen einne sint zwei e l te lange ior gesin [...]. 174 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 269. 175 Ibid., S. 273. 176 Ibid. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 443 Nun solt vatter vnd m ter ir kind von jugent auff getzogen haben z jrem vrsprung / des haben sy nicht gethon / vnnd seind gegangen z jrem peichtiger vnd haben jm das gesagt vnd gefragt darumb / vnd der hat jn das erlaubt in der mainung / das er der reichen leüt freüntschafft behielt [...]. Das ist die sach / das die jung tocher den peichtiger vor an f rte / vnd vatter vnd m tter nach ir zeühet vnder das garen / vnnd die zw ander frauwen namen bilde an ir / vnd seind ir auch nach gangen vnder das garn (Bl. ccv v ; Hofaker, S. 39, Z. 6-11, 21-26, 30- S. 40, Z. 4) vnd wolthent irre doeder gerne willen vnd hant demme bihther die sache f r geleit; [28 r ] ich wil dir sagen, was si den bihther hant gefreget, das het er in alles samment erl bet vnd het das gethon in der meinvngen, das er der richen l the fr nschaft gerne wolthe beheben [...]. ich wil dir sagen, das dirre bihther diese menschen den vnrehthen weg het geleret gon, das ist ch sache, das diese g nge doeder den bihther (for gestrichen) for an f ret, vnd der noch fatter vnd m ther vnd der noch irre g nfroewe vnd f ret si alle mittenander (vnder gestrichen) vnder das garn. [...] der mensche sprach: sage mir, herce liep mins, was ist der sachen, das die g nfroewe, die n went der e l the dienest was, ch vnder das garn wart gef ret? die entwrte sprach: das wil ich dir sagen, die g nfroewe ginc der und riet irren froewen, das si irre doeder solte ciehen z der welthe ppiger, falscher, hoffertiger f rlosenheite (Bl. 27 v -28 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 82, Z. 16-S. 83, Z. 1; S. 83, Z. 16-21, 28-33, S. 84, Z. 19-25) Die beiden Textfassungen legen das Bild der jungen Frau, die ihre Familie in das Netz der Versuchung führt, in Details unterschiedlich aus: Merswin interpretiert, in stringenter und exakter Fortführung der eingeführten Bildlichkeit, eine der zwei an das Seil gebundenen froewennamen als die nachgiebige Mutter der weltzugewandten Tochter, während die Kurzfassung in der Allegorese die Konsistenz des Bildes sprengt, indem eine (in der Bildbeschreibung nicht erwähnte) weltliche fraw als Mutter eingeführt wird. Strauch sucht diese Textdifferenz durch eine beiden Versionen zugrundeliegende Auslassung in der Bildbeschreibung zu erklären, welche die mndl. Textzeugen nicht aufwiesen: En de Mensch sach op, ende met was hy op den eersten steenberg, ende sach eenen jonge Dochterken van 14 Jaeren, die aen een touw een seer geestelicke man leide, den welcken volgde nog een seer erbaere wereltlicke manspersoon oock aen denselfden tow den touw v a s t m e t s y n h u y s v r o u w e [in Amsterdam, Universiteitsbibliotheek, I G 25: n een vrouwe oec gebonden], en daer nae noch twee andere getrouwde vrouwen (van Borssum Waalkes 1882, S. 75). 177 Aus dem Textverlauf der mndl. Version folgert Strauch, daß „Merswin [...] denselben ausfall wie [die Handschriften der Kurzfassung] MmPWab voraus[setzt] [nämlich met syn huysvrouwe], [...] aber dadurch einklang herzustellen [sucht], dass er die eine der begleitenden beiden frauen zur mutter des 14jährigen mädchens macht“. 178 Obgleich durchaus plausibel, ist Strauchs Erklärung nicht zwingend: Die in J gebotene 177 Die textuelle Varianz der Handschriften wird im folgenden durch Sperrung markiert. Wenn nicht anders ausgewiesen, wurden die Hervorhebungen daher stets von der Verfasserin vorgenommen. 178 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 247, Anm. zu 359, 5. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 444 Textfassung bietet sowohl eine konsistente Bildlichkeit als auch eine vollständige Ausdeutung, ja kann die zweite der am Seil geführten Frauen durch ihre Identifizierung als Erzieherin der Tochter mit einer überzeugenderen, in der Narration illustrativeren Deutung versehen. Da die mittelniederländische Übertragung 179 zudem auf der Grundlage der mhd. Textversion, also erst nachträglich erstellt wurde, ist es durchaus denkbar, daß diese einen in der Kurzversion durch ihre Tendenz zur Abbreviation aufgetretenen Fehler verbessert. Für sein zweites Beispiel gibt Strauch eine ähnliche Erklärung: Nachdem der Mensch die Bewohner des achten Felsens gesehen hat, verwundert es ihn, daß sie - trotz ihres gottgefälligen Lebens - nach ihrem Tod das Fegefeuer erleiden müssen (J, Bl. 41 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 121, Z. 8-10). Nachdem ihm die beiden hocken, die der Teufel in die Bewohner des achten Felsens geschlagen het, damit sie nicht zu ihrem Ursprung gelangen, erläutert worden sind, stellt der Mensch im Seuse-Druck von 1512 folgende Frage: Wie m ssendt dise leüt sein / s llen sy den zway hacken entrinnen und erhält zur Antwort: Es m ssen gar erstorben menschen sein vnd z grunde gelassen / vnd ir natur z grunde get dtet haben vnd m ssen den weg der natur tz grunde erkennen mit liechtreichem vnderschaide / Ee dann sy nymmer n her kommen z irem vrsprunge (Bl. ccxi r ; Hofaker, S. 59, Z. 18-26). Diese Charakterisierung derjenigen, die - im Gegensatz zu den gerade betrachteten Bewohnern des achten Felsens - in den Ursprung blicken dürfen, schließt sich nun in der Fassung Merswins und auch in den Handschriften MPWa 179 Die Nachträglichkeit der mndl. Fassung läßt sich aus charakteristischen Übersetzungsfehlern ablesen: Textverlauf der Merswin- Fassung (zit. nach J) Textverlauf der Kurzfassung Textverlauf der mndl. Fassung Varianz mer ich main die weiber / die sich der welt annemen / sy seyen gaistlich oder weltlich / vnd den leüten w llen gefallen in worten vnd in wercken / in klaidern vnd in geb rden / vnd dar auf mer setzent iren f l e i ß dann an got (Bl. cci r ; Hofaker, S. 29, Z. 2-5) maer die meen ick, die sich des werelts aennemen, sy syn geestelick ofte wereltlick, en soecken de werelt in woorden, wercken, in klederen en in gelaet te behagen, en richten heure oeffeninge meer tot het v l e e s c h als tot Godt (Borssum Waalkes 1882, S. 56f.) die entwrte sprach: das ist wol wor, es ist dir f r gessen, vnd das es dir f r gessen ist, d a s h e t g e m a h t d i e v e b e r s w e n k e n d e , g e t t e l i c h e , b r n e n d e m i n n e , d i e i n d i r i s t (Bl. 43 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 127, Z. 16-19) Die antwurt: Das ist war da ist es dir vergessen v n d d a s h a t g e m a c h t d i e ü b e r s c h w e n c k e n d e l i e b , d i e i n d i r b l e t (Bl. ccxi v ; Hofaker, S. 61, Z. 22-25) G. dat is waer, want die o v e r g r o o t e L i e f d e , d i e d a t b l o e t i n u h e e f t g e m a e c k t , i s o o r s a e c k , dat ghy het vergeten hebt (Borssum Waalkes 1882, S. 114; vgl. auch Anm. 5: Amsterdam, Universiteitsbibliotheek, I G 25, liest gegen Den Haag, Koninklijke Bibliotheek van België, 73 G 30 und die verscholle Leeuwardener Handschrift: des is di al verget n dat heeft d j ou’vloedige min gedaen die in di alsoe barnet) Vgl. zudem die zahlreichen Textdifferenzen der mndl. Handschriften Amsterdam, Universiteitsbibliotheek, I G 25, und Den Haag, Koninklijke Bibliotheek van België, 73 G 30, die Borssum Waalkes nur in den Anmerkungen vermerkt, deren Textverlauf sich jedoch weitaus stärker an den mhd. Textfassungen orientiert. Zum Verhältnis der mndl. zur mhd. Textfassung vgl. demnächst ausführlich Scheepsma. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 445 der Kurzversion unmittelbar an die Erklärung des zweiten Hakens an, wird jedoch dem Menschen in den Mund gelegt. Strauch vermutet daher, daß die im Druck und in der mndl. Leeuwardener Handschrift überlieferte Frage in diesen Textzeugen durch ein Versehen ausgefallen sei und auch „Merswin [...] den in verwirrung geratenen dialog voraus[setze]“. 180 Da die Frage jedoch für die textuelle Kohärenz nicht notwendig ist, die Schlußfolgerung des Menschen, man müsse - um den Ursprung zu erblicken - die natt re z gr nde vrthetthet habben vnd m sent den weg der natt ren z gr nde rkennen mit lieht richeme vnder scheide (Bl. 41 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 122, Z. 24-27), vielmehr auch auf der Grundlage der bereits erblickten Bewohner des achten Felsens möglich ist, kann diese textuelle Differenz die von Strauch angenommene Priorität der Kurzfassung nicht erweisen. Neben dieser Varianz hält es Strauch durch zwei Textdifferenzen in der Textgliederung für „undenkbar, dass Merswins text verkürzung erfahren haben sollte“. 181 Vier der Handschriften der Kurzfassung (MPWS) und mit ihnen der vorliegende Druck untergliedern das ‚Eröffnungskapitel‘ des ‚Rügenbuchs‘ durch eine zusätzliche Überschrift: Textverlauf der Kurzfassung Textverlauf der Merswin-Fassung (zit. nach J) Antwurt: Ich sage dir / die p bst, die vor hye waren vnd gehailiget wurden / die f reten vil ain ander leben dann die nun lebendt Von allen prelaten gaistlich vnnd weltlich Die antwurt: [clvi v ] D Ie p bst waren hie vor zeitten mit allem ernst besorget / wie sy der christenhait z hilff k men (Bl. clvi rv ; Hofaker, S. 13, Z. 24- 29) die entwrte sprach: das wil ich dir sagen; dv solt wissen, die bebbeste, die hie for gehelgenthent, die f rthent gar z mole ein ander lebben denne die bebbeste, die in diesen citen sint gesin; dis sage ich dir n t alleine von den bebbensten, ich sage dir vnd meine ch alle die grosen h bet, die in der cristeheit je wrdent, si werent geislich odder weltliche. ich wil dir sagen, die helgen bebbeste, die hie for vffe ertriche wandeltent, die worent mid groseme flise vnd mid groseme erneste besorget, wie si der cristenheite z helfe kemment (Bl. 8 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 22, Z. 12-22) Während Strauch eine Genese der Rubrik im Zuge einer nachträglichen redaktionellen Gliederung des allein grob, in vier reden strukturierten Textverlaufs in J kategorisch ausschließt, stellt die inhaltliche Fortführung des Sündenspiegels der Päpste im folgenden Kapitel die Angemessenheit der Untergliederung in Frage, da sie - im Gegensatz zu der bei Merswin herausgestellten Verallgemeinerung des Gesagten - den Bezug auf die prelaten einschränkt, die jedoch keineswegs den Fokus des Folgenden bilden. Die Nachträglichkeit der Untergliederung ist somit zumindest nicht auszuschließen. 180 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 250f., Anm. zu 375,9. 181 Ibid., S. 270. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 446 Nicht durch eine zusätzliche Untergliederung, sondern durch die Verschiebung einer Überschrift am Ende des ‚Rügenbuchs‘ entsteht die letzte hier zu diskutierende Textdifferenz: Textverlauf der Kurzfassung Textverlauf der Merswin-Fassung (zit. nach J) Hie hebt an zu reden von den neún velsen E S mag nieman z got kommen, er hab dann wonung auf disen felsen. wer also hie in diser zeit darnach w lt werben / das er gelassen wurd sehen in den vrsprunge / dannen die edel seel kommen ist der m st gar ain verwegen, k n gem t haben vnd m st über die hohe felsen alle, biß das er k m auff den obersten felsen da solt er denn wol ge[cciiii r ]weiset werden, wo er hin solt (Bl. ccii v -cciiii r [recte cciii r ]; Hofaker, S. 34, Z. 8-17) diese redde het hie ende, vnd das wir n wellent redden, das ist, wie diesen menschen wart gelosen sehhen ein gr welliche, groser, witer, hoher berg, vnd was an dem berge n ne grose, gr welliche, wite felse, vnd logent die felse ie einer obbe dem andern vnce obbenan vffe den berg, vnd wandelnt vffe diesen felsen cristonmenschen. N hebbt hie an von dem ersten felse z reddende; es mag ch nieman z gotte k men, er habbe denne eine wonunge vffe dieseme ersten felse; wer abber hie in der cit dernoch wolte werben, das er in der cit wrde gelosen sehhen in den vrsprunc, dennan die eddelle selle k men ist, der m ste gar ein f r wegen, k ne gem te han vnd m ste klimmen veber diese grosen, hohen felse alle, vnce das er keme vffe den ebbersten (Bl. 24 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 73, Z. 13- 27) Im früheren Übergang von den allgemeinen Ausführungen über die neun Felsen zur Beschreibung des ersten Felsens in J erkennt Strauch einen Fehler, da „Merswins gedanken [...] hier voraus[eilten]“ 182 und so nur das Erreichen des ersten Felsens als Bedingung formulierten, um z gotte [zu] k men. Tatsächlich unterscheidet sich hier der Fluchtpunkt der Argumentation der beiden Fassungen: Die Kurzfassung setzt das Erlangen der Gottesnähe mit dem Blick in den Ursprung gleich und verbindet die beiden Gedanken konsekutiv (also); Merswins Text hingegen argumentiert antithetisch: Derjenige, der in das Himmelreich gelangen will, muß zumindest die Tugenden besitzen, welche die Bewohner des ersten Felsens auszeichnen; wer jedoch (abber) in der Zeit in den Ursprung blicken will, muß a l l e Grade des geistlichen Aufstiegs übersteigen. Wie bereits bei den zuvor diskutierten Beispielen ist folglich keine Bearbeitungs r i c h t u n g zu erschließen. Um seine Vermutung, bei der Kurzfassung handele es sich um die Vorlage Merswins, stark zu machen, sucht Strauch schließlich das maßgebliche Gegenargument - auch Merswins Text liest „einigemal [...] richtiger [...] als der kürzere tractat“ 183 - durch zwei Strategien zu entkräften. Zunächst führt er die offensichtlichen Mängel 182 Ibid., S. 271. 183 Ibid., S. 277. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 447 der Kurzversion auf die Überlieferungslage zurück: Der in den Handschriften der Merswin-Fassung gegebene, grammatikalisch korrekte oder zumindest unter Kohärenzprinzipien betrachtet angemessenere Textverlauf weise nicht auf die Originalität der Version des ‚Grünen Wörth‘, sondern zeige, daß hier eine Vorlage benutzt worden sei, welche die Kurzversion nicht nur „besser[ ]“ 184 wiedergebe als der Seuse- Druck von 1482, sondern „als a l l e uns erhaltenen fassungen“ der Kurzversion. 185 Während die meisten der von Strauch gegebenen Beispiele für einen inkohärenten oder unvollständigen Textverlauf in der Kurzfassung mühelos als offensichtliche Augensprünge im Abschreibeprozeß gedeutet werden können, muß Strauch, um jene fehlerhaften Textstellen in der Kurzversion zu erklären, die nicht auf einen versehentlichen Ausfall zurückgeführt werden können, da ausnahmsweise Merswins Text verkürzt erscheint, nicht nur grundlegende „textschwierigkeit[en]“ in der gesamten ‚Neunfelsen‘-Überlieferung supponieren, sondern darüber hinaus mit der für die Fassung Merswins angenommenen „kürzung [... jener] stellen [...], mit denen er sich nicht recht abzufinden weiss“, 186 auch eben jene Form der Bearbeitung zugestehen, die er in der weiteren Diskussion des Verhältnisses der beiden Versionen kategorisch ablehnt: eine Kürzung, die zu einem verständlicheren Textverlauf führt. Das zweite Verfahren, um die Priorität der Kurzversion zu erweisen, nutzt die Überzeugungskraft der Quantität: Strauch spielt das Ausmaß der bei Merswin klareren Textstellen auf „einigemal“ herab und wählt aus der Fülle der Beispiele - von denen hier wenige aufgeführt seien - nur vereinzelte aus: Textverlauf der Kurzfassung Textverlauf der Merswin-Fassung (zit. nach J) vnd dise visch habent das von natur / wenn sy gewachsent biß an ir natürliches zil / so machent sy sich z samen / vnd s t r e i t t e n t mit ainander vnd vallent das wasser ab (Bl. cliiii v ; Hofaker, S. 8, Z. 3-5) diese fissche hant das von nattvren, wenne si [6 r ] gewasent vnce vffe ir natt rlich zil, so bewiset si irre nattvre, das si sich z sammene sellent machen, vnd machent sich ch denne z sammene, vnd s t r i c h e n t denne mittenander vnd fallent dis wasser hin abbe z dal (Bl. 5 v / 6 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 13, Z. 5-10) vnd die feind t nd alles ir vermügen dartz , wie sy dise menschen in die strick jagen in diser zeit, der als vnmessig vil ist in diser welt. Der mensch. Ich sihe wol, das es nyemant get n mag es sey dann, das er mit ainem verwegen gem t sich gentzlich dauon kere (Bl. ccv r ; Hofaker, S. 38, Z. 21-26) dv solt wissen, das die besen geiste alles ir f r m gen der z d nt, wie si diese menschen behebent mit der welte stricke, das si eht wonnende blibent vnder demme garne dirre falschen welthe: l ge vmbe dich vnd sich an, wer mag diesen serclichen stricken allen entrinnen, also gar fil ir worden ist in diesen serclichhen cithen. der mensche sprach: ach herce liep mins, es ist wol wor, mir ist, (es nachgetragen) si gar ein serclich dinc eime menschen z wandelde vnder diesen falschen, serclichen stricken; mir ist, herce liep mins, also 184 Ibid. 185 Ibid., Hervorhebung d.V. 186 Ibid., S. 274. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 448 es n stot in der cristenheite, sol ein mensche diesen serclichen stricken allen vntrinnen, er m se sich mit eime gancen f r wegen, k nen gem the vnd willen der fan al z mole keren (Bl. 27 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 81, Z. 17-30) vnnd dise menschen haben mer reicher vnnd leichtfarer genaden empfangen von got dann alle die andern / vnd got hat dise menschen gr sser wunder lassen sehen / doch alles in bilden vnd in formen. Der mensch. Was ist daz / das über bild vnnd über forme ist? (Bl. ccx v ; Hofaker, S. 58, Z. 15-19) dv solt wissen, das got diese menschen grose wnder het gelosen sehhen, abber alles in bildelicher forme vnce an ein dinc, das ist veber bilde. der mensche sprach: sage mir, herce liep mins, was ist das eine dinc, das dv diese menschen lost sehhen, das veber bilde ist? (Bl. 41 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 120, Z. 30-35) Die von Strauch vorgebrachten textkritischen Befunde - die Handschriften der Kurzversion zeigten an zahlreichen Stellen einen ‚korrekten‘ Textverlauf, wenn die Langfassung falsch lese, während fehlerfreie und kohärente Formulierungen bei Merswin gegen unklare Textstellen in der Kurzfassung äußerst selten seien - erweisen sich folglich als wenig stichhaltig, da ein erneuter Vergleich der beiden Versionen zeigen konnte, daß die von Strauch vorgenommene Interpretation zugunsten einer Priorität der Kurzfassung auf einer einseitigen Auswahl und Beurteilung der Differenzen beruht, die sich nicht auf textkritische Analysen, sondern auf stilistische Erwägungen stützt: Der kürzere Text biete an zahlreichen Stellen eine knappere und dadurch klarere und verständlichere Formulierung, während die Unverständlichkeit und Verschwommenheit der Version Merswins durch seine Tendenz zur „zerfahrenheit und redseligkeit“, 187 d.h. zur funktionslosen sprachlichen Expansion, erklärt werden könne. Durch diese Reduktion der Textdifferenzen auf die Ebene der Form und deren Bewertung mit Hilfe eines normativen, an offensichtlich überzeitlich gültigen Schreibprinzipien orientierten Stilbegriffs (brevitas, perspicuitas, Konzinnität) ist es Strauch möglich, die Beachtung von paradigmatischen Form-Idealen der (Prosa)Stilkunde als Ausweis der Originalität zu verwenden. Begreift man die sprachliche Gestaltung jedoch nicht als nachträgliche und weitgehend kontingente Ausformulierung eines von ihr unabhängigen und ihr vorgelagerten Textsinns, sondern erkennt in der Form ein konstitutives und funktionales Textelement, so sind die stilistischen Variationen der beiden Fassungen kein bloßes Superadditum, sondern weisen auf divergierende Prinzipien der Textproduktion, die Strauchs Hierarchisierung und damit verbundene Chronologie der Genese verbieten: Die Kurzfassung des ‚b ch von den nún veilsen‘ dient der Belehrung, der Unterweisung in Glaubensinhalten und orientiert sich daher an einem Grundbestand stilistischer Ausformungen, die eine hohe Informationsdichte mit einer leichten Rezipierbarkeit verbindet. Die Textversion Merswins - charakterisiert durch „widerholungen bis zum überdruss“, 188 eine „reihe kleinerer und größerer zusätze und excurse“ 189 sowie eine konsequente Dialogisie- 187 Ibid., S. 274. 188 Ibid., S. 279. 189 Ibid. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 449 rung 190 - ist demgegenüber eine literarisierte Meditation, die - bezogen auf das textinterne Subjekt der Erzählung, den menschen - als Ausfluß meditativer Textgenerierung sowie - bezogen auf den Rezipienten der literarischen Ausgestaltung dieses kontemplativen Prozesses - als Mittel zur meditativen Textaneignung fungiert. Ursprung und Paradigma der charakteristischen Gestaltung der Merswin-Fassung ist somit die monastische Praxis 191 der ruminatio, der individuellen Textaneignung durch wiederholte, leise vernehmbare Rezitation der Bibel mit dem Ziel der geistigen wie affektiven Selbstbeeinflussung i.S. der präsentierten Glaubensinhalte. 192 Die stilistischen Eigentümlichkeiten der längeren Textversion erklären sich folglich nicht als überschüssige elokutionäre Anschwellung, sondern als kontemplative Techniken, die - in Anlehnung an die Praktiken der exercitia spiritualia - mit dem Metaphernfeld der Grammatophagie 193 bezeichnet werden können: 1. Die ruminatio - das ‚Wiederkäuen‘ - ist als Wiederholung von Textelementen das bestimmende stilistische Prinzip der Version. Die permanente Iteration kennzeichnet sowohl die Struktur des Textes, der scheinbar eine Reihe sich in ihrer Aussage und Bildlichkeit wiederholender Visionen bietet, als auch die durch Figuren der Wortwiederholung und Parallelismen charakterisierte textuelle Mikroebene. In Verbindung mit der durchgehenden Präsentation der letzten drei reden in der Form des Dialogs erlaubt es das stilistische Charakteristikum der Repetition, den meditativen Prozeß des menschen abzubilden und durch die ihm inhärenten Techniken der Vertiefung die Lektüre in eine meditative Praxis zu überführen, 194 die nicht auf ein geistiges Verstehen, sondern auf eine individuelle Aneignung des Textes zielt. 2. Die individuelle ‚Einverleibung‘ erfordert eine Auseinandersetzung mit Hilfe des gewonnenen Vorverständnisses und textuellen wie ikonographischen Vorwissens. Die von Strauch identifizierten „nicht gerade nichtssagende[n], im grunde aber doch inhaltlich unwesentliche[n] zusätze und erweiterungen“ 195 gegenüber der Kurzfassung exemplifizieren so die individuelle Explikation des Visionsbzw. Textsinns durch die assoziative Durchsetzung mit Bibelzitaten und Vergleichen mit biblischen Figuren: Da die Verweise nie illustrativ in Form einer Erzählung, 190 Ibid., S. 278. 191 Zur Überführung monastischer Praktiken der Spiritualität in den laikalen Gebrauchszusammenhang der Passionsbetrachtungen und Gebetsübungen vgl.: Thomas Lentes, Inneres Auge, äusserer Blick und heilige Schau. Ein Diskussionsbeitrag zur visuellen Praxis in Frömmigkeit und Moraldidaxe des späten Mittelalters, in: Klaus Schreiner und Marc Müntz (Hgg.), Frömmigkeit im Mittelalter. Politisch-soziale Kontexte, visuelle Praxis, körperliche Ausdrucksformen, München 2002, S. 179-220, hier S. 201-207. 192 Günter Butzer, Meditation, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik 5 (2001), Sp. 1016-1023, hier Sp. 1016. 193 Günter Butzer, Pac-mac und seine Freunde. Szenen aus der Geschichte der Grammatophagie, in: DVjs 72 (1998), S. 228-244. Vgl. auch: Klaus Lange, Geistliche Speise. Untersuchungen zur Metaphorik der Bibelhermeneutik, in: ZfdA 95 (1966), S. 81-122. 194 Vgl. zur Verschränkung von meditativer Praxis und Lektüre: Günter Butzer, Rhetorik der Meditation. Martin Mollers ‚Soliloqvia de Passione Iesu Christi‘ und die Tradition der eloquentia sacra, in: Gerhard Kurz (Hg.), Meditation und Erinnerung in der Frühen Neuzeit, Göttingen 2000 (Formen der Erinnerung 2), S. 57-78, hier S. 73. 195 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 279. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 450 sondern stets als verkürzte Argumente präsentiert werden, die des Auserzählens des Vergleichsmoments durch den Rezipienten bedürfen, wird ein meditatives Auslegungsverfahren vorgeführt, das sich der „Wiedererinnerung“ 196 aus dem Text-Gedächtnis bedient, um ein weniger analytisches als vielmehr assoziatives Textverständnis zu ermöglichen. 3. Das ‚Auskosten‘ des Textes - das Verfahren, „durch die vorlage gebotene[ ] gedanken weiter aus[zuspinnen] [... und] selbstverständliches [...] weiter aus[zuführen]“, 197 indem alltägliche Exempla das visionäre Geschehen konkretisieren - erleichtert es dem Rezipienten, sich in eine Situation einzudenken, um die präsentierte Lehre nicht nur kognitiv als ‚Wissen‘ aufzunehmen, sondern von ihr so durchdrungen zu werden, daß sie Teil der alltäglichen Praxis wird. Einige der genannten meditativen Schreibprozesse sollen im folgenden detaillierter vorgestellt werden, um zu zeigen, daß die seit Strauch in der Forschung weitgehend akzeptierte Vorstellung einer Genese der Fassung Merswins aus der Kurzversion nicht zwingend ist, der Text vielmehr keinem didaktisch-narrativen, sondern einem meditativen Programm folgt, dessen wiederholende Ausgestaltung kein Indiz der Nachträglichkeit sein muß. Der exercitia spiritualia der ruminatio i.e.S. der Wiederholung 198 sind Kurzwie Langfassung in ihrer Struktur verpflichtet: Der anonyme tractat vom jahre 1352 und darnach auch Merswins bearbeitung zerfällt in vier höchst ungleiche teile, rede, wie Merswin sagt. Diepenbrocks erstes capitel leitet im allgemeinen ein (Merswin s. 1-10), cap. 2-4 bereiten symbolisch das Rügenbuch durch ausführung des fischgleichnisses (cap. 2; vgl. auch D 358, 18. 387, 30fgg.; Merswin s. 10- 15, vgl. 71, 9. 140, 18fgg.) sowie des neunfelsenbildes vor, welch letzteres zunächst nur skizziert wird (cap. 4, Merswin s. 16 bis 18). Dann folgen lose aneinandergefügt das Rügenbuch (cap. 5 bis 22, Merswin s. 19-64) und die eigentliche Neunfelsenvision (cap. 23fgg., Merswin s. 64fgg.), die, wenig geschickt, als widerholtes gesicht gedacht ist (D 355, 24. 356, 12 = Merswin 65, 18. 66, 21). 199 196 Jean Leclercq, Wissenschaft und Gottverlangen. Zur Mönchstheologie des Mittelalters, Düsseldorf 1963, S. 86. 197 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 278f. 198 Trotz des zunehmenden literaturwissenschaftlichen Interesses am Textphänomen der ‚Wiederholung‘ ist es noch nicht möglich, auf einen „literaturwissenschaftlich gehaltvollen, also deskriptiv wie theoretisch gleichermaßen gesättigten Begriff von Wiederholung“ zurückzugreifen (Eberhard Lobsien, Wörtlichkeit und Wiederholung. Phänomenologie poetischer Sprache, München 1995, S. 8). Vgl. für einen Überblick über die unterschiedlichen theoretischen Zugriffe: Sabine Haupt, „Es kehret alles wieder“. Zur Poetik literarischer Wiederholungen in der deutschen Romantik und Restaurationszeit: Tieck, Hoffmann, Eichendorff, Würzburg 2002 (Studien zur Literatur- und Kulturgeschichte 17), S. 15-77, sowie die Beiträge der unterschiedlichen Disziplinen in den Sammelbänden: Carola Hilmes und Dietrich Mathy (Hgg.), Dasselbe noch einmal: Die Ästhetik der Wiederholung, Opladen 1998 (Kulturwissenschaftliche Studien zur deutschen Literatur); Roger Lüdeke und Inka Mülder-Bach (Hgg.), Wiederholen. Literarische Funktionen und Verfahren, Göttingen 2006 (Münchener Universitätsschriften. Münchener Komparistische Studien 7). 199 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 286. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 451 Vor dem Hintergrund der ‚wiederkäuenden‘ Praxis der Meditation wird deutlich, daß die „wenig geschickt[e]“ Wiederholung der Vision in der narratio nicht als eine Vervielfachung des Gnadenerlebnisses zu verstehen ist, sondern als textuelle Spiegelung und somit Nachvollzug einer dem menschen e i n m a l mit Hilfe kontemplativer Techniken zuteil gewordenen Vision und ihres textintern als wiederholte Betrachtung vor den inren ougen figurierten Verstehens- und Applikationsprozesses. Erst die Abbildung der Vision und des sich anschließenden hermeneutischen Dialogs in einem Schreibprozeß fordert eine sprachliche Gestaltung und sukzessive Abfolge in einer narrativen Zeitstruktur, die zu Wiederholungen führt. Die histoire des Textes, d.h. das im Modus des ‚Erlebens‘ vorgeführte Geschehen, beschränkt sich auf das Einleitungskapitel, das mit jener Vision einsetzt, die dem menschen während einer meditativen Betrachtung im Advent (also in Erwartung der Inkarnation Gottes) zuteil wird: Es beschach in einen ziten in eime aduenten, vor dem hochgezite vnsers lieben herren geburt, an einer morgen stunden fr ge das ein mensche wart vermanet das er gar geswinde solte gon an sine heimeliche stat an die stat, do sine gewonheit was, heimeliche z bettende Dirre mensche was gehorsam vnd [132 v ] tet, also er vermanet was Vnd do er an die stat kam do wart dirre mensche gar sere vermanet das er sich mit grosseme erneste solte innerliche keren z sime herren vnd z sime gotte Dirre mensche tet alles, das er verm hte vnd were gar gerne gehorsam gesin vnd hette sich gar gerne mit grosseme, innerlicheme erneste gekeret z der ewigen worheit Do diseme menschen alse rehte ernest wart, das er sich gerne hette mit allen sinen kreften gekeret z der ewigen worheit Do beschach es, das diseme menschen wurdent fúrgehebet alse grosse, wunderliche, fr mede bilde (A, Bl. 132 rv ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 2, Z. 12- 18). 200 Diese gleichnishaften Bilder, die dem menschen in der äußersten Konzentration auf Gott, im meditativen Gebet, zuteil werden, sind für den Menschen jedoch so überaus befremdlich, daß er vor ihnen zurückschreckt, sie demütig abwehrt, schließlich aber von Gott gezwungen wird, sie us[zu]liden (A, Bl. 132 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 3, Z. 18); ihre Bedeutung bleibt der interpretativen Kompetenz des menschen aber verschlossen: Do dirre mensche dise grossen, gruwelichen, fr meden bilde ane gesach do erschrag er gar sere ∙ wenne er hette dirre bilde nie me ge[133 r ]sehen vnd gedohte was got mit disen grossen, fr meden bilden meinde (A, Bl. 132 v / J, Bl. 3 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 3, Z. 27-31). Die entwrte kündigt dem menschen daraufhin eine zweite, exegetische Vision an (diese bilde sellent n t anders sin wenne eine gelich nisse [sic! ] ander dinge, die dich got ch wil losen sehhen, J, Bl. 3 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 3, Z. 37-S. 4, Z. 2), 201 die dem Menschen unmittelbar zuteil wird (J, Bl. 3 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 4, Z. 16-19; Bl. cxliii r ; Hofaker, S. 3, Z. 17f.). Erst nachdem der mensche alle diese gesihthe gesach, die hie noch geschriben stot, und somit sowohl die Vision als auch die sich anschließende hermeneuti- 200 Vgl. den entsprechenden Passus in der Kurzfassung: E s geschach z ainer zeyt in ainem Aduent vor Weyhenn cht aines morgens fr , Das ain mensch ward ermanet, das er sich einkerte / vnnd das thet er / als er ermanet warde, mitt gantzem ernst / vnnd gieng an ain haimliche stat, da er pflage zu beeten, vnd keret sich ein mit ernste Do geschache / das disem mennschen für gehalten [cxliii r ] wurden wunderliche, fr mbde bilde (Bl. cxlii v / cxliii r ; Hofaker, S. 2, Z. 15-21). 201 Vgl. den entsprechenden Passus in der Kurzfassung: Sy mainen nichts annders dann ain geleichnuß der ding, die dich gott wil sehen lon (Bl. cxliii r ; Hofaker, S. 3, Z. 9f.). Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 452 sche Interaktion zwischen mensche und entwrte abgeschlossen ist, erhält der Mensch in direkter Rede und unmittelbarer Wendung den göttlichen Schreibbefehl zur paränetischen Lehre der Christenheit (J, Bl. 3 rv ; Strauch 1929 [ATb 27], S. 5, Z. 14-21). Die an die elaborierten Legitimationsformen frauenmystischer Offenbarungstexte erinnernde Inszenierung des ‚b ch von den nún veilsen‘ als gottinspirierte Schrift in der Tradition biblisch-prophetischen Sprechens 202 soll nicht nur die auctoritas des menschen als „Instrument göttlicher Offenbarung“ 203 inaugurieren, indem die Inspiration durch Gott sowohl den Mangel an geschult-klerikaler Bildung (J, Bl. 3 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 6, Z. 8-25) als auch die demütig betonte Unwürdigkeit des menschen (J, Bl. 3 v / 4 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 6, Z. 31-S. 7, Z. 19 und J, Bl. 4 v ; ibid., S. 9, Z. 1-29) kompensiert und somit die textuelle Botschaft mit der Eindringlichkeit und Verbindlichkeit der heiligen Texte versieht (J, Bl. 3 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 5, Z. 22-S. 6, Z. 8; J, Bl. 4 r ; ibid., S. 7, Z. 20-S. 8, Z. 12); neben dieser topischen Legitimation laikalen Sprechens dient die extensive Thematisierung und Reflexion des Schreibens zu Beginn des Textes dem Ausweis seiner spezifischen Qualität: Die gesamte auf das Einleitungskapitel folgende Narration ist die textuelle Transposition, die Darstellung des Verschriftlichungsprozesses jener wnder, die der mensche m ste lidden vnd m ste sehhen: der mensche sprach: herce liep mins, welle wir dirre for redde ein ende gebben vnd wellent n n anne fohen z schribbende, was dv meinnest vnd was diese for redde beth thet? die entwrte sprach: io, es ist rehthe cit, dv solt n t lenger beithen, dv solt gehorsam sin der helgen trifaltikeit vnd solt alles das schriben von worte z worte, das dv gesehhen vnd (Korrektur) geheret hest. der mensche sprach: herce liep mins, ich wil dir n gerne gehorsam sin vnd wil n n annefohen z schribende. Hie het die for rede ein ende, vnd das hie noch stot geschribben, das ist von grosen, wnderlichen, fremmeden bilden, die diesen menschen wrdent f r gehebet (J, Bl. 5 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 11, Z. 22-35). 204 Die Deutung des ‚b ch von den nún veilsen‘ als „Niederschrift aktueller Erfahrung“ 205 zielt dabei nicht primär auf eine Authentisierung, eine Verbürgung des Geschriebenen durch individuelles Erleben, vielmehr wird die der ‚autobiographischen‘ Schreibsituation inhärente „Intensivierung und Reaktualisierung religiöser Erfahrung“ 206 in einen hermeneutischen Dialog zwischen Textsubjekt und göttlichem Gegenüber eingebunden, die Verschriftlichung als meditativer Deutungsprozeß verstanden, an dem der Rezipient unmittelbar Anteil haben kann: Die Präsentationsform des Dialogs soll somit nicht nur die spezifische Beziehung des ‚erlebenden‘ Subjekts zur Transzendenz verdeutlichen, sondern die unmittelbare Teilhabe, den meditativen Nachvollzug, des Rezipienten ermöglichen und die kontemplative Lektüre der meditativen Praxis annähern. Die an den Schreibbefehl angeschlossenen 202 Die Anbindung an die Tradition prophetischen Sprechens wird durch die typologische Anbindung an Kaiphas (J, Bl. 5 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 11, Z. 19-22) und den Rekurs auf das Alte und Neue Testament (J, Bl. 4 r ; ibid., S. 7, Z. 20-S. 8, Z. 12) explizit herausgestellt. 203 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 297. 204 Ein entsprechender Passus fehlt der Kurzfassung. 205 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 266. 206 Ibid. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 453 Wiederholungen der Vision sind folglich keine Relikte einer noch ungeschliffenen Verfugung „ursprünglich gesondert nebeneinander be[stehender]“ Textbestandteile, 207 sondern nachträgliche Explikation einer zunächst nur konstatierten mentalen Betrachtung und Auslegung, die der präsentierten Narration einen systematisch nicht bestimmbaren Ort zwischen Allegorese/ Hermeneutik und Fiktion zuweist. 208 ‚Erleben‘ Allegorie ‚Hermeneutik‘ Allegorese textinternes ‚Erleben‘ Vision (Strauch 1929 [ATB 27], S. 2, Z. 12-18; S. 3, Z. 23-27) Meditativer Prozeß des Verstehens mit inneren Sinnen (Strauch 1929 [ATB 27], S. 3, Z. 37-S. 4, Z. 2; S. 4, Z. 16-19) meditative Praxis Schreibbefehl (Strauch 1929 [ATB 27], S. 5, Z. 14-S. 11, Z. 21) Vermittlung des ‚Erlebens‘ an textexterne Rezipienten Fischgleichnis: 1. Teil: Entfernung vom Ursprung (Strauch 1929 [ATB 27], S. 12, Z. 2-27 und S. 13, Z. 10-28) autoritative Deutung (Strauch 1929 [ATB 27], S. 16, Z. 5-27) Rügenbuch (Strauch 1929 [ATB 27], S. 20, Z. 9-73, Z. 12) meditativer Text 2. Teil: Rückkehr zum Ursprung (Strauch 1929 [ATB 27], S. 14, Z. 3-15; S. 18, Z. 17-S. 19, Z. 6) autoritative Deutung (Strauch 1929 [ATB 27], S. 19, Z. 6-33) Neunfelsenbuch (Strauch 1929 [ATB 27], S. 73, Z. 13-S. 166, Z. 33) Vor dem Hintergrund der spezifischen Struktur des Textes wird deutlich, daß es sich beim Fischgleichnis nicht um eine erneute Offenbarung handelt, sondern um einen Visionsbericht, der das in der Diegese zunächst nur konstatierte visionäre Geschehen in die Gestalt der Allegorie faßt, die im Dialog mit der topischen Bildsprache 207 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 286f. 208 Vgl. zu einem ähnlichen Effekt in den ‚Confessiones‘ des Augustinus: Reinhart Herzog, Non in sua voce. Augustins Gespräch mit Gott in den Confessiones. Voraussetzungen und Folgen, in: Karlheinz Stierle und Rainer Warning (Hgg.), Das Gespräch, München 1984 (Poetik und Hermeneutik XI), S. 213-250, hier S. 244. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 454 der biblischen Texte steht: 209 Im Sinne der evangelischen Bezeichnung der Apostel als „Menschenfischer“ (Mt 4, 19; Mc 1, 16) und dem eschatologischen Gleichnis vom Fischfang (Mt 13, 47-50) werden Fische in der ersten Vision als Sinnbild für die Gläubigen genutzt, 210 die an der Rückkehr zur Quelle des Lebens nicht allein durch die reißende Strömung in das Meer der Sterblichkeit, sondern auch durch die Stricke und Netze der Seelenangler gehindert werden. Durch den spezifischen Gebrauch der Bildsprache des inspirierten heiligen Textes und der Schriften der Kirchenväter werden die Schwierigkeiten einer textuellen Transposition des visionären ‚Ereignisses‘ vor Augen gestellt: Die Fischallegorie ist ein „notwendiger Tropus“, eine Katachrese, die durch den Rekurs auf vorgängiges Text- und Bildmaterial das unsagbare Geschehen zwar in Worte fassen, 211 seine Wahrheit und Authentizität aber nur behaupten und nicht mit textueller Evidenz ausstatten kann, da ‚Erleben‘ sich hier nicht durch Einmaligkeit und Natürlichkeit auszeichnet, sondern sich einer kontemplativen Betrachtung der kanonischen Texte verdankt, die grosse, wunderlich, fr mede bilde hervorruft, welche das spirituelle Sinnpotential der betrachteten Texte im mentalen Raum sinnlich und affektiv erfahrbar inszenieren. 212 Die sich anschließenden Textteile des ‚Rügenbuchs‘ und der ‚Neunfelsen‘-Vision suchen nun dieses visionäre Bild einer meditativen Allegorese, d.h. einer tropologischen Anverwandlung, zu unterziehen. Da der eigentliche Sinn der Vision, ihre abstrakte Bedeutung, in der sprachlichen Sukzession der Erzählung nicht zu fassen ist, bedient sich der Text auch für die Auslegung des Fischgleichnisses einer Allegorie. In Anlehnung an die in Traktatliteratur und Ikonographie weit verbreitete Vision Jakobs von der Himmelsleiter (Gn 28, 12) 213 wird das itinerarium mentis in Deum in der „allegorischen Allegorese“ 214 in ein mystisches Aufstiegsschema gefaßt, das den Weg 209 Vgl. zur Verbindung allegorischer Deutung mit Meditation und Gebet: Paul Michel, Übergangsformen zwischen Typologie und anderen Gestalten des Textbezugs, in: Wolfgang Harms und Klaus Speckenbach (Hgg.), Bildhafte Rede in Mittelalter und früher Neuzeit. Probleme ihrer Legitimation und ihre Funktion, Tübingen 1992, S. 43-72, bes. S. 56f. 210 Vgl. zum christlichen Symbolwert des ‚Fisches‘: E. Sauser, Fisch, in: LCI Bd. 2 (1970), Sp. 35-39; J. H. Emmeringhaus, Fisch, in: LThK Bd. 4 (1960), S. 154f.; J. Engemann, Fisch, Fischer, Fischfang, in: RAC Bd. 7 (1969), Sp. 1021-1097; sowie zum Fischfang: B. Ott, Fischer, Fischfang, in: LCI Bd. 2 (1970), Sp. 40-42. 211 Heinrich Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik, Bd. 1, § 551 (S. 282), 553 (S. 283), 562 (S. 288-292). Vgl. zu diesem Verständnis der Allegorie: Niklaus Largier, Von Hadewijch, Mechthild und Dietrich zu Eckhart und Seuse? Zur Historiographie der ‚deutschen Mystik‘ und der ‚deutschen Dominikanerschule‘, in: Walter Haug und Wolfram Schneider-Lastin (Hgg.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, S. 93-117, bes. S. 99-106. 212 Niklaus Largier, Die Kunst des Begehrens. Dekadenz, Sinnlichkeit und Askese, München 2007, S. 140f. 213 Jeffrey Hamburger weist darauf hin, daß im Spätmittelalter Traktate mit dem Titel scala oder stiege ebenso beliebt waren wie jene, die sich der Spiegelmetaphorik bedienten. Vgl. Jeffrey Hamburger, Nuns as artists. The Visual Culture of a Medieval Convent, Berkley 1997, S. 109. Vgl. zur Himmelsleiter: ibid., S. 101-136; E. Bertrand, Échelle spirituelle, in: DSp Bd. 4 (1960), Sp. 62-86; W. Brückner, Himmelsleiter, in: LCI Bd. 2 (1970), Sp. 283f.; Gerhard Müller, Gradualismus, in: DVjS 2 (1924), S. 681-720. 214 Hans-Georg Kemper, Allegorische Allegorese. Zur Bildlichkeit und Struktur mystischer Literatur, in: Walter Haug (Hg.), Formen und Funktionen der Allegorie. Symposion Wolfenbüttel 1978, Stuttgart 1979 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 3), S. 90-125. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 455 der Seele zu ihrem himmlischen Ursprung (in Anlehnung an die Engelchöre? ) durch neun Stufen versinnbildlicht. Die Deutungsnotwendigkeit des Fischgleichnisses wird somit nur verschoben; der Verstehensprozeß des menschen wird nicht in der Form einer detaillierten Allegorese als abgeschlossen präsentiert, vielmehr soll die allegorische Verschiebung zeigen, daß der spirituelle Sinn der Vision nie vollständig zu erfassen ist. Die Spannung zwischen unabschließbarer Bedeutung und notwendiger individueller Applikation ist nur durch einen meditativen Nachvollzug aufzulösen, der durch die intensive mentale Auseinandersetzung gleichsam den dargestellten christlichen Lebensweg im Vollzug der Lektüre i.S. einer individuellen Textapplikation bereits betritt: Meditative Praxis wird so durch ihre literarische Ausgestaltung im Schreibprozeß mit meditativer Lektüre verschränkt. 215 Der Einbindung des Rezipienten in den meditativen Prozeß dient auch die konsequente Durchführung der in der Kurzfassung nur angelegten Dialogform; bleiben in dieser einige Kapitel des Sündenspiegels reine Monologe, sind a l l e Kapitel des ‚Rügenbuchs‘ in der Fassung Merswins als Auseinandersetzung des menschen mit der entwrte konzipiert: Im ersten teil [...] hat Merswin in den capiteln, die den einzelnen ständen gewidmet sind, die dialogform häufiger und strenger durchgeführt als dies in seiner vorlage der fall war. Das verfahren, das er einschlägt, ist sehr einfach. Er greift meist aus den äusserungen der ‚antwort‘ die eine oder andere heraus und setzt sie in frageform um, damit ist dann der dialog hergestellt, aber wir müssen zugleich auch wortschwall und lästige widerholungen mit in den kauf nehmen. 216 215 Dieses Verständnis des ‚Rügenbuchs‘ und (vor allem) der ‚Neunfelsen‘-Vision als mentale Betrachtung(sübung) wird durch die Illustrationen bestätigt, die dem ‚b ch von den nún veilsen‘ im Druck der Kurzversion und in der Handschrift Guelf. 78.5 Aug. 2° der Herzog August Bibliothek beigegeben sind: Der Augsburger Seuse-Druck schickt dem ‚b ch‘ eine Abbildung voraus (Abb. 31), die man als piktorale Aufforderung zur Meditation begreifen kann. Die aus der Ikonographie der Himmelsleiter bzw. des mons moyses bekannten Aufstiegsdarstellungen werden am linken unteren Bildrand um eine Unterweisungsszene ergänzt, die das Geschehen der rechten Bildhälfte als mentalen Prozeß ausweist: Auf ein Buch gestützt und durch seine sitzende Position vom Bildgeschehen abgehoben (und folglich auf einer anderen diegetischen Ebene anzusiedeln), wird ein Mensch von einer Engelsfigur mit einer Lehre konfrontiert, deren Inhalt - so verdeutlicht die Blickrichtung der Gesprächspartner - eben jenes itinerarium mentis in Deum ist, an dem unterschiedlich figurierte Menschen in der rechten Bildhälfte teilnehmen. Die nicht übereinstimmende Figuration des Unterwiesenen und des Aufsteigenden versinnbildlicht nicht die im ‚b ch von den nún veilsen‘ berichtete Vision, sondern den mentalen Betrachtungs- und Applikationsprozeß, zu dem das ‚b ch‘ den Rezipienten auffordert. Die Verschmelzung der Welt der Diegese und des Rezipienten wird in einer Miniatur, die die Wolfenbütteler Handschrift dem ‚Rügenbuch‘ beigibt (Bl. 268 v ; Abb. 30), noch deutlicher herausgestellt, indem die Unterweisung der textexternen Zuhörer in die Belehrung des menschen durch einen in Halbfigur dargestellten Christus aufgeht: Die Betrachtung des Felsens, zu der der mensch durch Christus aufgefordert wird, wird - dies demonstriert die Geste des als Gelehrten figurierten menschen - an eine Gruppe von Zuhörern weitergegeben. Diese Rezipientengruppe ist zugleich auch Objekt der Betrachtung: Durch ihre Kleidung als Repräsentanten unterschiedlicher Stände ausgewiesen, bilden sie Demonstrationsfiguren für den im ‚Rügenbuch‘ gegebenen Sündenspiegel und sind so Teil der visionären Allegorese des Fischgleichnisses, das auf jenen Bach reduziert wird, der den Menschen von der Zuhörergruppe trennt. Sucht der Druck folglich eine bildliche Umsetzung der meditativen Betrachtung zu erreichen, betont die Wolfenbütteler Handschrift die Applikationsnotwendigkeit der präsentierten Lehre. 216 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 278. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 456 Obwohl Strauch die Differenzen der beiden Textfassungen sehr genau beobachtet, stützt sich ihre Interpretation als Indiz der Nachträglichkeit der Langfassung auf sein Verständnis des Dialogs als in der Diegese real stattgefundenes Gespräch i.S. eines kommunikativen Austausches mit Mitteilungsfunktion. Die recht komplexe Anlage der Vermittlung suggeriert demgegenüber, daß die dialogische Struktur an die literarische Tradition der confabulatio anknüpft, um ein Darstellungs- und Vermittlungsproblem 217 zu lösen. Durch die exponierte Position der Textentstehungsgeschichte zu Beginn der Erzählung wird die Struktur der reden in der Form (innerer) Dialoge 218 als Darstellungsmittel ausgewiesen, mit dem der Versuch des menschen, das Göttliche zu verstehen, abgebildet wird. Der Text suggeriert, daß erst die nachträgliche, vom Schreibbefehl ausgehende Vermittlungsnotwendigkeit die innerhalb des erzählten Handlungsgefüges vornehmlich visuelle, weitgehend jedoch unbestimmte Interaktion zwischen mensche und entwrte (m ste l i d d e n vnd m ste s e h h e n [...] alle diese grosen wnder; J, Bl. 5 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 11, Z. 2f.; Hervorhebung d.V.) in ein Lehrgespräch mit zwei deutlich voneinander zu unterscheidenden Sprecherinstanzen überführt: ich wil dir sagen, w e n n e d v a n d i e s e n b c h e w i r s t s c h r i b b e n d e , was dv denne n t an stette bekennest, das fregge mich, (so wil ich gestrichen) so wil ich dich es bewisen an stette (J, Bl. 5 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 10, Z. 13-15). 219 Nur die durch den Schreibbefehl ausgelöste Notwendigkeit einer sprachlichen Gestaltung im Rahmen der karitativen Belehrung der Christenheit scheint zur Transposition des hermeneutischen Zusammenspiels in die Form des Dialogs zu führen, die durch die permanente und ausschließliche Adressierung an Gott den transzendenten Partner als verständnisanleitenden Stimulus und unergründlichen Gegenstand der meditativen Durchdringung ausweist, und es dem Rezipienten zugleich erlaubt, - durch die in der Form des Dialogs inhärente Suggestion der Gleichzeitigkeit - sich die ‚Erfahrung‘ des Gottesgesprächs zu eigen zu machen. 220 Obwohl durch die vorangeschick- 217 Zur Darstellungsfunktion des Dialogs vgl. Walter Haug, Das Gespräch mit dem unvergleichlichen Partner. Der mystische Dialog bei Mechthild von Magdeburg als Paradigma für eine personale Gesprächsstruktur, in: Karlheinz Stierle und Rainer Warning (Hgg.), Das Gespräch, München 1984 (Poetik und Hermeneutik XI), S. 251-279; Niklaus Largier, Inner Senses - Outer Senses. The Practice of Emotions in Medieval Mysticism, in: C. Stephen Jaeger und Ingrid Kasten (Hgg.), Codierung von Emotionen im Mittelalter / Emotions and Sensibilities in the Middle Ages, Berlin; New York 2002 (Trends in Medieval Philology 1), S. 3-15, hier S. 4. Gegen die Interpretation des Dialogs als textliche Vermittlung eines „vergangene[n] tatsächliche[n] Unio-Erlebnis[ses]“ wendet sich: Gerd Dicke, Aus der Seele gesprochen. Zur Semantik und Pragmatik der Gottesdialoge im ‚Fließenden Licht der Gottheit‘ Mechthilds von Magdeburg, in: Nikolaus Henkel, Martin H. Jones und Nigel F. Palmer (Hgg.), Dialoge. Sprachliche Kommunikation in und zwischen Texten im deutschen Mittelalter. Hamburger Colloquium 1999, Tübingen 2003, S. 267-278, hier S. 271 und Anm. 20. 218 Die Bezeichnung „innerer Dialog“ wird aus zwei Gründen verwendet: Zum einen soll hiermit der unbestimmte ontologische Status der literarischen Form zwischen textueller Repräsentation außerliterarischer Erfahrung und „im Prozeß des Schreibens [... lediglich] imaginierte[m] Wirken Gottes“ herausgestellt werden (Gerd Dicke, Aus der Seele gesprochen, S. 274); zum anderen wird hiermit die Inkonsistenz der Rolle der entwrte betont, die mal von Gott in der dritten Person spricht, sich mal mit ihm gleichsetzt und somit wohl als Integrationsfigur für mentale Prozesse zu verstehen ist. 219 Vgl. den entsprechenden Passus in der Kurzfassung: Vnd ob icht darauff fallet, das du z hand nicht verstast / des frag mich ich sol dir es z hand sagen (Bl. cliiii r ; Hofaker - ). 220 Zum Dialog als Suggestion der Unmittelbarkeit vgl. Gerd Dicke, Aus der Seele gesprochen, S. 274; Reinhart Herzog, Non in sua voce, S. 219; Paul Michel, Quomodo amor excitet animam pigram. Ein Dialog im ‚Fließenden Licht‘ Mechthilds von Magdeburg, in: Claudia Brinker, Urs Herzog, Niklaus Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 457 te Erzählung des Aufzeichnungszwangs die Identität des nur scheinbar heterodiegetischen Erzählers mit dem menschen entlarvt wird (J, Bl. 4 v / 5 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 9, Z. 33-36), dient die Bezeichnung des immanenten Dialogpartners als mensche nicht nur der demütigen Verschleierung der begnadeten Sprecher- und Erzählerinstanz, sondern auch der Teilhabe des Rezipienten am meditativen Verstehensprozeß: „Hier geht es nicht um die Erzählung dessen, was einem einzigen Begnadeten widerfahren ist“, 221 sondern um die lebendige Darbietung einer Rolle, in die jeder Rezipient eintreten kann. Dieser besondere Status reportierter Dialoge zwischen minnekosendem Zwiegespräch 222 und hermeneutischem Katalysator erklärt zugleich das von Strauch artikulierte ästhetische Unbehagen: Der Versuch, den kontemplativen Prozeß des menschen erschöpfend und in allen Einzelheiten zu präsentieren (alles das schriben von worte z worte, das dv gesehhen vnd [Korrektur] geheret hest, J, Bl. 5 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 11, Z. 28f.) und somit einen „mimetischen Vollzug des allmählich sich entwickelnden Texts“ 223 zu ermöglichen, steht im Widerspruch zu einem narrativen Kohärenzprinzip: Die meditative Faktur des Textes führt zu Verdopplungen und detailreichen Ausdehnungen, die dem von Strauch vertretenen Verständnis von Textualität i.S. eines überschneidungsfreien und kohärenten Sinnganzen widersprechen. Das meditative Prinzip der ruminatio bleibt in der Fassung Merswins nicht auf die Struktur beschränkt, die permanente Iteration des gleichen Geschehens bzw. identischer Textelemente bestimmt auch die interne Komposition von ‚Rügenbuch‘ und ‚Neunfelsen‘-Vision: Die Wiederkehr identischer Handlungskonstellationen - j e d e s Kapitel des ‚Rügenbuchs‘ stellt das ehemals heiligmäßige Leben eines Standes seiner gegenwärtigen Sündhaftigkeit gegenüber, j e d e s Kapitel der ‚Neunfelsenvision‘ führt den Menschen auf einen Felsen, auf dem vorbildlich tugendhafte Christen leben - wird in der Langfassung durch die Verwendung identischer Formulierungen und Wendungen nochmals hervorgehoben. Die einzelnen Kapitel scheinen aus identischen ‚Textbausteinen‘ komponiert: Der durchweg antithetischen Struktur der Ständelehre im ersten Teil entsprechend, wird das Lob der vergangenen, gottgefälligen Ordnung stets identisch wiedergegeben: Die Angehörigen des Standes, die hiefor lebbetent bzw. wandeltent, 224 f ndent sich selber in keinen wisen weder minnende noch meinnende: si f ndent sich in alleme irme d nde vnd in alleme irme lossende s hende vnd meinnende die Largier und Paul Michel (Hgg.), Contemplata aliis tradere. Studien zum Verhältnis von Literatur und Spiritualität. Festschrift Alois M. Haas, Bern [usw.] 1995, S. 47-70, hier S. 68f. 221 Paul Michel, Quomodo amor excitet animam pigram, S. 67. 222 Die sich vor allem in den Anreden sedimentierende Referenz des Textes auf die Liebesmetaphorik des ‚Hohen Liedes‘ wird explizit thematisiert: der mensche sprach: sage mir, herce liep mins, sidder ich n schriben sol, gedar ich denne ch geschriben die minne kosende redde, die ich mid dir habbe, das ich dir spriche „herce kliches [sic! ] liepliches liep minnes“ vnd ch ander minne kosende wort, die mir digke enpfarent geggen dir? (J, Bl. 5 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 9, Z. 38-S. 10, Z. 4). 223 Paul Michel, Quomodo amor excitet animam pigram, S. 69. 224 Vgl. J, Bl. 8 v , Strauch 1929 (ATB 27), S. 22, Z. 21; Bl. 9 r , ibid., S. 24, Z. 1; Bl. 9 v , ibid., S. 25, Z. 16; Bl. 14 v , ibid., S. 37, Z. 14 und nochmals S. 39, Z. 18; Bl. 15 v , ibid., S. 43, Z. 10; Bl. 16 r , ibid., S. 44, Z. 13f.; Bl. 17 r , ibid., S. 48, Z. 5. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 458 ere gottes; 225 auch wenn Gott durchaus unterschiedliche Forderungen an die einzelnen Stände stellt, führt die Befolgung seines Willens stets dazu, daß sie grose helgen sint for gotte. 226 Nun ist jedoch alle ordenvnge [...] z r gangen vnd f r gessen, 227 und unter denjenigen, die in diesen citen lebbent, 228 findet man gar l ccel vnd gar wennig [...], die sich selber fvndent wedder minnende noch meinnende 229 oder die gehelget sint. 230 Auch für die Beschreibung der einzelnen Felsen entwickelt sich ein topisches Formulierungsinventar. So beginnt die Beschreibung des zweiten bis achten Felsens mit leichten Variationen wie folgt: die entwrte sprach: d n vf diene gen vnd sich veber dich. der mensche was gehorsam vnd sach veber sich vnd sach fan demme ersten felse vf vnd sach den andern fels vnd siht, wie dieser menschen ein deil gont von dieseme ersten felse vnd gont vf vnd gont z demme andern felse; vnd do diese menschen obbenan an den andern fels koment, do fiel dirre menschen ein deil also gar geswinde her widder abbe vnd ein deil, die blibbent und koment obbenan vffe den andern fels. 231 Des weiteren ist auch der Übergang zwischen der Beschreibung des Felsens und der Schau seiner Bewohner stets gleich gestaltet. Auf die Frage des Menschen, was menschen sint diese menschen, die hie obbe vns vffe dieseme [...] felse wonnende sint, 232 wird er zur eigenen Anschauung aufgefordert. Schließlich wird auch die Verwunderung des menschen, daß die Bewohner der einzelnen Felsen die Qualen des Fegefeuers erleiden müssen, 233 stets durch das Bild eines oder mehrerer Haken aufgelöst, die der Teufel in die Bewohner des Felsens geschlagen hat. 234 Diese repetitiven Sprach- und Erzählmuster überformen die für die Erzählung konstitutive zeitliche Sukzession so stark, daß in der Lektüre das Moment eines linearen Vorgangs, eines narrativen Zusammenhangs aufgehoben wird. 235 Die formalisierten Wiederholungen sind - Litaneien und Wiederholungsgebeten vergleichbar - Techni- 225 Vgl. J, Bl. 9 r , Strauch 1929 (ATB 27), S. 22, Z. 24-28; Bl. 10 r , ibid., S. 25, Z. 3-S. 26, Z. 2; Bl. 11 v , ibid., S. 30, Z. 1-7; Bl. 14 v , ibid., S. 40, Z. 6-11; Bl. 15 v , ibid., S. 43, Z. 18-23. 226 Vgl. J, Bl. 8 v , Strauch 1929 (ATB 27), S. 22, Z. 8; Bl. 10 v , ibid., S. 27, Z. 12 und S. 28, Z. 13; Bl. 15 v , ibid., S. 43, Z. 24f. 227 Vgl. J, Bl. 9 v , Strauch 1929 (ATB 27), S. 25, Z. 2f; Bl. 10 v , ibid., S. 27, Z. 31f.; Bl. 13 r , ibid., S. 34, Z. 7f.; Bl. 17 r , ibid., S. 48, Z. 10-12. 228 Vgl. J, Bl. 9 r , Strauch 1929 (ATB 27), S. 23, Z. 11 und S. 24, Z. 1; Bl. 9 v , ibid., S. 25, Z. 16; Bl. 10 v , ibid., S. 28, Z. 10; Bl. 12 v , ibid., S. 32, Z. 15f.; Bl. 13 r , ibid., S. 34, Z. 23; Bl. 14 r , ibid., S. 36, Z. 30f.; Bl. 14 v , ibid., S. 37, Z. 23 und nochmals S. 39, Z. 11f.; Bl. 15 v , ibid., S. 42, Z. 25f.; Bl. 17 r , ibid., S. 47, Z. 29 und S. 48, Z. 24f. 229 Vgl. J, Bl. 9 r , Strauch 1929 (ATB 27), S. 23, Z. 21-23; Bl. 13 v , ibid., S. 35, Z. 11-14. 230 Vgl. J, Bl. 10 r , Strauch 1929 (ATB 27), S. 25, Z. 7, S. 26, Z. 7; Bl. 13 r , ibid., S. 33, Z. 31f.; Bl. 13 v , ibid., S. 35, Z. 25f.; Bl. 15 r , ibid., S. 40, Z. 35-41, Z. 1. 231 Vgl. J, Bl. 30 v , Strauch 1929 (ATB 27), S. 91, Z. 22-31; vgl. auch: Bl. 32 v , ibid., S. 97, Z. 3-12; Bl. 33 v , ibid., S. 100, Z. 1-9; Bl. 36 r , ibid., S. 106, Z. 32-S. 107, Z. 6; Bl. 37 v , ibid., S. 111, Z. 1-11; Bl. 38 v / 39 r , ibid., S. 114, Z. 16-27; Bl. 40 r , ibid., S. 118, Z. 13-25. 232 Vgl. J, Bl. 31 v , Strauch 1929 (ATB 27), S. 92, Z. 32-34; Bl. 32 v , ibid., S. 98, Z. 1-4; Bl. 34 r , ibid., S. 101, Z. 19-22; Bl. 36 v , ibid., S. 108, Z. 1-5. 233 Vgl. J, Bl. 29 v , Strauch 1929 (ATB 27), S. 89, Z. 10-25; Bl. 32 r , ibid., S. 96, Z. 1-11; Bl. 33 r , ibid., S. 99, Z. 14-23; Bl. 35 r , ibid., S. 104, Z. 26-S. 105, Z. 6; Bl. 37 rv , ibid., S. 110, Z. 20-29; Bl. 38 v , ibid., S. 113, Z. 26-S. 114, Z. 1; Bl. 40 r , ibid., S. 117, Z. 29-S. 118, Z. 4; Bl. 41 r , ibid., S. 121, Z. 6-13; Bl. 42 r , ibid., S. 123, Z. 3-10. 234 Vgl. J, Bl. 29 r , Strauch 1929 (ATB 27), S. 87, Z. 32-36; Bl. 31 v , ibid., S. 93, Z. 36-S. 94, Z. 2; Bl. 32 r , ibid., S. 95, Z. 16-28; Bl. 33 r , ibid., S. 98, Z. 36-S. 99, Z. 10; Bl. 36 v , ibid., S. 108, Z. 33-S. 109, Z. 7; Bl. 38 r , ibid., S. 112, Z. 22-30; Bl. 39 rv , ibid., S. 116, Z. 19-27; Bl. 41 r , ibid., S. 121, Z. 13-16. 235 Vgl. zum ‚zeitaufhebenden‘ Aspekt der Wiederholung grundlegend: Eckhard Lobsien, Darstellung und Wiederholung: Zur Phänomenologie poetischer Repräsentation (Paradise Lost ), in: Christiaan L. Hart Nibbrig (Hg.), Was heißt „Darstellen“? , Frankfurt/ M. 1994, S. 119-138, hier S. 126. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 459 ken der Vertiefung und Versenkung, die den sukzessiven Schreib- und Leseprozeß zu einem narrativen Stillstand öffnen und so das meditative Verweilen des menschen abbilden, indem sie die Zeitlichkeit der Narration dem abstrakten Vorgang der Durchdringung annähern. Dies wird besonders in der stilistischen Gestaltung der Einzelkapitel durch phonetische sowie syntaktische „widerholungen bis zum überdruss“ 236 deutlich, die hier durch das „besonders lehrreich[e] [...] capitel [...] von den herzögen“ 237 exemplifiziert werden sollen: Textverlauf der Kurzfassung (Hofaker, S. 24, Z. 20-S. 25, Z. 5) Textverlauf der Merswin-Fassung (zit. nach J, Bl. 15 rv ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 41, Z. 5-S. 42, Z. 23) Zeilen D Ie antwurt: Sihe, wie nun die hertzogen Grafen vnd freyen vnd ire weiber leben Hieuor wogeten sy jren leib vnd ir leben got z eern, das frid vnd gnad wurd in der christenhait vnd in jrem land Vnd heten ersamen, g tlichen ernst vnd menschlichen fleiß, vnd ire weiber waren als recht z ü chtig vnd dem tig vnd als recht g tes wandels / wer bey jn was, bey herrn vnd frauen, der ward ir gr slichen gebessert / vnd schameten sich vnrechter vnd vntz ü chtiger thaten / vnd [cc r ] was kain fraw, die fr uel vnd m twillig was / vnd die in gottes forchte nicht wolt leben / die zwang der herr mit der gottes hilff/ das sie m st recht th n / vnd mann vnd frauwen funden sich in der vorcht vnd liebe des wigen gottes Die entwrte sprach: d n vf diene gen vnd sich vmbe dich vnd sich an, wie gar wnderliche es stot vmbe die herzogen vnd vmbe die grofen vnd vmbe die friggen vnd ch vmbe ire wiber. ich wil dir sagen, wie si hie for lebbentent; die weltlichen heren die (wogentent durchgestrichen) noment got z helfe vnd wogentent iren lip vnd ir lebben drvmbe vnd strittent gotte z ein eren, in der meinvngen, das fride vnd gnode wrde in der cristenheite vnd s nder linge in iren landen; si f rthent ch ein also rehthes getteliches, ernestaftes, dem tiges lebben, alles das si anne sach vnd iren wandel anne sach, das wart fan in gebessert; dis selbe thottent ch irre wiber. dv solt wissen, irre wiber, die hettent ch ein also z thigen, gettelichen, dem tigen wandel, alles, das si anne sach, das wart ch fan in gebessert. ich wil dir sagen, weller herre ein (wip durchgestrichen) wip hette, die n t got ferthen wolte vnd mit irme frefeln m t willen wolte lebben, der here ginc der vnd nam got z helfe vnd twanc das wip mit liebe vnd mit leide, das si imme m ste gehorsam sin. ich wil dir sagen, die heren vnd ire wiber, die hie for lebbentent, die hettent also gar grosen ernest vnd also gar grose minne z gotte, das si sich selber in keinen weg f ndent wedder minnende noch meinnende, si f ndent sich in allen irme d nde vnd in alleme irme losende s hende vnd meinnende, das die ere gottes folle broht wrde. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 236 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 279. 237 Ibid. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 460 Aber nun leben sy in allem dem m twillen / den sy erdencken künden / vnd volbringent mit hochfart vnd mïtt allen sachen iren überm t / vnd zwingendt ir arme leüt über recht / vnd nemen jn ab ir arbait vnnd verth nd die in grossen sorgen irer seel wider gott. Der mensch. Das m ß dich, lieber herr, erbarmen sich, also was hie for der weltlichen heren vnd der weltlichen froewen lebben; das was ch die sache, das ir hie for fil heillig wart, bedde heren vnd froewen, die eewekliche grose helgen sint for gotte. der mensche sprach: ach herce liep mins, wie ist mir so rehthe leit, das n t alle menschen noch rehther cristen licher ordenvngen lebbent vnd s nder linge ie der mensche noch der ordenvnge also imme z gehorthe. die entwrte sprach: l ge vmbe dich vnd sich an vnd sich, wie gar wnderliche, freffelliche die heren vnd die froewen lebbent in diesen citen mit allen dem m t willen, den si in der nattvren erz gen megent, bedde heren vnd froewen, [15 v ] vnd mit aller der freffellicher, m t williger h ffart, die si erdenken k nent odder megent. dv solt wissen, (ha durchgestrichen) das si hant f r gessen alles getteliches ernestes; dv solt ch wissen, das si keine getteliche forthe lont bi in wonnen; also schirre so si getteliche forthe anne stoset, so thribent si balde vs; dv solt wissen, si netigent vnd trengent irre armen l the veber reht vnd nemment in irre erbeit abbe veber reht, vnd f r d nt si es denne al z mole widder got. l ge vmbe dich vnd sich an, wie gar z r gangen ist gettelicher ernest vnd getteliche forthe. der mensche sprach: ach herce liep mins, das lo dich erbarmen, das gettelichher ernest vnd getteliche forthe also gar f r gessen ist, das (ist nachgetragen) mir von gr nde mins hercen leit. 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 Präsentiert sich das Kapitel in der Kurzversion im Kontext des Sündenspiegels der Stände, der im ‚Rügenbuch‘ aufgefächert wird, als eine laudatio temporis acti, die pointiert die vormalige Vorbildlichkeit der Adligen als Garanten der göttlichen Ordnung ihrem gegenwärtigen Hochmut und ihrer Habgier gegenüberstellt, zielt das stilbildende Prinzip der Textfassung in J - das Ineinandergreifen syntaktischer und semantischer Parallelismen - offenbar nicht auf eine möglichst prägnante und leicht erfaßbare paränetische Lehre. Das Prinzip der Äquivalenz der Form wie der Gedanken - unterstrichen durch zahlreiche anaphorische (z.B. Z. 1f., 3f.) und epiphorische (z.B. Z. 12f., 53f.) Wortwiederholungen - scheint vielmehr ein (auto)suggestives Sprachmittel: Die variierende Wiederholung eines Gedankens (z.B. Z. 25f.; 30-33), seine Fortführung und Erweiterung (z.B. Z. 12f. und 16f., 42-46, 46-50) wie auch Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 461 seine antithetische Durchbrechung (z.B. Z. 5, 24f., 30f. vs. 40-42) im Rahmen syntaktischer Gleichförmigkeit mehrerer Satzteile oder ganzer Sätze bildet das tentative Verstehen des menschen ab, das so erst im Schreibprozeß selbst seinen Abschluß findet. Besonders in Verbindung mit Figuren der Wortwiederholung, der Akkumulation (z.B. Z. 3f., 11f., 16) und den der figura etymologica verwandten Wortresponsionen (z.B. Z. 40-50: m t willigen, gettelicher ernst, getteliche forthe) wird deutlich, daß die syntaktische Parallelführung und Wiederholungsstruktur des Textes als sprachliches Instrument dient, um mentale Prozesse in Gang zu setzen, welche die unterschiedlichen Formen der Ähnlichkeit zu einem wiederholenden, jedoch zugleich differenzierenden Abwägen des Gedankens nutzen und so Wissen durch ein Durchdringen ersetzen, das den mental abgewogenen Gedanken mit besonderer Eindringlichkeit in das Gedächtnis einschreibt. Die so entstehende meditative Faktur des Textes öffnet diesen zugleich zum meditativen Nachvollzug des am menschen demonstrierten Prozesses: Obwohl die Leseanweisung zu Beginn des ‚b ch von den nún veilsen‘ den Rezipienten explizit auf einen linearen Lektüreprozeß verpflichtet (mit eime rehten erneste [...] von vornan an vntze ende us ; A, Bl. 132 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 1, Z. 4-6), wird gerade die sukzessive Abfolge des Lesens durch die permanenten Wiederholungen an ihre Grenzen geführt. Die monotone Komposition der längeren Fassung durch unablässige Iteration auf allen Ebenen der Textkonstitution untergräbt den semantischen Verweis, die „Umsetzung des sprachlichen Ausdrucks in Anschauung“, 238 so daß sowohl die Referentialisierung auf ein dem Text vorgängiges Geschehen unterbunden wird als auch eine für die meditativen Praxen von Andacht und Gebet übliche Animation der inneren Sinne 239 durch Anschaulichkeit unterbleibt. Die angewandte Technik der Meditation nutzt die enervierende Monotonie der phonetischen, syntaktischen und textuellen Wiederholung vielmehr zu einer „Denaturierung“ 240 der Sinne: Die mikrotextuelle ruminatio, die mechanische Wiederholung einer Aussage in sprachlicher Variation, führt durch die Auflösung der semantischen Bezüge in der sinnentleerenden Intensität der Wiederholung die Grenzen einer interpretativen Explikation 241 des Visions- und somit Textsinns vor Augen. Die Textgestaltung leitet weder dazu an, den sensus historicus als visionäres Gnadenerlebnis zu rekonstruieren, das das heiligmäßige Leben eines Menschen offenbart, noch den sensus allegoricus durch reflektierte Anleitung zur Bedeutungsübertragung von der sinnbildlichen Darstellung (Fische, Felsen) zum Signifikat offenzulegen. Die semantische Überdeterminierung durch Repetition mündet vielmehr in reine Sprach- 238 Eberhard Lobsien, Darstellung und Wiederholung, S. 136. 239 Vgl. Pierre Adnès, Goût spirituel, in: DSp Bd. 6 (1967), Sp. 626-644; Mariette Canevet, Sens spirituels, in: DSp 13 (1989), Sp. 589-617; Karl Rahner, Le début d’une doctrine des cinq sens spirituels chez Origène, in: Revue d’ascétique et de mystique 13 (1932), S. 113-145 [= ders., Die „geistlichen Sinne“ nach Origenes, in: ders., Schriften zur Theologie, 16 Bde, Zürich [usw.] 1954-1984, Bd. XII: Theologie aus Erfahrung des Geistes, bearbeitet von Karl H. Neufeld, Zürich [usw.] 1975, S. 111- 136]; ders., La doctrine des sens spirituels au Moyen Age, en particulier chez Bonaventure, in: Revue d’ascétique et de mystique 14 (1933), S. 263-299 [ =ders., Die Lehre von den „geistlichen Sinnen“ im Mittelalter, in: ders., Schriften zur Theologie, 16 Bde, Zürich [usw.] 1954-1984, Bd. XII: Theologie aus Erfahrung des Geistes, bearbeitet von Karl H. Neufeld, Zürich [usw.] 1975, S. 137-172]. 240 Niklaus Largier, Präsenzeffekte, S. 400; ders., Inner Senses - Outer Senses, S. 5. 241 Niklaus Largier, Präsenzeffekte, S. 399. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 462 lichkeit, d.h. in eine „Erfahrung der Sinnesintensität, die sich vom Objekt befreit“. 242 Gerade die Artifizialität des Textes führt so dazu, daß das textintern figurierte ‚Erleben‘ des menschen nicht länger kategorial von den mentalen Erfahrungen des Lektüreprozesses zu trennen ist, der Rezipient folglich zu einer ästhetischen applicatio 243 des Textes aufgefordert wird: 244 „Der Buchstabe übersetzt sich nicht in einen buchstäblich zu verstehenden Sinn, sondern er findet seinen Sinn in der Anwendung, im Effekt, den er auf den Leser und seine Möglichkeiten sinnlicher Wahrnehmung hat.“ 245 Der Wahrheitsanspruch des Textes beruht folglich nicht auf seiner historischen Referentialisierbarkeit, sondern liegt vielmehr auf einer performativen Ebene: Im Zuge der meditativen Aneignung ermöglicht der Text Nachfolge, und so verbürgt das meditative Erleben des Rezipienten Wahrheit. Auch wenn nicht alle der von Strauch aufgeführten und über seine Untersuchung hinaus erkennbaren Unterschiede der Fassungen auf die meditative Ausrichtung der Version Merswins zurückgeführt werden können, 246 verdeutlicht die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Verfahren der Textkonstitution, daß eine Priorität der auf dem ‚Grünen Wörth‘ überlieferten Bearbeitung nicht zwingend herzuleiten, jedoch auch nicht auszuschließen ist; die den Versionen zugrundeliegende Poetik weicht so stark voneinander ab, daß beide Bearbeitungsrichtungen plausibel erscheinen, und die erkennbaren textuellen Unterschiede somit keine Schlußfolgerungen zur Priorität einer der beiden Fassungen erlauben: Die längere volkssprachliche Fassung kann als meditative Aneignung der Kurzversion entstanden sein wie auch die Kurzversion als didaktisierende Reduktion der durchweg früher überlieferten Fassung Merswins erklärt werden könnte. Darüber hinaus unterminiert die Konzeption der längeren Fassung des ‚b ch von den nún veilsen‘ als literarisierte Meditation, d.h. als Verbindung von meditativer Praxis und kontemplativer Lektüre, das Skandalon einer möglichen Vorlage. Im Rahmen einer Textlektüre, die nicht auf Explikation eines historischen Sinns zielt, d.h., das ‚b ch‘ als Geschehensbericht über visionäres Erleben eines einzelnen versteht, sondern durch Techniken der Vertie- 242 Niklaus Largier, Die Kunst des Begehrens, S. 64. 243 Niklaus Largier, Inner Senses - Outer Senses, S. 5; ders., Präsenzeffekte, S. 399. 244 Der im Text vielfach wiederholte Imperativ sich! (im Beispiel: Z. 1f., 31, 40, 55) erhält somit einen doppelten Bezug: Während er textintern auf die Betrachtung des menschen zurückverweist, ist er für den textexternen Rezipienten Appell, den vorliegenden Text als meditative Übung des inneren Schauens zu nutzen und somit die geistige Tätigkeit, die der Text vorführt, zugleich auf diesen selbst zu applizieren und ihn sich somit ‚einzuverleiben‘. 245 Niklaus Largier, Die Kunst des Begehrens, S. 46. 246 Viele der von Strauch angeführten Beispiele sind als schlichte Textdifferenzen zu charakterisieren, die weder eine Bearbeitungsrichtung noch ein spezifisches Prinzip der Textkonstitution erkennen lassen: Textverlauf der Kurzfassung Textverlauf der Merswin-Fassung (zit. nach J) Ich bin ain armer wurm / vnd bin nicht wirdig, dein creatur z haissen (Bl. cliiii r ; Hofaker, S. 6, Z. 7f.) vnd ich sihhe wol vnd bekenne das wol, das ich n t wrdig bin, das ich din armes wrmelin heisen sol (Bl. 4 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 9, Z. 25f) da warde im getzaigett an ainem ennde des gepürges / das die grossen wasser außflussen in das hoch gepirge / vnnd do sy obnen kamen / do vielen sy [cliiii v ] ü ber die hohen velsen nider z tal, das sy gar ser zerbrachen (Bl. cliiii rv ; Hofaker, S. 7, Z. 17-20) do sach dirre mensche, das die grosen wasser do vs fl ssent vnd das hohe gebirge vebber abbe flos vnd fiel veber die grosen, hohen felse veber abbe z dal, das sich das wasser also gar sere z r brach (Bl. 5 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 12, Z. 11-14) Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 463 fung und Verfremdung eine Applikation des Textes i.S. einer Selbstbeeinflussung des Rezipienten anstrebt, bedarf die übliche Entgegensetzung von Erlebnis einerseits und Typus bzw. Konvention andererseits einer Revision: Zielt der Text auf eine Aufhebung der Differenz von visionärem Erleben und kontemplativen Lesen, auf ein phänomenologisches Verständnis von ‚Erfahrung‘, für das „der Status der Mediatisierung der Sinne in Form der ‚alten Natur‘ nicht ‚realer‘ ist als der Status der Mediatisierung der Sinne durch die Schrift [...] und die Praxis der Kontemplation“, 247 wäre auch eine nachträgliche Zuschreibung des ‚b ch von den nún veilsen‘ an Rulman Merswin keine blasphemische Anmaßung eines Gnadenerlebnisses, sondern Ausweis einer gelungenen Textapplikation, eine „intimisierte Textverarbeitung“. 248 4.2.2.2 Textaneignung: Die Tradierung der Fassung Rulman Merswins Die auf Rulman Merswin zurückgeführte Fassung des ‚b ch von den nún veilsen‘ ist in zwei Handschriften erhalten, deren Provenienz auf dem ‚Grünen Wörth‘ liegt: Der Volltext findet sich im ‚Großen deutschen Memorial‘ (A) auf Bl. 130 v -192 v sowie in der Einzelhandschrift J, dem sog. ‚Autograph‘ des Textes. Schmidt lag zudem eine weitere, 1870 verbrannte Handschrift aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts (E 152) vor, die er als die „älteste Abschrift“ ausweist, in seiner Textausgabe von 1859 in Anmerkungen verzeichnet und zur Ergänzung der in J fehlenden Seiten nutzt. 249 Neben diese Tradierung des Gesamttextes tritt im ‚Briefbuch‘ (B, Bl. 32 v ; Rieder 1905, S. 116*8-23), in den ‚Pflegermemorialen‘ (d, Bl. 29 v / 30 r ; D, Bl. 52 v / 53 r ; Rieder 1905, S. 195*39-196*11) und ‚Erweiterten Pflegermemorialen‘ (F, Bl. 35 r ; ibid.) als Einschub oder Vorwort der ‚vier iore‘ ein Verweis auf das ‚b ch von den nún veilsen‘, in dem - in wörtlicher Übereinstimmung mit der Einleitung zum ‚Neunfelsenbuch‘ in A (Bl. 131 v ; Rieder 1905, S. 38*1-13) - Rulman Merswin auch als Autor der ‚nún veilsen‘ nachgewiesen wird: 250 ch mag ein ieglich mensche wol mercken vnd sunder allen zwifel gentzliche gl ben bi den minnekosenden worten R lman Merswins, vnsers stifters, leben, alse dicke es iemen liset vnd vor gelesen het oder lesende wurt das b ch von den nún veilsen, das der selbe R lman Merswin ch geschriben het vnd schriben m ste von g tlicher betwúngnisze vnd von in sprechende dez heilgen geistes. in der selben meinunge ch das selb b ch von den n n veilsen, z tútsch vnd z latine, in die drú vrkúnde b cher geschriben ist, wanne sú bede mitenander concordierent vnd gliche hellent an dem tigen worten, an inbrúnstiger minne, an bernatúrlichen, grossen, wunderlichen werken vnd goben gottes, vnd ch bede mitenander geschriben wurdent in den ziten, do R lman Merswin, vnser stifter, von gotte betwungen wart, b cher z schribende, alse die daten sagent, die bede glich sprechent in disen zweien b chern, den nún velsen vnd den vier ioren, R lman Merswines anefang, wenne in ir ieglicheme sunderliche geschriben stot, das es volbroht wurde dez iores, do man zalte von gotz gebúrte M ccc fúnfzig vnd zwei ior (B, Bl. 32 v ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 2, Z. 23-42; Rieder 1905, S. 116*8-23; vgl. auch A, Bl. 131 v ; Rieder 1905, S. 38*1-13). 247 Niklaus Largier, Präsenzeffekte, S. 402. 248 Gerd Dicke, Aus der Seele gesprochen, S. 271, Anm. 20. 249 Carl Schmidt, Vorwort, S. V. 250 Vgl. zudem die volks- und lateinischsprachige Einleitung zum ‚zweiten übriggebliebenen Lateinbuch‘ (C, Bl. 1 r , Rieder 1905, S. 48* 6-18, sowie C, Bl. 1 v , Rieder 1905, S. 49*25-39). Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 464 [Auch kann jeder, der die Leben[sbeschreibung] Rulman Merswins, unseres Stifters, liest und zuvor das ‚b ch von den nún veilsen‘ gelesen hat oder es noch lesen wird, anhand seiner minnekosenden (tröstenden) Worte leicht erkennen und ohne allen Zweifel glauben, daß derselbe Rulman Merswin auch [das ‚b ch von den nún veilsen‘] geschrieben hat und schreiben mußte aufgrund göttlichen Zwangs und der Eingebung des Heiligen Geistes. Aus diesem Grund ist das ‚b ch von den nún veilsen‘ auch auf Deutsch und Latein in die drei Urkundenbücher geschrieben worden, weil sie beide miteinander übereinstimmen und gleichlauten in demütigen Worten, brennender Liebe, in übernatürlichen, großen, wunderbaren Werken und Gaben Gottes und auch beide zugleich geschrieben wurden, zu jener Zeit, als Rulman Merswin, unser Stifter, von Gott gezwungen wurde, Bücher zu schreiben, wie die Datierungen berichten, die in diesen zwei Büchern, den ‚neun Felsen‘ und den ‚vier anfangenden Jahren‘ Rulman Merswins, übereinstimmen, denn in jedem von ihnen steht unabhängig voneinander geschrieben, daß es im Jahr 1352 vollendet wurde.] Der recht komplizierte Nachweis der Verfasserschaft Merswins mit Hilfe inhaltlicher wie stilistischer Parallelen und zeitlicher Koinzidenz knüpft offensichtlich an die zu Beginn (g tlicher betwúngnisze) und am Ende des ‚b ch von den nún veilsen‘ (in sprechende dez heilgen geistes) präsentierte Figuration des Schreibens an: Die nachträgliche Dekuvrierung der Verfasserschaft Merswins liegt in der christlich verlangten Selbstbescheidung des Autors begründet, die eine historische Referentialisierung des Geschehens i.S. eines Gnadennachweises eines heiligmäßigen Menschen nicht zuläßt und auf einer anonymen Überlieferung des Textes bestehen muß (A, Bl. 192 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 167, Z. 8-12). Diese Verpflichtung gegenüber dem christlichen Gebot der humilitas ist Ausweis der spezifischen Poetik des ‚b ch von den nún veilsen‘: Obwohl ein visionäres Geschehen en Detail präsentiert wird, handelt es sich nicht um einen (auto)biographischen Bericht, sondern um einen heterodiegetisch verfaßten, kontemplativ-didaktischen Text über den Weg der Seele zu Gott. Diese spezifische Poetologie erklärt die Enthüllung der Identität des Verfassers allein durch Kategorien der Textproduktion - stilistische und inhaltliche Schreibpraxen Merswins weisen ihn als Schreibwerkzeug der göttlichen Offenbarung bzw. hermeneutisches Subjekt der Textmeditation nach, ohne ihn als erlebendes Ich im Rahmen einer autobiographischen Aufzeichnung in den Vordergrund zu stellen. 251 Vielleicht wird durch diese - der Gattung der Meditation geschuldete, unpersönliche - Textkonstitution auch verständlich, wieso die sonst durchaus übliche Berufung auf die ‚autographe‘ Niederschrift im Zusammenhang mit dem ‚b ch von den nún veilsen‘ unterbleibt: Das in J überlieferte ‚Autograph‘ des Stifters wird in der Einleitung zum ‚Großen deutschen Memorial‘ und in den Bemerkungen der anderen Codices nicht erwähnt und wurde - dies verdeutlicht seine späte ‚Wiederentdeckung‘ in der Schlettstadter Komturei 252 - im Gegensatz zum ‚eigenhändigen‘ Exemplar des ‚b ch von den vier ioren‘ auch nicht als Reliquie in der Stiftung bewahrt, da sein Status von den im ‚Briefbuch‘ enthaltenen ‚Autographen‘ grundverschieden ist. Die konsequen- 251 Die Vermeidung einer biographisierenden Lektüre erklärt vielleicht auch, warum auf eine textinterne Identifizierung des menschen - den Zusätzen im ‚b ch von den zwey menschen‘ vergleichbar - verzichtet wird. 252 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 211, 215. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 465 te textinterne Vermeidung von Selbstaussagen des menschen verbietet die Berufung auf eine ‚eigenhändige‘ Niederschrift, J kann allein als Autorexemplar fungieren, das - da von einer autobiographischen Rezeption kategorial geschieden und folglich selbst Ausfluß einer kontemplativen Praxis - auch als Grundlage eines meditativen Nachvollzugs des Textes genutzt werden soll, in dessen Zusammenhang sich der Rezipient mit dem textuellen Ich identifizieren und in den meditativen Text einfinden und einschreiben kann. Die Form der Überlieferung der längeren volkssprachlichen Fassung des ‚b ch von den nún veilsen‘ außerhalb der Komturei macht deutlich, daß die Redaktoren und Kopisten die Inszenierung des Textes als gottinspirierte Rede nicht als ein Referentialisierungssignal interpretieren, sondern die meditative Faktur des ‚b ch‘ erkennen: Die Tradierung verzichtet so nicht nur durchweg auf jegliche Autorschaftszuweisung, sondern demonstriert auch prägnant, daß Überlieferung hier i.S. einer permanenten Textaneignung im Lesen wie Schreiben zu verstehen ist. Die meditative Poetik des Textes öffnet diesen für jeweils individuelle Applikationen, die sich im Tradierungsprozeß durch redaktionelle Adaptationen an einen gewandelten Sinnzusammenhang äußern. 253 Das Verständnis der Texttradierung als „Geschichte des Reproduzierens, des Anpassens und des Aktualisierens“, 254 wird bereits deutlich, wenn man den Textbestand der fünf untersuchten Handschriften einander gegenüberstellt. Obwohl der in J zu verzeichnende Verlust von 11 Blättern einen umfassenden Vergleich nicht erlaubt, 255 zeigt sich zunächst eine grundlegende Übereinstimmung der beiden auf dem ‚Grünen Wörth‘ entstandenen Abschriften des Textes. Allein J weist eine weitere, nicht durch Blattverlust zu erklärende Textlücke auf: J A E 152 Z. [48 r , Z. 6] her vmbe wil got n t [Z. 7] ben gen, das er dich welle seccen z dirre geselleschaft, dv m st [Z. 8] ch in den vrprvnc [sic! ] (selber nachgetragen) sehhen. Har vmb wil got nút ben gen, das er dich welle setzen z dirre geselleschaft du m st ouch inden ursprung selber sehen herumbe wil got nút ben gen das er dich welle seccen zu dirre geselleschaft, du m st ch in den ursprunc selber sehhen. 1 2 3 4 5 6 253 Vgl. für ähnliche Überlegungen zu ‚Minnereden‘: Ludger Lieb, Umschreiben und Weiterschreiben. Verfahren der Textproduktion von Minnereden, in: Elizabeth Andersen, Manfred Eikelmann und Anne Simon (Hgg.), Texttyp und Textproduktion in der deutschen Literatur des Mittelalters, Berlin; New York 2005 (Trends in Medieval Philology 7), S. 143-161, hier S. 154. 254 Ibid., S. 145. 255 J fehlen Bl. 2 (auf dem der Text des ‚b ch‘ beginnt), 13, 14, 38, 40, 42, 45, 47, 49, 57 und 58; diese wurden von Carl Schmidt in seiner Edition (1859) aus E 152 ergänzt und von dort von Strauch für seine Ausgabe des Textes übernommen. Die Ergänzungen finden sich bei Strauch 1929 [ATB 27], S. 1, Z. 1-S. 3, Z. 29 = Schmidt 1859, S. 1, Z. 1-S. 3, Z. 17; Strauch 1929 [ATB 27], S. 33, Z. 31- S. 40, Z. 23 = Schmidt 1859, S. 29, Z. 25-S. 35, Z. 20; Strauch 1929 [ATB 27], S. 112, Z. 2-S. 114, Z. 22 = Schmidt 1859, S. 98, Z. 30-S. 101, Z. 6; Strauch 1929 [ATB 27], S. 117, Z. 26-S. 120, Z. 20 = Schmidt 1859, S. 103, Z. 27-S. 106, Z. 11; Strauch 1929 [ATB 27], S. 123, Z. 8-S. 126, Z. 2 = Schmidt 1859, S. 108, Z. 23-S. 111, Z. 6; Strauch 1929 [ATB 27], S. 131, Z. 16-S. 134, Z. 4 = Schmidt 1859, S. 115, Z. 32-S. 118, Z. 6; Strauch 1929 [ATB 27], S. 136, Z. 25-S. 139, Z. 12 = Schmidt 1859, S. 120, Z. 16-S. 122, Z. 25; Strauch 1929 [ATB 27], S. 141, Z. 32-S. 144, Z. 24 = Schmidt 1859, S. 124, Z. 33-S. 127, Z. 15; Strauch 1929 [ATB 27], S. 163, Z. 11-S. 167, Z. 19 = Schmidt 1859, S. 143, Z. 22-S. 147, Z. 12. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 466 [es folgt ein Einfügungszeichen; der dazugehörige Text ist jedoch nicht überliefert] n d n vf diene inren gen vnd [Z. 9] sich. der mensche rschrach von gr nde sins hercen vnd [Z. 10] sprach (Bl. 48 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 139, Z. 19-23) Der mensche sprach Ach hertze liep mins, dise rede het mich gar ein fr mede rede das du sprichest, du wellest mich armen súnder in den ursprung lossen sehen Das drú vnd drissigeste capitel seit, wie der vorgenante mensche wart betwungen von gotte, das er selber m ste in den ursprung sehen D ie entwurte sprach T uf dine inren ougen vnd sist gehorsam, du m st selber in den ursprung sehen Der mensche erschrag von grunde sins hertzen vnd sprach (Bl. 182 r ) Der mensche sprach: ach herzeliep mins, dise rede het mich gar eine fr mede rede, das du sprichest, du wellest mich armen súnder den ursprung losen sehen. Dise hinderste rede ist, wie dirre mensche von got betwungen wart, daz er selber m ste sehen in den ursprung. Die entwurte sprach: T n uf dine inren gen und sist gehorsam, du m st selber in den ursprung sehen. N d n uf diene inren gen und sich. Der mensche úrschrack von gr nde sins hercen und sprach (Schmidt S. 122, Z. 31- S. 123, Z. 2 und Anm.) 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 Dieser Ausfall in J gegenüber der Textversion in A und E 152 wird von Rieder als zentrales und in seiner Argumentation weitgehend einziges Indiz zur Klärung des Handschriftenverhältnisses genutzt. Entgegen der von Schmidt vorgebrachten Interpretation als Zusatz in E 152, 256 versucht Strauch 1902, den Unterschied der beiden Manuskripte durch einen Augensprung zu erklären: Nach sehhen [linke, J-Spalte, Z. 6] ist mit g l e i c h e r tinte, mit der das ganze geschrieben, ein verweisendes kreuz (X) gesetzt, zum zeichen, dass hier etwas ausgefallen ist; ein nachtrag ist in der jetzigen gestalt des sog. autographs nicht vorhanden; doch mag bemerkt werden, dass das diesem (48.) blatte vorausgehende (47.) wie folgende (49.) blatt fehlt und nur von junger hand des 18. jahrhunderts ergänzt vorliegt. Das, was Schmidt [1859] in der anm. s. 122 als zusatz bezeichnet, steht in sämmtlichen hss. und drucken des kürzeren tractates, Merswins Vorlage [...]; es handelt sich im sog. autograph also nur um einen zufälligen ausfall; herbeigeführt durch homöoteleuton, der nachträglich ausgemerzt werden sollte. Dass dies geschehen, lässt sich jetzt nicht mehr feststellen. 257 256 Das Buch von den neun Felsen, hg. v. Carl Schmidt, S. 122, Anm. 257 Philipp Strauch, Zur Gottesfreund-Frage I, S. 268f. Hervorhebung im Original; vgl. auch: Merswins Neun-Felsen-Buch, hg. v. Philipp Strauch, S. 139, Anm. zu Z. 21. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 467 Rieder hält Strauchs Argumentation entgegen, daß die Auslegung als Homöoteleuton den erneuten Einsatz des Textes in J mit n d n vf diene inren gen vnd sich (linke, J- Spalte, Z. 23f.) nicht erklären könne, der Text vielmehr mit Die entwurte sprach (mittlere, A-Spalte und rechte, E 152-Spalte, Z. 19) oder Der mensche erschrag (mittlere, A- Spalte und rechte, E 152-Spalte, Z. 25) einsetzen müsse. 258 „Mag demnach durch das verweisende Kreuz im sog. Autograph die Stelle in e t w a s verbessert worden sein, so kann trotz der Verbesserung weder β [= E 152] noch γ [= A] seinen Text aus α [= J] abgeleitet haben. Die Folge ist, daß α, d.h. das sogenannte Autograph, nicht der Urtext und darum auch nicht eine selbständige Arbeit Rulmanns sein kann.“ 259 Strauch setzt sich in der 1907 erschienenen Rezension zu Rieders Arbeit mit dessen Argumentation erneut auseinander: [Ich] erkläre mir den ausfall durch folgenden vorgang: des schreibers auge sprang von [Schmidt 1859] 122, 32 in den ursprunc selber (selber ist von gleicher hand übergeschrieben) sehhen [linke, J-Spalte, Z. 5f.] zu in den ursprung sehen (so ist die wortfolge z.B. im cgm 452, auch im Grossen deutschen memorial 37*,42fg.) am schluss der folgenden capitelüberschrift [mittlere, A-Spalte, Z. 17f. und rechte, E 152-Spalte, Z. 15f.]. Das sich daran anschliessende Die entwurte sprach [mittlere, A-Spalte und rechte, E 152-Spalte, Z. 19] übergieng der schreiber, weil die entwurte (122, 25) (durch seine auslassung) ja in der tat noch redete. Es hätte nun eigentlich folgen sollen: t n uf dine inren gen und sist gehorsam, du m st selber in den ursprung sehen [mittlere, A-Spalte und rechte, E 152-Spalte, Z. 20-22], Merswin schrieb aber: N d n uf diene inren gen und (hier zeilenschluss) sich [linke, J-Spalte, Z. 23f.], um dann seinen irrtum zu erkennen. Er setzte das kreuz und brachte (vielleicht auf einer einlage) die ergänzung an, vergass dabei aber den satz N d n uf diene inren gen und sich (123, 1) auszustreichen, zu tilgen. Dass dies geschehen sollte, geht schon daraus hervor, dass der satz unvollständig ist, denn Merswin sagt nie sonst und sich ohne eine nähere bestimmung. 260 Betrachtet man die gegebene Gegenüberstellung der drei Handschriften, erscheint eine weitere Erklärung des Ausfalls plausibel: Bei der Abschrift von (s)einem Konzept sprang das Auge des Schreibers nicht an das Ende der Kapitelüberschrift (mittlere, A-Spalte, Z. 17f.), sondern zu der am Kapitelanfang von der entwrte gegebenen Aufforderung, die im ‚Großen deutschen Memorial‘ mit du m st selber in den ursprung sehen endet (mittlere, A-Spalte, Z. 21f.); der in A fehlende, in J und E 152 jedoch überlieferte Befehl N d n uf diene inren gen und sich wird im ‚Autograph‘ so unmittelbar an das vorangehende Kapitelende angeschlossen. Der Schreiber bemerkte seinen Fehler, fügte ein Kreuz ein, um den übersprungenen Text nachzutragen, der jedoch durch Blattverlust nicht mehr erhalten ist. Auch wenn die Richtigkeit dieser Hypo- 258 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 102. Hervorhebung im Original. 259 Ibid., S. 102f. Hervorhebung im Original. 260 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 123. Ein scheinbares Gegenargument zu Strauchs Interpretation - die Arbeit des Schreibers müßte zugleich als rein mechanische Kopie und als aufmerksame Abschrift charakterisiert werden, um den Augensprung über eine Kapitelüberschrift hinweg ebenso wie die bewußte Tilgung des ersten Redebeitrags der entwrte zu erklären - wird weniger stichhaltig, wenn man sich die Seitengestaltung von J vergegenwärtigt: J trennt die Kapitelüberschriften nur durch Absätze ab. Wenn dies aus der Vorlage übernommen wurde, ist ein Zeilensprung, auch über eine Kapitelüberschrift hinweg, denkbar. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 468 these durch die Überlieferungslücke nicht überprüft werden kann, so kann gefolgert werden, daß der vorhandene Textausfall allein J nicht als Vorlage für A und E 152 ausschließt, der Textbestand Schlußfolgerungen zur Genese der Straßburger Handschriften vielmehr verbietet. 261 Die Freiburger Handschrift 470 ist vollkommen dem Textbestand der Straßburger Vorlagen verpflichtet, eine eigenständige Aneignung des Textes ist wohl nicht angestrebt, eher eine möglichst genaue Wiedergabe der längeren Fassung. In den kollationierten Kapiteln finden sich insgesamt drei große Textlücken, die zwar auf das Kapitel über den neunten Fels konzentriert sind, deren Anordnung und Inhalt aber nicht auf eine bewußte Kürzung, sondern auf Flüchtigkeitsfehler schließen lassen. In Fr 470 fehlt so (1.) die zu Beginn des Kapitels gegebene Beschreibung des neunten Felsens sowie große Teile der dialogischen Auslegung dieser Vision (Bl. 68 ra ; zum Vergleich: A, Bl. 176 rv ; Au, Bl. 167 ra -167 va ; SG 967, S. 233f.; Strauch 1929 [ATB 27], S. 124, Z. 7-S. 126, Z. 21); darüber hinaus ist im Freiburger Codex (2.) die detaillierte, in Strauchs Edition vier Druckseiten umfassende Charakterisierung der Menschen, die auf diesen höchsten Felsen gelangt sind, nicht überliefert (vgl. J, Bl. 43 v -45 r [ergänzt]; A, Bl. 177 v -179 r ; Au, Bl. 167 vb -169 ra ; SG 967, S. 234- 238; Strauch 1929 [ATB 27], S. 127, Z. 20-S. 131, Z. 24) und schließlich ist (3.) jene Textpassage entfallen, in der die Liebe Gottes zu den Bewohnern des neunten Felsens sowie die Kraft ihres Gebets dargestellt wird (J, Bl. 46 r -47 r [ergänzt]; Strauch 1929 [ATB 27], S. 135, Z. 3-S. 136, Z. 30; A, Bl. 180 r -181 r ; Au, Bl. 170 ra -170 va und SG 967, S. 240f.). Obwohl durch die drei Textlücken weder ein grammatischer Fehler noch ein offensichtlicher Bruch in der dialogischen Textstruktur entsteht, kann eine absichtliche redaktionelle Kürzung der Erzählabschnitte ausgeschlossen werden, da das Kapitel durch die beschriebenen Textlücken seines inhaltlichen Fundaments - der narrativen Veranschaulichung der mentschen, Die vff dem n nden velsen wonend sind (Fr 470, Bl. 68 ra ) - beraubt ist und der erhaltene Text Verweise auf die entfallenen Passagen enthält, die in der vorliegenden Textform ins Leere führen (vgl. z.B.: Fr 470, Bl. 68 vab ; J, Bl. 45 r [ergänzt]; A, Bl. 179 r ; Au, Bl. 169 rab ; SG 967, S. 238; Strauch 1929 [ATB 27], S. 131, Z. 24-S. 132, Z. 2). Da jedoch auch eine Verursachung der Textlücken durch Blattverlust aufgrund der Positionierung auf der Seite 261 Im Gegensatz zur Tradierung des ‚b ch von den nún veilsen‘ in Au und SG 967, die eine redaktionell bearbeitete Version des Textes bieten (s. unten, S. 469-472), erlaubt der Textverlauf der Handschrift Fr 470 zwar keine Schlußfolgerungen zur Priorität des ‚Autographs‘, jedoch - wenn auch vorsichtige - Rückschlüsse auf die Textform, die J vor dem (wohl erst neuzeitlichen) Blattverlust aufwies, da die Untersuchung der textuellen Varianz der Freiburger Handschrift erweisen kann, daß sie eine um Genauigkeit bemühte Abschrift einer J nahen Vorlage ist (vgl. die Ausführungen auf S. 480-482; 483f.). Obwohl Codex E 152 als Vorlage für die Abschrift ausgeschlossen werden kann, da Fr 470 dessen Varianz nicht teilt (vgl. die Ausführungen auf S. 479f.), bietet das Manuskript einen Text, der weitgehend mit E 152 identisch ist: hervmb wil gott nit beniegen, das er dich welle setzen zu diser geselschaft, Du miessest auch Inn den vrsprunc selber sehhen. [72 r ] Der mensche sprach: ach hertz lieb mins, dise rede haut mich gar ain fremde rede, das du wellist mich armen sinder in den vrsprung laussen sehen. Dise hinderste rede ist, wie diser mentsche von got gezwongen ward, das er selber mieste sehenn Inn den vrsprung. Die antwurt sprach: t vff dine augen vnd syest g horsam [sic! ], Du m st selber Inn den vrsprung sehen. Der mentsch erschrack von grund sins hertzen vnd sprach (Bl. 71 v / 72 r ). Der verlorene Text des ‚Autographs‘ muß folglich dem verbrannten Manuskript E 152 entsprochen haben; Fr 470 fehlt allein die Aufforderung, n d n vf diene inren gen vnd sich, die der Kopist vielleicht nicht tradierte, um Wiederholungen zu vermeiden. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 469 auszuschließen ist und der Umfang der Ausfälle einer Erklärung durch die in Fr 470 häufigen Augensprünge entgegensteht, scheint im Freiburger Codex eine wörtliche, mechanische Kopie einer offensichtlich fehlerhaften Vorlage vorzuliegen, 262 die so flüchtig vorgenommen wurde, daß redaktionelle Eingriffe auch dann unterbleiben, wenn die Textkohärenz aufgrund von Überlieferungslücken beeinträchtigt ist. Im Gegensatz zu diesem durch mechanische Fehler der Vorlage bedingten Textverlust erklären sich die Differenzen hinsichtlich des Umfangs und die von den anderen Manuskripten abweichenden Formulierungen, welche die Textgestalt der Augsburger Handschrift (Au) und des St. Galler Codex (SG 967) auszeichnen, als redaktionelle Abbreviationen, 263 die in den im Kernbestand wörtlich übernommenen Text der Fassung Merswins durch zwei Techniken der Verknappung eingreifen: 1. Das umfassendste Prinzip der Kürzung setzt der sprachlich-stilistischen Gestaltung der Fassung Merswins nach dem Prinzip der dilatatio die mechanische Tilgung entgegen: Jene Textpassagen, die mit Hilfe der Kunstmittel des Wortreichtums und der argumentativen Weitläufigkeit dem ‚b ch von den nún veilsen‘ seine meditative Faktur verleihen, für den Erzählverlauf jedoch weitgehend redundant sind, werden in der Textform in Au und SG 967 ausgespart. Diese schlichte redaktionelle Praxis der Verknappung reicht dabei vom Überspringen einzelner Sätze bis hin zur Kürzung größerer Handlungsabschnitte: Während die Wechselrede am Schluß des Kapitels über den neunten Felsen, welche in A (Bl. 181 v ) und E 152 (Strauch 1929 [ATB 27], S. 138, Z. 20-S. 139, Z. 3) durch zahlreiche Variationen von Bitte und Gehorsam die Demut des menschen eindringlich vor Augen führt, im Augsburger Codex wie auch im St. Galler Manuskript auf eine schlichte Demutsformel beschränkt wird (Ach liep meins, nit erz rn meiner gepett, wenn ich w lt dich geren pitten; Au, Bl. 171 ra ; SG 967, S. 242) und die Kürzungstechniken damit zwar in die diskursive Komposition, jedoch nicht in das erzählte Geschehen des Textes eingreifen, lassen die redaktionellen Bearbeitungspraxen am Ende des Kapitels über das sündhafte Leben der Frauen eine grundlegende, auch inhaltliche Umgestaltung des ‚b ch‘, erkennen: Entfalten die Straßburger Handschriften den weiblichen Sündenkatalog, indem sie bereuende Sünderinnen, die durch den Empfang der Heiligen Kommunion vor der Ewigen Verdammnis errettet werden, mit den zeitgenössischen Frauen kontrastieren, die - in weltlich-teuflischen Freuden gefangen - keine Angst vor der Hölle kennen (J, Bl. 19 v / 20 r ; A, Bl. 152 rv ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 57, Z. 2-S. 58, Z. 11), schließt das Kapitel in 262 Vgl. hierzu auch die Ausführungen auf S. 483f. 263 Daneben finden sich auch Auslassungen, die anscheinend auf einen Augensprung zurückzuführen sind, z.B. scheint in Au, Bl. 149 vb , und SG 967, S. 189, die in A (Bl. 151 v ) und J (Bl. 19 r ) beschriebene starke emotionale Reaktion des Menschen auf den von Gott in einem Gleichnis dargelegten sündhaften Empfang der Kommunion durch ein Versehen des Schreibers entfallen zu sein, dessen Auge - ausgelöst durch erschrocken - einige Zeilen übersprang. In J heißt es: der mensche sprach: ach herce liep mins, wie bin ich dirre redde so gar vebele e r s c h r o c k e n ! herce liep mins, diese redde het mir f r snitten min herce in mime liebe; liebes herce bl t mins, diese rede het mich so sere e r s c h r e c k e t , das ich gedenke, ich getere dich nimer me also digke enpfahen in me sacker mente also ich for han geton (J, Bl. 19 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 55, Z. 23-29), in Au und SG 967 dagegen: der mensch sprach: Ach liep meins, wie pin ich disser red so vbel erschrocken, das ich gedenck, ich get re dich nymmer mer also dick indem sacerment enphahen also ich vor hab getan (Au, Bl. 149 vb ). Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 470 den redaktionellen Kurzfassungen in Au und SG 967 mit einer Ermahnung zum richtigen Sakramentsempfang (Au, Bl. 150 rb ; SG 967, S. 191; Strauch 1929 [ATB 27], S. 57, Z. 2-7) und legt so Ziel und Verfahren der tilgenden Schreibpraxen offen: Der Text wird um exemplarische Verdeutlichungen reduziert, um die erzählte Lehre pointierter herauszustellen. Diese Beschränkung auf ein didaktisches Substrat bestätigt dabei zugleich die bereits diskutierte Notwendigkeit einer historischen Differenzierung einer biographischen Lektüre des ‚b ch von den nún veilsen‘. Als Offenbarungstext i.S. einer real stattgehabten Begegnung zwischen mensche und göttlicher entwrte müßte das Ziel der Tradierung eine wörtliche Kopie der authentisches Geschehen referierenden Niederschrift darstellen. Im Verständnishorizont eines kontemplativen Textes jedoch, der ein phänomenologisches Verständnis von ‚Erleben‘ offenbart, kann die meditative Poetologie der Fassung Merswins im Zuge einer Bearbeitung zugunsten textueller Konzinnität und Eingänglichkeit aufgegeben werden. 2. Die mikrostrukturellen, auf der Ebene der textuellen Formulierungen anzusiedelnden Bearbeitungspraxen, die Au und SG 967 eigentümlich sind, erklären sich als Abbreviationen i.e.S., als quantitative Reduzierung der sprachlichen Ausdrucksmittel im Interesse eines konzisen Stils. Dem Willen zur Straffung und Konzentration fällt dabei nicht nur das wiederkehrende, stark affektgeladene minnekosen der beiden Dialogpartner fast durchgängig zum Opfer (vgl. die regelmäßige Kürzung der wiederkehrenden Phrasen ach herce kliches liepliches liep mins ; ich wil dir sagen; du solt wissen etc.), das Bemühen um prägnante Formulierungen konturiert die Redaktion in Au und SG 967 deutlich gegen die Straßburger Textzeugen, wie folgende Beispiele illustrieren mögen: J, A und Fr 470 (zit. nach J) Au SG 967 der mensche sprach: Sage mir, herce liep mins, w a s w a s d e n n e d e r s a c h e n , d e r v m b e d i e s e g r o s e n , g t h e n m e n s c h e n a l s o s w i n d e v n d a l s o d i e f e v n d e r d a s g a r n f i e l e n t ? die entwrte sprach: das wil ich dir sagen, dv solt wissen, d i e m e n s c h e n , d i e d o a l s o s w i n d e h e r a b b e s i n t g e s t o s e n , d a s s i a b b e d i e s e m e h o h e n f e l s e f i e l e n t v n d e r d a s g a r n , d a s s o l t d v w i s s e n , d a s w o r e n t m e n s c h e n , d i e i n d e n b e s e n g e i s t l i e s e n t i n der mensch sprach: Sag mir, liep meins, w a s b e d e w t e t d a s ? die ant sprach: du s lt wissen, e s b e d e w t n i t a n d e r s d e n n d a s v o n d e m r a t d e s p s e n g e i s t e s e t w a s w o l g e v a l l e n s i n i n e n w a r d a u f f s t e n d v n d d e m w i d e r s o n d e n [sic! ] s i e n i t , a l s o s i e s c h u l d i g w a r e n z e t h u n / v m b d a s w a r d a u c h d e r p s s e r g e i s t der mensch sprach: Sag mir, liep mins, w a s m a i n e t d a s ? div ant sprach: du solt wissen, e z m a i n d e n i t a n d e r e s , d e n n d a z v o n d e m r t d e z b s e n g a i s t e z e t w a s w o l g e v a l l e n i n i n e n w a r t v f f s t a n d v n d d e m w i d e r [240] s t n d e n t s n u t , a l z s s c h u l d i g w a r e n z e t n (S. 239f.) Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 471 r o t h e n , d a s e t t h e w a s w o l g e f a l l e n d e s i n i n s e l b e r v f s t n t v n d d e m m e n t w i d d e r s t n d e n t , a l s o s i s c h l d i c h w o r e n t z d n d e (Bl. 46 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 134, Z. 9-20; A, Bl. 180 r ; Fr 470, Bl. 69 vb / 70 ra ) m i t a l l e r s e i n e r g e s e l l e s c h a f f t v e r t r i b e n (Bl. 169 vb ) die entwrte sprach: das wil ich dir sagen, dv solt wissen, got der het diese menschen also liep vnd also wert f r alle menschen, ich wil dir sagen, v n d w e r e s , d a s e s b e s c h h e , d a s d i r r e m e n s c h e n (ein gestrichen) e i n s w r d e g o t b i t t h e n d e f r e i n e s a c h e , v n d w e r e s d e n n e m g e l i c h e , d a s a l l e d i e m e n s c h e n , d i e i n d e r c r i s t e n h e i t h e w o n n e n d e s i n t , a l l e m i t t h e n a n d e r w r d e n t g o t b i t t h e n d e v f f e e i n n e s t n d e c h f r d i e s e l b e s a c h e , s o w i l i c h d i r s a g e n , w o l t h e d e n n e g o t a n t w e d d e r s d e r b e t t h e g e w e r e n , s o w i l i c h d i r s a g e n , (so gestrichen) s o g e w e r t h e g o t f e r e l i e b e r d e n e i n i g e n m e n s c h e n , d e r v f f e d i e s e m e n n d e n f e l s e w o n n e n d e i s t , d e n n e e r g e w e r t h e d i e c r i s t e n h e i t m i t t e n a n d e r , d i e d e r g e g e n e b e t t h e n t (Bl. 46 v ; Strauch 1929 ATB 27], S. 135, Z. 15-28; A, Bl. 180 v ; Textausfall in Fr 470) die ant sprach: du s lt wissen, got, der hot dise menschen also liep vnd wer es m glich, d a s a l l e c r i s t e n e m e n s c h e n g o t p e t t e n m b e i n s a c h v n d d i s e r m e n s c h e n e i n e r a u c h p e t t e f ú r d i e (verbessert aus den) s e l b e n s a c h , G o t d e r w l t e d e n (verbessert aus dem) e i n i g e n m e n s c h e n v e r e r l i e b e r e r h r e n d e n n d i e c r i s t e n h e i t m i t e i n a n d e r (Bl. 170 rb ) div ant sprach: d solt wissen, got der het dis menschen alzo liep vnd weri ez m glich, d a z a l l e c r i s t e n m e n s c h e n g o t b t t i n v m b a i n s a c h v n d d i r r e m e n s c h e n a i n e o c h b t i f r d i e s e l b e n s a c h / g o t d e r w e l t i d e n (aiginen durchgestrichen) a i n i g e n m e n s c h e n v e r r e l i e b e r e r h r e n d e n n d i e c r i s t e n h a i t m i t a i n a n d e r (S. 240) Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 472 Die in der Augsburger und St. Galler Handschrift überlieferte Textform der längeren volkssprachlichen Fassung des ‚b ch von den nún veilsen‘ bietet somit nicht nur eine kürzende Version des Textes, 264 sondern erweist sich als eine stringent durchgeführte Redaktion, die einem gewandelten Sinnzusammenhang Rechnung trägt: Steht in den Straßburger Handschriften die individuelle Aneignung des Textes im Vordergrund, liegt der Fokus des Augsburger und St. Galler Codexes auf der Präsentation einer möglichst prägnanten Lehre, d.h., die Redaktion folgt in ihren Regeln der Textkonstitution der Kurzfassung des ‚Neunfelsenbuchs‘. Diese Annäherung der verminderten Rulman-Merswin-Fassung an die Kurzversion verdeutlicht noch einmal abschließend, daß eine Entscheidung über die Priorität der Fassungen nicht zu treffen ist, da die nachträgliche Genese der Kurzfassung i.S. einer Epitome nicht auszuschließen ist. Obwohl die in Au und SG 967 angewandten Verfahren der Retextualisierung Rückschlüsse auf ihre Vorlage erschweren, bezeugt der Vergleich der Textgliederung nicht nur ihre enge Beziehung untereinander, sondern auch ihre Orientierung an der Straßburger Überlieferung. Zwar behalten alle Handschriften der Fassung Merswins die im ‚Vorwort‘ des Textes (A, Bl. 132 r ; Au, Bl. 133 ra ; Fr 470, Bl. 1 r ; SG 967, S. 150; Strauch 1929 [ATB 27], S. 1, Z. 26-S. 2, Z. 8) 265 eingeführte Grobstrukturierung in vier Sinnabschnitte bei, die beiden auf dem ‚Grünen Wörth‘ entstandenen Manuskripte nehmen durch weitere redaktionelle Untergliederungen jedoch darüber hinaus unterschiedliche Feinkompositionen des Textes vor, die es erlauben, die eventuellen Vorlagen der außerhalb der Stiftung überlieferten Textzeugen zu bestimmen. Das sog. ‚Autograph‘ ergänzt die Viergliedrigkeit so durch eine Unterteilung der vierten rede in zehn Einzelkapitel, die sich je einem der in der Vision geschauten Felsen und seiner Deutung sowie dem Blick in den ursprung widmen. Das ‚Rügenbuch‘ wird demgegenüber nicht mit weiteren Kapitelüberschriften versehen, vielmehr gliedert J die lange rede über der christenheit gebreste mit Hilfe des graphischen Mittels der Rubrizierung: Wechselt der paränetische Textteil zum Sündenkatalog eines weiteren Standes, wird das d in der ersten Sprecheridentifizierung die entwrte sprach in Rot geschrieben. Die Unscheinbarkeit dieser Orientierungshilfe verdeutlicht, daß keine neuen Sinneinheiten identifiziert, die in der Einleitung benannten Textteile vielmehr durch U n t e r gliederung übersichtlicher gestaltet werden sollen. Auch wenn das ‚Große deutsche Memorial‘ (A) in der ‚Vorrede‘ das ‚b ch von den nún veilsen‘ in den gleichen Sinnabschnitten anordnet wie J, strukturiert der Codex den Text aufgrund der andersartigen Markierung dieser Kapitel neu: Das Memorial unterteilt das 264 Deutlich seltener und zumeist auf einzelne Worte beschränkt sind demgegenüber Zusätze, die Au und SG 967 im Vergleich zu den Straßburger Handschriften vornehmen. So verdeutlichen Au und SG 967 z.B. den Schrecken, der die Menschen durchfährt, wenn sie auf dem neunten Felsen ankommen, indem die Manuskripte den Grund der beschriebenen Reaktion explizit anführen: do uon ist es, so dise menschen oben anden vels kamen vnd vber ein sehent der menschen leben, die da wonen, so erschrecken s ie a b j r e m l e b e n vnd vallen den also swind her wider ab (Au, Bl. 167 rb und SG 967, S. 233 vs. E 152 [Strauch 1929 [ATB 27], S. 124, Z. 34-S. 125, Z. 2] und A, Bl. 176 v ). 265 Das ‚Vorwort‘ ist in J aufgrund des Blattverlustes nicht überliefert; eine Gegenüberstellung der Kapitelgliederung im ‚Autograph‘ mit der Strukturierung der anderen Überlieferungsträger bestätigt jedoch eine Gliederung in vier Sinnabschnitte. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 473 ‚b ch‘ anstelle der vier reden in zwei Teile mit je eigenem Prolog; dem ersten Teil, dem ‚Rügenbuch‘, werden die beiden kürzeren reden, wie ein mensche betwungen wart von gotte, das er dis b ch schriben m ste, und die rede, in der dem Menschen fr mede bilde wurdent fúr gehebet, angegliedert; der zweite Teil umfaßt die vierte rede, d.h. die Vision der neun Felsen, und schaltet dieser einen eigenen, ander prologus vor, der keine textuelle Ergänzung darstellt, sondern allein die auch in J gegebene Einführung in die Vision (J, Bl. 24 v / 25 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 73, Z. 13-S. 74, Z. 2) mit einer eigenen Überschrift versieht: Das drú vnd zwentzigeste cappitel ist die vor rede, dem man sprichet ein prologus, vnd seit von eime hohen berge mit nún veilsen ie einre ob dem andern vnd welre leye menschen uf eime iegelichen veilse mit sunderheite wandelent (A, Bl. 157 v ). Diese mit Hilfe paratextueller Elemente vorgenommene, neue Anordnung der im ‚Vorwort‘ ausgewiesenen Sinneinheiten wird jedoch durch die Integration des ‚b ch‘ in das Corpusprinzip der Sammelhandschrift überformt: Den anderen im ‚Großen deutschen Memorial‘ versammelten materien analog, werden ‚Rügenbuch‘ und ‚Neunfelsenvision‘ in Kapitel unterteilt, die fortlaufend gezählt und mit rubrizierten Überschriften versehen werden, so daß die in J betonte, größere Sinneinheit der rede, aber auch die in A unterschiedenen zwei Teile des Textes hinter seiner Feinstrukturierung in 33 kürzere narrative Einheiten zurücktreten und den Text so dem Gebot der Übersichtlichkeit und auch äußeren Einheitlichkeit einer programmatischen Textsammlung unterwerfen. Auch die Manuskripte, deren Provenienz außerhalb Straßburgs liegt, lassen sich diesen beiden Strukturierungsprinzipien - der großräumigen Gliederung in vier Handlungsabschnitte und der thematischen Feinkomposition in 33 Kapitel - zuordnen. Die Freiburger Handschrift orientiert sich dabei offensichtlich am ‚Autograph‘, indem sie an der Gliederung in reden festhält und zum großen Teil mit J übereinstimmende Kapitelbezeichnungen bietet, jedoch darüber hinaus die Abschnitte des ‚Rügenbuchs‘ mit eigenständigen Titeln versieht, deren Struktur sich an den Kapitelbezeichnungen im Visionsteil orientiert und so mit den von Strauch für E 152 verzeichneten Überschriften vollständig übereinstimmt: Dise nach geschriben rede ist von ... Obwohl die Seitengestaltung des Freiburger Codex offenbart, daß die Handschrift das maßgebliche Gliederungsprinzip jenseits thematischer oder narrativer Einheiten in der dialogischen Struktur des Textes erkennt, da jeder Sprecherwechsel durch eine Initiale und den Beginn eines neuen Absatzes ausgezeichnet wird, übernimmt die Abschrift die paratextuelle Gliederung offensichtlich aus einem Textzeugen, der J und - soweit bekannt - auch E 152 ähnlich ist. Die in der Augsburger und St. Galler Handschrift überlieferte Redaktion zeigt demgegenüber eine Synthese zwischen den Gliederungsformen in A und J: Teilen diese Textzeugen die Unterscheidung von zwei großen Erzähleinheiten mit dem ‚Großen deutschen Memorial‘, wenn sie die Vision der neun Felsen als ander teil dis p chs (Au, Bl. 152 rb ; SG 967, S. 196) bezeichnen, entsprechen die Überschriften der Kapitel weitgehend denen in J, auch wenn die Feinkomposition des ‚Rügenbuchs‘ deutlicher herausgestellt wird, indem an die Stelle der Rubrizierung im ‚Autograph‘ kurze Zwischenüberschriften treten, welche Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 474 die gesellschaftliche Gruppe bezeichnen, deren Sünden im Mittelpunkt des Abschnitts stehen (Von den ...). Erlaubt die unterschiedliche textuelle Gliederung in A und J keine Schlußfolgerungen für die Beziehung der beiden Straßburger Textzeugen untereinander, da sie sich als nachträgliche redaktionelle Gestaltung erklärt, 266 lassen sich die außerhalb der Johanniterkomturei entstandenen Codices aufgrund ihrer Textstrukturierung in zwei Gruppen unterteilen: Die Freiburger Handschrift ist eng an die Straßburger Überlieferung gebunden und scheint aus einer J-ähnlichen Vorlage abgeschrieben worden zu sein; das Augsburger Manuskript wie der St. Galler Codex bieten demgegenüber eine eigenständige Bearbeitung des Textes, die jedoch ebenfalls auf der Straßburger Überlieferung beruht. Die Untersuchung der Textvarianz erfolgt in zwei Schritten. Die textkritische Analyse der vollständig kollationierten Straßburger Überlieferungsträger soll zunächst über das Verhältnis der im ‚Großen deutschen Memorial‘ überlieferten Textform zum ‚Autograph‘ nähere Auskunft geben, bevor in einem zweiten Schritt jene Codices, die nicht in der Manuskriptwerkstatt der Johanniter entstanden, anhand einer punktuellen Betrachtung der charakteristischen textuellen Differenzen zwischen A und J sowie eines exemplarischen Vergleichs der Kapitel über die Sünde der Frauen und über die Vision des neunten Felsens zum Straßburger Überlieferungszweig des ‚b ch von den nún veilsen‘ in Beziehung gesetzt werden. Die enge Verwandtschaft der beiden Straßburger Textzeugen wird bereits durch ihre geradezu frappierende textuelle Übereinstimmung in der Tradierung eines der umfangreichsten Texte des ‚Gottesfreund‘-Corpus vor Augen geführt, die das Leitbild für die Überlieferung des ‚b ch von den nún veilsen‘ charakteristisch vom Textverständnis der ‚Viten‘ der beiden Stifter abhebt: Nimmt die Straßburger Manuskriptwerkstatt für das ‚b ch von den vier ioren‘ und das ‚b ch von den fúnf mannen‘ eine deutliche Differenzierung zwischen ‚autographer‘ Textform und redaktioneller Bearbeitung in den Memorialen vor, präsentieren sich A und J als um Genauigkeit bemühte, ihre Vorlage möglichst identisch reproduzierende Abschriften. Entgegen der Vermutung Schmidts, bei J handele es sich um das „Original“ der ‚nún veilsen‘ i.S. einer autographen Erstschrift, 267 können typische Abschreibefehler J als Kopie erweisen: Viele der zahlreichen Korrekturen der Einzelhandschrift wurden durch einen vorangehenden Augensprung notwendig, so heißt es z.B. auf Bl. 21 v : san p wels w a s e i n (d rch ehther der durchgestrichen) gar bidderwer, got ferthender man, vnd w a s d o c h e i n dvrch ehther der cristenheite. 268 Auch bei der Textform in A handelt es sich um eine Kopie, wie durch Augensprünge verursachte Auslassungen erkennen lassen: 266 Rieder schließt aus der fehlenden Kapiteleinteilung im ‚Rügenbuch‘, daß „β [= E 152] wie γ [= A] [...] den richtigeren, ursprünglicheren Text“ haben (Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 101). Eine Priorität einer der Handschriften ist jedoch aufgrund der Kapitelgliederung nicht zu erschließen. 267 Carl Schmidt, Vorwort, S. V. 268 Vgl. zum Problem der Abschrift auch: August Jundt, Problème, S. 78f. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 475 J A Fr 470 Au SG 967 ich wil dir abber sagen, wo got findet e i n e n a l s o g a r g e r e h t h e n , g t e n h e i d e n o d d e r e i n e n a l s o g a r g e r e h t h e n , g t e n g v d d e n , was d t denne got? (Bl. 21 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 63, Z. 3-5) Ich wil dir aber sagen wo got vindet e i n e n a l s e g a r g e r e h t e n , g t e n i u d e n was t t denne got? (154 r ) Ich wil dir sagen, wo got vindet a i n e n a l s o g a r g e r e c h t e n , g u t t e n J u d e n O d e r a i n a l s o g a r g e r e c h t e n h a i d e n , was tut dann gott? (Bl. 33 va ) Ich wil dir sagen, wo got vindet also e i n e n g e r e c h t e n , g u t e n h e i d e n o d e r J u d e n (Bl. 151 vb ) Ich wil dir sagen, wo got vindet ain also r e c h t e n , g t t e n h e i d e n o d e r i u d e n (S. 195) ach minnendes herce liep mins, i c h b e k e n n e v n d w e i s d a s w o l : alles, das ich habbe, vnd alles, das ich bin, das das din ist (Bl. 51 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 147, Z. 34-37) Ach minnendes hertze liep mins, i c h b e k e n n e d a s w o l : alles, das ich habe, vnd alles, das ich bin, das das din ist (Bl. 185 r ) ach hertz lieb mins, I c h b e k e n n e v n d w a i ß d a s w o l : alles, das ich han, vnd alles, das Ich bin, das das din ist (Bl. 76 ra ) ach liep mins I c h b e k e n n v n d w e i ß w o l : alles, das ich hab vnd das ich pin, das das dein ist (Bl. 173 ra ) ach liep mins I c h b e k e n n e v n d w a i s w o l : alles, das ich han vnd das ich bin, daz das din ist (S. 247) Aufgrund der Datierung der beiden Handschriften der Johanniter (für J konnte durch eine Wasserzeichenuntersuchung der paratextuell ausgewiesene Entstehungszeitpunkt um 1352 bestätigt, A zwischen 1385 und 1391 datiert werden) kann ihre hohe textuelle Identität durch zwei Überlieferungswege erklärt werden: A wurde von J abgeschrieben oder beide Manuskripte gehen auf eine nicht tradierte Vorlage zurück. Um zu entscheiden, welches dieser Modelle der Handschriftengenese textkritisch erklärungsadäquat ist, sind zwei Phänomene von besonderem Interesse: 1. J ist durch zahlreiche Tilgungen und Ergänzungen von der Texthand charakterisiert, die sich fast durchweg als Verbesserungen von Flüchtigkeitsfehlern während der Abschrift erklären. 269 Der in A überlieferte Textverlauf entspricht zumeist der korrigierten Textform, A müßte im Falle einer direkten Kopie aus J 269 Allein eine der in J tradierten Verbesserungen scheint nicht von der Texthand, sondern erst nachträglich vorgenommen worden zu sein: die entwrte sprach: das wil ich dir sagen, also gottes lichome den ist ein eewiger schade (verbessert aus schlac), den menschen, die in in f r lossenheite enpfohent, also ist er diesen widder kerden menschen ein eewiger vf vnthalt (J, Bl. 19 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 57, Z. 2-5 und Anm. 3). Obwohl das äußerst geringe Belegmaterial - die gleiche Hand fügte auch die Randbemerkung daz schilet auf Bl. 19 r an (Strauch 1929 [ATB 27], S. 54, Anm. 30, 31) - keine eindeutige paläographische Datierung erlaubt, wird die vermutete spätere Korrektur auch durch die Tatsache bestätigt, daß keiner der anderen Textzeugen den veränderten Textverlauf mit J teilt (vgl. A, Bl. 152 r ; Fr 470, Bl. 30 ra ; Au, Bl. 150 rb ; SG 967, S. 191). Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 476 folglich nach der Berichtigung entstanden sein, an vier Stellen bietet A jedoch die ursprünglichen, nicht revidierten textuellen Formulierungen: J A ach herce liep minnes, was ist diener meinvnge, das dv mich hest gelosen sehhen so grvowelliche, erschrecliche wnder vnd ch so grose, wnderliche (grose frelliche durchgestrichen) wnder? (Bl. 3 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 4, Z. 25-28 mit Anm.) ach hertze liep mines was ist diner meinunge das du mich hest gelossen sehen so gruweliche, erschr ckenliche wunder vnd ouch so grosse, wunderliche, fr liche wunder (Bl. 133 r ) sage mir, herce liep mins, wer z wiset vnd leret n t (ie nachgetragen) der got(tes nachgetragen) f(r)vnt ie den menschen, der sich imme gelosen het, das diese menschen f r bas (vf nachgetragen) gingent? (Bl. 31 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 94, Z. 35-S. 95, Z. 1) Sage mir, hertze liep mins, war z wiset vnd leret nút ie der gottes frúnt ie den menschen, der sich ime gelossen het, das dise menschen fúrbas gingent? (Bl. 165 v ) ach minnedes herce liep mins, wie ist die cristenheit so gar d mp vnd so gar dorehthe, das si n t anne siht diese grosan wnder, die dv mit eime iegellichen menschen s nder linge wrken wolthest, ebbe er selber mit sime eigin friggen willen wolthe vnd dir, herce liep, alleine wolte leren lebben vnd (dir nachgetragen) in allen dingen (wolte nachgetragen) gehorsam sin (Bl. 53 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 153, Z. 28-34) Ach minnendes hertze liep mins, wie ist die cristenheit so gar tump vnd so gar dorehte, das sú nút ane siht dise grossen wunder, die du mit eime iegelichen menschen súnderlinge wúrken woltest, obe er selber mit sime eigen frigen willen wollte vnd dir, hertze liep, alleine wolte leren leben vnd dir in allen dingen gehorsam sin (Bl. 187 r ) sage mir, herce liep mins, ebbe n die gemeinde der cristenheit gern(e) rothes (frogen wolthe über gestrichenem freggen hant) die geworen gottes fr nde, so bekanthent si ir (doch nachgetragen) n t (Bl. 56 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 161, Z. 4-7) Sage mir, hertze liep mins, obe n die gemeinde der cristenheit gerne rotes frogen wolte die geworen gottes frúnde, so bekantent sú ir nút (Bl. 190 r ) Während die drei fehlenden Ergänzungen (Beispiel 2-4) durchaus auf ein Versehen oder einen absichtlichen Verzicht des Kopisten bei der Abschrift von J zurückgeführt werden können, ist eine nur partielle Übernahme der als erstes Beispiel angeführten, gut erkennbaren Tilgung in der Adjektivreihung wenig plausibel und macht eine Genese der beiden Straßburger Textzeugen aus einer gemeinsamen Vorlage wahrscheinlich, deren Textverlauf mit der Formulierung grosse wunderliche grosse frelliche eine Dopplung des Adjektivs grosse enthielt, die sowohl A als auch J - jedoch auf unterschiedliche Weise - verbessern: Bemerkt A die Wiederholung bereits im Abschreibeprozeß und reduziert die Beschreibung der wunder daher um das Adjektiv, nimmt J die Tilgung erst nachträglich vor und weitet sie versehentlich (? ) auf frelliche aus. 2. Zahlreiche übereinstimmende grammatische Fehler bestätigen nicht allein die Verwandtschaft der Handschriften A und J, sondern weisen auch die enge Beziehung der Textzeugen mit einer Provenienz außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ zur Straßburger Überlieferung aus. Außer Codex Fr 470, dessen Textverlauf im Kapi- Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 477 tel über die Sünden der Päpste stark verkürzt ist, konstruieren beispielsweise alle Handschriften die beiden folgenden Hauptsätze reflexiv, wodurch im zweiten Glied der parallel gebauten Parataxe eine grammatikalisch unzulässige Verdoppelung des Akkusativobjekts verursacht wird, die nur in A nachträglich durch Tilgung verbessert wurde: vnd f ndent sich selber in keinen wisen wedder minnende noch meinnende. si f ndent s i c h in alleme irme d nde vnd in alleme irme lossende s hende vnd meinnende die ere gottes (J, Bl. 9 r ; A, Bl. 139 r ; Au, Bl. 139 va ; SG 967, S. 164; Strauch 1929 [ATB 27], S. 22, Z. 24-28). Die Einordnung der Freiburger Handschrift in den Straßburger Überlieferungsverbund ermöglicht eine den drei Manuskripten gemeinsame a-grammatische Nebensatzanbindung: Anstelle eines durch die Konjunktion wan eingeleiteten Temporalsatzes mit konditionaler Nebenbedeutung, der durch den semantischen wie syntaktischen Kontext verlangt wird, bilden sie einen verallgemeinernden Relativsatz und besetzen die Subjektposition mit dem Indefinitpronomen was und dem auf die vorher geführte rede verweisenden Demonstrativpronomen folglich doppelt: w a s men dis den welt wisen menschen seit, so hant si es f r ein gespette (J, Bl. 23 v ; A, Bl. 156 r ; Fr 470, Bl. 36 vb ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 68, Z. 31f.). 270 Während die diskutierten, allen Überlieferungsträgern der Merswin-Fassung gemeinsamen Fehler die in B dargelegte Entstehung des ‚b ch von den nún veilsen‘ auf dem ‚Grünen Wörth‘ zu bestätigen scheinen, läßt der unterschiedliche Umgang der Textzeugen mit zwei in A und J zunächst gleichlautend tradierten Dopplungen auf ihren Ursprung in einer gemeinsamen Vorlage schließen. Kristallisationspunkt des Sündenspiegels der Lehrer ist in beiden Manuskripten eine laudatio temporis acti, in der die ermahnende Wahrheitsliebe der Lehrer im Frühchristentum der betrügerischen Milde der Zeitgenossen gegenübergestellt wird: J A abber ich wil dir sagen, es ist in diesen citen fil anders, denne es was in den citen, ( d o d i e c r i s t e n h e i t a n n e h p durchgestrichen) d o d i e c r i s t e n h e i t a n n e h p ; d o f r g ssent die helgen fil bl tes vmbe der worheite willen, abber in diesen citen in gar fil ioren wart nie effenliche bl t f r gossen vmbe der worheite willen (Bl. 12 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 31, Z. 15-18) Aber ich wil dir sagen es ist in disen ziten vil anders, denne es was in den ziten, d o d i e c r i s t e n h e i t a n e h p D o d i e c r i s t e n h e i t a n h p , d o vergussent die heiligen vil bl tes durch der worheite willen aber in disen ziten in gar vil iaren wart nie ffenliche bl t vergossen durch der worheite willen (Bl. 142 v ) Während J die wiederholende Aneinanderreihung der adverbialen Bestimmung der Zeit do die cristenheit anne h p als fehlerhafte Dopplung interpretiert und ihre erste Formulierung bei einem von der Texthand vorgenommenen Korrekturdurchgang streicht, versteht A die Wiederholung als bewußte Wiederaufnahme, um den Kontrast zwischen dem lobenswerten ‚Damals‘ und dem kritikwürdigen ‚Heute‘ hervorzuheben, setzt daher einen punctus zwischen die beiden temporalen 270 Die Textpassage ist in Au und SG 967 aufgrund der in ihnen vorgenommenen redaktionellen Eingriffe nicht enthalten. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 478 Nebensätze und läßt den zweiten mit einer Majuskel beginnen. Diese entgegengesetzte Auslegung der Dopplung schließt eine Abschrift des ‚Großen deutschen Memorials‘ von J aus, da die Textform in A ansonsten stets dem Textverlauf des ‚Autographs‘ n a c h den von der Texthand vorgenommenen Korrekturen entspricht und ein Grund, warum das Urkundenbuch die Tilgung in J nicht übernehmen sollte, nicht erkennbar ist. Der unterschiedliche Textverlauf in A und J ist daher als divergierende Interpretation einer Anadiplose in einer gemeinsamen Vorlage zu erklären. Ein ähnlicher Fall findet sich in einer fehlerhaften Reihung von Personal- und Demonstrativpronomina, die sich in der Beschreibung der Versuchungen der Bewohner des neunten Felsens findet. Um die völlige Willenlosigkeit der vorbildlichen Christusnachfolger zu demonstrieren, wird berichtet, daß sie selbst die b sen geiste als von Gott gesandte bekorunge annehmen: J A Au SG 967 vnd si hant keinne begervnge (anders nachgetragen), welle si in got widder (vmbe nachgetragen) gebben, wenne d a s s ( d a s nachgetragen) s i mit fr den wellent widder vnpfohen (Bl. 44 v ; Strauch 1929 S. 130, Z. 34- S. 131, Z. 2) vnd sú hant keine begerunge anders welle sú in got wider vmb geben, wenne d a s s ú ( d a s durchgestrichen) s ú mit [179 r ] fr iden wellent wider enpfohen (Bl. 178 v / 179 r ) vnd sie haben kein begerung anders, won, wenn ins got wol wider geben, d a s s i s mit (frewude durchgestrichen) fre den wollen enpfahen (Bl. 168 vb ) vnd sú hant kain begerung anders, wan, wenn ine got welle wider geben, d a z s u z mit fr den wellent enpfachen (S. 237) Obwohl sich die nachträgliche Tilgung des zweiten Demonstrativums das in A auch mit einer direkten Kopie des ‚Großen deutschen Memorials‘ aus J vereinbaren ließe und auch die Formulierung in Au und SG 967, die nicht wie A das Demonstrativum tilgen, sondern die gesamte Wiederholung der Phrase durch ein kontrahiertes es ersetzen, nicht zwingend auf eine nicht erhaltene Vorlage schließen läßt, erklärt sich die fehlerhafte Ergänzung in J allein durch eine Korrektur nach einer a-grammatischen Vorlage. Der textkritische Vergleich der beiden auf dem ‚Grünen Wörth‘ entstandenen Handschriften erbringt auch mit Hilfe einer Betrachtung der textuellen Differenzen auf der Ebene der Formulierungen keine eindeutigen Befunde, da die geringe Varianz zwischen A und J sowohl durch die Abhängigkeit des ‚Großen deutschen Memorials‘ von einer anderen Vorlage als auch durch einen gezielten Austausch in J verwendeter seltener Lexeme erklärt werden kann und daher erst für die überlieferungsgeschichtliche Einordnung der außerhalb Straßburgs entstandenen Handschriften von Bedeutung ist. Die erkennbaren Unterschiede zwischen den beiden Manuskripten jedoch legen im Hinblick auf textuelle Dopplungen sowie die fehlenden Korrekturen in A nahe, daß sich beide Textzeugen auf eine gemeinsame Vorlage gründen. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 479 Rieder hat, im Grunde ohne Beweis, vermutet, daß A und J aus der verbrannten Handschrift E 152 entstanden seien. 271 Die folgende textuelle Varianz, die E 152 in den bei Schmidt wiedergegebenen Passagen von den weiteren Manuskripten des ‚b ch von den nún veilsen‘ trennt, zeigt jedoch, daß die Überlieferung nicht in E 152 ihren Ursprung haben kann: E 152 A Fr 470 Au SG 967 Men vindet gar lúzel menschen in disen ziten, lesent sú dis b ch und nement der lere mit eime rechten ernste war, si soltent wol bevinden vnd ch bewiset werden, wa si noch l e b e n t und was sie noch irret (Schmidt 1859, S. 1, Z. 12-15) Men vindet gar lútzel menschen in disen ziten lesent sú dis b ch vnd nement der lere mit eime rehten erneste war sú soltent wol befinden vnd ouch bewiset werden, wa sú noch c l e b e n t vnd was sú noch irret (Bl. 132 r ) man vindet gar lútzel mentschen Inn disen zitten, lesent sy das buch vnd nemend der ler war mit ainem rechtten ernst, Die sellend wol beuinden vnd auch gewisset [1 rb ] werden, wo sy k l e b e n d vnd was sy noch Irret (Bl. 1 rab ) nicht überliefert, da Au und SG 967 die ‚Leseanweisung‘ an den Schluß des Textes setzen ich wil dir sagen, daz so lúzel menschen in disen s rclichen ziten der g ttelichen gnoden b e f i n t l i c h e s i n t (Schmidt 1859, S. 144, Z. 9f.) Ich wil dir sagen, das so lútzel menschen in disen s rglichen ziten der g ttelichen gnaden e n p f e n g l i c h e s i n t (Bl. 191 r ) Ich wil dir sagen, Das so lútzel mentschen Inn disen sorglichen zitten die g ttliche gnade E n p f a c h e n d l i c h e n s i n (Bl. 77 rb ) du s lt wissen, das so wenig menschen indisen czeiten der g tlichen gnad b e v i n d e n t (Bl. 177 va ) du solt wizzen, daz so luczel menschen in disen zitten der gotlichen gnad b e v i n d e n t (S. 258) du hest doch selber wol gesehen und geh ret, daz die cristenheit usser aller geworer cristenlicher ordenunge kumen ist; du solt wissen, daz die cristenheit in disen s rclichen ziten also gar usser aller ordenunge kumen ist und also gar f l e i s c h l i c h e und also gar schemeliche und also gar one alle rehte g tteliche forhte lebet (Schmidt 1859 S. 145, Z. 1-6) du hest doch selber wol gesehen vnd geh ret, das die cristenheit usser aller geworer cristenlicher ordenunge kummen ist Du solt wissen, das die cristenheit in disen s rklichen ziten alse gar usser aller ordenunge kummen ist vnd alse gar v e l s c h l i c h e vnd alse gar schemmeliche vnd also gar one alle rehte g tteliche vorhte lebet (Bl. 191 r ) Du sichst doch selber wol vnd haust gesehen vnd gehert, das die cristenhait vsser worrer cristenhait komen ist vnd also gar u e s t e c l i c h vnd schemlich vnd also gar one recht göttliche vorchte lebet (Bl. 77 vb ) du host doch selber wol gesehen vnd geh rt, das die cristenheit ausser aller gewarer cristenlicher ordenung komen ist vnd also gar f a l s c h l i c h vnd schemlich, on alle gots vorcht lebet (Bl. 177 vb ) du hest doch selber wol gesechen vnd geh rt, daz div cristenhait vsser aller gewarer cristenlicher ordnung komen ist vnd alz gar f a l s c h l i c h vnd schamlich, avne allez gottez vorht lebet (S. 258) 271 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 103. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 480 Zudem vermerkt Strauch eine Textdifferenz des Manuskripts E 152, die weder die beiden Straßburger Handschriften noch Fr 470 teilen. Diese drei belassen es im folgenden Satz bei einer elliptischen Konstruktion - Dirre mensche sach aber fúrbas uf diseme selben veilse vnd sach, das gar vil iunger, lútseliger, bl gender menschen, mannes namme vnd wibes namme, pfaffen vnd leyen múniche vnd nunnen hie was nieman usse hie was aller der hande menschen, so er in der cristenheit erdenken kunde (A, Bl. 160 v ; J, Bl. 27 r ; Fr 470, Bl. 43 va ) -, in E 152 wurde entgegen diesem Wortlaut ein Partizip Präteritum eingesetzt: usse genumen (Strauch 1929 [ATB 27], S. 80, Z. 12-16 und Anm. 16). Nur in einer, der zweiten der vier zu verzeichnenden Textdifferenzen entspricht die Formulierung in Au und SG 967 somit E 152 - eine semantische Übereinstimmung, die ebenso zufällig, im Rahmen der grundlegenden redaktionellen Bearbeitung für die beiden Codices entstanden sein kann. Schließt man eine fehlerhafte Transkription der verbrannten Handschrift durch Schmidt aus, kann E 152 folglich nicht als Vorlage der Handschriften gedient haben. Da somit auch ein (auf Wachstafeln angefertigtes? ) Konzept Merswins als Vorlage für A und J fungiert haben kann, läßt die Tatsache, daß der älteste erhaltene Textzeuge kein Original i.S. einer autographen Erstschrift darstellt, auch die weitreichenden Schlußfolgerungen Rieders - J sei eine nach Merswins Tod und nach der Anlage des ‚Großen deutschen Memorials‘ angefertigte Fälschung - nicht zu. Für die Bestimmung der überlieferungsgeschichtlichen Position der außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ aufgezeichneten Textzeugen sind zwei Gruppen textueller Varianz zwischen A und J aufschlußreich, die bei der textkritischen Analyse des Verhältnisses der beiden Codices untereinander weitgehend außer acht bleiben konnten: Sowohl die punktuellen, durch Augensprünge verursachten Textausfälle in A gegenüber J als auch die textuellen Differenzen auf der Ebene der Formulierungen schließen die Textform des ‚Großen deutschen Memorials‘ als Vorlage der weiteren Überlieferung aus, da weder Au und SG 967 noch Fr 470 die Textlücken mit A teilen 272 und die drei Codices darüber hinaus bei jener Einzelwortvarianz, die nicht durch eine ‚Konventionalisierung‘ der idiolektal und dialektal geprägten Morphologie und Lexik erklärt werden kann, 273 mit J gegen A übereinstimmen - wie folgende Beispiele illustrieren mögen: 272 Vgl. die Ausführungen auf S. 475. 273 Vgl. z.B. folgende Übereinstimmung aller Überlieferungsträger (auch der Königsberger Handschrift [Strauch 1929 [ATB 27], S. 8, Anm. 6] und E 152) mit einer der semantischen Textdifferenzen des ‚Großen deutschen Memorials‘ gegenüber J, die sich durch die ungewöhnliche Verwendung des Lexems gewâren in J erklärt: J A Au SG 967 dv solt wissen, criston gl be haltet, (das durchgestrichen) das got grose wnder het g e w a r t , bedde in der alte e vnd ch in der nvewe e (Bl. 4 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 8, Z. 4-7) Du solt wissen, cristen geloube haltet, das (got von anderer Hand nachgetragen) grosse wunder het g e w ú r k e t , beide in der alten e vnd ouch in der nuwen e (Bl. 134 v ) du solt wissen, das cristner glaub heltet, das got grosße wunder hot g e w u r c k e t , beyde inder alten vnd der newen E (Bl. 135 ra ) du solt wissen, daz cristene glob haltet, daz got gr ss wunder hat g e w ú r k e t , baid in der alten vnd in der n wen e (S. 154) Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 481 J A Fr 470 Au SG 967 die entwrte sprach: sage mir, wie sol es got k e i n e lenge gelosen ston? (Bl. 8 v ; Strauch 1929 ([ATB 27], S. 21, Z. 15f.) Die entwurte sprach: Sage mir, wie sol es got d i e lenge gelossen ston? (Bl. 139 r ) Dje antwurt sprach: [14 vb ] Sag mir, wie sol es got (die durchgestrichen) k a i n lengi laussen staun? (Bl. 14 vab ) Die antwurd sprach: Sag mir, wie sol es got k e i n leng gelassen sten? (Bl. 139 ra ) Die ant sprach: Sag mir, wie sol ez got k a i n lengi gelassen stan? (S. 163) dv solt wissen, dirre wibe [19 r ] findet men fil in der cristenheite, d i e g o t t e s l i c h o m e e n p f o h e n t z d e n o e s t e r n m e d e n n e i n d s e n t f r b o r g e n d o t s n d e n , do si n t vmbe wellent wissen (Bl. 18 v / 19 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 54, Z. 9-13) Du solt wissen, dirre wibe vindet men vil in der cristenheit d i e g o t t e s l i c h a m e n e n p f o h e n t v n d z d e n o s t e r n m e d e n n e i n t u s e n t v e r b o r g e n t o t s ú n d e n s i n t do sú nút vmb wellent wissen (Bl. 151 r ) Du solt wissen, diser wib vindet man vil jnn der kristenhait, d i e g o t t e s l i c h n a m e n p f a c h e n d z o s t e r n m e d a n j n t u s s e n d v e r b o r g n e n t o d s i n n d e n , dow sy nit vmb wellend wissen (Bl. 28 va ) Du solt wissen, das diser weib vil ist inder cristenheit, d i e g o t z l e y c h n a m e n p h a h e n z e o s t e r e n , d i e m e r d e n i n t a u s e n t t o d s u n d e n s e i n , do sie nit wollen vmb wissen (Bl. 149 va ) Du solt wissen, daz dirre wiber vil ist in der cristenhait, d i e g o t t e z l i c h a m m e e n p f a c h e n t z e o s t r u n , d i e m e d e n n i n t u s s e n t t o t s n d e n s i n t , da s n t vmb wellen wissen (S. 188) sage mir, herce liep mins, was menschen sint diese menschen odder w a s l e b b e n d e s f r e n t d i e s e m e n s c h e n , die hie vffe dieseme f nfthen felse wonnende sint (Bl. 36 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 108, Z. 3-6) Sage mir, hertze liep mins, was mensch(en) sint dise menschen o d e r w a s l e b e n d ( e s ) s i n t d i s e m e n s c h e n die hie uffe diseme fúnften veilse wonende sint (Bl. 170 v ) sag mir, hertz lieb mins, was mentschen sind dise mentschen o d e r w a s l e b e n s f i e r e n d d i s e m e n t s c h e n , die vff disem fúnften velsen wonend sind (Bl. 59 vb ) Sag mir, liep meins, was menschen sein diß o d e r w a s l e b e n s f r e n s i e , die hie auff disem velse wonent (Bl. 162 vb ) Sag mir, liep mins, was menschen sint dis o d e r w a z l e b e n f r e n t s i , die hie uff disem f nften velsen wonent? (S. 223) ich wil dir sagen, vffe dis felses ende stot d i e phorthe, die do get in den vrsprvnc (Bl. 43 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 126, Z. 6f.) Ich wil dir sagen, uffe dis veilses ende stot e i n e porte, die do get in den ursprung (Bl. 177 r ) Textstelle ist nicht tradiert Du s lt wissen, das auff diz velsen end ist d i e port, die da get inden vrsprung (Bl. 167 va ) Du solt wissen, daz vff des velsen end ist d i v port, div da got in den vrsprung (S. 234) Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 482 also worent hie for in etthelichen cithen cristonne menschen, abber die menschen, die in diesen serclichen cithen l e b b e n d e sint, die hant wol einen cristonnen nammen, abber ire minne ist vffe ir selbes eigin natt re gekeret (Bl. 55 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 159, Z. 15- 19) Also worent hie vor in ettelichen ziten cristene menschen aber die menschen, die in disen s rglichen ziten w o n e n d e sint die hant wol einen cristenen nammen, aber ire minne ist uffe ire selbes eigin nature gekeret (Bl. 189 r ) Textstelle ist nicht tradiert also warent hie vor inetlichen czeiten cristene menschen, Aber die n n l e b e n , die haben wol einen cristen namen, ir minne ist aber auff ir selbes eigen nature gekerd (Bl. 176 rb ) also warent hie vor in ettlichen zitten cristan menschen, aber die nu l e b e n t , die haut wol ain cristan namen, ir minne ist aber vff ir selbez aigen natur gekeret (S. 254) Bezeugt die große Einheitlichkeit des Textverlaufs in J und Fr 470 die enge Beziehung der beiden Codices, fügt sich die in Au und SG 967 überlieferte Textredaktion der Merswin-Fassung des ‚b ch von den nún veilsen‘ nicht so eindeutig in den Straßburger Überlieferungszweig ein. Zwar kann auch für diese Handschriften ein Ursprung in A ausgeschlossen werden, doch ist es aufgrund der tiefgreifenden, eigenständigen Textbearbeitung der beiden Überlieferungsträger nicht möglich zu entscheiden, ob die im zweiten der diskutierten Beispiele nur in ihnen tradierte Reihung von Relativsätzen auf einen redaktionellen Eingriff gegenüber J zurückzuführen ist oder der von den Straßburger Codices abweichende Textverlauf durch eine Kopie aus der ihnen gemeinsamen Vorlage zu erklären ist, deren zu erschließende, fehlerhafte Textform (die gottes lichnam empfohent z den ostern me denne in tusent verborgen totsünden sint ) von den einzelnen Codices durch Tilgung des zweiten Prädikats (J), Einschub der parataktischen Konjunktion vnd (A) oder Wiederholung des Relativpronomens (Au, SG 967) verbessert wurde. Obwohl die Identifizierung der Grundlage für die Au und SG 967 gemeinsame Bearbeitung des ‚b ch‘ somit einer eingehenderen textkritischen Untersuchung überlassen bleiben muß, können die Handschriften der Straßburger Manuskriptwerkstatt doch eindeutig als Ausgangspunkt der weiteren Tradierung der längeren Textfassung erwiesen werden, auch wenn keiner der drei außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ aufgezeichneten Überlieferungsträger u n m i t t e l b a r von einem der Straßburger Codices abgeschrieben worden sein kann. Die Verwandtschaft zwischen Au und SG 967 wird nicht nur durch die übereinstimmende kürzende Redaktion der längeren Fassung des ‚Neunfelsenbuchs‘, sondern auch durch einen in den beiden kollationierten Kapiteln enthaltenen Bindefehler bestätigt: Die im folgenden Beispiel zu konstatierende Ellipse des Akkusativobjekts ere in Au und zunächst auch SG 967 scheint durch die der Straßburger ‚Gottesfreundliteratur‘ eigentümliche, Vorsilben separierende Schreibkonvention entstanden zu sein, durch welche die Kopisten ere nicht als Objekt, sondern als Präfix des sich anschließenden Verbs verstanden. Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 483 J und A (zit. nach J) Au SG 967 dv solt wissen, das es in diesen serclichen citen der z ist k men, das men gottes lichomen gar kleine e r e b t e t ( J , Bl. 19 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 55, Z. 13-15; A, Bl. 151 r ) Wisset, es ist indisen sorglichen zeiten dor tzu kvmen, das man dem leychnam gotes gar klein e r b e w t e t ( Bl. 149 vb ) Wissest, ez ist in disen zitten sorgklich dar zu kumen, daz man dem lichnam gottez gar klain (e r nachgetragen) e r b t e t ( S. 189) Wenngleich für Au und SG 967 folglich ein enger Konnex konstatiert werden kann, geht keine der Handschriften unmittelbar aus der anderen hervor, da mal Au, mal SG 967 einen abweichenden, mit J und A übereinstimmenden Textverlauf tradieren, so daß zwischen den Straßburger Textzeugen und Au und SG 967 eine Zwischenstufe anzusetzen ist, für welche die redaktionelle Bearbeitung vorgenommen wurde. J A Au SG 967 wie ist das einne so gar erschreckenliche, h e r t e redde (Bl. 18 v ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 53, Z. 24f.) wie ist das eine so gar erschr ckenliche, h e r t e rede (Bl. 150 v ) wie ist das gar ein erschrockenliche red (Bl. 149 rb ) wie ist daz so gar ain erschrokenlich, h e r t u red (S. 188) Die entw rte sprach: daß wil ich dir sagen; Gott der hett disen Velß nút also geordent, daz alßo lútzel [43 r ] menschen dvffe w o n n e n solthe (Bl. 42 v / 43 r ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 126, Z. 1-3) Die entwurte sprach Das wil ich dir sagen; got der het disen veils nút also geordent das alse lútzel menschen duffe w o n e n solte (Bl. 177 r ) Die ant sprach: du solt wissen, got der hot disen velsen nit also geordenet, das also gar wenig menschen dar auff sollten w o n e n (Bl. 167 va ) div ant sprach: Du solt wissen, got der het disen velsen n t also geordnet, daz also gar luczel menschen dar vff s i n solten (S. 234) Auch Fr 470 kann - trotz ihrer großen Übereinstimmung mit J - nicht direkt vom ‚Autograph‘ abgeschrieben worden sein, da die dem Codex eigentümliche Durchmischung und Beschneidung einzelner Kapitel des ‚Rügenbuchs‘ sowie des abschließenden Blicks in den ursprung, welche die Textkohärenz stören, auf einer fehlerhaften Vorlage zu beruhen scheinen. Die Textausfälle und -verwirrungen konzentrieren sich auf Bl. 5 rb -16 ra und 76 ra -78 vb : Auf Bl. 5 rb -9 va wird, übereinstimmend mit den anderen Überlieferungsträgern, das Fischgleichnis wiedergegeben (Strauch 1929 [ATB 27], S. 11, Z. 32-S. 16, Z. 30), das jedoch am Ende der linken Spalte auf Bl. 9 va unterbrochen wird, um den Beginn des ‚Rügenbuchs‘ einzuschalten (Bl. 9 va -11 ra ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 18, Z. 9-S. 20, Z. 36), der jedoch ebenfalls unvollständig bleibt, da der Text in der Mitte der ersten Spalte auf Bl. 11 ra zum Ende des ‚b ch‘ springt und einen Auszug aus der Vision des ursprungs gibt (Bl. 11 ra -12 ra ; ibid., S. 148, Z. 10- S. 150, Z. 5). Daran schließt sich, erneut ohne Markierung und in der Mitte einer Spalte, der auf Bl. 9 va zunächst entfallene Schluß des dritten Kapitels des ‚b ch‘ an (Bl. 12 ra -12 vb ; ibid., S. 16, Z. 31-S. 18, Z. 7), der in kurze Bemerkungen über die Sündhaftigkeit der Kardinäle mündet (Bl. 12 vb / 13 ra ; ibid., S. 24, Z. 22-25). Nun werden die Kapitel über die Bischöfe Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 484 (Bl. 13 ra ; ibid., S. 25, Z. 15-24, 31-33, S. 26, Z. 20f.), Äbte und Äbtissinnen (Bl. 13 rab ; ibid., S. 27, Z. 4-15) und Bettelorden (Bl. 13 rb / 13 va ; ibid., S. 28, Z. 4-17) eingeschaltet, aber nur in Auszügen präsentiert, die teilweise mitten im Satz abbrechen. Bevor auf Bl. 14 rb -14 vb das Ende der Einleitung zum ‚Rügenbuch‘ gegeben wird (Strauch 1929 [ATB 27], S. 20, Z. 36-S. 21, Z. 19), ist erneut ein Teil aus dem letzten Kapitel des ‚b ch‘ eingeschoben (Bl. 13 va -14 rb ; Strauch 1929 [ATB 27], S. 156, Z. 8-27). Auch die folgenden Kapitel über die Sündhaftigkeit der Päpste (Bl. 14 vb -15 rb ; ibid., S. 21, Z. 31-S. 22, Z. 19; S. 23, Z. 20-33), der Kardinäle (Bl. 15 rb -15 vb ; ibid., S. 23, Z. 34-S. 24, Z. 22), Bettelorden (Bl. 15 vb ; ibid., S. 30, Z. 7-11, 14- 20, 26-30) und Lehrer (Bl. 15 vb / 16 ra ; ibid., Z. 31-S. 31, Z. 1; S. 31, Z. 2-18, Z. 20-22, 24-29; S. 32, Z. 1-5) sind nur in Exzerpten wiedergegeben. Ein Textverlust, der über die den Einschaltungen auf Bl. 11 ra -12 ra und 13 va -14 rb korrespondierenden Ausfälle hinausgeht, findet sich auch im letzten Kapitel des ‚b ch‘, das auf folgenden Textpassagen beschränkt bleibt: Strauch 1929 [ATB 27], S. 139, Z. 21-S. 148, Z. 9 (Bl. 71 vb -76 ra ) und S. 162, Z. 4-S. 167, Z. 4 (Bl. 76 ra -78 vb ). Da ein planvolles Eingreifen in die Anordnung des Textes durch den entstandenen Sinnverlust ausgeschlossen werden kann, die Position der Kapitelsprünge auf der Seite aber auch einer fehlerhaften Lagenbindung widerspricht, scheint Fr 470 die textuelle Unordnung wohl aus der Vorlage übernommen zu haben. Obwohl der Blattverlust in J suggeriert, daß die 59 Blatt - ebenso wie die ‚Autographen‘ des ‚b ch von den fúnf mannen‘ und des ‚b ch von den vier ioren‘ - zunächst nicht gebunden waren und so eine Lagendurchmischung erklären könnten, entsprechen die Brüche in der Textkohärenz in Fr 470 nicht den Seitenwechseln in J, so daß der Freiburger Codex nicht vom ‚Autograph‘ abgeschrieben worden sein kann. Die Differenzen und Übereinstimmungen zwischen den fünf untersuchten Überlieferungsträgern der längeren Fassung des ‚b ch von den nún veilsen‘ lassen sich folglich mit zwei Stemmata in Übereinstimmung bringen: (a) *AJ (b) *AJ J A J A *Y *X *Y *X Au SG 967 Fr 470 Au SG 967 Fr 470 Unabhängig davon, welche der beiden Entstehungsmöglichkeiten sich im Rahmen einer Einzeluntersuchung des ‚b ch von den nún veilsen‘ bestätigen sollte, lassen sich zwei Prinzipien der Textweitergabe erkennen, die zugleich das unterschiedliche Verständnis des ‚b ch von den nún veilsen‘ bestimmen: Die kürzende Redaktion in Au und SG 967 überträgt die meditative Poetik der Fassung auf die Prozesse der Texttradierung. Im Rahmen der angestrebten Verschmelzung des Lektüreaktes mit meditativer Praxis wird jede Kopie des Textes als eine eigenständige Applikation konzipiert. Jeder Schreiber kann seine eigene Meditation präsentieren, indem er den Das ‚b ch von den nún veilsen‘ - Poetik der contemplatio 485 ihm vorliegenden Text bearbeitet, um- und weiterschreibt. Die kürzende Redaktion wendet nun diese üblichen Aneignungsformen meditativer Literatur in spezifischer Weise an: Sie nutzt die jeweils individuelle Textapplikation zu einer Reduktion des meditativen Prinzips zugunsten einer objektivierenden, didaktisierenden Bearbeitung. Die längere Fassung wird folglich - gerade aufgrund ihrer textöffnenden Techniken der ruminatio - um die charakteristischen poetischen Prinzipien der Vertiefung und Meditation beschnitten und somit der Kurzfassung angenähert. Gegenüber dieser permanenten Adaptation des Textes an einen neuen Gebrauchskontext streben das ‚Große deutsche Memorial‘, Fr 470 und wohl auch der verbrannte Codex E 152 nach möglichst großer Textkonstanz. Die wörtlichen Kopien sind dabei aus dem spezifischen Interesse zu erklären, das die Hausgemeinschaft dem ‚b ch von den nún veilsen‘ entgegenbringt: Obwohl sich Merswins kontemplativer Text vor dem Hintergrund der permanenten Textaneignung, die sowohl die Kurzredaktion in Au und SG 967 als auch die unterschiedlichen Prinzipien der Textkonstitution der Lang- und Kurzfassung des ‚b ch von den nún veilsen‘ vor Augen führen, als nur e i n e mögliche Realisation der meditativen Übung erweist, streben die Abschriften für den ‚Grünen Wörth‘ nicht nach einer jeweils eigenständigen Textapplikation, sondern wollen die einmalige Kontemplation Merswins bewahren, deren spezifische Spiritualität die Stiftung fundiert und für die Hausgemeinschaft wegweisend ist. Die Rezipienten des ‚b ch von den nún veilsen‘ innerhalb der Johanniterkomturei nutzen das meditative Einlesen in die textuelle Rolle des menschen folglich ausschließlich, um den kontemplativen Weg ihres Stifters nachzuvollziehen, ihn aber nicht um- oder weiterzuschreiben, und so bezeugen die Handschriften der Komturei eine Tendenz zur Festschreibung des Textes, während die von hier ausgehende Tradierung die fließenden Übergänge zwischen Textproduktion und Textreproduktion demonstriert. 4.3 Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio Unter sämtlichen Texten der Straßburger ‚Gottesfreundliteratur‘ wurde dem ‚b ch von dem meister‘, das in der Johanniterkomturei lediglich unikal, im ‚Großen deutschen Memorial‘ (A, Bl. 229 r -262 v ), 274 überliefert ist, „unstrittig am meisten“ Interesse der Forschung zuteil. 275 Ihre Prominenz verdankt die Bekehrungsgeschichte eines Magisters der Theologie durch einen Laien (neben ihrer breiten Überlieferung) einer - zum ersten Mal in einem Nachtrag im Manuskript 559 der Leipziger Universitätsbibliothek belegbaren 276 - biographisierenden Lektüre, die im meister der heiligen schrift Johannes Tauler erkannte 277 und deren konsequente Überprüfung erst auf das zentrale Problem der ‚Gottesfreundliteratur‘ aufmerksam machte: Weder die Gleichsetzung Taulers mit dem meister in der Tradition der frühen Drucke seiner Predigten noch die in den Rubriken im ‚Großen deutschen Memorial‘ (A, Bl. 229 r ) vorgebrachte Identifizierung des Laien mit dem Gottesfreund aus dem Oberland entspricht der Poetik des ‚Meisterbuchs‘, die sich - so zeigen die von Denifle ermittelten Quellen einzelner Predigten 278 - auf die Bearbeitung vorgängiger Texte gründet. Diese in der literarischen Tradition geistlicher Prosa durchaus übliche ‚Zersetzung und Vererbung‘ 279 einzelner Textteile erlangt im Überlieferungszusammenhang der Memoriale des ‚Grünen Wörth‘ eine spezifische Brisanz, da die vorgenommene „Kompilation verschiedener, jedoch aus demselben Verfasserkreis stammender Stücke“ 280 der Lektüre des Textes als Ausfluß unmittelbaren Erlebens widerspricht, die durch die in A vorgenommene Identifikation des Laien mit dem gottes frúnt in berlant, R lmans geselle (A, Bl. 229 v ; Schmidt 1875, S. 2), suggeriert wird: Aus allem dem ergibt sich der Schluß, daß die Angaben Nikolaus von Löwens über Deutung und Herkunft des Meisterbuchs keinen Glauben verdienen. Der Gottesfreund vom Oberland beschreibt hier nicht Ereignisse aus seinem Leben, weil das Meisterbuch von vornherein keine wirklichen Erlebnisse erzählen will; darum stammt es auch nicht von d e m unbekannten Gottesfreund, der in heimlichem Verkehr mit Rulmann Merswin gestanden sein soll. Den Fälschungen Nikolaus von Löwens liegen vielmehr zwei völlig anonyme Urtexte zu Grunde. 281 274 Vgl. die Handschriftenbeschreibung S. 45-74. 275 Philipp Strauch, Rulman Merswin und die Gottesfreunde, S. 211. 276 Laut Denifle ist dieses ‚Nachwort‘ in der Leipziger Handschrift (Bl. 39 r ) die erste Quelle, in der der Meister mit Johannes Tauler gleichgesetzt wird (Heinrich Seuse Denifle, Taulers Bekehrung, S. 106). Vgl. die Ausführungen und das Zitat auf S. 10f. 277 Diese Gleichsetzung mit dem Dominikanerprediger motivierte auch zwei neuzeitliche Bearbeitungen des ‚b ch von dem meister‘: Ludwig Tieck, Der Schutzgeist, in: ders., Schriften, Bd. 12: 1836-1852, hg. von Uwe Schweikert, Frankfurt/ M. 1986 (Bibliothek deutscher Klassiker 13), S. 355-412; Heinrich von Stein, Tauler und der Waldenser, in: ders., Gesammelte Dichtungen. Bd. 3: Dramatische Bilder und Erzählungen, hg. von Friedrich Poske, Leipzig o. J. [1916], S. 132-154. 278 Vgl. die Ausführungen S. 488-493. 279 Adolf Spamer, Ueber die Zersetzung und Vererbung in den deutschen Mystikertexten. 280 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 97. 281 Ibid., S. 97f. Hervorhebungen im Original. Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio 487 Dieser Widerspruch zwischen den offenbar angewendeten Verfahren der Textproduktion und der Figuration der Textgenese in den Paratexten der Straßburger Überlieferungsträger sowie am Ende der Bekehrungsgeschichte macht nun deutlich, daß jene von Rieder explizit abgewiesene, 282 „rein philologische untersuchung die notwendige vorbedingung für die behandlung der mehr historischen fragen“ 283 an das Corpus darstellt. Zentrale Aufgabe der im folgenden durchgeführten Analyse ist es daher, „die Quellen und Entstehungsverhältnisse des ‚Meisterbuches‘ [...] zu klären“, 284 d.h., anhand einer Zusammenstellung der ermittelten Vorlagen und ihrer Gegenüberstellung mit der im ‚Meisterbuch‘ vorgenommenen Bearbeitung die angewendeten Verfahren der Textproduktion in die Tradition literarischer Umschreibepraxen zu integrieren. Erst die Zusammenschau mit der in verschiedenen Handschriften des ‚Grünen Wörth‘ unterschiedlich präsentierten Textgenese erlaubt es, den spezifischen Status des ‚b ch‘ zwischen Fiktion und Authentizität zu erfassen und somit die Identifikation des Laien mit dem Gottesfreund jenseits einer nachträglichen Fälschung von Erlebnisberichten zu verstehen. Die detaillierte Auseinandersetzung mit der Poetik des Textes und den in der Komturei vorgenommenen Aneignungsverfahren soll in einem zweiten Schritt um die Textgeschichte des ‚Meisterbuchs‘ außerhalb der Komturei ergänzt werden. Die unterschiedlichen Tradierungsformen, die Baumann in seiner nur maschinenschriftlich vorliegenden Dissertation 285 zur Überlieferung des ‚Meisterbuchs‘ erarbeitet hat, sollen das in der Überlieferung der Bekehrungsgeschichte implizierte Textverständnis rekonstruieren helfen, um einen zeitgenössischen Maßstab zu der auf dem ‚Grünen Wörth‘ vorgenommenen „Arbeit am Text“ 286 zu erhalten. Obwohl wahrscheinlich noch nicht alle Quellen des ‚b ch von dem meister‘ ermittelt werden konnten und auch der von Baumann durchgeführte Vergleich der „Inhalte[ ], Begrifflichkeit und Metaphorik“ 287 des ‚Meisterbuchs‘ mit den Texten Taulers und Eckharts sowie mit anonymen mystischen Traktaten keine zusätzlichen Textvorlagen bekannt gemacht hat, ist die grundlegende Komposition des ‚b ch von dem meister‘ als eine Kompilation vorgängiger, aus ihrem originären Kontext gelöster Texte bzw. Textteile zu fassen, die in die Bekehrungsgeschichte des meisters in der Form von Predigten inseriert sind. 288 282 Ibid., S. 95f. 283 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 120. 284 Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 437. 285 Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin. 286 Joachim Bumke und Ursula Peters, Einleitung, S. 2. 287 Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 36. 288 Die folgende, ungewöhnlich detaillierte Darstellung von Struktur und Inhalt des ‚b ch von dem meister‘ soll dazu dienen, die identifizierten Quellen nicht allein zu benennen, sondern in ihrem narrativen Zusammenhang wiederzugeben, um die Textgenese nicht einseitig als „plagiat“ (Heinrich Seuse Denifle, Die Dichtungen des Gottesfreundes, S. 202), als schlichte Transposition vorgängiger Texte in die Bekehrungsgeschichte zu begreifen, sondern durch die Analyse der Handhabung der Quellen die Praxis der Adaptation, und das meint zugleich die genuine, integrative Leistung des Kompilators, zu charakterisieren. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 488 Rahmenhandlung (A, Bl. 229 v -230 v ; Schmidt 1875, S. 2-4): 289 Im Jahr 1346 wird ein Laie im Schlaf dreimal hintereinander dazu aufgefordert, in eine 30 Meilen entfernte Stadt zu reisen, um dort einen viel gepriesenen meister der heiligen geschrift predigen zu hören. Nachdem der leye, ein gnadenricher man (A, Bl. 229 v ; Schmidt 1875, S. 2), dieser Aufforderung gefolgt ist, fünf Predigten des Magisters der Theologie gehört und ihn zu seinem Beichtvater genommen hat, bittet er ihn um eine Predigt, die erkläre, wie der mensche z dem aller nehesten vnd z dem aller h hesten komen m hte, do der mensche in der zit z kummen mag (A, Bl. 230 r ; Schmidt 1875, S. 4). ‚Stückpredigt‘ (A, Bl. 230 v -232 r ; Schmidt 1875, S. 4-7) ~ Pseudo-Eckhart-Traktat: ‚Diu zeichen eines wârhaften grundes‘ 290 Wahrhafte Gotteserkenntnis ist nicht in der im menschlichen Selbst verhafteten Vernunft, die an Bild und Form gebunden ist, möglich, sondern ausschließlich úber verstentliche schowunge vnd úber alle vernúnftige begriffunge beide bilde vnd forme (A, Bl. 230 v ; Schmidt 1875, S. 4/ Pfeiffer 1857, S. 476,1). Die Menschen, denen diese gnadenhafte Gottesschau in der gelassenheit zuteil geworden ist, sind an 24 Zeichen zu erkennen: „die gegenseitige Liebe und die Einhaltung des Gebots (1); das Freiwerden von sich selbst (2) und das Sich-Überlassen an Gott (3); im Selbstfinden verzichten die rehten schouwer auf das Selbst und suchen nichts Eigenes (4, 5); sie fügen sich in Gottes Willen derart, daz got niht würket âne sie unde sie würkent niht âne got ([Schmidt 1875, S. 6 / Pfeiffer 1857, S.] 477, 19; 6, 7, 8), sie gebrûchent gotes in allen iren werken ([Schmidt 1875, S. 6 / Pfeiffer 1857, S.] 477, 20) und empfangen nichts vom kreatürlichen Sein (9, 10); sie lassen sich nicht fangen und treiben von kreatürlicher Lust und Trübsal (11, 12); sie lassen sich nicht vom falschen Licht betrügen (13); sie sind im Besitz aller Tugenden (14) und erkennen die Wahrheit (15). Sie sind gerecht, ohne selbstgerecht zu sein (16); sie bieten, ohne Worte zu machen, in ihrem Leben ein Beispiel (17, 18); sie suchen nur Gottes Ehre (19); sie sind friedfertig (20); sie sind demütig bis zur Selbstaufgabe (21, 22); sie leben in der imitatio Christi [...] (23, 24).“ 291 Rahmenhandlung (A, Bl. 232 r -237 v ; Schmidt 1875, S. 7-17): in bihte wise (A, Bl. 233 r ; Schmidt 1875, S. 9), d.h. in einem vertraulichen Gespräch, vergleicht der Laie die Predigt mit clore[m], g te[m] win, der in einem durch tr sen (A, Bl. 233 r ; Schmidt 1875, S. 9) verunreinigten Faß aufbewahrt werde: Die Lehre der Predigt entspräche durchaus dem reinen g telichen wort (A, Bl. 233 v ; Schmidt 1875, S. 10), aber der Prediger richte sein Leben nicht an der vorgetragenen Lehre aus, vielmehr sei er ein Pharisäer, der sich in seinen Predigten durch seine Gelehrsamkeit zu profilieren suche und nicht minnende vnd meinende sei g tteliche ere (A, Bl. 233 v ; Schmidt 1875, S. 9). Dieser Stolz auf die erreichte vernúnftige, sinneliche meisterschaft (A, Bl. 233 v ; Schmidt 1875, S. 9) beschränke ihn auf den Buchstaben und trenne ihn vom lebendig machenden Geist (2 Cor 3, 6). Da der Prediger folglich nur ein lesemeister, aber kein lebemeister sei, könnten seine Predigten nur bilde erzeugen: vnd ir hant selber gebrediget sol der 289 Das ‚Meisterbuch‘ wird im folgenden nach der Textfassung im ‚Großen deutschen Memorial‘ zitiert, die in Klammern verzeichneten Referenzen beziehen sich auf die bislang einzige Ausgabe des Textes: Nicolaus von Basel, Bericht von der Bekehrung Taulers, hg. von Carl Schmidt, Straßburg 1875. 290 Heinrich Seuse Denifle, Taulers Bekehrung - Antikritik gegen A. Jundt, S. 812, Anm. 1; ders., Die Dichtungen des Gottesfreundes im Oberlande, S. 202-214. Eine Edition des Traktates liegt vor bei: Franz Pfeiffer, Meister Eckhart, Leipzig 1857 (Deutsche Mystiker des 14. Jahrhunderts 2) [Unveränderter Nachdruck Aalen 1962], S. 475, Z. 34-S. 478, Z. 15. 291 Peter Schmitt, ‚Diu zeichen eines wârhaften grundes‘, in: 2 VL Bd. 10 (1999), Sp. 1522-1525, hier Sp. 1524. Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio 489 aller berste meister z dem menschen kummen so m s der mensche lidig vnd blos aller bilde ston (A, Bl. 233 r ; Schmidt 1875, S. 8). Durch die Unterweisungen des Laien zur Selbsterkenntnis geführt, bittet der meister diesen voller Reue, ihm zu erzählen, wie du z diseme lebende keme vnd wie du din leben ane vinge vnd wie din bunge vnd alles din leben ist gesin (A, Bl. 234 r ; Schmidt 1875, S. 11). Diesen Wunsch weist der Laie jedoch mit den Worten des dieners in der ‚Vita‘ Seuses ab (Bihlmeyer 1907, S. 108, Z. 4): úch geh ret nút z , das ich úch sage mine bunge [...] wanne die naturen sint gar vngelich (A, Bl. 234 v ; Schmidt 1875, S. 11). Entscheidend für den Weg zu Gott sei eine gotte gelossene grundelose dem tikeit (ibid.), die Gott mit jeweils individuellen, dem Menschen nützlichen bunge durch bekorunge belohne (ibid.). Auch er habe zunächst (dem Vorbild der Bußübungen der Heiligen in der Legendenliteratur folgend) in übertriebener Askese gelebt, sei jedoch von einem Einsiedler bekehrt worden, sich gotte z grunde zu lassen (A, Bl. 235 r ; Schmidt 1875, S. 12), denn - so die Lehre des Exempels vom Heidenbrief (A, Bl. 236 rv ; Schmidt 1875, S. 14f.) - allein der Heilige Geist könne die Gottesschau aus Gnade bewirken, sie sei mit der vernunft nicht zu erlangen (A, Bl. 235 r ; Schmidt 1875, S. 12). Von der Heiligmäßigkeit des Laien beeindruckt, erkennt sich der Magister als Sünder, der unter der geistlichen Führung des Laien sein Leben vmb keren will (A, Bl. 237 r ; Schmidt 1875, S. 16). Dem anfangenden Weg des Meisters der Theologie angemessen, übergibt der Laie die Lehre, wie er kumme z der aller gr sten, h hesten vollekummenheit, do der mensche in der zit z kummen mag (A, Bl. 237 r ; Schmidt 1875, S. 17), in der Form einer alphabetisch sortierten Spruchsammlung - eine letze [...], die men den kinden z dem aller ersten git (A, Bl. 237 v ; Schmidt 1875, S. 17). a b c der drie vnd zwentzig b staben (A, Bl. 237 v / 238 r ; Schmidt 1875, S. 17f.) ~ ‚Goldenes ABC‘ 292 Gegeben werden im Anschluß an die mittelalterliche Zählung von 23 Buchstaben des Alphabets 23 Lebensregeln, die ein wahrhaft christliches Leben kennzeichnen: A) Beginne (Ane[...]vohende) ein reines, gutes, göttliches Leben. B) Meide B ses. C) Lerne in allen Dingen Maß zu halten (cymmeliche). D) Sei Dem tikliche. E) Übergebe deinen Eygen wille[n] Gott. F) Lerne Feste und ernsthaft in Gott zu bleiben. G) Sei Gott Gehorsam. H) Behindere Dich nicht mit der Welt. I) Lerne Indewendig, in deinem Herzen göttliche Dinge zu betrachten. K) Widerstehe den Anfechtungen des Teufels und des Fleisches K ne und stark. L) Lerne Lauheit (Lewikeit ) überwinden. M) Lerne die Liebe (Minne) zu Gott und zu deinem Nächsten. N) Begehre niemandens (Niemans) Gut. O) Kehre (Ordiniere[ ]) alle Dinge zu dem Besten. P) Nehme willentlich alle Penitentie auf dich. Q) Vergebe (Qvit sagen) denen, die Dir jemals ein Leid zugefügt haben. R) Lerne die Reinheit (Reinikeit) des Leibs und der Seele. S) Lerne Senftm tikeit. T) Sei allen Menschen gegenüber treu (Truwe). U) Meide Ubermosse. X) Strebe nach der imitatio Xri. Y) Bitte Maria (Ynser frowe), Dich beim Erlernen dieser Regeln zu unterstützen. Z) Zeme[ ] deine Natur. 292 Vgl. zur Vermutung, daß im ‚Meisterbuch‘ enthaltene erbaulich-moralische Abecedarium beruhe auf einer vorgängigen Überlieferung: Peter Kesting, ‚Goldenes ABC‘, in: 2 VL Bd. 3 (1981), Sp. 77-80, und Bd. 11 (2004), Sp. 544. Kesting führt zur breiten eigenständigen Überlieferung des Alphabets aus (Sp. 78f.): „Wahrscheinlich ist das ‚Meisterbuch‘ als Quelle dieser verstreuten Überlieferung anzusehen, Sicherheit besteht jedoch nicht. Wenn auch einige Textzeugen unmißverständlich auf das ‚Meisterbuch‘ verweisen (Einsiedeln, Wien), so schweigen doch die meisten, und andere bieten den Text in einem veränderten Rahmen, z.B. als Vorbereitung auf ein gutes Sterben (Heidelberg, Basel E. IV. 2). Die frühe Züricher Hs. (v. J. 1393) zeigt abweichenden Text und keinerlei Hinweise auf Taulers ‚Historia‘. Somit ist es nicht undenkbar, daß in Teilen der o.g. Streuüberlieferung und im ‚Meisterbuch‘ eine gemeinsame ältere Überlieferung dieses geistlichen ‚ABC‘ durchscheint.“ Vgl. auch den frühen Codex: Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. oct. 69, Bl. 180 v / 181 r aus dem 14. Jahrhundert (Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 133). Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 490 Rahmenhandlung (A, Bl. 238 r -243 v ; Schmidt 1875, S. 18-29): Nachdem der Meister diese Regeln innerhalb von fünf Wochen erlernt hat, bittet er den Laien um eine zweite Unterweisung, in welcher der Laie den Magister auf den reichen Jüngling der Synoptiker verweist (Mt 19, 13-26; Mc 10, 13-27; Lc 18, 15-27): Wie dieser sein Gut unter die Armen verteilen sollte, so solle sich der meister der heiligen geschrift von seiner Predigttätigkeit und dem Abnehmen der Beichte abwenden, um gewore dem tikeit zu demonstrieren (A, Bl. 239 r ; Schmidt 1875, S. 20). Als Gegengabe erhalte er von Gott den minne schang der völligen Verachtung (A, Bl. 239 v ; Schmidt 1875, S. 21). Bewähre er sich in der Nachfolge Christi, d.h., erleide er seine völlige Isolation, ohne göttlichen Trost zu erbitten, so beweise er seine z grunde grosse, dem tige gotte gelossenheit (A, Bl. 240 r ; Schmidt 1875, S. 22). Nachdem der Meister zwei Jahre lang in gar grossen bekorungen vnd in grosser versmehte aller siner g ten frúnde vnd in grosser arm t [...] vnd ouch in gar grosser krangheit in aller siner naturen in grosser dem tikeit erlitten hatte (A, Bl. 241 r ; Schmidt 1875, S. 24), wird er am Tag des Apostels Paulus (! ) noch den bersten kreften rehte ber ret (A, Bl. 241 v ; Schmidt 1875, S. 25), ihm wird eine unio mystica zuteil. Da er n von der gnoden gottes das lieht des heiligen geistes (ibid.) empfangen habe, erfasse er nun völlig die Heilige Schrift und solle - so der Rat des Laien - wieder zu predigen beginnen. Erst nachdem der Meister durch den Ausweis unkontrollierter Emotionalität eine weitere Demütigung vor der gesamten Gemeinde erfahren und somit die völlige Selbsterniedrigung erreicht hat, schließen sich vier ‚Musterpredigten‘ an: ‚Brautpredigt‘ (A, Bl. 243 v -246 r ; Schmidt 1875, S. 29-33) ~ brautmystischer Traktat (? ) Auch in dieser (in Anlehnung an Mt 25, 6 in brautmystischer Metaphorik gefaßten) Predigt thematisiert der Meister die Bedingungen einer Vereinigung mit Gott: Die Braut solle dem Bräutigam entgegengehen, indem sie der úppige[n] ere dirre triegenden, úbel lonenden welte vnd der naturen wollust (A, Bl. 243 v ; Schmidt 1875, S. 29) entsage und sich dem Bräutigam vollständig unterwerfe. Im Gegenzug werde dieser ihr clein ter (A, Bl. 244 r ; Schmidt 1875, S. 29) in der Form maniger hande bekorunge[ ] (A, Bl. 244 r ; Schmidt 1875, S. 30) schenken, die es ihr ermöglichen, dem Vorbild des Bräutigams nachzufolgen. Wenn die Braut durch mehrmalige Steigerung dieser bekorunge durch Selbstzweifel und andauerndes, demütig ertragenes Leid mittalle reine geworden ist (A, Bl. 245 r ; Schmidt 1875, S. 32), kann die Hochzeit gefeiert werden: Der Vater des Bräutigams geht mit dem Brautpaar in die Kirche vnd verbindet sú do in alse gar grosser, mehelicher minne [...] das sú weder in zit vnd in ewikeit niemer me gescheiden werdent (A, Bl. 245 r ; Schmidt 1875, S. 32). Auf der anschließenden Feier fungiert der Heilige Geist als Mundschenk, der die Braut so mit Liebe übergießt, daß sie gar vnd gantz alz mole in den brúteg m zerflússet (A, Bl. 245 r ; Schmidt 1875, S. 32). Die Predigt mündet in einem Gebet: Alle Anwesenden mögen als Bräute Christi Gott entgegengehen. Rahmenhandlung (A, Bl. 246 r -247 r ; Schmidt 1875, S. 33-35): Das Erfülltsein des Meisters mit dem Heiligen Geist wird durch die unmittelbare Wirkung der neuen Predigtweise verdeutlicht: Vierzig Zuhörer werden verzückt, von denen zwölf wie tot in der Kirche sitzen bleiben. Aufgrund dieses eindrucksvollen Beweises der Begnadung des Meisters bittet ihn der Laie, er möge auch vor weltlichen lúten eine Predigt halten, die der Magister für den Tag der Heiligen Gertrud verspricht. Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio 491 ‚Ehebrecherinnenpredigt‘ (1. ‚Polterpredigt‘; A, Bl. 247 r -252 r ; Schmidt 1875, S. 35-45) ~ ‚b ch von den nún veilsen‘ Aus dem Tagesevangelium, der neutestamentalischen Perikope von der Ehebrecherin (Io 8, 1-11), greift der Meister, seinem neuen Predigtkonzept entsprechend, ein wort usser [...] vnd do uffe [...] blibe[t ] er (A, Bl. 247 r ; Schmidt 1875, S. 35). Die Aufforderung Jesu an Schriftgelehrte und Pharisäer: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein! “, nimmt der Meister zum Anlaß eines Sermo in Form eines Sündenspiegels, der zahlreiche Stände umfaßt: Den Ausgangspunkt der paränetischen Predigt bildet das Kloster des Meisters und der darin praktizierte Umgang mit dem Sakrament der Beichte (A, Bl. 247 rv ; Schmidt 1875, S. 36f.): Aus Habsucht und Eitelkeit vernachlässigten seine Mitbrüder arme Sünder und bevorzugten reiche Beichtkinder, denen sie die Heilige Schrift so glossierten, daß Geldgier, Hoffart und Unkeuschheit erlaubt seien. Daher sind die Beichtväter ebenso wie die ihnen anvertrauten Christen dazu verdammt, z vallende in eine tieffe gr be (A, Bl. 247 v ; Schmidt 1875, S. 37). Ähnliche Motive finden sich in: ‚b ch von den nún veilsen‘ (Strauch 1929 [ATB 27], S. 28, Z. 25-31; S. 29, Z. 35-S. 30, Z. 5; S. 30, Z. 10f.; S. 30, Z. 13f.) Auch die Prediger (A, Bl. 247 v / 248 r ; Schmidt 1875, S. 37) fürchteten das Urteil der Menschen mehr als das Gericht Gottes und redeten ihnen daher nach dem Mund, anstatt ihnen die Botschaft Gottes zu verkünden. ‚b ch von den nún veilsen‘ (Strauch 1929 [ATB 27], S. 30, Z. 31-S. 31, Z. 5) Selbst die Bischöfe (A, Bl. 248 rv ; Schmidt 1875, S. 37f.), Hirten ihres Bistums, führten ihre Schafe in die Irre: Sie seien schlimmer als Diebe, da sie keine Menschen bestählen, sondern Gott, der seinen Dienern die Kirche nur geliehen habe. Die Schelte der weltlichen Priester (A, Bl. 248 v / 249 r ; Schmidt 1875, S. 38f.) nimmt ihren Ausgangspunkt bei Judas, dessen Sündhaftigkeit von den gegenwärtig lebenden Christen überboten werde: Verriet er Jesus, als noch [...] kein gebot uf gesat [was] in cristenem glouben (A, Bl. 248 v ; Schmidt 1875, S. 38), verstießen die Priester, die ihre Pfründe verspile[n]t (A, Bl. 248 v ; Schmidt 1875, S. 38) oder den Zölibat nicht einhielten, in voller Kenntnis der christlichen Gebote immer wieder gegen die gesetzte Ordnung. ‚b ch von den nún veilsen‘ (Strauch 1929 [ATB 27], S. 34, Z. 25-34) Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 492 Bevor der Prediger mit dem Exempel einer Ehebrecherin zum Tagesevangelium zurückkehrt, rügt er den Stand der Richter (A, Bl. 249 rv ; Schmidt 1875, S. 39f.), die nicht länger nach ihren Kenntnissen in den Rechten und ihrer moralischen Festigung ausgewählt würden, so daß valch [sic! ], vnreht gerihte abgehalten werden, das got an allen den an dem iúngesten tage rechen wil (A, Bl. 249 v ; Schmidt 1875, S. 40). ‚b ch von einre offenborunge‘ (Schmidt 1866, S. 192f.) Wie bereits die Rüge der Bischöfe und der weltlichen Priester mündet auch die Beispielerzählung einer Ehebrecherin (A, Bl. 249 v -251 v ; Schmidt 1875, S. 40-44), deren fehlende Reue zum Inzest zwischen Bruder und Schwester führt, in den Vergleich mit einem Dieb: Im Gegensatz zu einem Räuber, der einen Menschen bestehle, beraube die Ehebrecherin Gott, der die Heilige Ehe gestiftet habe. Rahmenhandlung (A, Bl. 252 r ; Schmidt 1875, S. 45): Aufgrund der Unruhe, die diese ‚Polterpredigt‘ in der Stadt verursacht, beschließen die Mitbrüder des Meisters, diesem das Predigen zu untersagen, da sie fürchten, ihre Wohltäter zu verlieren. Den besten vnd [...] gewaltigesten in der stat (A, Bl. 252 r ; Schmidt 1875, S. 45) gelingt es jedoch, die Ordensleitung umzustimmen. Am Passionssonntag Judica hält der Meister daraufhin seine zweite ‚Polterpredigt‘, die sog. ‚Fastenpredigt‘. ‚Fastenpredigt‘ (2. ‚Polterpredigt‘; A, Bl. 252 v -257 r ; Schmidt 1875, S. 45-54) Ausgangspunkt dieses thematischen Sermo ist Jesu Wort an die Juden: „Wenn ich die Wahrheit sage, warum glaubt ihr mir nicht? Wer aus Gott ist, hört auf Gottes Wort. Ihr hört nicht darauf, weil ihr nicht aus Gott seid“ (Io 8, 46f.). Die Deutung des Schriftworts gliedert sich in zwei Teile: Der erste, umfassendere Abschnitt schließt sich an den zweiten Teil des Evangelienzitates an und bietet erneut eine paränetische Belehrung über die alle Stände umfassende Sündhaftigkeit der Christen, exemplifiziert durch Fallbeispiele aus dem Finanz- und Kaufmannswesen (A, Bl. 252 v -256 r ; Schmidt 1875, S. 46-52). Der zweite Teil der Predigt (A, Bl. 256 r -257 r ; Schmidt 1875, S. 52-54) beteuert die Wahrhaftigkeit der beiden ‚Polterpredigten‘, indem der Meister sie auf eine Vision zurückführt: Die Schau des Fegefeuers, das soliche pinlich, iemerliche martel berge (A, Bl. 256 v ; Schmidt 1875, S. 53), habe den Meister auf jene ermahnenden Predigten verpflichtet, von denen er sich eine kathartische Wirkung verspreche, da sie nicht die Gnade, sondern die Gerechtigkeit Gottes in den Vordergrund stellten. Das gleiche Motiv findet sich in: ‚b ch von den zwey menschen‘ (Lauchert 1896, S. 84, Z. 32-S. 85, Z. 8) ‚b ch von einre offenborunge‘ (Schmidt 1866, S. 187) Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio 493 Die letzte Predigt des ‚b ch von dem meister‘ wendet sich an eine Gemeinschaft von Klausnerinnen. Man kann die ‚Klausnerinnenpredigt‘ (A, Bl. 257 r -260 v ; Schmidt 1875, S. 54- 61) mit Denifle in drei Teile gliedern: 293 Im ersten Teil (A, Bl. 257 v -258 r ; Schmidt 1875, S. 54-56) paraphrasiert der Prediger das in der Epistel beschriebene Leiden und die Gnadenerlebnisse des Paulus und stellt sie den klaffenden menschen gegenüber, die sich ihrer erfahrenen Gnade rühmen. Das Beispiel des Apostels lehre, daß man von einer gnadenvollen Auszeichnung nur dann zum Ruhme Gottes erzählen könne, wenn man zugleich von der eigenen Person absehe. Die Bewahrung vor Stolz und Selbstzufriedenheit werde dabei durch das Leiden erreicht, das Gott Paulus als Gegengewicht zur Begnadigung auferlegt habe. 2 Cor 11, 25-28 2 Cor 12, 1-10 ‚b ch von den fúnf mannen‘ (Strauch 1927b [ATB 23], S. 72, Z. 9-16; S. 72, Z. 26-S. 73, Z. 5) Die Nachfolge des Apostels könne man nur durch einen abegang durch geist und natur erreichen, die der zweite Teil der Predigt (A, Bl. 258 r -259 v ; Schmidt 1875, S. 56-58) ausführlich darstellt: Der Beginn der triplex via sei ein durch bruch, ein gewilliger abgang von den Bindungen des Geistes und der Natur, auf den der Zustand der gelossenheit folge, das ledic stan, der in die Vereinigung mit Gott, dem einige[n] ein in dem einen, münde. ‚Von den drîn fragen‘ 294 Abschließend (A, Bl. 259 v -260 v ; Schmidt 1875, S. 58-61) fügt der Prediger Regeln für das Leben in einer Klause an. Rahmenhandlung (A, Bl. 260 v -262 v ; Schmidt 1875, S. 61-64): Als der Meister nach weiterem, neunjährigem Wirken seinen Tod nahen spürt, schickt er nach dem Laien, um diesem seine Aufzeichnungen über das Geschehene zu übergeben und ihn zu bitten, sein Leben zum Ruhme Gottes aufzuschreiben, allerdings unter der Bedingung, daß er den Namen des Meisters verschweige und das Buch nicht in der Stadt, in der er gewirkt habe, zugänglich mache. Nach einer elf Tage andauernden Unterhaltung stirbt der Meister qualvoll, damit - so erklärt er dem heimreisenden Laien in einer posthumen Erscheinung - ihm das Fegefeuer erspart bleibe und er von den Engeln unmittelbar ins Paradies geführt werden könne. 293 Heinrich Seuse Denifle, Taulers Bekehrung, S. 38. 294 Ibid., S. 39-42. Eine Edition des Traktates findet sich: ibid., S. 137-143. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 494 Der ausgewiesene Aufbau des ‚b ch von dem meister‘ verdeutlicht, daß sich seine Komposition weder an der zeitgenössischen Reflexion des modus compilationis im wissenschaftlichen Diskurs noch an der bisher untersuchten volkssprachlichen Praxis der Kompilation orientiert: Die in den texttheoretischen Überlegungen des lateinischen Studienbetriebs seit dem 13. Jahrhundert vorgenommenen Reflexionen der exzerpierenden und ordnenden Arbeitstechniken des Kompilators erkennen die utilitas der Textmontagen in der leichteren Zugänglichkeit und Durchdringung der auctoritates. 295 Diese Funktion der strukturierten Autoritätensammlung tritt im ‚b ch von dem meister‘ völlig zurück, da sich der Text nicht auf die auktoriale Kompetenz der kompilierten Quellen beruft, sondern seine auctoritas durch den narrativen Zusammenhang der Bekehrungsgeschichte gewinnt. Die im ‚Meisterbuch‘ vorgenommene textuelle Integration der einzelnen vorgängigen Komponenten differenziert die hier angewendeten Verfahren der Textproduktion zugleich von den bekannten volkssprachlichen Kompilationspraktiken: Während die Zusammenstellung und Sammlung von Musterpredigten für „junge[ ], unerfahrene[ ] Redner[ ]“ in den ‚Sermones novi‘ des Nikolaus von Landau 296 sowie der ‚Postille‘ Hartwigs von Erfurt 297 ihre Kohärenz durch die Orientierung an Epistel- und Evangelientexten des Kirchenjahres erhalten und die für Schwesterngemeinschaften und Laienbrüder erstellten Spruchsammlungen 298 und Mosaiktraktate die textuellen Prinzipien der Kohärenzherstellung durch thematisch-assoziative Konsistenz ersetzen, 299 begnügt sich das 295 Alastair J. Minnis, Late-medieval discussions of compilatio and the role of the compilator, in: PBB (Tübingen) 101 (1979), S. 385-421, hier S. 400. Vgl. auch: Malcolm B. Parkes, The Influence of the Concepts of Ordinatio and Compilatio on the Development of the Book, in: Jonathan J. G. Alexander und Margret T. Gibson (Hgg.), Medieval Learning and Literature. Essays presented to Richard William Hunt, Oxford 1976, S. 115-141. 296 Vgl. Kurt Ruh, Nikolaus von Landau, in: 2 VL Bd. 6 (1987), Sp. 1113-1116, hier Sp. 1114, und Bd. 11 (2004), Sp. 1054; Hans Zuchhold, Des Nikolaus von Landau Sermone als Quelle für die Predigt Meister Eckharts und seines Kreises, Halle/ S. 1905 (Hermaea 2); Freimut Löser, Nachlese. Unbekannte Texte Meister Eckharts in bekannten Handschriften, in: Volker Mertens und Hans-Jochen Schiewer (Hgg.), Die deutsche Predigt im Mittelalter. Internationales Symposion am Fachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin vom 3.-6. Oktober 1989, Tübingen 1992, S. 125-149, hier S. 129-131. 297 Volker Mertens, Hartwig (Hartung) von Erfurt, in: 2 VL Bd. 3 (1981), Sp. 532-535, und Bd. 11 (2004), Sp. 590; ders., Hartwig (Hartung/ Heinrich) von Erfurt (Handschriftenfunde zur Literatur des Mittelalters 48), in: ZfdA 107 (1978), S. 81-91; ders., Theologie der Mönche - Frömmigkeit der Laien? Beobachtungen zur Textgeschichte von Predigten des Hartwig von Erfurt. Mit einem Textanhang, in: Ludger Grenzmann und Karl Stackmann (Hgg.), Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenbüttel 1981, Stuttgart 1984 (Germanistische Symposien. Berichtband 5), S. 661-683. 298 Hans-Jochen Schiewer, uslesen. Das Weiterwirken mystischen Gedankenguts im Kontext dominikanischer Frauengemeinschaften, in: Walter Haug und Wolfram Schneider-Lastin (Hgg.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, S. 581-603, hier S. 595. Vgl. Ulla Williams, Vatter ler mich. Zur Funktion von Verba und Dicta im Schrifttum der deutschen Mystik, in: Rüdiger Blumrich und Philipp Kaiser (Hgg.), Heinrich Seuses Philosophia spiritualis. Quellen, Konzept, Formen und Rezeption. Tagung Eichstätt 2.-4. Oktober 1991, Wiesbaden 1994 (Wissensliteratur im Mittelalter 17), S. 173-188. 299 Burkhard Hasebrink, Zersetzung? Eine Neubewertung der Eckhartkompilation in Spamers Mosaiktraktaten, in: Claudia Brinker, Urs Herzog, Niklaus Largier und Paul Michel (Hgg.), Contemplata aliis tradere. Studien zum Verhältnis von Literatur und Spätmittelalter. Festschrift für Alois M. Haas, Bern [usw.] 1995, S. 353-369. Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio 495 ‚Meisterbuch‘ nicht mit einem thematischen Schwerpunkt als Verknüpfungsprinzip der Textsegmente, sondern strukturiert und spiegelt seine materia in einer figürlichen Applikation: Die Bekehrung eines meisters der heiligen geschrift aus der Selbstbezogenheit scholastischer Gelehrsamkeit zu wahrer gelassenheit, die ihn für Gottes Wirken frei werden läßt und ihm schließlich die gnadenhafte Schau in den Ursprung ermöglicht, fungiert gleichsam als textinternes Anwendungsbeispiel für das thematische Zentrum der Kompilation. Sieht man von den beiden ‚Polterpredigten‘ ab, bestimmt der Aufruf zur gelassenheit als fundamentale Negation der geschaffenen Welt und des eigenen Selbst die Auswahl der kompilierten Texte. Die das ‚Meisterbuch‘ eröffnende ‚Stückpredigt‘ erörtert den Weg, wie der mensche z dem aller nehesten vnd z dem aller h hesten kummen m hte (A, Bl. 230 r ; Schmidt 1875, S. 4), und etabliert somit die gnadenhafte Gottesschau úber verstentliche schowunge vnd úber alle vernúnftige begriffunge beide bilde vnd forme (A, Bl. 230 v ; Schmidt 1875, S. 4) als Fluchtpunkt der Text-Montage. In Abgrenzung zur textuellen Vorlage, aber in Übereinstimmung mit der textsortenspezifischen Funktion, formuliert die Predigt in den 24 stúcken nicht die Erkennungszeichen des begnadeten Menschen, sondern die Bedingungen, die der immanenten Gotteserkenntnis vorangehen. Diese werden nun für den pharisäischen Meister, der nur die b chstaben der von ihm vorgetragenen Predigt intellektuell durchdringt, ihren geist, d.h. ihre lebensweltliche Applikation, jedoch verfehlt, in simplifizierter Reduktion wiederholt. Auch das ‚Abecedarium‘ erklärt - in deutlichem Anklang an die Punktedisposition der ‚Stückpredigt‘ -, wie [der mensche] kumme z der aller gr sten, h hesten vollekummenheit (A, Bl. 237 r ; Schmidt 1875, S. 17). Nach der fünf Wochen andauernden, memorativ-meditativen Verinnerlichung der Spruchsammlung erhält der meister eine zweite Unterweisung durch den Laien, die ihn erneut zu demütiger gelossenheit verpflichtet: Anders als der reiche Jüngling des Evangeliums, müsse der Meister seine Abkehr von der Immanenz nicht durch den Verzicht auf materiellen Besitz, sondern durch die demütig erduldete Verachtung der Mitbrüder und quälende Selbstzweifel beweisen; erst diese befähige ihn zur gnadenhaften Vereinigung mit Gott. Die narrative Umsetzung des dreimal wiederholten Aufstiegswegs in der präsentierten conversio des meisters, die mit der bildelosen unio belohnt wird, setzt die gegebene Lehre unmittelbar um und qualifiziert die im weiteren vorgetragenen Predigten nicht durch die Kompetenz des gelehrten Theologen, sondern durch das Erleben des lebemeisters. Auch wenn ‚Braut‘- und ‚Klausnerinnenpredigt‘ in unterschiedlicher Metaphorik die Lehre von der triplex via erneut bieten, markieren sie den Wendepunkt vom lesezum lebemeister : Die Lehre des Meisters ist nicht länger eine schlichte Übertragung intellektuell gewonnener und recht abstrakt formulierter b chstaben- Gelehrsamkeit in das didaktische Medium der Predigt, vielmehr wird die ‚Brautpredigt‘ als direkter Ausfluß des unio-Erlebnisses figuriert. Die Begnadung des Magisters durch den Heiligen Geist, die bereits an der Überformung seiner Predigtsprache mit der Metaphorik des Matthäus-Evangeliums erkennbar ist, wird durch die Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 496 Entrückung von vierzig seiner Zuhörer zusätzlich veranschaulicht. 300 Die narrative Integration der kompilierten Texte reflektiert folglich die Möglichkeiten und Grenzen einer textuellen Anleitung zu gelossenheit und unio und garantiert zugleich den angemessenen Umgang mit der vorliegenden Kompilation: Das thematische Zentrum der compilatio kann zwar durchaus argumentativ entfaltet und intellektuell einsichtig gemacht werden, das Beispiel des Predigers führt jedoch vor Augen, daß eine theoretische Anerkennung, ein intellektuelles Verständnis der Traktate, ihrem Gegenstand nicht angemessen ist, allein die praktische Befolgung ihrer Lehre antwortet der dem Thema inhärenten Aufforderungsstruktur. 301 Diese appellativ-nachvollziehende Lektüre kann sich dabei nicht auf traditionelle Modelle religiös-didaktischer Literatur stützen. Eine autoritative Kommunikationsstruktur, die sich auf die Kompetenz des Predigers bzw. Verfassers in Schriftauslegung und Dogmatik beruft, widerspricht der textuellen Aussage: Vorraussetzung einer reflexionslosen Gottesschau ist (auch) die arm t des geistes (A, Bl. 258 v ; Schmidt 1875, S. 56). Der narrative Auftakt des ‚b ch von dem meister‘ - die Umkehr der traditionellen Rollenzuweisung zwischen geistlich gebildetem Kleriker und ungebildetem, aber begnadetem Laien - appliziert die in der ‚Stückpredigt‘ vermittelte Lehre einer umfassenden gelossenheit folglich auf diese selbst und beraubt die Predigt damit ihrer üblichen Legitimation durch theologische Kompetenz. 302 Die Verknüpfung der Traktate mit Hilfe der Erzählung der conversio dient so ihrer Autorisation. Im Gegensatz zu den weit verbreiteten mystischen Lesepredigten, die häufig berühmten Predigern (etwa Meister Eckhart) zugeschrieben wurden, wird der Prediger nicht durch seine persönliche Authentizität als lebemeister qualifiziert 303 (dieses Modell der Autorisation tritt erst mit der Identifikation des meisters mit Johannes Tauler in den Deutungshorizont des ‚Meisterbuchs‘), vielmehr muß die Autorität der anonymen Figur textuell etabliert werden: Der im Rahmen des Textes präsentierte Weg des Meisters zur gelossenheit führt die Übereinstimmung von Leben und Lehre narrativ vor Augen. Nur durch dieses spezifische Auto- 300 Diese Fundierung der ‚Brautpredigt‘ im Heiligen Geist bewirkt auch eine andere Technik der Kompilation: Ist die ‚Stückpredigt‘ als scholastische Paradepredigt gestaltet (Louise Gnädinger, Johannes Tauler: Lebenswelt und mystische Lehre, München 1993, S. 89, Anm. 185), die den Traktat ‚Die zeichen eines wârhaften grundes‘ in den neuen Kontext einfügt, ohne ihn für die textintern imaginierte Predigtsituation i.S. einer Didaktisierung zu adaptieren, zeigt die ‚Brautpredigt‘ als „Musterpredigt[ ] der neuen Art“ (ibid., S. 90) den typischen Aufbau eines volkssprachlichen Sermo: Entsprechend dem in der ars praedicandi formulierten Strukturgerüst (vgl. Isnard W. Frank, Predigt VI. Mittelalter, in: TRE [Studienausgabe] 28 [1997], S. 248-262, hier S. 253) benennt der Prediger zunächst das Zitat aus dem Matthäus-Evangelium (Mt 25,6), auf das sich seine Themenpredigt stützt, und bietet im kurzen exordium eine tropologische Deutung des Gleichnisses von den Jungfrauen, indem er die Braut als Versinnbildlichung der Seele, den Bräutigam als Allegorie Gottes deutet. Die im Anschluß gegebene Ausführung (tractatio) der brautmystischen Allegorese in der Form der triplex via, deren dispositio sich auf die Metaphorik von Verlobung und Hochzeit stützt, mündet - wie herkömmlich - in eine gebetshafte Formel, die von appellativen Elementen bestimmt ist. 301 Vgl. hierzu grundlegend die Analyse der Predigten Meister Eckharts bei Burkhard Hasebrink, Formen inzitativer Rede bei Meister Eckhart. Untersuchungen zur literarischen Konzeption der deutschen Predigt, Tübingen 1992 (TTG 32), hier S. 55. 302 Ibid. 303 Vgl. ibid., S. 56. Vgl. hierzu auch die Umkehr der im Titel aufgerufenen Autorisationsstruktur, die sich an Spruchsammlungen der Autoritäten anlehnt, wie: ‚Sprüche der 12 Meister‘, ‚Sprüche der 12 Meister von Paris‘, ‚Sprüche der 5 Lesemeister‘. Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio 497 risationsmuster wird die zu Beginn der Erzählung vorgenommene Aufhebung der Predigt als Mittel der instructio narrativ kompensiert. Obwohl die inserierten Texte auch im Rahmen der Erzählung keine methodische Anleitung zu gelossenheit und unio vermitteln können, überformt das Exempel den didaktisch-unterweisenden Charakter der Lehre mit dem Appell zu religiöser Selbstdeutung und individuellem Nachvollzug, 304 der sich auf die persuasive Wirkung des ‚Erlebens‘ stützt. Das ‚b ch von dem meister‘ verwendet folglich eine Technik der Kompilation, die den Rezipienten nicht durch thematisch-assoziative Verknüpfung auf eine kognitive Durchdringung in der kontemplativen Lektüre verpflichtet, sondern ihn durch die narrative Gestaltungsform der religiösen ‚Erfahrung‘ zu einer umfassenden Selbstbeeinflussung i.S. der gelossenheit aufruft. 305 Neben dieser Rezeptionslenkung durch die textintern vorgeführte Bedeutung religiöser ‚Erfahrung‘ gewährt der narrative Rahmen der Kompilation auch eine textsortenspezifische Stabilität. Die Integration in den Handlungszusammenhang verlangt eine Annäherung der strukturell wie funktional relativ offenen Quellengattungen an die Darbietungsform der Predigt i.S. eines „institutionell-autoritative[n] Medium[s] der Glaubensverkündigung“, 306 d.h., die Traktate müssen ihre argumentative Struktur, rhetorische Gestaltung und appellativen Strategien der textintern imaginierten Kommunikationsform der instructio angleichen. 307 Die im Rahmen der Genreassimilation imitierten Techniken der homilitischen Praxis umfassen eine klare Strukturierung, eingehendere und deutlichere Erklärung und Exemplifizierung sowie die Ergänzung um einen direkten Kontakt zwischen Prediger und Zuhörern. Mit Hilfe einer Gegenüberstellung der ‚Klausnerinnenpredigt‘ mit einer ihrer Quellen, dem Traktat ‚Von den drîn fragen‘, sollen im folgenden die im ‚b ch von dem meister‘ angewendeten Prinzipien der Retextualisierung als didaktisierende Umakzentuierungen charakterisiert werden. Die augenfälligste Bearbeitung des Traktates im Rahmen seiner Integration in die imaginierte Predigtsituation bildet seine Gliederung. Die im Sarner Codex tradierte Überschrift - Von den drin fragen in dien beslossen ist anvahent z nement und volkomen leben (Denifle 1879, S. 137, Z. 1f.) - macht das theologische Gliederungsprinzip bekannt, das den Traktat strukturiert: Wenn auch nicht in ihrer dialektischen Zuspitzung, so rekurriert die strenge Systematik des Textes doch auf die scholastische Denk- und Lehrform der questio. Die in der Einleitung des pseudoeckhartischen Traktates formulierten Fragen nach dem behendest durchbruch [...] z einem volkomen leben (ibid., 304 Ibid., S. 266. 305 Dieser hohen Funktionalität des narrativen Rahmens steht die Offenheit der Predigtreihe für unzählige Erweiterungen gegenüber, die die thematische Kohärenz sprengen: Sowohl ‚Polterpredigten‘ als auch die (nur im nicht erhaltenen ‚Kleinen deutschen Memorial‘ in den Text inserierte) ‚Sakramentspredigt‘ gliedern sich nicht in den thematischen Schwerpunkt der gelossenheit ein und werden in der Überlieferung außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ z.T. auch getilgt. Vgl. die Ausführungen auf S. 511-517. 306 Burkhard Hasebrink, Formen inzitativer Rede, S. 5. 307 Vgl. zum folgenden grundlegend: Volker Mertens, Theologie der Mönche - Frömmigkeit der Laien? Beobachtungen zur Textgeschichte von Predigten des Hartwig von Erfurt. Mit einem Textanhang, in: Ludger Grenzmann und Karl Stackmann (Hgg.), Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenbüttel 1981, Stuttgart 1984 (Germanistische Symposien. Berichtbände 5), S. 661-683. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 498 S. 137, Z. 6-8), nach dem sicherst gr-t da der mentsch in der zit uf mŭg gestan (ibid., S. 137, Z. 9) und nach der n hst vereinigung mit Gott (ibid., S. 137, Z. 10) sowie die unmittelbar angefügten, prägnanten, jedoch abstrakten Antworten dienen der dispositio des Textes. Die in der responsio wiedergegebene Lehrmeinung wird im anschließenden Hauptteil der Unterweisung kleinschrittig aufgegriffen und durch definitorische Erklärungen und die Berufung auf Autoritäten durchsichtig gemacht. Die Aufgabe der Textgliederung übernimmt dabei ausschließlich die in der Einleitung ausgewiesene, detaillierte Untergliederung des komplexen Gedankenganges in einzelne Segmente, die sich jeweils der logischen Explikation einer der wenig anschaulichen und daher zunächst undurchsichtigen Antworten widmet. Die Kohärenz des Textes basiert folglich auf seiner intellektuellen Stringenz, eine in den Textverlauf integrierte Strukturierung mit Hilfe verbaler Mittel der Relationierung und Hierarchisierung wird nicht vorgenommen. Die Reduktion der gliedernden Elemente auf einen am Textanfang gegebenen und im folgenden strikt eingehaltenen Bauplan erfordert eine konzentrierte und geübte Rezeption, die den Text wissenschaftlich-theologisch zu erfassen sucht. Demgegenüber bedient sich die Bearbeitung des Textes im ‚Meisterbuch‘ kommunikativer Gestaltungsmittel der Textgliederung: An die Stelle der zu Beginn des Prätextes gegebenen logischen Disposition (Denifle 1879, S. 137, Z. 3-15), die im ‚Großen deutschen Memorial‘ vollständig fehlt (A, Bl. 258 r ; Schmidt 1875, S. 56), treten in den Textverlauf eingefügte Überleitungen, die den Rezipienten durch den Argumentationsgang führen und seinen Nachvollzug erleichtern sollen: Struktur im ‚b ch von dem meister‘ Struktur im Traktat ‚Von den drîn fragen‘ lieben kint, noch ist ein vil edelre, gr sser abegang denne der abe gang, der alz mole der naturen abe gegangen ist vnd der abegang der do alse gar gros ist das ist ein [258 v ] gewilliger abe gang des geistes vnd das ist wenne der geist das fleisch úber windet vnd dise zergenglichen ding alle úbersprungen het So springet er uffe die ewigen ding vnd denne die selben werg wurt er denne erst gar usser mossen vil lústlicher smackende vnd niessende danne die ersten noch der naturen (A, Bl. 258 rv ; Schmidt 1875, S. 56) Ein williger abgang des geistes ist daz wenne der geist disú zergenklichen ding úberspringet, so springet er uff dú ewigen ding und dú wirt er denne vil lustlicher niessent denne dú ersten (Denifle 1879, S. 138, Z. 12-15) N súllent ir wissen, lieben kint, welre mensche disen gewilligen abe gang durch geist vnd nature gewunnen het das wissent, das ein solicher mensche einen fruhtberen durch bruch geton het Aber ime t t dar noch g ter h te gar not vnd sol alle zit h ten vnd besehen, das er z allen ziten in grosser dem tikeit blibe, wanne [259 r ] die helleschen viende die lont danne nút abe sú s chent alle zit, wie sú in wider vmb gezúgent lieben kint, eine z grunde gelossenheit durch alle vnsere nature das ist gar ein g ter, fruhtberre ane vang der ehte in rehter dem tikeit beschiht (A, Bl. 258 v / 259 r ; Schmidt 1875, S. 57) Was ist ein gelăssenú gelassenheit in geist und in natur? (Denifle 1879, S. 139, Z. 11f.) Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio 499 lieben kint, m htent wir ouch geleren das wir ouch z eime geworen vnder gange des geistes in rehter geworer dem tikeit kement wanne vns s ssikeit des geistes ane keme vnd sú vns denne got wider vmb zúckete das wir sú ime denne wol gelossen kundent vnd das wir vnsere begirde (denne truttent also, das wir mit willen keine begirde nachgetragen) der noch hettent (A, Bl. 259 r ; Schmidt 1875, S. 57) Ein gelăssen gelăssenheit in dem geist ist: was got in dem geist bevintlich werkes volbringe, daz er des alles ledig stand (Denifle 1879, S. 139, Z. 19f.) Ach lieben kint, der mensche solte alse gar sere gestritten haben also das er alse gar vernúnftig in gotte worden were das er kunde mit der helfe gottes alle creaturen durch brechen vnd durch varn vntze das er in got keme Do wúrde er in deme heiligen geiste geleret, das er mit siner vernunft alle natúrliche ding vnder sich kunde getrucken (A, Bl. 259 r ; Schmidt 1875, S. 58) Was ist ein vernúnftiger durchbruch dur geist und nature? Dz ist daz der mentsch vernúnftiklich durch sin natur und allú natúrlichú ding also durchbreche (Denifle 1879, S. 140, Z. 18-20) Während der Traktat die einzelnen Erklärungen additiv aneinanderreiht, führt die Bearbeitung durch hierarchisierende Vergleiche und deutliche Positionierungen innerhalb des Aufstiegsschemas explizite Verbindungen der textuellen Elemente ein, welche die Komposition des Argumentationsganges stärker an Formen mündlicher Kommunikation annähert. Dient die luzide Darlegung der Architektonik des Traktates an dessen Beginn der Kohärenz des g e s a m t e n Textes, legen die Techniken der verbalisierten Strukturierung im ‚b ch von dem meister‘ stärkeres Gewicht auf die Verknüpfung der aneinander angrenzenden Elemente sowie der kommunikativen Signalisierung eines gedanklichen Einschnitts durch aufmerksamkeitserregende Figuren der direkten und emotionalisierten Ansprache der Zuhörer (lieben kint, ach lieben kint ). Diese kleinschrittigere Gedankenführung betrifft auch die interne Strukturierung der einzelnen Abschnitte. Nutzt der Traktat die Gegenüberstellung ‚äußerer‘ und ‚innerer‘ Menschen für eine Zusammenfassung der Meister Eckhart entlehnten und ausführlich dargelegten Unterscheidung zwischen den Menschen, die geistlichú s ssikeit erstreben, und den wahren Gottesminnern, fügt das ‚b ch von dem meister‘ diese Identifizierung unmittelbar an die phänomenologische Beschreibung der beiden Gruppen an - wahrscheinlich um den gedanklichen Bogen nicht zu weit ausschweifen zu lassen: Textverlauf im ‚b ch von dem meister‘ Textverlauf im Traktat ‚Von den drîn fragen‘ N der lieben kint, ir súllent wissende sin, das es gar dicke beschiht, das etteliche menschen do z kumment, das sú in iren eigen grunt vnd in iren eigin willen vnd gar behebeliche in sich ziehent vnd nement was inlúhtende vnd smackende ist vnd lont sich gotte nút in einer sterbenden wisen N wissent, wele menschen das t nt, die niessent der goben der gnoden gottes gar Hie von sprach meister egghart: Etlich lút nement got als er in lúchtet und smekket; die nement lúhten und smekken und nement gottes nit, wan so dz lúhten und dz smekken abg-t, so g-nt ch si got ab. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 500 vnfruhtberliche vnd ist das sache wanne in got nút me in lúhtende vnd smackende were so weis er wol das ime soliche menschen abe gingent vnd do von so behebet er soliche menschen mit ettewas s sses trostes, das sú eht nút alz mole von ime l ffent Aber soliche menschen sint noch gar krang vnd kleine wanne sú sint in irme eiginen willen vnd minnent vnd nement den schin fúr das wesen vnd sint dis dar z noch alz mole ússerliche menschen vnd sú wenent doch inreliche menschen sin aber sú sint gar sere betrogen Aber andere menschen, die sich gotte z grunde gelossen vnd ouch geben hant die da ouch s sse vnd sur von gotte geliche nement vnd enpfohende sint wanne ouch den menschenen inlúhten vnd smacken abe get dar vmb gont sú gotte nút abe Soliche menschen nement das wesen fúr den schin vnd niessent das wesen geistliche vnd ch fruhtberliche vnd soliche menschen, das sint ouch gerehte inre menschen (A, Bl. 258 v ; Schmidt 1875, S. 56f.) Die nement den schin fúr daz wesen. Aber die andern nement got in lúhten und sm kken, und nement lúchten und sm kken nit, wan so in lúhten und smekken abgăt so gănd si got nit ab. Die nement daz wesen fúr den schin. Got ist dz wesen, geistlichú s ssekeit ist der schin. Die den schin nement fúr daz wesen, daz sint usserliche mentschen, die aber nement dz wesen fúr den schin, daz sint innerlichú mentschen. (Denifle 1879, S. 138, Z. 20-S. 139, Z. 1) Der durch die Form der verbalisierten Strukturierung gemächlichere Gang der Darlegung wird zusätzlich verlangsamt, indem die Informationsdichte, die den Traktat ‚Von den drîn fragen‘ wesentlich charakterisiert, durch Wortaustausch, wiederholende Umschreibungen und zusätzliche Erläuterungen deutlich reduziert wird. Vorrangiges Mittel der Rezeptionserleichterung ist dabei die Auflösung der äußerst dichten, teilweise paradoxen und hochgradig spekulativen Formulierungen des Traktates. Dessen Bemühungen, die Möglichkeiten der Gottesschau theoretisch auszuloten, werden in der Predigt durch einen appellativ-instruktiven Charakter ersetzt, der die komplexe Gedankenführung durch Konkretisierungen und wiederholende Umschreibungen zugänglicher zu machen sucht. Die angewendeten Praktiken der Simplifizierung reichen dabei von der Einführung von Doppelformen (so fordert Salomon nicht nur r we [...] in den dingen [Denifle 1879, S. 139, Z. 28/ S. 140, Z. 1], sondern r we vnd frid [A, Bl. 259 r ; Schmidt 1875, S. 58]), über die Addition nur rhetorisch motivierter Adjektive (Dionysius ist nicht nur durch iamer [Denifle 1879, S. 140, Z. 1], sondern durch iomerige begirde geplagt [A, Bl. 259 r ; Schmidt 1875, S. 58]) bis hin zum Austausch schwer verständlicher Lexeme durch eingängigere Formulierungen (die Predigt meidet z.B. die paradoxe Formel der gelassenen gelassenheit und ersetzt sie durch die gegenständlichere Wendung eines auch in iomer vnd in begirde z grunde gelossen[en] Menschen [A, Bl. 259 r ; Schmidt 1875, S. 58]). Über diese retardierenden Ergänzungen hinaus sollen vor allem wiederholende Umschreibungen ganzer Textpassagen das Verständnis erleichtern: Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio 501 Textverlauf im ‚b ch von dem meister‘ Textverlauf im Traktat ‚Von den drîn fragen‘ vnd wenne ouch das beschiht, das des menschen geist gerotet smacken vnd niessen der úber natúrlichen, edeln, hohen dinge alse denne der mensche vormoles het einen abe gang geton von der s ssikeit der naturen Also m s er danne ouch einen gewilligen abe gang t n von aller wollust der úber flússikeit des geistes vnd m s gotte sin werg lossen, alse er es haben wil vnd dirre abe gang der t t ouch erst rehte we den menschen, die eht gottes noch lústlicher wisen entpfunden habent, vnd dirre abe gang der heisset ouch arm t des geistes, von dem vnser herre sprach Selig sint die armen des geistes das riche der himele das ist ir (A, Bl. 258 v ; Schmidt 1875, S. 56) Und reht als der mentsch h-t get-n einen willigen abgang aller úberflússiger s ssikeit der natur, also m s er t n einen willigen abgang aller úberflússiger s ssikeit des geistes (Denifle 1879, S. 138, Z. 17- 20) lieben kint, m htent wir ouch geleren das wir ouch z eime geworen vnder gange des geistes in rehter, geworer dem tikeit kement wanne vns s ssikeit des geistes ane keme vnd sú vns denne got wider vmb zúckete das wir sú ime denne wol gelossen kundent vnd das wir vnsere begirde (denne truttent also, das wir mit willen keine begirde nachgetragen) der noch hettent (A, Bl. 259 r ; Schmidt 1875, S. 57) Ein gelăssen gelăssenheit in dem geist ist: was got in dem geist bevintlich werkes volbringe, daz er des alles ledig stand. Und ob sich got dem geist verziehe mit siner bevintlicher s ssikeit, dz er sich got lasse in dem underzug als in der offenbarung und frid hab in dem wúrken gottes (Denifle 1879, S. 139, Z. 18-23) Um den semantischen Gehalt der schwer zugänglichen Passagen des Traktates weiter aufzufalten, nutzt die in den Beispielen illustrierte Bearbeitung syntaktische Umformungen, textuelle Ergänzungen und die Einbindung des Rezipienten. Ausgangspunkt der retextualisierenden Operationen ist in beiden Beispielen eine Verdeutlichung des Argumentationsgangs durch eine Veränderung der syntaktischen Konstruktion: Während der Traktat die Kohärenz der Gedankenführung durch konjunktionslose Konditional-, Modal- und verallgemeinernde Relativsätze herzustellen sucht, beschränkt sich die in das ‚Meisterbuch‘ inserierte Predigt auf eine temporalkonditionale Konstruktion, die mit Hilfe der Konjunktionen wenne - denne auch verbal markiert wird und das logische Verhältnis der Teilsätze überdeutlich herausstellt. Diese gleichbleibende Konstruktion und ihr deutlicherer Ausweis gehen mit einer Auflösung des nominalen Stils des Traktates einher (vgl. Beispiel 1), um die für den imaginierten geistigen Aufstieg notwendigen Handlungen der Menschen stärker hervorzuheben und so den Appell zur praktischen Umsetzung des Gehörten zu verstärken. Diese intensivere Einbindung des Rezipienten in den Text macht das zweite Beispiel besonders anschaulich: Die in der Rezipienten-Anrede etablierte personale Deixis wird hier auch für die Erörterung der geistlichen gelossenheit beibehalten, indem die Predigtgemeinschaft (wir ) bereits als z nement Menschen imaginiert wird. Als letztes Mittel der Verständnissicherung dient die Einführung erläuternder Textteile. Zur Erklärung der Abkehr von aller s ssikeit des geistes bedient sich die erste zitierte Textpassage - neben einer ausführlicheren Parallelisierung mit der eingängigeren körperlich-sinnlichen Askese - intertextueller Verweise auf Meister Eckhart (arm t des geistes; Predigt Q 52) und die Bergpredigt. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 502 Alle benannten Methoden der Retextualisierung - die genauere Erläuterung, der transparentere syntaktische Aufbau, zusätzliche Zitate aus der Bibel wie auch die enge Beziehung zwischen Prediger und Zuhörer (resp. Autor und Leser) - zielen auf einen deutlicheren und verständlicheren Argumentationsgang, der im Gegenzug die luzide Komposition des Traktates gegen schwerfälligere und umständlichere Formulierungen eintauscht. Einen entgegengesetzten Umgang mit dem vorgängigen Text illustrieren die zahlreichen Ellipsen des ‚b ch von dem meister‘ gegenüber den ‚drîn fragen‘, die schwierige Partien des Textes schlicht überspringen: So fehlen der Predigt z.B. die Ausführungen zur gelassenú gelassenheit in natur. Die Gegenüberstellung der ‚Klausnerinnenpredigt‘ mit ihrer Quelle läßt zusammenfassend keine tiefgreifende Umarbeitung, sondern eine gleitende Umakzentuierung als Prinzip der Bearbeitung erkennen, deren Ziel - eine eingängigere und verständlichere Fassung des komplexen Ausgangstextes - zugleich der narrativen Integration in eine Predigtreihe Rechnung trägt und die Funktion der Kompilation nochmals vor Augen führt: Die narrative Rahmung der kompilierten Texte dient nicht nur einer inhaltlichen Reflexion der Bedingungen der Möglichkeit einer textuellen Anleitung zur gelossenheit, sondern leistet auch formal einen Beitrag zur praktischen Umsetzbarkeit der präsentierten Inhalte, indem die für die Erzählung notwendige Transponierung der Traktate in Predigten ihre Verständlichkeit auch für die auf dem ‚Grünen Wörth‘ lebenden Laien sicherstellt und der theoretischen Reflexion über die immanente Begegnung mit Gott eine handlungsanleitende Wendung gibt. Auch wenn die angewendete Technik der Kompilation - die narrative Integration der extrahierten Textsegmente - nicht mit geläufigen Definitionen des modus compilationis übereinstimmt, liegt ihre Motivation in einer leichteren Zugänglichkeit und stärkeren Durchdringung der präsentierten Inhalte. Die Aufforderung zur gelossenheit als Bedingung der unio, die das thematische Zentrum der Kompilation bildet, verlangt eine spezifische Legitimation des Schreibens wie auch eine inzitative 308 Rezeptionsanleitung, die die Bekehrungsgeschichte des meisters der heiligen geschrift zur Verfügung stellt: Die Rahmenerzählung ist folglich kein Bericht außerliterarischen, unmittelbaren Erlebens, sondern eine literarische Gestaltungsform, die die thematische Kohärenz des modus compilationis um die Stringenz einer Narration ergänzt, um Produktion wie Rezeption der inserierten Texte von einem ausschließlich textbasierten und somit notwendig defizitären Wissen um die gelassenheit in den Modus des ‚Erlebens‘ zu überführen, der jedoch als Teil einer literarischen Inszenierung keine Referenz auf ein grundlegendes Geschehen außerhalb der Textwelt vornimmt. Diese Poetik einer narrativen Kompilation wird durch den Überlieferungszusammenhang, in den das ‚b ch von dem meister‘ in dem einzigen erhaltenen Textzeugen der Johanniterkomturei integriert ist, nochmals verdeutlicht: Vor dem zweiten, nachträglich ergänzten Teil des ‚Großen deutschen Memorials‘, dessen Abschluß das ‚Meisterbuch‘ bildet, überliefert die Sammelhandschrift eine Textreihe, in der sich mit dem ‚b ch von den drien durch brúchen‘ (A, Bl. 111 r -119 r ) auch eine weitere Bearbeitung des Traktates ‚Von den drîn fragen‘, d.h. eine textuelle Entspre- 308 Vgl. zur Definition: Burkhard Hasebrink, Formen inzitativer Rede bei Meister Eckhart, S. 37f. Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio 503 chung zur ‚Klausnerinnenpredigt‘, findet. Während die dem ‚b ch‘ vorangestellte Rubrik Rulman Merswin lediglich als den Schreiber des Textes ausweist, der es mit sin selbes hant den br deren z einre gebesserlichen lere in wahs schreip (A, Bl. 111 v ; Rieder 1905, S. 33*8f.), seinen Anteil an der Textgenese jedoch unbestimmt läßt, macht das Inhaltsverzeichnis des ‚Großen deutschen Memorials‘ genauere Angaben zur Technik der Texterstellung: Item das b ch von den dryen durch brúchen vnd von eime gnodenrichen, gelerten pfaffen der meister eckeharten, den grossen lerer, stroffete vmb sine behende hohe lere, die er pflag z t nde vor dem gemeinen groben volke vnd etteliche andere g te materie, die r leman merswin selber schreip vnd si ouch vermúschete mit sinen inbr nstigen, hitzigen, z geleiten minne worten (A, Bl. 8 v ; Rieder 1905, S. 22*17-23) Die hier vorgenommene deutliche Differenzierung zwischen dem ‚b ch von den drien durch brúchen‘, der Erzählung über einen gelehrten Kleriker und weiteren materien auf der einen und den minne worten des Stifters, die dieser mit den benannten Texten vermúschete, auf der anderen Seite beschreibt die Genese des Traktates explizit als Text-Montage. Im Rahmen einer fortlaufenden Lektüre des ‚Großen deutschen Memorials‘ mußte die ‚Klausnerinnenpredigt‘ - trotz der eigenständigen Bearbeitung des Traktates für das ‚b ch von den drien durch brúchen‘ - als eine weitere Retextualisierung des gleichen Ausgangstextes erkannt werden; diese Identifizierung weist zugleich auch das ‚b ch von dem meister‘ als Bearbeitung vorgängiger Texte aus. In offensichtlichem Widerspruch zu dieser Lektüre des ‚b ch von dem meister‘ als Element einer literarischen Tradition stehen sowohl die textinterne Figuration seiner Genese als auch die in verschiedenen Codices des ‚Grünen Wörth‘ überlieferten Angaben zur Tradierung des Textes. Die am Ende des ‚b ch von dem meister‘ präsentierte Textentstehungsgeschichte (A, Bl. 261 rv ; Schmidt 1875, S. 61f.) dechiffriert die vorangehende Erzählung über den spirituellen Weg des Predigers als einen Bericht des ihn geistlich unterweisenden Laien, dessen Grundlage ein Selbstzeugnis des Klerikers darstelle, d.h., der Text inszeniert sich als einen Ausfluß ‚unmittelbaren Erlebens‘: Auf dem Totenbett übergibt der Magister seinem spirituellen Freund und Lehrer bletter der bappire (A, Bl. 261 r ; Schmidt 1875, S. 61), in denen sich auch ein Lebensbericht findet, der die wunder umfaßt, die got mit mir armen, vnwirdigen menschen [...] geton het (A, Bl. 261 r ; Schmidt 1875, S. 62). Das Ziel dieser Hinterlassenschaft ist eine Approbation der Aufzeichnungen: Der Meister bittet den Laien, die autobiographische Schrift nur dann zu verbreiten - ein b chelin daraus zu machen (A, Bl. 261 v ; Schmidt 1875, S. 62) -, wenn er den Text für g t befindet (A, Bl. 261 r ; Schmidt 1875, S. 62), er den eben menschen z helfe gereiche und diese Belehrungsabsicht die Zustimmung Gottes finde (A, Bl. 261 v ; Schmidt 1875, S. 62). Diese primäre Textschicht komplettiert der Laie mit den fünf von ihm abe geschriben[en] Predigten und verspricht dem Magister, den Text nur anonym, d.h. ohne einen Hinweis auf dessen Identität und nur außerhalb seiner Wirkungsstätte, zu überliefern, um eine nachträgliche Decouvrierung des begnadeten Protagonisten zu vermeiden. Allein diese Anonymisierung garantiere eine Rezeption des Textes zum Ruhme Gottes: got, der hat es durch mich armen wurm gewúrket, des ist es ouch es ist min nút, es ist gottes (A, Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 504 Bl. 261 v ; Schmidt 1875, S. 62). Die textimmanente Figuration der Entstehung des ‚Meisterbuchs‘ macht deutlich, daß die hier vorgenommene Legitimation des Schreibens durch ‚Erleben‘ rhetorisch-konventionelle Elemente der hagiographischen Tradition kombiniert, um sie der spezifischen Spiritualität des Textes anzugleichen. Die Berufung auf einen vorgängigen autobiographischen Lebensbericht zählt zu den topischen Begründungsstrategien hagiographischer Literatur. Das ‚unmittelbar‘ auf Erleben referierende Selbstzeugnis soll die Authentizität des Berichteten verbürgen, da nur die göttlich inspirierte Person angemessen von ihren Gnadenerlebnissen berichten kann. Auch die beratende Funktion und der Auftrag zur textuellen Verbreitung, die dem Laien attestiert werden, rekurrieren auf ein seriell-wiederholtes Element der Viten- und Offenbarungsliteratur. Seit ihrer prototypischen Ausprägung in der Vita Maries von Oignies des Jakob von Vitry am Beginn des 13. Jahrhunderts ist das mystisch-asketische Heiligkeitskonzept der „neuen Hagiographie“ mit einer programmatischen Figuration der Textgenese verbunden: 309 Der „vie intérieur“, 310 d.h. der „erfahrungshafte[n], auf den seelischen Innenraum zentrierte[n] Spiritualität“, 311 korrespondiert ein intimisierter Impuls zur Verschriftlichung. Der Beichtvater der nur im Verborgenen begnadeten Heiligen zeichnet das Leben der göttlich inspirierten Mystikerin allein aus individueller Bewunderung und Verehrung auf. Diese Einbettung der Textentstehung in eine amicitia spiritualis 312 wird im ‚b ch von dem meister‘ aufgegriffen und spezifisch ausgestaltet: Die maßgeblich zu Beginn des Textes narrativ entfaltete Intimität zwischen Magister und Laien verbürgt durch die Augenzeugenschaft des Seelenführers dessen Kenntnis über die spirituellen und d.h. nicht offensichtlichen Erfahrungen des Meisters, 313 die den Laien in die Lage versetzt, die verborgene vita religiosa zu bekunden und zu verbreiten. Während diese doppelte Beglaubigung des Textes - durch die autobiographischen Aufzeichnungen des Meisters wie das intime Wissen des laikalen Augenzeugen - die rhetorischen Authentisierungsstrategien frauenmystischer Literatur, wenn auch spiegelbildlich, so doch handlungslogisch konsequent auf die Figurenkonstellation von bezeugendem Laien und göttlich inspiriertem Kleriker zu übertragen scheint, ist die idealtypische „Aufgabenverteilung“ 314 zwischen einem konventionell weiblichen, „experimentellen Zugang“ zu Gott einerseits und der „Auslegung der Schrift und predigthafter Unterweisung des gelehrten Geistlichen“ andererseits 315 charakteristisch verschoben: Zwar wird die Inversion etablierter Rollenmuster zwischen dem „angesehenen und 309 Vgl. zu der im folgenden beschriebenen Figuration des Schreibens durch den intimen Kontakt zwischen Beichtvater/ Seelsorger und Nonne grundlegend: Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 101-188, hier S. 111-116; Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 193-233, hier S. 199. 310 Simone Roisin, L’Hagiographie cistercienne, S. 106f. 311 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 213. 312 Ibid., S. 233; vgl. Otto Langer, Teleia philia und amicitia spiritualis. Zwei Formen rationaler Personenbeziehungen im Abendland, in: Georg Wieland (Hg.), Aufbruch - Wandel - Erneuerung. Beiträge zur ‚Renaissance‘ des 12. Jahrhunderts. 9. Blaubeurer Symposion vom 9. bis 11. Oktober 1992, Stuttgart- Bad Cannstatt 1995, S. 45-64. 313 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 201. 314 Ibid., S. 206, 211. 315 Ibid., S. 206. Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio 505 engagierten, vor allem demonstrativ gelehrten Predigerbruder[ ]“ 316 und dem ungebildeten, aber göttlich inspirierten Laien in der ausführlichen Unterweisung zu Beginn des ‚Meisterbuchs‘ exemplarisch veranschaulicht, die Inszenierung der Verschriftlichung überführt diese Verkehrung jedoch nicht wieder in die traditionelle Scheidung der Zuständigkeiten zwischen begnadetem, Gott schauenden Laien und die theologische Wahrheit durch Aufzeichnung verbürgendem Kleriker; vielmehr erfüllt der Laie auch die textinterne „Handlungsrolle“ 317 des ‚Hagiographen‘ des durch ihn zur erlebenden Gotteserkenntnis geführten Predigers. Der Magister der Theologie demonstriert zuletzt seine gelossenheit, indem er seine autobiographischen Aufzeichnungen willenlos an den Laien übergibt und somit die charakteristisch klerikalgebildete Aufgabe des Schreibens an diesen abtritt. Durch die ostentative willenlosigkeit des Predigers - er legt (in einer Variation der oboedientia-Formel) 318 die Entscheidung zur Verbreitung vollständig in die Hand seines spirituellen Ratgebers und unterwirft sich zugleich dem (allerdings erst antizipierten) göttlichen Schreibbefehl - wird die Aufzeichnung seines Lebens konstitutiver Bestandteil seiner heiligmäßigen ‚Vita‘, da die artikulierte exemplarisch-christliche Demut der spirituellen Forderung nach einem radikalen Loslassen von der Immanenz korrespondiert. Das Abtreten der traditionell klerikalen Rolle an den Laien ist folglich nicht allein letzter Ausweis der göttlichen Begnadung des Magisters, sondern verdeutlicht eine programmatische Ausformung des geistlichen Programms des ‚Meisterbuchs‘. Die geschult-klerikale, intellektuelle Gotteserkenntnis, die nicht zuletzt eine textuelle Heilsvermittlung gewähren soll, 319 wird hier erneut als ergänzungsbedürftig gezeigt: Nur die im Laien personifizierte affektiv-erlebende Gottesschau gewährt die geistliche Kompetenz, um die vita religiosa adäquat zu vertexten. Die textinterne Präsentation der Textentstehungsgeschichte führt folglich die Funktion der narrativen Integration der kompilierten Texte auf der Ebene der Textkonstitution fort. War es die Funktion der Bekehrungsgeschichte des Meisters, das in den kompilierten Texten präsentierte spirituelle Programm des radikalen Freiwerdens für Gott in einer figürlichen Applikation zu exemplifizieren und so den Appell zur praktischen Umsetzung zu verstärken, inszeniert die ostentative Ablehnung theologischer Schrift-Gelehrsamkeit das ‚b ch von dem meister‘ als authentisches Selbstzeugnis bzw. glaubwürdigen Augenzeugenbericht und legitimiert das Schreiben über gelassenheit und unio - in einer selbstreflexiven Anwendung der sancta simplicitas- Tradition - allein durch religiöse Erfahrung. Wie die Predigten des Meisters, solange sie sich ausschließlich auf buochstaben stützen, seine Gotteserkenntnis durch intellektuelle superbia verstellen und notwendig der Fundierung im Leben bedürfen, kann auch das ‚b ch von dem meister‘ seine appellative Funktion nicht durch eine Berufung auf autoritative Quellen, d.h. literate Gelehrsamkeit, erfüllen, sondern muß sei- 316 Ibid., S. 223. 317 Ibid., S. 159f., S. 232, Anm. 214, S. 235 in Anlehnung an: Rainer Warning, Formen narrativer Identitätskonstitution im Höfischen Roman, in: Odo Marquard und Karlheinz Stierle (Hgg.), Identität, München 1979 (Poetik und Hermeneutik VIII), S. 553-589, hier S. 575. 318 Vgl. zum Topos des Schreibbefehls und des „Schreibens aus Gehorsam“ im Rahmen der hagiographischen Tradition: Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 172. 319 Ibid., S. 211. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 506 ne Legitimation durch die literarische Gestaltung als ‚Erleben‘ bewirken. Die textimmanenten Angaben zur Entstehung des ‚Meisterbuchs‘ sind folglich so stark durch die in ihm propagierte spezifische Spiritualität sowie das narrative Programm geprägt, daß es sich wohl verbietet, konkrete Produktionsumstände zu extrapolieren. 320 Obwohl der Text durch die besondere Akzentuierung des Schreibaktes eine Gleichsetzung von textinterner Erzählinstanz und textexternem Autor suggeriert, 321 der sein Erleben bzw. das von ihm bezeugte Erleben aufzeichnet, erweisen die Widersprüche zwischen der im Text präsentierten Textentstehungsgeschichte und den zu Beginn des Kapitels erarbeiteten kompilierenden Verfahren der Textkonstitution auch die am Ende des Textes gegebene Figuration des Schreibens als Teil der Diegese, die keinen kategorialen, sondern höchstens graduell differenzierten ontologischen Status gegenüber dem restlichen Geschehen der Textwelt beanspruchen kann. Die Steigerung der narrativen Komplexität durch die Einführung einer zusätzlichen diegetischen Ebene - der des textintern präsentierten schreibenden Autors - ist dabei konstitutives Element der Poetik des Textes: Die intradiegetische Figur des Autors, die zugleich Anteil am erzählten Geschehen hat, ermöglicht die literarische Inszenierung des Textes als ‚Erleben‘ - der einzige dem Thema adäquate Modus der Produktion. Zugleich ist diese authentisierende Ebene des Textes mit Hilfe topischer Elemente gestaltet, so daß gerade die Berufung des Textes auf authentisches ‚Erleben‘ ihre textuelle Prägung markiert und somit signalisiert, daß Referenzbildung auf die Textumwelt nicht intendiert ist. Die textinterne Rezeptionslenkung zielt somit nicht auf eine betrügerische Täuschung des Lesers; vielmehr erscheint das Changieren zwischen der Inszenierung als spirituelle Erfahrung und der literarischen Neugestaltung von vorgängigen Texten und ihren traditionellen Schreibpraxen als konstitutiver Bestandteil des hagiographischen Diskurses. 322 Dieser spezifische Status des ‚Meisterbuchs‘ zwischen einer ausschließlich textbasierten Praxis der literarischen Bearbeitung und einer allein auf außertextuelle Erfahrung bezogenen Reformulierung authentischen Erlebens wird in den Rubriken, die das ‚Meisterbuch‘ in den unterschiedlichen Codices begleiten, anscheinend zugunsten einer Rezeption des Textes als ‚Erleben‘ aufgehoben. Da die deutlich vom ‚eigentlichen‘ Text abgesetzten Paratexte durch ihre Bezugnahme auf Genese und Rezeption des ‚b ch von dem meister‘ eine Kommentar-Funktion, d.h. einen Standpunkt außerhalb der Diegese, beanspruchen, gewinnt die hier vorgenommene Konkretisierung des Laien eine verbindliche Autorität, obwohl sich auch die paratextuellen Angaben zur Genese des ‚Meisterbuchs‘, die im ‚Großen deutschen Memorial‘ dem Text vorangehen (A, Bl. 229 r ; Rieder 1905, S. 42*4-19), konventioneller und stilisierter Elemente des hagiographischen Diskurses bedienen. Der am Ende des zehnten Kapitels vom Meister geforderten anonymen Tradierung des Haupttextes korrespondiert eine üblicherweise nachträgliche Dechiffrierung der handelnden Figuren, die in der einleitenden Rubrik in A vorgenommen wird: 320 Vgl. die Schlußfolgerungen Bürkles zur Konstellation ‚Seelsorger-Nonne‘: ibid., S. 209f. 321 Ibid., S. 159f. 322 Vgl. Franz-Josef Schmale, Funktionen und Formen mittelalterlicher Geschichtsschreibung. Eine Einführung. Mit einem Beitrag von Hans-Werner Goetz, Darmstadt 1985, S. 113. Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio 507 Die dirte materie dis hindersten teiles ist des meisters b ch mit dem a b c der drie vnd zwentzig b staben, das der liebe gottes frúnt in berlant, R lman merswins geselle, des selben meisters geistlicher sun vnd getruwer rotgebe, in eime bapire mit sin selbes hant geschriben her abe sante vnd ouch gar eine gnodenriche, besserliche missiue, einen sende brief, den br dern z dem gr nen werde in den ziten, do die weltlichen priestere die kirche besungent vnd regiertent us ben munge vnd gunste des bobestes, vor dem es in erworben wart des iares, do men zalte von gottes gebúrte dritzehen hundert iar sehtzig vnd nún iar Die selbe missiue vnd ouch eine bredige von dem heiligen sacramente ist hie vnder wegen gelossen wenne sú geschriben stont in dem xxviii capitele des andern, kleinen tútschen memoriale b ches (A, Bl. 229 r ; Rieder 1905, S. 42*4-15). [Die dritte Materie dieses hintersten Teils ist das Buch des Meisters mit dem 23 Buchstaben umfassenden ABC, das der liebe Gottesfreund im Oberland, Rulman Merswins Freund, desselben Meisters geistlicher Sohn und treuer Ratgeber, den Brüdern auf dem ‚Grünen Wörth‘ auf Papier, von seiner eigenen Hand geschrieben herabsandte, zusammen mit einem gnadenreichen, bessernden [Beglaubigungs-]Schreiben, einem Sendbrief. [Dies geschah] in jenen Zeiten, als die Weltpriester in der Kirche die Messe lasen und diese leiteten aufgrund der Zueignung und Gunst des Papstes, von dem es ihnen übergeben wurde im Jahr des Herrn 1369. Derselbe Brief und auch eine Predigt über das heilige Sakrament ist im folgenden ausgelassen, weil sie im 28. Kapitel des zweiten, kleinen deutschen Memorials aufgezeichnet sind.] In der hier angefügten Erklärung, wie den Johannitern der Text des ‚b ch von dem meister‘ bekannt wurde, wird die nur auf dem ‚Grünen Wörth‘ überlieferte Gleichsetzung des laikalen Seelenführers mit dem Gottesfreund aus dem Oberland mittels seiner Rolle im Tradierungsprozeß sowie der Figuration des Laien als spiritueller Ratgeber legitimiert. Noch bevor die Johanniter in den Besitz der Stiftung gelangten (1369), sandte der Gottesfreund den Weltpriestern ein auf Papier geschriebenes, eigenhändiges Exemplar des Textes zu. Obwohl diese Vermittlung allein keine Rückschlüsse auf den Anteil des Gottesfreundes an der Genese des Textes zuläßt, ruft die ihn charakterisierende Apposition (des selben meisters geistlicher sun vnd getruwer rotgebe) die textinterne Rolle des laikalen Seelenführers auf. Für die in A vorgenommene Identifizierung des Laien mit R lmans geselle[n] ist folglich nicht allein die Decouvrierung seines Anteils an der Textgenese entscheidend - die Übersendung eines eigenhändig geschriebenen Textzeugen wird nicht zu einer detaillierten Ausgestaltung der Autorrolle genutzt -, ebenso bedeutend ist die textinterne Figurenzeichnung des Laien als spiritueller Führer, die mit der ratgebenden Funktion übereinstimmt, die der Gottesfreund für Stifter und Konvent des ‚Grünen Wörth‘ übernimmt. Die Übermittlung des ‚b ch von dem meister‘ mit einer gnodenriche[n], besserliche[n] missiue[n] projiziert so die intime Beziehung zwischen Laien und Meister in die Rezeptionssituation: Die Brüder des ‚Grünen Wörth‘ erhalten das ‚Meisterbuch‘ nicht, um unmittelbaren Anteil am Erleben ihres amicus spiritualis nehmen zu können, sondern als Teil seiner spirituellen Anleitung. Die Rubrik nimmt durch die Identifizierung folglich keine Konkretisierung zu einer historischen Autorfigur vor, die der Authentisierung des im ‚Meisterbuch‘ Berichteten dienen könnte, sondern „re-personali- Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 508 siert“ 323 die textinterne Handlungsrolle des Laien. Auch die in der einleitenden Passage kurz umrissene, weitere Textgeschichte weist das ‚b ch von dem meister‘ nicht als Erfahrungszusammenhang, sondern als einen unabgeschlossenen Unterweisungsprozeß aus: Die Ellipse des ‚Begleitbriefs‘ und vor allem der ‚Sakramentspredigt‘, deren Integration in A nicht notwendig sei, da sie bereits in das ‚Kleine deutsche Memorial‘ übertragen worden sei, verdeutlicht, daß (zumindest) diese Predigt als eigenständiges Textelement verstanden wurde, das für die Komposition und Progression des Gesamttextes nicht notwendig ist. Die Ausgliederung einzelner Textteile in der in A vorgenommenen Kopie des vom Gottesfreund erstellten Exemplars interpretiert das ‚Meisterbuch‘ nicht als wörtlich zu bewahrenden Erlebnisbericht, sondern als - auch nachträglich zu erweiternde 324 - Montage, die es der Tradierung des Textes gestattet, eine jeweils individuelle, den Erfordernissen der Unterweisung angemessene Version des Textes zu erstellen. 325 Bleibt die Amplifizierung der Autorfigur in A somit auf die bloße Identifizierung beschränkt, verspricht der erwähnte auktoriale ‚Begleitbrief‘ eine stärkere Konkretisierung der Rolle des Gottesfreundes in der Textgenese. Entgegen der in A suggerierten Bedeutung für die vorgenommene Decouvrierung der Autorschaft, sind die Angaben der in das ‚Briefbuch‘ kopierten missiue[n] in bezug auf die Textgenese des ‚Meisterbuchs‘ und die Funktion des Gottesfreundes in ihr jedoch sehr knapp und äußerst unspezifisch: Dis b chelin, daz sendet man ch, vnd enpfohet es von der hant gottes vnd zwene guldin. Do súllent ir einen gúldin geben, daz man ch dis b chelin z rehte schribe, den andern guldin súllent ir haben z einer pietancien. Ich hette ch gerne daz alte b chelin gesant, so ist es wol halbes einer solichen fr mden sprochen, die ir nit gelesen kundent, vnd ich bete mich selber dar ane vier tage vnd naht, vmbe daz ich ez ch geschribe in vwerre Elsaszer sproche (B, Bl. 16 v ; Rieder 1905, S. 82*20-26). [Dieses kleine Buch sendet man Euch und empfangt es von der Hand Gottes und zwei Gulden: Einen Gulden sollt ihr dafür verwenden, daß man Euch dieses kleine Buch richtig/ wahrheitsgemäß/ angemessen abschreibe; den anderen Gulden stifte ich für eine Pitanz. 326 Ich hätte Euch gerne das alte Büchlein zugesandt, aber es ist wohl zur Hälfte in einer so fremden Sprache verfaßt, die ihr nicht lesen könnt, und ich bemühte mich selber vier Tage und Nächte darum, es Euch in Eurem Elsässer Dialekt zu schreiben.] 323 Hugo Kuhn, Versuch über das 15. Jahrhundert in der deutschen Literatur, in: ders., Entwürfe zu einer Literatursystematik des Spätmittelalters, Tübingen 1980, S. 77-101, hier S. 84 und 85. 324 Das kompilierende Verfahren wird im Zusammenhang der Tradierung der ‚Sakramentspredigt‘ in der Bearbeitung Goetzmanns nochmals deutlicher hervorgehoben, da die Überschrift zum 22. Kapitel der Abschrift des ‚ersten übriggebliebenen Lateinbuchs‘ die Ellipse der Predigt textgenetisch erklärt: Daß zwe vnd zwantzigste Capitel im lateinischen, handlet von einer predig so ofttgemelter magister gethan von dem heiligen sacrament deß altars, welche der obangezogene weltliche, deß magisters geistlicher sohn, rathgeber vnd getreüer freüt [sic! ] gottes im oberland, einem weltlichen priester zum grünen [55 r ] werth abgeschriben überschickt e i n h a l b j a h r n a c h a n k u n f f t v n d ü b e r s e n d u n g d i s e s g e g e n w ä r t h i g e n b u c h s mit dem a.b.c. oder alphabet der 23 buchstaben (G, Bl. 54 v / 55 r ; Hervorheb. d.V.). Inwiefern die Nachträglichkeit der ‚Sakramentspredigt‘ aus den Einträgen des heute verlorenen lateinischen Codex hervorging oder es sich um eine auf A basierende Interpretation Goetzmanns handelt, ist nicht mehr zu erschließen. 325 Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur Überlieferung des ‚b ch von dem meister‘ außerhalb Straßburgs: S. 511-517. 326 Vgl. Franz Neiske, Pitanz, in: LexMA Bd. 6 (1993), Sp. 2188: zusätzliche Portion von Nahrungsmitteln für die Mitglieder einer geistlichen Einrichtung. Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio 509 Folgt man dem als ‚Selbstaussage‘ des Gottesfreundes inszenierten Brief, entbehrt die in A vorgenommene Gleichsetzung des Laien mit dem spirituellen Ratgeber Merswins einer auktorialen Autorisation: In dem in B tradierten ‚Brief‘ läßt der Gottesfreund seine Beziehung zum berichteten Geschehen ebenso wie seine Veranlassung, das ‚b ch‘ an die Brüder auf dem ‚Grünen Wörth‘ zu senden, unkommentiert. An die Stelle der erwartbaren Berufung auf authentisches Erleben tritt hier der Verweis auf ein weiteres, vorgängiges Exemplar des Textes, ein alte[s] b chelin, das den Brüdern des ‚Grünen Wörth‘ aufgrund seiner dialektalen Prägung nicht zugesandt werden konnte. Ursprung wie Status dieses Textzeugen bleiben im vorliegenden ‚Begleitschreiben‘ völlig offen: Es ist ebenso denkbar, daß der Gottesfreund damit auf eine von ihm unabhängige Vorlage verweisen will, als auch, daß hiermit auf jene erste, vom Meister vorgenommene Niederschrift, die der Laie um die Predigten ergänzt, rekurriert werden soll. Im Kontext der missiue[n] ist die Rolle des Gottesfreundes auf die Übertragung in den elsässischen Dialekt und die Finanzierung einer (nicht näher begründeten) Abschrift beschränkt. Die Identifizierung des Laien mit dem Gottesfreund erscheint hier folglich als ein aus der Rezeption des Textes resultierender, sekundärer Nachtrag, der den ratgebenden, laikalen amicus spiritualis des ‚Meisterbuchs‘ mit dem spirituellen Ratgeber und Gottesfreund des Stifters gleichsetzt. Die in den Begleittexten vorgenommene Konkretisierung der im ‚Meisterbuch‘ (bis auf die identifizierenden Zusätze) anonym gebliebenen Autorfigur wird folglich nicht mit Hilfe historischer oder biographischer Ausdifferenzierung vorgenommen, die im Rahmen eines ‚Begleitschreibens‘ durch die Einbettung in eine konkrete (Er)Lebenssituation ohne Aufwand inszeniert werden könnte, vielmehr beruht die Personalisierung auf der in diesem wie in anderen Texten übereinstimmenden Funktion des Gottesfreundes als spiritueller Ratgeber. Der dritte, ehemals auf dem ‚Grünen Wörth‘ überlieferte Textzeuge des ‚b ch von dem meister‘ schränkt die nachträgliche Konkretisierung der Figur des Laien noch stärker ein, indem die Identifizierung des Ratgebers mit dem Gottesfreund hier auf die paratextuellen Begleittexte begrenzt bleibt. Zwar stellt das in A gegebene Inhaltsverzeichnis des ‚Ersten, lateinischen Memorials‘ (A, Bl. 7 rv ; Rieder 1905, S. 17*25-19*30) ungewöhnlich klar heraus, daß der Gottesfreund im zweiten Text der lateinischen Handschrift selber der leye was der den grossen meister der heiligen geschrift wisete vnd lerte (A, Bl. 7 r ; Rieder 1905, S. 18*3f.), die von Goetzmann in G (Bl. 29 v - 58 r ) gebotene Übersetzung des 13. bis 24. Kapitels der lateinischen Textversion identifiziert den Laien jedoch ausschließlich in dem vorangeschickten ‚Begleitbrief‘ und den Kapitelüberschriften (soweit sie sich nicht nur auf eine Numerierung erstrecken), im Haupttext bleibt der weltliche unbestimmt. Die sparsame, wenig ausdifferenzierte und auf die Rubriken beschränkte Amplifizierung der Handlungsrolle des Laien darf nun nicht so mißverstanden werden, daß das (früh entstandene) ‚Erste, lateinische Memorial‘ (noch) „keinen Hinweis darauf [enthalten habe], daß der im Meisterbuch auftretende Gottesfreund ein Freund Rulmann Merswins gewesen ist“, 327 es sich folglich bei der Identifizierung um eine allmählich vollzogene und da- 327 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 94. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 510 her durchsichtige „Fälschung“ handele, die einen „schon vor 1370“ breit tradierten Text als das Erleben eines mit Rulman Merswin „heimlichen Verkehr“ unterhaltenden Gottesfreundes ausgeben wolle. 328 Die Form der Konkretisierung der Figur läßt vielmehr vermuten, daß die Gleichsetzung des Laien mit dem Gottesfreund nicht mit der Absicht erfolgte, die ‚Vita‘ des Gottesfreundes zu vervollständigen oder den Text durch die Einordnung in eine konkrete ‚Biographie‘ zu authentisieren oder autorisieren; die vorgenommene Konkretisierung dient wohl eher der Verlängerung der in der Diegese entfalteten Textentstehungsgeschichte in die paratextuelle Rahmung - ein literarisches Verfahren, das die Verbindlichkeit der präsentierten Inhalte in der Institution des ‚Grünen Wörth‘ durch Intimisierung der Textrezeption aufzeigen soll. Die persönliche Übermittlung an die Konventsgemeinschaft führt zu einer doppelten Adressierung der gegebenen spirituellen Unterweisung: Wie die Einbettung der kompilierten Texte in die amicitia spiritualis textimmanent erst ihre praktische Applikation durch den Meister auslöst, wird durch die Zueignung des ‚Meisterbuchs‘ an die Brüder im Rahmen einer im gesamten Corpus detailliert imaginierten spirituellen Freundschaft suggeriert, das ‚Meisterbuch‘ enthalte nicht allgemeingültige Lehren, sondern biete eine auf die Institution abgestellte Unterweisung, die den narrativen Aufruf zur Umsetzung der Lehre nochmals mit besonderem Nachdruck versieht. Der Ausweis des ‚Meisterbuchs‘ als das ‚Erleben‘ des Gottesfreundes markiert die Verbindlichkeit der spirituellen Lehre und stellt zugleich die Wiederholbarkeit der ‚Erfahrung‘ auch in der Johanniterkomturei heraus. Die mehrstufige Präsentation der Kompilation als Ausfluß religiöser ‚Erfahrung‘ referiert somit nicht auf einen unmittelbaren, außerliterarischen Gestaltungsgrund, sondern ist ein literarisches Verfahren, das zugleich der Legitimation wie der Rezeptionslenkung dienen soll. Die Berufung auf ‚Erleben‘ eröffnet zunächst ein Spektrum von Beglaubigungsmöglichkeiten, das jenseits theologischer Kompetenz das Schreiben im religiös-inzitativen Diskurs zu legitimieren weiß: Mystische ‚Erfahrung‘ verleiht - unabhängig von kirchlich-approbierter Autorität - Geltung, da die textuelle Vermittlung affektiv-experimenteller Gotteserkenntnis und der Vorbereitung auf sie sich allein durch praktische Erfahrung, nicht durch intellektuelles Wissen beglaubigen kann. Als textsortenspezifisches Äquivalent der Berufung auf Autorität(en) ist religiöse ‚Erfahrung‘ somit topisches Element laikalen Schreibens im religiösen Diskurs, dessen Konventionalität es als Teil einer Textwelt ausweist, die Referenzbildung zwar nicht notwendig außer Kraft setzt, aber doch mit ihr spielt, da sie ihre konstitutiven Regeln aus der textuellen Tradition und nicht aus einem außerliterarischen Erfahrungsgrund bezieht. Das Beharren auf dem Authentischen gründet zugleich in dem Versuch, jede Distanz, die sich aufgrund der textuellen Vermittlung zwischen Lehre und Leser ergibt, aufzuheben: Religiöse ‚Erfahrung‘ bedeutet somit weder durch intellektuelle Abstraktion noch durch didaktisch-reflektierende Distanz verhinderte Übereinstimmung von Textwelt und Erfahrungswelt des Rezipienten. Die pointiert anti-fiktionale Intention ist somit die Bedingung, aufgrund derer Literatur exemplarisch sein 328 Ibid., S. 97. Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio 511 kann: Als Voraussetzung für eine lebensweltliche Umsetzung der textuell präsentierten Lehre der gelassenheit gilt ihre authentische Wahrheit, textbasierten Kompilationen fehlt demgegenüber die mystische Kompetenz und somit die Aufforderungsstruktur. Der ostentativ vorgebrachte Anspruch auf Authentizität, der scheinbar jede Kategorie von Fiktionalität negiert, eröffnet folglich eine weitere diegetische Ebene, eine textuelle Parallelwelt, auf der der textuelle Modus des ‚Erlebens‘ keine Referenz auf vorgängiges Geschehen in der Textumwelt impliziert, sondern eine pragmatische Wahrheit der Texte etabliert. Vor dem Hintergrund dieser nicht ontologischen Interpretation von ‚Erleben‘ ist weder die narrative Integration der kompilierten Texte noch eine nachträglich vorgenommene Konkretisierung des laikalen Seelenführers als Gottesfreund aus dem Oberland als „Fälschung“ zu deuten; vielmehr handelt es sich um Adaptationen des Textes an seinen jeweiligen Gebrauchszusammenhang. 329 Diese unspektakuläre Interpretation des ‚b ch von dem meister‘ als Kompilation, deren Berufung auf ‚Erleben‘ als Teil der narrativen Integration der inserierten Texte sich aus der spezifischen Spiritualität und dem didaktisch-inzitativen Gebrauchszusammenhang des Textes ableitet, wird durch die umfangreiche zeitgenössische Rezeption der Bekehrungsgeschichte bestätigt: Obwohl die Untersuchung Baumanns zeigen konnte, daß die gesamte Überlieferung des ‚b ch von dem meister‘ ihren Ursprung auf dem ‚Grünen Wörth‘ haben muß, für den die textinterne Figuration des Schreibens als autobiographisches bzw. sympathisches Zeugnis konstitutiv ist, verdeutlicht sowohl die einheitliche Tilgung der Identifikation des Laien mit dem Gottesfreund als auch die „massive Bearbeitung“, 330 welcher der Text im Laufe der Überlieferung unterworfen wird, daß alle 29 Textzeugen, die außerhalb der Komturei entstanden sind, das ‚Meisterbuch‘ nicht als unmittelbaren Bericht authentischen Erlebens verstehen. Die z.T. stark divergierenden Fassungen des ‚Meisterbuchs‘ beruhen auf drei „Textformen“, 331 die sich nur durch „ ‚kleine[ ]‘ Varianten“ 332 vonein- 329 Dieses Verständnis des ‚Erlebens‘ als pragmatische Kategorie ist nicht auf die textuelle Praxis des ‚Grünen Wörth‘ beschränkt. So weist Schneider-Lastin beispielsweise darauf hin, daß im 15. Kapitel der in das ‚Oetenbacher Schwesternbuch‘ integrierten Vita der Adelheit von Freiburg, „in dem mit eindrücklichen Worten Adelheits Vereinigung mit Gott und ihre Vergöttlichung beschrieben wird“ (S. 524), d.h. in der Beschreibung der spirituellen Erfahrung par excellence, eine Passage aus der Predigt ‚Der wissage sprichet in dem saltere‘ des Dominikaners Johannes von Sterngassen verarbeitet wurde (ibid.). Auch hier ist der „Prozeß der Kompilation, Montage und Anverwandlung“ (S. 525) durchaus mit der Referenz des Textes auf das heilig[ ] gnadenreich[ ] andechtig[ ] leben (S. 528), d.h. mit dem Anspruch auf Authentizität, kompatibel. Vgl. Wolfram Schneider-Lastin, Von der Begine zur Chorschwester. Die Vita der Adelheit von Freiburg aus dem ‚Ötenbacher Schwesternbuch‘. Textkritische Edition mit Kommentar, in: Walter Haug und Wolfram Schneider-Lastin (Hgg.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, S. 515-561. Vgl. zur Technik der compilatio in der Hagiographie auch: Monika Rener, Compilatio - ex diversis collecta composito. Eine spätmittelalterliche Werkform, dargestellt am Beispiel der Vita S. Elyzabeth und der Vita S. Dominici des Dietrich von Apolda, in: Archiv für Diplomatik 41 (1995), S. 193-210. 330 Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 182. 331 Leider versäumt es Baumann (ibid.) seine Terminologie in einer methodischen Vorüberlegung zu definieren, so daß er die Begriffe ‚Textform‘, ‚Textstufe‘, ‚Redaktion‘ und ‚Bearbeitung‘ weitgehend undifferenziert verwendet. Da für die folgende Betrachtung der Charakteristika der Überlieferung außerhalb der Johanniterkomturei jedoch keine eigenständige textkritische Untersuchung vorgenommen werden konnte, wird im folgenden die Terminologie Baumanns übernommen, auch wenn sie mit der im Rahmen der vorliegenden Studie verwendeten Begrifflichkeit nicht übereinstimmt. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 512 ander abgrenzen und somit auf eine gemeinsame Vorlage zurückgeführt werden können: 333 die „früheste historisch greifbare“ 334 Version im ‚Großen deutschen Memorial‘ und die nur als Rekonstruktionen faßbaren Textformen x und yz. Ist die erschlossene Grundlage der Überlieferung auch nicht erhalten, so lassen zwei Charakteristika der Texttradierung die Johanniterkomturei - entgegen der Vermutung Rieders 335 - als Ausgangspunkt der Überlieferung des Textes erkennen. Trotz einer seit der Studie Denifles anhaltenden Suche nach einer „zusammenhängenden Quelle“ 336 gelang es bisher nicht, die von Rieder und Steer angenommene, anonyme Vorlage, die Merswin nur „redaktionell[ ] einvernahm[ ]“, zu ermitteln. 337 Die Kompilation der identifizierten Quellen wurde somit anscheinend auf dem ‚Grünen Wörth‘ vorgenommen, der den ältesten Textzeugen besitzt. 338 Zudem beruhen einige der im Rahmen der weiteren Tradierung erstellten Bearbeitungen auf Quellen, die ausschließlich auf dem ‚Grünen Wörth‘ zugänglich sind. 339 Im einzelnen kann Baumann für folgende Überlieferungsstränge eine Verbindung zur Straßburger Johanniterkomturei aufzeigen: Zwei Handschriften der durch große Texttreue 340 ausgezeichneten Textform x (Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 171, und Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3022) setzen sich von den anderen Textzeugen dieses Überlieferungszweiges charakteristisch ab, indem sie die ‚Sakramentspredigt‘ in das ‚Meisterbuch‘ integrieren, 341 die der ursprüngliche Text nicht enthielt. 342 Da die Predigt aber ausschließlich im Zusammenhang mit dem ‚Meisterbuch‘ überliefert ist 343 und zudem nur A und G 344 darum wissen, 345 daß die Predigt Bestandteil des Textes sei, schließt Baumann, diese Textform könne nur in der „Nähe“ des ‚Grünen Wörth‘ entstanden sein. 346 332 Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 144. 333 Ibid., S. 178f. 334 Ibid., S. 178. 335 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 97. 336 Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 27. 337 Georg Steer, Merswin, Rulman, Sp. 436. 338 Alle weiteren Textzeugen des ‚Meisterbuchs‘ datieren aus dem 15. Jahrhundert; die ältesten exakt zu datierenden Textzeugen nach dem ‚Großen deutschen Memorial‘ wurden in den Jahren 1425/ 26 erstellt. Dies sind: Freiburg, Universitätsbibliothek, Cod. 194, Bl. 41 r -103 v , und Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. St. Georgen 80, Bl. 2 r -45 v (Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 100 und 102). 339 Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 186. 340 Ibid., S. 136. 341 Ibid., S. 140. 342 Ibid. und S. 179. 343 Ibid., S. 140. 344 Auch Goetzmanns Abschrift gibt den Text der ‚Sakramentspredigt‘ nicht wieder, sondern verweist - wie bei allen Predigten mit Ausnahme der ‚Stück-‘ und der ‚Brautpredigt‘ - nur auf ihr Vorhandensein in seiner lateinischen Vorlage. Vgl. auch Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 186, Anm. 383. 345 Baumann nennt als Quelle neben dem ‚Großen deutschen Memorial‘ das ‚Briefbuch‘ (ibid., S. 140, Anm. 330). Wie oben erörtert, ist im ‚Begleitschreiben‘ des Gottesfreundes von der ‚Sakramentspredigt‘ nicht die Rede. Der zweite Brief, dem die ‚Sakramentspredigt‘ beigefügt gewesen sein soll, ist zudem nicht in B übertragen worden. Bei der Quellenberufung scheint es sich folglich um ein Versehen zu handeln. 346 Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 140. Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio 513 Obwohl die Redaktionsstufe z, der die meisten der Handschriften des ‚b ch von dem meister‘ angehören, „mit den Mitteln von Textstraffung und -erweiterung einen Text [erstellt], der den gesamten Inhalt neu akzentuiert“ 347 und folglich die deutlichste Bearbeitung des ‚b ch von dem meister‘ bietet, ist diese Textform zugleich besonders eng an den ‚Grünen Wörth‘ gebunden: Neben dem Austausch der ‚Klausnerinnenpredigt‘ gegen die ‚Sakramentspredigt‘, 348 der zeigt, daß die Redaktion z nicht unabhängig vom ‚Grünen Wörth‘ entstanden sein kann, sind gerade die für z charakteristischen Zusätze ein weiterer Beleg für die Anbindung der Textform an die Johanniterkomturei. Der z-Redaktor akzentuiert das Thema des ‚b ch von dem meister‘ neu, indem er zahlreiche Erweiterungen vornimmt, die neben Fragen der Ordensdisziplin und des Gehorsams auf die imitatio Christi im Leiden konzentriert sind. 349 Auffällig ist nicht nur die „enge formale, stilistische, terminologische, syntaktische und inhaltliche Verwobenheit“ 350 der Amplifikationen mit dem Text der Vorlage, vielmehr irritiert vor allem die Tatsache, daß „die umfänglichen Zusatzpassagen eine ebenso nahe Verwandtschaft zu anderen Merswin-Texten zeigen, wie zum ‚Meisterbuch‘. Es erfolgten sogar etliche Übernahmen aus anderen Texten und auch aus denselben Quellen (u.a. ‚Neunfelsenbuch‘ und ‚Von den drîn fragen‘), wie sie für das ‚Meisterbuch‘ und andere Werke von Merswin benutzt wurden.“ 351 Infolgedessen muß die in z vorliegende Redaktion, wenn nicht auf dem ‚Grünen Wörth‘ selbst, so doch in einer Institution erstellt worden sein, die genaue Kenntnis der Straßburger ‚Gottesfreundliteratur‘ ebenso wie der weiteren in der Johanniterbibliothek bewahrten Texte hatte. 352 Die überlieferungsgeschichtliche Untersuchung des ‚b ch von dem meister‘ erlaubt somit einen - wenn auch früh in einzelne Textformen differenzierten - so doch linearen Verlauf der Texttradierung zu erschließen. Entgegen der Vermutung Rieders stehen am Beginn der Überlieferung nicht unterschiedliche anonyme Fassungen, von denen eine in der Manuskriptwerkstatt des ‚Grünen Wörth‘ - durch schlichte Hinzufügung identifizierender Appositionen - als ‚Erlebnisbericht‘ des Gottesfreundes umgestaltet wurde; vielmehr zeigt die in den unterschiedlichen Textformen vorgenommene Arbeit am Text, daß die ‚Meisterbuch‘-Überlieferung auf einer auf dem ‚Grünen Wörth‘ entstandenen Vorlage beruht, die im Vollzug der Überlieferung gebrauchsspezifische, z.T. auf weitere Quellen des ‚Grünen Wörth‘ zurückgehende Bearbeitungen erfuhr. Trotz des durch die zahlreichen Rückbezüge erwiesenen Ursprungs des ‚b ch von dem meister‘ auf dem ‚Grünen Wörth‘ muß Baumann die naheliegende Schluß- 347 Ibid., S. 180. 348 Ibid., S. 163. 349 Ibid., S. 161. 350 Ibid., S. 163. 351 Ibid. 352 Die Anbindung des dritten (y-)Zweiges der Überlieferung an den ‚Grünen Wörth‘ ist demgegenüber weniger eindeutig: Der Codex 3022 der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien, der als einer der Textzeugen der Textform x3 die ‚Sakramentspredigt‘ umfaßt und somit eine Verbindung zu den Handschriften des ‚Grünen Wörth‘ aufweist, kontaminiert zwar mit Textform y2 (ibid., S. 141); da sich die Übereinstimmungen aber auf „synonyme Wortersetzungen“ beschränkt (ibid.), scheint die von Baumann erschlossene Entstehung auch dieser Textform in der Umgebung des ‚Grünen Wörth‘ (ibid., S. 148) nicht zwingend. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 514 folgerung - der in A erhaltene Text sei der Ausgangspunkt der Überlieferung - zurückweisen: 353 Auch wenn die Textfassung im ‚Großen deutschen Memorial‘ „dem Archetyp[ ] sehr nahe“ komme, 354 sei der Codex doch durch „äußerst vereinzelte[ ] Sekundärlesarten“ 355 eindeutig von der gesamten weiteren Überlieferung getrennt. 356 Die augenfälligste und für Baumann wohl auch ausschlaggebende Textdifferenz, 357 die nur in A enthalten ist, 358 ist dabei die an 73 Textstellen 359 erfolgte Identifizierung des Laien mit dem Gottesfreund aus dem Oberland. Weil diese Gleichsetzung in den beiden anderen, unabhängig voneinander entstandenen 360 Textformen x und yz übereinstimmend fehlt und Baumann eine eigenständige, gleichartige Tilgung dieses Zusatzes für unwahrscheinlich hält, erschließt er eine nicht überlieferte, anonyme Vorlage 361 und bestätigt damit zugleich den ‚Überlieferungsbericht‘, der in den Rubriken der Handschriften des ‚Grünen Wörth‘ gegeben wird: Der Archetyp [...] dürfte mit dem von Merswin erstellten Exemplar identisch sein, das dieser dem Gottesfreund zuschrieb und das nach Auskunft der Begleitschreiben als Vorlage für das ‚Große deutsche Memorial‘ diente. 362 Wenngleich sich die von Baumann erarbeitete Textgeschichte - das ‚b ch von dem meister‘ wird als anonyme Kompilation von Rulman Merswin resp. in der Manuskriptwerkstatt des ‚Grünen Wörth‘ erstellt und erst nachträglich (aufgrund der fingierten Übereignung durch den Gottesfreund) auf das ‚Erleben‘ des Stifters bezogen - durch eine hohe Plausibilität auszeichnet, so stellt sie die Möglichkeit eines bewußten Beharrens auf der Anonymität in der dem ‚Grünen Wörth‘ nachträglichen Überlieferung nicht genug in Rechnung. Zumindest jenen Redaktoren, welche die ‚Sakramentspredigt‘ in den Textverlauf des ‚b ch von dem meister‘ aufnahmen, mußte die auf dem ‚Grünen Wörth‘ propagierte Identifikation bekannt werden. Jene Textpassagen im ‚Großen deutschen Memorial‘ und in der Kopie des ‚ersten übriggebliebenen Lateinbuchs‘, die darüber informieren, die ‚Sakramentspredigt‘ sei Teil 353 Ibid., S. 178. 354 Ibid., S. 190. 355 Ibid., S. 178. 356 Ibid., S. 135. 357 Vgl. die abschließende Erläuterung des Verhältnisses von A zur erschlossenen Vorlage: „S 1 [= A] unterscheidet sich von A [dem Archetyp] zwar nur in äußerst vereinzelten Sekundärlesarten, allerdings trennen die vielen Personifizierungen des Laien deutlich beide Textstufen“ (ibid., S. 178). 358 Ibid., S. 134. Baumann erwähnt aber einen bereits bei Denifle (Der Gottesfreund im Oberlande und Nikolaus von Basel, S. 25f.; Bekehrung Taulers, S. 100) verzeichneten Verweis in einer nicht eindeutig lokalisierten (Regensburger [Der Gottesfreund im Oberlande und Nikolaus von Basel, S. 25] oder Grazer [Bekehrung Taulers, S. 100]) Handschrift des 15. Jahrhunderts nicht: Item man list in dem puch von der reformacio der closter prediger Ordens das diszer selig ley hat gewont in dem oberland und hat geheiszen Rudolff Merschwein der auch einer seligen woll geerten frawen von kengingen riet das sy köm in ein closter der reformacio prediger ordens, die ir leben nach seinem rot auch wol peszert und seliglich volendet. Aber diszer selig meister ist gewest ein pruder prediger ordens (ibid.). Durch die Quellenberufung der Handschrift wird deutlich, daß die Identifizierung des Laien mit dem Gottesfreund auf Johannes Meyers ‚Buch der Reformacio Predigerordens‘, genauer dem darin enthaltenen Lebensbericht der Margaretha von Kentzingen, beruht, somit nachträglich und nicht aufgrund einer Verbindung zum ‚Grünen Wörth‘ vorgenommen wurde. 359 Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 134. 360 Ibid., S. 181. 361 Ibid., S. 134. 362 Ibid., S. 179. Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio 515 des ‚Meisterbuchs‘, geben auch Auskunft über die Identität des weltlichen Protagonisten. Dieser vorsätzliche Verzicht auf eine Konkretisierung der Figur des Laien ist dabei wohl kaum durch Zweifel an der vorgenommenen Identifizierung begründet (die Fiktivität des Gottesfreundes kann nur durch corpusimmanente Widersprüche erkannt werden, die der isolierten Überlieferung des ‚Meisterbuchs‘ gerade nicht zugänglich sind). Das Festhalten an der Anonymität kann vielmehr zwanglos durch mangelnde Kenntnis des Gottesfreundes erklärt werden: Wenn [...] die zeitlich jüngere Nichtstrassburger überlieferung des Meisterbuchs den laien stets als anonymus nimmt, andererseits aber doch die einzelnen texte die Strassburger überlieferung vorauszusetzen scheinen, so hat man sich gegenwärtig zu halten, dass die herübernahme des Meisterbuchs in diese oder jene sammelhandschrift die anonymität des laien fast bedingte, es konnte dabei kaum anders verfahren werden, als den einzelnen bestimmten fall, der selbst deshalb nicht das urspüngliche gewesen zu sein braucht, zu verallgemeinern. Wer ausserhalb Strassburgs das Meisterbuch abschrieb, konnte den laien nicht ohne weiteres als der liebe gottes frúnt in Oberlant Ruolman Merswines unsers stifters geselle bezeichnen, nicht voraussetzen, dass dem leser mit dem zusatz Ruolmans geselle gedient gewesen wäre. Die streichung [...] musste also an sich geboten erscheinen. 363 Die von Strauch vorgeschlagene, nachträgliche Anonymisierung des ‚Meisterbuchs‘ weist nicht nur mit Nachdruck darauf hin, daß die überwiegend anonym überlieferte Textgestalt nicht zwingend einen nicht konkretisierten Ursprungstext erschließen läßt, sondern erlaubt auch Einblicke in das zeitgenössische Textverständnis: In Strauchs Deutungshorizont erscheint die Konkretisierung des Laien über die unspezifische Exempelfigur hinaus für Funktion und Interpretation des ‚Meisterbuchs‘ belanglos. Zwar integrieren fast alle Textzeugen die „Predigten“ in die Bekehrungsgeschichte des Meisters 364 und übernehmen so auch die an das Textende gestellte Fundierung des Schreibens im ‚Erleben‘ der beiden Seelenfreunde; weitere Formen der Authentisierung durch historisch-konkrete Referenz werden jedoch nicht tradiert, eine eindeutigere Bestimmung des Geschehens ist nicht intendiert. Wäre das zentrale Bezugssystem des Textes eine solche außerliterarische, historisch einmalige Erfahrung, hätte auch die Identifizierung des Laien mit einer im neuen Gebrauchszusammenhang unbekannten Person einen informativen Mehrwert, da sie die Lektüre besonders nachdrücklich auf die Faktizität des Geschehens verweisen und auf Referenzbildung festlegen würde. Die nachträgliche Ellipse der Gleichsetzung des Laien mit dem Gottesfreund ist so nicht nur aufgrund der über Straßburg hinausgehenden Überlieferung pragmatisch notwendig, sondern fixiert die Funktion des ‚b ch‘ nochmals deutlich auf eine didaktisch-exemplarische Auffächerung der Bedingungen im- 363 Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 120. 364 Neben den wohl durch Blattverlust oder fehlerhafte Vorlagen irrtümlich unvollständigen Handschriften bietet allein die Handschrift Würzburg, Universitätsbibliothek, M. ch. f. 66 (Bl. 276 r -287 r ) eine „äußerst eigenwillige[ ] [...] Bearbeitung“ (Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 164), die die Rahmenhandlung bewußt zu reduzieren scheint: Die Handschrift tradiert ausschließlich das erste Kapitel sowie die ‚Braut‘- und ‚Sakramentspredigt‘ (ibid., S. 129). Eine fragmentarische Vorlage ist dabei auszuschließen, „da sich zwischen Kapitel 1 und der ‚Brautpredigt‘ ein ausdrücklicher Hinweis auf hier nicht aufgeschriebene Gespräche und Geschehnisse befindet und am Schluß des Textes ein kurzer Hinweis auf das Ende des Meisters erfolgt“ (ibid., S. 164). Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 516 manenter Gotteserkenntnis, für deren adäquate Rezeption allein die textintern postulierte, rein pragmatische Berufung auf ‚Erleben‘ notwendig ist. Neben diesem Beharren auf der Anonymität bezeugt die hohe Varianz des Textes in der weiteren Überlieferung eine Arbeit am Text, die dessen konstitutive Poetik nicht in der Referenz auf die Textumwelt, sondern in der Kompilation von Vorgängigem erkennt. Die zeitgenössische Transparenz des retextualisierenden Verfahrens zeigt sich zunächst in der partiellen Revision der im ‚Meisterbuch‘ geleisteten Bearbeitung: Die Textformen y2, 365 y6 366 und z1 367 sowie die Augsburger Handschrift, III.1.4°34, 368 greifen bei der Kopie der ‚Stückpredigt‘ auf ihre Vorlage, den Traktat ‚Die zeichen eines wârhaften grundes‘, zurück und korrigieren und ergänzen die im ‚Meisterbuch‘ vorgenommene Adaptation nach ihrer Quelle. Dieses Erkennen des grundlegenden Verfahrens der Textproduktion als Zusammenstellung vorgängiger Traktate bedingt jedoch keine Eingriffe in die Bekehrungsgeschichte: Weder der Ausweis der Traktate als Predigten des Meisters noch die Gründung des ‚Meisterbuchs‘ auf die ‚autobiographische‘ Niederschrift des Klerikers bzw. das ergänzende Zeugnis des Laien werden getilgt. Eine retextualisierende Praxis widerspricht somit nicht einer legitimierenden Berufung auf ‚Erleben‘, die hierdurch nochmals als literarisches Verfahren jenseits eines außertextuellen, faktischen Geschehens erwiesen wird. Zuletzt zeigt auch die „massive Bearbeitung“, 369 die der Text in bezug auf Quantität und Qualität im Laufe der Überlieferung erfahren hat, seine Interpretation als Textbearbeitung. Die besonders wirkmächtige, da in den Leipziger Tauler-Druck von 1498 370 aufgenommene Textform y stellt das Thema der Kompilation - die uneingeschränkte Abkehr von der Welt als Voraussetzung einer gnadenhaften Gottes- 365 Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 152. Baumann charakterisiert diese Textform wie folgt: „Die redaktionelle Gestaltung des Textes zeigt sich [...] nicht in großflächigen Zusätzen und Auslassungen, sondern in einer subtilen, zwar auch inhaltlich faßbaren, aber vor allem stilistisch-formalen Redigierung. Zusätze, Umstellungen, Wortersetzungen haben die Funktion, das Ausgesagte deutlicher darzustellen und verdeutlichend zu erklären. Auch ist eine klare Tendenz zur Modernisierung von Ausdrücken und Aussagen erkennbar, die wohl in erster Linie dazu dient, nicht mehr verständliche Begrifflichkeit neu zu vermitteln. [...] An inhaltlicher Gestaltung ergibt sich daraus nicht so sehr eine Erweiterung mit neuen Inhalten, sondern die Auslegung und Verdeutlichung vorhandener Aussagen nach dem Verständnis des Redaktors“ (ibid., S. 152f.). 366 Ibid., S. 157. Neben „sehr individuellen Merkmalen“ der einzelnen Überlieferungsträger sieht Baumann die „späte und teilweise eigenwillige“ Textform y6 durch eine „Vielzahl von Wortersetzungen und Abschreibefehlern“ sowie durch das „Inserieren von kleinen erläuternden und interpretierenden Passagen“ bestimmt (ibid.). 367 Ibid., S 164. „Die Textform z1 zeichnet sich vor allem durch eine dem Textverlauf bruchlos integrierte Kontamination mit der Textform y1 aus“ (ibid.), die durch eine „große[ ] Anzahl von kleinen und kleinsten Eingriffen in den Text [definiert ist], die oft eine verdeutlichende oder präzisierende Funktion einnehmen, bisweilen aber nur als unbedeutende Füllsel einzustufen sind“ (ibid., S. 148). 368 Ibid., S. 167. 369 Ibid., S. 182. 370 ‚Sermon des grosz || gelarten in gnaden erlauchten docto||ris Johannis Thauleri predigerr || ordens. weisende auff den nehesten waren wegk. yn geiste czu wandern | durch vberschwebenden syn. vnour||acht von geistes ynnigen vorwandelt || in deutsch manchen menschen zu selikeit‘, Leipzig: Konrad Kachelouen, 1498, Bl. 260 ra -281 rb (Digitalisat der Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel: http: / / diglib.hab.de/ drucke/ xb-4827/ start.htm). Vgl. Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 129. Das ‚b ch von dem meister‘ - Poetik der compilatio 517 schau - nochmals deutlicher heraus, indem sie die beiden ‚Polterpredigten‘, die sich keiner mystischen, sondern einer adhorativen Thematik widmen, aus dem ‚Meisterbuch‘ ausschließt. 371 Diese speziell für den Gebrauch in Frauenklöstern konzipierte Fassung 372 weist das ‚Meisterbuch‘ als Text-Montage aus, die es gestattet, den Geschehenszusammenhang des Textes aufzulösen, um seiner Lektüre in einem „rein monastischen Adressatenkreis“ 373 Rechnung zu tragen. Solche Eingriffe in die narrative Kohärenz durch Auslassung ganzer Textpassagen sind nur durchführbar, solange das Interesse am ‚Meisterbuch‘ weder auf der unmittelbaren Teilhabe an individuellem Erleben noch auf dem Zeugnis göttlichen Wirkens in der Immanenz, sondern auf der Unterweisung des gottsuchenden Menschen beruht. Mit der Redaktionsstufe z tritt schließlich eine Bearbeitung in das Textspektrum des ‚Meisterbuchs‘, die „in jeder erdenklichen Art“ 374 in die Vorlage eingreift und der im ‚b ch‘ erzählten Umkehr somit ein ausschließlich textuelles Dasein zuschreibt, das eine Extrapolation von vorgängigem faktischem Geschehen nicht intendiert. Die vorgenommene inhaltliche Umgestaltung, 375 die dem demütigen und willenlosen Leiden die Schlüsselstellung auf dem Weg der gottsuchenden Schwester zuweist, 376 offenbart besonders deutlich eine eigenständige Komposition, die das literarische Konstrukt des ‚Meisterbuchs‘ mittels diskursiver Kompetenz und Kenntnis textueller Traditionen und Verwandtschaften adäquat, da wesensgleich umgestalten kann. Stellt man zusammenfassend das kompilierende Verfahren der Textproduktion auf dem ‚Grünen Wörth‘ den in der weiteren Überlieferung erkennbaren Schriftpraxen gegenüber, erweist sich die Einbettung vorgängiger Texte in einen als außertextuelles Geschehen komponierten, narrativen Zusammenhang als anscheinend gängige, zumindest nicht anstößige Praxis. Die Rekurrenz auf ‚Erleben‘ fungiert in beiden Phasen der Textgeschichte - der textbasierten Genese auf dem ‚Grünen Wörth‘ wie der ‚Aneignung‘ in der weiteren Tradierung - als eine Textfigur, die Referenz auf vorgängiges außerliterarisches Geschehen nicht notwendig intendiert. Im Rahmen eines literarischen Verfahrens, das vorrangig dazu dient, dem teilweise hochabstrakt formulierten spirituellen Programm eine pragmatische Wendung zu geben, indem die Distanz zwischen Textwelt und Erfahrungswelt des Lesers aufgehoben wird, ist die auf dem ‚Grünen Wörth‘ vorgenommene Konkretisierung des Laien zu einer der Stifterfiguren als eine institutionsspezifische Ausweitung der bereits textintern angewendeten Schreibpraxis zu bewerten, die für geistlich geübte Leser - dies zeigt die anonyme Tradierung - ohne weiteres durchschau- und daher revidierbar ist. Dient der Verweis auf ‚Erleben‘ primär der Rezeptionslenkung, gilt der implizite Aufruf zum Nachvollzug verstärkt für jene Personen, die - ebenso wie der Meister - der spirituellen Führung des Gottesfreundes unterstehen - für die Brüder des ‚Grünen Wörth‘. 371 Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 146. 372 Ibid., S. 148. 373 Ibid. 374 Ibid., S. 158. 375 Vgl. hierzu auch die Ausführungen auf S. 513. 376 Markus Baumann, Das ‚Meisterbuch‘ des Rulman Merswin, S. 161, 180. 4.4 Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 4.4.1 Phänomenologie der visio - Artifizielles vs. authentisches Erleben Obwohl die Forschung zur ‚Gottesfreundliteratur‘ seit Denifles Nachweis der Mystifikation des Gottesfreundes darum bemüht ist, das Corpus der Straßburger Schriften als „Erweiterungen fremder Vorlagen“ zu erweisen, die lediglich mit Merswins „inbrunstigen hitzigen zuogeleiten minneworten [vermischt]“ seien, 377 ließ sie den von Rieder als Idealtyp der Überlieferung des ‚Grünen Wörth‘ 378 ausgewiesenen Text bei ihrer Suche nach Quellen bislang unberücksichtigt: das ‚b ch von den zwey menschen‘. Diese auffällige Unterlassung geht vielleicht auf die Reihenstruktur des Textes zurück. In der Form des Dialogs wird ein Kompendium katechetischer Lehre gegeben, dessen (mit den jeweiligen Kapiteln) wechselnde Themen in der geistlich-didaktischen Literatur so verbreitet sind, daß eine Ermittlung konkreter Vorlagen nur schwer möglich erscheint. Das im ‚b ch von den zwey menschen‘ entfaltete Panorama der Unterweisung reicht von einer Anleitung zum rechten Eucharistieempfang über eine Ehelehre bis hin zu einem mystischen Aufstiegsschema in sieben Stufen. Diese wenig charakteristische und zudem weitgehend unverbunden aneinander gefügte Laienkatechese zeigt nicht nur erneut Verfahren der Retextualisierung als vorherrschendes Prinzip der Textproduktion, sondern unterstellt den Text auch einer didaktischen Poetik, deren Axiom gerade die funktionale Zuordnung und somit Nachrangigkeit der Formulierungen zur vorgängigen Lehre darstellt. Die dominante Textfunktion der Belehrung reiht das ‚b ch von den zwey menschen‘ folglich in eine diskursive Tradition ein, die der Bearbeitung von Vorgängigem nicht nur jegliche Brisanz nimmt, sondern diese als Konstituens der Textproduktion begreift. Offensichtliche Ausnahme dieser Komposition sind die beiden ersten Kapitel, die explizit auf ‚Erleben‘ rekurrieren, da sich die zwei Dialogpartner in ihnen ihr leben [...] offenboren (H, Bl. 2 v ; Lauchert 1896, S. 2, Z. 22). Bevor die Tradierung des ‚b ch von den zwey menschen‘ in seiner abgeschlossenen Textgestalt einer eingehenden Untersuchung unterzogen wird, 379 um die von der Johanniterkomturei vorgenommene Regulierung der Rezeption des Textes zu erfassen, steht daher im folgenden die Frage im Vordergrund, inwiefern der explizite Ausweis der beiden Eröffnungskapitel des ‚b ch‘ als Vertextung autobiographischer ‚Erfahrung‘ einen Rückgriff auf Quellen ausschließt und die ausgewiesenen Textpassagen auf Authentizität verpflichtet. Da für das zweite Kapitel des ‚b ch von den zwey menschen‘, in dem der zweite fr nt gottes über den anevang [s]ins lebendes (H, Bl. 32 v ; Lauchert 1896, S. 22, Z. 8) berichtet, bislang - trotz intensiver Suche mit Hilfe der einschlägigen Motiv-Indizes 380 - keine 377 Philipp Strauch, Rulman Merswin und die Gottesfreunde, S. 207. 378 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 84-92, passim. 379 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 4.4.2. Für eine Handschriftenbeschreibung des ‚Autographs‘ H (Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 2745) vgl. S. 200-208. 380 Frederic C. Tubach, Index exemplorum. A handbook of medieval religious tales, Helsinki 1969 (FF communications 86 = 204); Stith Thompson, Motif-Index of Folk Literature. A Classification of Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 519 Quelle identifiziert werden konnte 381 (das Handlungsgerüst scheint sich vielmehr aus den zentralen Vorwürfen der Inquisition gegen die sog. Freie-Geist-Häresie abzuleiten), 382 konzentriert sich die folgende Untersuchung auf das erste Kapitel des ‚b ch‘. Diese Beschränkung scheint zulässig, da die Textpassage eine weitere Variante der ‚Vita‘ des Gottesfreundes bietet und sich die Problematik der ‚Erlebnishaftigkeit‘ in der Forderung nach einer kohärenten Biographie für den auch in anderen Texten bezeugten Stifter zuspitzt, so daß die Vernachlässigung der Lebensbeschreibung des anonymen zweiten Gottesfreundes dem Fortgang der Untersuchung nicht abträglich erscheint. Die religiöse ‚Vita‘ des Gottesfreundes, die dieser seinem Gesprächspartner im ersten Kapitel des ‚b ch von den zwey menschen‘ erzählt, steht in brautmystischer Tradition: Nach einem Leben in der creaturen minnen (H, Bl. 5 v ; Lauchert 1896, S. 4, Z. 28), deren fataler Lohn dem Gottesfreund in einer Betrachtung der valschen, betrogen welte (H, Bl. 5 r ; Lauchert 1896, S. 4, Z. 14f.) offenbar wird, übergibt sich der Bekehrte Gott, um dessen bedingungslose Liebe zu erwidern: vnd begere h te an dich das dv wellest ane sehen dine grúndelose rbermede vnd wellest min liep vnd min gespvnze sin (H, Bl. 5 v ; Lauchert 1896, S. 4, Z. 24-26). Nachdem der Gottesfreund sein Versprechen in einer symbolischen Nachahmung der dextrarum iunctio in einem feierlichen Gelübde besiegelt hat (H, Bl. 6 rv ; Lauchert 1896, S. 5, Z. 9-17), wird das connubium spirituale unverzüglich geschlossen. In einem ber swanch, in dem der Gottesfreund unbeschreibliche, ber natúrliche, grose, freliche wunder erblickt (H, Bl. 7 r ; Lauchert 1896, S. 5, Z. 34, 36), bricht eine aller s sseste, frevlicheste stimme [...] in [ihm] selb selber vs[ ] (H, Bl. 8 r ; Lauchert 1896, S. 6, Z. 25f.), die ihn zu einem gespvnzen erwählt (H, Bl. 9 r ; Lauchert 1896, S. 7, Z. 12-14) und ihn auf den Willen seines Bräutigams verpflichtet. Dieser süße Anfang der geistlichen Verlobung, die erste Gottesschau, entfacht in der bräutlichen Seele des Gottesfreundes ein unio-Verlangen, das kontemplative Praxen dazu nutzt, eine erneute unmittelbare Begegnung der Seele mit dem gespvnzen zu evozieren. Der körperzentrierte Minnedienst, den der Gottesfreund zunächst erwählt - er geißelt sich mit iserin geischelen (H, Bl. 10 v ; Lauchert 1896, S. 8, Z. 9f.), reibt seine Wunden mit Salz ein und trägt ein herin hemmede (H, Bl. 11 r ; Lauchert 1896, S. 8, Z. 9) - ist nicht nur symbolische Handlung zur Reinigung von der korrumpierten Natur (vgl. H, Bl. 10 v ; Lauchert 1896, S. 8, Z. 5f.) und als freiwillig erwähltes und gesuchtes Leid geschuldete Gegenliebe für das Blutvergießen der Kreuzigung; die asketische Praxis zielt als mimetische Wiederholung des Leidensgeschehens Christi vielmehr auch auf eine „imaginäre Einheit des Menschen mit Gott“: 383 Narrative Elements in Folktales, Ballads, Myths, Fables, Medieval Romances, Exempla, Fabliaux, Jest-Books and Local Legends, 6 Bde, revised and enlarged edition, Kopenhagen 1955-1958. 381 Ein ähnliches Motiv scheint in der 173. Fazetie Poggio Bracciolinis bearbeitet: vgl. Stith Thompson, Motif-Index, Motiv K 2064: „Holy hermit surprised in amorous intrigue“ (Bd. 4 [1957], S. 472). Mit Bezug auf: D[ominic] P[eter] Rotunda, Motif-Index of the Italian Novella in Prose, Bloomington 1942, K 2064, S. 134. 382 Vgl. die Ausführungen auf S. 561-563. 383 Niklaus Largier, Medialität der Gewalt. Das Martyrium als Exempel agonaler Theatralisierung, in: Manuel Braun und Cornelia Herberichs (Hgg.), Gewalt im Mittelalter. Realitäten - Imaginationen, München 2005, S. 273-292, hier S. 289. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 520 In seiner Mimesis der Wahrnehmung - exemplarisch in der Form der Geißelung - macht der Asket dieselbe Erfahrung des Schmerzes, der Christus in seinem Leiden ausgesetzt war. Dabei wird die Imagination für alle diejenigen, die nicht realiter als Märtyrer geschlachtet werden, zum Ort einer existentiellen Transformation, in der sie im Leiden eins werden mit dem Schmerz Christi [...]. 384 Als „Ritual der Vergegenwärtigung“ 385 wird die vom Gottesfreund praktizierte Selbstgeißelung folgerichtig durch eine Reihe von verz ckunge unterbrochen, die - anders als das ‚b ch von dem meister‘ - nicht auf vorgängige Texte rekurrieren, sondern in einem intermedialen Dialog mit der ikonographischen Tradition von Andachtsbildern 386 gestaltet sind. Zwar stehen die Visionen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Bildmedien - weder werden sie textintern als Ergebnis einer intermedialen Meditationspraxis i.S. der „heiligenden Bildandacht“ 387 präsentiert noch können textanalytisch konkrete Vorbilder oder gar ein den Text begleitendes Bildprogramm ausgemacht werden -, doch bilden unterschiedliche Bildtypen, die die immanente Gottesschau visualisieren, 388 ihren konstitutiven Bezugspunkt; 389 das erste Kapitel des ‚b ch von den zwey menschen‘ ist folglich ein Beispiel für jene Kooperation zwischen Text- und Bildmedien, die nicht material - in einer gemein- 384 Niklaus Largier, Lob der Peitsche. Eine Kulturgeschichte der Erregung, München 2001, S. 52. 385 Ibid., S. 36. 386 Nach einer seit den 1930er Jahren andauernden Diskussion über den Terminus ‚Andachtsbild‘ ist es in der Kunstwissenschaft mittlerweile Konsens, ,Andachtsbilder‘ i.S. eines erweiterten Bildbegriffs, der Gemälde ebenso wie Skulpturen umfaßt, als einen Bildtyp zu definieren, der individuell, d.h. nicht als Teil einer Liturgie, genutzt wird (Hans Belting, Das Bild und sein Publikum im Mittelalter. Form und Funktion früher Bildtafeln im Mittelalter, Berlin 1981, S. 69) und „der mit visuellen Mitteln deklamiert und an die Gefühle des Betrachters appelliert, [und] mit [...] der Einladung zum Nachvollzug dieser Emotionen ausgestattet ist“ (Frank Matthias Kammel, Imago pro domo. Private religiöse Bilder und ihre Benutzung im Spätmittelalter, in: G. Ulrich Großmann [Hg.], Spiegel der Seligkeit. Privates Bild und Frömmigkeit im Spätmittelalter. Ausstellungskatalog des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg, 31. Mai bis 8. Oktober 2000, Nürnberg 2000, S. 10-33, hier S. 15). Für eine Zusammenfassung der kunsthistorischen Diskussion vgl. Karl Schade, Andachtsbild. Die Geschichte eines kunsthistorischen Begriffs, Weimar 1996. 387 Klaus Krüger, Bildandacht und Bergeinsamkeit. Der Eremit als Rollenspiel in der städtischen Gesellschaft, in: Hans Belting und Dieter Blume (Hgg.), Malerei und Stadtkultur in der Dantezeit. Die Argumentation der Bilder, München 1989, S. 187-200 und Abb. 129-141, hier S. 188. 388 Zur Bedeutung von Bildmedien im Rahmen kontemplativer Praxis und mystischer Erfahrung vgl. Josef Sauer, Mystik und Kunst unter besonderer Berücksichtigung des Oberrheins, in: Kunstwissenschaftliches Jahrbuch der Görresgesellschaft 1 (1928), S. 3-28 und Abb. 1-14; Ernst Benz, Christliche Mystik und christliche Kunst. Zur theologischen Interpretation mittelalterlicher Kunst, in: DVjs 12 (1934), S. 22-48; Walter Blank, Dominikanische Frauenmystik und die Entstehung des Andachtsbildes um 1300, in: Alemannisches Jahrbuch 1964/ 65, S. 57-86; Sixten Ringbom, Devotional Images and imaginative Devotions. Notes on the Place of Art in late Medieval Private Piety, in: Gazette des Beaux Arts 73 (1969), S. 159-170; Jeffrey F. Hamburger, The Use of Images in the Pastoral Care of Nuns: The Case of Heinrich Suso and the Dominicans, in: Art Bulletin 71 (1989), S. 20-46; ders., The Visual and the Visionary: The Image in Late Medieval Monastic Devotions, in: Viator. Medieval and Renaissance Studies 20 (1989), S. 161-182 und Abb. 1-24; ders., The Rothschild Canticles. Art and Mysticim in Flanders and the Rhineland circa 1300, New Haven; London 1990 (Yale Publications in the History of Art); ders., The Visual and the Visionary. Art and Female Spirituality in late Medieval Germany, New York 1998. 389 Vgl. für ähnliche Übereinstimmungen mit Bildmedien in der Viten- und Offenbarungsliteratur von Frauenklöstern: Elisabeth Vavra, Bildmotiv und Frauenmystik - Funktion und Rezeption, in: Peter Dinzelbacher und Dieter R. Bauer (Hgg.), Frauenmystik im Mittelalter, Ostfildern 1985, S. 201-230. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 521 samen Überlieferung -, sondern virtuell - im textuellen Bezug auf Bildmuster - stattfindet. Die erste ‚Vision‘ ist so mit vielfältigen textuellen und ikonographischen Vorlagen verknüpft: vnd do ich also in disen selben benden ziten was do beschach es z einem mole das ich von mir selber kam vnd vúr zvcket wart daz ich von dirre zit n t verst nt vnd in diseme vúrzvckende do koment z mir zwo die aller sch nesten, minnenclichesten ivnchfrowen daz ich so sch ner [11 v ] bilde vor nie gesehen hette vnd worent so gar durchglestig sch ne, daz mich dvhte das ich irre ane gesihte kvme erliden m hte vnd ich sprach z in ir lieben ivnchfrowen, wer sint ir oder waz wellent ir do sprochent si: wir sint die, den dv gedienet hest vnd wellent dir lonnen vnd sint vnser namen genant angnes vnd khetrine. vnd noment mich do die zwo sch nen iuncfrowen vnd f rtent mich in den aller lústlichesten, sch nesten garten von dem ich ie gehorte sagen vnd f rtent mich in dem garten z eime also gar z mole húbeschen, cleinen, lúzel [12 r ]ligen b melin vnd st ndent do vffe die aller gr sten, sch nesten biren, von den ich ie gehorte sagen vnd hiessent mich do vnder dis b melin sitzzen vnd sprochent do z mir: nv t n vf dinen geren vnd sch tele dis b melin ich was gehorsam vnd det minen geren vf vnd r rte daz b melin ane do fielent an stette her abe der sch nen biren mir minen geren vol do sprochent z mir die zwo sch nen ivnchfrowen Nv nim dise biren vnd gehalt si vnd gip ch nieman keine dervon vnd wenne es beschiht daz dir an din selbes nature kranc wúrt so snit dirre selben biren eine vf vnd is ir so be[12 v ]vindest dv, daz dv an stette kraft gewinnest vnd nim ch dirre biren kernen vnd strich si ber alle dine wunden so werdent si dir an stette heil nv got, der gesege dich sprochent die zwo sch nen iunchfrowen vnd in dem selben worte Do worent si an stette hin weg (H, Bl. 11 r -12 r ; Lauchert 1896, S. 8, Z. 24-S. 9, Z. 18) Die beiden zu den virgines capitalis zählenden und daher häufig in einer Gruppe von Jungfrauen dargestellten Heiligen Agnes und Katharina, denen in Straßburg eine besondere Verehrung zuteil wurde 390 (auch der ‚Grüne Wörth‘ besaß eine Agnes- Reliquie), 391 fungieren als Seelenführer durch den Bildraum des ‚Hohenliedes‘ (Ct 2, 3): Wie die Braut Salomos im ‚Canticum canticorum‘ soll der Gottesfreund in dem aller lústlichesten, sch nesten Garten unter einem Baum Schatten finden und dessen süße Früchte pflücken, 392 denen - in Anlehnung an den Baum des Lebens (Gen 2, 9; 390 Vgl. für eine Zusammenstellung der zahlreichen Katharinenaltäre und -reliquien in Straßburg: Médard Barth, Handbuch der elsässischen Kirchen im Mittelalter, 3 Bde, Straßburg 1960-1963 (Archive de l’Église d’Alsace 27-29), hier: Bd. 29 (1963), Sp. 1339-1520. Auch den ‚Grünen Wörth‘ zeichnet dabei eine enge Verbindung zur hl. Katharina aus: Die Stiftung Werners von Hüneburg wurde 1274 dem Katharinenaltar im Straßburger Münster inkorporiert (Rieder 1905, S. 167*19-23), auch ist der linke Seitenaltar der Kirche der Komturei in ere sant Katherinen, sant Agnesen, sant Margreden und aller jungfrowen geweiht (Rieder 1905, S. 180*10). 391 Seraphin Hernott, der Bruder des Propstes von Jung St. Peter in Straßburg, sammelte Anfang des 17. Jahrhunderts Tausende von Reliquien, die er sich von Bischöfen und Klöstern schenken ließ. In seinem in den Archives de la Ville in Straßburg bewahrten Register (IV 146, 2) findet sich am 6. September 1622 auch eine Schenkung der Johanniterkomturei: Eine Reliquie de S. Agnete virg. et mart. kann in zwei neu erstellte Reliquiare der Johanniterkirche nicht mehr integriert werden und wird dem Sammler von Niclaus Geyer, dem Komtur des ‚Grünen Wörth‘, geschenkt. Vgl. Médard Barth, Reliquien aus elsässischen Kirchen und Klöstern, in: Archiv für elsässische Kirchengeschichte 10 (1935), S. 107-138, hier S. 127. 392 Wie in zahlreichen Andachtsbildern des Musters ‚Anna selbdritt‘ oder niederländischen Gemälden Marias mit dem Kind aus dem 16. Jahrhundert (z.B. Joos van Cleves ‚Madonna mit dem Kind‘ [Aufbewahrungssort unbekannt] oder Goossens van der Weyden ‚Triptychon mit Jungfrau und Kind‘ [Tournai, Musée des Beaux Arts]) wird in der Vision die Birne als Zeichen der Süße Christi bzw. Mariens verwendet (vgl. Reindert L. Falkenburg, The Fruit of Devotion. Mysticism and the Imagery of Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 522 Apc 2,7) - eine heilende Wirkung zukommt. 393 Die fruitio Dei des Gottesfreundes wird folglich in einem Bildtyp imaginiert, der aus der ‚Hohelied‘-Ikonographie sowie den Illustrationen gartenallegorischer Erbauungsliteratur 394 bekannt ist: der Obst pflückenden oder sammelnden Jungfrau. Im Unterschied zu dieser Bildtradition 395 und zu den zahlreichen Visionen himmlischer Gärten in der frauenmystischen Literatur, 396 wird hier das alttestamentliche Bild des ‚hortus conclusus‘ jedoch nicht in einer detaillierten Tugendallegorie ausgedeutet, welche die Seele in ihrer Vorbereitung auf das Kommen des Bräutigams anleiten soll; in der ‚Vision‘ des Gottesfreundes wird vielmehr der Literalsinn der elaborierten Metaphorik des ‚Hohenliedes‘ und der hieraus entwickelten Bildtradition buchstäblich umgesetzt. Das allegorische Schriftwort dient nicht als Text-Reservoir, um die menschliche Annäherung an Gott sinnlich-konkret zu durchdenken, vielmehr wird die mit ihm verknüpfte ikonographische Tradition zu einem „virtuellen Vollzugshorizont“, 397 um ein ‚Erleben‘ Gottes zu evozieren. Die Komposition der ‚Vision‘ mit Hilfe topischer Elemente des ikonographischen Archivs liefert somit nicht allein Einblicke in die Verfahren der Textproduktion, die eine Begründung des ‚b ch‘ in vorgängigem Erleben ausschließen, der Rekurs auf Bildmuster ist konstitutives Element der Textaussage, indem er die vom Gottesfreund praktizierte asketische Übung als Teil einer imaginativen Praxis erkennbar macht, welche die sinnliche Präsenz Christi durch Animation aufgerufener Bildtypen zu erzwingen sucht und so das unio-Begehren des Gottesfreundes als Residuum des menschlichen Willens charakterisiert, das eine Vereinigung mit Gott gerade verhindert; die durch Bilder mediatisierte ‚Erfahrung‘ stillt die Begierde des Gottesfreundes nach einer erneuten Gottesschau nämlich nicht, da es ihr an Unmittelbarkeit mangelt: ach min got vnd min herre miner selen begirde het kein ben gede her an an disen bilden, min sele befinde denne daz dv si liese z dem aller ersten mins anevanges bevinden (H, Bl. 13 v ; Lauchert 1896, S. 10, Z. 6-8). Die beiden sich anschließenden Visionen knüpfen an Devotionspraxen an, welche die spirituelle Vereinigung mit Christus nicht in der elaborierten Liebesmetaphorik des ‚Hohenliedes‘ imaginieren, sondern die unio in der Eucharistie erstreben. Wird der laikale Gottesfreund in der ersten Vision (H, Bl. 14 r -15 r ; Lauchert 1896, S. 10, Z. 15-S. 11, Z. 8) in die Rolle des Priesters versetzt, der mit der liturgischen Hilfe der Engel und Apostel die messe singen muß, dient dies kaum - entsprechend Love in Flemish Paintings of the Virgin and Child, 1450-1550, Amsterdam; Philadelphia 1994 [Oculi 5], S. 92 und 97). 393 Wahrscheinlich ist die in der Vision des Gottesfreundes vorgenommene Substitution des alttestamentalischen Apfelbaums durch den Birnbaum neben der charakteristischen Süße der Frucht, die auf die fruitio Dei verweist, durch die heilende Wirkung, die der Birne zugeschrieben wird, motiviert (vgl. Marzell, Birnbaum, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens Bd. 1 [1987], Sp. 1339-1342, hier Sp. 1341f.). 394 Vgl. hierzu grundlegend: Dietrich Schmidtke, Studien zur dingallegorischen Erbauungsliteratur des Spätmittelalters. Am Beispiel der Gartenallegorie, Tübingen 1982 (Hermaea N.F. 43), S. 217 und 221. 395 Jeffrey F. Hamburger, The Rothschild Canticles, S. 70. 396 Vgl. die Zusammenstellung bei: Ernst Benz, Die Vision. Erfahrungsformen und Bildwelt, Stuttgart 1969, S. 371-385, sowie Grete Lüers, Die Sprache der deutschen Mystik des Mittelalters im Werke der Mechthild von Magdeburg, München 1926, S. 96f. und 135f. 397 Vgl. Niklaus Largier, Medialität der Gewalt, S. 284. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 523 der Interpretation vergleichbarer Visionen in der frauenmystischen Literatur bei Bynum - einem „charismatischen Machtanspruch [des Laien] als [...] Ersatz zur Priesterschaft“; 398 vielmehr greift die Vision Mirakelerzählungen 399 und ein ihnen analoges ikonographisches Muster auf, welches das in der Apokalypse begründete Meßverständnis zu visualisieren sucht: Die Figuration der Engel als Meßdiener ist ein topisches Bildelement, um die von der Kirche in der Immanenz gefeierte Liturgie als Entsprechung der im Himmel zelebrierten Eucharistie auszuweisen. 400 Indem der Gottesfreund als Zelebrant einer himmlischen Messe imaginiert wird, wird die im Bildmedium etablierte allgemeine Heilsbotschaft individualisiert. Mit Hilfe einer mentalen Dramatisierung eines ikonographischen Erfahrungsraumes, in dem die Realpräsenz Gottes rituell verbürgt ist, erfährt der Gottesfreund die Vereinigung mit Gott in der Eucharistie. Auch diese durch das Bildmuster erzeugte individuelle ‚Erfahrung‘ bleibt für den Gottesfreund jedoch hinter der primären Gottesschau zurück, da auch die hier erfahrene Gegenwart nicht jenseits alles Zeichenhaften liegt. 401 Der Gottesfreund kehrt zu seinen asketischen Übungen zurück, die nach zwölf Wochen von einer dritten Vision unterbrochen werden, die in der eucharistischen Herz-Jesu-Verehrung gründet: do bete ich mich aber fúrbas also vor vnd treip daz wol vffe zwelf wochen vnd do wart ich aber verzucket vnd sihe bi mir ston einen gar grosen man vnd was der an allen sime libe also gar verwundet [15 v ] vnd also gar iemerliche durch martelt daz es eine also gar grúwelich, iemerliche gesihte was abe der ich gar sere erschrack vnd sprach ich doch gar erschrockenliche z ime Ach lieber fr nt, wer bist dv daz dv so rehte iemerliche gehandelt bist vnd do sprach er: n sich mich ane vnd du solt daz wissende sin daz dv dirre grose martel ein vrsache bist gesin vnd in dem selben worte do nam er mich vnd truhte mich z ime vnd truhte mir minen mvnt vúr sin verwundetes herze vnd sprach: n svge mins bl tes daz sol dir alle dine wunden heilen vnd er nam do gar ein wisses t chelin vnd str[16 r ]eich es ber sinen verwundeten lip, Das es bl tig wart vnd er sprach: do se dis t chelin vnd wenne dv verwundet wurst so strich es ber dine wunden so bist du an stette genesen vnd do er dis gesprach do mahte er ein crúze ber mich vnd was an stette enweg (H, Bl. 15 r -16 r ; Lauchert 1896, S. 11, Z. 8-27). Die in Viten- und Offenbarungstexten häufig enthaltene 402 Vision bedient sich eines verbreiteten Bildtyps, der sowohl im Bereich der Plastik als auch der Buchmalerei im Rahmen der Meditationsanleitung Verwendung fand: der Schmerzensmann, der auf 398 Caroline Walker Bynum, Fragmentierung und Erlösung, S. 124. 399 Vgl. die Zusammenstellung bei: Adolph Franz, Die Messe im deutschen Mittelalter. Beiträge zur Geschichte der Liturgie und des religiösen Volkslebens, Freiburg/ Br. 1902 [Photomechanischer Nachdruck Darmstadt 1960], S. 273-276, bes. S. 276, Anm. 2; Siegfried Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 227. 400 Karl-August Wirth, Engel, in: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte Bd. 5 (1967), Sp. 341-555, hier Sp. 379. 401 Niklaus Largier, Die Medialität der Gewalt, S. 276. 402 Vgl. für eine Zusammenstellung der einschlägigen Textstellen: Peter Dinzelbacher, Das Christusbild der Lutgard von Tongeren im Rahmen der Passionsmystik und Bildkunst des 12. und 13. Jahrhunderts, in: ders., Mittelalterliche Frauenmystik, Paderborn [usw.] 1993, S. 136-187; Carl Richstätter, Die Herz-Jesu-Verehrung des deutschen Mittelalters. Nach gedruckten und ungedruckten Quellen dargestellt, 2 Bde, Paderborn 1919, Bd. 1: Predigt und Mÿstik, S. 154-188; Elisabeth Vavra, Bildmotiv und Frauenmystik, S. 210; Gert von der Osten, Der Schmerzensmann. Typengeschichte eines deutschen Andachtsbildes von 1300 bis 1600, Berlin 1935 (Forschungen zur deutschen Kunstgeschichte 7), S. 21. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 524 seine Seitenwunde zeigt 403 und die (zumeist als Jungfrau visualisierte) Seele dazu auffordert, ihren Kopf - wie einst der Lieblingsjünger Johannes (Io 13, 23-25) - an sein Herz zu schmiegen und aus dem Quell seiner Seite zu trinken. Die intensive Meditation der Wunden und der Seitenwunde des Herrn, häufig mit rituellen Praxen verbunden, war dabei nicht (allein) der kirchenväterlichen Interpretation der Seitenwunde als Quelle der Gnade, als Ursprung der Sakramente der Eucharistie und der Taufe geschuldet; das cor salvatoris galt vielmehr seit Origenes auch als „Sitz und Quellpunkt aller Weisheit“, 404 d.h. der „mystischen Erkenntnis und der göttlichen Mysterien“. 405 Das Herz Jesu wurde als Inbegriff der Menschwerdung zum locus der mystischen Vereinigung. 406 Obwohl Richstätter in den Texten Rulman Merswins und des Gottesfreundes aus dem Oberland „nicht die geringste Spur des Herz-Jesu-Gedankens nachweisen“ zu können glaubt, 407 läßt nicht nur der Bibliotheksbestand, 408 sondern auch die Ausstattung der Johanniterkirche vermuten, daß die im Elsaß weit verbreitete Herz-Jesu- Verehrung in der Andachtspraxis des ‚Grünen Wörth‘ keine unbedeutende Rolle gespielt hat. So waren die Johanniter, deren Kirche unter dem Patronat Johannes des Täufers und des Evangelisten stand (B, Bl. 73 v ; Rieder 1905, S. 152*3f.), wahrscheinlich im Besitz einer Christus-Johannes-Skulptur, 409 bei der das Ruhen des Apostels an der Brust Jesu aus dem Kontext des Abendmahlsgeschehens gelöst wird und im Rahmen der Interpretation des Evangelisten als prototypischer sponsa Christi 410 mit 403 Im Elsaß scheint dieser Zeigegestus durch Beischriften verstärkt worden zu sein, die in der Vision des Gottesfreundes offensichtlich gespiegelt werden: In der St. Georgkirche in Hagenau befand sich beispielsweise ein Schmerzensmann, der mit folgender Unterschrift versehen war: O Sünder, sich da die Wunden min, die ich dragt, die Schuld ist din (Médard Barth, Die Herz-Jesu-Verehrung im Elsaß vom 12. Jahrhundert bis auf die Gegenwart, Freiburg/ Br. 1928 [Forschungen zur Kirchengeschichte des Elsaß 1], S. 95). 404 Hugo Rahner, Die Anfänge der Herz-Jesu-Verehrung in der Väterzeit, in: Josef Stierli (Hg.), Cor Salvatoris. Wege zur Herz-Jesu-Verehrung, Freiburg/ Br. 1954, S. 46-72, hier S. 65. 405 Ibid., S. 64. 406 Jeffrey F. Hamburger, The Rothschild Canticles, S. 72, 77. 407 Carl Richstätter, Die Herz-Jesu-Verehrung, S. 106. 408 Vgl. Médard Barth, Die Herz-Jesu-Verehrung im Elsaß, S. 51. 409 Das Verzeichnis des Kirchen- und Konventsbesitzes, das nach der Zerstörung der Johanniterkomturei (1633) angelegt wurde (vgl. Archives départementales du Bas-Rhine, H 1408), verzeichnet zwei steinere bilder lebensgröße [...] Johannis baptistae et Johannis evangelistae (Jean Rott, La commanderie Saint- Jean en l’Ile-Verte à Strasbourg et ses trésors artistiques avant 1633, in: Cahiers alsaciens d’Archéologie d’Art et d’Histoire 32 [1989], S. 239-256, hier S. 244). Ist diese Angabe auch relativ unspezifisch, so hat Wentzel darauf hingewiesen, daß die Christus-Johannes-Gruppen, die häufig mit Skulpturen Johannes des Täufers zusammengestellt wurden, in mittelalterlichen Quellen nur als „Johannesbilder“ bezeichnet werden (Hans Wentzel, Christus-Johannes-Gruppe, in: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte Bd. 3 [1954], Sp. 658-669, hier Sp. 658). Die Identifizierung der genannten Figur mit einer Skulptur des etablierten ikonographischen Typs wird zudem durch eine Christus- Johannes-Skulptur plausibilisiert, die für die Schlettstadter Johanniter-Komturei, die dem Straßburger Haus inkorporiert war, in den Jahren 1470 und 1487 bezeugt ist (ibid., Sp. 664). 410 Vgl. Eleanor Greenhill, The group of Christ and St. John as Author Portrait. Literary Sources, Pictorial Parallels, in: Johanne Autenrieth und Franz Brunhölzl (Hgg.), Festschrift Bernhard Bischoff zu seinem 65. Geburtstag dargebracht von Freunden, Kollegen und Schülern, Stuttgart 1971, S. 406- 416, hier S. 416; Hans Wentzel, Die Christus-Johannes-Gruppen des 14. Jahrhunderts, Berlin 1947 (Der Kunstbrief 41), S. 6; Annette Volfing, John the Evangelist and Medieval German Writing. Imitating the Inimitable, Oxford 2001, S. 137-141; Jeffrey F. Hamburger, St. John the Devine. The Deified Evangelist in Medieval Art and Theology, Berkley [usw.] 2002, S. 95 und 132. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 525 dem Bild des Nährens aus dem ‚Hohenlied‘ (8,1) verbunden wird. 411 In der Tradition des Origenes-Kommentars zum ‚Canticum Canticorum‘ 412 und des Kommentars zum Johannesevangelium des Augustinus 413 interpretiert die Liturgie zum Fest des hl. Johannes 414 (und in ihrer Nachfolge zahlreiche volkssprachliche Texte) 415 die bräutliche Umarmung während des Abendmahls als Ursprung der unmittelbaren Gotteserfahrung des Johannes: Der Lieblingsjünger trinkt Weisheit aus dem Herzen Christi 416 und wird damit zum „model mystic and mystagogue“. 417 Als Visualisierung der Erfahrung von Transzendenz, als „model of contemplative union with the bridegroom“, 418 fungierten die Skulpturengruppen in den alemannischen Klöstern als „instruments of visionary experience“. 419 Die ikonographische Ausstattung der Komturei zeugt somit davon, daß die sinnfällige Konzeption der mystischen Vereinigung als Körpererfahrung, das Nähren des Gottesfreundes mit dem Blut aus der Seitenwunde Christi, - trotz ihrer drastischen Materialität - die Vision nicht als historischfaktische Erfahrung ausweist, sondern sie mit einer spätmittelalterlichen Andachtspraxis in Verbindung bringt, in der das Gnadengeschehen, welches die in die Kontemplation eingebundenen Bildmedien verheißen, in einem körperlichen Erleben des Meditierenden bereits vorweggenommen wird. 420 Vor dem Hintergrund textueller, visueller und taktiler Praktiken der Herz-Jesu-Verehrung ist die somatische ‚Erfahrung‘ des Gottesfreundes das Ergebnis erfolgreicher Kontemplation. Ausgangspunkt der spirituellen ‚Erfahrung‘ ist offensichtlich eine imaginäre Vergegenwärtigung des ikonographischen Formulars des Schmerzensmannes vor den ‚inneren Augen‘: Die ostentatio vulnerum sowie die explizite Aufforderung sich mich ane (H, Bl. 15 v ; Lauchert 1896, S. 11, Z. 16) entspricht dem appellativen Gestus des Bildtyps, der die Betrachtung durch eine persönliche Begegnung zwischen Betrachter und Abgebildetem ersetzen will. 421 Mit Hilfe elaborierter Körpergesten, zu denen unter anderem das Küssen der Wundmale zählte, soll der kontemplative Körper aktiv in dem betrachteten 411 Zum Motiv des Saugens vgl. Siegfried Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 255f.; Reiner Haussherr, Über die Christus-Johannes-Gruppen. Zum Problem ‚Andachtsbilder‘ und deutsche Mystik, in: Rüdiger Becksmann, Ulf-Dietrich Kern und Johannes Zahlten (Hgg.), Beiträge zur Kunst des Mittelalters. Festschrift für Hans Wentzel zum 60. Geburtstag, Berlin 1975, S. 79-103, hier S. 92f.; Grete Lüers, Die Sprache der deutschen Mystik des Mittelalters, S. 259f. 412 Hugo Rahner, Die Anfänge der Herz-Jesu-Verehrung in der Väterzeit, passim. 413 Annette Volfing, John the Evangelist and Medieval German Writing, S. 41-48. 414 Vgl. ibid, S. 61-97. 415 Vgl. ibid., S. 101-162. 416 Ibid., S. 45, 47; Jeffrey F. Hamburger, St. John the Devine, S. 17, 132 und passim. 417 Jeffrey F. Hamburger, St. John the Devine, S. 1 und 18. 418 Ibid., S. 2. 419 Jeffrey F. Hamburger, The Visual and the Visionary. The Image in Late Medieval Monastic Devotions, S. 174. Vgl. für Beispiele der Inszenierung mystischen ‚Erlebens‘ nach dem Beispiel des Johannes: Annette Volfing, John the Evangelist and Medieval German Writing, S. 134f. 420 Vgl. Thomas Lentes, Gebetbuch und Gebärde, S. 326. 421 Robert W. Scribner, Vom Sakralbild zur sinnlichen Schau. Sinnliche Wahrnehmung und das Visuelle bei der Objektivierung des Frauenkörpers in Deutschland im 16. Jahrhundert, in: Klaus Schreiner und Norbert Schnitzler (Hgg.), Gepeinigt, begehrt, vergessen. Symbolik und Sozialbezug des Körpers im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit, München 1992, S. 309-336, hier S. 311. Vgl. bereits Gert von der Osten, Der Schmerzensmann, S. 75. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 526 Geschehen imaginiert werden, um durch seine Wechselwirkung mit der Seele 422 diese zur „sinnlichen Schau“ zu führen. 423 Auch der amplexus (vnd truhte mich z ime, H, Bl. 15 v ; Lauchert 1896, S. 11, Z. 19) und die Aufforderung, Heilung durch das Blut zu empfangen, können so die begirde [der] selen des Gottesfreundes - trotz ihrer hochgradigen Emotionalität - nicht stillen, da auch sie nicht unmediatisiertes Erleben darstellen, sondern durch elaborierte Techniken der Kontemplation evoziert wurden. Die Reihe der imaginierten Text-Bild-Beziehungen wird durch den Bildtyp der mystischen Hochzeit abgeschlossen, der seit dem 14. Jahrhundert zum festen ikonographischen Inventar der Legende der Heiligen Katharina von Alexandrien zählt 424 und von dieser ausgehend zum visuellen Muster der Brautmystik wird: 425 do wart ich aber verzucket vnd [17 r ] wart gef ret in ein gar z mole sch nes, liehtes, minnencliches hvs, vnd daz was inwendig Also gar glestig von liehte das ich den schin kvmme erliden m hte vnd was das hus alles sament vol sch ner, minnenclicher ivnchfrowen vnd hettent die alle sch ne, rote rosen schappel vffe irme h bete vnd vnder den ivnchfrowen allen waz eine gar vsser mosen sch ne, herliche frowe vnd sas die sch ne frowe vffe eime gar sch nen, herlichen sessele vnd hette ein gar vsser mosen sch nes, minnencliches, lúzelliges kindelin vfe irre schosse sitzzende vnd sprach die sch ne frowe z mir sich lieber fr nt dis [17 v ] sch ne kint daz ist min kint vnd ist din gespvnze durch des willen dv die welt ber geben hest vnd gie do die sch ne frowe der vnd nam gar ein sch nes fingerlin abe irre hende vnd gab es deme kinde in sine hant vnd sprach do kint mins, stos dis fingerlin dime gespvnzen an sinen vinger z einer rehten fr ntschaft daz er dir ettewas werde noch gonde des selben weges, den dv ime vor gangen bist daz kint was gehorsam vnd det, daz es sin m ter hies vnd an stette do mir das fingerlin an minen vinger gestosen wart do mahte das kint vnd die m ter ein crúce ber mich vnd wo[18 r ]rent do an stette alle mit einander hin weg (H, Bl. 16 v -18 r ; Lauchert 1896, S. 12, Z. 9-31). Der ikonographischen Tradition entsprechend, findet die geistliche Verlobung des Gottesfreundes nicht mit dem als erwachsenen Mann imaginierten Gottessohn, sondern mit dem auf dem Schoß der Gottesmutter sitzenden Jesusknaben statt. 426 Der spirituelle Blick des Lesers wird dabei von den Maria umgebenden Jungfrauen (‚Virgo inter virgines‘), die durch Rosenkränze als Christus im Leiden nachgefolgte Heilige ausgewiesen werden, 427 zu der in ihrer Mitte thronenden Gottesmutter geführt, die als Mittlerin zwischen der menschlichen Seele und ihrem Bräutigam fungiert. Sie fordert ihren Sohn auf, dem Gottesfreund einen Ring als Zeichen ihres spirituellen 422 Vgl. zur Vorstellung der wechselseitigen Bewegung von Körper und Seele: Thomas Lentes, Gebetbuch und Gebärde, S. 316f. 423 Robert W. Scribner, Vom Sakralbild zur sinnlichen Schau. 424 Vgl. Josef Sauer, Das Sposalizio der hl. Katharina von Alexandrien, in: Studien aus Kunst und Geschichte. Friedrich Schneider zum siebzigsten Geburtstag gewidmet von Freunden und Verehrern, Freiburg/ Br. 1906, S. 339-351; Maria Magdalena Zunker OSB, Spätmittelalterliche Nonnenmalereien aus der Abtei St. Walburg. Versuche einer Deutung, in: G. Ulrich Großmann (Hg.), Spiegel der Seligkeit. Privates Bild und Frömmigkeit im Spätmittelalter. Ausstellungskatalog des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg, 31. Mai bis 8. Oktober 2000, Nürnberg 2000, S. 97-116, hier S. 105. 425 Otto Gillen, Brautmystik, in: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte Bd. 2 (1942), Sp. 1130- 1134, hier Sp. 1134. 426 Ibid., Sp. 1132; vgl. für eine Zusammenstellung der textuellen Parallelen: Grete Lüers, Die Sprache der deutschen Mystik, S. 160-167; Siegfried Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 261f. 427 Thomas Lentes, Gebetbuch und Gebärde, S. 465; Jeffrey F. Hamburger, The Visual and the Visionary, S. 64. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 527 Bundes an den Finger zu stecken. 428 Bleibt die anhaltende Sehnsucht des Gottesfreundes nach einer ben gende [s]iner selen inhaltlich unverständlich - ist die mystische Vermählung doch „Vorbild und Ziel aller mystischen Gnadenbestrebung“ 429 -, scheint die Zurückweisung der verz ckunge in ihrer Medialität begründet: Die intensive Visualität der grosen, lústlichen bilde vermag durchaus die Sinne des Gottesfreundes zu animieren; die Möglichkeit, durch spezifische Techniken der Imagination die Bildwelt von Texten und Bildmedien in einen Erfahrungsraum des Lesers bzw. Betrachters zu überführen, bleibt aber anscheinend auf die Sinnlichkeit des Gottesfreundes beschränkt (sowohl Birnen als auch das mit Christi Blut getränkte Tuch können allein die körperlichen minne-Wunden heilen), da seine Seele die virtuellen Animationen ikonographischer Muster sehr wohl von seinem primären bilde- und formlosen unio-Erlebnis zu differenzieren weiß. Obwohl „nur aus der Perspektive des leitenden Denkparadigmas der Neuzeit, die Präsenz und Repräsentation, Geist und Materie [...] fundamental unterscheidet, [...] diese [sinnenhafte] Erfahrung [der Visionen] als ‚Fiktion‘“ erscheint, 430 kann die kontemplativ erzeugte Phänomenologie des unio-‚Erlebens‘ das substantielle Gottverlangen der Seele nicht stillen. Erst am Jahrestag seiner ersten Gottesschau wird dem Gottesfreund ein zvg gewährt, der sein minnekliches Begehren befriedigt: wenne do waz weder bilde noch [19 r ] forme (H, Bl. 18 v / 19 r ; Lauchert 1896, S. 13, Z. 16). In einer sich anschließenden Audition erklärt die göttliche Stimme den Mangel der medial evozierten Visionen gegenüber der Verzückung: Obwohl der Versuch des Gottesfreundes, eine erneute mystische Vereinigung zu erzwingen, verständlich ist, da die Seele sich mit keinen dingen [21 r ] noch mit keinen bilden ben gen [kann], die minre denne got sint (H, Bl. 20 v / 21 r ; Lauchert 1896, S. 14, Z. 22f.), so fehlt doch eben dieser liebenden Sehnsucht die exemplarische Demut Mariens und Johannes des Täufers (ibid., S. 13, Z. 30-S. 14, Z. 4), da Visionen als Gnadenerweise Gottes unverfügbar sind. Der rehte[ ] minneweg (H, Bl. 29 v ; Lauchert 1896, S. 19, Z. 25) verläuft so jenseits immanenter Gottesbegegnungen, die sich im Vergleich zur göttlichen Existenz verhalten wie ein durch ein Fenster gebrochener Lichtstrahl zur unendlichen Lichtflut der Sonne (H, Bl. 20 rv ; Lauchert 1896, S. 14, Z. 7-18). Das wahre spvnziere[n] Gottes (H 29 r ; Lauchert 1896, S. 19, Z. 23) mit der gerehte[n], edele[n], minnende[n] sele (H, Bl. 22 r ; Lauchert 1896, S. 15, Z. 9f.) beginnt erst, als der Gottesfreund sich dem tikliche vnderw[i ]rf [t ] in den aller liebesten willen gottes (H, Bl. 21 r ; Lauchert 1896, S. 14, Z. 28), sein Minnepfand - die Birnen, das Tuch und den Ring - verbrennt und sich im Gehorsam Abrahams und der Geduld Hiobs übt. Nur die imitatio Christi, ein gedultig, stette blibendes, gehorsam liden (H, Bl. 22 v ; Lauchert 1896, S. 15, Z. 19f.), bereitet die bräutliche Seele auf ihren göttlichen gespvnzen vor, da nur die nachahmende Wesensverwandlung, die Gleichförmigkeit mit Christus in der Leidensnachfolge, eine unio jenseits der bilde ermöglicht. Die narrative Umsetzung des rehte[n] minneweg[s] (H, Bl. 29 v ; Lauchert 1896, S. 19, Z. 25) unterscheidet sich charakteristisch von den Erzählverfahren der Visionen: Bewirkte die 428 Vgl. hierzu auch die Passage in Seuses ‚Vita‘ (Bihlmeyer 1907, S. 149-152) und die entsprechende Miniatur (ibid., S. 141). 429 Josef Sauer, Mystik und Kunst, S. 18. 430 Niklaus Largier, Die Kunst des Begehrens, S. 48f. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 528 detaillierte Beschreibung der Visionen die Illusion einer unmittelbaren Teilhabe, eines Mit-‚Erlebens‘, wird das Erzähltempo, in dem die vier Jahre der indewendige[n] bunge (H, Bl. 23 r ; Lauchert 1896, S. 15, Z. 29f.) des Gottesfreundes beschrieben werden, stark beschleunigt, wodurch der Eindruck der zunehmenden Distanz zum Geschehen entsteht, der der Erzählung ihre ‚Erlebnisqualität‘ nimmt. Weder das Bewußtwerden der eigenen Sündhaftigkeit noch die Angst vor dem Gericht und der drohenden Strafe der ewige[n] helle[n], die das zweite Jahr nach der conversio des Gottesfreundes auszeichnen (H, Bl. 23 v -24 v ; Lauchert 1896, S. 16, Z. 7-26), werden im Einzelnen ausgeführt, vielmehr legt der summarische Bericht Wert auf die Standhaftigkeit des Gottesfreundes im Glauben, die ihre Besonderheit durch die mangelnde Illustration und Greifbarkeit der Anfechtungen verliert. Auch die Erzählung über das dritte Jahr bemüht sich nicht um eine mimetische Illusion, die das Erzählte als Erleben auszeichnen könnte. Die für diese Phase des minnewegs (H, Bl. 24 v / 25 r ; Lauchert 1896, S. 16, Z. 27-S. 17, Z. 9) charakteristische Übung, die Anfechtung durch die bösen Geister, wird nicht in ihrer sinnlich konkreten und in ihrer Gegenständlichkeit beängstigenden Qualität vor Augen geführt, sondern in einer durchaus anschaulichen, zugleich jedoch von der individuellen Bedrohung abstrahierenden und in ihrer Emotionslosigkeit gehaltlosen Metapher zusammengefaßt: er gab mir daz ander iar daz mir n t vnwas, aller min lichame wer ein nest der b sen geiste vnd f rent mir z dem mvnde vnd z der na[25 r ]sen vnd z den gen vnd z oren vs vnd in, rehte also binnen, die z iren l chern in iren binnekorp vs vnd in fliegende sint (H, Bl. 24 v / 25 r ; Lauchert 1896, S. 16, Z. 28-33). Sowohl das vierte Jahr, in dem der Gottesfreund von groseme vngl ben anne gefohten wart beide tag vnd naht (H, Bl. 25 v ; Lauchert 1896, S. 17, Z. 14f.), als auch das fünfte Jahr, in dem er alle creaturen [...] durch liden m ste (H, Bl. 26 v ; Lauchert 1896, S. 17, Z. 27f.), bleiben dieser zeitraffenden und anti-mimetischen Darstellung treu, so daß ein deutlicher Gegensatz zu der narrativen Präsentation der Visionen entsteht: Zeichnen sich diese durch Sinnlichkeit und Materialität aus, die als Mittel der Ekphrasis eine unmittelbare Vertextung von Erleben suggerieren, wird gerade der rehte minneweg zu Gott so unanschaulich und abstrakt präsentiert, daß er sich mehr als ein topisches Heiligenleben nach dem Muster einer ‚Vita‘ denn als individuelles Erleben auszeichnet. Dementsprechend wird auch die unio, die dem Gottesfreund nach seinem nochmaligen Bekenntnis zur willenlosen Nachfolge im Leiden gewährt wird, schlicht konstatiert: vnd wart aber in dem blicke gelosen sehen vnd bevinden solliche wunder die ber alle menscheliche sinne sint vnd ich kan noch enmag mit keinen worten der von gesprechen (H, Bl. 28 v ; Lauchert 1896, S. 19, Z. 8-11). Dieser markante inhaltliche und stilistische Unterschied - die bilderreiche Ausschmückung und lebendige Präsentation der durch kontemplative Techniken erzeugten Visionen gegenüber der abstrakten Darlegung des geduldigen Erleidens der auferlegten bekorvnge - erlaubt es nun, den Anspruch des Kapitels auf eine Vertextung authentischen ‚Erlebens‘ genauer zu bestimmen. Da gerade jene Textpassagen, die die ‚Vita‘ über die topischen Elemente der Anfechtungen und Bewährung hinaus charakterisieren und daher auch in den Überschriften des Textes in den Handschriften der Johanniterkomturei zur Kennzeichnung des Kapi- Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 529 tels dienen, sich ikonographischer Muster bedienen und als imaginativ evoziertes ‚Erleben‘ im Text explizit disqualifiziert werden, steht im Mittelpunkt des Kapitels wohl kaum ein authentischer Lebensbericht, dessen Zeugniswert und Aussagegehalt durch die Reduktion auf das Schema religiöser Leidensnachfolge deutlich eingeschränkt würde. Die eingehende narrative Reflexion des unio-Begehrens sowie des Mangels der ihm entspringenden, durch kontemplative Techniken erzeugten spirituellen ‚Erfahrungen‘ reiht das erste Kapitel vielmehr in die didaktische Poetik des ‚b ch von den zwey menschen‘ ein: Die gegebene Phänomenologie der Vision dient der Anleitung zur richtigen Kontemplation, sie ist Kommentar zum Bildgebrauch im Rahmen einer Andachtspraxis, deren Ziel die Gotteserfahrung ist. Die ausführlich geschilderten Visionen entsprechen offensichtlich einem Umgang mit Bildmedien, der nach Hamburger charakteristisch für spätmittelalterliche Frauenklöster ist: Durch die buchstäbliche Umsetzung biblischer und liturgischer Metaphern, die keine allegorische Übertragung verlange, 431 würden die Illustrationen zum ‚Hohenlied‘ für die Rezipientinnen mit einer visuellen Unmittelbarkeit ausgestattet, die sie als Medium der mystischen Erhebung zu Gott prädestiniere: 432 „Sight becomes both the standard and the simulacrum of an interior truth.“ 433 Gegen diese avancierte Bildtheologie stellt das erste Kapitel des ‚b ch von den zwey menschen‘ jene theologische Reflexion des Bildgebrauchs, die der älteren Forschung zum Andachtsbild als charakteristisch galt: 434 Während die meditatio durch bildliche Darstellungen angeleitet und inspiriert werden kann, verbietet die contemplatio, d.h. die unmittelbare Erfahrung Gottes, das Denken in Bildern und somit eine Visualisierung. 435 Zwar konnte für die ‚Vita‘ des Gottesfreundes, die im ersten Kapitel des ‚b ch von den zwey menschen‘ beschrieben wird, bislang kein hagiographischer oder mystischer Prätext identifiziert werden, die durchgehende Orientierung der vier geschilderten Visionen an etablierten bildmedialen Schemata verdeutlicht jedoch, daß die präsentierte visionäre ‚Erfahrung‘ nicht als einmaliges, inspiriertes, nicht-artifiziell erzeugtes und somit authentisches Erleben komponiert wurde, das die besondere Beziehung des Gottesfreundes zu Gott ausweisen soll; die offensichtliche Bezugnahme auf die diskursive Tradition, die Arbeit am und mit dem ikonographischen Muster wird zur Reflexion der Möglichkeiten visionären Erlebens genutzt. Die das Kapitel auszeichnenden Visionen werden als zweckgerichtete Montage visionärer Stereotypen ausgewiesen, die der programmatischen Gegenüberstellung des selbstbezüglichen unio-Begehrens mit dem richtigen spvnzieren Gottes dient: Nur die neutestamentlich gebotene imitatio Christi, der Beweis der Liebe in der Nachfolge, kann als Durchgang zu Gott fungieren, die bildlose unio bleibt aber in ihrer demonstrativen Abkehr von allem Irdischen Gnadenerweis Gottes. Diese durch das Thema deter- 431 Jeffrey F. Hamburger, The Rothschild Canticels, S. 163. 432 Ibid., S. 167. 433 Ibid. Vgl. zum Verhältnis von visio und Bildmedien auch: Jeffrey F. Hamburger, St. John the Devine, S. 185-201. 434 Vgl. Ernst Benz, Christliche Mystik und christliche Kunst; Walter Blank, Dominikanische Frauenmystik und die Entstehung des Andachtsbilds; Sixten Ringbom, Devotional Images and Imaginative Devotions; Reiner Haussherr, Über die Christus-Johannes-Gruppen, S. 97. 435 Ernst Benz, Christliche Mystik und christliche Kunst, S. 25. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 530 minierte Komposition des lebens des Gottesfreundes verbietet nicht nur Rückschlüsse über die ‚Erlebnishaftigkeit‘ des Erzählten, sondern reflektiert auch die Bedingungen des eigenen Schreibens: Die in der Welt der Diegese pointiert herausgestellte Differenzierung von bildmedial inspiriertem, selbsterzeugtem ‚Erleben‘ und authentischer, gottgegebener unio-Erfahrung schließt auch eine textuelle Vermittlung der göttlichen Begegnung aus. In seiner programmatischen Ausrichtung an einem Konzept bildeloser Kontemplation kann das ‚b ch von den zwey menschen‘ die unio nur als Leerstelle verbalisieren, auch die Rhetorik des Textes kann die Erfahrung der Transzendenz nicht einholen, und so überträgt das ‚b ch‘ die Lehre der willenlosigkeit auf die Lektüre religiöser Texte, indem es sich auf eine narrative Anleitung zur basalen christlichen Lehre der imitatio Christi beschränkt. Das Selbstverständnis des Textes als Unterweisung manifestiert sich auch in der an seinem Schluß gegebenen Figuration des Schreibens: do sprach der ander mensche: ach lieber fr nt sider wir zwei nv ch einander lossen s llent vnd one redeliche sache n me z sammene kumen wellent wie wilt du denne raten ich wil dir sagen waz ich geton habe wenne wir zwei von einander giengent vnd so ich denne heim kam so lies ich alle ding vnder wegen vnd [144 v ] schreip alle die wort, die wir zwei mit einander geret hettent, an einen brief vnd die briefe habe ich alle do alles daz ane stot das wir von ane genge vnze her vffe dise stvnde mit einander geret hant vnd dvnket es dich g t so wolte ich vsser den briefen allen ein b chelin machen der cristenheite z helfe do sprach der ander mensche lieber frúnt, es ist ieze obent wir s llent nv z mole heim gon vnd so es denn morne gar fr ge wurt so s llen wir aber denne her wider kvmen vnd solt ch dv die briefe alle mit dir bringen vnd wir s llent vns ch bede noch [145 r ] hinaht mit groseme erneste z gotte keren vnd s llent mit ime z rate werden obe er ein b chelin vsser den briefen haben welle oder nút des andern tages rehte fr ge wart, Do koment aber dise zwei menschen z sammene vnd brohtent die briefe mit in der vnd sossent ber die briefe vnd losent ein noch dem andern vnze daz si alle vs koment, vnd do gevielen in die briefe gar wol do sprach der eine mensche z demme andern sage mir, lieber frúnt, was dvnket dich, daz got haben welle mit disen briefen do sprach der ander mensche daz wil ich dir sagen ich kvnde hinaht, dise naht [145 v ] vnd húte disen dag nút anders in mir vinden wenne daz mich gar g t vnd gar n zze dvnket vnd es ch got von vns haben welle daz wir ein b chelin vsser disen briefen machent der cristenheite z helfe Aber ich wil dir eins sagen wir s llent l gen vnd bewarn das nieman bevinden an diseme b chelin m ge wer wir zwei sint (H, Bl. 144 r - 145 v ; Lauchert 1896, S. 89, Z. 28-S. 90, Z. 27). Obwohl auch die detailliert figurierte Entstehung des ‚b ch von den zwey menschen‘ auf das konventionelle Repertoire christlicher Exordialtopik zurückgreift, weicht die Legitimation dieses Textes charakteristisch von den Begründungsstrategien des ‚b ch von dem meister‘ und des ‚b ch von den nún veilsen‘ ab, da sie nicht auf Authentisierung des Geschehens, sondern auf den Nachweis der Wahrhaftigkeit der präsentierten Lehre zielt. Die beiden Gesprächspartner leiten die gegenseitige Unterweisung zwar durchaus aus ihrer ‚Erfahrung‘ ab, die Berufung auf individuelles ‚Erleben‘ autorisiert die gegebene Lehre jedoch nicht als dogmatische Wahrheit. Um das Berichtete zu beglaubigen und die in ihm enthaltenen Glaubenssätze mit einer größeren Verbindlichkeit auszustatten, bedient sich das ‚b ch von den zwey menschen‘ einer dreifachen Strategie: Verweist der Rückgriff auf die Legitimationsformel „Wissen verpflichtet zur Mitteilung“ bereits auf die didaktische Funktion der Aufzeichnungen und fordert emphatisch zur Abstraktion vom individuellen ‚Erleben‘ Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 531 auf, zielt die Beschreibung der graduellen Textgenese auf eine weitere Normativierung der Lehre mit Hilfe des göttlichen Schreibbefehls und des Wahrheit verbürgenden Mediums der Schrift. Im Anschluß an jedes ihrer Gespräche, somit in ummittelbarer Erinnerung, zeichnet einer der beiden Gottesfreunde ihre Unterredung in briefen auf, überträgt den mündlichen, durch Vergänglichkeit charakterisierten Bericht folglich in das durch seine Stabilität und Autorität potentiell sakrale Medium der Schrift und übergibt ihn darüber hinaus seinem Freund zur Autopsie. Da die Dialogpartner zwar am erzählten Geschehen - den gegenseitigen confessiones und Unterweisungen - beteiligt sind, ihre Augenzeugenschaft sich jedoch nicht auf die gegebenen ‚Lebensbeschreibungen‘ erstreckt, kann diese Quellenkritik nicht dazu dienen, die Zuverlässigkeit der Aussage zu überprüfen; vielmehr zielt die gemeinsame Korrektur auf die Erstellung einer approbierten Fassung des Lehrgesprächs, dessen Verbreitung durch den von den beiden Gottesfreunden unabhängig voneinander intuitiv erfahrenen göttlichen Auftrag legitimiert ist. Diese vielfache Begründungsstrategie - die Berufung auf den wunderbar erfahrenen Willen Gottes, auf schriftliche, autorisierte Quellen und die Funktion der Belehrung - will die topische Legitimation laikalen Schreibens (die Berufung auf spirituelle ‚Erfahrung‘) ersetzen, indem die verbürgende Leistung vom Individuum auf das Medium übertragen wird: Die gegenseitig revidierte, aber einsinnige Verschriftlichung dient der Sakralisierung der Inhalte. In deutlichem Unterschied zu den bisher analysierten Texten der ‚Gottesfreundliteratur‘ erlangt das erste Kapitel des ‚b ch von den zwey menschen‘ seinen „appellativen Anspruch auf [...] Intensivierung des spirituellen Lebens“ 436 nicht primär durch die Präsentation „herkömmliche[r] ‚mystische[r]‘ Inhalte [...] in Form einer Vita“, 437 d.h. durch die Inszenierung als vergangenes, individuelles ‚Erleben‘, sondern durch die Abgrenzung textuell vermittelbarer religiöser ‚Erfahrung‘ vom authentischen unio-Erleben: Gerade die selbstreflexive Auseinandersetzung mit den medialen Möglichkeiten des Erlebnisberichts führt zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den präsentierten, „programmatische[n] Vorstellungen einer vita religiosa“. 438 4.4.2 Personalisierung und Didaktisierung - Kopierpraxen des ‚b ch von den zwey menschen‘ Die Interpretation des ‚b ch von den zwey menschen‘ als ein didaktisches Kompendium, das seine lebensorientierende und heilssichernde Lehre durch die Form des Dialogs auflockern will und somit auch im Rahmen der ‚Viten‘ Lehre vermittelt, wird durch die Form der Tradierung sowie die Kommentierung, die dem Text in einigen Handschriften beigegeben wird, nur bedingt gefestigt, da die fünf erhaltenen Überlieferungsträger des ‚b ch von den zwey menschen‘ kein übereinstimmendes Textverständnis erkennen lassen, sondern divergierende Rezeptionslenkungen vornehmen. Bereits der unterschiedliche Umfang, in dem die fünf Handschriften das ‚b ch‘ überliefern, läßt heterogene Interessen für die Tradierung des Dialogs erken- 436 Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 194. 437 Siegfried Ringer, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 353. 438 Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum, S. 194. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 532 nen: Überliefern die beiden Textzeugen, die aus dem Straßburger Konvent stammen, das ‚b ch‘ vollständig - das ‚Große deutsche Memorial‘ (A) 439 integriert den Text in den zweiten, nachträglich hinzugefügten Teil der Handschrift (Bl. 192 v -229 r ), beim ‚Autograph‘ (H) 440 handelt es sich um eine Einzelhandschrift des ‚b ch von den zwey menschen‘ 441 - zeigen die drei Handschriften, die außerhalb der Johanniterkomturei entstanden, durch die in ihnen vorgenommenen textuellen Kürzungen nur ein begrenztes Interesse am ‚b ch‘: Ms. 1659 der Leipziger Universitätsbibliothek (L) 442 ist dabei der vollständigste Textzeuge; der auf Bl. 98 r -165 v des wahrscheinlich im Straßburger Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis geschriebenen Manuskripts enthaltenen Textfassung fehlt lediglich das sechste Kapitel, das den Weg des Menschen beschreibt, der got dienen wil. Gegenüber dieser punktuellen Auslassung, die weder die Motivation zur Abschrift noch zur Kürzung erkennen läßt, beschränkt sich die zweite Handschrift, deren Provenienz laut Besitzeintrag in dem Straßburger Frauenkloster liegt, Ms. allem. 222 der Bibliothèque Nationale in Paris (P), 443 auf die Wiedergabe des im siebten Kapitel gegebenen Exemplums über die höllischen Leiden eins weltlichen menschen sele [...], so er stirbet (A, Bl. 216 r ; P, Bl. 227 r -233 r ), und integriert den Textauszug so in einen Diskurs über die Notwendigkeit der Weltflucht zur Gottgefälligkeit. Der dritte außerhalb der Johanniterkomturei überlieferte Textzeuge schließlich, der Codex aus dem Freiburger Klarissenkloster St. Klara (Fr 194), 444 kürzt die auf Bl. 137 r -168 v gebotene Abschrift des ‚b ch von den zwey menschen‘ um die ersten beiden Kapitel und verstärkt damit eine auf Unterweisung konzentrierte Lektüre. Die durch die Handhabung des Textbestandes suggerierte Unterscheidung von zwei gegensätzlichen Deutungen des ‚b ch von den zwey menschen‘ ist offensichtlich an den ‚Sitz im Leben‘ der Handschriften gebunden: Während die Schreibstube der Johanniterkomturei die vollständige und konservative Bewahrung des Textes als ‚Erleben‘ eines ihrer Stifter anstrebt, legen die außerhalb der Stiftung erstellten Kopien keinen Wert auf Vollständigkeit, sondern stützten ihr Textverständnis allein auf die im Dialog vermittelte Didaxe, deren Themen die Selektion des Auszugs bestimmen. Da sowohl Form und Funktion der heterogenen Überarbeitungen als auch die dem Text beigegebenen redaktionellen Rahmungen die institutionelle Gebundenheit der beiden Interpretationsmuster bestätigen, nimmt die folgende überlieferungsgeschichtliche Untersuchung die Kopierpraxen der Johanniterkomturei getrennt von den Überlieferungsmethoden der anderen Schreibstuben in den Blick, um der repersonalisierenden Lektüre des ‚Grünen Wörth‘ die didaktisierenden Adaptationen der Dominikanerinnen und Klarissen gegenüberzustellen. 439 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 45-74. 440 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 200-208. 441 Die Existenz einer - heute verlorenen (vgl. die Ausführungen auf S. 135-139) - lateinischen Version wird neben den Anmerkungen in A (s.u.) durch einen Einschub in den zwei sog. ‚Erweiterten Pflegermemorialen‘ bestätigt: Dasselbe B chlin wir, die vorgenanten priestere vnnd Br edere [37 r ] Sanct Johanns Ordens, zu Teütsch vnnd zu Latin geschr ben handt In die dre vrkhúnde Bücher deß hauses zum Grüenenwerde, vnnd ist daß B ch von den zwe en mannen (F, Bl. 36 v / 37 r ; Rieder 1905, S. 197*7-9). 442 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 245f. 443 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 247. 444 Vgl. die Handschriftenbeschreibung auf S. 240-244. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 533 4.4.2.1 Zeugnis der amicitia spiritualis - Das ‚b ch von den zwey menschen‘ in der Johanniterkomturei zum ‚Grünen Wörth‘ Mit den detaillierten Ausführungen zur Textentstehungsgeschichte in der Einleitung zur gesamten Handschrift (A, Bl. 7 v ; Rieder 1905, S. 18*28-19*21) und im ‚Vorwort‘ zum ‚b ch von den zweyen menschen‘ (A, Bl. 192 v ; Rieder 1905, S. 39*36-41*16) bietet das ‚Große deutsche Memorial‘ eine ausführliche Begründung für die Tradierung des Textes in den Handschriften der Komturei: Item das b ch von den zweyen menschen vnder den selben zweyen der liebe gottes frúnt in berlant einre gewesen ist dem die biren, das bl tige t chelin das sch ne vingerlin wart vnd die andern grossen mirackelen alle wider f rent in den ersten fúnf ioren sines anefanges alse er es selber geschriben gap vnserme lieben stiftere, R leman merswine Der ime do gegene wider vmb geschriben m ste geben das vorgenante b ch von den vier ioren sines ane vanges vnd das selbe b ch von den zweyen menschen Die fúnf iore des egenanten lieben frúnt gottes anefang in ber lant hant wir in g ter texste geschrift z Tútsche geschriben in eime sundern b chelin, das R lmans was, das er selber schriben tet noch dem exemplar, das ime gegeben wart von sime heimelichen gesellen, dem lieben gottes frúnde in berlant, do vor vnd hie noch dicke genennet. vnd stot ouch in dem hindersten teile dis gegenwertigen tútschen b ches vnd dar z ist es in dem ersten b che gantz und gerwe von worte z worte z latine geschriben, glich als das tútsch seit wie die selben zwey menschen in lere wis mitteinander rettent von aller hande gebresten do mitte die kristenheit vmbe get Noch dem do si einander ir leben geoffenbortent Der liebe frúnt gottes in berlant von sinen fúnf ioren vnd der ander von sinen sibentzehen ioren in deme ime z iúngest die grosse trúgnisse vnd vntruwe wider f r von dem valschen einsidele N m hte ieman wenen das es R leman merswin were gesin, dem also beschach von dem valschen einsidele vnd das enist ouch R leman merswin, des lieben frúnt gottes in berlant heimelicher geselle selbe vnd das men der selben menschen vnderscheit an dem nammen kúnne wissen vnd verston Dar vmb ist in dem latine b che der mensche mit den fúnf ioren, vnser lieber frúnt, genennet der Júngere vnd der ander mensche mit den sibentzehen ioren ist genennet der elter (A, Bl. 7 v ; Rieder 1905, S. 18*28-19*21). 445 [Item das ‚b ch von den zwey menschen‘, unter denselben der liebe Gottesfreund aus dem Oberland einer gewesen ist: [derjenige,] dem die Birnen, das blutige, kleine Tuch und der schöne, kleine Ring zuteil wurden und dem all die anderen großen Wunder widerfuhren in den ersten fünf Jahren seines Anfangs, genauso wie er es unserem lieben Stifter, Rulman Merswin, selbst geschrieben übergab, der ihm im Austausch wiederum das vorgenannte ‚b ch von den vier ioren sines ane vohenden lebendes‘ schreiben und geben mußte. Dasselbe ‚b ch von den zwey menschen‘, die fünf Jahre des Anfangs des zuvor genannten lieben Gottesfreundes aus dem Oberland, haben wir in guter Textualis in der Volkssprache aufgeschrieben in einem gesonderten, kleinen Buch, das Rulman gehörte, das er selbst schrieb nach dem Exemplar, das ihm von seinem vertrauten Freund gegeben wurde, dem lieben Gottesfreund im Oberland, der zuvor und hiernach häufig erwähnt wird. Und ist auch in dem hintersten Teil dieses vorliegenden deutschen Buches enthalten und darüber hinaus ist es auch in dem ersten Buch vollständig und wörtlich übereinstimmend auf Latein geschrieben - genauso wie das Deutsche sagt: Wie sich die zwei Menschen in belehrender Absicht über verschiedene Sünden miteinander unterhielten, die die Christenheit pflegt, nachdem sie einander ihr Leben offenbart haben, der liebe Gottesfreund in Oberland seine fünf Jahre und der andere seine siebzehn Jahre, in denen ihm 445 Vgl. für die fast wörtlich übereinstimmende Einleitung zum ersten Kapitel des ‚b ch von den zweyen menschen‘ (A, Bl. 192 v / 193 r ): Rieder 1905, S. 40*31-41*10. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 534 zum Schluß der große Betrug und die Untreue des falschen Einsiedlers widerfuhr. Nun könnte jemand annehmen, daß es Rulman Merswin gewesen wäre, dem so von dem falschen Einsiedler widerfuhr, und es ist doch nicht Rulman Merswin selbst, des lieben Gottesfreundes aus dem Oberland vertrauter Freund. Damit man dieselben Menschen durch ihre Bezeichnung erkennen und unterscheiden kann, wird im Lateinbuch der Mensch mit den fünf Jahren, unser lieber Freund, der Jüngere genannt und der andere Mensch mit den siebenzehn Jahren der Ältere.] Die Charakterisierung des Textes im ‚Großen deutschen Memorial‘ als auch dessen Ausführungen zur Textgenese verdeutlichen, daß das ‚b ch‘ - entgegen der erarbeiteten Poetik des Textes - nicht als Lehrdichtung in die Sammelhandschrift integriert wird, die auch die beiden, den Text eröffnenden, biographischen Kapitel dem globalen Textcharakter der Belehrung unterwerfen würde. Vielmehr wird das ‚b ch von den zwey menschen‘ allein als ‚Lebensbeschreibung‘ des Gottesfreundes in den Überlieferungsverbund aufgenommen. Die pragmatischen Signale der Lehrvermittlung mißachtend, stützt sich die Zusammenfassung des Textes maßgeblich auf das erste Kapitel, genauer die hier beschriebenen Visionserfahrungen, und bekräftigt das damit etablierte Textverständnis als ‚(Auto)Biographie‘ des Gottesfreundes durch die Umstände der Textgenese: In paratextueller Verlängerung der familiaritas der innerdiegetischen Dialogpartner schickt der Gottesfreund das ‚b ch‘ Rulman Merswin im Austausch gegen dessen Beschreibung seines angefangenen lebende[s] zu 446 und stellt den Text somit in den Zusammenhang einer spirituellen Freundschaft, für deren heimelichkeit die intime Kenntnis des geistlichen Lebens des jeweils anderen konstitutiv ist. Auch wenn nicht völlig eindeutig ist, ob das zugesandte Exemplar von der Hand des Gottesfreundes stammt (die Formulierung alse er es selber geschriben gap vnserme lieben stiftere, R leman merswine ist zweideutig: das Adverb selber kann nicht nur das Partizip geschriben näher bestimmen, sondern ebenso als Zusatz des Personalpronomens [er ] gelesen werden: „so wie er selbst das geschriebene Buch Rulman Merswin gab“), so gründet die Einleitung in A den Text doch unmißverständlich im ‚Erleben‘ des Gottesfreundes und sucht, die eigene Textfassung durch eine mehrstufige Textgenese an diese autorisierte ‚Lebensbeschreibung‘ zu binden. Ebenso wie die wörtliche Übersetzung im ersten b che, dem latine b che, gehe der Text, der im hindersten teile des ‚Großen deutschen Memorials‘ überliefert ist, auf ein von Merswin eigenhändig geschriebenes sunder[ ] b chelin zurück, das noch immer in der Komturei vorliege. Da die Berufung auf das vom Stifter mit eigener Hand geschriebene Schriftstück der Unterstützung der re-personalisierenden Lektüre in A dient - das ‚Autograph‘ ist ‚Beweis‘ der Entstehung des ‚b ch‘ im Rahmen der intimen geistlichen Beziehungen der Stifter -, suchte die Forschung die „angebliche Urschrift Rulmann Merswins“ 447 unter den in Straßburg überlieferten Textzeugen zu identifizieren, um die postulierte Genese des Textes und, daran gebunden, auch das in A vertretene 446 Die funktionale Äquivalenz der Lebensbeschreibungen Rulmans im ‚b ch von den vier ioren‘ und des Einleitungskapitels des ‚b ch von den zwey menschen‘ in A wird durch die Apposition, die dem ‚b ch‘ in der Einleitung beigegeben wird, unterstrichen, da sie die Formulierung des Titels der ‚Vita‘ Merswins aufgreift: Die fúnf iore des egenanten lieben frúnt gottes anefang. 447 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 85. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 535 Textverständnis überprüfen zu können. Rieder identifiziert in H das von Rulman geschriebene sunder[ ] b chelin und stützt sich dabei auf den am Ende der Handschrift gegebenen Besitzeintrag der Johanniter: Dis (ist gestrichen) b ch ist des huses vnd der br dere zu dem gr nen werde sante Johans orden vnd ist in worden von iren stiftern R leman merswine vnd sime gesellen, dem lieben, erlúhteten gottes frúnde in oberlant, durch den ch got dise selben gnodenrichen werg wúrckete (H, Bl. 147 v ; Lauchert 1896, S. V). [Dieses Buch gehört dem Haus und den Brüdern des Johanniterordens zum ‚Grünen Wörth‘ und wurde ihnen von ihren Stiftern, Rulman Merswin und seinem Freund, dem lieben, erleuchteten Gottesfreund im Oberland, geschenkt, durch den Gott auch die selben [beschriebenen] gnadenreichen Werke wirkte.] Aufgrund deutlicher Unterschiede zum Schriftduktus des ‚Autographs‘ des ‚b ch von den nún veilsen‘ (J) 448 schließt Lauchert diese Identifizierung der Einzelhandschrift mit dem in A ausgewiesenen eigenhändigen Exemplar Merswins zwar aus, macht jedoch durch zwei Beobachtungen plausibel, daß „die Handschrift [...] die Stelle des verlorenen Originals vertreten“ kann: 449 Vor dem gerade zitierten Besitzeintrag der Johanniter (Bl. 147 v ) findet sich eine Bemerkung, die die zweite Frau Rulmans als Eigentümerin ausweist. Dieser Eintrag sei - dies zeige ein Schriftvergleich mit dem ‚Autograph‘ der ‚Neunfelsen‘ - von Merswin selbst vorgenommen worden. 450 Daneben verbänden die Besonderheiten in der Orthographie der Handschrift H mit den von Merswin geschriebenen Manuskripten. 451 H könne somit als ein von Merswin ‚autorisierter‘ Text gewertet werden, eine „in seinem [Merswins] Auftrag hergestellte authentische und durchaus zuverlässige Kopie des nachher [...] vernichteten Originals“. 452 Diese Vermutung, „die Johanniter zum Grünen Wörth scheinen auch kein anderes Original als unsere Handschrift gekannt zu haben“, 453 wird im Zusammenhang der Diskussion des Textverständnisses als ‚Lebensbeschreibung‘ resp. ‚Lehrdialog‘ bedeutsam, da gerade das ‚Beweisstück‘ für die biographische Interpretation eine auffallende Textdifferenz zum ‚Großen deutschen Memorial‘ auszeichnet: Die Identifizierung des jüngeren Dialogpartners, die das einzige textinterne Signal zur Referenzbildung auf das Leben des Gottesfreundes darstellt, fehlt in H. Während hier die Figuren stets anonym als der eine und der ander bezeichnet werden, ist in A eine Identifizierung vorgenommen worden: der eine wird zu dem 448 Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 201-207. 449 Friedrich Lauchert, Einleitung, in: Des Gottesfreundes im Oberland [= Rulman Merswin’s] Buch von den zwei Mannen. Nach der ältesten Strassburger Handschrift, hg. von dems., Bonn 1896, S. V-XI, hier S. IX. 450 Ibid. 451 Ibid. Vgl. demgegenüber die Ausführungen auf S. 201-207. 452 Friedrich Lauchert, Einleitung, S. VIIIf. H ist dabei durch charakteristische Abschreibefehler als Kopie ausgewiesen: H hat in der Doppelung vnd ist das sache (daz dise menschen gestrichen) das dise menschen daz inre bl t n t vsgiessende sint auf Bl. 79 r (Lauchert 1896, S. 50, Z. 26f.) einen charakteristischen Abschreibefehler, ausgelöst von daz, und auf Bl. 28 r (Lauchert 1896, S. 18, Z. 28f.) ein Homöoteleuton, das von mine abhängig ist: vnd n me sich an minen willen vnd [an durchgestrichen] mine krancke, bl de, fvle nature. 453 Friedrich Lauchert, Einleitung, S. IX. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 536 eltern, der ander zu dem júngeren, R leman Merswins geselle. Diese Identifikation wird in A insgesamt 81mal vorgenommen, jedes Mal, wenn eine Inquitformel vorliegt. In fünf Fällen allerdings (Bl. 210 r , 211 v , 225 r , 228 r ; vgl. Schmidt 1866, S. 239, 242, 270, 276) fehlt der Bezeichnung des Jüngeren der Zusatz R lemans geselle. Diese Zuweisung an konkrete Personen hat in Handschrift H bereits einen Vorläufer: Auf Bl. 70 r und 93 v finden sich als Glossen zu der mensche von anderer Hand eltere; ein ähnlicher Zusatz scheint auch auf zahlreichen Blättern ab Bl. 69 v vorhanden gewesen zu sein, 454 wurde aber später ausradiert. Aufgrund dieser Beobachtungen kann man mit Rieder 455 drei Stufen in der Entwicklung der personalen Zuordnung erkennen und somit eine Verschiebung in der Deutung des Textes von einem didaktischen Kompendium zur (auto)biographischen Aufzeichnung konzedieren: Handschrift H beläßt die Figuren (bis auf die Glossen am Schluß der Handschrift) vollkommen anonym und unbestimmt, da auch die Anrede gottesfrúnt keine personale Kategorie darstellt. Mit Bezug auf die Einleitung des ‚Großen deutschen Memorials‘ identifiziert Rieder im ‚Ersten, lateinischen Memorial‘ die zweite Stufe der Entwicklung, da es heißt: 456 454 Rasuren finden sich auch auf Bl. 70 r , 75 v , 77 r , 79 v , 80 r , 80 v , 82 r , 82 v , 83 v , 86 v , 94 r , 115 r , 116 r , 116 v , 117 r , 118 r , 118 v , 121 v , 122 r , 122 v , 127 v , 128 r , 129 v , 133 v , 134 r , 135 v , 137 r , 142 v , 143 r , 143 v , 145 r , 146 r . 455 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 87. 456 Rieder nimmt darüber hinaus an, im ‚Ersten, lateinischen Memorial‘ finde eine Identifizierung des zweiten Dialogpartners mit Merswin statt, da es in der Version Goetzmanns heißt: nun folgt daß gespräch zwischen deß Rulman merschweins heimlichem freünt im oberland wohnend, vnd Rulman, seinem guthen freünt, selbst von ihrem eigenen leben vnd offenbahrúng, [...] in disem gespräch wird der heimliche frúnt vnd frúnt gottes der jüngere genant, vnd der ander der ältere (G, Bl. 75 v ). Da über der ander der ältere: Rulman geschrieben ist, gelangt Rieder zu dem Schluß, daß der eltere im ‚Ersten, lateinischen Memorial‘ mit Merswin gleichgesetzt wurde (Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 88f.), und rekonstruiert aufgrund dieser Annahme den ursprünglichen Wortlaut des folgenden, in der Einleitung des ‚Großen deutschen Memorials‘ (Bl. 7 v ) auf Rasur geschriebenen Satzes. N m hte ieman wenen das es R leman merswin were gesin, dem also beschach von dem valschen einsidele vnd das enist ouch R leman merswin, des lieben frúnt gottes in berlant heimelicher geselle selbe (A, Bl. 7 v ; Rieder 1905, S. 19*2f.), wobei eine halbe Zeile ausradiert wurde und ouch und selbe auf Rasur stehen. Folgt man Rieders Ausführungen, wurden diese Rasuren notwendig, da eine hier ursprünglich vorgenommene Identifizierung Merswins mit dem älteren Gesprächspartner zurückgenommen werden sollte, „weil er [Nikolaus von Löwen] sah, daß seine Deutung den erhabenen Stifter des Hauses in ein ganz ungünstiges Licht bringen würde, da Rulmann dann jener Mensch gewesen sein müßte, dem die grosse trúgnisse und untruwe wider f r von dem falschen einsiedele“ (Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 89). Rieders Argumentation sind jedoch zwei Argumente entgegenzusetzen: Zum einen scheint Goetzmann für den oben zitierten Passus eine nicht erhaltene Quelle, das kleine[ ] teütsche[ Memorial] mit C gezeichnet (G, Bl. 101 r ), zu Rate gezogen zu haben, wie eine Notiz von seiner Hand auf Bl. 192 v in A vermuten läßt: NB. Diße zwene menschen seind deß Rulmans heimlicher freünt im Oberland, so der júnger genennt wird, der zweyte ist Rulman selbst, so der älter genennt wird: sehe lib: C. pag: 6 b. (A, Bl. 192 v ; Rieder 1905, S. 40*Anm.). Zum anderen hat Strauch eine Untersuchung der Rasur auf Bl. 7 v vorgenommen und rekonstruiert folgenden Wortlaut des ursprünglichen Textes: „n m hte ieman wenen, das es R leman Merswin were gesin, dem also beschach von dem valschen einsidele, und das enist (R leman, sunder sines nammens weste nieman, ebe) R leman Merswin des lieben frúnt gottes in berlant heimelicher geselle (wart). Dies wurde dann später, als man bereits die tendenz verfolgte, an stelle ursprünglich unbestimmt gelassener persönlichkeiten Merswins und des Gottesfreundes namen in die tractate einzusetzen, [...] verändert und damit, recht unüberlegt und oberflächlich, Merswin zum teilnehmer an einem nicht unbedenklichen abenteuer bei einem falschen einsiedler gemacht; dabei aber - denn sonst bleibt der jetzige text unverständlich - vergass der corrector die negation in enist zu tilgen. Meine auffassung erklärt zugleich auch, wie ich erst später bemerkte, die correcturen in Götzmanns text [...] wesentlich einfacher und natürlicher als Rieders ausführungen (S. 88fg.)“ (Philipp Strauch, Rezension zu Rieder, S. 104f.). Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 537 vnd das men der selben menschen vnderscheit an dem nammen kúnne wissen vnd verston Dar vmb ist in dem latine b che der mensche mit den fúnf ioren, vnser lieber frúnt, genennet der Júngere vnd der ander mensche mit den sibentzehen ioren ist genennet der elter (A, Bl. 7 v ; Rieder 1905, 19*17-21). [Damit man dieselben Menschen durch ihre Bezeichnung erkennen und unterscheiden kann, wird im Lateinbuch der Mensch mit den fünf Jahren, unser lieber Freund, der Jüngere genannt und der andere Mensch mit den siebenzehn Jahren der Ältere.] Erst im ‚Großen deutschen Memorial‘ wird - zumindest eine der Figuren - eindeutig identifiziert: Der Jüngere ist R lemans geselle. Dieser markante Unterschied kann nun auf zwei Arten erklärt werden: Zum einen kann die Textdifferenz im Rahmen einer textkritischen Interpretation als Indiz für eine weitere, nicht erhaltene Handschrift des ‚b ch‘ auf dem ‚Grünen Wörth‘ dienen, aus der die Abschrift des ‚Großen deutschen Memorials‘ die Identifizierung übernimmt. In diesem Deutungshorizont - A ist keine Kopie aus H, sondern beruht auf einer anderen Vorlage - verliert die Einzelhandschrift ihren Status als ‚Originalersatz‘ und erlaubt folglich auch keinen privilegierten Blick auf das Textverständnis der ‚Urfassung‘. Zum anderen könnte man - produktionsästhetisch - schlußfolgern, die Textdifferenz lege das in der Forschung bereits vielfach vermutete Verfahren der Textproduktion auf dem ‚Grünen Wörth‘ offen: Das ‚b ch von den zwey menschen‘ gelangt als anonymer Traktat in die Manuskriptwerkstatt der Johanniterkomturei und wird hier nachträglich an das Leben eines der Stifter gebunden, indem die ‚Vita‘ nicht als „mystische Lehre in legendarischer Form“, 457 sondern als authentischer Lebensbericht gedeutet wird. Um die offensichtlich divergierende Deutung des ‚b ch von den zwey menschen‘ in A und H in ihrer Genese zu rekonstruieren und zu verstehen, inwiefern die in A vorgenommene Anbindung des Textgeschehens an die Figur des Gottesfreundes einer Berufung auf authentisches Erleben entspricht, ist es folglich notwendig, zunächst das Verhältnis der beiden mittelalterlichen Überlieferungsträger der Komturei zu ermitteln. Da sich der Ausweis des ‚Großen deutschen Memorials‘ als Abschrift 458 aus H in den beiden bisher vorliegenden überlieferungsgeschichtlichen Untersuchungen bei genauerem Hinsehen 459 ausschließlich auf die augenfälligen Eingriffe - die Verände- 457 Siegfried Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 13. 458 A ist u.a. anhand eines Zeilensprungs als Abschrift zu erkennen: Auf Bl. 195 v (Schmidt 1866, S. 210) heißt es: vnd do vant ich mich do selber alse gar vol úber swenkender froiden das mich das duhte, das min hertze uf eine stunde do me rehter fr iden hette (denne werent alle die fr iden hette ist durchgestrichen) denne werent alle die fr iden vnd kurzewilen z mole bi einander gesin, die ich in der welte ie befant. Bei der nachträglich durchgestrichenen Doppelung scheint es sich um ein von fr iden ausgelöstes Homöoteleuton zu handeln, durch das der von denne eingeleitete Komparativsatz mit dem Prädikat des Hauptsatzes, hette, beendet wird. 459 Die eingeschränkte Aussagekraft der Analysen Laucherts und Rieders ist in ihrer Methode begründet. Obwohl Lauchert weitere, von der Identifizierung der Gesprächspartner unabhängige Textdifferenzen in den Anmerkungen zu seiner Edition detailliert vermerkt und als Kardinalstück der Argumentation einführt, bleibt allein die Anonymität der Sprecher in H für die Priorität der Handschrift entscheidend, während auf die weitere Varianz nur beiläufig verwiesen wird, ohne Beispiele für postulierte Ausfälle in A oder in der Handschrift vorgenommene „Verbesserungen“ gegenüber H zu geben (Friedrich Lauchert, Zwei Mannen, S. VII, IX). Aufgrund der fehlenden Belege bereits wenig überzeugend, bricht die Argumentation in sich zusammen, wenn man den Vergleichspunkt Laucherts kennt: „In Anmerkungen verzeichne ich die Abweichungen des von Karl Schmidt in seinem ‚Nicolaus von Basel‘ (Wien 1866, S. 205-277) veröffentlichten Textes von dem unsrigen“ (ibid., Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 538 rung der Kapitelüberschriften 460 und die Identifizierung der einzelnen Sprecher 461 - stützt, aus diesen jedoch eine Priorität von H gegenüber A nur sehr eingeschränkt abzuleiten ist, muß die vorliegende Studie trotz der Vorarbeiten Laucherts und Rieders eine eigenständige textkritische Analyse vornehmen, um die Prämissen, die die Untersuchungen stillschweigend voneinander übernehmen, zu umgehen. Ein Vergleich der Handschriften der Johanniter ergibt zunächst eine grundsätzliche Übereinstimmung der beiden Manuskripte in bezug auf den Textbestand des Haupttextes, da die Zusätze in der Fassung des ‚Großen deutschen Memorials‘ gegenüber H - die bereits wiedergegebenen Bemerkungen zur Entstehung des Textes in der Einleitung zur Gesamthandschrift (Bl. 7 v ; Rieder 1905, S. 18*28-19*21) sowie ein vor dem Text angefügtes Inhaltsverzeichnis (Bl. 192 v ; Rieder 1905, S. 39*36- 40*30) - durch ihre Position in einer Rubrik als redaktionelle Zusätze markiert sind, die keine Schlußfolgerungen in bezug auf die Handschriftengenese erlauben. Erst die Textgliederung zeigt deutliche Abweichungen: Der Text ist zwar in beiden Manuskripten in 13 Kapitel gegliedert, die auch in ihrem Textbestand deckungsgleich sind, allein die Kapitel in H sind weder durchgängig numeriert noch geben die Überschriften den Inhalt des folgenden Kapitels so präzise wieder wie die Rubriken in A. Die Bezeichnung des ersten Kapitels fehlt in H sogar vollständig, was Schmidt zu dem Fehlschluß führte, H weise keine Kapitelgliederung auf, A habe die „Kapitel- Abtheilung und die Überschriften“ 462 vollständig ergänzt. Die festgestellten Veränderungen der Überschriften sind aber durch den jeweils spezifischen Überlieferungszusammenhang zu erklären - bei A handelt es sich um eine Sammelhandschrift, die die Einzeltexte in die ihnen übergeordnete Anlage der Handschrift integriert, während H ausschließlich den Text der ‚zwey menschen‘ überliefert. Erst die Untersuchung der Varianz erlaubt somit Schlüsse auf das Verhältnis der beiden Manuskripte zueinander. Zahlreiche kleinere und zwei Hauptbefunde weisen A anscheinend als Abschrift der Einzelhandschrift H aus. Beide Handschriften Straßburger Provenienz weisen (1.) gemeinsame Fehler auf, von denen zwei besonders signifikant sind: a) die - bereits bei Schmidt 463 und Lauchert 464 vermerkte - Ellipse des Prädikats eines Hauptsatzes, die vielleicht durch das direkt vorausgehende Verb des Nebensatzes unbemerkt blieb: S. VI). Diese Gegenüberstellung mit Schmidts Edition und nicht mit der ihr zugrundeliegenden Handschrift A wird für Laucherts Analyse fatal, da sich 65 der in Anmerkungen gegebenen Textdifferenzen bei einem Vergleich mit dem Textverlauf im ‚Großen deutschen Memorial‘ als Fehler Schmidts erweisen. Die textkritische Analyse Rieders wiederum kann nicht zur Kontrolle der Ergebnisse Laucherts herangezogen werden, da sich Rieder in bezug auf die Textdifferenzen ausschließlich auf dessen Vorarbeiten stützt (vgl. Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 90). 460 Friedrich Lauchert, Einleitung, S. VII; Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 90. 461 Ibid.; Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 84-91. 462 Karl Schmidt, Nicolaus von Basel - Leben und ausgewählte Schriften, S. 205. 463 Ibid., S. 248. 464 Friedrich Lauchert, Zwei Mannen, S. 56. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 539 H A ich wil dir sagen von siben staffeln die daz meiste teil der menschen, die sich z gotte kerende sint vnd weler mensche ... (Bl. 87 r ; Lauchert 1896, S. 56, Z. 5f.) Ich wil dir sagen von siben staffeln die das meiste teil der menschen, die sich z gotte kerende sint, vnd weler mensche ... (Bl. 214 v ; Schmidt 1866, S. 248) b) ein offensichtlicher Textausfall, der daran zu erkennen ist, daß die Einleitung do sprach der eltere zwei Mal aufeinander folgt: H A do sprach der ander mensche: daz wil ich ger[111 r ]ne t n also es got gebende ist. ich wil dir e sagen eine gelichnisse ich wil dir sagen es solte beschehen das zwei menschen z dir kemment vnd dir beide geliche von rome seitent vnd dir beide geliche alle gelegenheit seitent wie rome geschaffen were. so giengest dv der vnd nemmest den einen svnder vs an ein ende vnd sprechest z ime: sage mir, dv hest mir gar wol von rome geseit bist dv selber do gesin vnd hest es selber gesehen so spreche er: nein ich habe es aber gar vil g ter menschen geh rt sagen denn wil ich wol gl ben so giengest dv der noch der vnd nemest den andern menschen ch svnder vs an [111 v ] ein ende vnd sprechest ch z dem: sage mir, hest dv mir von h rsagende also vil von rome geseit oder bist du selber do gesin so spreche er: ich habe gar vil von rome geh rt sagen vnd der z bin ich selber lange zit do gesin vnd habe rome durch sehen so weis ich daz wol, vnd woltest dv der noch gerne me von rome h ren sagen so wer dir gar vil lústlicher den menschen z h rende der es von h rsagende weis vnd der z ch selber do gewesen ist vnd es alles durch sehen hette denne dv den menschen hortest der n t anders seite denn von h r sagende sage mir, ist daz wor do sprach der ander [112 r ] mensche: io, es ist also so wil ich dir sagen, rehte z gelicher wise ist ch dis so ein groser meister ein lerer, bredigende ist der sich selber minnende vnd meinende ist vnd ch der z von gotte indewendig ber ret n t enist so denne ein einvaltiger, indewendiger, begnadeter mensche die bredige h rende ist so ist eins sollichen menschen sele also gar wise vnd vúrstot ch gar wol daz die wort n t lúterliche von minnen one alles warvmbe vsser gotte gonde sint so denn daz gnodelose Do sprach der iúngere R lmans geselle das wil ich gerne t n, alse es got gebende ist Ich wil dir e sagen eine glichnisse Ich wil dir sagen es solte beschehen das zwey menschen z dir kement vnd dir beide geliche von Rome seitent vnd dir beide gliche alle gelegenheit seitent, wie rome geschaffen were So gingest du der vnd nemest den einen sunder us an ein ende vnd sprechest z ime Sage mir, du hest mir gar wol von Rome geseit bist du selber do gesin vnd hest es selber gesehen So spreche er nein ich habe es aber gar vil g ter menschen geh ret sagen den wil ich wol gelouben So gingest du dar noch der vnde nemest den andern menschen ouch sunder us an ein ende vndsprechest ouch z dem Sage mir, hest du mir von h r sagende alse vil von rome geseit oder bist du selber do gesin So spreche er: Ich habe gar vil von Rome geh ret sagen, vnd der z bin ich selber lange zit do gesin vnd habe rome durch sehen So weis ich das wol, vnd woltest du der noch gerne me von Rome h ren sagen so were dir gar vil lústlicher den menschen z h rende der es von h rsagende weis vnde der z ouch selber do gewesen ist vnd es alles durch sehen hette denne du den menschen hortest der nút anders seite, denne von h rsagende Sage mir, ist das wor Do sprach der eltere Jo, es ist also So wil ich dir sagen, rehte z gelicher wise ist ouch dis so ein grosser meister, ein lerer, bredigende ist, der sich selber minnende vnd meinende ist vnd ouch dar z von gotte indewendig ber ret nút enist so denne ein einualtiger, indewendiger, begnadeter mensche die bredige h rende ist so ist eins solichen menschen sele [220 v ] alse gar wise vnd verstot ouch gar wol, das die wort nút lúterliche von minnen one alles war vmb usser gotte gonde sint So denne das gnodelose wort die edele, wise, minnende sele nút r rende ist do Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 540 wort die edele, wise, minnende sele n t r rende ist do abe kvmet denne, daz die natvre vrdrvz gewinnet so aber die sel [112 v ]be edele, wise sele einen lerer h rende ist des lere von der geschrift vnd von lebende ist die lere kvmet ch vsser g ttelicher minnen ein sollicher lerer, der vindet sich ch selber in keinen sachen weder minnende noch meinende ein sollicher lerer seit wort von h rsagende vsser der geschrift, wie das g teliche rome ane z sehende si vnd wie die strossen vffe dem wege gestalt sint wenne er ist ch die strossen mit der helfe gottes selber gangen, vnze daz er selber ettewas gesehen vnd befvnden het wie daz g tteliche rome ane z sehende si vnd so denn ein einvaltiger, begnadeter, inwendiger mensche ei[113 r ]nen sollichen begnadeten lerer horende ist so minnet ein iegelich ding gerne daz andere, daz ime gelich ist, vnd hie abe kvmet es ch daz eins got minnenden menschen sele die do h rende ist einen got minnenden vnde meinenden lerer daz dez selben menschen sele daz selbe wort also gar gerne h rende ist daz ch vsser g ttelicher minnen fliessende ist das des selben menschen nature mit demme geiste erfrowet vnd gestercket wurt nv der, lieber fr nt nv habe ich dich hie vs bescheiden also es got geben het do sprach der ander mensche ... (Bl. 110 v -113 r ; Lauchert 1896, S. 69, Z. 29-71, Z. 13) abe kummet denne, das die nature urdrutz gewinnet so aber die selbe edele, wise sele einen lerer h rende ist, des lere von der geschrift vnd von lebende kummet die lere kummet ouch usser g ttelicher minnen Ein solicher lerer, der vindet sich ouch selber in keinen sachen weder minnende noch meinende Ein solicher lerer seit wort von h rsagende usser der geschrift wie das g teliche rome an z sehende si vnd wie die strossen uffe dem wege gestalt sint wenne er ist ouch die strossen mit der helfe gottes selber gangen vntze das er selber ettewas gesehen vnd befunden het wie das g tteliche rome ane z sehende si vnde so denne ein einfaltiger, begnadeter, indewendiger mensche einen solichen begnadeten lerer h rende ist so minnet ein iegelich ding gerne das andere, das ime gelich ist vnde hie abe kummet es ouch, das eins got minnenden menschen sele, die do h rende ist einen got minnenden vnd meinenden lerer das des selben menschen sele das selbe wort alse gar gerne h rende ist, das ouch usser g ttelicher minnen fliessende ist das des selben menschen nature mit dem geiste erfrowet vnd gesterket wurt N der, lieber frúnt n habe ich dich hie us bescheiden, alse es got geben het Do sprach der eltere ... (Bl. 220 rv ; Schmidt 1866, S. 259f.) 465 Während die Verwandtschaft der beiden Handschriften somit nicht zu bezweifeln ist, stellt sich die Frage, ob die bisher angenommene Abhängigkeit (H>A) durch weitere Abweichungen bestätigt wird. Jene Differenzen, die sich nur in der Reihenfolge der Worte zeigen, einen durchgehenden Lexemersatz ohne Bedeutungsveränderung darstellen oder sogar eine andere Textversion bieten, 466 lassen keine Schlußfolgerungen zur Priorität einer der Handschriften zu. Der zweite Befund, der häufigere Ausfall von einzelnen Worten oder ganzen Satzteilen in A, bestätigt anscheinend die Vermutung, daß H - da diese Handschrift den ‚vollständigeren‘ Text 465 Der Fehler wurde von Schmidt in seiner Edition (1866) konjiziert, indem er einen erneuten Sprecherwechsel nach Jo es ist also (S. 260) einfügte. 466 So spricht H z.B. von der ordenvnge der heiligen k i r c h e n (Bl. 31 r ; Lauchert 1896, S. 21, Z. 1), A jedoch von der ordenunge der heiligen c r i s t e n h e i t (Bl. 200 v ; Schmidt 1866, S. 220). Auch die Variation zwischen so s l l e n wir nieman mit svnder worten n e m e n (H, Bl. 76 v ; Lauchert 1896, S. 48, Z. 23f.) und so m s s e n t [212 r ] wir nieman mit sundern worten n e n n e n (Bl. 211 v / 212 r ; Schmidt 1866, S. 242) ist als eine unterschiedliche Textfassung zu bezeichnen, von der keine Priorität von H abzulesen ist. Ebenso weist der Austausch des Wortes billiche (H, Bl. 85 r ; Lauchert 1896, S. 54, Z. 26f.) durch gewillikliche (A, Bl. 214 r ; Schmidt 1866, S. 247) in folgendem Satz keine Hinweise für die Beziehung der Handschriften auf: dez s llen wir in gar billiche lon geniessen. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 541 wiedergibt - die Vorlage von A ist, da Ausfälle in H gegenüber A deutlich seltener sind (insgesamt hat Ms. 2745 dreizehn Mal einen kürzeren Text als Ms. 739) und zum großen Teil als freie Ergänzungen in A oder als Verbesserungen von Abschreibefehlern in H 467 gewertet werden können. H 468 A Do brach die s sse stimme i n m i r vs vnd sprach (Bl. 22 r ; Lauchert 1896, S. 15, Z. 7) do brach die s sse stimme us vnd sprach (Bl. 198 v ; Schmidt 1866, S. 215f.) wenne das men dich ane sehende si fúr einen erbern, e i n v e l t i g e n , biderben cristen man (Bl. 30 v ; Lauchert 1896, S. 20, Z. 13-15) wenne das men dich ane sehende si fúr einen erbern, biderben cristen man (Bl. 200 v ; Schmidt 1866, S. 220) vnd gedohte d o an die menschen, die nv lebent (Bl. 33 v ; Lauchert 1896, S. 22, Z. 26f.) vnd [201 v ] gedohte an die menschen, die n lebent (Bl. 201 rv ; Schmidt 1866, S. 221) do nam ich mich c h do ane (Bl. 34 v ; Lauchert 1896, S. 23, Z. 14f.) do nam ich mich do ane (Bl. 201 v ; Schmidt 1866, S. 222) vnd m st leren, daz dich dirre g t e mensche gewiset vnd gelert het (Bl. 37 v ; Lauchert 1896, S. 25, Z. 6f.) vnd m st leren, das dich dirre mensche gewiset vnd geleret het (Bl. 202 r ; Schmidt 1866, S. 223) nv l i e b e n k i n t , nv kvment an dem dirten tage her wider (Bl. 40 v ; Lauchert 1896, S. 27, Z. 8f.) N kumment an dem dirten tage her wider (Bl. 203 r ; Schmidt 1866, S. 225) der z bin ch ich g a r ein verdorbener, durch beter, verzerter man (Bl. 46 r ; Lauchert 1896, S. 30, Z. 10f.) der z bin ouch ich ein verdorbener, durch beter, verzerter man (Bl. 204 v ; Schmidt 1866, S. 227) wenne er hette mir von grosen wundern geseit, von allen den landen vnd stetten d r t iensit [47 r ]te meres vnd hie dissitte meres (Bl. 46 v / 47 r ; Lauchert 1896, S. 30, Z. 30-32) wenne er hette mir von grossen wundern geseit, von allen den landen vnd stetten iensite meres vnd hie dise site meres (Bl. 204 v ; Schmidt 1866, S. 228) vnd er hies die ander begine c h [54 v ] z ir hin vs in die kamer gon (Bl. 54 rv ; Lauchert 1896, S. 35, Z. 10f.) vnd er hies die ander begine z ir hin us in die kammer gon (Bl. 206 v ; Schmidt 1866, S. 231) vnd r fte do gar sere got an [...] daz er ane sehe sine g r o s e , grvndelose erbermede (Bl. 55 v ; Lauchert 1896, S. 36, Z. 7f.) vnd r fte do gar sere got an [...], das er ane sehe sine grundelose erbermede (Bl. 207 r ; Schmidt 1866, S. 232) nv beite min hie ich wil an stette her wider i n kvmen (Bl. 57 r ; Lauchert 1896, S. 36, Z. 31f.) n beite min hie ich wil an stette her wider kummen (Bl. 207 r ; Schmidt 1866, S. 233) ich wil iemer a l l e i n e stette an dir bliben (Bl. 65 r ; Lauchert 1896, S. 41, Z. 15f.) ich wil iemer stete an dir bliben (Bl. 209 r ; Schmidt 1866, S. 237) 467 Vgl.: H A vnd ch noch nie do z kam Daz ich ie menschen me der von gesagen m hte (Bl. 2 r ; Lauchert 1896, S. 2, Z. 10-12) vnd ouch noch nie do z kam, das ich ie k e i m e menschen me der von gesagen m hte (Bl. 93 v ; Schmidt 1866, S. 206; Hervorhebung d.V.) vnd lebe nv in einer einveltiger, schlehten wisen rehte also ich getruwe, daz got (von durchgestrichen) haben welle (Bl. 67 v ; Lauchert 1896, S. 43, Z. 1f.) vnd lebe n in einer einveltigen, slehten wisen rehte alse ich getruwe, das e s got haben welle (Bl. 209 v ; Schmidt 1866, S. 238; Hervorhebung d.V.) 468 Die textuelle Varianz der Handschriften wird im folgenden durch Sperrung markiert. Wenn nicht anders ausgewiesen, wurden die Hervorhebungen daher stets von der Verfasserin vorgenommen. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 542 daz ich groser krancheit an a l l e r miner naturen gewar wart (Bl. 66 v ; Lauchert 1896, S. 42, Z. 15f.) das ich grosser krangheit an miner naturen gewar wart (Bl. 209 v ; Schmidt 1866, S. 237) was meinet es das so r e h t e lúzel menschen z dirre [...] worheite kvmende sint? (Bl. 83 v ; Lauchert 1896, S. 53, Z. 25-27) was meinet es das so lútzel menschen z dirre [...] worheite kummende sint? (Bl. 213 v ; Schmidt 1866, S. 246) daz der ewige vatter s e l b e r wurt sprechende (Bl. 86 r ; Lauchert 1896, S. 55, Z. 7f.) das der ewige vatter wurt sprechende (Bl. 214 r ; Schmidt 1866, S. 247) sage mir [...], wie einen menschen beschehe der [...] nv ein reht z nemen hette vnd eizehte vf gienge vn d c h d e n r e h t e n w e g v f g i e n g e vnze daz er daz neheste erlangete (Bl. 86 v ; Lauchert 1896, S. 55, Z. 17-21) Sage mir [...], wie einem menschen beschehe, der [...] n ein reht z nemen hette vnd eytzehte uf gienge vntze das er das neheste erlangete (Bl. 214 r ; Schmidt 1866, S. 247) ich wil vns einen rat geben vnd ist d a z , wo vnser namme mit namen genennet an den briefen stot (Bl. 145 v ; Lauchert 1896, S. 90, Z. 27-29) ich wil vns einen rat geben, vnd ist wo vnser namme mit nammen genennet an den briefen stot (Bl. 228 v ; Schmidt 1866, S. 276) Die zahlreichen Korrekturen, die in H nachgetragen wurden, gewähren zudem einen genaueren Einblick in die Genese der Handschriften, da sie zum größten Teil in den Textverlauf in A integriert sind. 469 Zwei Verbesserungen sind dabei besonders auffällig: H benutzte ursprünglich statt des Adverbs freliche stets das Adverb frevenliche in der Bedeutung ‚außerordentlich‘, 470 dies wurde jedoch nachträglich korrigiert in freliche (H, Bl. 7 r ; Lauchert 1896, S. 5, Z. 36; H, Bl. 8 rv ; S. 6, Z. 13, 20, 26; H, Bl. 29 r ; S. 19, Z. 16, 17). A hingegen liest fr liche (A, Bl. 195 r ; Schmidt 1866, S. 209; A, Bl. 200 r ; S. 219). Auch das in H auf Bl. 77 r (Lauchert 1896, S. 49, Z. 10, 19), Bl. 78 r (S. 50, Z. 6), Bl. 78 v (S. 50, Z. 18), Bl. 79 r (S. 50, Z. 21, 24; S. 51, Z. 1), Bl. 79 v (S. 51, Z. 9), Bl. 80 r (S. 51, Z. 12, 13, 16), Bl. 84 r (S. 54, Z. 7), Bl. 84 v (S. 54, Z. 16), Bl. 86 r (S. 55, Z. 11), Bl. 89 r (S. 57, Z. 9) erst nachträglich deklinierte iesus christus ist in A korrekt in den Textfluß integriert (Bl. 212 r [Schmidt 1866, S. 243]; Bl. 212 v [S. 244]; Bl. 213 v / 214 r [S. 246]; Bl. 214 r [S. 247]; Bl. 215 r [S. 249]; Bl. 224 v [S. 268]; Bl. 227 v [S. 275]). Diese Aufnahme der Korrekturen in den Textverlauf scheint auf den ersten Blick dafür zu sprechen, daß A nach den Verbesserungen in H von diesem Manuskript abgeschrieben wurde. Da die Korrekturen in H jedoch nicht vom Schreiber des Haupttextes vorgenommen wurden, vermutet Lauchert, daß es sich bei A zwar um eine Abschrift aus der Einzelhandschrift H handele, diese aber nachträglich nach A verbessert wurde. 471 Gegen diese Hypothese spricht, daß einige der in H nachträg- 469 So findet sich z.B. das in H (Bl. 2 r ; Lauchert 1896, S. 2, Z. 22) nachgetragene es im laufenden Text von A (Bl. 193 v ), auch sind ähnliche Einschübe in A stets in den Text integriert (H, Bl. 3 r : traf / Lauchert 1896, S. 3, Z. 6; A, Bl. 193 v ; H, Bl. 4 v : vnd / Lauchert 1896, S. 4, Z. 11; A, Bl. 194 r ). Die Tilgung in H, Bl. 8 r (Lauchert 1896, S. 6, Z. 26f.), die vs brenchende in vs brechende korrigiert, ist in A, Bl. 195 r (us brechende) übernommen, das in H nachträglich verbesserte dis in tisch (Bl. 25 r ; Lauchert 1896, S. 17, Z. 1) ist in A als tisch (Bl. 199 r ) vorhanden, die Korrektur H, Bl. 28 v , schoene aus scheine (Lauchert 1896, S. 19, Z. 7) ist in A (Bl. 200 r ) integriert. Lediglich die Korrektur auf Bl. 39 v (Lauchert 1896, S. 26, Z. 18) dorf aus dorfe ist nicht übertragen; in A (Bl. 202 v ) heißt es dorfe. 470 Friedrich Lauchert, Zwei Mannen, S. 5f. Anm. zu S. 5, Z. 36. 471 Ibid. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 543 lich vorgenommenen Deklinationen nicht von A übernommen worden sein können, da sie in A nicht vorhanden sind: H A von disen klaffenden, zorn m tigen menschen wurt c r i s t o (korrigiert aus cristus) sin liden wol ettewas gedanket (Bl. 78 v ; Lauchert 1896, S. 50, Z. 17f.) von disen klaffenden, zornm tigen menschen wurt c r i s t u s sin liden wol ettewas gedancket (Bl. 212 v ; Schmidt 1866, S. 243) dise menschen danckent c r i s t o (korrigiert aus cristus) sin liden noch me (Bl. 79 r ; Lauchert 1896, S. 50, Z. 23f.) Dise menschen danckent c r i s t u s sin liden noch me (Bl. 212 v ; Schmidt 1866, S. 244) sage mir [...] von den reht schuldigen menschen die c r i s t o (korrigiert aus cristus) sins [79 v ] lidendes rehte danckende sint (Bl. 79 rv ; Lauchert 1896, S. 50, Z. 30-S. 51, Z. 2) Sage mir [...] von den rehtschuldigen menschen, die c r i s t u s sins lidendes rehte danckende sint (Bl. 212 v ; Schmidt 1866, S. 244) der danket c r i s t o (korrigiert aus cristus) sins lidendes vffe eine stvnde me (Bl. 80 r ; Lauchert 1896, S. 51, Z. 16f.) der dancket c r i s t u s sins lidendes uffe eine stunde me (Bl. 212 v ; Schmidt 1866, S. 244) daz si ir indewendig bl t in rehter, dem tiger, vf gebender, sterbender gelosenheit c r i s t o (korrigiert aus cristus) noch giessen s llent (Bl. 84 r ; Lauchert 1896, S. 54, Z. 6f.) das sú ir indewendig bl t in rehter, dem tiger, uf gebender, sterbender gelossenheit c r i s t u s noch giessen s llent (Bl. 213 v ; Schmidt 1866, S. 246) Diese fehlenden Verbesserungen können weder durch die Auslegung Laucherts noch durch die bisher vorausgesetzte Abschrift des ‚Großen deutschen Memorials‘ von H nach den Korrekturen erklärt werden. Es bieten sich zwei neue Möglichkeiten des Verhältnisses der Handschriften an: Die Einzelhandschrift wie das ‚Große deutsche Memorial‘ können unabhängige Abschriften einer gemeinsamen Vorlage sein, die - wie in den Textzeugen des ‚b ch‘ außerhalb der Komturei üblich - für die nomina sacra die gängigen halblatinisierten Abkürzungen verwendet. Die Abweichungen zwischen A und H erklären sich in diesem Deutungshorizont als unterschiedliche Auflösungen der Kasusendungen der Kontraktionen. Beim Text im ‚Großen deutschen Memorial‘ kann es sich jedoch durchaus auch um eine Abschrift aus H handeln, insofern diese vor den Korrekturen in der Einzelhandschrift erstellt wurde und darüber hinaus in den Text ihrer Vorlage eingreift, indem sie offensichtliche Fehler verbessert und ungebräuchliche Ausdrücke ersetzt. Jene Textstellen, in denen entgegen der korrigierenden Arbeitsweise auch in A keine Deklinationen des Erlösernamens cristus vorliegen, können vom Kopisten des ‚Großen deutschen Memorials‘ schlicht übersehen worden oder - da sie sich auf die Dativmarkierung in einer spezifischen Konstruktion (Christus sein Leiden danken) konzentrieren - dem unterschiedlichen Sprachgefühl der Schreiber geschuldet sein: Während der Korrektor in H sich der lateinischen Kasusmarkierung bedient, verwendet A die deutsche Endung. Die Verbesserungen in H gingen folglich nicht, wie von Lauchert vermutet, auf den Schreiber von A zurück, sondern sind unabhängig von diesem Codex von einem späteren Leser oder einem Kopisten eines der weiteren auf dem ‚Grünen Wörth‘ erstellten Exemplare des Textes vorgenommen worden. Die textgenetische Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 544 Hypothese - A wurde vor den Korrekturen der Einzelhandschrift aus H abgeschrieben - wird durch die unterschiedliche Verbesserung eines Fehlers in den beiden Manuskripten der Johanniter zusätzlich bekräftigt: H A vnd do dise frowe also gar riche von gnaden wart do brach si vs gegen irme bihter vnd seite ime rehte alle ding wie ir b e s c h e h e (aus beschehen korrigiert durch Rasur des n) (Bl. 130 v ; Lauchert 1896, S. 81, Z. 28-30 und Anm. zu Z. 30) vnd do dise frowe alse gar riche von gnaden wart do brach sú us gegen irme bihter vnde seite ime rehte alle ding, wie ir b e s c h e h e n w e r e (were ist am rechten Rand ergänzt) (Bl. 224 v ; Schmidt 1866, S. 269) A scheint bei der Kopie noch der originäre Textverlauf in H vorgelegen zu haben - vnd seite ime rehte alle ding wie ir beschehen -, den der Kopist zunächst in das ‚Große deutsche Memorial‘ übertrug und erst nachträglich durch die Ergänzung der Konjunktiv Präteritum Form des verbums substantivum verbesserte, ohne eine gleichlautende Korrektur in H vorzunehmen (die Rasur der Infinitivendung in H kann jedoch durchaus im Zusammenhang mit der Abschrift stehen). Das Verhältnis der beiden auf dem ‚Grünen Wörth‘ entstandenen Handschriften ist folglich nicht abschließend zu bestimmen, da sowohl eine direkte Abhängigkeit als auch die unabhängige Kopie einer gemeinsamen Vorlage die Varianz der Codices erklären kann. Obwohl folglich beide Hypothesen im Hinblick auf ihr Erklärungspotential der textuellen Befunde gleichwertig sind, scheint die Ableitung der Textfassung in A aus H eingängiger, da „nichts [...] zu der Annahme einer anderen von unserer Handschrift verschiedenen Vorlage“ 472 nötigt. Durch die Vermutung, A sei von H abgeschrieben worden, erweist sich auch die im ‚Großen deutschen Memorial‘ vorgenommene Interpretation des ersten Kapitels als ‚Erfahrungsbericht‘ des Gottesfreundes als eigenständiger Zusatz der Sammelhandschrift, da H in der tradierten Form keine Grundlage für die Identifikation der Sprecher bietet und auch das ‚Briefbuch‘ (B) kein ‚Begleitschreiben‘ zum vorliegenden Text tradiert, das die Deutung des ‚Großen deutschen Memorials‘ untermauern könnte. 473 Die in der Johanniterkomturei tradierten Textzeugen des ‚b ch von den zwey menschen‘ gewähren somit einen Einblick in den Prozeß der Figurenkonstitution und -stabilisierung des ‚Gottesfreundes aus dem Oberland‘ und verdeutlichen demzufolge seinen modalen Status zwischen faktischem Mitstifter und fiktionaler Personifikation. In der Textversion in H, die die beiden Gesprächspartner nicht eindeutig bezeichnet oder näher charakterisiert, ist die formale Komposition der Lehre als Dialog zwischen zwei Gottesfreunden konstitutiver Bestandteil des didaktischen Programms des Textes. Die Gestaltung der Beziehung der beiden menschen nach dem Muster der amicitia spiritualis ist nicht allein ein narrativer Kunstgriff zur abwechslungsreicheren didaktischen Vermittlung oder Autorisationsinstrument für die in dem Kapitel vermittelte Lehre i.S. einer göttlichen Inspiration, vielmehr wird den Rezipienten das Modell eines gemeinschaftlichen spirituellen Fortschritts präsentiert: 472 Friedrich Lauchert, Einleitung, S. IX. 473 Vgl. auch: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 86. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 545 Durch die Liebe zu Gott verbunden, 474 gleichen sich Seelenfreunde in Tugendhaftigkeit und Weisheit und erlangen so eine völlige spirituelle Übereinstimmung (cor unum et anima una ; Act 4, 32), 475 die ihr umfassendes Vertrauen ineinander begründet. Durch den intimen Austausch ihrer religiösen ‚Erfahrungen‘ können sie einander Hilfe auf dem spirituellen Weg gewähren, so daß ihre gegenseitige Zuneigung sie in der Liebe zu Gott bestärkt. 476 Indem das ‚b ch‘ die Reflexionen über verschiedene Aspekte der vita religiosa als freies Gespräch unter Vertrauten, als confessiones und gegenseitige Ermutigungen imaginiert, führt es das Ideal der amicitia spiritualis vor. Nicht die monologische Unterweisung, sondern der mehrstimmige, aber einsinnige Austausch wird zur Grundlage eines spirituellen (Erkenntnis)Weges, der an eine Gemeinschaft gebunden ist und doch auf Gott bezogen bleibt. Im Rahmen einer Einführung in das Ideal christlicher Kommunität, rückt die Beziehung der Gesprächspartner und nicht ihre Identität und Individualität in den Mittelpunkt: Eine Differenzierung zwischen den beiden Gottesfreunden, die über die schlichte Unterscheidung ihrer Gesprächsanteile hinausgeht (der eine - der ander), ist nicht notwendig, da vorrangig nicht die individuelle Konstitution der Freundschaft zu Gott, die ‚Vita‘, interessiert, für die ein fester Referenzpunkt notwendig wäre, sondern das Rollenmodell einer Seelenfreundschaft vorgestellt werden soll. In der anonymen Fassung der Einzelhandschrift H wird das ‚b ch‘ folglich durch die Poetik der amicitia spiritualis bestimmt. Diese ars der spirituellen Freundschaft erfährt in den paratextuellen Rahmungen in den Codices der Johanniterkomturei sowie durch Zusätze im Haupttext eine stetig exakter werdende personale Konkretisierung: In den zumeist nachträglich ausradierten Glossen in H sowie in der (nur durch das Inhaltsverzeichnis in A und der Bearbeitung Goetzmanns zugänglichen) Textversion des ‚lateinischen Memorials‘ werden die beiden Gottesfreunde zunächst nur aufgrund ihres Alters unterschieden; die Redeeinleitungen grenzen den júnger von dem eltern ab. Dieser Differenzierungswunsch läßt ein verändertes Rezeptionsinteresse erkennen: Man möchte der selben menschen vnderscheit an dem nammen [...] wissen vnd verston (A, Bl. 7 v ; Rieder 1905, S. 19*17-21), d.h., es wird eine referentialisierende Lektürehaltung eingenommen, die die Gottesfreunde des ‚b ch‘ nicht als spirituelle Rollenmuster begreift, sondern diese zu individualisieren sucht und damit die exemplarische Poetik des Textes zugunsten einer Historisierung verschiebt. Die Bedeutung des ‚b ch von den zwey menschen‘ geht nicht in der Einführung in das Konzept der amicitia spiritualis auf, die historisch konkrete Sinnebene erhält ein Eigenrecht: Das ‚b ch‘ inszeniert sich als Ausfluß faktischen Geschehens. Diese Konkretisierung erfährt durch die Benennung des júng als R lmans geselle im ‚Großen deutschen Memorial‘ eine weitere Akzentuierung. Autorisiert wird die nachträgliche Decouvrierung der Identität der Textfigur, indem die redaktionelle Vorbe- 474 Vgl. zum Konzept der amicitia spiritualis: Reginald Hyatte, The Arts of Friendship. The Idealization of Friendship in Medieval and Early Renaissance Literature, Leiden [usw.] 1994 (Brill’s Studies in Intellectual History 50), S. 43-86, hier S. 61. 475 Ibid., S. 64. 476 Ibid., S. 68. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 546 merkung den Stifter Rulman Merswin und somit die Gemeinschaft des ‚Grünen Wörth‘ in die amicitia spiritualis einbindet: Die Intimität und das umfassende Vertrauen, das die textintern dargestellte Beziehung der spirituellen Freunde auszeichnet, wird auf die Entstehungssituation des ‚b ch‘ projiziert. So wie sich die gegenseitige Belehrung nicht auf das theologische Wissen der Gesprächspartner, sondern allein auf ihre familiaritas stützt, welche die lebensbestimmende Beziehung zu Gott in der zwischenmenschlichen amicitia spiegelt, bindet die Einleitung in A die Initiative zur Verschriftlichung des ‚b ch von den zwey menschen‘ in den engen und vertrauensvollen Kontakt der beiden Stifter ein. Die heimelichkeit von Seelenfreunden motiviert den Austausch ihrer ‚Lebensgeschichten‘, da ihr absolutes Einverständnis durch ihre Freundschaft zu Gott gewährleistet wird. Die Gestaltung der Textweitergabe als Intimitätsbezeugung läßt nicht nur Rulman Merswin an dem auf Vertrautheit basierenden, intimen Wissen partizipieren und stilisiert den Stifter zu einem göttlich inspirierten Seelenfreund, sondern weitet die Gruppe der Eingeweihten auf die gesamte Gemeinschaft des ‚Grünen Wörth‘ aus, so daß die Stiftung durch ihre Hausliteratur in die ideale Kommunität spiritueller Freunde eingebunden wird. Die nachträgliche Personalisierung der Textfiguren, die es ermöglicht, die Johanniterkomturei in das Konzept der Gottesfreundschaft einzubinden und die in den Texten artikulierte Spiritualität für die Kommunität verbindlich festzuschreiben, stützt sich folglich ausschließlich auf die formale Gestaltung des ‚b ch‘ als vertrauensvolles Gespräch zwischen Gottesfreunden - ein Modell, dessen unterschiedliche Spielarten die imaginäre Beziehung Rulman Merswins zum Gottesfreund aus dem Oberland auszugestalten hilft. Die Konstitution der Gottesfreund-Figur rekurriert somit auf den seit der Spätantike fortgeschriebenen Freundschaftsdiskurs: Als symbolischer Repräsentant der amicitia spiritualis bleibt die Figur im ‚b ch von den zwey menschen‘ primär relational bestimmt; ihre Bezeichnung im Haupttext, der erste Akt des Referierens, der die Figur erzeugt und durch ihre Form den Modus der Existenz der Figur de finiert, 477 etabliert keinen Namen, der als Referenzpunkt für weitere Informationen zur Figur genutzt werden könnte, sondern verweist auf die Qualität, die sie auszeichnet: R lmans geselle - die einzige Bezeichnung, die der Haupttext für den Gottesfreund kennt, - ist allein durch seine Beziehung zum Stifter des ‚Grünen Wörth‘ und nicht durch eine identitätsstiftende ‚Vita‘ definiert. Die Form der Benennung des ‚Gottesfreundes aus dem Oberland‘ signalisiert nicht nur seine Existenz, sondern weist ihn als Teil einer komplexeren Bedeutungsstruktur, als Exemplifikation narrativen Sinns aus. Zugleich bedingt die Anbindung an eine historisch verifizierbare Person eine signifikante Umdeutung des ‚b ch von den zwey menschen‘. Die „quasi lebensweltliche Fundamentierung“ 478 der handelnden Figur blendet die „progammatischexemplarische Signifikanz“ 479 des Geschehens, die in der anonymen Tradierung im Vordergrund steht, zugunsten der Konstruktion einer göttlich inspirierten Stifter- 477 Fotis Jannidis, Figur und Person. Beitrag zu einer historischen Narratologie, Berlin; New York 2004 (Narratologia 3), S. 129. 478 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 238. 479 Ibid., S. 242. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 547 figur aus: Das ‚b ch von den zwey menschen‘ ist nicht länger allgemeingültige Anleitung zur Andachtspraxis, sondern Gründervita, die in der von den Stiftern gepflegten vita religiosa den Sinn der Stiftung grundlegt. Aus einem vrúnt gottes, dem Prototyp des amicus spiritualis, wird R lmans geselle. Obwohl die überlieferungsgeschichtliche Untersuchung der Textzeugen des ‚Grünen Wörth‘ folglich die Vermutung Rieders bestätigen konnte - die repersonalisierende und referentialisierende Lektüre kann erst in den redaktionellen Zusätzen des ‚Großen deutschen Memorials‘ nachgewiesen werden und hat keine realweltliche Grundlage, sondern dient der Identitätsstiftung der Johanniterkomturei - trotz des Nachweises der Nachträglichkeit und literarischen Gestaltung der contrafaktischen Anbindung an den ‚Grünen Wörth‘ ist der Status der paratextuellen Rezeptionsanweisung nicht als schlichte Fälschung zu bezeichnen, sondern durch ein Oszillieren zwischen Fiktionalität und dem Anspruch auf Faktizität gekennzeichnet, dessen zeitgenössische Interpretation in den Überlieferungszeugen außerhalb der Komturei im folgenden rekonstruiert werden soll. 4.4.2.2 exempel der nach volgung - Die Tradierung des ‚b ch von den zwey menschen‘ in der dominikanischen Ordensreform des 15. Jahrhunderts Durch den Nachweis, daß es sich bei den in A gemachten Angaben zur Textgenese um eine nachträgliche, institutionshistorisch motivierte Interpretation eines in H anonym tradierten Textes handelt, gewinnen die Überlieferungsträger des ‚b ch von den zwey menschen‘, deren Provenienz nicht in der Johanniterkommende liegt, an Bedeutung, da der Text somit auch außerhalb der Stiftung entstanden sein kann. In konsequenter Zuspitzung seiner Interpretation spricht Rieder dem ‚b ch von den zwey menschen‘ nicht nur die biographische Legitimation durch die Stifter, sondern zugleich die Komposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ ab. 480 Als einer unter zahlreichen Textzeugen ist H zwar der ‚Eintritt‘ des ‚b ch‘ in das Textcorpus der Johanniter, nach der Hypothese Rieders geht die Überlieferung außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ aber wahrscheinlich nicht auf die Einzelhandschrift zurück, sondern ist als Zeugnis jener der Komturei vorangehenden Tradition des Textes ein weiterer Beleg für die aneignenden Bearbeitungsverfahren der Straßburger Manuskriptwerkstatt. Bezieht man die außerhalb der Johanniterkomturei entstandenen Textzeugen in die Rekonstruktion der Textgenese mit ein, erweisen sich jedoch nicht nur alle Manuskripte als nachträgliche 481 Abschriften 482 der Codices des ‚Grünen Wörth‘, sondern verdeut- 480 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 111. 481 Die Freiburger Handschrift (Fr 194) kann mit Hilfe einer Wasserzeichenuntersuchung auf die Jahre 1425/ 26 datiert werden (vgl. S. 240); paläographische Kriterien weisen für die Leipziger (L) und die Pariser Handschrift (P) in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts (vgl. S. 245, 247). Sowohl das ‚Autograph‘ des Textes, das vor 1370 entstanden sein muß (vgl. S. 208), als auch das ‚Große deutsche Memorial‘, dessen Komposition in die Jahre 1382 bis 1391 fällt (vgl. S. 68-70), sind folglich deutlich früher entstanden. 482 Fr 194 ist durch zahlreiche Augensprünge als Abschrift charakterisiert: So kommt es z.B. auf Bl. 142 v zum Ausfall eines Teilsatzes, ausgelöst von stonde. In A und H lautet der Satz: er vinde sich denne selber vffe diseme wege stonde vnd so er sich vindet vffe diseme wege stonde so haltet er sich denne erst fúr einen s nder (H, Bl. 83 r ; Lauchert 1896, S. 53, Z. 17-19; A, Bl. 213 v ; Schmidt 1866, S. 246), während Fr 194 folgenden Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 548 lichen auch ein zeitgenössisches Textverständnis, das den Ausweis des Geschehens als ‚Erleben‘ des Gottesfreundes nicht als konstitutive Aussage über den Realitätsgehalt des Textes begreift und folglich nicht als Signal einer referentialisierenden Lektüre versteht, die der Etablierung eines heiligen Stifters im kollektiven Gedächtnis dient; vielmehr lesen die Textzeugen des ‚b ch von den zwey menschen‘, die außerhalb der Komturei entstanden, den Gottesfreund als „saint construit“, 483 dessen ‚Vita‘ an die im Text präsentierte Form der Spiritualität angepaßt werden kann. Um die spezifische Rezeptionslenkung, die vom ‚Grünen Wörth‘ ausging, sowie die Interessen, die die Lektüre des ‚b ch‘ außerhalb der Stiftung motivierten, zu rekonstruieren, sind zwei Arbeitsschritte notwendig: Zunächst muß der textkritische Nachweis erbracht werden, daß alle bekannten Überlieferungsträger des ‚b ch von den zwey menschen‘ von den Textzeugen der Johanniterkomturei abhängig sind. Erst wenn der Ursprung des Textes in der Manuskriptwerkstatt der Johanniter, denen im Rahmen der Stiftermemoria an der Verbreitung der Identifikation der Textfiguren gelegen sein muß, erwiesen ist, kommt den weiteren Überlieferungsträgern eine eminente Bedeutung zu: Die Handschriften, die außerhalb der Komturei auf der Grundlage ihrer Codices geschrieben wurden, offenbaren die zeitgenössische Interpretation der Gottesfreund-Figur. Von den drei erhaltenen Textzeugen, deren Provenienz nicht auf dem ‚Grünen Wörth‘ liegt, macht nur das Leipziger Manuskript explizite Angaben zu seiner Vorlage: Diß stot in der Johanser vrkúnde b ch geschriben von den zwein menschen das erste capittel (L, Bl. 98 r ). Aus dem am Ende der Handschrift beigefügten Inhaltsverzeichnis ist des weiteren zu entnehmen, daß es sich beim gesamten Leipziger Manuskript bis zum 170. Blatt um eine Abschrift eines Urkundenbuches der Johanniter handelt: Diß stot alles (uor nachgetragen) geschriben in der Johaniser vrkúnde b ch z Stroßburg von dem ane vange diß b ches bicz an das clxx (L, Bl. 275 v ). Das danach gegebene Inhaltsverzeichnis unterscheidet für die Handschrift der Johanniter folgende Kapitel: Von einre predigen, die seit von xxiiij stúcken, die geh rent volkomenen mensch z vnd wer s an imme hat, der irret nit Die xxiiij stúck in dem iiij blat. Vnd wie der man die bredigen abschreib vnd wie er den meister strofte vnd in z gotte zoch vnd im der meister uolgte vij. Vnd wie der man dem meister seitte sine bunge, die er selber geton hette xj. Vnd wie der meister die ober zile anderwerbe lerte xix. Vnd wie der meister noch dem mane sante xxiiij. Von der ersten bredige, die der meister det, do er erlúhtet was worden von dem g tlichen liehte, vnd ist die bredige, wie der brútegom der brúte schencket vnd wie wir dem brútegom engegen s llen gon xxxj. Text bietet: er vinde denne sich selber vf disem wege stonde, so haltet er sich denne erst fúr einen súnder. Neben dem expliziten Verweis, das in der Leipziger Handschrift Enthaltene sei alles (uor nachgetragen) geschriben in der Johaniser vrkúnde b ch (L, Bl. 275 v ), bestätigen zahlreiche Flüchtigkeitsfehler, daß es sich bei dem Codex um eine Kopie handeln muß. In L (Bl. 126 v ) entfällt beispielsweise ein Hauptsatz, da die parataktische Reihung mehrerer parallel gebauter Hauptsätze einen Augensprung bewirkt; es heißt nicht: dem menschen bristet daz so gebristet dem daz so jrret sich der mensche vaste mit den sachen so svmet sich der mensche vaste an der sachen (H, Bl. 71 r ; Lauchert 1896, S. 45, Z. 22-25), der Satz bricht vielmehr mit der ersten Verirrung des Menschen ab: dem menschen gebristet das, So bristet dem das, So irret sich der mensche vaste an der sachen (Bl. 126 v ). 483 Vgl. Pierre Delooz, Sociologie et canonisation, S. 7f. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 549 [276 r ] Die dritte bredige, die der meister det dem weltlichen volcke xxxviij. Die vierde bredige, die der meister det von dem sacramente xlvii. (korrigiert aus xlviij) Wie alle creaturen den menchen wisent z gotte lix (korrigiert aus ljxj) Diß ist von deß meisters ende lxxij. Von einer geistlichen vffart lxxxvj. Die eine bredige beschach in einer closen lxxxj. (korrigiert aus lxxxjjii [? ]) Disse bredige det vnser liebe frowe lxxxxj. Von den zwein menschen die zesamen koment vnd einer grossen krangheit befundent lxxxxvij. (korrigiert aus Cj) Das ander capittel seit von dem andern menschen, wie der ouch sin leben seit Cxvj. (korrigiert aus cxxiij) Das dritte cappittel seit von hinder reden Cxxv. (korrigiert aus cxxxij) Das iiij cappitel seit von volkomener m nne Cxxix. (korrigiert aus Cxxxvij) Das v cappitl [sic! ] seit von bredigen horen Cxxxij. (korrigiert aus Cxlj) [276 v ] Das vj cappittel seit von der súnde, die do heisset vnkúscheit Cxxxv. (korrigiert aus Cxliiij) Das vij cappittel, wie das gie [sic! ] gnode den menschen nit z helffe kumet, do ist der mensch schuldig an Cxxxvij. (korrigiert aus Cxlvij) Das viij cappitel von dem fronlichamen vnsers herren Cxl. (korrigiert) Das viiij capittel, wie das man so wenig brediget von der erbermde gottes cxlvj. (korrigiert aus Clvij) Das x capittel seit vnderscheid zwúschen einem gelossenen menschen vnd vernúnftigen menschen Cxlviij. (korrigiert aus Clix) Das xi capittel seit von einem weltwisen manne, wie das sich der nit woltte der weltte ab t n. Das wart im gar leid. Diß ist gar ein notdúrftige rede cliij. (korrigiert aus Clxv) Das xij capittel seit von dem liden vnsers herren Clxii. (korrigiert aus Clxxv) Das vierde cappittel vsser der Johanser vrkúnde b ch, wie die g twilligen mensch irre louffent also die scheffelin vnder die wolfe clxv (korrigiert aus Clxxviij) (L, Bl. 275 v -276 v ). Geht man davon aus, daß die Leipziger Handschrift die Struktur ihrer Vorlage getreu übernahm, ist aus dem Inhaltsverzeichnis zu erschließen, daß L weder von H noch von A abgeschrieben wurde, sondern auf ein nicht überliefertes Urkundenbuch der Johanniter zurückgeht, das neben dem ‚b ch von den zwey menschen‘ das ‚Meisterbuch‘ umfaßte. Im Gegensatz zum Leipziger Codex schweigen sowohl die Pariser als auch die Freiburger Handschrift über ihre Quellen. Während der Kopie des siebten Kapitels des ‚b ch von den zwey menschen‘ in P jegliche Überschrift fehlt und somit redaktionelle Bemerkungen zum Ursprung des Textes nicht vorhanden sind, bezeugt die Identifizierung der Sprecher in Fr 194 die Abhängigkeit dieses Manuskripts von der Stiftung Merswins, da die Einleitung der Dialogbeiträge stets - und nicht, wie von Rieder behauptet, erst ab dem 13. Kapitel 484 - zwischen einem elter[n] und dem jung, R lmans geselle, unterscheidet. Da die Freiburger Handschrift auch dann den Textverlauf mit A teilt, wenn die Identifizierung des jüngeren Gesprächsteilnehmers mit dem Gottesfreund aus dem Oberland entfällt (vgl. A, Bl. 210 r / Fr 194, Bl. 137 r ; A, 484 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. XIX. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 550 Bl. 211 v / Fr 194, Bl. 139 v ; A, Bl. 225 r / Fr 194, Bl. 162 r ), scheint der Freiburger Codex eine wortgetreue Kopie des ‚Großen deutschen Memorials‘ zu bieten. Obwohl somit (zumindest) zwei der nicht auf dem ‚Grünen Wörth‘ entstandenen Textzeugen auf Vorlagen aus der Johanniterkomturei zurückgreifen, verdeutlicht die Textgliederung, daß die Johanniter nicht versuchten, die Rezeption des bereitgestellten Textes auch außerhalb ihres Konventes als Lebensbeschreibung ihres heiligmäßigen Stifters zu etablieren, da sie offensichtlich unterschiedliche Codices für die Kopien bereitstellten, die in ihrer Textstruktur und im erzählten Geschehen abweichen: Die Handschrift Fr 194 übernimmt die Kapitelnumerierungen und -bezeichnungen getreu aus ihrer Vorlage, da eine Anpassung der Textgliederung an ein die gesamte Sammelhandschrift umfassendes Konzept nicht angestrebt wird - wie die Beibehaltung der Kapitelzählung trotz der zu Beginn des Textes vorgenommenen Kürzung 485 eindringlich zeigt. H kann dabei als Quelle ausgeschlossen wer- 485 Neben der vorsätzlichen Beschränkung der Freiburger Abschrift auf die Kapitel drei bis dreizehn, die im Rahmen der didaktisierenden Bearbeitungsformen diskutiert wird (s. S. 563-566), weist die Handschrift auch Fälle von Textausfall auf, die nicht eindeutig als Kürzungen charakterisiert werden können, deren Ellipse jedoch durchaus thematisch erklärt werden könnte. So entfällt im siebten Kapitel (Fr 194, Bl. 148 v ), das von der Suche eines weltwisen nach der ihm von Gott bestimmten Lebensform berichtet, die Gegenüberstellung des Ratschlags des Gottesfreundes mit der Empfehlung des Beichtvaters des Gelehrten (vgl. H, Bl. 98 v -100 v ; Lauchert 1896, S. 62, Z. 35-S. 64, Z. 2 / A, Bl. 217 rv ; Schmidt 1866, S. 253f.): In der Freiburger Handschrift werden weder die Argumente des Geistlichen - er warnt vor der Weltabkehr, da Gott den weltwisen an diese Stelle in der Schöpfung gestellt habe, um den Menschen mit seinem Wissen zu dienen - noch die vom Jüngeren vorgebrachten Gründe für die (innere) Emigration wiedergegeben, im Freiburger Codex erstreckt sich die Textpassage ausschließlich auf die Empfehlung des Beichtvaters, eine detaillierte Begründung entfällt. Der geringere Textumfang kann auf zwei Arten erklärt werden: Für eine a b s i c h t l i c h e Kürzung spricht zum einen die Tatsache, daß auch der neue Textverlauf durchaus sinnvoll erscheint, da der Dialog zwischen dem weltwisen man und dem bihter durch den Rat des letzteren abgeschlossen wird; zum anderen kann eine schlüssige Erklärung für eine an dieser Stelle vorgenommene Streichung gegeben werden: Der ausgefallene Text gibt nämlich eine ausführliche Begründung, warum der weltwise sich n i c h t von der Welt abkehren und múnich werden soll. Obwohl der Text im weiteren Verlauf diese Meinung als falsch kennzeichnet, indem der Ratschlag den weltwisen nicht von seinem getrenge befreit, ist es zumindest denkbar, daß die Schreiberin / der Redaktor der Handschrift diese Passage für ein Frauenkloster als ungeeignet erachtete, und sie so der Zensur unterwarf. Ein z u f ä l l i g e r Ausfall ist demgegenüber jedoch auch denkbar. Der Zeilensprung - ausgelöst von vnd were ich an uwerre stat - hätte zwar eine große Reichweite (in der Fassung Schmidts fast eine Druckseite), ist aber durch die große Flüchtigkeit, die die Handschrift grundsätzlich auszeichnet, durchaus möglich. Für die Annahme, es handle sich um einen Abschreibefehler, spricht auch ein vergleichbar langer Ausfall, der - zwar noch immer einen grammatikalisch und syntaktisch sinnvollen Text in der Freiburger Handschrift ergibt - jedoch die Anschaulichkeit und Übertragbarkeit eines gegebenen Gleichnisses (ohne erkennbaren Grund) stark einschränkt. Nach einer Erklärung befragt, wie es komme, daß zwei Predigten, die den gleichen Evangelientext zur Grundlage haben und auch uffe einen sin auslegen, einen vollkommen unterschiedlichen Eindruck auf den Zuhörer machen könnten, antwortet der Jüngere mit einem Gleichnis über den Bericht von zwei Romfahrten. Ebenso wie jene Beschreibungen Roms, die auf einem Aufenthalt des Berichtenden in Rom fußten, einen stärkeren Eindruck auf den Rezipienten machten und in ihm ein größeres Verlangen nach weiteren Berichten entfachten als die Beschreibung vom ‚Hörensagen‘, sei die Predigt eindringlicher, die über vom Prediger Er- oder Gelebtes spricht. Alle Handschriften verwenden dieses Gleichnis, führen es jedoch unterschiedlich aus: A und H bieten zwei Gespräche mit Romfahrern - ein erstes mit einem Belesenen, ein zweites mit einem Erlebenden - und übertragen sie dann auf die Prediger (H, Bl. 110 v -111 v ; Lauchert 1896, S. 69, Z. 29-S. 70, Z. 17 / A, Bl. 220 r ; Schmidt 1866, S. 259; vgl. S. 539f.). Fr 194 (Bl. 152 v / 153 r ) hingegen gibt nur das zweite Gespräch wieder: Die explizite Anbindung des Gleichnisses an den Parallelfall der Prediger macht im Textverlauf, den A und H wiedergeben, weitaus mehr Sinn, da die zwei Rombe- Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 551 den, da die in Fr 194 gegebenen Kapitelcharakterisierungen sich an die Formulierungen im ‚Großen deutschen Memorial‘ anlehnen. Geht Fr 194 somit wahrscheinlich auf eine zumindest A-ähnliche Vorlage zurück, kann das Urkundenbuch, das der Leipziger Handschrift als Vorlage gedient hat, weder von A noch von H abgeschrieben worden sein: Zwar entsprechen die einzelnen Kapitel in ihrem Umfang und Aufbau genau der Textstruktur der Überlieferung innerhalb des ‚Grünen Wörth‘, die Textfassung in L weist ihr gegenüber jedoch auch deutliche Differenzen auf: Zum einen stimmt die Abfolge der dreizehn Kapitel in L nicht mit der restlichen Überlieferung überein; das siebte und vierte Kapitel werden (als elftes und zwölftes Kapitel) an das Ende des Textes gestellt, das sechste Kapitel entfällt vollständig. Zum anderen zeigen die Kapitelüberschriften keine deutliche Orientierung an der Formulierung in einer der überlieferten, möglichen Vorlagen: Die Kapitel sind (wie in A) durchnumeriert, die Bezeichnungen des Inhalts des Kapitels orientieren sich teilweise an H (Kapitel 3-7, 9, 10), sind jedoch durchaus eigenständig. Die Textgliederung läßt so vermuten, daß die beiden Überlieferungen des Volltextes, die außerhalb der Johanniterkomturei geschrieben wurden, nicht die gleiche Handschrift kopierten: Fr 194 scheint der Textform in A, L eher der Version in H zu folgen. Die Textdifferenzen der Freiburger Handschrift gegenüber A und H bestätigen die Annahme, sie sei aus A entstanden, da das Manuskript häufig mit dem ‚Großen deutschen Memorial‘ gegen H übereinstimmt. So weisen A und Fr 194 nicht nur die gleiche Reihenfolge der Worte auf und verwenden - in Abgrenzung zu H - das gleiche Lexem oder bieten sogar die gleiche Textversion, 486 sondern haben auch - und dies soll im folgenden wegen seiner besonderen Aussagekraft im Mittelpunkt stehen - übereinstimmende Textverluste und Fehler gegenüber H. H A Fr 194 so irret sich der mensche v a s t e m i t d e n s a c h e n so svmet sich der mensche v a s t e a n d e r s a c h e n vnd hindert sich mitte (Bl. 71 r ; Lauchert 1896, S. 45, Z. 23-25) so irret sich der mensche v a s t e m i t d e n s a c h e n so sumet sich der mensche v a s t e m i t d e r s a c h e n vnd hindert sich mitte (Bl. 210 v ; Schmidt 1866, S. 240) so irret sich der mensche v a s t m i t d e n s a c h e n , so sumet sich der mensche v a s t m i t d e r s a c h e vnd hindert sich mit (Bl. 137 v ) Das ‚Große deutsche Memorial‘ und die Handschrift aus dem Klarissenkloster zeigen hier den gleichen Abschreibefehler, begründet durch einen Zeilensprung, der von vaste ausgelöst wurde. Ein ähnlicher Fall findet sich im sechsten Kapitel: schreibungen durch die Befragung des „Daheimgebliebenen“ leichter auf die Prediger übertragbar sind. Die Kürzung in der Freiburger Handschrift stellt so wahrscheinlich ein Homöoteleuton dar, das von sage mir ausgelöst wurde. 486 Aus den zahlreichen Fällen sei hier der übereinstimmende Textverlauf der beiden Handschriften in jener Textstelle angegeben, die oben (S. 544) als unterschiedliche Verbesserung eines Fehlers in A und H interpretiert wurde: Sowohl das ‚Große deutsche Memorial‘ (Bl. 224 v ; Schmidt 1866, S. 269) als auch Handschrift Nr. 194 der Universitätsbibliothek Freiburg (Bl. 161 r ) geben folgenden Textverlauf: vnd seite Im rechte alle ding, wie ir beschehen w e r e . Das Manuskript H (Bl. 130 v ; Lauchert 1896, S. 81, Z. 28-30) liest demgegenüber: vnd seite ime rehte alle ding wie ir b e s c h e h e (aus beschehen korrigiert durch Rasur des n). Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 552 H A Fr 194 sage mir [...], wie einen menschen beschehe der ein ane vohender mensche were vnd der nv ein reht z nemen hette vnd eizehte v f g i e n g e v n d c h d e n r e h t e n w e g v f g i e n g e v n z e daz er daz neheste erlangete (Bl. 86 v ; Lauchert 1896, S. 55, Z. 17-21) Sage mir [...], wie einem menschen beschehe, der ein ane vohender mensche were vnd der n ein reht z nemen hette vnd eytzehte u f g i e n g e v n t z e das er das neheste erlangete (Bl. 214 r ; Schmidt 1866, S. 247) Sage mir [...], wie einem menschen beschehe, der ein an vohender mensche were, vnd der nun ein recht z nemen hette vnd eýtzechte v f g i e n g e , v n t z daz er daz nechste erlangete (Bl. 143 v ) Auch jene Textdifferenzen, welche die Freiburger Handschrift mit H gegen A teilt, sprechen nicht gegen eine Abschrift aus dem ‚Großen deutschen Memorial‘, da es sich zumeist um einen gemeinsamen Austausch von Synonymen 487 gegen A oder um eine Veränderung des Modus des Verbs handelt, die auch unabhängig voneinander vorgenommen worden sein können. Die Textfassung der Freiburger Handschrift kann jedoch nicht allein als Kopie aus A erklärt werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die Schreiberin bzw. der Redaktor selbständig Eingriffe in den Text vornahm. Zunächst verbessert die Handschrift eindeutige Fehler in A, wie z.B.: A (Bl. 221 r ; Schmidt 1866, S. 262) Fr 194 (Bl. 154 v ) das es vor gotte keis vnkúschikeit h e i s s e n daz es vor got keins vnkúschikeit h e i s s e t Korrigiert wurden dabei auch den Johannitermanuskripten gemeinsame Fehler: H/ A (zit. nach H) Fr 194 ich wil dir sagen von siben staffeln die daz meiste teil der menschen, die sich z gotte kerende sint vnd weler mensche ... (H, Bl. 87 r ; Lauchert 1896, S. 56, Z. 5f. / A, Bl. 214 r ; Schmidt 1866, S. 248) Ich wil dir sagen von siben staffeln, die daz meýste teil der menschen, die sich got [sic! ] kerende sint, g a n t vnd weler mensche ... (Bl. 144 r ) Darüber hinaus zeigen der durchgehende Ersatz von Lexemen (wie z.B. innewendig) 488 und die abweichende Verwendung von Verbformen eine Anpassung der Textversion an den Dialekt oder Idiolekt der Schreiberin. So wird die Substitution des in H und A bevorzugten Gerundiums durch ein Vollverb 489 durch eine Verbesserung in der Handschrift als bewußtes Vorgehen deutlich: daz mag mir ouch ze helffe (korrigiert aus helffende) komen (Bl. 151 r ). Ebenso scheint die Deklination von iesus christus nicht allein durch die Vorlage, sondern auch durch den eigenen Sprachgebrauch geprägt: Folgt Fr 194 zumeist der Deklinationsform in A, bietet die Handschrift - ebenso wie H - an einigen Stellen die lateinische Dativendung -o, wenn sich A an der deutschen Substantivendung orientiert: 487 Als Beispiel soll hier der wiederholte Gebrauch des Wortes nemen (H, Bl. 70 v [Lauchert 1896, S. 45, Z. 14]; Fr 194, Bl. 137 v ) anstelle von nennen A (Bl. 210 v ; Schmidt 1866, S. 240) genügen. 488 Vgl. A, Bl. 211 v vs. Fr 194, Bl. 139 r ; A, Bl. 213 v vs. Fr 194, Bl. 143 r ; A, Bl. 220 r vs. Fr 194, Bl. 152 v ; A, Bl. 220 v vs. Fr 194, Bl. 153 v . 489 Vgl. A, Bl. 211 r vs. Fr 194, Bl. 138 r ; A, Bl. 214 r vs. Fr 194, Bl. 143 v ; A, Bl. 217 r vs. Fr 194, Bl. 148 r ; A, Bl. 218 r vs. Fr 194, Bl. 149 r . Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 553 H A Fr 194 dise menschen danckent c r i s t o (korrigiert aus cristus) sin liden noch me (Bl. 79 r ; Lauchert 1896, S. 50, Z. 23f.) Dise menschen danckent c r i s t u s sin liden noch me (Bl. 212 v ; Schmidt 1866, S. 244) Dise menschen danckent x p o sinem liden noch me (Bl. 141 r ) der danket c r i s t o (korrigiert aus cristus) sins lidendes vffe eine stvnde me (Bl. 80 r ; Lauchert 1896, S. 51, Z. 16f.) der dancket c r i s t u s sins lidendes uffe eine stunde me (Bl. 212 v ; Schmidt 1866, S. 244) der dancket x p o sines lidens vf ein stunde me (Bl. 141 r ) daz si ir indewendig bl t in rehter, dem tiger, vf gebender, sterbender gelosenheit c r i s t o (korrigiert aus cristus) noch giessen s llent (Bl. 84 r ; Lauchert 1896, S. 54, Z. 6f.) das sú ir indewendig bl t in rehter, dem tiger, uf gebender, sterbender gelossenheit c r i s t u s noch giessen s llent (Bl. 213 v ; Schmidt 1866, S. 246) daz sú ir Innewendig bl t In rechter, dem tiger, vfgebender, sterbender gelossenheit x p o nachgiessen súllent (Bl. 143 r ) vnd c r i s t u s in ime geborn werden vnd er wider vmbe in c r i s t u s (Bl. 129 r ; Lauchert 1896, S. 81, Z. 5f.) vnd c r i s t u s in ime geborn werden vnd er wider vmb in c r i s t o (Bl. 224 v ; Schmidt 1866, S. 268) vnd In im geborn werden vnd er wider vmb In x p o (Bl. 160 v ) Diese wechselnden Gemeinsamkeiten sprechen dafür, daß Fr 194 die Textfassung im ‚Großen deutschen Memorial‘ kopierte und mit der Einführung der lateinischen Abkürzungen auch eine Relatinisierung des Deklinationssystems vornahm, die nur zweimal mißglückte: H A Fr 194 von disen klaffenden, zorn m tigen menschen wurt c r i s t o (korrigiert aus cristus) sin liden wol ettewas gedanket (Bl. 78 v ; Lauchert 1896, S. 50, Z. 17f.) von disen klaffenden, zornm tigen menschen wurt c r i s t u s sin liden wol ettewas gedancket (Bl. 212 v ; Schmidt 1866, S. 243) von disen klaffenden, zorn m tigen menschen wirt x p s sin liden wol etwas gedancket (Bl. 140 v ) sage mir [...] von den reht schuldigen menschen die c r i s t o (korrigiert aus cristus) sins [79 v ] lidendes rehte danckende sint (Bl. 79 rv ; Lauchert 1896, S. 50, Z. 30-51, Z. 2) Sage mir [...] von den rehtschuldigen menschen, die c r i s t u s sins lidendes rehte danckende sint (Bl. 212 v ; Schmidt 1866, S. 244) Sage mir [...] von den rechtschuldigen menschen, die x p s sines lidens rechte danckende sint (Bl. 141 r ) Dieses Eingreifen in die Vorlage wird durch zahlreiche Stellen gestützt, in denen die Freiburger Handschrift eine andere Textversion bietet als A oder H. Hier soll ein Beispiel genügen: A/ H (zit. nach A) Fr 194 vnd ist das sache, (daz diese menschen gestrichen) daz dise menschen das inre bl t nút vs giessende sint (H, Bl. 79 r ; A, Bl. 212 v ; Schmidt 1866, S. 244) vnd ist daz sache, das dise menschen nit betrachtent daz vßgiessende sines edelen, kostberen bl tes (Bl. 141 r ) Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 554 Durch diese Eingriffe in den Text kann die in Fr 194 überlieferte Textversion nicht abschließend in die Textgeschichte eingeordnet werden. Die Freiburger Handschrift scheint durch ihre Nähe zum ‚Großen deutschen Memorial‘ eine Kopie der hierin enthaltenen Textversion zu bieten, die sie sowohl auf der textuellen Mikroebene als auch auf der Makroebene der Struktur verändert. Denkbar wäre aber auch eine Abschrift aus einer allen Handschriften gemeinsamen Vorlage, welche die wenigen Übereinstimmungen mit H erklären könnte. Gegen eine unabhängig voneinander vorgenommene Abschrift von einer gemeinsamen Vorlage spricht aber die Identifikationen der Textfiguren: H beläßt die zwey menschen ohne nähere Charakterisierung, während A und Fr 194 die Sprecher nach ihrem Alter unterscheiden und den jüngeren als Rulmans gesellen interpretieren. Die bisher angenommene Entwicklung - von einer anonymen Vorlage zur Bindung an die Stifter - schiene, wenn Fr 194 eine unabhängige Kopie geben würde, durch die Sprecheridentifikation der Freiburger Handschrift widerlegt. Obwohl auch eine relativ freie Abschrift aus A Erklärungsschwierigkeiten birgt (die Freiburger Handschrift bietet mit der Abschrift des ‚Meisterbuchs‘ auf Bl. 41 r bis 103 v einen weiteren Text des ‚Gottesfreundcorpus‘, stellt diesen Text jedoch nicht in eine Beziehung zum ‚Grünen Wörth‘), erscheint sie doch als die eingängigste Erklärung der textkritischen Befunde. Während die Einordnung des Freiburger Manuskripts nicht abschließend möglich ist, ließen die Angaben der Leipziger Handschrift zu ihrer Vorlage bereits erkennen, daß das Manuskript weder von A noch von H abgeschrieben wurde. Die Differenzen zwischen den beiden überlieferten Handschriften der Johanniter und der Handschrift aus der Sammlung Sudermanns belegen, daß auch die Vorlage der Dominikanerinnen keine wörtliche Kopie der beiden tradierten Codices des ‚Grünen Wörth‘ gewesen sein kann. Der Text im ‚Großen deutschen Memorial‘ kann dabei nicht nur durch die in L fehlende Sprecheridentifikation aus den weiteren Betrachtungen ausgeschlossen werden, ausschlaggebend sind vielmehr die in A ausgefallenen Worte und Satzglieder, die in L tradiert sind. 490 Ein besonderes Gewicht in der Argumentation erhalten dabei jene Erweiterungen gegenüber A, die grammatikalisch nicht notwendig sind, L jedoch mit H teilt: 490 Die Varianz gegenüber H, die die Leipziger Handschrift mit A teilt, kann in den beiden Manuskripten jeweils unabhängig voneinander entstanden sein, da es sich z.T. um Korrekturen eindeutiger Fehler in H handelt und die weiteren Gemeinsamkeiten durch einen anderen Sprachgebrauch erklärt werden können. Sowohl A als auch L deklinieren, wenn ein Substantiv beide Möglichkeiten eröffnet, eher schwach, während H in diesen Fällen die starke Deklination bevorzugt. In der Einzelhandschrift des ‚b ch‘ liest man so: vnd do wir ane sehende worent vnsers eben menschen gebreste (Bl. 71 r ; Lauchert 1896, S. 45, Z. 19f.), im ‚Großen deutschen Memorial‘ und in der Leipziger Handschrift heißt es dagegen gebresten (L, Bl. 126 v ; A, Bl. 210 v ; Schmidt 1866, S. 240). Ebenso ist die den Manuskripten gemeinsame Substitution bestimmter Lexeme zu erklären; wenn etwa beide die in H gebräuchliche Vorsilbe rdurch erersetzen (z.B. L, Bl. 138 v und A, Bl. 222 r / Schmidt 1866, S. 263 vs. H, Bl. 118 v / Lauchert 1896, S. 74, Z. 19). Die Textdifferenzen, die A und die Leipziger Handschrift gegen H teilen, sind somit wohl als unabhängige Variationen zu bewerten, die nicht auf eine Kopie des Leipziger Manuskripts aus dem ‚Großen deutschen Memorial‘ schließen lassen. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 555 A H L vnd noment mich do die zwo sch nen iungfrowen vnd f rtent mich in den aller lústlichesten, sch nesten garten z eime also gar z mole húbeschen, cleinen, lútseligen b melin (Bl. 196 r ; Schmidt 1866, S. 211) vnd noment mich do die zwo sch nen iuncfrowen vnd f rtent mich in den aller lústlichesten, sch nesten garten v o n d e m i c h i e g e h o r t e s a g e n vnd f rtent mich in dem garten z eime also gar z mole húbeschen, cleinen, lúzel [12 r ]ligen b melin (Bl. 11 v / 12 r ; Lauchert 1896, S. 8, Z. 31-9, Z. 4) vnd noment mich do die zwo sch nen Jungfrowen vnd f rtten mich in den aller schonsten, lústlichsten gartten, v o n d e m i c h e g e h o r t t e s a g e n , vnd f rten mich in den gartten z einem gar zemol húbschen, lustlichen b imelin (Bl. 105 r ) do brach die s sse stimme us vnd sprach alsus (Bl. 198 v ; Schmidt 1866, S. 215f.) Do brach die s sse stimme i n m i r vs vnd sprach alsus (Bl. 22 r ; Lauchert 1896, S. 15, Z. 7) Do brach die s sse stime I n m i r vs vnd sprach alsus (Bl. 111 r ) vnd m st leren, das dich dirre mensche gewiset vnd geleret het (Bl. 202 r ; Schmidt 1866, S. 223) vnd m st leren, daz dich dirre g t e mensche gewiset vnd gelert het (Bl. 37 v ; Lauchert 1896, S. 25, Z. 6f.) vnd m st diß leren, Das dich disser g t t e mensche gewiset vnd gelert het (Bl. 120 r ) ich wil iemer stete an dir bliben (Bl. 209 r ; Schmidt 1866, S. 237) ich wil iemer a l l e i n e stette an dir bliben (Bl. 65 r ; Lauchert 1896, S. 41, Z. 15f.) Ich wil Jemer a l l e i n stette an dir bliben (Bl. 123 r ) das ich grosser krangheit an miner naturen gewar wart (Bl. 209 v ; Schmidt 1866, S. 237) daz ich groser krancheit an a l l e r miner naturen gewar wart (Bl. 66 v ; Lauchert 1896, S. 42, Z. 15f.) das ich grosser krangheit an a l l e r m ner naturen gewar wart (Bl. 124 r ) Die Verwandtschaft des Leipziger Manuskripts mit der Einzelhandschrift des ‚b ch von den zwey menschen‘ wird durch gemeinsame Fehler nochmals augenfällig: H L A Do sprach der ander mensche: Daz ist mir rehte liep vnd begere an dich (Bl. 2 v ; Lauchert 1896, S. 2, Z. 19f.) Do sprach der ander mensche: daz ist mir rehtte liep [99 v ] vnd begere an dich (Bl. 99 rv ) Do sprach der elter Das ist mir rehte liep vnd i c h begere an dich (Bl. 193 v ; Schmidt 1866, S. 206) vnd lebe nv in einer einveltiger, schlehten wisen rehte also ich getruwe, daz got (von durchgestrichen) haben welle (Bl. 67 v ; Lauchert 1896, S. 43, Z. 1f.) vnd lebe n in einer slehtten, einfaltigen wisen vnd rehte also ich truwe, das got von mir haben welle (Bl. 124 v ) vnd lebe n in einer einveltigen, slehten wisen rehte alse ich getruwe, das e s got haben welle (Bl. 209 v , Schmidt 1866, S. 238) Neben den der Leipziger Handschrift genuinen Textdifferenzen 491 veranschaulichen drei weitere Beobachtungen, daß das L zugrundeliegende Urkundenbuch nur dann 491 Hier soll ein Beispiel genügen: Während die Handschriften der Johanniter (H, Bl. 110 v ; Lauchert 1896, S. 69, Z. 19-21; A, Bl. 220 r ; Schmidt 1866, S. 259) in der Gegenüberstellung eines aus eigener Erfahrung Predigenden und eines ‚buchgelehrten‘ Predigers betonen, daß die von den beiden gehaltenen Predigten eine unterschiedliche Wirkung haben, selbst wenn die zwo bredigen worent ein ewangelium Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 556 eine direkte Abschrift des ‚Autographs‘ sein kann, wenn es in seine Vorlage eingriff: Die Leipziger Handschrift verbessert (1.) einen Fehler der Einzelhandschrift eigenständig und übernimmt nicht die Korrektur in H: H A L vnd do dise frowe also gar riche von gnaden wart do brach si vs gegen irme bihter vnd seite ime rehte alle ding wie ir b e s c h e h e (aus beschehen korrigiert durch Rasur des n) (Bl. 130 v ; Lauchert 1896, S. 81, Z. 28- 30) vnd do dise frowe alse gar riche von gnaden wart do brach sú us gegen irme bihter vnde seite ime rehte alle ding, wie ir b e s c h e h e n w e r e (were ist am rechten Rand ergänzt) (Bl. 224 v ; Schmidt 1866, 269) Do brach s us gegen Irem bichtter vnd seitte imme alle dinge, wie ir b e s c h e h e n w a s (Bl. 145 r ) Da das Leipziger Manuskript die Berichtigungen, die in H durchgeführt wurden, alle in seinen Haupttext integriert hat, ist auszuschließen, daß die Vorlage von L Manuskript H ohne Korrekturen abgeschrieben und den Fehler daraufhin verbessert hat. Vielmehr scheint die Vorlage der Leipziger Handschrift zu versuchen, die Textkohärenz, die durch die in H vorgenommene Korrektur des Infinitivs beschehen in eine Konjunktiv Präsensform gestört wurde, durch eine regelkonforme Consecutio temporum im indirekten Fragesatz wiederherzustellen. Für einen selbständigen Umgang mit dem Text des ‚b ch von den zwey menschen‘ spricht (2.) ein Zusatz im zweiten Kapitel, der den Text mit einem Zitat aus den Psalmen veranschaulicht: H/ A (zit. nach H) L lieber svn daz selbe herte vnd daz selbe n t daz ist es ch vnser herre sprach ich bin der weg vnd die worheit vnd daz leben (H, Bl. 63 r ; Lauchert 1896, S. 40, Z. 14-16 / A, Bl. 208 v ; Schmidt 1866, S. 236) lieber s n, das selbe herte vnd das selbe nút, das ist es ouch. Dauid sprichet in dem saltter, an dem lv psalmen vnd liset man es an der mitwochen In der mettin, So man von der zit liset, Herre du wilt in das himelrich geben vmb nút. Das ist, das du dich selben solt vernúten vnd z dime nút haltten. vnser herre sprach: Ich bin der weg vnd die worheit vnd das leben (Bl. 122 r ) Die in der Handschrift der Dominikanerinnen abweichende Textstruktur gegenüber der Gliederung in A, H und Fr 194 ist (3.), so die Angabe im Manuskript selbst (Bl. 275 v ), aus der Quelle übernommen worden. Da das von L als Vorlage benannte vrkundenbuch diese Textstruktur nicht aus H übernommen haben kann, können diese Abweichungen nur durch Eingriffe des Urkundenbuchs in die Vorlage oder durch die Rückführung der Textfassung auf eine bislang unbekannte Handschrift erklärt werden, aus der auch H abgeschrieben wurde. Die Analyse der Leipziger Hand- (H, Bl. 110 v ), beläßt es L nicht bei dieser generellen Übereinstimmung der beiden Predigten, sondern betont: die zwo bredigen was eine der andern eben glich (Bl. 133 v ). Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 557 schrift läßt so die Schlußfolgerung zu, daß das von den Dominikanerinnen kopierte Urkundenbuch zwar eng mit der Einzelhandschrift H verwandt ist, das ‚b ch‘ wohl auch aus ihr abschrieb, dabei jedoch Eingriffe in den Text vornahm. Die Einordnung des in der Pariser Handschrift überlieferten Einzelkapitels von dem weltwisen ist dank charakteristischer Textdifferenzen trotz der Kürze des Textes relativ eindeutig möglich. Eine Verwandtschaft zu der in Freiburg überlieferten Handschrift kann ausgeschlossen werden, da Ms. allem. 222 einen Textausfall dieses Manuskripts nicht teilt: P Fr 194 vnd were ich an uwer stat vnd hette die sinne, die ir do hant, Ich wolte got iemer grossen dienst t n mit dem, das ich in der welte blibe vnd den lúten mit g tem rote z helffe keme vnd ch stette vnd lant vnd lúte húlffe besorgen; vnd duncket mich ch, das also úch got grosse sinne geben het, Das ir got vil lieber sint in der welte denne von der welte. Vnd do dise rede der bihter gerette, Do wart ich erste redende vnd sprach: lieber herre, vnser meinunge ist nút also, das wir menent, das dirre man von der welte alz mole gon sol vnd ein múnch werden sol, vnser meinunge ist, das er in der welte bliben solte, Aber er solte sin hertze vnd sin sinneliche vernunft nit also gar zerzerren vnd vff frúnt vnd vf weltliche ere legen, Also er selber wol bekennende ist. Die wile er in disem lebende, Das er sichselbes vnd sin [229 v ] selbes ere me s chet vnd minnende vnd meinende Denne die ere gottes; vnd gebe er ch dise weltliche ere vff vnd s chte in allen sinen werken die g tliche ere, Das ime ch selber von gotte dicke geroten wurt, vnd dete er das, so getruwe ich, got solte in erlúhten mit siner g tlichen wisheit. So denne die g tliche, erlúhtete wisheit wúrde komende z siner weltwisheite, So wúrde er also gar wise, das er vf eine stunde me wises, g tteliches rotes gegeben kunde, Denne er vor geton hette in einem gantzen iore. vnd wenne denne stette oder lant oder lúte not ane ginge, do solte er vsser gotte das beste rotende sin. vnd do ich dise worte vnd ch gar vil me worte z dem bihter gerette, Do sprach ich z dem bihter: Lieber herre, n gent uwern getruwen g tlichen rot, was dirre man n an vohen sol. Do sprach der bihter gar g tliche: Das wil ich rehte gerne t n vnd bin es úch schuldig z t nde vnd wil ime ch roten in aller der truwen rehte, also obe es mich selber ane ginge, vnd wil úch sagen vnd were ich an uwer stette vnd vnd were ich an wer statt vnd Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 558 were in der erberkeit vnd in der biderbekeit, also ir sint, Ich wolte in uwerme lebende mins endes wartende sin, vnd ich getruwe, ich wolt also wol in uwer wise vnd in uwerm lebende z gotte komen Also ein anderer, der sins dinges gar vil machende ist vnd gar wol dran wenet sin (Bl. 229 rv ) were In der erberkeit, als ir sint, Ich wolte In werm lebende mines endes wartende sin, vnd ich getrúwe, ich wolte also wol in wer wise vnd In werm leben z got komen als ein anderer, der sines dinges gar vil machende ist vnd gar wol daran wenet sin (Bl. 148 v ) Das Kapitel von dem weltwisen scheint aus der gleichen Vorlage, die auch L verwendete, entstanden zu sein, da sie zahlreiche gemeinsame Textdifferenzen verbinden: H P L vnd wer ich mich kere daz dvnket mich alles v n r e h t v n d v a l s c h (Bl. 95 v ; Lauchert 1896, S. 61, Z. 14f.) vnd war ich mich kere, das duncket mich alles b s e v n d v a l s c h (Bl. 228 r ) vnd war ich mich kere, das duncket mich alles b s s e v n d v a l s c h (Bl. 155 r ) vnd ist neiswas, daz mich tag vnd naht kiffelt vnd in mir selber nagende ist i c h s l l e m i c h v o n d e r [97 r ] w e l t e k e r e n , s i l o n e b e l e v n d s l l e m i n e s i n n e z g o t t e k e r e n d e s i n (Bl. 96 v / 97 r ; Lauchert 1896, S. 61, Z. 34-37) vnd ist doch [228 v ] neiswas, das mich dag vnd naht kifelt vnd in mir selber nagende ist, I c h s ú l l e m i n e s i n n e z g o t t e k e r e n (Bl. 228 rv ) vnd ist neiswas, das mich dag vnd naht kiffelet vnd in mir selber nagende ist, I c h s l l e m n e s i n n e z g o t t e k e r e n (Bl. 155 v ) fliehent alle wise lúte die welt wer wolte sich denne der w e l t l i c h e n s a c h e n ane nemen (Bl. 97 r ; Lauchert 1896, S. 62, Z. 3-5) flúhent alle wisen lúte die welt, wer wolte sich denne d e r w e l t e s a c h e n an nemen (Bl. 228 v ) flúhent alle wise lúte die weltte, wer woltte sich denne d e r w e l t t e s a c h e n an nemmen (Bl. 156 r ) ich beswere dich bi dem l e b e n d e n gotte (Bl. 104 r ; Lauchert 1896, S. 65, Z. 32) Ich beswere dich bi dem l e b e n d i g e n gotte (Bl. 231 r ) Ich besweren dich b dem l e b e n d i g e n gotte (Bl. 160 r ) vnd alle die vúr borgen, z grunde gelosenen, heimelichen gottes fr nde die dv [105 r ] erlangen maht bittest, daz si ch fúr mich bittent (Bl. 104 v / 105 r ; Lauchert 1896, S. 66, Z. 15-17) vnd alle die verborgenen, z grunde gelossenen, heimelichen gottes frúnde, die du erlangen maht, bittest, das sú g o t ch fúr mich bittent (Bl. 231 v ) vnd alle die verborgenen, z grunde gelossenen, heimlichen gottes frúnde, Die du erlangen maht, bittest, das s ouch g o t für mich bittent (Bl. 160 v ) wenne alles das werg vnd alles das g t, daz men den selen get t daz one g tteliche minne beschiht daz kvmet den selen gar z mole lúzel v n d w e n i n g z helfe (Bl. 107 r ; Lauchert 1896, S. 67, Z. 24-27) wenne alles das werk vnd alles das liden, das men der selen ged t, das one g tteliche minne geschiht, Das kumet der selen gar z mole lútzel v n d k l e i n e z helffe (Bl. 232 r ) wenn [162 r ] alles das werck vnd allez das g t, das man den selen ged t, das one g tliche m nne geschiht, Das kumet den selen gar zemol lútzel v n d c l e i n z hilff (Bl. 161 v / 162 r ) Eine direkte Abschrift der Pariser Handschrift von L ist jedoch nicht möglich, da die Pariser Handschrift älter ist und sie im Leipziger Codex Ausgefallenes tradiert: Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 559 H P L vnd gebe er ch dise weltliche ere vf vnd s chte in allen sinen werken die g tteliche ere d a z ime ch selber dicke von gotte geraten wurt (Bl. 99 v ; Lauchert 1896, S. 63, Z. 14-16) vnd gebe er ch dise weltliche ere vff vnd s chte in allen sinen werken die g tliche ere, D a s ime ch selber von gotte dicke geroten wurt (Bl. 229 v ) vnd gebe er ouch disse weltliche ere vf vnd s chte In allen sinen wercken die [157 v ] g tliche ere, d i e Imme ouch selber von gotte dick gerotten wurt (Bl. 157 rv ) vnd dirre grúweliche, swere trom [103 v ] getromde mir drige naht noch ein ander d a s i c h a l l e s n ú t g l b e n d a r a n h a b e n w o l t e (Bl. 103 rv ; Lauchert 1896, S. 65, Z. 19- 21) vnd dirre gruweliche, swere tr m getr mete mir drie naht noch ein ander, D a s i c h a l l e s n ú t g l b e n d a r a n h a b e n w o l t e (Bl. 231 r ) vnd disser gruweliche, swere tröm getrömde mir drig naht noch einander, D a s i c h a l l e s n i t w o l t t e d o r a n g l o u b e n (Bl. 159 v ) Die Genese der verschiedenen Textfassungen wäre so - mit äußerster Vorsicht - folgendermaßen zu skizzieren: H *Y A P L Fr 194 Die Tatsache, daß die Überlieferung von der Komturei ihren Ursprung nahm, ist deshalb besonders aufschlußreich, weil die in den drei Codices vorgenommenen Bearbeitungen durchaus unterschiedliche Interessen am ‚b ch von den zwey menschen‘ dokumentieren, jedoch darin übereinstimmen, daß sie die personalisierende Lektüre des ‚Grünen Wörth‘ durch eine deutliche Didaktisierung ersetzen. Besonders augenfällig wird das spezifisch didaktische Interesse der Überlieferung durch den Textbestand in der Pariser Handschrift Ms. allem. 222, die das (nach der Zählung in A und H) siebte Kapitel des ‚b ch‘ aus seinem lockeren Sinnzusammenhang löst und dieses Exzerpt als eigenständigen Traktat überliefert. Da in der Handschrift Textüberschriften fehlen, wird darauf verzichtet, das ausgewählte Kapitel als Teil eines längeren Textes auszuweisen. Die Überlieferung der Textpassage ist folglich allein durch ihren didaktischen Gehalt motiviert. Das Beispiel eines Weltweisen, der sich durch den falschen Rat seines Beichtvaters von der Liebe zu Gott abwendet und für seine Selbst- und Weltbezogenheit im Fegefeuer bestraft wird, soll nicht den Gottesfreund als vertrauenswürdigen, da göttlich inspirierten Ratgeber etablieren, sondern als Aufruf zur Weltabkehr, zu einem monastischen Leben in Klausur dienen, wofür die Identität der handelnden Personen nicht von Interesse ist. 492 Beruht die thematisch motivierte Selektion der Pariser Handschrift auf einem ausgesprochen anti-biographischen, aber wohl auch nur oberflächlichen Verständnis 492 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 2.3.5.2.1. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 560 des ‚b ch‘ als Kompendium frei verfügbarer, narrativierter Lehre, nehmen die beiden weiteren Überlieferungsträger eine differenziertere Auseinandersetzung mit dem Textinhalt vor, da ihre gezielten und kleinschrittigen Eingriffe in den Textbestand auf eine spezifischere Einbindung in einen neuen Gebrauchszusammenhang schließen lassen. Das Leipziger Manuskript ist für die Rekonstruktion des zeitgenössischen Interesses an der Literatur der Johanniter besonders aufschlußreich, da die Kopie ihren Ursprung in der Komturei wiederholt ausweist, die das Verständnis des ‚b ch‘ als ‚Hausliteratur‘ grundlegende, repersonalisierende Lektüre jedoch revidiert, indem sie auf die Identifizierung der handelnden Figuren durchweg verzichtet: 493 Weder der laikale Protagonist im ‚b ch von dem meister‘ noch der jüngere Gesprächspartner im ‚b ch von den zwey menschen‘ wird als Gottesfreund aus dem Oberland ausgewiesen. Diese (Re)Anonymisierung scheint dabei vielfältig motiviert: Soweit die Identifizierung mit dem Gottesfreund aus dem Oberland nicht in Unkenntnis des durch den Namen aufgerufenen geistlichen Lebenswegs als verzichtbare Marginalie getilgt wurde, fehlt der Referenz auf den Stifter des ‚Grünen Wörth‘ im Konvent der Dominikanerinnen zumindest die Einbindung in eine Praxis der Stiftermemoria, die das Interesse an einer Referentialisierung des Textes begründet. Im Rahmen einer Lektüre mit dem Ziel der spirituellen Unterweisung ist eine Spezifizierung der handelnden Figuren nicht nur nicht nötig, sondern sie kann durch ihren konkretisierenden Impuls die intendierte Applikation auf die vita religiosa unterlaufen, indem die Aufmerksamkeit der Lektüre auf das individuelle ‚Erleben‘, die hiermit verbundene Auszeichnung und somit auf die ‚Person‘ des Gottesfreundes gelenkt wird. Trotz dieser Unsicherheit in bezug auf die Motivation der Tilgung erlaubt der nachträgliche Eingriff zwei Schlußfolgerungen: Zum einen ist der Anlaß der Rezeption des ‚b ch von den zwey menschen‘ ausschließlich die im Text enthaltene Didaxe, die Straßburger Dominikanerinnen zeigen kein Interesse an der ‚Vita‘ des ‚heiligmäßigen‘ Stifters eines Konvents ihrer Heimatstadt. Für diesen Gebrauch des Textes als spirituelles Handbuch scheint darüber hinaus die Berufung auf das ‚Erleben‘ des Gottesfreundes verzichtbar, die Autorisierung des Textes bewirkt allein der Verweis auf die Institution, aus der die Schwestern das ‚b ch‘ bezogen. Die sich in der Tilgung artikulierende Eigenständigkeit der Abschrift im Umgang mit textuellen Angaben verdeutlicht zum anderen, daß der textuelle Bezug auf das individuelle ‚Erleben‘ keine Aussagen über die Genese des Textes i.S. der reinen Vertextung lebensweltlicher Fakten impliziert, welche die Lektüre (wie bei einem autobiographischen Bericht) auf Referenzbildung festlegen würde; der ‚Realitätsgehalt‘ des Textes scheint vielmehr kontextabhängig veränderbar und somit nur im Hinblick auf die Rezeption von Bedeutung. Die Berufung auf ‚Erleben‘ ist keine referentielle Kategorie, kein textuelles Signal der Wirklichkeitsdarstellung, die das Geschehen authentisiert, sondern ein Mittel der Rezeptionslenkung, das dem jeweiligen Rezeptionszusammenhang angepaßt werden kann. 493 Die Bereitstellung einer anonymen Vorlage durch die Johanniter ist zwar nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, der Entstehungszeitpunkt der Kopie im 15. Jahrhundert und somit nach der kanonischen Deutung des Textes in A macht dies aber unwahrscheinlich. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 561 Neben der (Re)Anonymisierung bedient sich das Leipziger Manuskript der Kürzung, um das ‚b ch von den zwey menschen‘ in die Lektürewelt eines reformierten Dominikanerinnenkonvents einzubinden: Ist die Ellipse des sechsten Kapitels, das erläutert, wie einen [sic! ] menschen beschiht, von dem ane vange, das er gotte dienen wil (A, Bl. 214 r ), nicht inhaltlich zu begründen, sondern verweist wohl auf eine offene Textstruktur, die Kürzungen wie Erweiterungen im didaktischen Kompendium des Textes zuläßt, ist der Ausfall des narrativen Höhepunkts des zweiten Kapitels als bewußte Verlagerung der Argumentation und somit der Programmatik des Textes zu bewerten. Der Bericht über die siebzehnjährige Suche des zweiten Menschen nach der Bedeutung der Willenindifferenz für ein gottgefälliges Leben findet in A und H ihre Klimax in einer ausführlich beschriebenen Unterweisung des Menschen durch einen ‚falschen‘ Einsiedler, dessen freigeistige Lehre den Menschen ungewollt in Sünde zurückfallen läßt. Diese für den Verlauf des Kapitels durchaus zentrale Episode (sie umfaßt in der Ausgabe Laucherts 13 der 22 Druckseiten des Kapitels) wird in L bewußt gestrichen, da die Handschrift ein neues Bindeglied zwischen der umherirrenden Suche nach einem gottgefälligen Leben und der auf die Einsiedler- Episode folgenden Einkehr bei der Klausnerin einfügt: H/ A (zit. nach H) L also habe ich mine zit das es got erbarmen m se, s benzehen iar vertriben alles in min selbes anegenomen eigin wisen daz ich in den s benzehen iaren nie der z kam das ich mich getorste noch wolte k nliche vnd verwegenliche wogen vnd einen kreftigen durch bruch wolte nemen [39 v ] durch mine ane genomene, eigin sinnelichen werk vnd wissen Ach lieber fr nt ich wil dir ein fr mede ding sagen was mir in dem selben hindersten sibenzehen iaren wunders begenete ich horte gar vsser masen vil g tes sagen von eime einsidel ein br der, der sesse nohe bi eime grosen dorfe in eime walde [39 v -62 r : Bericht über die Erlebnisse mit dem Einsiedler und Bitte um Rat bei einer Klausnerin, wie man sich zu diesem Geschehen verhalten solle; diese gibt schließlich folgenden Rat: 62 r ] Ach lieber svn denne von los rehte din clagen von diseme einsidele abe vnd bevilhe es gotte vnd ker du dich nv mit eime grosen, ganzen, kreftigen, stetten erneste z gotte daz t t dir nv [62 v ] not wenne dv hest vil zites gar t rliche verl ffen (Bl. 39 rv und 62 rv ; Lauchert 1896, S. 26, Z. 6-16; S. 39, Z. 31-35) Also habe ich mine zit, das es got erbarmen músse, xvij Jor vertriben, alles In min selbes eigen angenomenen wisen, Das ich in den xvij joren nie dar z kam, Das ich mich get rste noch woltte k nlichen vnd verwegenlichen wogen vnd einen kreftigen durchbruch woltte nemmen Durch m ne angenomene, eigensinnliche werck vnd wisen. Ach lieber frúnd, d o g i n g i c h z e i n e r a l t t e n g a r e r b e r n c l o s e n e r i n v n d s e i t t e I r m i n l e b e n , w e n n i c h o u c h v o r z i t t e n r o t v o n I r g e n o m e n h e t t e , v n d s e i t t e i r d o m i t t e e i n e g r o s s e s ú n d e , d i e m i r m i s s e u i e l a n e i n e m a n d e r n m e n s c h e n , [121 v ] d i e i c h v o n I m m e g e s e h e n h e t t e . D o s p r a c h s : lieber s n, das s llent wir gotte beuelhen vnd s llent es mit erbermde an sehen vnd kere dich n mit einem grossen, ganczen, krefteklichen ernste z gotte, Das d t dir not, wenne du hest vil zittes gar d rlichen verlouffen (Bl. 121 rv ) Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 562 Obwohl auch nach der Ellipse der Einkehr beim ‚falschen‘ Einsiedler die conformitas des göttlichen und menschlichen Willens das thematische Zentrum des Kapitels bleibt, fehlt der Verkürzung im Vergleich zur ursprünglichen Gestalt des Kapitels die Abgrenzung des mystischen Konzepts der Willenskonvergenz von der häretischen Lehre der Willensübereinstimmung, die den sog. Brüdern und Schwestern vom freien Geist zugeschrieben wird. Die Episode in der libertinen Eremitage bietet in ihrer Contrafaktur eines aszetisch-mystischen Lebenswandels nämlich nicht allein eine dramatische Zuspitzung der verzweifelten Suche nach geistlichem Ratschlag, sondern ist auch eine narrative Auseinandersetzung mit der permissiven Weltanschauung der Freigeister, die der Einsiedler verkörpert: so dvncket mich vnd truwe ch, daz es also si das kein mensche z dirre grosen, erwirdigen vernvnft kvmen mag er habe denne e erstritten Daz sine conciencie in allen dingen r we vnd fride haben mag vnd weler mensche daz ch het des geist mag ch vngehindert vf gon vnd anders nieman vnd weler mensche ch z dirre grosen, hohen ver [52 v ]nvnft rehte kvmen ist der ist keine gesezzede noch kein gebot schuldig me z haltende wenne er ist mit gotte eins worden so het got eime sollichen menschen z dienste alle ding beschaffen vnd ch alles, daz got ie besch f daz ist eins sollichen menschen eigin ein sollicher mensche ist ch schuldig, siner naturen gn g z sinde vnd gn g z t nde in allen den sachen, die si begerende ist (H, Bl. 52 rv ; Lauchert 1896, S. 33, Z. 32-S. 34, Z. 10) Diese von einer dem Eremiten ergebenen Begine vorgetragene Lehre referiert deutlich auf jene Vorwürfe, die in zahlreichen Quellen - gemeint sind Bullen 494 wie Inquisitionsprotokolle 495 - über die Freie-Geist-Häresie wiederkehren. Die Freiheit körperlichen Genusses wird hier aus der absoluten Willenskonformität mit Gott abgeleitet: Die reine und ruhige Seele steige bis zu Gott auf und erlange eine völlige Willensgleichheit mit Gott, die sie von Geboten und kirchlicher Gnadenvermittlung entbinde, 496 da sie - in der absoluten conformitas - nicht mehr in Sünde fallen könne 497 und so auch alle „Begierde des Fleisches auf welche Art auch immer [...] befriedigen“ dürfe. 498 Den grundlegenden Unterschied der permissiven Lehre zum mystischen Konzept der Willensindifferenz erkennt der Mensch erst, als die Handlungen des Einsiedlers dem beispielhaften Tugendleben Christi widersprechen. Im Gespräch mit einer Klausnerin, vor allem jedoch in der selbst erwählten Klausur, lernt 494 Vgl. die von Papst Clemens V. auf dem Konzil von Vienne (1311) erlassene Bulle ‚Ad nostrum‘: Conciliorum oecumenicorum decreta curantibus Josepho Alberigo, Josepho A. Dosseti, Perikle-P. Joannou, Claudio Leonardi, Paulo Prodi consultante Huberto Jedin. Editio tertia, Bologna 1973. 495 Vgl. u.a. das Protokoll über das Verhör im Nördlinger Ries (nach 1260): Wilhelm Preger, Geschichte der deutschen Mystik im Mittelalter. Nach den Quellen untersucht und dargestellt, 3 Bde, Leipzig 1874-1893, I. Teil: Geschichte der deutschen Mystik bis zum Tode Meister Eckhart’s, Leipzig 1874, S. 461-469, mit den Verbesserungen in: Herman Haupt, Beiträge zur Geschichte vom freien Geist und des Beghardentums, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 7 (1885), S. 503-576; vgl. das Protokoll über das Straßburger Verhör (1317): Ignatz von Dollinger, Beiträge zur Sektengeschichte des Mittelalters, 2 Bde, München 1890, Bd. II: Dokumente vornehmlich zur Geschichte der Valdesier und Katharer, München 1890, S. 389-394. 496 Vgl. das Protokoll über das Straßburger Verhör: Ignatz von Dollinger, Beiträge zur Sektengeschichte, S. 391. 497 Vgl. Franz-Josef Schweitzer, Der Freiheitsbegriff der deutschen Mystik, S. 109, mit Verweisen auf das Protokoll des Verhörs aus dem Nördlinger Ries. 498 Vgl. das Protokoll über das Verhör im Nördlinger Ries II, 12; Franz-Josef Schweitzer, Der Freiheitsbegriff der deutschen Mystik, S. 111 und S. 551, Anm. 287. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 563 der Mensch durch Geduld und Demut, seine Entscheidungen nicht an der eigenen Vorliebe, sondern am Willen des göttlichen Geliebten auszurichten, indem er sich in der Nachfolge von jedem Eigenhalt, selbst der eigenen Existenz, löst. Indem die Dominikanerinnen die Episode um den falschen Einsiedler aus dem Text trennen, reduzieren sie das argumentative Spektrum des Kapitels um die Differenzierung von mystischen und häretischen Konzepten einer willenlosen Existenz und geben stattdessen eine konzentrierte Anleitung zur conformitas. Durch diese Vereinfachung entspricht die Textgestalt den Forderungen der simplex theologia des 15. Jahrhunderts, welche die „unfruchtbaren, verwirrenden und vom Wesentlichen ablenkenden Spekulationen, Distinktionen, Spitzfindigkeiten und Kompliziertheiten“ 499 durch eine „von jedem einfachen Christen [...] nachvollziehbare Buß- und Gebetsfrömmigkeit“ 500 ersetzen will. Der „Leitbegriff der spätmittelalterlichen Frömmigkeitstheologie“ 501 wird, dem Postulat der Anwendbarkeit entsprechend, für den neuen, monastischen Gebrauchszusammenhang spezifisch ausgedeutet: Grundvoraussetzung der angestrebten Vereinigung und Gleichförmigkeit des Willens mit Gott ist nicht das kognitiv-intellektuelle Verständnis des komplexen Gedankens der Willensindifferenz, sondern ein Christus-zentriertes Leben in Klausur. Verleitet die Kürzung zu einer Spekulation über die vielfältigen Gründe für die Propagierung einer eher konventionellen Lehre (auch die Kritik an dem vertrauten Verhältnis zwischen klausurierter Nonne und Seelsorger durch die Entlarvung eines betrügerischen Seelenführers könnte die Ellipse motiviert haben), ist die Zensur im Rahmen einer Analyse des zeitgenössischen Verständnisses der Texte vor allem durch ihren Eingriff in die Textkohärenz von Interesse: Folgt die Lektüre des zweiten Kapitels den Regeln der Biographie, beschneidet die Kürzung den mystischen Lebensweg um den Aspekt der Entwicklung, da gerade der Wendepunkt - der Moment individueller Erkenntnis - aus dem Textzusammenhang gelöst wird. Die Form der Kopie für die Straßburger Dominikanerinnen zeigt folglich erneut, daß sie die Erzählung nicht als Erlebniszusammenhang begriffen, dessen authentische Wiedergabe das göttliche Wirken in der weiteren Umgebung der Dominikanerinnen aufzuzeigen vermag, sondern als Unterweisungsform, deren Inhalt der jeweiligen didaktischen Intention angepaßt werden kann. 502 Auch die Freiburger Handschrift 194 redigiert das ‚b ch von den zwey menschen‘ unter der Maxime der stärkeren Didaktisierung, indem sie den Text um die 499 Berndt Hamm, Von der spätmittelalterlichen reformatio zur Reformation: der Prozeß normativer Zentrierung von Religion und Gesellschaft in Deutschland, in: Archiv für Reformationsgeschichte 84 (1993), S. 7-82, hier S. 21. 500 Berndt Hamm, Frömmigkeitstheologie am Anfang des 16. Jahrhunderts. Studien zu Johannes von Paltz und seinem Umkreis, Tübingen 1982 (Beiträge zur historischen Theologie 65), S. 141. 501 Berndt Hamm, Von der spätmittelalterlichen reformatio zur Reformation, S. 22, Anm. 38. 502 Eine zweite Kürzung, die in der Leipziger Handschrift vorgenommen wurde, ist wohl durch die Umstellung der Reihenfolge der Kapitel (s. oben, S. 551) entstanden: Das letzte Kapitel der Handschriften der Johanniterkomturei integriert in den Dialog der beiden Menschen eine selbstreflexive Erklärung, wie der vorliegende Text entstanden sei; diese Figuration des eigenen Schreibprozesses leitet in eine Abschiedsszene zwischen den Dialogpartnern über, die das Ende des Textes markiert (H, Bl. 146 r -147 r ; Lauchert 1896, S. 90, Z. 32-S. 91, Z. 25). Diese Schlußsequenz wird nicht in die Leipziger Handschrift übertragen, da diese das Kapitel vom Textende an die zehnte Position rückt. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 564 ersten beiden Kapitel kürzt. Obwohl kein Blattverlust zu verzeichnen ist (die Hand, die auch den vorangehenden Text in den Codex eintrug, fügt das ‚b ch‘ fortlaufend, auf dem gleichen Blatt [Bl. 137 r ] an), lautet der rubrizierte Textbeginn: Das dritte Cappittel ist die erste frage von hinder rede, Also der elter den Jungen fragete (Fr 194, Bl. 137 r ). Soweit die Freiburger Handschrift keine fragmentarische Vorlage kopierte, verzichtet der Codex folglich vorsätzlich auf die eröffnenden Kapitel und bringt das ‚b ch‘ so nicht nur um die Rahmung des Geschehens, die den gesamten Text als eine Abfolge von Gesprächen kenntlich macht, sondern auch um die ‚Viten‘ der beiden Gesprächspartner. Das Themenspektrum des ‚b ch‘ wird so auf den „Vollzug eines christlichen Lebens, seiner geistlichen Vertiefung und ordnenden Gestaltung“ 503 beschränkt, d.h., es erhält den Charakter eines katechetischen Lehrbuchs: Die anonym bleibenden Gesprächspartner belehren u.a. über die Erlösungsfähigkeit von Heiden und Juden (Kap. 4), benennen die Charakteristika der vollkommenen Liebe zu Gott (Kap. 5), ermahnen zur Keuschheit in der Ehe (Kap. 9) und geben eine Anleitung zur Wahl des richtigen Ratgebers (Kap. 7). Die erkennbare Konzentration der Freiburger Handschrift auf jene Kapitel des ‚b ch von den zwey menschen‘, die nicht über eine prägnante Grundorientierung in geistlichen Fragen hinausgehen, läßt sich wahrscheinlich durch den Gebrauchszusammenhang erklären, in dem die Handschrift entstand: Auch wenn die Provenienz des Codexes nicht abschließend zu bestimmen war - die Freiburger Klarissen können ihn von den Straßburger Dominikanerinnen aus St. Nikolaus oder aus dem Basler Steinenkloster erhalten haben 504 -, steht seine Genese und Tradierung nachweislich im Zusammenhang mit der dominikanischen Ordensreform des 15. Jahrhunderts, deren spirituelle Leitlinien auch die Überlieferungsform des ‚b ch‘ erklären können: Entsprechen die Kapitel, die in die Handschrift integriert wurden, in ihrer Konzentration auf das für die praktische christliche Lebensführung Notwendige dem Lektüreprogramm der Reformprogrammatik, das zur „Festigung einer schlichten, echten Frömmigkeit [... anleiten will], die fern aller Spekulation einerseits und übertriebener Askesepraktiken verbunden mit sinnen- und phantasiemäßigen Gotteserfahrungen andererseits vor allem die Tugenden Demut und Gehorsam in den Mittelpunkt rückt“, 505 werden die ersten beiden Kapitel wohl aufgrund der von ihnen berichteten Visionen als für Lektüre und Selbstpastoration der illiterati ungeeignet zurückgewiesen. Obwohl die Abgrenzung, Umdeutung und Instrumentalisierung mystischer Literatur durch die dominikanische Ordensreform dringend einer eingehenden und differenzierten Studie bedürfte, 506 verdeutlichen paradigmatische Passagen in der umfangreichen, nach der Klosterreform kopierten Unterweisungsliteratur sowie polemische Traktate zur „Be- 503 Berndt Hamm, Von der spätmittelalterlichen reformatio zur Reformation, S. 20. 504 Vgl. die Ausführungen auf S. 241-244. 505 Werner Williams-Knapp, Observanzbewegung, monastische Spiritualität und geistliche Literatur, S. 10. 506 Die Forschung beschränkt sich im Grunde auf drei Aufsätze von Werner Williams-Krapp, deren Thesen stetig perpetuiert werden: Werner Williams-Krapp, ‚Dise ding sint dennoch nit ware zeichen der heiligkeit‘; ders., Frauenmystik und Ordensreform; ders., Observanzbewegung. Das ‚b ch von den zwey menschen‘ - Von der ars amicitia zur Poetik der confessio 565 kämpfung mystischer Bestrebungen“, 507 daß die „am praktischen Reformvorhaben interessierten Seelsorger“ 508 durch die mystischen Texte eine Form von Spiritualität evoziert sahen, die dem zentralen Anliegen der Reform im weiblichen Zweig des Ordens zuwiderlief: Im Verständnis der Reform als observantia regulae, als strikte Beachtung der Regel und Konstitutionen des Ordens, erkennen die Reformstatuten die strenge Handhabung der Klausur als Grundpfeiler der Erneuerung im zweiten Dominikanerorden, 509 da nur der Rückzug von den Zerstreuungen der Welt 510 den Monialen eine völlige Konzentration auf den himmlischen Bräutigam gewähre und es ihnen so erlaube, ihre primäre Aufgabe, ihr spirituelles Proprium, zu erfüllen: das Chorgebet. 511 Im Gegenzug zu dieser Interpretation der vita communis und des gemeinschaftlichen Gebetsdienstes als weibliche Form der imitatio christi diskreditiert die von männlicher Ordensseite propagierte Reformspiritualität 512 das Streben nach individueller Vervollkommnung in privatem Gebet, asketischen Leistungen oder persönlicher Kontemplation als „geistliche Hoffart“, 513 da die Begnadung suchenden Nonnen ihre gemeinschaftlichen Aufgaben um des Ruhmes der Heiligkeit willen vernachlässigten. 514 Vor dem Hintergrund des reformatorischen Konzepts der vita religiosa als „strikte Gleichförmigkeit und Unterwerfung unter eine einheitliche Disziplin“ 515 kann die Reduktion des Textbestandes in der Freiburger Handschrift als eine bewußte Konzentration auf die rein didaktischen Kapitel des ‚b ch von den zwey menschen‘ erklärt werden, da die in den beiden ersten Kapiteln artikulierte, auf die individuelle Gottesbegegnung zielende und somit antihierarchische Spiritualität nicht dem reformatorischen, in die Gemeinschaft der ecclesia eingebundenen Programm eines heiligmäßigen Lebens entspricht. Da darüber hinaus auch keine Verbindung zur vorbildhaften Vergangenheit des Ordens gegeben ist, die Johannes Meyers Sammlung guter exempel aus den Schwesternbüchern in Töß, Adelhausen und Katharinental motiviert, die Freiburger Handschrift die in den Anfangskapiteln präsentierten außergewöhnlichen Gnadenerlebnisse folglich nicht zur Propagierung eines vorbildlichen, regelkonformen Lebens in der Kommunität nutzen kann, macht die Handschrift keinen Gebrauch von den durch Meyer in den rezeptionslenkenden Vorworten zu den Schwesternbüchern eingeführten, reform-konformen Interpreta- 507 Werner Williams-Krapp, ‚Dise ding sint dennoch nit ware zeichen der heiligkeit‘, S. 69. Vgl. z.B.: Eberhard Mardachs ‚Sendbrief von wahrer Andacht‘ und den anonymen ‚Sendbrief von wahrer und falscher Andacht‘: Werner Williams-Krapp, Mardach, Eberhard, in: 2 VL Bd. 5 (1985), Sp. 1237-1239, und Bd. 11 (2004), Sp. 967; ders., ‚Sendbrief von wahrer und falscher Andacht‘, in: 2 VL Bd. 8 (1992), Sp. 1075-1077. 508 Werner Williams-Krapp, Frauenmystik und Ordensreform, S. 312. 509 Barbara Steinke, Paradiesgarten oder Gefängnis? , S. 8, 29, 49; Marie-Luise Ehrenschwendtner, Die Bildung der Dominikanerinnen, S. 6. 510 Barbara Steinke, Paradiesgarten oder Gefängnis? , S. 49 und 51f. 511 Vgl. zur Bedeutung des Chorgebets für die Reform: ibid., S. 39-45; Marie-Luise Ehrenschwendtner, Die Bildung der Dominikanerinnen, S. 149-176. 512 Barbara Steinke, Paradiesgarten oder Gefängnis? , S. 9. 513 Ibid., S. 38. 514 Vgl. auch: Monika Costard, Zwischen Mystik und Moraldidaxe. Deutsche Predigten des Fraterherren Johannes Veghe und des Dominikaners Konrad Schlatter in Frauenklöstern des 15. Jahrhunderts, in: Ons geestelijk erf 69 (1995), S. 235-259. 515 Dieter Mertens, Monastische Reformbewegungen des 15. Jahrhunderts, S. 175. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 566 tionsmustern mystischen ‚Erlebens‘, sondern verzichtet auf die beiden Eröffnungskapitel, um das ‚b ch von den zwey menschen‘ in die ‚Reformliteratur‘ einzugliedern. Obwohl sich die redaktionellen Eingriffe der Pariser und Freiburger Handschrift auf verschiedene inhaltliche Aspekte beziehen und in ihrer konkreten Ausformung unterschiedlichen Interessen geschuldet sind, illustrieren sie folglich übereinstimmend eine strikt didaktisierende Lektüre des ‚b ch von den zwey menschen‘, die auf identische Nachahmung und nicht sinngemäße Nachfolge zielt. 516 Im Gebrauchskontext der Ordensreform des 15. Jahrhunderts soll der Text nicht länger als „Teil eines Diskurses über neue Formen der Gotterfahrung“ 517 zu einer mentalen und spirituellen Vertiefung der religiösen Lebensform führen, sondern sein didaktisches Potential auf jene Aspekte beschränken, welche eine „Anweisung für die praktische Umsetzung der Ordensideale“ 518 vermitteln: Das ‚b ch von den zwey menschen‘ wird zu einem exempel der nach volgung. 519 516 Vgl. zur grundsätzlichen Differenzierung zwischen sequela und imitatio: Dina de Rentiis, Die Zeit der Nachfolge. Zur Interdependenz von ‚imitatio Christi‘ und ‚imitatio auctorum‘ im 12.-16. Jahrhundert, Tübingen 1996 (Zeitschrift für romanische Philologie, Beiheft 273), S. 33-46. 517 Siegfied Ringler, Gnadenviten aus süddeutschen Frauenklöstern des 14. Jahrhunderts - Vitenschreibung als mystische Lehre, in: Dietrich Schmidtke (Hg.), Minnichlichiu gotes erkennusse. Studien zur frühen abendländischen Mystiktradition. Heidelberger Mystiksymposion vom 16. Januar 1989, Stuttgart- Bad Cannstatt 1990, S. 89-104, hier S. 103. 518 Marie-Luise Ehrenschwendtner, Die Bildung der Dominikanerinnen, S. 307. 519 Iohannes Meyer, Buch der Reformacio Predigerordens, IV. und V. Buch, S. 55. 4.5 Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ Die Analyse der drei prominentesten Texte des Straßburger ‚Gottesfreundcorpus‘ im Hinblick auf ihre außertextuelle Fundierung und ihr poetisches Verfahren bestätigt auf den ersten Blick Rieders Charakterisierung der Textsammlung als Fälschung, da das konstitutive Verfahren der Textgenese - die Retextualisierung - offenbar nicht mit den intradiegetischen wie paratextuellen Figurationen des Schreibens als unmittelbarem Ausdruck von Erfahrung in Übereinstimmung zu bringen ist. Mit Hilfe von zwei Versuchen der Kontextualisierung soll im folgenden nach der angemessenen Interpretation dieser offensichtlichen Diskrepanz gefragt werden: Handelt es sich um ein verräterisches Indiz für einen falsifikatorischen Akt, kann man die Behauptung des Erlebens auf eine betrügerische Intention 520 zurückführen, oder ist die Unstimmigkeit zwischen realen und ausgewiesenen Produktionsverfahren Teil einer kompetenten literarischen Inszenierung, in deren Kontext die Selbstbeschreibung als Vertextung von ‚Erleben‘ nicht als faktographische Beschreibung der Textentstehung verstanden werden kann? Nach einer Zusammenschau der unterschiedlichen rezeptionslenkenden Signale des Corpus sollen die ermittelten Schreibpraxen der ‚Gottesfreundliteratur‘ auf ihre diskursiven und epistemischen Voraussetzungen befragt werden, d.h., die scheinbar widersprüchlichen textuellen Verfahren werden ihren hagiographischen und mystischen Traditionslinien zugeordnet, um sie als diskursiv etablierte, konstitutive Elemente im Rahmen der exemplarisch-spirituellen Poetik der ‚Gottesfreundliteratur‘ zu erweisen, die keine Täuschung, sondern einen spezifischen literarischen Effekt erzielen wollen. Die anschließende Rekonstruktion des primären Gebrauchszusammenhangs des Corpus in der Johanniterkomturei hilft darüber hinaus aufzuzeigen, wie die Textsammlung durch ihre paratextuellen Zusätze einen zweiten, historisch-pragmatischen Lektüremodus etabliert, der als Teil des institutionellen Imaginären den allgemeinen exemplum-Charakter der Texte auf eine lebensweltliche Referentialisierbarkeit hin öffnen muß, welche die zwischen factum und fictum changierende, in einem heilsgeschichtlichen Wahrheitsbegriff aufgehobene Poetik der Texte zu einer referentialisierenden Ästhetik zu verschieben scheint. 4.5.1 Die exemplarisch-spirituelle Lektüre: Erfahrung durch topische Referenz 4.5.1.1 Ambiguität der Textsignale Trotz durchaus unterschiedlicher Formen des Wiedergebrauchs vorgängiger Text- und Bildmedien, deren Eigenart durch den jeweils fokussierten Aspekt einer vita religiosa ebenso wie durch den Rekurs auf unterschiedliche monastische Meditations- und Memorialformen bestimmt scheint, konnte die literarische Methode der productio 520 E. Hupe, Fälschungsdelikte, in: HRG Bd. 1 (1971), Sp. 1060-1066, hier Sp. 1064 und 1065. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 568 - der Hervorbringung aus textuell Vorgängigem 521 - als grundlegendes produktionsästhetisches Verfahren des ‚Grünen Wörth‘ erwiesen werden: Der Ausgangspunkt der Textgenese liegt weder für das vom historisch verbürgten Stifter Rulman Merswin verfaßte ‚b ch von den nún veilsen‘ noch für die Texte, die dem nicht verifizierbaren Gottesfreund aus dem Oberland zugeschrieben werden, in einem vorreflexiven, außermedialen Erfahrungsgrund; vielmehr beruhen die analysierten Texte durchgängig auf textuellem und ikonographischem Material, ihre Voraussetzung und somit ihr Referenzsystem liegt in der hagiographischen und mystischen Texttradition und nicht in ihrem außertextuellen Kontext. Die verwendeten Vorlagen, deren Umfang von stereotypen Einzelmotiven bzw. Bildmustern im ‚b ch von den zwey menschen‘ über in den Erzählzusammenhang des ‚Meisterbuchs‘ inserierte expositorische Kurzformen bis hin zu einer elaboriert und detailliert ausgestalteten Erzählung im ‚b ch von den nún veilsen‘ reichen, werden dabei keinem einsinnigen Gestaltungskonzept - etwa der sinnstiftenden Bündelung in einer homogenen Biographie - unterworfen, sondern erfahren eine jeweils spezifische Bearbeitung, deren Konzeption sich aus dem spirituellen Programm des Textes ableitet: Insofern die Rulman-Merswin-Fassung des ‚b ch von den nún veilsen‘ auf der Retextualisierung der Kurzfassung beruht (und nicht umgekehrt), korrespondiert ihr Bearbeitungsverfahren - die Wiederholung und Vertiefung vorgängiger textueller Inhalte - dem meditativen Textprogramm. Die rezipierende Durchdringung führt in die monastische Tradition der ruminatio ein und ermöglicht es dem Rezipienten so, den kontemplativen Weg, den der Text beschreibt, bereits im Lektüreakt zu beschreiten. Auch der Genrewechsel von der expositorischen Traktatform zur inzitativen Textgattung der Predigt im Rahmen der narrativen Anleitung zur gelassenheit macht die in das ‚b ch von dem meister‘ eingefügten Traktate nicht nur eingängiger und verständlicher, sondern gibt der theoretischen Reflexion über die immanente Begegnung mit Gott auch eine handlungsanleitende Wendung und sucht folglich der textimmanenten Problematisierung einer Anweisung zur gelassenheit pragmatisch zu begegnen. Die kritische Reflexion der bildmedialen Andachtspraxis im ‚b ch von den zwey menschen‘ schließlich wird in einem Medientransfer vom Bild zum Text gespiegelt, wodurch die mediale Überlegenheit der Sprache in der bildelosen Figuration Gottes vor Augen geführt wird. Die identifizierten Bearbeitungsverfahren zielen folglich nicht in erster Linie auf eine Veranschaulichung und Authentisierung der Gottesfreundfigur durch eine detaillierte und kohärente Vita, sondern korrespondieren spezifischen Aspekten der in den Erzählungen propagierten vita religiosa ; die spirituelle Konzeption und die aus ihr resultierende literarische Komposition der Texte scheint von der Mystifikation der fiktionalen Gottesfreundfigur ebenso wie von der Stilisierung Merswins als heiligmäßigem Stifter weitgehend unabhängig. Da der Wiedergebrauch von textuellen und ikonographischen Mustern nicht durch die Konstruktion und Konkretisierung der Gottesfreundfigur motiviert ist, erlaubt der Nachweis retextualisierender Verfahren allein keine Differenzierung zwischen faktisch-referentialisierendem, auf 521 Helmut Pfeiffer, Produktionsästhetik, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft Bd. 3 (2003), S. 159-161, hier S. 160. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 569 Täuschung zielendem Erzählen und fiktionaler, einen Sinnzusammenhang außerhalb des Weltbezugs ausweisender Narration. Erst die in die ‚Gottesfreundliteratur ‘ eingeschriebene, implizite Rezeptionshaltung legt den angemessenen Lektüremodus für das Corpus fest: Fehlt der Ausweis der Fiktion, d.h. wird dem Sprachgebrauch der Texte ein rein denotativer Charakter verliehen, geht ihre Funktion im ‚Bezeichnen‘ auf, die ‚Gottesfreundliteratur‘ weist sich als Erlebnisbericht aus; wird das Corpus als fiktional markiert, verweisen die Sprachzeichen nicht auf bestehende Referenzsysteme, sondern zielen auf eine Figuration eines spirituellen Konzeptes, was eine Fälschung ausschließen würde. Im Unterschied zu den bislang erfolgten Untersuchungen der ‚Gottesfreundliteratur‘, die sich einseitig auf die innertextuelle Emphase des Erlebens stützen und die Stilisierung der Textsammlung als Faktographie literal als Aufforderung zur Referentialisierung auf die Textumwelt interpretieren, um sie als Beweis der Fälschung zu nutzen, soll im folgenden das vielfältige Zeichenrepertoire, das die Suspendierung der Bezeichungsfunktion der Sprache ausweist, in den Blick genommen werden, d.h., die ‚Gottesfreundliteratur‘ wird weder auf eine contrafaktische Erlebensbehauptung noch auf eine allein wahrheitsfähige Fiktionalität festgelegt, vielmehr wird das Oszillieren der Textsignale ernst genommen und auf seine Funktion befragt. 4.5.1.1.1 Dementi der Faktizität Im folgenden sollen zwei corpusinterne Signale, die den textuellen Bezug auf die Lebenswelt negieren, im Vordergrund stehen, da man sie - ex negativo - auf die jüngst herausgestellten, 522 gattungskonstituierenden Inszenierungsformen ‚modernen‘ (auto)biographischen Schreibens beziehen kann und sie somit besonders deutlich vor Augen führen, wie die Texte neuzeitliche Konzepte historischer Faktizität und Referentialisierung unterlaufen. Sowohl die offensichtlichen Widersprüche der ‚biographischen‘ Angaben zum Gottesfreund aus dem Oberland sowie die semantisierte und somit nur innertextuell plausible Namengebung unterbinden die denotative Funktion von Sprache: Die bereits von Denifle detailliert herausgearbeiteten Unvereinbarkeiten zwischen den einzelnen Texten, die ‚biographische‘ Aussagen über den Gottesfreund bieten, dementieren den für faktographische Lektüren zentralen „Topos der Einheit des Ich“, 523 indem sie eine Integration der disparaten Informationen in einen lebensgeschichtlichen Zusammenhang verhindern. Die offensichtlichen Divergenzen zeigen eine „flexible Figurengestaltung“, 524 die sich nicht an den in der Neuzeit kanonisierten Schemata referentialisierenden Schreibens und der ihnen inhärenten Forderung historischer Verifizierbarkeit orientiert, sondern die Exempelfigur dem spirituellen Textprogramm entsprechend ausgestaltet. Während der Gottesfreund im ‚b ch von dem meister‘ durch ein wortgetreues Verständnis von Exemplarität Gott durch übertriebene Askese zu begegnen sucht und erst durch die 522 Gabriele Schabacher, Topik der Referenz. Theorie der Autobiographie, die Funktion ‚Gattung‘ und Roland Barthesʼ Über mich selbst, Würzburg 2007 (Studien zur Kulturpoetik 7). 523 Ibid., S. 352. 524 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 129. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 570 Unterweisung eines Einsiedlers die Selbstbezüglichkeit seiner Übungen erkennt und willenlos wird, wird im ‚b ch von den zwey menschen‘ das Erlangen der willenlosigkeit anders figuriert: Nach dem Gnadenerweis, der dem gespvnzen Christi in einem berswanck zuteil wird, verfällt der Gottesfreund in ein unio-Begehren und versucht eine mystische Vereinigung mit Gott durch kontemplative Techniken (imitative Selbstkasteiung und versenkende Bildandacht) zu evozieren, wird jedoch in einer göttlichen Audition - und nicht von einem Einsiedler - zur willenlosigkeit ermahnt. Diese Unterschiede in Details der Figurendarstellung zeigen bereits die Möglichkeit einer Umakzentuierung der Lebensbeschreibung gemäß dem spirituellen Programm des Textes. Im Rahmen der Gegenüberstellung von Erfahrung und spiritueller Gelehrsamkeit, die das ‚b ch von dem meister‘ zur Verdeutlichung des Konzepts der gelassenheit vornimmt, dient der laikale lebemeister ausschließlich als Gegenbild zur Selbstbezüglichkeit des Magisters der Theologie, seine Lebensbeschreibung kann sich folglich auf die Akzentuierung seiner willenlosigkeit beschränken; das ‚b ch von den zwey menschen‘ bindet die narrative Propagierung der willenlosigkeit demgegenüber in einen Diskurs über kontemplative Techniken ein, deren Popularität in der vita religiosa es notwendig macht, ihre Überwindung im Zuge der Selbstnegation durch eine detaillierte Gestaltung narrativ zu plausibilisieren. Trotz der bereits durch diese geringfügigen Verschiebungen erkennbaren, flexiblen Figurenzeichnung verdeutlicht erst ein Vergleich mit dem ‚b ch von fúnf mannen‘ die vollständige Indifferenz des Corpus gegenüber einer kohärenten Biographie: Anders als die paratextuelle Stilisierung des Textes als autorisiertes Selbstzeugnis vermuten läßt, bietet das letzte Kapitel des ‚b ch von den fúnf mannen‘ keine detaillierte, als authentische Selbstäußerung inszenierte Vita, sondern beschränkt sich auf eine unspezifische, historisch unkonkrete Personendarstellung. In Imitation des unpersönlichen Redegestus des Apostels Paulus berichtet der Gottesfreund nicht nur von einem Visionserlebnis in der sprachlichen Distanz der dritten Person, um der christlich geforderten Demut durch Selbstnegation zu entsprechen, er spitzt diese stilisierte Form der Selbstaussage bis zur Individualität negierenden Austauschbarkeit zu: n vil lieban br der, so lose jch ch mit k rzen worten wissan: alles, das jch ch van vnser br der lebben, ir aller, geschribban habbe, da lose jch ch wissan, alles, das si gelittan habbent, das selbe, ir aller lidden, das habbe jch alles mit der helfe gottes rlitten, abber dergegene so habbe jch ch van der gnaden des heiligen geistes bef nden alle die veber natt rliche fr de, die si alle bef nden habbent (B, Bl. 10 r ; Strauch 1927b [ATB 23], S. 72, Z. 1-9). Gerade in der im Textcorpus kanonisierten ‚Vita‘ wird die Gestaltung des Gotte sfreundes nicht zu einer narrativen Konkretisierung genutzt, vielmehr reduziert ihn seine Darstellung als Epitomisierung der Gottesfreundgemeinschaft auf seine Exemplarität, seine Individualität ist nicht entscheidend. Die hohe Flexibilität in der Gestaltung des Gottesfreundes, für die bei der Durchsicht des gesamten Corpus weitere Belege erbracht werden könnten, 525 manifestiert sich auch in den punktuell vorgenommenen Datierungen des Geschehens: Ist der geistliche Weg des Gottesfreun- 525 Vgl. Heinrich Seuse Denifle, Die Dichtungen des Gottesfreundes im Oberlande; ders., Die Dichtungen Rulman Merswins. Vgl. die Tabelle auf S. 12-14. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 571 des zum lebemeister beim Einsetzen der Handlung des ‚b ch von dem meister‘ (1346) bereits abgeschlossen, setzt das ‚b ch von den fúnf mannen‘ die lebensentscheidende Vision in das Jahr 1347, während das ‚b ch von den zwey menschen‘ auf die zeitlich genaue Einordnung des Geschehens verzichtet und nur eine relative Chronologie der Visionen festlegt (die himmlische Liturgie feiert der Gottesfreund 30 Tage [H, Bl. 14 r ; Lauchert 1896, S. 10, Z. 15] nach der ersten Vision, zwölf Wochen danach wird ihm die Vision des Schmerzensmannes zuteil [H, Bl. 14 v ; Lauchert 1896, S. 11, Z. 9], an die sich mit zwölfwöchigem Abstand die mystische Verlobung anschließt [H, Bl. 16 v ; Lauchert 1896, S. 12, Z. 9]). Obwohl die Verwendung konkreter Zeitangaben jeweils für sich genommen den Anschein der Objektivität und historischen Verankerung des Dargestellten weckt, 526 ist eine Projektion der Texte auf eine in sich stimmige Lebensgeschichte offensichtlich nicht intendiert, da die Angaben untereinander nicht auf eine historische Kohärenz angelegt sind. 527 Die Figurengestaltung fordert so nicht dazu auf, ein historisches Substrat aus den Texten zu extrapolieren, das Leseinteresse wird nicht auf historische Spezifika gelegt. Das zweite corpusinterne Signal, das den Bezug der ‚Gottesfreundliteratur‘ auf ein außerhalb der Texte liegendes Geschehen und ein dieses verbürgendes Referenzobjekt in Frage stellt, ist die semantisierte und somit literarische Namengebung des Protagonisten, der ein besonderes Gewicht zukommt, da sich sowohl das ‚b ch von den zwey menschen‘ als auch das ‚b ch von dem meister‘ als unmittelbares, autobiographisches Sprechen bzw. autobiographisch verbürgtes Schreiben inszeniert, das eine „Passion für den Eigennamen“ 528 kennzeichnet. Obwohl Lejeunes Fundierung der autobiographischen „Lese- und Verstehensfigur“ 529 in einem kommunikativen Pakt zwischen Autor-Protagonist und Leser in der Autobiographie-Forschung nicht mehr als hinreichende Erklärung für den spezifischen Lektüremodus der ‚Selberlebensbeschreibung‘ gilt, scheint seine Konzeption der „Signatur“ 530 sehr wohl als Folie für die spezifische Namengebung der ‚Gottesfreundliteratur‘ geeignet, da sie die Bedeutung des Namens des Protagonisten für die Lektüresteuerung pointiert vor Augen stellt. Da weder Textstrukturen noch die narrative Gestaltung der Autobiographie die ihr implizierte Referentialisierungsaufforderung an den Leser begründen könnten, geht Lejeune davon aus, daß allein die Namensidentität zwischen Autor und textinternem autodiegetischem Erzähler ein Referenzobjekt für das Subjekt der Äußerung des Textes definiere 531 und daher einen „Referenzpakt“ 532 schließe, der „die Möglichkeit einer Fiktion“ 533 nicht berücksichtige. Während die Verwendung 526 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 124. 527 Ibid., S. 129. 528 Philippe Lejeune, Der autobiographische Pakt. Aus dem Französischen von Wolfram Bayer und Dieter Hornig, Frankfurt/ M. 1994, S. 36. 529 Paul de Man, Autobiographie als Maskenspiel [1979], in: ders., Die Ideologie des Ästhetischen, hg. von Christoph Menke. Aus dem Amerikanischen von Jürgen Blasius, Frankfurt/ M. 1993, S. 131-146, hier S. 134. 530 Philippe Lejeune, Der autobiographische Pakt, S. 27. 531 Ibid. 532 Ibid., S. 40. 533 Ibid., S. 32. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 572 eines semantisch leeren, aber mit einem „Übermaß an Referenz“ 534 versehenen Eigennamens somit einen Referentialisierungsmarker darstellt, zerbricht die sinnerfüllte Bezeichnung des ‚Gottesfreundes aus dem Oberland‘ die Hoffnung auf einen unmittelbaren „Übergang von der Sprache zur Welt“. 535 Auch wenn der lexikalisch motivierte Name corpusintern als Ausdruck der Selbstbescheidung motiviert scheint, weist ihn seine Abweichung von üblichen, realweltlichen Konzepten der Namengebung, genauer seine Anbindung an eine allegorische Ausdruckspraxis, als literarische Prägung aus, für die nicht die Bezeichnung des Referenzobjekts entscheidend ist, sondern die „Färbung und Beleuchtung“ 536 des Sinns. Diese sinnerfüllte Namengebung zerstört die Illusion, die Komposition des Textes erfolge allein nach der Maßgabe der Fakten, 537 und der Gottesfreund wird nicht als historische Person, sondern als literarisch-gestaltete Figur ausgewiesen. Diese Charakterisierung der Bezeichnung ‚Gottesfreund aus dem Oberland‘ als Anthropomorphisierung eines spirituellen Modells und nicht als Form des Pseudonyms, das trotz seiner anonymisierenden Funktion die Referenz auf eine spezifische Person intendiert, ist allein durch die Bestimmung des Bedeutungsgehalts des ersten Bestandteils des Kompositums, der Genitivverbindung ‚Gottesfreund‘, möglich. 538 Eine Definition der historischen Semantik des Lexems 539 gestaltet sich dabei nicht wegen der doppeldeutigen grammatikalischen Funktion des genitivischen Substantivs als schwierig - die Konstruktion erlaubt sowohl eine Interpretation als genitivus subiectivus (Freundschaft Gottes) als auch als genitivus obiectivus (Freundschaft zu Gott) 540 - die Diffizilität einer Semantisierung liegt vielmehr im usuellen Gebrauch des Begriffs begründet, d.h., die mystischen Texte des 14. Jahrhunderts, die das Lexem regelmäßig verwenden, setzen den Bedeutungsgehalt des Begriffs voraus und bieten daher keine erläuternde Einführung in dessen Semantik. Da die Untersuchungen Egenters zudem zeigen konnten, daß eine Anknüpfung der volkssprachlichen Terminologie an das von Thomas von Aquin ausgearbeitete Konzept der Gottesfreundschaft auszuschließen ist, 541 muß eine Annäherung an die zeitgenössische Denotation und mögliche Konnotationen, die die Bezeichnung des Protagonisten des Corpus als ‚Gottesfreund‘ auslöste, somit von der Verwendungsweise des 534 Gabriele Schabacher, Topik der Referenz, S. 340. 535 Geoffrey Bennington, Derridabase [= Jacques Derrida, Zirkumfession. Neunundfünfzig Perioden und Paraphrasen], in: ders. und Jacques Derrida, Jacques Derrida. Ein Portrait, Frankfurt/ M. 1994, S. 11-323, hier S. 113. 536 Gottlob Frege, Über Sinn und Bedeutung [1892], in: ders., Funktion, Begriff, Bedeutung. Fünf logische Studien, hg. und eingeleitet von Günther Patzig, Göttingen 6 1986, S. 40-65, hier S. 45. 537 Gérard Genette, Figures: Essais, 5 Bde, Paris 1966-2002 (Poétique), Bd. 3, Paris 1972, S. 50. 538 Vgl. grundlegend: M. Gerwing, Gottesfreundschaft, in: LexMA Bd. 4 (1989), Sp. 1587; Josef Semmler, Gottesfreund(e), in: LexMA Bd. 4 (1989), Sp. 1586f.; A. Müller, A. Nitschke und C. Seidel, Freundschaft, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie Bd. 2 (1972), Sp. 1105-1114; Heinz- Horst Schrey, Freundschaft, in: TRE Bd. 11 (1983), S. 590-599, bes. S. 593f.; K. Treu, Freundschaft, in: RAC Bd. 8 (1972), Sp. 418-434; G. Vansteenberghe, Amitié, in: DSp Bd. 1 (1937), S. 500-529. 539 Vgl. hierzu grundlegend: Regina D. Schiewer, ‚Vos amici Dei estis‘. Die ‚Gottesfreunde‘ des 14. Jahrhunderts bei Seuse, Tauler und in den ‚Engelberger Predigten‘: Religiöse Elite, Verein oder Literaturzirkel? , in: Oxford German Studies 36,2 (2007), S. 227-246. 540 Ibid., S. 232. 541 Richard Egenter, Die Idee der Gottesfreundschaft im vierzehnten Jahrhundert. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 573 Lexems in diskursiv verwandten, prominenten Texten des 14. Jahrhunderts ausgehen. In einem Exkurs soll daher die Semantik des Begriffs in Heinrich Seuses ‚Vita‘, dem ‚Büchlein der ewigen Weisheit‘ und der Auswahl seiner Briefe im ‚Exemplar‘, in Johannes Taulers Predigten sowie den ‚Offenbarungen‘ Margareta Ebners und den an sie gerichteten Briefen des gaistliche[n] geträwe[n] vatter[s] Meister Hainrich[s] von nerlingen (London, Britisches Museum, Add. 11430, Bl. 49 r ; Strauch 1882, S. XXI) 542 rekonstruiert werden. 543 Diese Texte bieten eine eingeschränkte, aber durchaus hinreichende Vergleichsgrundlage, da sie - in zeitlicher und räumlicher Nähe zur ‚Gottesfreundliteratur‘ entstanden - wenn auch nicht nachweisbare, so doch mögliche Ausgangspunkte der Namengebung darstellen. Das große Bedeutungsspektrum des Terminus ‚Gottesfreund‘ in den Texten des ‚Exemplars‘ wird im neunten Brief des ‚Briefbüchleins‘ explizit hervorgehoben: Der hoh meister der sprichet also: der alliche fúrst, einvaltig wesende, der bewegt ellú ding [...]. Aber der lof und zug ist ungelich: er machet mit des himels lof die anbeiss kriechen, den geswinden hirz lofen, und den wilden falken fliegen. Ire wise ist ungelich und hein doch ein ende, daz ist ein ufenthalten ire wesens, daz von dem minnezil des ersten wesens us flússet. Disses gelich vinden wir in der grossen ungelichheit, die man under gotesfrúnden br fet, die da dez selben g tes enpfenklich sint; wan eins lofet mit grosser strenkheit, eins ilet mit luter abgescheidenheit, eins flúget mit hoher sch wlichkeit, ieder mensch, als er denne gezogen ist. Waz under den allen daz nehst sie, daz ist unverborgen in der scrift; aber waz einem ieklichen menschen sunderlich und usgescheidenlich daz nahest sie nah siner z geh rlichkeit, daz kan man nút wol gesagen. Allerley vers chen, als Paulus spricht, und eigens befinden, als sant Gregorius sprichet, und g tlichú erlúhtunge, als Dionysius seit, helfent dem menschen ze r we. Liplichú bunge hilfet etwaz, da ir nit ze vil ist; aber rehtú gelassenheit uf allen puncten, in allen wússenden und unwússenden sachen in dez obresten aller dingen wússenden willen, daz hilfet dem menschen usser allen den wellan und sezzet in ze fride in allen dingen, der sú ordenlich kan nemen (Bihlmeyer 1907, S. 388, Z. 3-26). 544 Zur Grundbedeutung des Begriffs zählen folglich weder eine spezifische Lebensform noch klar definierte spirituelle Übungen, sondern allein die Ausrichtung des Lebens auf die r we [d]es herzen in got (Bihlmeyer 1907, S. 387, Z. 2). Obwohl die Texte Seuses somit keine explizite Anleitung zur Gottesfreundschaft geben, werden zwei Charakteristika der Gottesfreunde in den verstreuten Ausführungen wiederholt thematisiert. Die Freundschaft zu Gott, die Bewegung, die vom Menschen ausgeht, muß sich vorrangig in der Nachfolge Christi im Leiden bewähren. 545 So steht das Attribut des dieners, der Kranz aus weißen und roten Rosen, für mengerlai liden, in den ein warer gotesfrúnd m ss beweret werden (Bihlmeyer 1907, S. 48*). 546 Diese Bewährung der Freundschaft zeigt sich nicht nur in der Erduldung mengerley crúzze, mit denen Gott sin 542 Die Offenbarungen Margaretas und die Briefe Heinrichs von Nördlingen werden zitiert nach: Philipp Strauch, Margaretha Ebner und Heinrich von Nördlingen. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Mystik, Freiburg/ Br.; Tübingen 1882 [Unveränderter Nachdruck Amsterdam 1966]. 543 Die Verwendung des Begriffs bei Marquard von Lindau untersucht: Stephen Mossmann, Zu Marquard von Lindau, Konrad von Braunsberg, den Gottesfreunden und dem Gottesfreundbegriff, in: Oxford German Studies 36,2 (2007), S. 247-267, hier S. 250-254. 544 Vgl. auch die Parallelstelle in jenen Briefen, die keine Aufnahme in das ‚Exemplar‘ gefunden haben: Bihlmeyer 1907, S. 469, Z. 16-25. 545 Vgl. auch Regina D. Schiewer, ‚Vos amici Dei estis‘, S. 234f. 546 Vgl. auch die der Miniatur zugrundeliegende Erscheinung Annas und die Erklärung ihrer Vision: Bihlmeyer 1907, S. 64, Z. 11-16. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 574 frúnd kestget (Bihlmeyer 1907, S. 108, Z. 22); für Seuses Konzept konstitutiv ist die Einsicht in die Bedeutung des Leidens für das individuelle Heil: Wie Judas nicht als Widersacher Jesu mißverstanden werden darf, sondern als mitwúrker (Bihlmeyer 1907, S. 126, Z. 5) am göttlichen Heilsplan interpretiert werden muß, so soll ein lidender gotesfrúnt die unterschiedlichen Gestalten des Leidens als Hilfe ansehen, durch die er soll us gewúrket werden uf sin bestes (Bihlmeyer 1907, S. 126, Z. 6), denn die Passion Jesu Christi ist das tor [...], dur daz alle die waren gotesfrúnd m ssent in dringen, die z rechter selikeit son komen (Bihlmeyer 1907, S. 34, Z. 9-11). Diese völlige Übergabe an Gott, die Abkehr von der Welt und dem eigenen Selbst, wird von Gott durch liehtrichen trost [ ] und himelschen lust [ ] (Bihlmeyer 1907, S. 95, Z. 26f.) erwidert. Dieser zweite, vor allem in der ‚Vita‘ Seuses herausgestellte Bedeutungsgehalt des Begriffs - die Freundschaft Gottes -, offenbart sich im vertrauten Austausch mit Gott in visionären Erlebnissen: S lich bildrich vision werdent noh dike gotes heinlichen frúnden, etwen wachende, etwen schlafend, in stiller r w und abgescheidenheit der ussren sinnen (Bihlmeyer 1907, S. 183, Z. 9-11). Die in die ‚Vita‘ integrierten Visionen von Gottesfreunden zeichnen sich durch zwei Spezifika aus: Zum einen verdeutlichen die gebrauchten Personalpronomina, daß im Zusammenhang mit visionärem Erleben ausschließlich weibliche Personen mit dem Epitheton ‚Gottesfreund‘ beschrieben werden; 547 zum anderen sind die Erscheinungen inhaltlich sehr eng an die ‚Vita‘ gebunden: Es handelt sich nicht um Offenbarungen religiöser Wahrheiten - um mystische Gottesbegegnungen oder allegorische Illustrationen von Glaubenssätzen -, vielmehr sind die beschriebenen Schauungen auf die Deutung des Lebens des dieners beschränkt: von der Erscheinung unser[s] herre[n] als Arzt, der Herz und Glieder des dieners mit Blut einreibt, die einem heiligen gotesfrúnd hilft, die zuvor beschriebene úberlaste der [...] bunge[ ] des dieners (Bihlmeyer 1907, S. 51, Z. 18) als göttlich auferlegte imitatio christi zu deuten (Bihlmeyer 1907, S. 51, Z. 17-S. 52, Z. 5), bis hin zur Verzückung des userwelten gotesfrúnd [es] Anna, die den diener während des Zelebrierens einer Messe von einer unzallich mengi umringt sieht (Bihlmeyer 1907, S. 63, Z. 13-28) und ihn so als Weg der menschlichen herzen zu Gott erkennt. Während das erste Charakteristikum - die geduldige Standhaftigkeit im Leiden als Zeichen der Willensübergabe an Gott - die Bezeichnung ‚Gottesfreund‘ im Corpus Seuses mit einer spezifischen Verbindlichkeit auszeichnet, die sie für die gaistlich[e] tohter des dieners zu Exempelfiguren gerinnen läßt (Bihlmeyer 1907, S. 98, Z. 9-16; S. 155, Z. 8-10), 548 weist die auffällige Verengung des semantischen Spektrums im Rahmen der Visionsdarstellungen das Lexem als Autorisierungsmuster aus. Der Gebrauch der Bezeichnung ‚Gottesfreund‘ scheint die in visionärem Erleben erfahrenen Deutungen der Vita zu autorisieren: Da den Visionärinnen als theologischen Laien die Deutungsvollmacht nicht qua Amt verliehen ist, bedarf die visionäre Erfahrung einer Beglaubigung, die durch die im Terminus ‚Gottesfreund‘ inhärente Behauptung eines vertrauten Umgangs mit Gott geleistet wird. Im Vergleich zu Seuses doppelter Verwendungsweise des Begriffs ‚Gottesfreund‘ - als relativ offener Konzeptbegriff für eine spezifische Beziehung des Menschen zu Gott und als legitimatorischer Distinktionsbegriff - hat Tauler, so die übereinstimmende Bewertung der wenigen Forschungsbeiträge zur historischen Semantik des Lexems, den „Gottesfreundbegriff am schärfsten fixiert“. 549 Der Eindruck der terminologischen Verdeutlichung entsteht jedoch nicht durch eine explizite Definition, sondern durch eine begriffliche Abgrenzung von anderen Konzepten spiritueller Unterweisung, d.h. durch die Einführung terminologischer Anto- 547 Vgl. auch: Regina D. Schiewer, ‚Vos amici Dei estis‘, S. 237. 548 Ibid., S. 243 und 245. 549 Philipp Strauch, Rulman Merswin und die Gottesfreunde, S. 204; Vgl. auch Art.: Gottesfreund, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, 16 Bde [in 32 Teilbänden], Leipzig 1854- 1960, Bd. IV, I, 5 (1958), Sp. 1228-1230, hier Sp. 1229. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 575 nyme, 550 sowie die detaillierte Konturierung des Bedeutungsgehalts. Das zentrale Merkmal - die gelassenheit - wird durch ein Bündel von partiellen Synonymen und illustrativen Eigenschaftsaufzählungen definiert. Die Intension des Begriffs ‚Gottesfreund‘ ist im Predigtcorpus Taulers in der Ausgabe Vetters im wesentlichen auf die Haltung der willig arm te (Vetter Nr. 8, S. 36, Z. 21) beschränkt, d.h. an die Übergabe des freien Willens an Gott gebunden: Z dem wesenlichen arm te sind wir alle ger ffet, alle die Gottes frúnde wellent sin, das ist das Got uns alleine besitze unsern grunt und daz wir von keinen dingen besessen anders ensint und das wir alle ding also haltent also sú Got in uns wil gehalten haben in arm te unsers geistes (Vetter Nr. 8, S. 36, Z. 25-28). Deutlicher als bei Seuse ist die Nachfolge im Leiden dieser Abkehr von den weltlichen Bedürfnissen des Ich nachgeordnet: Das geduldige Ertragen von Leid ist nicht Charakteristikum des Gottesfreundes, sondern nur äußeres Kennzeichen seiner wesenhaften gelassenheit : Dis wurt man ouch gewar, obe man dis habe, so gros swere liden uf die lúte vellet; mit dem fliehent die woren Gottes frúnde in z Gotte und lident dis ie me und nement dis von ime, also das sú es mit ime oder in ime lident, oder sú verlierent es in ime alz mole, das in Got so innan wurt das in liden nút liden enist in ime, danne es wurt in ein fr ide und eine wunne (Vetter Nr. 55, S. 49, Z. 8-13). Als Bündelung christlicher Vollkommenheitswerte - gelassenheit, Leidensnachfolge, Nächstenliebe 551 - ist ein Gottesfreund als geistlicher Führer prädestiniert, da er, so die Homilie zu Io 10, 27 (Vetter Nr. 13), den Willen Gottes kennt: Im Gegensatz zu den ungestümen, zornigen Menschen sind Gottesfreunde sanftmütig und werden daher vom Lauschen auf das göttliche Wort weder durch ihre Weltzugewandtheit noch durch ihre Selbstbezüglichkeit abgelenkt (Vetter Nr. 13, S. 63, Z. 16-22). Diese Vertrautheit mit dem göttlichen Willen läßt die Gottesfreunde zu Mittlern und Helfern auf dem Weg zu Gott werden: Wie die anfangenden Menschen die Gottesfreunde bitten sollen, daz sú úch darz helffen [...], daz sú úch mit in in got ziehent (Vetter Nr. 10, S. 50, Z. 20f.), so müssen die geistlich Fortgeschrittenen einen gelebten Gotz frúnt úber hundert mile s chen die den rechten weg bekanten und si richte (ibid., S. 223, Z. 25-27), denn in allen Gotz frúnden kann man Gott begegnen (Vetter Nr. 52, S. 239, Z. 13-15). 552 Neben dieser Hypostasierung durch die Reihe christlicher Tugenden bedient sich Tauler der Etablierung konkreter Gegenbilder, um den Bedeutungsgehalt des Lexems ‚Gottesfreund‘ zu verdeutlichen. Die klarste Differenzierung nimmt er dabei gegenüber etablierten Konzepten geistlicher Unterweisung vor: Die Mittlerschaft der Gottesfreunde beruht weder auf Schriftgelehrsamkeit noch auf der strengen Befolgung spiritueller Regeln, da sich sowohl im biblischen Wissen der Theologen als auch in der regelbewußten Lebensführung der Pharisäer ein selbstbezüglicher Kern verbirgt. Sind die Schriftgelehrten, die alle ding ziehent in ir vernúnftige wise oder in ire sinnelicheit (Vetter Nr. 9, S. 41, Z. 13f.), durch ihre theologische Bildung gut von 550 Regina D. Schiewer, ‚Vos amici Dei estis‘, S. 242, deutet dies als „Strategie, die eigene Rechtgläubigkeit zu bestätigen“. 551 Das charakterisierende Kennzeichen christlicher Existenz (Vetter Nr. 76, S. 407, Z. 32-S. 408, Z. 12) wird, sobald es auf die Gottesfreunde bezogen wird, zum Synonym der gelassenheit. In der Predigt ‚Oro fratres‘ (Vetter Nr. 76) erläutert Tauler das Wesen der Liebe wie folgt: Jo ich horte von eime grossen gotzfrúnde und der ein wunderlich heilig mensche waz, das er sprach: ‚ich enkan noch enmag nút anders, ich m sse mime nehesten himelriches me wúnschen und wellen in begerender wisen danne mir selber: dis hies ich minne.‘ Alsus ist der engegenwúrffe vil die der minnende mensche begert; so were er gern also arm, also manige wise; la du din setzen sin und la dich die minne setzen, und gang du des dinen us in eime minnenclichen lassende din selbes in dem tikeit und in luterre abgescheidenheit (Vetter Nr. 76, S. 410, Z. 28-35). 552 Vgl. auch: Regina D. Schiewer, ‚Vos amici Dei estis‘, S. 240. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 576 den Gottesfreunden zu unterscheiden, deren geistlicher Führungsanspruch explizit unabhängig von Stand und Lebensform gedacht ist (Vetter Nr. 42, S. 179, Z. 20-29), sind die Pharisäer den Gottesfreunden äußerlich ähnlich (Vetter Nr. 10, S. 48, Z. 4), wan sú wol von me bunge underwilen sint wanne die waren Gotz frúnde sint, von ussen in bettende, in vastende und in hertekeit des lebendes (Vetter Nr. 10, S. 48, Z. 4-6). Im Gegensatz zu den Gottesfreunden, die enkeinen eigenen ufsetzen noch wisen enkunnent gevolgen, dan das sú Gotte in sinen verborgenen wegen m ssent volgen (Vetter Nr. 9, S. 41, Z. 28-30), führen die Pharisäer jedoch alle Dinge auf sich selbst zurück: Es sind die geistlichen die sich fúr g t hant und haltent von in selber und stont in iren ufsetzen und wisen und haltent ire gewonheit fúr alle ding und wellent in den geachtet sin und ger met sin, und aller ir grunt der stet vol urteils uf alle die die der wisen nút ensint (Vetter Nr. 9, S. 41, Z. 18-21). Tauler verwendet das Lexem ‚Gottesfreund‘ folglich nicht, um auf historisch verbürgte Personen zu referieren, d.h., der Terminus wird personell nicht gefüllt, vielmehr nutzt er ihn, um eine wenig individualisierte Exempelfigur zu entwerfen, 553 den Prototyp eines lebemeisters, der sich durch gelassenheit auszeichnet und dessen christlich vorbildliches Leben und nicht kirchliche Weihen ihn als spirituellen Ratgeber empfehlen. Der Begriff ‚Gottesfreund‘ dient so der textuellen Figuration vorbildlichen mystischen Lebens, der Veranschaulichung eines spirituellen Konzepts, dessen personifizierende Technik das städtische Predigtpublikum zur Identifikation einlädt. Die ‚Offenbarungen‘ der Margareta Ebner nehmen gegenüber dem Gebrauch des Lexems ‚Gottesfreund‘ in den Texten Taulers und Seuses eine zweifache Konkretisierung vor, welche die textuelle Konzeption als Exempelfigur scheinbar aufbricht und einem „referentialisierenden Sog“ 554 unterwirft, zugleich jedoch eine Identifizierung unterbindet: Zum einen wird das Lexem in den ‚Offenbarungen‘ - in signifikantem Unterschied zu den Briefen 555 - ausschließlich im Singular und häufig mit dem bestimmten Artikel gebraucht, so daß eine „personalindividuelle Konkretisierung“ 556 des Lexems suggeriert wird, die den Konzeptbegriff mit einer historischen Referenz auszustatten scheint: Der Gottesfreund ist nicht länger diegetische Personifikation laikaler, mystischer Spiritualität, sondern wird als realweltlich handelnde, historisch identifizierbare Person präsentiert. Diese Tendenz zu einer literalen Lesart wird durch die Figuration des Gottesfreundes nach dem Konzept der amicitia spiritualis verstärkt, das dazu dient, die Beziehung Margaretas zu Gott konkret darzustellen. Im Unterschied zu Seuses und Taulers Präsentation der ‚Gottesfreundschaft‘, die sich allein durch die Beziehung zur Transzendenz bestimmt, stellen die ‚Offenbarungen‘ das Verhältnis Margaretas zum Gottesfreund in den definitorischen Mittelpunkt: Der Gottesfreund wird als Vertrauter, Ratgeber und Trostspender Margareta Ebners vorgestellt. Konstitutiv für diese spirituelle Freundschaft ist dabei die Rolle des Gottesfreundes als Vermittler göttlicher Gnade. Als Margareta nach dem Tod ihrer Schwester alles in liden (Strauch 1882, S. 16, Z. 2) ist, sendet Gott sinen warhaften friund in ihr Kloster, um ihr in ihrer existentiellen Verzweiflung beizustehen. Dieser creftige[ ] trost, den Margareta durch die Worte und das Leben des Gottesfreundes empfängt (Strauch 1882, S. 45, Z. 14-16), wird nur verständlich, wenn der Gottesfreund als Mittler zu Gott imaginiert 553 Ibid., S. 245. 554 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 5. 555 In den Heinrich von Nördlingen zugeschriebenen Briefen an Margareta wird der Begriff ‚Gottesfreund‘ allein durch seine Extension bestimmt, d.h., er wird als Epitheton für zahlreiche in den Briefen erwähnte Personen genutzt, ohne ihn zu bestimmen. Die terminologische Leistung der Briefe bleibt so auf den Entwurf einer Gemeinschaft von Gottesfreunden reduziert: vgl. Strauch 1882: IV, 62; VI, 43; IX, 57; XI, 75; XIII, 50; XXIII,19f.; XXV, 32f. und 39; XXXII, 69f.; XXXIII, 27 und 110; XXXIV, 46 und 80; XXXV, 15; XL, 54 und 100f.; XLV, 10; XLVI, 37 und 61; XLVII, 69; XLVII, 29 und 44-56; LI, 100; LII, 54 und 60. 556 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 139. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 577 wird, als ein Weg zur Gnade. So offenbart Margaretas Schwester über den Gottesfreund, er gleiche den Aposteln (Strauch 1882, S. 27, Z. 2-5), und eine göttliche Audition am Schluß des Textes figuriert ihn explizit als göttliches Medium: ‚min inbrünstigiu minne ziuhet in, min götlicher lust tribet in, min süezziu genade creftiget in, min luteriu warhet lert in, min götlich warhaftiu barmherziket behut in. er [86 a ] ist daz lieht, uz dem ich liuht. er ist diu craft, uz der ich würk. er ist daz war sicher leben, daz min ere behüet.‘ (Strauch 1882, S. 143, Z. 5-10). Die Konzeption des Gottesfreundes als Medium der Vermittlung der göttlichen Liebe wird daneben durch sein priesterliches Amt ermöglicht. Er spendet Margareta regelmäßig die Kommunion und läßt sie so an der göttlichen Gnade teilhaben (Strauch 1882, S. 72, Z. 16- S. 73, Z. 3). 557 Erst die vermittelnde Funktion des Gottesfreundes begründet das Vertrauen und die Zuneigung Margaretas. Er allein weiß von ihren Gnadenerlebnissen (Strauch 1882, S. 26, Z. 17-19), ihm vertraut sie sich als ainem getriwen arczat (Strauch 1882, S. 30, Z. 2f.) an, und er erteilt ihr den Schreibbefehl (Strauch 1882, S. 83, Z. 27-S. 84, Z. 24). Die Freundschaft zwischen Margareta und dem Gottesfreund dient folglich der Konkretisierung ihrer eigenen Gottesfreundschaft. Obwohl durch die Verschiebung der transzendentalen Beziehung in die greif- und wahrnehmbare Sphäre der Immanenz und durch die Anbindung an eine namentlich bekannte, historisch verbürgte Dominikanerin eine scheinbar „lebensweltliche Fundamentierung“ 558 der Gottesfreundgestalt gelingt, die sich exemplarisch in ihrer Identifizierung mit Heinrich von Nördlingen manifestiert, bleibt die Gottesfreundfigur der ‚Offenbarungen‘ weitgehend typisiert, um auf Gott hin durchsichtig zu sein. Trotz der Suggestion einer individuellen, historischen Konkretisierung bleibt auch die Gottesfreundfigur der ‚Offenbarungen‘ eine reine Textfigur, deren Konzeption nicht durch Referenz, sondern durch die Sinnvermittlung des Textes bestimmt ist. In den untersuchten, der Straßburger ‚Gottesfreundliteratur‘ vorausgehenden Corpora des 14. Jahrhunderts wird (trotz der verzeichneten, aus dem intendierten Gebrauchszusammenhang sowie textsortenspezifischen Konventionen abgeleiteten, konzeptuellen Akzentuierungen) deutlich, daß der Begriff ‚Gottesfreund‘ nicht auf konkrete, biographisch faßbare Personen rekurriert, sondern ein spirituelles Konzept umfaßt, das den aus Altem und Neuem Testament abgeleiteten semantischen Kern der familiaritas mit Gott 559 im Sinne eines neuen mystisch-aszetischen Heiligkeitskonzepts konkretisiert: Dem in den Texten Johannes Taulers, Margareta Ebners und Heinrich Seuses propagierten Frömmigkeitsideal einer erfahrungshaften Spiritualität entspricht ein Verständnis von ‚Gottesfreundschaft‘ als uneingeschränkte Entsagung von der geschaffenen Welt und dem eigenen Selbst, um für die existentielle Ausrichtung an der Transzendenz offen zu sein, deren manifestes Kennzeichen zwar die 557 Vgl. auch: Strauch 1882, S. 60, Z. 2-S. 61, Z. 17; S. 138, Z. 22-S. 139, Z. 22; S. 141, Z. 11-21; S. 142, Z. 1-5. 558 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 238. 559 Die basale Bedeutung des Lexems liegt in der alttestamentlichen Bezeichnung Abrahams und Moses als amicus dei begründet (Ex 33,11; 2 Par 20, 7; Is 41, 8), die als Bundesgenossen Gottes durch ihren vertrauten Umgang mit der Transzendenz charakterisiert sind (vgl. Francis Rapp, Gottesfreunde, in: TRE [Studienausgabe] Bd. 14 (1985), S. 98-100, hier S. 98). Durch eine der Abschiedsreden Jesu (Io 15, 13-17) erfährt der Begriff eine Bedeutungserweiterung, da er die Erlösung durch die Passion und die göttliche Offenbarung in der Inkarnation als Zeichen der göttlichen Freundschaft zu allen Christen deutet. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 578 Leidensnachfolge ist, deren Ziel jedoch im vertrauten Umgang mit Gott, im visionären Erleben, liegt. Die Idee der ‚Gottesfreundschaft‘ übernimmt aber nicht allein für die Beziehung zwischen Gott und Mensch eine sinnstiftende Funktion, der Diskurs der amicitia wird in ein Modell zwischenmenschlicher Vertrautheit verlängert. Durch die absolute Bezogenheit des Gottesfreundes auf den Willen seines transzendenten Partners wird die communicatio - die jede Freundschaft begründende, in der transzendenten Beziehung jedoch unmögliche Ähnlichkeit - durch göttliche Gnade erlangt. 560 Sie befähigt den Gottesfreund als Ratgeber, Vorbild und Mittler, andere Menschen auf ihrem Weg zu Gott zu unterstützen, so daß in der Gottesfreundschaft die amicitia spiritualis aufgehoben ist. 561 Neben dieser Anbindung an ein (vergleichsweise) modernes Konzept von Heiligkeit ist die hohe Verbreitung des Begriffs, sein usueller Gebrauch, durch sein großes Applikationsspektrum zu erklären: Weder die Ordination noch die theologische Bildung oder Stand und Geschlecht sind semantische Komponenten oder Konnotationen der Idee der ‚Gottesfreundschaft‘, so daß sowohl Laien als auch Geweihte, Frauen wie Männer, Bauern und Patrizier, Theologen und Illiterate als ‚Gottesfreunde‘ bezeichnet werden können. Die konzeptive Leistung des Begriffs liegt folglich auch in der Einbindung und Autorisation laikaler Spiritualität im hagiographischen Diskurs, da die familiaritas mit Gott nicht länger an anachoretische, monastische oder allgemein klerikale Lebensformen gebunden ist. Die verzeichneten Funktionen des Begriffs - Distinktion, konzeptuelle Figuration und Autorisation - siedeln ihn auf einer mittleren Abstraktionsebene an: Beim Lexem ‚Gottesfreund‘ handelt es sich weder um eine elaborierte Allegorie noch um eine Dokumentation historisch verifizierbarer Personen, sondern um der Spiritualität der Texte korrespondierende Rollenfiguren, welche die idealtypische Realisation des präsentierten Frömmigkeitsideals verkörpern. 562 Die ausschließliche Bezeichnung eines der Protagonisten des Straßburger Corpus als ‚Gottesfreund‘ knüpft an die skizzierte Verwendung des Lexems an und weist diesen zunächst als Exempelfigur aus, als textimmanentes Rollenmuster, das die abstrakten spirituellen Konzepte in einer Biographie konkretisieren soll, unterwirft den usuellen Gebrauch jedoch zugleich einer widersprüchlichen Bearbeitung: Einerseits profiliert die detaillierte und veranschaulichende Darstellung der spirituellen Biographie des Gottesfreundes eine individuelle Verkörperung des spirituellen Ideals und suggeriert eine personale Konkretisierung des Rollenmusters, die - durch die Veranschaulichung des amicitia spiritualis- Konzeptes im vertrauten Austausch mit historisch verifizierbaren Personen verstärkt - auf eine referentialisierende Lektüre der Exempelfiguren hindeutet. Die Straßburger Texte scheinen das idealtypische spirituelle Modell zur textuellen Gestaltung ihres Stifters zu nutzen, um das typisierte Pendant zu Rulman Merswin zu authentisieren. Andererseits nutzt das Corpus die Namengebung der Figur zu einer deutlichen Allegorisierung der Lektüre, da der Beiname vom oberlant nicht nur ein literales Ver- 560 Richard Egenter, Gottesfreundschaft, S. 55 und 58. 561 Christine Ruhrberg, Der literarische Körper der Heiligen, S. 242ff.; Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 233. 562 Vgl. die Ausführungen zum Handlungsmuster Hagiograph bei: Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 232. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 579 ständnis als höhere, vielleicht am Oberlauf eines Flusses und nicht in den nideren landen gelegene, 563 geographische Region im Süden des Reichsgebietes zuläßt, sondern - vor allem in Texten, die sich einer religiösen Begrifflichkeit bedienen - als allegorische Bezeichnung eines moralisch vorbildlichen, zur Erlösung führenden Verhaltens genutzt wird, wie das Beispiel der (zumindest) in der Nähe des ‚Grünen Wörth‘ entstandenen 564 oberdeutschen Übertragung von Ruusbroecs ‚Brulocht‘ illustrieren mag: Im zweiten Buch der ‚Geistlichen Hochzeit‘ faßt Ruusbroec die Vorbereitung auf die Wiederkehr des Bräutigams (Mt 25, 7) in das Bild einer lichtdurchfluteten Landschaft: Um der Erleuchtung des lipliche[n] hertze[n] vnd d[er] beuintlichen crefte (Eichler II, Z. 202) durch die ewige Sonne Christus teilhaftig zu werden, müsse der Mensch Gott ins oberlant entgegengehen, denn: Die sunne die schinet in oberlant, in mitten der welte engegen dem gebirge. [...] Der mensche, der nu wil beuinden den schin der ewigen sunnen, die Cristus selber ist, der sol sehende sin vnd wonen in dem gebirge in oberlant mit sammenunge aller sinre krefte vnd vf erhaben mit hertzen sehen z gotte, fri vnd vnbekúmert von liebe vnd von leide vnd von allen creaturen. Dar schinet Cristus, die sunne der gerehtikeit, in die frien erhabenen hertzen: daz sint die berge, die ich meine (Eichler II, Z. 205f. und 214-219). 565 Die literarische, sinnerfüllte und nicht allein referentialisierende Namengebung, die durch die Anknüpfung an spirituelle Rollenmuster (Gottesfreund) und allegorische Ausdrucksformen (Oberland) des religiösen Diskurses deutlich hervorgehoben wird, ist als ein entscheidendes lektüresteuerndes Signal zu interpretieren: Die semantische Motivation des Namens deutet auf die Zugehörigkeit der benannten Figur zur Literatur hin, der hieraus entstehende Mangel eines konkretisierbaren Verweises auf eine bestimmte Person erschwert den Bezug auf die Textumwelt, so daß der ‚Gottesfreund aus dem Oberland‘ bereits textimmanent als literarische, der spezifischen Spiritualität des Corpus der Johanniterkomturei korrespondierende Exempelfigur ausgewiesen scheint, was eine Referenz auf die Straßburger Lebenswelt ausschließen müßte. 4.5.1.1.2. Figuren der Referenz Dieses Verständnis des Gottesfreundes als fiktionale Exempelfigur steht in offensichtlichem Widerspruch zur Inszenierung der Texte als unmittelbarem Ausfluß lebensweltlicher Erfahrung, die sowohl durch die Verfahren der Textkonstitution als auch durch die textinterne wie paratextuelle Reflexion der Genese und Poetologie der ‚Gottesfreundliteratur‘ bedingt ist. Die Lektüre als Erfahrungsbericht wird dabei primär durch die emphatische Thematisierung religiösen Erlebens und die hieraus 563 Vgl. Werner Williams-Krapp, Ein puch verschriben ze deutsch in brabantzer zunge. Zur Rezeption von mystischem Schrifttum aus dem niderlant im oberlant. 564 Vgl. Wolfgang Eichler, Jan van Ruusbroecs ‚Brulocht‘ in oberdeutscher Überlieferung, S. 31f., sowie die Ausführungen auf S. 318, Anm. 579. 565 Für eine vergleichbare allegorische Verwendung des Begriffs oberlant in Abgrenzung von niderlant vgl. Berthold von Regensburg, Vollständige Ausgabe seiner Predigten mit Anmerkungen von Franz Pfeiffer. Mit einem Vorwort von Kurt Ruh, Berlin 1965, S. 249-263. Vgl. für weitere Belegstellen der metaphorischen Verwendung: BMZ, Bd. 1 (1997), Sp. 9369; Lexer: oberlant, Bd. 2, Sp. 135; DWB: oberlant, Bd. 13, Sp. 1095. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 580 abgeleitete, spezifische Gestaltungsform der analysierten Texte evoziert. Die Anlage des ‚b ch von den zwey menschen‘ als Dialog zwischen zwei in göttlicher Liebe verbundenen Freunden erlaubt es, die Gegenüberstellung verschiedener kontemplativer Techniken sowie die Differenzierung mystischer und häretischer Konzeptionen von willenlosigkeit in der Form vertraulicher Bekenntnisse individueller Verfehlungen zu präsentieren. Die autobiographische Retrospektive kann dabei durch die konstitutive Differenz zwischen vergangenem, narrativ vergegenwärtigtem und sich selbstreflexiv erinnerndem Ich die Kontrastierung von bildmedial inspirierten, selbsterzeugten Visionen und unmittelbarer Erfahrung der Transzendenz nicht nur in der gesprächsweise geäußerten Erfahrung konkretisieren und zugleich verlebendigen, sondern versieht die Ablehnung spezifischer religiöser Praxen zusätzlich mit dem Nachdruck der Rhetorik des Ich. Die Notwendigkeit der Abkehr von verbreiteten Meditationsformen wirkt nicht durch scharfsinnige, intellektuelle Erörterung überzeugend, sondern durch ihre Herleitung aus unmittelbarer, lebensweltlicher Erfahrung. Der Gestaltung mit Hilfe der Rhetorik des Bekenntnisses vergleichbar, inszeniert das ‚b ch von den nún veilsen‘ seinen Rekurs auf ‚Erfahrung‘, indem eine unmittelbare Kausalität zwischen faktischem Geschehen und der Komposition des Textes behauptet wird: Der Text zeichnet sich durch eine Poetik des Widerfahrens aus, die das schreibende Ich nicht als Gestaltungsgrund eines literarischen Textes inszeniert, sondern als passives Medium transzendenter Offenbarung stilisiert. Durch die komplexe (Wiederholungs)Struktur, die den narrativ entfalteten Allegorien eines mystischen Aufstiegs zu Gott eine detaillierte Diskussion um die Verschriftlichung des Visionserlebens voranschickt, wird der vorreflexive Ausgangspunkt des Textes in einer plötzlich erfahrenen, unverfügbaren Vision angesiedelt, die vom menschen nur erlebt, jedoch noch nicht durchdrungen werden kann. Erst die darstellende Umsetzung der Erfahrung löst diese aus der Innerlichkeit des menschen und zwingt ihn, sein vorreflexives Erleben einem Verstehensprozeß zu unterziehen. Die für diese Vermittlung notwendige Allegorese bedient sich zwar der Bildsprache der heiligen, inspirierten Texte, die literarische Gestaltung rekurriert folglich auf die diskursive Tradition, das ‚b ch‘ inszeniert jedoch auch diesen hermeneutischen Prozeß als exegetische Vision: Der Mensch ervert (durchreist, durchzieht) einen visionären Raum vor seinen inneren Augen, der ihm in einem minnekosenden Dialog von seinem transzendenten Gegenüber ausgelegt wird. Die Gleichzeitigkeit des Rekurses auf vorgängiges Text- und Bildmaterial und der Illusion eines unmittelbaren Übergangs von Erfahrung in textuelle Komposition verleiht dem Text nicht nur eine autobiographische Qualität, sondern ermöglicht den sinnlichen Nachvollzug der Erfahrung durch den Rezipienten, die meditative Textaneignung, wodurch eine Aufhebung der Differenz von visionärem Erleben und kontemplativen Lesen avisiert wird. Im Gegensatz zu der hier vorgenommenen Annäherung zwischen außertextueller und literarischer Erfahrung reflektiert das ‚b ch von dem meister‘ Möglichkeiten und Grenzen textueller Vermittlung von Erleben. Die Bekehrung des Magisters der Theologie durch einen lebemeister, welche die Überlegenheit religiöser Erfahrung gegenüber intellektuell gewonnenem, abstrakt formuliertem Wissen demonstriert, wird dabei in der gewählten Präsentationsform des Textes gespiegelt. Als Ausfluß eines Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 581 autobiographischen Selbstzeugnisses und des Protokolls des laikalen Augenzeugen inszeniert, bedient sich das ‚Meisterbuch‘ der narrativen Gestaltungsform des Berichts, der durch die doppelte Autorisation in Selbst- und Fremdbeschreibung und der Präsentation im Rahmen einer personenbezogenen Erzählung die historische Dokumentierbarkeit des Geschehens hervorhebt, um die Textwelt der Lebenswelt des Rezipienten anzunähern und durch die Emphase der ‚Machbarkeit‘ (factibile) 566 zu einer umfassenden Selbstbeeinflussung i.S. der mystischen gelassenheit aufzurufen. Den skizzierten, die ‚Gottesfreundliteratur‘ als Erfahrungsberichte auszeichnenden Themen und Gestaltungsweisen korrespondiert die intradiegetische Figuration der Genese der Texte: Der Berufung auf schriftliche und approbierte sowie durch einen göttlichen Schreibbefehl sakralisierte Quellen im ‚b ch von den zwey menschen‘, der Präsentation als unmittelbare Niederschrift aktuell erlebter, religiöser Offenbarung im ‚b ch von den nún veilsen‘ und der Gestaltung als Lebensbericht eines göttlich inspirierten, aber nicht klerikal-geschulten Vertrauten im ‚Meisterbuch‘ ist der Rückgriff auf Erfahrung, die emphatische Behauptung von Referenz gemeinsam. Die vorangehenden Analysen dieser Figuration der Textentstehung vor der Folie topischer Begründungsstrategien mystischer Literatur konnten jedoch die funktionale Einbindung der auffälligen Akzentuierung des Schreibens in die Poetologie der ‚Erfahrung‘ aufzeigen: Die Komposition der Entstehungsberichte versteht sich nicht als faktentreue Spiegelung der konkreten Entstehungssituation, sondern erfolgt nach den Maßgaben der spirituellen Programmatik und narrativen Logik der Texte, 567 ist somit als Teil der diegetischen Inszenierung Anbindung an die diskursive Tradition und scheint daher keine Behauptung von Authentizität, sondern „letztlich nichts anderes als die Formulierung eines Anspruchs auf höhere Wahrheit der religiösen Texte“, 568 eine Legitimation (laikalen) Schreibens im religiösen Diskurs zu sein. Die Rezeptionssteuerung im Hinblick auf den ontologischen Status der Texte zeichnet sich folglich durch eine spezifische Ambiguität aus: Während die paratextuelle wie innertextuelle Selbstexplikation als ‚Erlebnisbericht‘ zur Referenz auf die Textumwelt auffordert, sind der Rekurs auf „literarische Konventionen ([...] Motive, gattungsspezifische Figurenkonstellationen und Handlungsverläufe [...])“ 569 sowie auf konkret geformtes vorgängiges Textmaterial, der unbeschwerte Umgang mit Widersprüchen und Unbestimmtheiten in textuellen Angaben zu Personen, Ort und Zeit der Handlung, 570 schließlich die literarische Namengebung als Signale der Fiktionalität zu lesen. Diese Verschränkung von Fiktionalitätsausweis und Signalen der Faktographie ist dabei nicht als Indiz der ‚Fälschung‘, als mangelnde Sorgfalt bei der Nachbildung diskursiver Strukturen, zu erklären, sondern als explizite Doppelcodierung zu verstehen, deren Funktion nicht - wie die moderne Unterscheidung von Fakt und Fik- 566 Peter von Moos, Geschichte als Topik. Das rhetorische Exemplum von der Antike zur Neuzeit und die historiae im ‚Policraticus‘ Johanns von Salisbury, Hildesheim 2 1996 (Ordo. Studien zur Literatur und Gesellschaft des Mittelalters und der frühen Neuzeit 2), S. 96. 567 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 210. 568 Christine Ruhrberg, Der literarische Körper der Heiligen, S. 419. 569 Natascha Würzbach, Fiktionalität, Sp. 1109. 570 Ibid., Sp. 1108. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 582 tion suggeriert - in einer die Stiftung Merswins hypostasierenden Täuschung aufgeht. Der ontologische Schwebezustand wird vielmehr aus der diskursiven Tradition übernommen, die das Oszillieren der Texte zwischen Text- und Umweltbezug zur Textkonstitution und Rezeptionslenkung nutzt. 4.5.1.2 Die literarische Tradition: Exempla des Erlebens und Repräsentationen eines Heiligkeitskonzeptes? Sowohl die auf dem ‚Grünen Wörth‘ bearbeiteten Prätexte als auch die literarische Tradition, aus der das Corpus Motive, Topoi und Schreibpraxen aufgreift, zuletzt der Überlieferungsverbund, in den die ‚Gottesfreundliteratur‘ in den Handschriften aufgenommen wurde, die außerhalb der Komturei entstanden, integrieren die Texte in zwei, miteinander verwandte diskursive Strukturen: Die prädominierende Thematik der Gotteserfahrung, die verwendete Bildlichkeit wie die Überlieferung im Rahmen des Predigtcorpus Taulers und der Werke Seuses weisen die Texte in einen im weiteren Sinne mystischen Textzusammenhang, während die vitenähnliche Struktur der Texte und ihre Einreihung in Mirakel- und Exempelsammlungen an die Gattungsvielfalt der Hagiographie anknüpfen. Für beide Textgruppen - die literarische Propagierung der Heiligen und ihres Kultes wie auch die (frauen)mystische Viten- und Offenbarungsliteratur - ist das für das ‚Gottesfreundcorpus‘ herausgearbeitete Oszillieren zwischen Fiktions- und Faktizitätssignalen charakteristisch: Die Behauptung, die Textgenese nehme ihren Ausgang von einem vormedialen Erfahrungsgrund, ist ebenso gattungskonstitutiv wie der Rekurs auf literarische Konventionen (genrespezifische Figurenkonstellationen und Handlungsabläufe). Die Diskrepanz zwischen retextualisierender Praxis und Selbstbeschreibung ist nicht Spezifikum des falsifizierenden Corpus der ‚Gottesfreundliteratur‘, sondern im diskursiven Zusammenhang begründet. Wie im Forschungsreferat der Einleitung 571 detailliert dargelegt, erhielt der Widerspruch zwischen Produktionsverfahren und Erlebnispostulat sowohl in der Forschung zur mittelalterlichen Hagiographie als auch im Rahmen der Analyse frauenmystischer Einzeltexte eine kontroverse Auslegung. Während der offensichtliche Wiedergebrauch von einzelnen Motiven bis hin zu Handlungskonstellationen einen negativen Konsens in der Ablehnung erlebnishermeneutischer Interpretationsmuster bewirkte, stehen sich bei der positiven Formulierung des basalen Kompositionsverfahrens und somit des adäquaten Verständnisses der Gattung zwei alternative Beschreibungsmuster gegenüber: Die gebräuchlichere, wenn auch zumeist implizite 572 Interpretation der Texte wählt einen hagiographischen Deutungshorizont, d.h., die 571 Vgl. die Ausführungen auf S. 423-430. 572 Ausdrücklich im Sinne der ersten Position thematisiert wird das Problem des ‚Erlebnisgehalts‘ mystischer Texte bei: Alois M. Haas, Geschichte und Fiktionalität in mystischen Texten; Werner Williams- Krapp, Nucleus totius perfectionis. Die Altväterspiritualität in der ‚Vita‘ Heinrich Seuses, in: Johannes Janota, Paul Sappler, Frieder Schanze, Benedikt K. Vollmann, Gisela Vollmann-Profe und Hans- Joachim Ziegeler (Hgg.), Festschrift Walter Haug und Burghart Wachinger, 2 Bde, Tübingen 1992, Bd. 1, S. 407-421; Otto Langer, Mystische Erfahrung und spirituelle Theologie. Zu Meister Eckharts Auseinandersetzung mit der Frauenfrömmigkeit seiner Zeit, München; Zürich 1987 (MTU 91); Siegfried Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, passim. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 583 Analysen suchen den Widerspruch zwischen der Inszenierung als erfahrungshafte Selbstäußerung und den vorwiegend retextualisierenden Schreibpraxen durch eine in den paratextuellen Kommentaren zu den kanonischen Texten der Hagiographie artikulierte exemplarische Poetik aufzulösen, 573 welche den grundsätzlich außerliterarischen Erfahrungsgrund, die facta und gesta der Heiligen, einer nachträglichen Stilisierung im Horizont spiritueller Auslegeverfahren unterziehe und die Legendentexte so nicht auf die historische Faktizität, sondern auf die evozierte Bedeutung verpflichte. 574 Die Opposition von factum und fictum sei im exemplum aufgehoben, dessen antimimetische Komposition und Konzeption die retrospektive Referenzbildung auf ursprüngliches, realweltliches Erleben zugunsten der illustrativen Explikation einer spirituellen Wahrheit abwerte, aber nicht ausschließe. Während die Deutung im Kontext der allegorischen Poetik der Hagiographen an einer essentialistischen Interpretation der Referenzbehauptung festhält - „ohne das ihnen [sic! ] zugrundeliegende Erleben würde diese Textsorte nicht existieren“ 575 - diese jedoch hagiographischen Prozessen der Objektivierung unterzogen glaubt, bewertet die zweite, dezidiert literarhistorische Position dieses Interpretationsmuster als „misreading“, das das Thema der Texte - die „narrative oder dialogische Präsentation von Gotteserfahrung und -begegnung“ - mit ihrem ontologischen Status verwechsle: 576 Die Komposition der Texte mit Hilfe hagiographischer Stereotypen und Topoi sowie die programmatische Ausgestaltung der textintern figurierten Textentstehungsgeschichte am Muster der weiblichen, aszetisch-mystischen Heiligkeit lasse erkennen, daß die Texte kein „bloßes Ausdrucksmedium erlebter mystischer Spiritualität“ seien, 577 ihre erlebnishafte Qualität sich vielmehr auf den literarischen Techniken der sinnlich-erfahrbaren Darstellung gründe, die zum Nachweis der heilsgeschichtlichen Wahrheit, vor allem jedoch zur effektiven Propagierung eines weiblichen (und das meint im Rahmen dualistischer Geschlechtskonzeptionen eines sinnlich-kreatürlichen) Heiligkeitskonzepts diene. 578 Die Inszenierung der Texte als erfahrungshafte Selbstäußerung verweise nicht auf ein zwar literarisch stilisiertes, aber lebensweltlich reales Erfahrungssubstrat, sondern sei allein literarischer Effekt, 579 um die Essenz des abstrakten und wenig anschaulichen Modells mystischer Heiligkeit - die Gottesbegegnung - textuell bezeichnen und vergegenwärtigen zu können. 573 Vgl. folgende grundlegenden Arbeiten: Klaus Schreiner, Zum Wahrheitsverständnis im Heiligen- und Reliquienwesen des Mittelalters, in: Saeculum 17 (1966), S. 131-169; Rolf Schulmeister, Aedificatio und Imitatio. Studien zur intentionalen Poetik der Legende und Kunstlegende, Hamburg 1971; Thomas J. Heffernan, Sacred Biography; Peter von Moos, Geschichte als Topik; Benedikt Konrad Vollmann, Erlaubte Fiktionalität: die Heiligenlegende; Fritz Peter Knapp, legenda aut non legenda. Erzählstrukturen und Legitimationsstrategien in ‚falschen‘ Legenden des Mittelalters: Judas - Gregorius - Albanus, in: Germanisch-romanische Monatsschrift 84 (2003), S. 133-154, wieder in: ders., Historie und Fiktion in der mittelalterlichen Gattungspoetik (II). Zehn neue Studien und ein Vorwort, Heidelberg 2005, S. 101-130. 574 Rolf Schulmeister, Aedificatio und Imitatio, S. 31, 38 und 52; Christine Ruhrberg, Der literarische Körper der Heiligen, S. 152, 156; Werner Williams Krapp, Nucleus totius perfectionis, S. 420. 575 Peter Dinzelbacher, Zur Interpretation erlebnismystischer Texte des Mittelalters, S. 308. 576 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 5. 577 Ibid., S. 4. 578 Christine Ruhrberg, Der literarische Körper der Heiligen, S. 357, 419. 579 Ibid., S. 419; Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 5. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 584 Diese kontroversen Deutungsmuster - die Herleitung der erlebnishaften Qualität der Texte aus einem nachträglich stilisierten, aber grundsätzlich außerliterarischen Erfahrungsgrund gegenüber der Interpretation der Texte als literarische Konstrukte - erfahren durch das dem ‚Gottesfreund‘-Corpus inhärente „Erkenntnispotential der Fälschung“, d.h. den impliziten Verweis falsifikatorischer Praktiken auf „Paradigmen, [...] Verabredungen, [...] Erwartungshaltungen, kurz: auf ungeschriebene und geschriebene Gesetze“ 580 des Diskurses, eine neue Beurteilung: Die Analyse der ‚Gottesfreundliteratur‘, die ihre elaborierte Inszenierung als erfahrungshafte Selbstäußerung ebenso wie die retextualisierenden Produktionsverfahren als Schreibpraxen der Viten- und Offenbarungsliteratur erweisen konnte, verdeutlicht eindrucksvoll, daß sich die Lektüre der Texte als Erfahrungsberichte nicht ihrem ontologischen Status verdankt, d.h., die Suggestion der Authentizität entsteht nicht durch realweltliches Erleben, sondern beruht auf dem literarischen Potential einer „Topik der Referenz“. 581 Die charakteristische Machart des Corpus - die Rhetorik des Bekenntnisses, die Emphase der Innerlichkeit und die personenbezogene Erzählung - ebenso wie die Darstellung der Textgenese als Vertextung von Erfahrung ist nicht durch den faktischen Ausgangspunkt der Texte bedingt, keinem vorreflexiven, lebensweltlichen Geschehen geschuldet, die Illusion unmittelbarer Referentialisierbarkeit ist vielmehr eine spezifische Leistung von Literatur, ist Texteffekt. Die fehlende Unterscheidbarkeit, die vollständige Identität der textuellen Merkmale der ‚Gottesfreundliteratur‘ und der Inszenierung weiterer, ‚echter‘ Viten- und Offenbarungstexte, die sich nicht zuletzt in der lang andauernden Forschungskontroverse um die Identität des Gottesfreundes aus dem Oberland manifestiert, führt vor Augen, daß die im Corpus angewendeten Verfahren nicht Spezifikum einer falsifikatorischen Praxis sind, sondern lediglich die „verschwiegenen Rituale [...] des Diskurses“ sichtbar machen, 582 und somit aufzeigen, „welche Begriffe von Originalität, Echtheit, Autorschaft, Authentizität und Wahrheit“ im mystischen Diskurs wirksam und konstitutiv sind. 583 Da die erlebnishafte Qualität der ‚Gottesfreundliteratur‘ von ‚tatsächlichen‘ Offenbarungsberichten und heiligmäßigen Lebensbeschreibungen anhand textueller Merkmale nicht zu unterscheiden ist, der Erweis der ‚Fälschung‘ vielmehr erst durch nachträgliche „Wahrheitsproben“ 584 anhand von Namen, Daten und Ereignissen erbracht werden konnte, erweist die ‚Gottesfreundliteratur‘, daß die Überzeugung von der Authentizität mystischen Erlebens allein aus der Art seiner Darstellung hervorgeht und nicht aus Prozessen der Verifikation resultiert. 585 Die Wirkmächtigkeit der „Rhetorik des Faktischen“ 586 ist dabei vom Tatsachengehalt des Dargestellten unab- 580 Anne Kathrin Reulecke, Fälschungen - Zu Autorschaft und Beweis in Wissenschaften und Künsten, S. 22. 581 Gabriele Schabacher, Topik der Referenz. 582 Anne Kathrin Reulecke, Fälschungen - Zu Autorschaft und Beweis in Wissenschaften und Künsten, S. 16. 583 Ibid., S. 22. 584 Philippe Lejeune, Der autobiographische Pakt, S. 39. 585 Vgl. für eine übereinstimmende Bewertung der Fälschung einer Shoah-Autobiographie durch Benjamin Wilkomirski als Decouvrierung diskursiver Strukturen der Autobiographie: Gabriele Schabacher, Topik der Referenz, S. 174-182. 586 Ibid., S. 181. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 585 hängig. Die rhetorische Evidenzerzeugung erlaubt keine produktionsästhetische Differenzierung zwischen faktischem mystischem Geschehen und simuliertem Erleben, da die Fiktion als Frage der Darstellung (Stilisierung) fließend in die Fiktion i.S. der Erfindung übergeht. 587 Die mangelnde Differenzierungsmöglichkeit zwischen Fakt, Fiktion und Fälschung eröffnet eine neue, von den beiden Interpretationsansätzen bislang weitgehend vernachlässigte, rezeptionsästhetische Perspektive auf die Viten- und Offenbarungsliteratur im allgemeinen und das ‚Gottesfreundcorpus‘ im besonderen: Konnten bereits die widersprüchlichen Textsignale, die bewußte Doppelcodierung des Corpus zwischen Fiktionalitätsausweis und Behauptung der Faktographie, aufzeigen, daß die moderne Dissoziierung zwischen Fiktionalitätsbewußtsein und Wahrheitsanspruch in der Überlieferung der Johanniterkomturei nicht virulent ist, verdeutlichen die Tradierungsform wie auch die Bearbeitungsverfahren, denen die Texte außerhalb Straßburgs unterzogen werden, daß auch diese Kopien nicht an faktographischen Berichten über historisch-individuelles Erleben interessiert sind: Die Formen der Adaptation - das Stilprinzip der meditativen Vertiefung unterlaufende Kürzungen im ‚b ch von den nún veilsen‘, die detaillierten Korrekturen nach den verwendeten Vorlagen in der Tradierung des ‚b ch von dem meister‘ sowie Ellipsen jener Textpassagen, die dem neuen ‚Sitz im Leben‘ nicht entsprechen - diese Bearbeitungen zeigen, daß die Tradierung der Texte nicht nach den Regeln einer authentischen, durch wörtliche Identität beglaubigten Kopie verläuft, die als Voraussetzung eines (auto)biographischen, referentialisierenden Textverständnisses gelten kann, vielmehr werden die ‚Gottesfreund-Texte‘ als exempla tradiert, deren spezifischer Skopus dem jeweiligen Handschriftenprogramm angepaßt werden kann. Im Rahmen der exemplarisch-spirituellen Lektüre ist folglich ein durchaus möglicher, aber textuell weder verifizierbarer noch notwendiger ‚Erlebniskern‘ nicht von Interesse, eine retrospektive Referentialisierung auf ‚Welt‘, eine Entscheidung in bezug auf die Wesenhaftigkeit des Gottesfreundes nicht intendiert: Es handelt sich um Texte ohne Referenz, d.h., sie nehmen keinen Bezug auf eine außersprachliche, faktische Umwelt, 588 sondern fördern eine Rezeptionshaltung, die auf Textapplikation sowie auf die Etablierung einer institutionsspezifischen, von Referentialisierbarkeit und Faktizität unabhängigen Wahrheit setzt. 589 587 Ibid. 588 Zu dieser basalen Definition von Referenz vgl. Heinz Vater, Referenz-Linguistik, München 2005, S. 11-20. 589 Diese Beschreibung der ‚Gottesfreundliteratur‘ als Texte ohne Referenz bewertet sie dabei nicht als Fiktion. Zwar beschreibt Gabriel die Semantik fiktionaler Texte vergleichbar als Aufhebung der geltenden Sprachregeln der Referenz - „‚fiktionale Rede‘ heiße diejenige nicht-behauptende Rede, die keinen Anspruch auf Referenzialisierbarkeit oder auf Erfülltheit erhebt“ (Gottfried Gabriel, Fiktion und Wahrheit, Stuttgart-Bad Cannstatt 1978 [Problemata 51], S. 28) -, im Unterschied zu dieser linguistischen Definition der Fiktionalität impliziert die hier vorgenommene Charakterisierung der ‚Gottesfreundliteratur‘ jedoch keine Wahrheitsindifferenz der Texte, da der nicht-referentialisierende Sprachgebrauch des Corpus mit einem Wahrheitsanspruch kompatibel ist. Vgl. zur Problematik der Kategorie der Referenz im Rahmen einer Definition der Fiktion auch: Jan-Dirk Müller, Literarische und andere Spiele, S. 295-299. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 586 Macht dieser Interpretationsansatz - die Viten- und Offenbarungsliteratur verzichte auf eine Referentialisierung auf Außersprachliches - die exemplarische Poetik der Texte unmittelbar einsichtig, die gerade durch den retextualisierenden Bezug auf kanonische Texte und stereotype Handlungsmuster ihre Integration in den heilsgeschichtlichen Sinnzusammenhang, ihre Wahrheit, ausweist, kann die Inszenierung der Texte als ‚Erlebnisberichte‘ im Rahmen einer referenzlosen Poetik nicht in ihrem vordergründigen, literalen Verständnis aufgehen. Die Behauptung, der Text basiere auf religiöser Erfahrung, legt seine Bedeutung nicht auf eine Form des außertextuellen Bezuges fest; in die Inszenierung als Vertextung von ‚Erleben‘ ist keine Referentialisierungsoperation eingeschrieben, welche die Texte als Faktographie bzw. täuschende Vorspiegelung von Authentizität ausweist. Die Referentialisierungsbehauptung der Texte markiert als topisches Element der Viten- und Offenbarungsliteratur nicht den Umweltbezug, sondern die Relation zur Texttradition und ist somit nicht faktisch wahr, sondern sinnvoll. Der Inszenierung als ‚Erfahrung‘ kommen dabei vornehmlich zwei miteinander verschränkte Funktionen zu: Das spezifische Oszillieren zwischen Fakt und Fiktion, das durch den Widerspruch zwischen Fiktionalitätssignalen und Behauptung der Faktizität entsteht, ist zunächst dem Gegenstand der Texte geschuldet. Wenn man Mystik in einem Minimalkonsens nach Bernhard von Clairvaux als cognitio Dei experimentalis definiert, als Entwurf einer erfahrungshaften Gotteserkenntnis im seelischen Innenraum, zeichnet sie ein Repräsentationsproblem aus, dem der schwebende Zustand der Texte eine Offenheit entgegensetzt, die (durch die Unterbindung der Referentialisierung) die stets defizitäre, da stationäre, begrifflich-bezeichnende Erfassung der Transzendenz verhindert und (in der Behauptung der Referenz) durch eine dynamische 590 Figuration der Vereinigung mit Hilfe der Evokation bildhafter Ähnlichkeiten ersetzt: Wenn eine solche Sprache nicht mehr bezeichnet, dann eröffnet sie durch ihre Figuration die Vorstellbarkeit dessen, worauf sie hinzielt. Das aber heißt, die Sprache selbst depotenziert sich zu einem Analogon, das nur noch die Bedingung möglicher Vorstellbarkeit enthält und gleichzeitig signalisiert, mit dem, das es nun vorzustellen gilt, nicht identisch zu sein. So bringt sich im Verweis der figurativen Sprache eine Doppeldeutigkeit zum Vorschein: sie funktioniert gleichzeitig als Analogon der Vorstellbarkeit und als Zeichen der sprachlichen Unübersetzbarkeit dessen, was sie anzieht. 591 Nur durch eine Textstruktur, die ihre Referentialisierbarkeit nicht festlegt, durch das Oszillieren zwischen „bildhaftem und bedeutendem, zwischen erzählendem und exegesierendem Sprechen“ 592 können die Bindungen an konventionelle Begrifflichkeit und Sinnzusammenhänge gelöst werden und „Bilder der unbegriffenen Wahrheit“ 593 aufscheinen, die nicht zu erfassen, aber zu erzählen und zu ‚erfahren‘ sind. Im Zuge einer thematischen Analyse mystischer Texte schreibt das Insistieren auf der Kategorie des ‚Erlebens‘ folglich gegen einen Mangel an Referentialisierbarkeit 590 Susanne Köbele, Bilder der unbegriffenen Wahrheit, S. 9. 591 Wolfgang Iser, Das Fiktive und das Imaginäre, S. 34. 592 Susanne Köbele, Bilder der unbegriffenen Wahrheit, S. 23, vgl. auch: Christel Meier, Überlegungen zum gegenwärtigen Stand der Allegorie-Forschung. Mit besonderer Berücksichtigung der Mischformen, in: FMSt 10 (1976), S. 1-69. 593 Susanne Köbele, Bilder der unbegriffenen Wahrheit. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 587 des textuellen Geschehens an und artikuliert so ein Begehren nach einer textuellen Vermittlung immanenter Gotteserfahrung, d.h. einer unmittelbaren, sprachlichen Referenz auf die Transzendenz. Die textuelle Gestaltung mit Hilfe traditioneller Bildmuster negiert jedoch die Möglichkeit des unmittelbaren Bezugs auf einmalige, außertextuelle Erfahrung und führt so vor Augen, daß das Referenzbegehren nur durch Rückgriff auf literarische Topoi erfüllt werden kann. 594 Gerade die Emphase der Referentialisierbarkeit weist so auf den basalen Textbezug der Viten und Offenbarungen hin und verortet die ‚Erfahrung‘ Gottes im Schreib- und Lektüreprozeß. Neben dieser Funktion, die die Inszenierung als ‚Erfahrungsbericht‘ für die Ausstattung der Texte mit einer spezifischen Erkenntnisqualität 595 übernimmt, erklärt sich die Nicht-Unterscheidung von Realitäts- und Textbezug durch die spezifische Rezeptionsästhetik der Viten- und Offenbarungsliteratur: Im Zuge einer stärkeren Integration der Laien in die Frömmigkeitsbewegung, 596 die zu einer Verschiebung des Heiligkeitskonzeptes von den „saints admirables“ zu den „saints imitables“ 597 führte, soll die Gestaltung der Texte als ‚Erfahrungsberichte‘ emphatisch die Übereinstimmung von Text- und Umwelt betonen und ihr didaktisches Potential ausweisen, indem die Übertragbarkeit des präsentierten Geschehens auf die Lebenswelt des Rezipienten hervorgehoben wird. Da jedoch die faktische Referenz auf einmaliges Erleben ebensowenig wie die fiktionale, von der Erfahrungswelt des Rezipienten kategorial getrennte Vorbildlichkeit die Verbindlichkeit des faciendi spiritueller ‚Erfahrung‘ erreichen kann, wird die Referenzbehauptung durch die Negation der Faktizität ergänzt, so daß der schwebende Modus des Potentialis, der Zwischenraum zwischen Fakt und Fiktion, als Ermöglichungs- und Reflexionsmedium spiritueller Erfahrung genutzt werden kann. Das Wirkpotential der Erfahrungsbehauptung liegt im Kontext einer exemplarisch-spirituellen Lektüre somit nicht in der retrospektiven Referenz auf individuelles, einmaliges Erleben, sondern in der prospektiven Ermöglichung von Erfahrung. 598 Die Rezeptionssteuerung zielt dabei nicht nur auf die realweltliche Imitabilität des Textgeschehens, auf ein „Verstehen unter den Bedingungen der eigenen Verwandlung“ 599 i.S. einer vollständigen Umgestaltung aller Lebensvollzüge, die Texte regen vielmehr durch ihre Inszenierung als erfahrungshafte Selbstäußerung und die damit verbundene Anknüpfung an monastische Meditations- und Unterweisungsformen eine Teilhabe am textuellen Geschehen während des Vollzugs ihrer Lektüre an und statten die ‚Gottesfreundliteratur‘ so mit einer Erleb- 594 Vgl. hierzu grundlegend: Gabriele Schabacher, Topik der Referenz, S. 348f. 595 Susanne Köbele, Bilder der unbegriffenen Wahrheit, S. 29. 596 Vgl. André Vauchez, Gottes vergessenes Volk. Laien im Mittelalter. Aus dem Französischen übersetzt von Petra Maria Schwarz, Freiburg/ Br. [usw.] 1993; ders., Lay People’s Sanctity in Western Europe. Evolution of a Pattern (Twelfth and Thirteenth Centuries), in: Renate Blumenfeld-Kosinski und Timea Szell (Hgg.), Images of Sainthood in Medieval Europe, Ithaca; London 1991, S. 21-32. 597 André Vauchez, Saints admirables et saints imitables. Les fonctions de l’hagiographie ont-elles changé aux derniers siècles du Moyen Âge? , in: Les fonctions des saints dans le monde occidental (III e -XIII e siècle). Actes du colloque organisé par l’Ecole française de Rome avec le concours de l’Université de Rome ‚La Sapienza‘ Rome 1988, Rom 1991 (Collection de l’Ecole française de Rome 149), S. 161- 172. 598 Vgl. auch: Niklaus Largier, Rezension zu: Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 477. 599 Susanne Köbele, Bilder der unbegriffenen Wahrheit, S. 30. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 588 nisqualität aus, welche die Referenzbehauptung der Texte im Lektüreprozeß legitimiert: Die Texte ermöglichen spirituelle ‚Erfahrung‘, die partizipatorische Lektüre ersetzt verinnerlichtes Erleben. Für die exemplarisch-spirituelle Lektüre ist folglich ein Oszillieren zwischen Faktizität und Fiktionalität konstitutiv: Auf der einen Seite weisen die Inkongruenzen und Ungenauigkeiten der potentiell nachprüfbaren Textelemente wie Namen, Orts- und Zeitangaben ebenso wie der Rekurs auf hagiographische, in die Exegese eingebundene Schreibpraxen die ‚Gottesfreundliteratur‘ in eine Texttradition, deren Bedeutungskonstitution sich nicht auf die literale Textebene stützt, die Funktion der Texte somit jenseits ihrer Referentialisierbarkeit auf die außertextuelle Umwelt im Verweis auf die heilsgeschichtliche Wahrheit erblickt. Auf der anderen Seite sind für mystische Texte Figuren der Referenz charakteristisch, die von topischen Stilfiguren und stereotypen Narrationsmustern einer Rhetorik des Faktischen bis hin zur emphatischen Thematisierung der Referenz reichen, deren Funktion gerade nicht in der Simulation der Referentialisierbarkeit aufgeht, sondern durch ihre wiederkehrende Verwendung die Beziehung zwischen realweltlichem, dem Text vorgängigem Inhalt und seiner sprachlich-rhetorischen Formulierung, d.h. den Bezug zwischen Welt und Sprache, grundsätzlich in Frage stellt: Es „fragt sich, ob die Redefigur vom Referenzobjekt bestimmt wird oder ob es sich umgekehrt verhält: Ergibt sich die Illusion der Referenz nicht als Korrelation der Struktur der Figur, so daß das ‚Referenzobjekt‘ überhaupt kein klares und einfaches Bezugsobjekt mehr ist, sondern in die Nähe einer Fiktion rückt, die damit ihrerseits ein gewisses Maß an referentieller Produktivität erlangt? “ 600 Wird somit gerade den Topoi ein referentialiserendes Potential zugewiesen, der anscheinende Weltbezug aus einem Textbezug abgeleitet, negiert sowohl die Zurückweisung außertextueller Referentialisierung im Zusammenhang einer spirituellen Hermeneutik als auch die „referentieller Produktivität“ 601 der Rhetorik des Faktischen einen unmittelbaren Bezug der Texte auf ihre Umwelt. Sie illustrieren eine Komposition der ‚Gottesfreundliteratur‘ im Rahmen einer referenzlosen Poetik. 4.5.2 Die pragmatisch-historische Lektüre: Sinnstiftung durch imaginäre Referenz Während die spirituelle Lektüre als Erfahrungsanleitung zahlreiche mystischnarrative Texte auszeichnet, ist es das Spezifikum des ‚Gottesfreundcorpus‘, das literarische Potential der authentisierenden Schreibpraxen zu erkennen und die exemplarisch-spirituelle Lektüre mit einer historisch-pragmatischen Funktion zu verbinden, die über die übliche Integration in die Klosterhistoriographie hinausgeht. Die Rhetorik des Faktischen wird genutzt, um eine Figur der Referenz, den Sinn-Stifter des ‚Grünen Wörth‘, zu konstruieren. Diese spezifische Verwendung der hagiographischen Topoi und Stereotypen allein charakterisiert das Corpus dabei (noch) nicht 600 Vgl. Paul de Man, Autobiographie als Maskenspiel, S. 133. 601 Ibid. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 589 als Fälschung. Die Bearbeitungen der außerhalb des ‚Grünen Wörth‘ entstandenen Handschriften haben vielmehr gezeigt, daß ein Aufgreifen der diskursiven Tradition, ohne diese ontologisch zu erfüllen, in der referenzlosen Poetik angelegt ist und nur eine Schreibpraxis, die auf eine realweltliche Entsprechung verzichtet, die Eingliederung in jeweils neue Gebrauchszusammenhänge ermöglicht. Die Eigenart der Bearbeitung für den ‚Grünen Wörth‘ soll daher im folgenden in vier Arbeitsschritten erfaßt werden: Nachdem zunächst jene Operationen rekapituliert werden, welche die historisch-pragmatische Lesart fundieren, d.h., die paratextuelle Inszenierung der ‚Gottesfreundliteratur‘ als Dokumentation einer spirituellen Freundschaft als wesentliches Instrument zu einem Verständnis des Corpus als ‚Hausliteratur‘ aufgezeigt wurde (Kapitel 4.5.2.1), soll zweitens die Funktion der figürlichen Amplifikation des religiösen, die spirituelle Autonomie der Pfründner sicherstellenden Programms der amicitia spiritualis zwischen legitimatorischer Fälschung und imaginärer Sinnstiftung skizziert werden (Kapitel 4.5.2.2). Eine Analyse des Zusammenspiels der historischpragmatischen und der exemplarisch-spirituellen Lesart (Kapitel 4.5.2.3) bildet die Grundlage für die Erfassung der rezeptionsgeschichtlichen Auswirkungen des diskursiven Transfers mystischer, Erfahrung inszenierender Schreibtechniken in die Institutionengeschichte, die Öffnung des Corpus für eine moderne, autobiographischreferentialisierende Lektüre (Kapitel 4.5.2.4). 4.5.2.1 Das Fundament der historisch-pragmatischen Lektüre: Das ‚Gottesfreundcorpus‘ als Dokument einer heimelich frúntschaft Der institutionsspezifische Lektüremodus ist maßgeblich im Kotext fundiert, in der programmatischen Komposition sowie extensiven paratextuellen Kommentierung der auf dem ‚Grünen Wörth‘ erstellten Handschriften: Sowohl das Handschriftenprogramm der ‚Pflegermemoriale‘ als auch die textuelle Zusammensetzung des ‚Großen deutschen Memorials‘ und des ‚Briefbuches‘ weisen die ‚Gottesfreundliteratur‘ als Klosterliteratur aus, die für den Konvent entstand, von seiner Geschichte berichtet und auf die Rezeption durch die Klosterfamilia zielt. Als einzig erhaltenes Exemplar der drei ‚Urkundenbücher‘ ist das ‚Große deutsche Memorial‘ einer der Ausgangspunkte für die institutionshistorische Kontextualisierung der ‚Gottesfreundliteratur‘, die in der gesamten weiteren Überlieferung zielgruppenspezifisch adaptiert wird. Sowohl der von Konrad von Braunsberg urkundlich bestimmte, allen Konventsmitgliedern zugängliche Aufbewahrungsort als auch die von ihm erlassenen detaillierten Bestimmungen für die Verwendung dieser Handschrift grenzen ihren Gebrauchszusammenhang auf die Kommunität des ‚Grünen Wörth‘ ein und weisen das ‚Große deutsche Memorial‘ als ‚Hausliteratur‘ aus. Macht bereits der prunkvolle Buchschmuck durch die heraldische Anbindung an Gründer und Orden die Bedeutung des Memorials für die Johanniterkommende augenscheinlich, so stellt die redaktionelle Kommentierung der paränetischen und kontemplativen Traktate, besonders jedoch die mystisch-asketischen Viten der mit den Stiftern vertrauten Religiosen deutlich heraus, daß die Textsammlung nicht allein der Unterweisung der Pfründner in spirituellen Leitkonzepten der Gemeinschaft dient, sondern als Zeug- Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 590 nis der geistlichen Wirkung des Gottesfreundes vor allem die wirdikeit und begnadende Ausstrahlung der Gründung erweisen soll. Für die intendierte Rezeption im Rahmen der Kommunität des ‚Grünen Wörth‘ ist folglich nicht die exemplarischspirituelle Lektürehaltung angemessen, die mystisch-asketischen Sammelhandschriften eingeschrieben ist, vielmehr ruft das ‚Große deutsche Memorial‘ als textueller Beleg der sakralen Bedeutung und somit Geltung der Stiftung zu einer historischpragmatischen Lesart des Corpus auf. Noch pointierter integrieren die ‚Pflegermemoriale‘ die ‚Gottesfreundliteratur‘ in die Klostergeschichtsschreibung, indem sie die ‚Stifterviten‘ mit einem (die Sakralität der Gründung topisch ausweisenden) Fundationsbericht verbinden. 602 Nicht nur die ‚Gründungsgeschichte‘, die das Amt der Pfleger durch den wiederholten wirtschaftlichen Niedergang vorangehender Gründungen legitimiert und die Bewährung der spezifischen Regeln der Stiftung in der weiteren Klostergeschichte vor Augen führt, 603 sondern auch die nach mystisch-asketischem Muster gestalteten ‚Stifterviten‘ sollen im Rahmen einer Lektüre im Kontext der ‚Pflegermemoriale‘ nicht als Exempla eines christuskonformen Lebens rezipiert werden, sondern sicherstellen, daß die drie weltlichen pflegere [...] deste me minne hant pfleger z sinde vnd sich deste gerner bent [...] das selbe ir hus z dem Gr nenwerde z hanthabende noch des briefes lute vnd sage (d, Bl. 4 v ; Rieder 1905, S. 161*17-21). Die ‚Pflegermemoriale‘ sind folglich als klösterliches ‚Hausbuch‘ konzipiert, das über die realweltlich-konkreten wie spirituellen Grundlagen der Stiftung informieren und den weltlichen Verwaltern somit zur Legitimation und Repräsentation ihres Amtes gegenüber den Johannitern und im städtischen Kommunikationsraum dienen soll. 602 Vgl. Hans Patze, Klostergründung und Klosterchronik, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 113 (1977), S. 89-121; Hans-Werner Goetz, Zum Geschichtsbewußtsein in der alamannischschweizerischen Klosterchronistik des hohen Mittelalters (11.-13. Jahrhundert), in: Deutsches Archiv 44 (1988), S. 455-488; Karl Münzel, Mittelhochdeutsche Klostergründungsgeschichten des 14. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für bayrische Kirchengeschichte 8 (1933), S. 1-36, 81-101, 150-159. In der fundatio, dem ersten Teil der ‚Gründungsgeschichte‘ des ‚Grünen Wörth‘ (Kapitel 1-7; vgl. Hans- Werner Goetz, Geschichtsbewußtsein, S. 471; Karl Münzel, Klostergründungsgeschichten, S. 93) sind dabei die von Münzel zusammengestellten prototypischen Merkmale eines klösterlichen Fundationsberichts zu erkennen: „1. eine Gründungslegende, d.h. die Erzählung des besonderen, oft überirdischen Anlasses zur Gründung (Vision, himmlischer Auftrag etc.) [Kap. 1: Weihnachtliche Vision Merswins und des Gottesfreundes], meist eingebettet in eine längere, weltliche Vorgeschichte [Kap. 1-3: die erste Gründung durch Werner von Hüneburg und der sich anschließende Verfall des Konvents]; 2. Tatsächlichkeiten der Gründung“ (Karl Münzel, Klostergründungsgeschichten, S. 93), deren Dokumentation ebenfalls typisiert ist: „Kloster- und Kirchenbau [Kap. 4: Umbau des Klosters], Weihe, [...] die Besetzung mit Mönchen [...] [Kap. 5: Übergabe an Johanniter] sowie die Ausstattung mit Privilegien und Gütern, oft gefolgt von einer königlichen oder päpstlichen Bestätigung [Kap. 6: Urkunde Konrads von Braunsberg; Kap. 7: Bulle]“ (Hans-Werner Goetz, Geschichtsbewußtsein, S. 472). 603 Strukturbildend sind dabei die Nachrichten über Erweiterungen des Klosterbesitzes durch Schenkungen und den Umbau der Kirche sowie „Mirakel zum Beweise der besonderen Heiligkeit der Gründung“ (Karl Münzel, Klostergründungsgeschichten, S. 93): Der Neubau des Chores wird durch die direkten Anweisungen eines Engels gelenkt (Kap. 8), die Komturei genießt göttlichen Schutz vor Naturkatastrophen (Hochwasser am 6. Januar 1374), im Krieg (Ansturm der Engländer am 29. September 1375) wie gegenüber Plänen der Stadt, die Ringmauer durch die Anlage der Johanniter zu bauen. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 591 Auch die erst spät erstellte archivalische Sammlung des ‚Briefbuches‘ ruft die Gemeinschaft des ‚Grünen Wörth‘ zur Gründermemoria auf: Die textkritische Untersuchung der ‚Stifterviten‘ konnte erweisen, daß die in den Codex eingenähten ‚Autographen‘ Rulmans und des Gottesfreundes nicht der Bewahrung des originären Wortlauts der ‚Lebensbeschreibungen‘ der Stifter dienen und diese mit einer materiellen Evidenz ausstatten sollen, sondern als Textreliquien fungieren, die den Ursprung der Stiftung greifbar machen und die Präsenz der Gründer auch über ihren Tod hinaus sicherstellen sollen. Der Überlieferungszusammenhang der ‚Autographen‘ - das Kompendium der Briefe des Gottesfreundes - verstärkt die durch die memoria ausgelöste „Gruppenbindung und -bestätigung“, 604 indem der Gottesfreund als patronus figuriert wird, dessen Fürsorge für die Stiftung die Gemeinschaft eindringlich an die Bewahrung des Stifterwillens gemahnt. Gemeinsame Grundlage der skizzierten kodikologischen Interpretation des Textcorpus als ‚Hausliteratur‘ und somit der Fundierung der historisch-pragmatischen Lektüre der ‚Gottesfreundliteratur‘ ist dabei die in der redaktionellen Kommentierung der Codices durchgängig vorgenommene Einbettung der Texte in die spirituelle Freundschaft des historisch verifizierbaren Stifters mit dem fingierten Gottesfreund aus dem Oberland. Angeregt durch das traditionelle Konzept der amicitia spiritualis i.S. einer durch die Liebe zu Gott begründeten und sich in der Ähnlichkeit der Tugenden und Religiosität manifestierenden Seelenfreundschaft, gestaltet das Straßburger Corpus die Beziehung der beiden Stifter als religiösen Bund, in dem der spirituell fortgeschrittene Gottesfreund Rulman Merswin auf seinem kontemplativen Weg zu Gott beistehen soll. Die wahrscheinlich am Ende des ‚b ch von den vier ioren‘ (B, Bl. 39 r ; Lauchert 1896, S. 21, Z. 33-S. 23, Z. 25) grundgelegte, hier jedoch im unscharfen Raum von vagen Anspielungen und schablonenhaften Figurenzeichnungen verbliebene heimmellicheit Merswins mit einem menschen in obber landen (B, Bl. 39 r ; Lauchert 1896, S. 22, Z. 3) wird von der Manuskriptwerkstatt des ‚Grünen Wörth‘ in drei Schritten amplifiziert. Folgt man der Chronologie der Handschriftengenese, wird die Rolle des Vertrauten Merswins, dem in seiner ‚Vita‘ nur die rudimentäre textuelle Präsenz eines Funktionsträgers für den göttlichen Schreibbefehl konzediert wird, erst im ‚Großen deutsche Memorial‘ mit Leben erfüllt. In der Sammlung aller Texte, die die Straßburger Handschriften dem Mitstifter jenseits seiner ‚Vita‘ zuschreiben, kehren Gottesfreundgestalten und Ratgeberfiguren wieder, 605 deren textinterne Figuration die redaktionellen Kommentare aufgreifen, um die im Haupttext zumeist anonym gebliebenen geistlichen Berater nachträglich als den Freund Merswins, als den Gottesfreund aus dem Oberland zu decouvrieren. Diese Verkettung (vorgängiger? ) Traktate und Viten, die das Motiv des geistlichen Ratschlags auszeichnet, sowie die Bündelung der wiederkehrenden Rollenfigur des spirituellen Führers in einem Textsubjekt konturieren den in der ‚Vita‘ im Unbestimmten gebliebenen Vertrauten des Stif- 604 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 178. 605 Vgl. z.B.: ‚b ch von dem geuangen ritter‘ (A, Bl. 20 v -46 r ; Schmidt 1866, S. 139-186); ‚b ch von einre heiligen Closenerin, hies Vrsula‘ (A, Bl. 46 r -61 v ; Jundt 1879, S. 363-391); ‚b ch von zweyen heiligen closter frowen in peyerlant‘ (A, Bl. 61 v -69 v ; Strauch 1927a [ATB 22], S. 1-21). Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 592 ters als Autoritätsfigur. Das textuelle Rollenmuster des religiösen Ratgebers hilft so die Beziehung des Gottesfreundes aus dem Oberland zu Rulman Merswin zu konkretisieren, indem die narrativen und somit anschaulichen Figurationen der spirituellen Begleitung anderer Gottesfreunde die textuelle Leerstelle der ‚Vita‘ füllen: So wie ein Gottesfreund den spirituellen Weg einer Klausnerin oder eines Ritters unterstützt und in seinem Leben der christlichen Nachfolge durch den vertrauensvollen Austausch mit anderen Gottesfreunden bestärkt wird, 606 sind auch die beiden Stifter in einer amicitia spiritualis verbunden. Zugleich erhält der Gottesfreund aus dem Oberland durch die Verbindung der narrativen und expositorischen Texte einen spirituellen Nimbus, der ihn als Ratgeber Merswins autorisiert. Die amplifizierende Methode des ‚Großen deutschen Memorials‘ bleibt nicht auf eine Reihung idealtypischer Darstellungen der Seelenfreundschaft beschränkt, die Sammlung etabliert darüber hinaus die Aufzeichnung und den Austausch von Texten als wesentliches Element einer spirituellen Freundschaft. Die Mehrzahl der Schriften im ‚Großen deutschen Memorial‘ spiegelt die innertextuelle Rolle des Gottesfreundes als spiritus rector in der Gestaltung seiner Autorschaft. Die Textgenese wird nicht als Vertextung des spirituellen Erlebens des Gottesfreunds dargestellt, sondern als im Vertrauen erbetene Aufzeichnungen des Lebens der spirituellen Schützlinge 607 oder Dokumentation eines bekenntnishaften Erfahrungsaustausches unter Gleichgesinnten. 608 Diese Konzeption von Autorschaft als Freundschaftsdienst (i.S. einer postumen Bezeugung eines christuskonformen Lebens oder in der Bewahrung freundschaftlicher Gespräche zur Garantie ihres Fortbestandes) wird in der paratextuellen Rahmung der Texte auf die Beziehung der beiden Stifter appliziert: Da die im ‚Großen deutschen Memorial‘ gesammelten Texte nicht nur als vertrauliche Aufzeichnungen des Freundes und Ratgebers der textinternen Figuren ausgewiesen werden, sondern diese auch als Sendschreiben des Gottesfreundes an seinen Freund Merswin charakterisiert sind, 609 wird der für die amicitia spiritualis konstitutive, intime Austausch der beiden Stifter zugleich als Textbeziehung konturiert. Diese Interpretation der Textproduktion und -versendung als Wesensmerkmal der spirituellen Freundschaft dient in einem zweiten Schritt - dies zeigen über das ‚Große deutsche Memorial‘ hinaus auch die Einleitungen zu den beiden ‚Stifterviten‘ in B (Bl. 3 rv ; Rieder 1905, S. 69*24-S. 71*22; Bl. 32 v , Rieder 1905, S. 115*13- S. 116*23) - zur deutlichen Differenzierung der jeweiligen Rolle der beiden Stifter innerhalb ihrer Beziehung. Der Ursprung ihres Einverständnisses wird als Textaustausch inszeniert - der mensch in obber landen fordert Merswin auf, seinen christlichen Weg im ‚b ch von den vier ioren‘ aufzuzeichnen, und übergibt ihm bzw. den Brü- 606 Vgl. z.B.: ‚b ch von der geistlichen stegen‘ (A, Bl. 69 v -77 r ; Jundt 1890, S. 119-136); ‚b ch von einre geistlichen leitern‘ (A, Bl. 77 r -81 v ; Jundt 1890, S. 137-146). 607 Vgl. z.B.: ‚b ch von einre heiligen Closenerin, hies Vrsula‘ (A, Bl. 46 r -61 v ; Jundt 1879, S. 363-391, hier Bl. 59 v / S. 388). 608 Vgl. die Ausführungen zum ‚b ch von den zwey menschen‘ auf S. 544-547. 609 Vgl. z.B.: ‚b ch von dem geuangen ritter‘ (A, Bl. 20 v ; Rieder 1905, S. 25*7-16); ‚b ch von einre heiligen Closenerin, hies Vrsula‘ (A, Bl. 46 r ; Rieder 1905, S. 26*4-17); ‚b ch von zweyen heiligen closter frowen in peyerlant‘ (A, Bl. 61 v : Rieder 1905, S. 26*29-35); ‚materie von eime jungen, weltlichen, wol gefrúnden manne‘ (A, Bl. 103 r ; Rieder 1905, S. 30*24-29). Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 593 dern im Gegenzug, so der Begleitbrief in B (Bl. 3 rv ; Rieder 1905, S. 69*24-S. 71*22) und die redaktionellen Zusätze in A (Bl. 7 v ; Rieder 1905, S. 18*28-S. 19*21), seine autobiographischen Aufzeichnungen im ‚b ch von den fúnf mannen‘ und im ‚b ch von den zwey menschen‘. Nach diesen gegenseitigen textuellen confessiones dient der Schriftverkehr zwischen dem oberlant und Straßburg nicht nur als Medium, um die Freundschaft zwischen Merswin und dem Gottesfreund zu erhalten und sie für die zukünftigen Bewohner des ‚Grünen Wörth‘ zu bezeugen, vielmehr wird er zum Konstituens ihrer amicitia spiritualis, die zugleich durch eine Hierarchisierung amplifiziert wird: Während der Gottesfreund eben jene im ‚Großen deutschen Memorial‘ gesammelten exempla, paränetische Traktate und katechetische Dialoge nach Straßburg sendet, die Merswins spirituellen Aufstieg (weiterhin) befördern sollen, beschränken sich die ins Oberland gesendeten Texte auf einige (aus den Antworten des Gottesfreundes erschlossene) um Rat suchende Briefe, die weiteren Texte des Stifters verbleiben auf dem ‚Grünen Wörth‘. Diese klare Unterscheidung von Autorschaftskonzepten - die Texte des Gottesfreundes sind exemplarische und somit ratgebende Zeugnisse religiöser Lebens- und Frömmigkeitsformen, bei Merswins Texten handelt es sich um anscheinend nicht zur Belehrung anderer, sondern zur individuellen Textaneignung verfaßte Kompilationen, die Merswin andern gottes frúnden vnd lerern z geleit vnd in ire b chere vermúschet hat (A, Bl. 8 v ; Rieder 1905, S. 22*7f.) - diese pointierte Gegenüberstellung hilft Merswin als den Unterweisungsbedürftigen, den Gottesfreund als den spirituell Fortgeschrittenen zu illustrieren. Die Fundierung der Freundschaft in Texten ermöglicht in einem dritten Schritt die Ausweitung der heimmellicheit auf die Kommunität, die durch den fürsorglichen ‚Briefwechsel‘ zwischen der Hausgemeinschaft und dem Gottesfreund dokumentiert wird. Amicitia ist nicht länger an eine realweltliche Begegnung und an ein sympathisches Einverständnis gebunden, sondern konstituiert sich durch vertrauensvolle Textrezeption und intime Textkenntnis. Die Lektüre der ‚Gottesfreundliteratur‘ als spirituelle Sendschreiben des Gottesfreundes an den Stifter des ‚Grünen Wörth‘ ruft dazu auf, die Texte nicht als allgemeingültige Handlungsanleitungen für ein kontemplatives Leben, sondern als Dokumente einer Seelenfreundschaft zu lesen, die im Rahmen der historisch-pragmatischen Lektüre auch die Komturei umfaßt, diese somit in die Spiritualität der amici Dei integriert und eine institutionsinterne Gruppenbildung forciert. Die Textsammlung ist nicht allein idealtypische Darstellung jener freundschaftlichen Beziehung, die die Kommunität auszeichnen soll, der lesende Vollzug der Texte begründet bereits eine vertraute Gemeinschaft, die den Pfründnern des ‚Grünen Wörth‘ eine spirituelle Autonomie gegenüber den Johannitern gewährt. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 594 4.5.2.2 Sinn-Stifter Um zu erfassen, welche Auswirkungen der Transfer von Themen (Spiritualität des Erlebens) und diskursiven Verfahren (die Inszenierung als erfahrungshafte Selbstäußerung) der Viten- und Offenbarungsliteratur in die ‚Hausliteratur‘ der Johanniterkomturei hat, bedarf es einer weiteren Kontextualisierung, da nur die Kenntnis der genauen Umstände des historischen Stiftungsaktes als auch ein Vergleich mit den Legitimationsformen anderer religiöser Gemeinschaften das zeitgenössische Verständnis der Mystifikation zwischen diskursiv gebräuchlicher Exemplifikation einer gemeinschaftlichen Spiritualität und täuschender Legitimation unrechtmäßiger Stiftungsregeln rekonstruieren helfen kann. Die Eigentümlichkeit der Stiftung Merswins, die Kothe - und ihm folgend zahlreiche weitere Forscher 610 - dazu veranlaßte, „aus allen Himmeln seiner [Merswins] Mystik“ zu fallen, 611 liegt in ihrem sukzessiven Verlauf und dessen Interpretation als kunstfertige Überlistung begründet. Es lassen sich grob zwei Phasen der Neugründung des ‚Grünen Wörth‘ unterscheiden: In den Jahren 1366 bis 1368 gelingt es Merswin, das Verfügungsrecht über das 1150 612 von Werner von Hüneburg gegründete Trinitätskloster zu erlangen. In der ersten Vereinbarung vom 17. August 1366 613 gestattet Bischof Johann III. Rulman lediglich, alle Gebäude der seit 1264 mit der Benediktinerabtei Altdorf vereinten Propstei instand zu setzen und sie zwölf Jahre lang mit (von ihm unterhaltenen) Weltgeistlichen seiner Wahl zu besetzen, um divinum cultum in eo sublatum resumere et cottidie peragere [...] sicut requirit institucio monasterii predicti. 614 Während der Konvent - so zeigt die detaillierte Regelung für die Kostenübernahme der Instandsetzung, die nach dem Eid (juramento) Merswins oder der beiden von ihm benannten Pfleger ohne Prüfung (absque probatione) integraliter et in toto von der Abtei zurückzuerstatten sind - in dieser ersten Urkunde die Eigentumsrechte an seinem Kloster nicht vollständig aufgibt, wird Merswins Stiftung am 2. Januar 1367 verstetigt: 615 Rulman Merswin leiht der Abtei Altdorf 500 Mark Silber, die ihm für die gleiche Summe nicht nur fünf zwischen dem ‚Grünen Wörth‘ und dem angrenzenden Margarethenkloster gelegene Grundstücke als Pfand übergibt, sondern auch das 610 Vgl. Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 130-153; Luzian Pfleger, Kirchengeschichte der Stadt Strassburg, S. 141-145. 611 Wilhelm Kothe, Kirchliche Zustände Strassburgs im vierzehnten Jahrhundert. Ein Beitrag zur Stadt- und Kulturgeschichte des Mittelalters, Freiburg/ Br. 1903, S. 87. 612 Die Angaben zum Gründungsdatum des Trinitätsklosters in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Straßburger Chroniken variieren beträchtlich: Wenckers Chronik aus dem Jahr 1637 setzt die Gründung in das Jahr 1227 (Les chronique Strasbourgeoises de Jacques Trausch et de Jean Wencker, hg. von Leon Dacheux, in: Mittheilungen der Gesellschaft für Erhaltung der geschichtlichen Denkmäler im Elsass II. Folge / Bulletin de la Société pour la Conservation des Monuments Historiques d’Alsace, Bd. 15 [1892], S. I-490, hier S. 97), die Fragmente von Berlers Chronik datieren die Gründung auf 1233 (Berler, Fragments de la chronique, hg. von Leon Dacheux, in: ders., Fragments des anciennes chroniques d’Alsace, 4 Bde, Straßburg 1887-1901, Bd. 4: VII. Koenigshoven. Fragments de la chronique latine. VIII. Berler. Fragments de la chronique. IX. Fragments de diverses vieilles chroniques. X. Les Annales de Sébastien Brant, Straßburg 1901, S. 23-59, hier S. 34). Die hier vorgenommene Datierung erfolgt nach dem ehemals in der Johanniterkirche zu findenden Epitaph: Do man zalte von der geburt Christi MCLXVI ior, starp u wart har begraben der edele wolgeborne herre her marschalck Wernher von Hüneburg der disse kirch mit irm kor zu allererst het gedon buwen u wihen in ere der heiligen drivaltekeit zu der zit alsz man zalte MCL ior (Adam Walther Strobel, Vaterländische Geschichte des Elsasses, 2. Theil, S. 401, Anm. 2). 613 UBSt V, Nr. 726, S. 563-565. 614 Ibid., hier S. 564, Z. 2-4. 615 UBSt V, Nr. 744, S. 580-582; vgl. auch: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 137f. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 595 freie Benutzungsrecht über das Kloster zunächst für 30, dann für 100 Jahre verspricht und sich darüber hinaus verpflichtet - falls der vorgenante R lman Merswin oder wer disen brief inne het [... sie] manent - den Papst zu bitten, aus der Stiftung ein ewig ding zu machen. 616 In Erinnerung an die Regelung in der Urkunde vom 17. August 1366 ist die nun geliehene Summe und alle Kosten, die Rulman und seinen Nachkommen für die Renovierung der Gebäude entstanden sind, erst in dem Moment zurückzuzahlen, in dem die Benediktiner den Konvent auf dem ‚Grünen Wörth‘ zurückfordern. Nachdem Merswin am 29. November 1367 617 auch alle Felder, Gärten und Häuser, die an den ‚Grünen Wörth‘ stoßen, von den Benediktinern gekauft hat, ist er - obwohl monasterio seu ecclesia ac cimiterio et aliis locis et rebus consecratis explizit aus dem Kaufvertrag ausgeschlossen werden 618 - de facto im Besitz des Klosters und spendet - nach einer ersten Instandsetzung der Kirche - 1368 vier Pfründen für Weltgeistliche auf dem ‚Grünen Wörth‘. 619 Die zweite Phase der Stiftung Merswins wird von der Schenkungsurkunde an die Johanniter vom 23. März 1371 620 und, maßgeblich, von dem ihr vorangehenden Vertrag zwischen dem Johannitermeister in Deutschen Landen, Konrad von Braunsberg, und Rulman Merswin dokumentiert. 621 Beschränkt sich die von Bischof Lamprecht beurkundete und vom obersten Johannitermeister in Rhodos am 20. Oktober 1371 bestätigte 622 Schenkung auf das jus patronatus ecclesie seu domus dicte z dem Gr nen Werde extra muros Argentinenses ac domos et areas, curias ac ortos cum vivariis, edificiis, attinentiis, amplitudine et juribus suis universis 623 sowie die Zusage einer jährlichen Rente von 50 Pfund Straßburger Pfennigen aus dem Privatvermögen Merswins, bedingt sich Merswin in jener den Straßburger Codices als Gründungsurkunde geltenden Vereinbarung mit Konrad von Braunsberg und mit der Zustimmung der Komture der Johanniterniederlassungen in Villingen, Basel, Colmar, Dorlisheim, Sulz und Schlettstadt drei wesentliche Prämissen für die Stiftung aus: 1. Die Institution der Pfleger: Über die Erfüllung des Stifterwillens wachen drei weltliche Verwalter, deren Zustimmung es nicht nur bei allen finanziellen Transaktionen bedarf (der Komtur muß ihnen - unter Androhung seiner Absetzung - jährlich über die Ausgaben und Einnahmen des Konvents Rechenschaft ablegen und ihre Genehmigung einholen, um Stiftungsgut zu versetzen, verkumberen, verk ffen oder verenderen), 624 die Pfleger haben über die Beaufsichtigung der Verwaltung hinaus auch das Vorschlagsrecht für die Ordenspriester und entscheiden über die Aufnahme von Pfründnern. 2. Die Pfründnergemeinschaft: Der Johanniterorden verpflichtet sich, neben den Ordenspriestern, welche die Abhaltung des Gottesdienstes in der Komturei sicherstellen, eine Gemeinschaft laikaler Pfründner - ritter oder kneht, phaffe oder leye 625 - in die Klosterfamilia aufzunehmen und diese nach einer Probezeit bis an ihr Lebensende do [zu] 616 So der am gleichen Tag ohne Zustimmung des Bischofs erstellte Vertrag: UBSt V, Nr. 745, S. 582f., hier S. 583, Z. 22-24; vgl. auch: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 139. 617 UBSt V, Nr. 767, S. 598, hier Z. 25f.; vgl. auch: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 139f. 618 UBSt V, Nr. 798, S. 625; vgl. auch: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 140. 619 UBSt V, Nr. 767, S. 598, hier Z. 25f. 620 UBSt V, Nr. 956, S. 742-744, vgl. auch: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 144f. 621 UBSt V, Nr. 934, S. 719-722; vgl. auch: Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 141-144. 622 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 145. 623 UBSt V, Nr. 956, S. 742-744, hier S. 743, Z. 4-6. 624 Ibid., S. 720, Z. 17f. 625 Ibid., S. 720, Z. 30f. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 596 halten z dische und z bette alse einen bruder, 626 insofern men in [den Pfründner] one schaden halten m ge. 627 3. Die Befreiung von Abgaben: Von allen Abgaben an den Orden, die die jährlich nach Rhodos gesendeten sechs Gulden überschreiten, wird die Komturei befreit. Wenn die Eigenarten des Erwerbs des Trinitätsklosters von den Altdorfer Benediktinern auch das „schlau eingefädelte Verfahren des ehemaligen Bankiers“ 628 erkennen lassen und die Johanniter den strengen Auflagen wohl auch deshalb zustimmten, weil sie sich durch die Stiftung eine administrative 629 und spirituelle 630 Erneuerung versprachen, ist es für ein adäquates Verständnis der Gottesfreundfigur entscheidend, daß die mit den Johannitern geschlossene Gründungsurkunde in weiten Teilen durchaus mit den Gepflogenheiten des mittelalterlichen Stiftungswesens übereinstimmt und die auf dem ‚Grünen Wörth‘ entstandene ‚Gottesfreundliteratur‘ somit nicht zur Sanktionierung der Stiftung i.e.S. eines Nachweises ihrer Rechtsmäßigkeit bzw. zur Durchsetzung ihrer „eigenartige[n] Bedingungen“ 631 angelegt wurde: 632 Da Merswin durch die Renovierung des Kirchen- und Klostergebäudes (reconsecratio) sowie durch die Sicherstellung des Unterhalts für die auf dem ‚Grünen Wörth‘ lebenden Kleriker (ditatio) 633 die Abhaltung des Gottesdienstes in dem vernachlässigten Konvent sicherstellte, kann er nach den seit justinianischer Zeit nur terminologisch variierenden Stiftungspraxen durchaus als fundator des Klosters gelten, 634 dem neben den üblichen Gegengaben, zu denen ein Konvent gegenüber jedem benefactor verpflichtet war, spezifische Vorrechte zustanden, auch nachdem er das Kloster einem Orden zugeführt und in den päpstlichen Schutz übergeben hatte. Neben der Aufnahme in die societas et fraternitas, dem Anrecht auf eine extensive (liturgische) Toten- 626 Ibid., S. 720, Z. 34. 627 Ibid., S. 720, Z. 36. 628 Wilhelm Kothe, Kirchliche Zustände Strassburgs, S. 87. 629 Karl Borchardt, Urban commanderies in Germany, in: Anthony Luttrell und Léon Pressouyre (Hgg.), La Commanderie. Institution des ordres militaires dans l’occident médiéval, Paris 2002 (Mémoires de la Section d’Archéologie et d’Histoire de l’Art 14), S. 297-305. 630 Karl Borchardt, Wirtschaft und Ordensreform im späten Mittelalter: Das Beispiel der Johanniter in Straßburg (mit Ausblick auf Breslau), in: Roman Czaja und Jürgen Sarnowsky (Hgg.), Die Ritterorden in der europäischen Wirtschaft des Mittelalters, Torún 2003 (Ordines militares. Colloquia Torunesia Historica XII), S. 35-53; Stephen Mossman, Zu Marquard von Lindau, Konrad von Braunsberg, S. 250-254. 631 Luzian Pfleger, Kirchengeschichte der Stadt Strassburg, S. 141. 632 Für ein nicht grundsätzlich getrübtes Verhältnis zwischen den Altdorfer Benediktinern und der Stiftung Merswins mag auch die Tatsache sprechen, daß die Abtei Altdorf am 20. Januar 1384 nochmals ein Grundstück an die Johanniterkomturei verkauft und in der darüber erstellten Urkunde (UBSt VI, Nr. 2134, S. 614, Z. 17-21) zu lesen ist: und gehortent hie vor z der hofestat des vorgenanten closters z dem Gr nenwerde, daz der appet und der covente des egenanten closters z Altdorf s. Benedicten orden achtzehen jor vor dis gegenwertigen briefes date z kouffende gap R leman seligen, eime burger z Str., der ein stifter ist gesin des selben nuwen gebuwes. 633 Christine Sauer, Fundatio und Memoria. Stifter und Klostergründer im Bild 1100 bis 1350, Göttingen 1993 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 109), S. 28; Peter Landau, Ius Patronatus. Studien zur Entwicklung des Patronats im Dekretenrecht und der Kanonistik des 12. und 13. Jahrhunderts, Köln; Wien 1975 (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht 12), S. 32-37. 634 Christine Sauer, Fundatio und Memoria, S. 26-28; Peter Landau, Ius Patronatus, S. 21-23 und 35-37; Peter Leisching, Patronat, in: HRG Bd. 3 (1984), Sp. 1558-1564. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 597 memoria, 635 obliegt es dem Gründer, die wirtschaftlichen Verwalter seiner Stiftung zu bestellen 636 und ein Präsentationsrecht bei der Wahl des Leiters auszuüben 637 sowie das Kloster als Versorgungsstätte für sich und seine Familienangehörigen zu nutzen. 638 Bis auf die spezifische Form des Gemeinschaftslebens entsprechen die in der Urkunde vom 3. Januar 1371 bezeugten Bedingungen der Stiftung Merswins folglich dem verpflichtenden Gabentausch zwischen fundator und Klostergemeinschaft, dessen „dauerhafte Verwirklichung von der Rechtsordnung anerkannt“ wurde, 639 so daß die Durchsetzung des Stifterwillens in den angeführten Konditionen keiner zusätzlichen Versicherung bedarf, sondern durch die den Tod überdauernden Wechselbeziehungen zwischen der Person des Stifters und dem Konvent garantiert wird. 640 Der Gottesfreund aus dem Oberland wird daher in keinem der rechtshistorischen Dokumente, die im Straßburger Urkundenbuch gesammelt sind oder in Bezirks- und Stadtarchiven Straßburgs verwahrt werden, erwähnt. 641 Die restriktive Figuration des charismatischen Mitstifters allein in jenen Codices, die auf dem ‚Grünen Wörth‘ entstanden und die durch die Urkunde des Meisters der Johanniter auch zum Verbleib in der Stiftung bzw. bei ihren Pflegern bestimmt waren, verdeutlicht, daß ihre Erstellung nicht in der Durchsetzung oder rechtlichen Absicherung der durch das ius patronatus sanktionierten Bedingungen der Stiftung begründet liegt, ihre Funktion vielmehr als Potenzierung der Bindungskraft der vom Stifter erlassenen Regeln des Zusammenlebens durch sakral-fundierende und historisch-memoriale Sinnstiftung beschrieben werden kann. Sowohl das ‚Große deutsche Memorial‘ als auch das ‚Briefbuch‘ und die verschiedenen Kopien der ‚Pflegermemoriale‘ weisen ihren Zweck daher explizit als die Förderung einer gemeinschaftlichen Identität von monastischen und laikalen Mitgliedern des ‚Grünen Wörth‘ aus: 642 do durch ouch der orden vnd die drie weltlichen pflegere ewikliche in deste fridesammer eim tikeit vnd frúntschaft mitteinander blibent, das sú ietweder site einander deste minre getrengen mogent mit keinre vnredelicher ansproche oder vnzimelicher vorderunge in zanckender, zeffelnder wise, So s an sehent vnd in disen glichsprechenden memoriale b chern geschriben vindent den vnderscheit aller beredunge, wie es got vnd sine frúnt vnd vnser vordern in den ersten alten ziten in aller ordenunge so gar us grosser, gewarsammer fúrsihtikeit gestiftet vnd erhebet hant vs rote des heiligen geistes, alse alle dise nochgeschribene materien gar merglich wisent vnd sagent, der wir billiche nút vnahtsam s llent sin, vmb das wir der frúhte ewiklichen von gotte enpfohende vnd niessende werdent (d, Bl. 3 r ; D, Bl. 4 rv ; Rieder 1905, S. 159*34- S. 160*4). 635 Christine Sauer, Fundatio und Memoria, S. 30. 636 Ibid., S. 27. 637 Ibid., S. 30. 638 Ibid. 639 Karl Schmid, Stiftungen für das Seelenheil, in: ders. (Hg.), Gedächtnis, das Gemeinschaft stiftet, München; Zürich 1985 (Schriftenreihe der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg), S. 51- 73, hier S. 57. 640 Zur grundlegenden Konzeption vormoderner Stiftungen als den Tod überdauernde Personenverbände und nicht als ‚juristische Persönlichkeiten‘: Reiner Schulze, Stiftungsrecht, in: HRG Bd. 4 (1990), Sp. 1980-1990, hier Sp. 1984. 641 Vgl. den Überblick bei: Marguerite Jouanny, Les Hospitaliers en Basse Alsace. 642 Vgl. die Ausführungen auf S. 219-229. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 598 Der Geltungs- und Wirkungsanspruch der Codices innerhalb des stiftungsspezifischen Kontextes wird von den Texten eingelöst, indem sie die im Rechtsdiskurs als Stifterwillen sanktionierte, für die sich bildende Kommunität jedoch weitgehend kontingent verfügte Form des semi-religiösen Gemeinschaftslebens als notwendig und somit dauerhaft erscheinen lassen, 643 indem das hus der zuflucht durch die modellhafte spirituelle Lebensform seines charismatischen spirituellen Freundes begründet wird. Die Komplexität der für Kloster- und Ordensgründungen charakteristischen Fundierung in einer Eigengeschichte und deren wohl singuläre Ausdifferenzierung, welche die zukünftige Verhaltensorientierung an den expliziten wie impliziten Regeln der Institution sichern soll, 644 läßt sich durch die mangelnde diskursive Einbindung des Corpus in ordensspezifische Begründungsstrategien bzw. die reiche Tradition typologischer Präfigurationen und Vorbilder geistlichen Gemeinschaftslebens erklären. Obwohl die Genese, das charakteristische Aufgabenfeld und die soziale Herkunft die Johanniter in den Kontext der confraternitates, des genossenschaftlichen Semireligiosentums, einordnen, 645 und dieses Spezifikum der geistlichen Korporation Merswins Wahl dieser Observanz bestimmt haben mag, stehen der Straßburger Komturei keine traditionellen Selbstbeschreibungen des Ordens zur Verfügung, um das hus der zuflucht für Laien und Kleriker, die Pfründnergemeinschaft des ‚Grünen Wörth‘, zu konstituieren; die Dominanz der laikalen Ordensritter innerhalb der Ordensleitung 646 förderte zwar eine normative Orientierung an den Konzepten der militia Christi und der opera misericordiae, 647 untermauerte diese Spiritualität jedoch kaum durch gelehrte Legitimationsmuster, so daß dem ‚Grünen Wörth‘ bei der Gründung der Kommunität keine durch den Wiedergebrauch im Orden etablierte und für die Gemeinschaft somit normative Begründungsstrategie zur Verfügung steht, die - wenn auf die lokalen Verhältnisse appliziert - helfen könnte, den Sinn der Stiftung zu explizieren. Da auch die diskursiv etablierten Legitimations- und Integrationsmechanismen geistlicher Kommunitäten - der Ausweis einer Ahnenkette aus biblischen oder frühkirchlichen Vorbildern sowie der Rekurs auf die Prototypen spirituellen Gemeinschaftslebens, die vita eremitica und die vita coenobitica, 648 - im Rahmen der Etablierung einer Eigengeschichte für die semireligiöse Gemeinschaft keine Anwendung finden können, bedient sich das Textcorpus einer „der wichtigsten Garantien [...] für die Entstehung neuer religiöser Gemeinschaften“ 649 und ent- 643 Hans Vorländer und Gert Melville, Geltungsgeschichten und Institutionengeltung, S. IX. 644 Ibid., S. XI. 645 Kaspar Elm, Die Spiritualität der geistlichen Ritterorden des Mittelalters. Forschungsstand und Forschungsprobleme, in: Zenon Hubert Nowak (Hg.), Die Spiritualität der Ritterorden im Mittelalter, Torún 1993 (Ordines militares. Colloquia Torunensia Historica 7), S. 7-44, hier S. 21f.; vgl. auch: Anthony Luttrell, The Spiritual Life of the Hospitallers of Rhodes, in: ibid., S. 75-96, hier S. 75. 646 Anthony Luttrell, The Spiritual Life, S. 76 und 78. 647 Kaspar Elm, Die Spiritualität der geistlichen Ritterorden, S. 17. 648 Kaspar Elm, Die Bedeutung historischer Legitimation für Entstehung, Funktion und Bestand des mittelalterlichen Ordenswesens, in: Peter Wunderli (Hg.), Herkunft und Ursprung. Historische und mythische Formen der Legitimation. Akten des Gerda Henkel Kolloquiums, Düsseldorf, 13. bis 15. Oktober 1991, Sigmaringen 1994, S. 71-90, hier S. 73. 649 Giancarlo Andenna, Mirko Breitenstein und Gert Melville, Vorbemerkungen, in: dies. (Hgg.), Charisma und religiöse Gemeinschaften im Mittelalter. Akten des 3. Internationalen Kongresses des Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 599 wirft eine c h a r i s m a t i s c h e Stifterfigur, um die gedachte spirituelle Ordnung explizit zu machen und der Stiftung somit Dauer und Identität zu verleihen. Die weitgehende Projektion des durch Klostergründungsgeschichten und bildliche Darstellungen vielfältig bezeugten Fundatorenkults auf die fingierte Figur des ‚Gottesfreundes‘ erklärt sich wahrscheinlich aus dem Entstehungszeitpunkt des Textcorpus: Die „gezielte Propagierung [...] einer für das Ansehen der Gemeinschaften entscheidenden Person“, 650 die ihr lokales Sonderbewußtsein bestätigen konnte, 651 fand zumeist im Zuge von Reformen bereits lange bestehender Gemeinschaften oder in Konkurrenz zu benachbarten Kommunitäten statt, 652 war aber, auch wenn der Kult bald nach der Gründung initiiert wurde, an den Tod des Gründers gebunden. 653 Da das Corpus z.T. zu Lebzeiten Merswins bzw. unmittelbar nach seinem Tod entstand, mag seine realweltliche Einbindung in das Straßburger Patriziat und die daraus resultierende Verifizierbarkeit der textuellen Angaben seine Gestaltung als fidelis laicus, 654 als charismatischer Gründerheiliger, verhindert haben. Weil die Fingiertheit des Gottesfreundes seine weitgehend willkürliche Ausgestaltung allein unter dem Gesichtspunkt des Nutzens für die Gegenwart erlaubt, kann die Textsammlung den Gottesfreund als „idealtypische Verkörperung [unterschiedlicher] Formen charismatischen Handelns“ 655 präsentieren: Indem der Mitstifter als Persönlichkeit figuriert wird, die mit einer „außeralltäglich [...] geltende[n] Qualität [... begabt ist], um derentwillen sie [...] als gottgesandt [...] und deshalb als ‚Führer‘ gewertet wird“, 656 kann das Corpus die „innovative[ ] Ausgestaltung[ ] der vita religiosa“ 657 sowohl durch das modellhafte Vorleben neuer spiritueller Konzepte als auch durch ihre „Begründung in einer unhintergehbaren Instanz“ 658 plausibel machen. Durch seinen freundschaftlichen, unmittelbaren Umgang mit Gott wird die programmatische Spiritualität und antiinstitutionelle Form des Gemeinschaftslebens, die in der ‚Vita‘ des Gottesfreundes präsentiert wird, mit einer alternativlosen Autorität versehen, deren Überzeugungskraft und charismatische Wirkung in jenen Texten vorgeführt wird, die den Gottes- ‚Italienisch-deutschen Zentrums für vergleichende Ordensgeschichte‘, Münster 2005 (Vita regularis 26), S. XI-XX, hier S. XIII. 650 Christine Sauer, Fundatio und Memoria, S. 192. 651 Ibid., S. 199. 652 Ibid., S. 192. 653 Ibid. 654 Ibid., S. 195. 655 Gert Melville, Stephan von Obazine: Begründung und Überwindung charismatischer Führung, in: Giancarlo Andenna, Mirko Breitenstein und Gert Melville (Hgg.), Charisma und religiöse Gemeinschaften im Mittelalter. Akten des 3. Internationalen Kongresses des ‚Italienisch-deutschen Zentrums für vergleichende Ordensgeschichte‘, Münster 2005 (Vita regularis 26), S. 85-101, hier S. 87. 656 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, hg. von Johannes Winckelmann, Tübingen 5 1980, S. 140. Zum Gebrauch des Begriffs des ‚Charismas‘ in der Erforschung von Institutionalisierungsprozessen religiöser Gemeinschaften vgl. Klaus Tanner, Die Macht des Unverfügbaren. Charisma als Gnadengabe in der Thematisierung von Institutionalisierungsprozessen im Christentum, in: Giancarlo Andenna, Mirko Breitenstein und Gert Melville (Hgg.), Charisma und religiöse Gemeinschaften im Mittelalter. Akten des 3. Internationalen Kongresses des ‚Italienisch-deutschen Zentrums für vergleichende Ordensgeschichte‘, Münster 2005 (Vita regularis 26), S. 25-44. 657 Giancarlo Andenna, Mirko Breitenstein und Gert Melville, Vorbemerkungen, S. XIII. 658 Ibid., S. XV. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 600 freund als Ratgeber, als Impuls für ein neues Lebenskonzept präsentieren. Das „konstitutive[ ] Legitimations- und Funktionsprinzip“ 659 des Gründungscharismas wird folglich nicht - wie üblich 660 - durch ein „körperlich erfahrbares Handlungsmuster“, 661 durch Performanz und Präsenz des Stifters, sondern im hagiographischen Medium und mit Hilfe des literarischen Potentials mystischer Schreibpraxen erreicht. Ist Rulman Merswin der realweltliche, finanzielle fundator, ist sein charismatisches Pendant ein textuelles Konstrukt der Stabilisierung, eine Figuration der gedachten Ordnung, kurz der Sinn-Stifter des ‚Grünen Wörth‘. 4.5.2.3 Doppelcodierungen Trotz des institutionellen Funktionsspektrums der Fundation, Legitimation und Konsolidierung, das durch die paratextuelle Einbindung des Corpus in die Institutionenhistorie und somit in die umfassende soziale Praxis der Gründermemoria eröffnet wird, trotz dieser hochautorisierten, durch die Plazierung in den Rubriken extradiegetisch inszenierten und somit einen höheren Realitätsstatus postulierenden Integration in den i.e.S. historiographischen Diskurs, bleibt eine Aufhebung des ambigen Status der Texte zwischen Fakten und Fiktionen i.S. einer univoken Interpretation als Faktographie aus, die im modernen Realitätsverständnis durch die diskursive Verschiebung von der Hagiographie zur Institutionengeschichte notwendig ausgelöst würde. Durch das Ineinandergreifen eines rhetorischen historia-Begriffs 662 mit der bibelhermeneutischen Verwendung des Lexems ist das vormoderne Konzept von Geschichte nicht an ein verifizierbares Realitäts- und Wahrheitsverständnis 663 gebunden, vielmehr umfaßt der historiographische Diskurs auch einen „symbolische[n] Erzählsinn“, 664 der eine Deutung der res gestae leisten will. Konstitutiver Bestandteil der historischen Praxis ist dabei die Einbindung des Geschehens in eine gedachte Ordnung, eine Gestaltung der historia nach idealtypischen Modellen des Handelns, nach etablierten Konzepten der Anthropologie und mit Hilfe des basalen, heilsgeschichtlichen Interpretationsmodells der immanenten Historie als gesta dei, welche die Geschichtsschreibung mit einem topischen Vorrat von Erzählmustern ausstattet, die zwischen den Texten austauschbar und nicht von den Konkreta des realweltlichen Geschehens abhängig sind. 665 Auch der i.e.S. historiographische Diskurs hat somit Anteil an der „(wahrheitsfähige[n]) Faktizität des Fiktiven“. 666 Im 659 Ibid., S. XX. 660 Da die charismatischen Gründergestalten ausschließlich in Texten und bildmedialen Programmen zugänglich sind, ist zu fragen, inwiefern die Konstruktion von Gründungscharisma nicht grundsätzlich ein reflektierter, medialer Prozeß ist, der sich gängiger diskursiver Praxen bedient und somit keine Aussagen zum ‚charismatischen Gehalt‘ der beschriebenen Personen erlaubt. 661 Giancarlo Andenna, Mirko Breitenstein und Gert Melville, Vorbemerkungen, S. XIII. 662 Vgl. Arno Seifert, Historia im Mittelalter, in: Archiv für Begriffsgeschichte 21 (1977), S. 226-284, hier S. 228f. 663 Vgl. Jan Dirk Müller, Literarische und andere Spiele, S. 282. 664 Hans Werner Goetz, Die ‚Geschichte‘ im Wissenschaftssystem des Mittelalters, in: Franz-Josef Schmale, Funktionen und Formen mittelalterlicher Geschichtsschreibung. Eine Einführung. Mit einem Beitrag von Hans Werner Goetz, Darmstadt 1985, S. 165-213, hier S. 196. 665 Vgl. Franz Josef Schmale, Funktionen und Formen mittelalterlicher Geschichtsschreibung, S. 115. 666 Susanne Köbele, Bilder der unbegriffenen Wahrheit, S. 22. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 601 Rahmen der pragmatisch-historischen Lektüre der ‚Gottesfreundliteratur‘ berührt sich folglich die Frage der Fiktionalität mit dem grundsätzlich von diesem zu unterscheidenden Problem historisch differenter Wirklichkeitsmodelle. 667 Der Gottesfreund ist (fiktive) Personifikation der gedachten, aber realen spirituellen wie praktischen Lebensform des ‚Grünen Wörth‘, ist somit Teil des institutionellen Imaginären. 668 Funktionsäquivalent zu den zahlreichen Beispielen einer „nachträglichen Schaffung von Vergangenheit“, 669 einer genealogischen Anbindung an einen mythologischen Spitzenahn, 670 kurz einer erschriebenen Tradition ist die Gottesfreundfigur im modernen Verständnis eine pragmatische bzw. funktionale Fiktion, 671 im Kontext des primären Gebrauchszusammenhangs des Corpus (und nur hier) kommt ihr eine Wahrheit zu, die nicht an Referenz gebunden ist. 672 Der im Gottesfreund personifizierte Sinn der Stiftung wird auf einer Ebene ausgewiesen, die zwischen Fiktion und Hermeneutik liegt. Für beide Lektüremodi, die exemplarisch-spirituelle wie auch die pragmatischhistorische Lesart, ist die im modernen Lektüreprozeß durch die Referenzbehauptung virulente Differenzierung von Fakten und Fiktionen, genauer die genrespezifische Kategorisierung als historisches Dokument, Lüge oder Literatur, dem Corpus unangemessen, da der diskursive Kontext und der jeweilige Gebrauchszusammenhang die ‚Gottesfreundliteratur‘ an ein Auslegeverfahren rückbinden, das die Übertragung eines contrafaktischen Literalsinns in die durch ihn bedeutete Wahrheit ermöglicht. Obwohl folglich beide Verstehensweisen in der vormodernen hermeneutischen Praxis grundgelegt sind, liegt ihr oszillierender Status auf unterschiedlichen epistemologischen Ebenen: Da der Fluchtpunkt der exemplarisch-spirituellen Lektürepraxis, die Verwendung des Corpus als Ermöglichungs- und Reflexionsmedium spiritueller Erfahrung, gerade nicht an den realweltlichen ‚Erfahrungsgehalt‘, d.h. an die Faktizität und Authentizität der textuellen Figuren und des diegetischen Geschehens, gebunden ist, bleibt nicht nur der spirituelle Wahrheitsgehalt der präsentierten Frömmigkeitsform, sondern auch die Funktion ihrer konkreten Ausgestaltung als Erfahrungsbericht im Rahmen dieses Lektüremodels von der Durchschaubarkeit der literarischen Inszenierung unbeeinflußt. 673 Obwohl die persuasive Wirkung der Erfahrungsbehauptung sehr wohl geschmälert wird, wenn der Rekurs auf ‚Erleben‘ in der Reflexion der Texte als Teil der diegetischen Verfahren erkannt wird, behält die 667 Jan-Dirk Müller, Literarische und andere Spiele, S. 282, Anm. 5. 668 Cornelius Castoriadis, Gesellschaft als imaginäre Institution. Entwurf einer politischen Philosophie. Übersetzt von Horst Brühmann, Frankfurt/ M. 2 1997; Jan-Dirk Müller, Imaginäre Ordnung und literarische Imaginationen um 1200, in: Jahrbuch des Historischen Kollegs 2003, S. 41-68. 669 Franz-Josef Schmale, Funktionen und Formen mittelalterlicher Geschichtsschreibung, S. 63. 670 Vgl. hierzu z.B.: Gert Melville, Vorfahren und Vorgänger. Spätmittelalterliche Genealogien als dynastische Legitimation zur Herrschaft, in: Peter-Johannes Schuler (Hg.), Die Familie als sozialer und historischer Verband. Untersuchungen zum Spätmittelalter und zur frühen Neuzeit, Sigmaringen 1987, S. 203-310; Kilian Heck und Bernhard Jahn (Hgg.), Genealogie als Denkform in Mittelalter und Früher Neuzeit, Tübingen 2000. 671 Gert Melville, Vorfahren und Vorgänger, S. 224; ders., Geltungsgeschichten am Tor zur Ewigkeit, S. 79. 672 Jan-Dirk Müller, Literarische und andere Spiele, S. 297. 673 Ibid., S. 285. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 602 Inszenierung als erfahrungshafte Selbstäußerung im primären Lektüreprozeß doch ihr Potential zu einer phänomenologischen Partizipation des Rezipienten an der (Text)Erfahrung, so daß die ‚Machbarkeit‘ spezifischen Erlebens nicht durch die Referenz auf vorgängiges, außertextuelles Geschehen, sondern durch die Lektüreerfahrung des Rezipienten erwiesen wird. Die Komposition des Textes als Ausfluß von ‚Erleben‘ wird somit im Lektüreprozeß legitimiert. Während dieser nichtinstitutionell gebundene Gebrauchszusammenhang die Ambiguität, die doppelte Lesbarkeit des Corpus als Dokumente exemplarischer Erfahrung und als literarischen Anlaß von ‚Erleben‘ stets präsent halten kann und somit in die Nähe der modernen Kategorie der ‚Fiktionalität‘ rückt, ist die pragmatisch-historische Lektürehaltung, die Lektüre im Rahmen der sozialen Praxis der Stiftermemoria, auf die realweltliche Anbindung angewiesen, wenn den Texten eine fundierende und sinnstiftende Funktion für das Gemeinschaftsleben in der Komturei zukommen soll. 674 Der epistemische Wahrheitsgehalt 675 der Alltagsfiktion ist zwar von der personifizierenden und somit fiktionalen Ausgestaltung der Gottesfreundfigur losgelöst - die pragmatisch-historische Lektüre kann somit stets auf die exemplarisch-spirituelle Dimension hin geöffnet werden - fragwürdige Wirklichkeiten können durch stärkere Wahrheiten außer Kraft gesetzt werden. 676 In ihrem primären institutionshistorischen Gebrauchszusammenhang wird die Bedeutung und Bindungskraft der Texte aber von der Glaubwürdigkeit der Referentialisierungsbehauptung bedingt. Ist die Referentialisierbarkeit der Exempelfigur ‚Gottesfreund aus dem Oberland‘ sekundär gegenüber ihrem illustrativen Potential, ist der Geltungsanspruch der Stifterfigur von ihrer historischen Verifizierbarkeit abhängig. Das gleiche Erzählelement - die Inszenierung als erfahrungshafte Selbstäußerung - kann folglich in unterschiedlichen Lektüremodi und Interessenkonstellationen eine unterschiedliche Funktion ausüben, so daß innerhalb des Corpus der ‚Gottesfreundliteratur‘ eine Skala der fiktionalen Ambiguität erkennbar ist: von der fiktionalen Erfahrungsermöglichung bis hin zur contrafaktischen, aber realen Referenzbehauptung. 4.5.2.4. Fehllektüren: Von der referenzlosen Poetik zur referentialisierenden Lektüre Die widerstreitenden Interpretationsmuster der Gottesfreundfigur zwischen literarischer Exempelfigur und faktischem Mitstifter des ‚Grünen Wörth‘, die die Faszination des Corpus ausmacht und sein literarisches Potential hervorheben, scheinen (zumindest für die mit den diskursiven Schreibpraxen Vertrauten) als gebrauchsfunktionale Ausrichtung durchsichtig und dem jeweiligen ‚Sitz im Leben‘ der Codices entsprechend auflösbar. Durch die gezielten Reduktionen auf belehrende Kernpassagen, die zugänglicheren, da stringenteren sprachlichen Gestaltungsformen ebenso wie die teilweise vorgenommene Anonymisierung der Texte, zuletzt die Adaptationen an ein verändertes Heiligkeitskonzept forciert die Überlieferung der 674 Ibid., S. 284. 675 Mark Chinca, Mögliche Welten. Alternatives Erzählen und Fiktionalität im Tristanroman Gottfrieds von Straßburg, in: Poetica 35 (2003), S. 307-333, hier S. 315. 676 Gert Melville, Geltungsgeschichten am Tor zur Ewigkeit, S. 92. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 603 ‚Gottesfreundliteratur‘ außerhalb der Johanniterkomturei die exemplarisch-spirituelle Lektüre. Zwar geben die didaktisierenden Bearbeitungstendenzen als auch die Textauswahl keine Auskunft darüber, inwiefern die Redaktoren und Kopisten den Gottesfreund als „Papierheiligen“ 677 durchschauten, lassen aber erkennen, daß weder die textuellen Inszenierungen als ‚Erlebnisberichte‘ noch die Gestaltung als Sinn-Stifter als Signal einer referentialisierenden Lektüre verstanden wurden. Die auf dem ‚Grünen Wörth‘ vorgenommene kodikologische und paratextuelle Kontextualisierung der ‚Gottesfreundliteratur‘ wird vielmehr als eine Sonderlesart der textuellen Operationen des mystischen Diskurses im Rahmen eines in Stiftungen üblichen, jedoch stets auf diese beschränkten Fundatorenkults verstanden, die für die im neuen Gebrauchszusammenhang virulente exemplarische Lektüre keine Relevanz hat. Die skizzierte Neugestaltung der Texte, die für die Integration in einen andersartigen Lektürekontext notwendig war, unterscheidet sich dabei nicht kategorial von den Schreibpraxen des ‚Grünen Wörth‘, sondern wendet die gleichen Regeln und Techniken unter umgekehrten Vorzeichen an und demonstriert so den diskursiven Konsens über die freie Disponibilität von vorgängigem Text- und Bildmaterial. Zielt die Überlieferung außerhalb der Johanniterkomturei auf vielfältige, jedoch nicht singuläre, sondern für zahlreiche (semi)religiose Gemeinschaften charakteristische Rezeptionszusammenhänge, wird die historisch-pragmatische Lesart des Textcorpus durch die Integration in eine umfassende, von der Kommunität getragene Gründermemoria etabliert. Während die Beisetzung Merswins in einem künstlich ausgehauenen Grabmal im Chor 678 der Johanniterkirche und somit in einem vom gesamten Konvent täglich benutzten Raum an das „enge Beziehungsgefüge [... zwischen] fundator und congregatio“ 679 ermahnt und als zentraler Anknüpfungspunkt für rechtliche, liturgische und kultische 680 Formen der memoria die Gemeinschaft eindringlich an Rulman Merswin bindet, fungiert das ‚Briefbuch‘ als zentrales Monument der memoria an den Gottesfreund aus dem Oberland, da die archivalische Sammlung - im Gegensatz zum ‚Großen deutschen Memorial‘ und ‚Pflegermemorialen‘ - das religiöse Programm der spirituellen Freundschaft nicht in einer exemplarischen Figuration, sondern im realweltlich konkreten Kontext der Straßburger Johanniterkommende 677 Konrad Kunze, Papierheilige. Zum Verhältnis von Heiligenkult und Legendenüberlieferung um 1400, in: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 4 (1986/ 7), S. 53-65. 678 So das Inventar der Komturei aus dem Jahr 1633 (Archives départementales du Bas-Rhine, H 1408, S. 13), zit. nach Jean Rott, La commanderie Saint-Jean en l’Ile-Verte, S. 244. Vgl. auch den Eintrag im Anniversar des ‚Grünen Wörth‘ unter dem 18. Juli (Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752, Bl. 33 v ): Obijt honorabilis vir R lmannus merswin fundator huius domus z dem gr nenwerd Anno Domini M ccc lxxxij hic sepultus A G cantentur vigilie In choro. Vgl. auch: Philippe Grandidier, Nouvelles oeuvres inédites, S. 382. 679 Christine Sauer, Fundatio und Memoria, S. 209. 680 Da über die Gestaltung von Merswins Grab keine Quellen tradiert sind, kann eine kultische Verehrung, die Sauer durch die Heiligen-Ikonographie zahlreicher Stifter-Gräber nachweisen konnte (Christine Sauer, Fundatio und Memoria, S. 183-208), im Falle des Stifters des ‚Grünen Wörth‘ nicht belegt werden. Im Gegensatz zu den Komturen der Stiftung, deren Bilder im lange[n] gang beym Wirtemberger gemach [...] seriem successionis [...] gemalet (H 1408, S. 35) waren, fehlte wohl eine Stifterfigur Merswins. Eine bildliche Darstellung scheint allein das ‚Meistermemorial‘ enthalten zu haben, über dessen Miniaturen wir aus den ihnen beigegebenen Beischriften erfahren, die im ‚Briefbuch‘ überliefert sind (vgl. B, Bl. 73 rv ; Rieder 1905, S. 151*12-S. 153*26). Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 604 verortet und die Handschrift so in die Memorialüberlieferung der Stifter einbindet: Sichert die Textreliquie des ‚b ch von den fúnf mannen‘ - den Körperreliquien Merswins vergleichbar - die konstante Präsenz des Sinn-Stifters in seiner Gründung zu, dienen auch die angefügten Briefe, die allein im sekundären Funktionszusammenhang der Sammlung greifbar sind, 681 nicht dazu, „die Erfindung des Gottesfreundes dokumentarisch ab[zu]sicher[n]“. 682 Ihre dialogische Struktur illustriert vielmehr die besonders enge amicita spiritualis zwischen dem Gottesfreund und der Gemeinschaft des ‚Grünen Wörth‘. 683 Die aus mystischen Briefsammlungen bekannten Genremerkmale - die Form der unmittelbaren „Ich-Aussage“ 684 und das im „simulierte[n] Dialog“ 685 enthaltene suggestive Potential der persönlichen Ansprache 686 - helfen den Gottesfreund als patronus, als Beschützer der Gemeinschaft, zu gestalten, dessen göttlich sanktionierter Rat in konkret-profanen wie geistlichen Angelegenheiten die Stiftung bewahrt und ihre pax und stabilitas sichert. Zielt die Briefsammlung als Dokumentation der umfassenden Fürsorge des Gottesfreundes primär auf eine Sicherstellung der Erhaltung des Stiftungszwecks, so affiziert die Inszenierung als freundschaftlicher Briefwechsel den Gottesfreund zugleich mit ‚Realien‘ der Komturei und verstärkt so anscheinend den referentialisierenden Sog: Die detaillierten Anweisungen zu den Bauvorhaben der Komturei schreiben den Gebäuden der Stiftung nicht nur den Willen des Stifters ein, die realweltliche Amplifizierung des Sinn-Stifters als Bauherr scheint durch den Kontakt zu historischen Funktionsträgern der Straßburger Komturei und ihrer Umgebung sowie die konkrethandgreiflichen Kenntnisse und Vorstellungen des Gottesfreundes auch das Oszillieren der Figuren der Referenz festzulegen. Die Einbindung der ‚Gottesfreundliteratur‘ in die Praktiken der Gründermemoria, deren prägnantestes textuelles Zeugnis im ‚Briefbuch‘ vorliegt, scheint das Corpus von Texten ohne Referenz zu einer referentialisierenden Ästhetik zu verschieben. Im Kontext einer Amplifikation des Mitstifters als fürsorglichen patronus wandelt sich der Status der Schreibtechniken des mystischen Diskurses offenbar von Figuren der Referenz - einer (Er)Findung als Mittel der Darstellung - zur Referenzbehauptung - einer Erfindung i.S. der Fälschung. Für diesen Übergang muten die redaktionellen Schlußbemerkungen zur Briefsammlung des Gottesfreundes (B, Bl. 51 v -55 v ; Rieder 1905, S. 137*2-S. 148*22) als aussagekräftiger Beweis an, da sie durch den Bericht über mehrere gescheiterte Bemühungen, den im Codex dokumentierten freundschaftlichen Rat des Mitstifters auch nach dem Tod Merswins zu erhalten, vermeintlich ein Höchstmaß an Detailrealismus und somit die stärkste Referentialisierungsbehauptung innerhalb des Corpus darstellen. 681 Vgl. zur Unterscheidung von primärem und sekundärem Funktionszusammenhang von Briefen: Christine Wand-Wittkowski, Briefe im Mittelalter. Der deutschsprachige Brief als weltliche und religiöse Literatur, Herne 2000, S. 12. 682 Christine Wand-Wittkowski, Briefe im Mittelalter, S. 284. 683 Wand-Wittkowski erkennt das Ziel der Sammlung demgegenüber darin, die „geistliche Freundschaft zwischen dem Begründer dieser Ordnung, Rulman Merswin, und dem begnadeten Gottesfreund“ zu betonen (ibid., S. 286), um damit den „institutionellen Regelungen“ höheres Ansehen zu verschaffen (ibid.), übersieht dabei jedoch, daß 18 der 21 Briefe nicht an Merswin gerichtet sind. 684 Christine Wand-Wittkowski, Briefe im Mittelalter, S. 234. 685 Ibid., S. 233. 686 Ibid., S. 230. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 605 Aus diesem das Kompendium beschließenden Kommentar werden im folgenden jene Passagen diskutiert, die den stärksten referentialisierenden Sog entwickeln, indem die nach dem Gottesfreund Suchenden nicht unspezifisch als ein got minnende[r] ritter und ein erber[ ] junge[r] burger (B, Bl. 52 v ; Rieder 1905, S. 139*10) bezeichnet, sondern mit historisch verifizierbaren Personen identifiziert werden, deren Reisen zudem zeitlich und räumlich bestimmt sind. Item do noch beschach es dez summers anno domini M ccc lxxxix Daz etteliche erbere personen, pfaffen vnd leigen, fr wen vnd man, z friburg in brisich we, die der selben gottes frúnde leben, daz b ch von den fúnf mannen, dicke dovor gelesen vnd geh rt hettent, die verkuntont vns, daz in gar sicherliche in gantzer worheit vúrkomen vnd geseit were worden, Daz her Johannes von Bolsenheim, prior z Engelberg sante Benedicten orden, den selben vnsern lieben vettern vnd gottes frúnden gar heimelich were vnd dicke vnd vil z in wandelte vnd gew nliche in irre kirchen messe spreche vnd von ir ieglicheme sunderliche z friburg geseit hette alle kuntsame z glicher wise, also in der fúnf manne b ch von irme lebende geschriben stot. Item vffe dise vorgeschriben rede Br der Claus von l fene ch vz f r des vorgeschriben iores vmbe sant Bartholomeus dag mit gemeineme rote dez Commendúres vnd der br dere vnd meinde sú z s chende Aber do er z dem von Bolsenheim kam, do vant es sich gar vil anders, wenne die erbern lúte z friburg von ime verstanden vnd geseit hattent. doch gap br der Claus von l fen dem selben von Bolsenheim vil kuntschaft, briefe vnd eine abegeschrift der drier weltlicher pflegere b ch, in dem der selben gottes frúnde leben geschriben stot, vnd ch etteliche materien dis gegenwertigen b ches, die den selben von Bolsenheim aller eigen lichest in kuntsame vffe sú wisen m hte, wenne gar vil erber gottes frúnde z ime wandeltent von vil gegenen dez selben landes, alse er selber seite Br der Clausen von l fene (B, Bl. 52 v ; Rieder 1905, S. 139*17-S. 140*5). [Danach geschah es im Sommer des Jahres 1389, daß einige ehrbare Personen, Kleriker wie Laien, Frauen und Männer, in Freiburg im Breisgau, die das Leben derselben Gottesfreunde, das ‚b ch von den fúnf mannen‘, zuvor häufig gelesen und gehört hatten, uns mitteilten, daß ihnen völlig zuverlässig und in vollkommener Wahrheit bekannt und gesagt worden wäre, daß Herr Johannes von Bolsenheim, Prior im Benediktinerkloster Engelberg, mit denselben unseren lieben Verwandten und Gottesfreunden sehr vertraut wäre und er sehr häufig bei ihnen wandelte und es seine Gewohnheit sei, in ihrer Kirche die Messe zu lesen und von jedem von ihnen zu Freiburg alles Wissenwerte berichtet hätte in ebensolcher Weise wie es im ‚b ch von den fúnf mannen‘ über ihr Leben geschrieben steht. Aufgrund dieser zuvor beschriebenen Auskunft reiste Bruder Nikolaus von Löwen um den Bartholomäus Tag [24.08.] im genannten Jahr nach dem übereinstimmenden Rat des Komturs und der Brüder [nach Engelberg] mit der Absicht, sie zu suchen. Aber als er zu dem von Bolsenheim gelangte, da stellte es sich ganz anders dar, als die ehrbaren Leute in Freiburg von ihm verstanden und berichtet hatten. Doch gab Bruder Nikolaus von Löwen demselben von Bolsenheim viele Nachrichten, Briefe und eine Abschrift des Buchs der drei Pfleger, in dem das Leben derselben Gottesfreunde enthalten ist, und auch einige Materien dieses vorliegenden Buches, die denselben von Bolsenheim besonders kundig machen und ihn so auf sie hinweisen sollte, weil sehr viele ehrbare Gottesfreunde zu ihm reisten aus vielen Gegenden des selben Landes, wie er selbst Nikolaus von Löwen mitteilte.] Während Rieder die Reise des Sekretärs Merswins zum St. Andreas-Kloster in Engelberg als eine Imitation des engen Kontaktes Heinrich Seuses mit dem Domini- Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 606 kanerprovinzial Bartholomäus von Bolsenheim ansah, 687 sie folglich in das Reich der Fiktion verwies, konnte Stauffacher zeigen, daß die ‚Entdeckungsfahrt‘ des Nikolaus von Löwen in das Schweizer ‚Oberland‘ sich sehr wohl zeitgeschichtlich konkretisieren läßt, die Expedition folglich einen realweltlichen Bezug hat. Im Anschluß an Durrer 688 sucht Stauffacher in seinen ‚Untersuchungen zur handschriftlichen Überlieferung des Engelberger Predigers‘ mit Hilfe von Jahrzeitenbüchern und Nekrologen „Fiktion und historische Elemente“ 689 im oben zitierten Passus des ‚Briefbuches‘ zu scheiden und findet in einem in den Engelberger Codex 26 eingenähten Pergamentstreifen einen unabhängigen Beleg für die engen Beziehungen des Doppelklosters nach Straßburg und, konkreter, zu einigen der laikalen Pfleger des ‚Grünen Wörth‘: Auf der Rectoseite des als Bl. 53 gezählten Pergamentstreifen des älteren, 1345 von Rudolf von Schönbach angelegten Jahrzeitenbuches findet sich - in der buchstaben- und zeilengetreuen Abschrift Stauffachers - folgender, nachträglich eingefügter Eintrag: 690 Z. 1 Jungher Reinbold von Mùlnhein fro harl b iner frowen vnd iner kinden iunfr grettunt von wintertur vnd her hans von b lach vnd iner fr en vnd her zorns von buolach Z. 5 vnd iner fr en es her clau es lapen vnd einer u annen iner fr en vnd es heinrichs ir uns vnd es her hugs dùt mas vnd es fr katrinen iner fr en vnd ir kinden ___________________________ fr u en von gros tein fr heilwig reb t ken Z. 10 es her hans volrichs eligen fr en iungher rein bel eligen von kagneg vnd iungher c nrat eligen z m trùbel vnd gedengent zweger iungfr en die ns das mes gewant geben hant vnd ir M ter vnd ir vatter vnd gedengent Z.15 einer fr katrinen prenglerin Jungfr greta k lblin vnd ir br der Her Clau Bùch iner vnd iner frowen vnd iner kinden In Straßburger Urkundenbüchern sowie genealogischen Werken konnten Durrer und Stauffacher die meisten der hier Genannten nicht nur mit Angehörigen ratsfähiger Familien aus Straßburg identifizieren, deren männliche Mitglieder zu den führenden Magistraten der Stadt im späten 14. Jahrhundert zählten, 691 sondern darüber hinaus auch ihre enge Verbindung mit dem ‚Grünen Wörth‘ erweisen: Gehören her zorns von buolach (Z. 4), wahrscheinlich mit dem 1393 als Stettmeister in Straßburg bezeugten Klaus Zorn von Bulach identisch, 692 687 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 233, Anm. 1. 688 Robert Durrer, Das Frauenkloster Engelberg als Pflegestätte der Mystik, seine Beziehungen zu den Straßburger Gottesfreunden und zu den frommen Laienkreisen der Innerschweiz, in: Der Geschichtsfreund 76 (1921), S. 195-218. 689 Mathias Stauffacher, Untersuchungen zur handschriftlichen Überlieferung des ‚Engelberger Predigers‘, Basel Diss. [masch.] 1982, S. 5/ 90. 690 Zit. nach: ibid., S. 5/ 80. 691 Ibid., S. 5/ 82. 692 Robert Durrer, Das Frauenkloster Engelberg, S. 201, Anm. 11; Mathias Stauffacher, Engelberger Prediger S. 5/ 81. Stauffacher weist daraufhin, daß die Identifizierung nicht eindeutig möglich ist, da Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 607 und der im Anschluß genannte her clau es lapen (Z. 5) zur zweiten Generation der Pfleger des ‚Grünen Wörth‘, 693 ist her hugs dùt mas (Z. 7), 1382 und 1388 Stettmeister in Straßburg, kein Mitglied der Klosterfamilia, sondern zählt zu den benefactores der Stiftung, denn er wurde 1399 bei den Johannitern auf dem ‚Grünen Wörth‘ beigesetzt. 694 Die unter dem Trennstrich aufgezählten - fr u en[s ] von gros tein (Z. 9), iungher reinbel eligen von kagneg (Z. 10f.) und sein Schwiegersohn iungher c nrat eligen z m trùbel (Z. 11f.) - sind nur durch ihre Kinder mit dem ‚Grünen Wörth‘ verbunden: Die Tochter Susens von Grosstein, Greta, lebte bis 1410 als Schwester in der Stiftung Merswins, 695 die Familie der von Kageneck war durch den Sohn Reinbolds, den bischöflichen Hofmeister Johannes von Kageneck, in die weltliche Verwaltung der Johanniterkomturei eingebunden. 696 Die drei zuletzt genannten Namen, Johannes und Greda Kölbelin sowie Claus Búchssener (Z. 16f.), stehen in engem Zusammenhang mit den Stiftungen Luitgard Blankharts: Zum Unterhalt der beiden ewigen Lichter, die Luitgard für den Altar der Muttergottes und den Jacobsaltar stiftete, wurden dri pfunt ewigen geltes benötigt, die mit sehtzig pfunden Strazburger pfennigen gekouft [wurden] umbe Johans K lbelin und umb juncfr we Greden, sine swester (Rieder 1905, S. 11*29f.). Claus Búchssener, zwischen 1367 und 1388 fünfmal Straßburger Ratsmitglied, war 1388 Pfleger der von Luitgard gestifteten Jakobsmesse (Rieder 1905, S. 207*20). Da auch das jüngere, 1457/ 59 angelegte Nekrologium auf Bl. 43 v / 44 r eine Gebetsbruderschaft Engelbergs mit Straßburger Bürgern bezeugt (Gedenkent durch gottes willen diser nachgeschribnen erberen l tten, sind von Strasburg, gehörend in únser br derschafft), 697 können die Verbindungen zwischen dem Doppelkloster und Straßburg seit dem Ende des 14. Jahrhunderts für sieben Jahrzehnte nachgewiesen werden. 698 Zeigen die engen institutionellen Beziehungen zwischen dem Schweizer Doppelkloster und der Johanniterkommende den grundsätzlich realhistorischen Bezugspunkt des Berichtes auf, kann Stauffacher darüber hinaus auch Spezifika des ‚Briefbuch‘-Berichts verifizieren, indem er eine präzisere Datierung der auf dem Pergamentstreifen angelegten Liste vornimmt. Stauffacher vermutet, daß der auf der Blattmitte der Rectoseite deutlich erkennbare Strich dazu dienen sollte, die Straßburger, derer im Gebet gedacht werden sollte, in zwei Gruppen zu teilen: Da unter dem Trennstrich mehreren Personen das Adjektiv selig beigegeben ist, geht Stauffacher davon aus, daß die hier genannten Personen, auch wenn das Beiwort fehlt, zur Zeit der Abfassung des Notizzettels bereits verstorben waren, während die zuerst aufgeführten Personen noch am Leben sind. Der Pergamentstreifen kann demnach nur in den Jahren 1385/ 86 bis 1389/ 90 geschrieben worden sein. Um die zeitliche Koinzidenz mit den Angaben im ‚Briefbuch‘ - Nikolaus von Löwen soll seine Reise im August des Jahres 1389 angetreten haben - zu einer historischen Plausibilität zu erhärten, sucht Stauffacher mögliche frühere Verbindungen des Doppelklosters nach Straßburg zu widerlegen, die durch die wiederkehrende Thematisierung der ‚Gottesfreunde‘ und der Reichsstadt in den 50er Jahren des 14. Jahrhunderts entstandenen ‚Engelberger Predigten‘ 699 suggeriert werden. Durch eine eingehende derselbe Name auch von einem vor dem 23.8.1378 verstorbenen Schultheiss getragen wird (ibid., S. 5/ 81). 693 Nikolaus Zorn, genannt Lapp, trat die Nachfolge von Merswins Bruder Johannes im Amt des Pflegers an (Rieder 1905, S. 155*20f.), Klaus Zorn von Bulach übernahm das Amt von Heintzeman Wetzel (ibid., S. 155*24). 694 UStB VII, S. 856. 695 Mathias Stauffacher, Engelberger Prediger, S. 5/ 81. 696 Ibid., S. 5/ 82. 697 Robert Durrer, Das Frauenkloster Engelberg, S. 205. 698 Ibid., S. 216. 699 Ibid., S. 1/ 24f. Vgl. Sigisbert Beck, Untersuchungen zum Engelberger Prediger, Freiburg/ Schw. 1952 (Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte Beiheft 10), S. 98 und 104, sowie ders., Engel- Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 608 Kontextualisierung aller Textstellen der Predigtsammlung, die sich auf Straßburg beziehen oder die Idee der ‚Gottesfreundschaft‘ aufrufen, kann Stauffacher aufzeigen, daß sich ein „Zusammenhang mit den Leuten vom Grünenwörth und ihrer ‚Gottesfreund-Literatur‘ [...] nicht nachweisen“ läßt: 700 „Von allen Stellen im ‚Engelberger Prediger‘, an denen der Begriff ‚frùnde gottes‘ erscheint, bezieht sich fast die Hälfte auf Personen aus der Bibel oder Kirchenlehrer.“ 701 Da auch der seltene Gebrauch des Lexems i.S. mystischer Terminologie 702 in konventionellen Bahnen aszetisch-mystischer Schriften der Mitte des 14. Jahrhunderts verbleibe, bewiesen alle „Ähnlichkeiten im Ausdruck und im Inhalt [... keine] direkte Beziehung oder gar Abhängigkeit zwischen der ‚Gottesfreund‘-Literatur und dem Engelberger Predigtcorpus“. 703 Die Angaben des ‚Briefbuches‘ im Hinblick auf das Einsetzen der Beziehungen nach Engelberg erscheinen somit durchaus präzise, ein Verständnis der Passage als Vertextung realweltlichen Geschehens nicht unmöglich. Neben der Datierung scheint auch das Reiseziel - Johannes von Bolsenheim 704 - und die Vermittlung etteliche[r ] erbere[r ] personen [...] z friburg in brisich we (B, Bl. 52 v ; Rieder 1905, S. 139*18f.) einen realhistorischen Hintergrund zu haben, da der Engelberger Prior durchaus Mitinitiator der engen Beziehungen zwischen den Johannitern und dem Benediktinerkloster gewesen sein kann. Als Angehöriger eines Breisgauer bzw. elsässischen Adelsgeschlechts 705 und ehemaliger Priester in Breisach 706 unterhält Johannes, auch nachdem er 1389 Prior in Engelberg wurde, 707 einen engen Kontakt nach Freiburg/ Br., wie eine Reise im August/ September 1394 bezeugt. Johannes gab in der Stadt im Breisgau das Handschriftenpaar 234 und 235 der Stiftsbibliothek in Auftrag. 708 Da er einzelne Korrekturen, für die er die Vorlage benötigte, 709 eigenhändig vornahm, muß er für diese Auftragsarbeit nach Freiburg gereist sein. Vielleicht erklärt der rege Kontakt des Benediktiners ins Breisgau und von dort ins Elsaß (? ) auch ein Spezifikum des oben zitierten Eintrags in das Engelberger Jahrzeitenbuch: Aufgrund der seltsam ungenauen, vom üblichen Typus der Eintragungen in den beiden Jahrzeitenbüchern abweichenden Angaben zu den einzelnen Personen (es fehlen Ortsangaben, die Namensnennungen führen z.T. zu keinen eindeutigen Identifizierungen) vermutet Stauffacher, berger Prediger, in: 2 VL Bd. 2 (1980), Sp. 532-535, hier Sp. 532; Philipp Strauch, Der Engelberger Prediger, in: ZfdPh 50 (1926), S. 1-45, 210-241. 700 Mathias Stauffacher, Engelberger Prediger, S. 5/ 87. 701 Ibid., S. 5/ 88. 702 Sa 8, Bl. 68 v ; Sa 9, Bl. 78 v ; Sa 16, Bl. 141 r (Wackernagel 1876, S. 584, Z. 12-14); Sb 2, Bl. 13 r (Wackernagel 1876, S. 592f.); Sb 7, Bl. 67 v und 70 v ; Sb 11, Bl. 90 v ; Sb 13, Bl. 104 r ; Sb 14, Bl. 124 v ; Sb 17, Bl. 151 v (Wackernagel 1876, S. 590, Z. 271-274). 703 Mathias Stauffacher, Engelberger Prediger, S. 5/ 90. 704 Zu diesem vgl. Franz Josef Schiffmann, Johannes von Bolsenheim, Pfarrer von Stans und seine Notiz vom 29. Juli 1386 über die Schlacht von Sempach, in: Der Geschichtsfreund 47 (1892), S. 369- 374; sowie Mathias Stauffacher, Engelberger Prediger, Kap. 5. 705 Kurt Ruh nimmt einmal eine Geburt in Straßburg, einmal in Freiburg/ Br. an: Deutsche Literatur im Benediktinerinnenkloster St. Andreas in Engelberg, in: Titlisgrüsse 67 (1981), S. 46-55, 77-88, wieder in: ders., Kleine Schriften. Bd. II: Scholastik und Mystik im Spätmittelalter, hg. von Volker Mertens, Berlin; New York 1984, S. 275-295, hier S. 286 und 280. 706 Robert Durrer, Das Frauenkloster Engelberg, S. 213f., Anm. 88; Mathias Stauffacher, Engelberger Prediger, S. 5/ 7. 707 Robert Durrer, Das Frauenkloster Engelberg, S. 215. Diese Datierung beruht allein auf dem Bericht des ‚Briefbuches‘, der erste urkundliche Beleg Bolsenheims als Prior stammt vom Februar des Jahres 1396. 708 Mathias Stauffacher, Engelberger Prediger, S. 5/ 26. 709 Ibid., S. 5/ 26f. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 609 daß der Hauptschreiber des Zettels 710 „mit den Verhältnissen in Strassburg und innerhalb des Grünenwörth-Kreises vertraut“ gewesen sein muß und sich nur einen „Merkzettel für den momentanen Gebrauch“ erstellte, „weil die Angaben nach kurzer Zeit für so weit entfernte Aussenstehende unverständlich werden mussten“. 711 Da der Pergamentstreifen durch die Identifizierung des ersten Schreibers mit einem Engelberger Konventualen in diesem Doppelkloster entstanden sein muß und der Hauptteil des Zettels - laut einem von Stauffacher durchgeführten Schriftvergleich 712 - nicht von Nikolaus von Löwen geschrieben worden sein kann, stellt sich die Frage, ob die Aufzeichnungen von Johannes von Bolsenheim initiiert wurden. Überblickt man Stauffachers Versuch, die Historizität des ‚Briefbuch‘-Berichts zu erweisen, so fällt auf, daß für wichtige Eckpunkte der Schilderung - der Beginn der Beziehungen nach Engelberg im Jahr 1389, ihre Anregung durch gemeinsame Kontakte nach Freiburg/ Br. als auch die tragende Rolle des Johannes von Bolsenheim - ein realhistorischer Bezugspunkt erwiesen werden konnte, der Konnex dieser Elemente, der Kohärenz und Kausalität herstellende Angelpunkt der Erzählung - die Reise des Nikolaus von Löwen und ihre Motivation in der Suche nach dem Gottesfreund - jedoch nicht bestätigt werden kann. Die folgende Untersuchung der Passage um Heinrich von Wolfach wird dabei einsichtig machen, daß sich eine literale Interpretation verbietet, die einen direkten Zugriff auf realweltliches Geschehen und somit das zeitgenössische Verständnis der Gottesfreundfigur suggeriert. Es steht vielmehr zu vermuten, daß der Reiseerzählung eine literarische Technik zugrundeliegt, die Fakten und Fiktionen mischt, um der Gebetsverbrüderung der Johanniterkomturei mit dem entfernten Benediktinerkloster ihre Kontingenz zu nehmen und sie durch eine gemeinsame Verbindung zu den Gottesfreunden zu erklären. Die Vermutung, bei den Schlußbemerkungen des ‚Briefbuches‘ handele es sich nicht um eine faktographische Dokumentation einer referentialisierenden Lektürehaltung, wird durch die sich unmittelbar anschließende Beschreibung der ‚Entdeckungsreise‘ Heinrichs von Wolfach bestärkt: Item also nu do vorgeschriben stot in aller der nehsten missiuen noch der fúnf manne leben, vnsers vatter geschrift vnd eigene hant wie der selbe vnser vatter vnd der Juriste, die zwene lieben gottes frúnde, z irme bischofe f rent mit dez bobestes briefen, die sú selber z Rome inpetrieret hattent, in eine stat von irre heim te xiij milen weges, do duncket vns, wie es klingen we were; wenne der bischof von konstentze in den selben ziten do gelegen waz vnd lange zit dar nach in der selben stat z klingen we lag, alse ch die vorgenant missiue seit. Nu ist von friburg in hterlant xiij milen weges vntze gen klingen we, do bi vns ch duncket vnd dicke gem tmoszet vnd geschetzet hant, daz sú neiswo in der selben gegene in htelant m gent wonen vnd seszhaft sin mit irre heim te. [53 r ] 710 Stauffacher kann zwei Hände unterscheiden: Z 1f. sowie 16-21 sind von einem Schreiber geschrieben, der auch drei weitere Urkunden zwischen 1381 und 1384 in Engelberg sowie Eintragungen in den ‚Annales maiores‘ für die Jahre 1361 bis 1366 verfaßte. Während diese Hand folglich einem Engelberger Konventualen zugeschrieben werden kann, ist die zweite Hand nicht zu identifizieren (ibid., S. 5/ 81). 711 Ibid., S. 5/ 83. 712 Ibid., S. 5/ 85. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 610 Item nu wart es got f gende sub anno domini M ccc lxxxx daz der aller erste Commendúre Br der heinrich von wolfach der ch eine sache waz ettelicher diser missiuen vnd briefe, die ime von dem gottes frúnde, vnserme vatter, geschriben wurdent, [...] der selbe Commendúre stunt vmbe die vorgeschriben date me denne ein gantz ior in dem huse vnd convente z friburg in htelant mit siner wonunge vnd kunde ouch die lieben gottes frúnde nút finden, vnd hette doch vil minnen vnd begirden sú z s chende wenne er ires rotes gar wol bed rft hette von sunderlicheme groszeme getrenge, in dem er do z mole waz (B, Bl. 52 v / 53 r ; Rieder 1905, S. 140*15-S. 141*2). [Weil nun hiervor, in dem Sendbrief, der unmittelbar auf das ‚b ch von den fúnf mannen‘ folgt, das von unserem Vater eigenhändig geschrieben ist, beschrieben wird, wie unser lieber Vater und der Jurist, diese zwei lieben Gottesfreunde, zu ihrem Bischof mit den Briefen des Papstes fuhren, die sie selbst in Rom bewirkt hatten, in eine Stadt, die von ihrer Heimat 13 Meilen entfernt war, da dachten wir, daß es Klingenau wäre; denn der Bischof von Konstanz residierte zu dieser Zeit und lange Zeit danach in dieser Stadt zu Klingenau, wie der zuvor benannte Sendbrief sagt. Nun liegt Freiburg im Üchtland 13 Meilen von Klingenau entfernt, deshalb haben wir gedacht und häufig gemutmaßt und vermutet, daß sie irgendwo in derselben Gegend in Üchtland wohnen könnten und ihre Heimat hätten. Nun fügte es Gott im Jahr 1390, daß der allererste Komtur Bruder Heinrich von Wolfach, der auch eine Ursache oder Angelegenheit etlicher dieser Sendschreiben und Briefe war, die ihm vom Gottesfreund, unserm Vater, geschrieben wurden, [...] derselbe Komtur hielt sich um das genannte Datum mehr als ein Jahr in dem Haus und Konvent in Freiburg im Üchtland auf und konnte auch die lieben Gottesfreunde nicht finden, obwohl er sehr große Liebe und Begierde hatte, sie zu suchen, weil er ihres Rates sehr wohl bedurft hätte aufgrund der besonders großen Bedrängnis, in der er sich damals befand.] Die wenig spezifischen Anspielungen auf den Aufenthalt Heinrichs von Wolfach in Freiburg im Üchtland und das sunderliche[ ] grosze[ ] getrenge, in dem sich dieser befand, lassen sich - so zeigen die Untersuchungen Tönsings 713 - mit Hilfe eines Gutachtens zu einem zwischen 1390 und 1394 in Straßburg gehaltenen Ketzerprozeß 714 sowie der vom Beschuldigten verfaßten ‚Verteidigungsschrift‘ 715 zu einem verschlungenen Fall verdichten: Zur Zeit des abendländischen Schismas, im Jubeljahr 1390, erlangte der weltgeistliche Wanderprediger Johannes Malkaw aus Preußen (ca. 1360-1416), kompromißloser Anhänger der römischen Obödienz, die bischöfliche Lizenz zur Abhaltung von Predigten im Bistum Straßburg. 716 Der Höhepunkt seiner ca. vierwöchigen Predigttätigkeit, 717 in der er gegen die „Schismatiker“, die Parteigänger des in Avignon residierenden Klemens VII. (Robert von 713 Michael Tönsing, Johannes Malkaw aus Preussen (ca. 1360-1416). Ein Kleriker im Spannungsfeld von Kanzel, Ketzerprozeß und Kirchenspaltung, Warendorf 2004 (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit 10). 714 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, HB I 83; editiert bei: Michael Tönsing, Johannes Malkaw, S. 225-227. 715 Colmar, Bibliothèque Municipale, Ms. 474; Teiledition bei: Herman Haupt, Johannes Malkaw aus Preussen und seine Verfolgung durch die Inquisition zu Strassburg und Köln (1390-1416), in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 6 (1884), S. 323-389, hier S. 365-389; Michael Tönsing, Johannes Malkaw, S. 228-273. 716 Michel Tönsing, Johannes Malkaw, S. 20. 717 Ibid. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 611 Genf, 1378-1394), polemisierte, war eine in der St. Thomas-Pfarrei gehaltene Predigt: 718 Nachdem Johannes seine Invektive gegen die „verfluchte Kreatur“, den Fondi-Papst, und seine - von Johannes als „Skorpione“ titulierten - Kardinäle 719 formaljuristisch erläutert hatte, 720 kam es zu einem persönlichen Affront gegen den Augustiner-Eremiten Johannes Hiltalingen, den vehementesten Vertreter Klemens’ VII. in Straßburg, „den er [Johannes] als ‚verfluchten Bischof‘ bezeichnete, der [...] die Gläubigen nach Kräften seinem ‚verdammten Götzen Robert‘ zuführe“. 721 Diese unbeherrschte, polemisch vorgetragene Kritik fand in der Straßburger Bevölkerung anscheinend einen großen Anklang, denn infolge der Predigt in St. Thomas kam es zu einem maximum tumultum in populo cum papis, 722 der in einem Sturm auf die Johanniterkomturei endete. Heinrich von Wolfach, der Komtur des Straßburger Johanniterhauses, der ebenfalls auf der Seite Klemens VII. stand, 723 mußte in seinen Heimatkonvent nach Freiburg im Üchtland fliehen: 724 Et predicavi ibi bene ad spacium unius mensis, tangendo semper scismaticos et neutrales, quorum utriusque sexus magna multitudo erat. Qui eciam ceperunt odire me et detrahere michi, sed specialiter propter commendatorem Iohannitarum, qui fuit et est hodie magnus scismaticus; qui post presentem sermonem [apud sanctum Thomam] de Argentina fuit expulsus. 725 In dem bei seinem zweiten Straßburger Aufenthalt angestrebten Inquisitionsprozeß gegen Johannes Malkaw erkennt Tönsing eine „solidarische Reaktion“ 726 der städtischen und kirchlichen Führungsschicht der Reichsstadt auf diesen Angriff gegen den Leiter eines der „Brennpunkte des Selbstverständnisses sowie einen der [...] städtischen Identifikationspunkte des Patriziats“, 727 da sich in der Gruppe der vom Inquisitor Nikolaus Böckler im zweiten Verhör am 10. März 1391 einbestellten Berater nicht, wie nach Malkaws Angriff auf die Parteigänger Klemens VII. zu vermuten, eine avignonsche Gegnerschaft formierte, 728 sondern „Förderer und Sympathisanten“ 729 der Stiftung Rulman Merswins verbündeten. Zur Gruppe der „ehrenhafte[n] und sachkundige[n] Männer“, 730 die der Inquisitor als Konsultatoren benannte, zählte u.a. Johannes von Rinstetten (von Reichstett), 731 Prior und Lektor des Augustiner-Eremiten-Konvents, dessen enge Beziehungen zur Johanniterkommende durch die lateinische Übertragung des ‚Neunfelsenbuchs‘ durch Johannes von Schaftoltzheim 732 ebenso wie durch die geistliche Betreuung der Laienpfründner in der unmittelbar an die Konventsanlage des ‚Grünen Wörth‘ grenzenden Heiliggrab-Kapelle 733 bezeugt wird. Im Rahmen dieser Seelsorge für die Laien scheint auch Johannes von Rinstetten in engen Kontakt mit den Johannitern getreten zu sein: In Manuskript 2613 (olim germ. 552, Bl. 114 r -120 v ) der Straßburger Bibliothèque Nationale et Universitair 718 Eine detaillierte Zusammenfassung der Predigt findet sich: ibid., S. 22-27. 719 Ibid., S. 24. 720 Ibid., S. 23. 721 Ibid., S. 27. 722 Ibid., S. 247. 723 Joseph Marie Antoine Delaville le Roulx, Les Hospitaliers à Rhodes jusqu’à la mort de Philibert de Naillac (1310-1421), Paris 1913, S. 248-264. 724 Michael Tönsing, Johannes Malkaw, S. 32f., 44, 50, 77, 90, 150f., 401. 725 Ibid., S. 242; vgl. auch: Herman Haupt, Johannes Malkaw, S. 344, Anm. 2. 726 Michael Tönsing, Johannes Malkaw, S. 149. 727 Ibid., S. 157. 728 Ibid., S. 149f. 729 Ibid., S. 151. 730 Ibid., S. 38. 731 Vgl. Dagmar Ladisch-Grube, Johannes von Rinstetten, in: 2 VL Bd. 4 (1983), Sp. 722f., Michael Tönsing verwendet dagegen die Namensform Johannes von Reichstett: Johannes Malkaw, S. 153, 396. 732 Vgl. die Ausführungen auf S. 136 mit Anm. 169. 733 Michael Tönsing, Johannes Malkaw, S. 153, 399, Anm. 496. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 612 wird er als Verfasser und Beichtvater des Laienbruders Heinrich genannt, 734 in den ‚Erweiterten Pflegermemorialen‘ ist eine ‚Bruderschaftsordnung‘ überliefert (E, Bl. 112 r -127 v ; F, Bl. 85 v -99 v ; Rieder 1905, S. 221*1-S. 223*3 [Auszug]), die der lesemeister[ ] Johans von Rinstette sante Augustinus orden, vor ziten vicarie und penitencier des bischoffs zu Straßburg erstellte, usser des rates ouch alle dise cappittele von dem appellose alsus geordnet und geschriben ist (Rieder 1905, S. 222*Anm.). 735 Auch für die beiden als Berater dienenden Minoriten kann Tönsing Beziehungen zum ‚Grünen Wörth‘ nachweisen: Nikolaus von Blaufelden, Lektor und Bakkalar der Straßburger Franziskaner, prüfte den auf Bl. 56 r -73 r des ‚Briefbuches‘ (B) tradierten und wohl in der Straßburger Johanniterkomturei entstandenen Traktat ‚Schürebrand‘ und ergänzte ihn um drei eigenständige Regeln; 736 Marquard von Lindau verfaßte eine an den obersten meister in tewczchen landen sant Johans orden gerichtete ‚Regel aller Prälaten‘, 737 die - da sie im einzigen Textzeugen, der Nürnberger Handschrift Cent. VI, 46 d , mit dem ‚Schürbrand‘ tradiert ist, eine „besondere Beziehung Marquards zu der 1371 von Rulman Merswin begründeten Johanniter- Kommende“ vermuten läßt. 738 Da auch die Vertreter der Stadt und des Rates, die dem Verhör Malkaws beiwohnten, als Förderer des ‚Grünen Wörth‘ nachweisbar sind - Burghard Meiger, 739 in dessen Hofgarten das zweite Verhör stattfand, ließ sich, ebenso wie einige Familienmitglieder des ebenfalls anwesenden Johannes Bock, 740 im Chor der Johanniterkirche begraben -, schien der Inquisitionsprozeß eine Rehabilitierung des Komturs zum Ziel zu haben, der anscheinend eine Rückkehr nach Straßburg plante, da noch 1391 der Vizekomtur Konrad Otscher die Kommende leitet. 741 Die Länge des Prozesses und die Schwierigkeiten, Johannes der Häresie zu überführen - das Verfahren endete erst 1394 in einer Rehabilitierung Malkaws im Rahmen eines Schiedsprozesses an der Universität Heidelberg 742 - scheinen die Rückkehr Heinrichs jedoch verhindert zu haben. Bereits am 30. Juli 1391 ist Erhart Thome als neuer Komtur bezeugt, 743 Heinrich starb am 3. April 1404 in Freiburg im Üchtland und wurde auch im dortigen Johanniterhaus beigesetzt. 744 Während die Rekonstruktion der engen institutionellen Beziehungen der Johanniterkommende zum Doppelkloster Engelberg zeigen konnte, daß es sich bei den redaktionellen Bemerkungen über die Expedition des Nikolaus von Löwen nicht um eine schlichte Erfindung handelt, der es an jeglicher historischer Grundlage fehlt, macht der Bericht über die Suche Heinrichs von Wolfach besonders augenfällig, daß sich die Nachforschungen ebensowenig als Zeugnisse einer referentialisierenden Fehl- 734 Karl Bihlmeyer, Der selige Bruder Heinrich († 1396) - ein unbekannter Straßburger Gottesfreund, in: Wilhelm Schellberg unter Mitwirkung von Johannes Hehn und Fritz Tillmann (Hg.), Fest-Schrift Sebastian Merkle. Zu seinem 60. Geburtstag gewidmet von Schülern und Freunden, Düsseldorf 1922, S. 38-58, hier S. 40, Z. 13-S. 41, Z. 26, 50, 52; Dagmar Ladisch-Grube, Johannes von Rinstetten, Sp. 723; Michael Tönsing, Johannes Malkaw, S. 153, 396. 735 Vgl. auch: Michael Tönsing, Johannes Malkaw, S. 396f. 736 Philipp Strauch, Schürebrand, S. 53-64; Kurt Ruh, ‚Schürebrand‘, in: 2 VL Bd. 8 (1992), Sp. 876-880, bes. Sp. 879f. 737 Nigel F. Palmer, Marquard von Lindau, Sp. 104. 738 Ibid.; vgl. für eine Zusammenstellung aller nachweisbaren Bezüge Marquards zum ‚Grünen Wörth‘: Stephen Mossman, Marquard von Lindau, Konrad von Braunsberg, S. 254-256. 739 Michael Tönsing, Johannes Malkaw, S. 154, 383f. 740 Ibid., S. 155, 385f. 741 Ibid., S. 401; UBSt VII, Nr. 2545, S. 734f. 742 Michael Tönsing, Johannes Malkaw, S. 114-125. 743 UBSt VII, Nr. 2590, S. 749. 744 Vgl. Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752, Bl. 16 r : Obiit frater heinricus de wolfach, primus commendator huius domus, Anno domini M° CCCC° iiij° sepultus in friburgo. Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 613 lektüre der ‚Gottesfreundliteratur‘ verstehen lassen, die das Oszillieren der Texte stillstellt. Vielmehr wurde deutlich, daß auch die ‚Historischen Nachrichten über die Gottesfreunde‘ nicht durch eine einfachere Form der Referentialisierung gekennzeichnet sind als das übrige Corpus, sich die Beschreibungen der Expeditionen vielmehr einer literarischen Technik bedienen, auf die bereits Susanne Bürkle im vergleichbaren Fall der ‚Ekpint/ Ekkewint-Passage‘ der ‚Gnadenvita‘ der Christine Ebner 745 aufmerksam machte und die im folgenden am Beispiel des Textteils, in dem der erste Komtur als Protagonist auftritt, illustriert werden soll, da die exakte historische Situierung des Berichts es erlaubt, die spezifische Form des Bezugs auf die Textumwelt, die die Schreibpraxis auszeichnet und folglich ihren Anspruch auf Referentialisierbarkeit aufzeigt, zu rekonstruieren. Die signifikante Unbestimmtheit der Anspielungen auf den historischen Konflikt (sunderliche[s], grosze[s] getrenge) demonstriert, daß die „Funktion einer solchen Passage [...] gerade nicht die präzise Darstellung eines aktuellen ordenspolitischen Vorfalls“ ist, 746 d.h., die Referenz auf den konkreten historischen Fall weder durch eine detailrealistische Darstellung noch durch eine summarische Beschreibung der prekären Lage des Komturs erleichtert werden soll. Die vagen Andeutungen sollen vielmehr durch eine spezifische Kontextualisierung zu einer literarischen Umdeutung historischer Fakten dienen. Obwohl die Motivation für den anhaltenden Aufenthalt des Komturs in Freiburg in Üchtland eine dezidierte Leerstelle der Textpassage darstellt, suggeriert die Einbettung in eine Reihe von Lokalisierungsversuchen der Gottesfreundgemeinschaft, daß die Suche nach dem Stifter auch die Reise des Komturs anregte. Die dem Bericht über Heinrichs Nachforschungen unmittelbar vorangehende Textpassage projiziert eine ungenaue Ortsangabe des ersten in das ‚Briefbuch‘ kopierten Briefes (do wart vns geseit, daz vnser Bischof in einer stat were, die do wol xiij milen hertes, langes weges von vns waz ; B, Bl. 12 v ; Rieder 1905, S. 74*26-28) in die nähere Schweizer Umgebung und es gelingt, die historische und geographische Koinzidenz als stichhaltiges Indiz für die Identifizierung eben jenes Ortes als Wohnstätte des Gottesfreundes zu präsentieren, in dem sich der Komtur zur Zeit der Erstellung der Handschrift (zwischen 1391 und 1402) realhistorisch aufhält. Das Bemühen, den Brief des Gottesfreundes lokal einzuordnen, resultiert somit nicht aus einer referentialisierenden Lektürehaltung, sondern ist ein Kunstgriff, um dem Geschehen um Heinrich von Wolfach Sinn zuzuweisen. Die fehlende Konkretisierung der Passage als auch ihre periphere Position im Corpuszusammenhang schließen jedoch aus, daß die verbrämende Beschreibung der Vertreibung des Komturs als Suche nach dem Gottesfreund primär das historische Ereignis bagatellisieren oder die Haltung des Komturs legitimieren will. Eine pragmatische Fälschung i.e.S. einer Verschleierung eines kompromittierenden Vorfalls scheint somit nicht intendiert. Vielmehr wird die prekäre Situation des Komturs als mahnendes Beispiel für den mangelnden Willen der Gemeinschaft zur Befolgung des Stifterwillens angeführt: 745 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 105-119. 746 Ibid., S. 117. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 614 vnd ist z gloubende, daz got nút wil daz wir me von in getr stet s llent werden hie in [sic! ] zit von vnserre groszen vnwirdikeit wegen, daz wir der grossen goben vnd gnoden nút alse ahtber vnd dangber gewesen sint, also wir billiche geton soltent haben (B, Bl. 53 r ; Rieder 1905, S. 141*2-6). Der sinnstiftenden Umdeutung der Flucht des Komturs folgt so ein zweiter hermeneutischer Prozeß, der das Geschehen als historisches Exempel einer falschen Rezeption des Corpus inszeniert: Der Bericht mündet in einer Ermahnung an die Gemeinschaft des ‚Grünen Wörth‘, die Gottesfreunde nicht länger im Hier und Jetzt zu suchen - die Texte also nicht nach ihrer konkreten Referenz zu befragen -, sondern sie mit dem Ziel der Nachfolge zu lesen, um die Suche in dem ewigen lebende mit ervolgende ires minnesamen g ten rotes erfolgreich abzuschließen (B, Bl. 53 r ; Rieder 1905, S. 141* 8-34, hier 12f.). Nachdem dieser allgemeine Aufruf zur imitatio in konkreten Regeln für das Zusammenleben im Konvent (B, Bl. 53 rv ; Rieder 1905, S. 141*35- S. 142*35) und durch eine Zusammenfassung der hinderste[n] vermanunge Merswins (B, Bl. 53 v -55 r ; Rieder 1905, S. 142*36-S. 146*33) amplifiziert wurde, wird die Voraussetzung eines den Stiftern entsprechenden Lebens in der Lektüre der Texte in der Tradition der Bibelhermeneutik erkannt, die historisch-pragmatische Lektüre in die exemplarisch-spirituellen Rezeptionshaltung überführt: vnd wir soltent t n alse maria, die wirdige M ter gottes, vnd die lieben Jungern geton hant. do in die tr stliche menscheit vnsers herren vnder zogen wart vnd er an dem heilgen crútze verschiet, do noment sú do erst vúr sich in rehter bekanter dangberkeit alle sin lere vnd alles sin leben vnd alle sine minnenrichen, tr stlichen wort, die er dicke in glichniszen vnd in parabelen mit in rette der selben worte sú do z mole nút alle verst ndent noch ir ein teil nút vil ahtetent, die in doch noch vnsers herren tode gar tr stlich vnd ergetzenlich worent vnd sú dicke vúr sich noment vnd vil groszer lere vnd frúhte dar vs zugent. [...] Item alsus s llent wir vns den lieben Jungern vnsers herren vnd siner wirdigen m ter noch formieren vnd ire minnenriche wise noch vnserme vermúgende ouch halten. vnd sider vns got sine vnd ch vnsere frúnde vnderzogen het, der Junger wir gewesen sint vnd ewiclich gerne sin s llent, so súllent wir doch in rehter dangberkeit dise gegenwertigen briefe vnd alle ire materien, die sú vns vs groszer minnen geschriben hant geloszen, dicke vúr vns nemen vnd sú lesen vnd vns darmitte ergetzen, vnd ie ein br der den andern dar durch ermúndern vnd ermanen, wie gnodenrichliche wir von gotte durch sú versamelt vnd versehen sint, lipliche vnd geistliche, durch daz der erbere anefang vnd die g te, geistliche ordenunge dis huses z dem Gr nen werde noch irre meinungen mit solicher vermanungen vnd ermúnderunge besteiget [55 v ] vnd ewicliche gehanthabet werde vnd in vnsere nochkomen geymppfet vnd gepflantzet werde (B, Bl. 55 rv ; Rieder 1905, S. 147*4-32) Die Pointe dieser explizit anti-referentialisierenden Rezeptionslenkung liegt darin, daß sie die grundsätzliche Referentialisierbarkeit der Texte nicht negiert, sondern offen hält und nach Rezipientengruppen differenziert: Werden alle Leser durch die Schlußermahnung des Codexes auf die exemplarisch-spirituelle Lektürehaltung festgelegt, müssen Rezipienten, die die vagen Andeutungen nicht auf die konkreten Vorgänge zur Zeit des Schismas beziehen und die absichtsvolle Umdeutung durchschauen können, diese Lesart als historisch nachgeordnetes, der sittlichen Degeneration der Stiftung geschuldetes Substitut für einen ehemals möglichen, direkten Austausch deuten. Diese forcierte Referenzbehauptung leistet zugleich eine historische Fixierung und Beglaubigung des Gottesfreundes und kann „jeden von der Unmög- Figuren der Referenz: Das literarische Potential der ‚Gottesfreundliteratur‘ 615 lichkeit überzeugen [...], den Gottesfreunden auf die Spur zu kommen“. 747 Die intendierten Leser des ‚Briefbuches‘ jedoch, die zeitgenössische Hausgemeinschaft der Johanniterkommende, können den in den Passagen enthaltenen Bezug auf den historischen Konflikt ebenso wie die Diskrepanz der Darstellung zu den realweltlichen Vorgängen um Heinrich von Wolfach problemlos dechiffrieren, so daß das literarische Vexierspiel zwischen konkreter Referenz und literarischer Stilisierung, zwischen Fakt und Fiktion transparent wird. Die „Überlagerung oder Überschreibung“ 748 eines zeitgeschichtlichen Kasus verdeutlicht an einem konkreten Beispiel die Funktion des Gottesfreundes als Sinn-Stifter und unterbindet in der ‚eingeweihten‘ Rezeption eine schlicht referentialisierende Lesart, bleibt letztlich aber für verschiedene Deutungsvarianten offen: Wird durch die literarische Umdeutung der Flucht Heinrichs das Konstruktionsprinzip der Texte jenseits der konkreten Referenz durchschaubar, die Gottesfreundfigur somit als Teil des institutionellen Imaginären ausgewiesen, so wird auch hier nicht offengelegt, wo die Referenz aufhört und die Fiktion anfängt. Handelt es sich bei der imaginären Suche um eine historisch aktuelle Instrumentalisierung eines realweltlichen Stifters oder um eine spirituelle Deutung des Irrwegs des Komturs als eine Suche nach einem in der Exempelfigur personifizierten, vorbildlichen, religiösen Leben? Das Oszillieren der textuellen Selbstanzeige zwischen Faktographie und fiktionaler Exemplarität wird somit auch im Rahmen des ‚Briefbuches‘ nicht eindeutig zugunsten einer referentialisierenden Lektüre aufgehoben, obwohl dieser Codex die historisch-pragmatische Lektüre durch die Korrespondenz mit historisch verifizierbaren Personen, den Bezug auf zeitgenössische Ereignisse und die anschauliche Ausgestaltung des Patronats als gegenständlich-greifbare Stiftungsleitung forciert. Der einzelne Codex wie das gesamte Corpus lassen unterschiedliche Grade der Fiktionalisierung bzw. Referentialisierung erkennen und erweisen ihre Offenheit gegenüber verschiedenen Funktionsspektren und Interpretationsmustern. Die ‚Gottesfreundliteratur‘ schreibt sich in einen Diskurs der Sinnattributierung ein, in dem eine Entscheidung zwischen contrafaktischem Mitstifter und fiktionaler Exempelfigur nicht obligatorisch ist. In der modernen Lektüre ruft eben dieser Schwebezustand jedoch Entscheidungsoperationen auf, da die spezifische Unbestimmtheit des Corpus zwischen Fakten und Fiktionen an moderne autobiographische Schreibpraxen erinnert. Nahm die Autobiographie-Forschung der 1970er Jahre die Gattungsdefinition vorrangig durch eine Differenzierung von der Fiktion vor, 749 da eine Abgrenzung von der Textsorte ‚Roman‘ nicht, wie bei den nicht-fiktionalen Nachbarformen (Confessiones, Memoiren, Tagebuch), durch formalstilistische Kriterien, 750 sondern allein durch das „ontologische Kriterium der Referenz“ 751 möglich sei, bestreiten neueste Analysen 747 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland, S. 230. 748 Susanne Bürkle, Literatur im Kloster, S. 116. 749 Gabriele Schabacher, Topik der Referenz, S. 147. 750 Ibid., S. 13, 139-146. 751 Ibid., S. 13. Verfahren der Textkomposition auf dem ‚Grünen Wörth‘ 616 der Gattung, daß sie realweltlichem Geschehen verpflichtet sei 752 und erkennen in der grundlegenden Ambivalenz von Fact or Fiction die literarische Qualität und das Konstituens der Autobiographie: 753 „Die Unterscheidung zwischen Fiktion und Autobiographie scheint [...] keine Frage von Entweder-Oder, sondern unentscheidbar.“ 754 Während de Man aus dieser „ontologische[n] Doppelrolle“ 755 wissenschaftsreflexiv eine verfehlte Problemstellung ableitet, 756 sehen jüngere Forschungspositionen nicht nur die Inszenierung der Unentscheidbarkeit zwischen Fakt und Fiktion als gattungskonstitutiv an, 757 sondern auch die de facto zu treffende Entscheidung: Als Gattungsmarkierung ist die Inszenierung der Unentscheidbarkeit von Faktizität und Fiktion vielmehr insofern zu verstehen, als ein Text der Gattung ‚Autobiographie‘ genau dann zugerechnet wird, wenn das Verhältnis von fact und fiction sich als Frage und damit als EntScheidungsproblem stellt. 758 Vor dem Hintergrund dieser Charakterisierung der autobiographischen Verstehensfigur wird verständlich, daß die Forschung zur ‚Gottesfreundliteratur‘ den ontologischen Schwebezustand des Corpus als textuelles Signal für eine eindeutige Kategorisierung begreift, da die Texte sowohl in ihrem „topischen Bezug auf ein ‚traditionelles‘ Muster“ 759 als auch in ihrer ontologischen Unbestimmtheit der autobiographischen Inszenierung korrespondieren. Zentrale Gattungsmarkierungen der modernen Autobiographie enthaltend und auf diese vorausweisend, fordert das Textcorpus im neuzeitlichen Horizont dazu auf, die Paradoxie der Texte stillzustellen: Die ‚Gottesfreundliteratur‘ ist entweder einer referentialisierenden Ästhetik verpflichtet und somit Fälschung oder verfolgt eine literarische Poetik und weist sich als fiktionale Exempelliteratur aus. Beide Interpretationen müssen das textuell nicht aufhebbare Oszillieren zwischen Fiktionalität und Faktographie dabei in eine unzweideutige, aber literarisch ausdruckslose Stagnation überführen und sind so letztlich der modernen Manie des ‚Entweder-Oder‘ geschuldete Fehllektüren der Figuren der Referenz. 752 Paul de Man, Autobiographie als Maskenspiel, S. 132. 753 Gabriele Schabacher, Topik der Referenz, S. 166. 754 Paul de Man, Autobiographie als Maskenspiel, S. 133. 755 Hans Rudolf Picard, Autobiographie im zeitgenössischen Frankreich. Existentielle Reflexion und literarische Gestaltung, München 1978 (Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste 44), S. 217. Für weitere Belege s. Gabriele Schabacher, Topik der Referenz, S. 167, Anm. 93-96. 756 Paul de Man, Autobiographie als Maskenspiel, S. 134. 757 Gabriele Schabacher, Topik der Referenz, S. 166. 758 Ibid., S. 167. 759 Ibid., S. 183. 5. Bibliographie 5.1 Quellen 5.1.1 Handschriften Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. III. 1 2° 4. Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 863. Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 165. Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 839. Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. oct. 181. Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. Magdeb. 174. Freiburg i. Br., Universitätsbibliothek, Hs. 194. Freiburg i. Br., Universitätsbibliothek, Hs. 470. Köln, Historisches Archiv der Stadt, Cod. GB 4 o 100. Krakau, Uniwersytet Bibliotheka Jagiellońska, Berol. Ms. germ. quart. 1497. Leipzig, Universitätsbibliothek, Ms. 1659. Paris, Bibliothèque nationale de France, Ms. allem. 222. St. Gallen, Benediktinerabtei, Bibliothek, Cod. 955. St. Gallen, Benediktinerabtei, Bibliothek, Cod. 967. St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 994. Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 1354 8a . Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 1369 6 . Straßburg, Archives départementales du Bas- Rhin, H 1383. Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2184. Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2185. Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2190. Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2975. Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 3124. Straßburg, Archives de la Ville et de la Communauté urbaine, Série II 54. Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 738. Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 739. Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 752. Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 1005. Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 1410. Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 1411. Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 1581. Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 2745. Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 2798. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 11864. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 78.5 Aug. 2 o . Bibliographie 618 5.1.2 Inkunabeln und frühe Drucke ‚Das Buch genannt Seuse‘, Augsburg: Anton Sorg, 1482 (GW M 44616). ‚Diss buch das da gedicht hat der erleücht vater Amandus, genannt Seüß / [...]‘, Augsburg: Johann Othmar, 1512 (zit. nach dem Exemplar der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln: GB IV 1952). ‚Compendivm verae salvtis, continens Tractatus duos lepidos iuxtà ac pios, ex Germanico nunc demùm redditos Latinè per F. Laurentium Surium Carthusianum Coloniensem‘, Köln: Johannes Quentel (Erben), 1553 (VD 16 S 6098; zit. nach dem Exemplar der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln: Wallraf FV 265). ‚Des erleuchten D. Johannis / Tauleri / von eym waren Euangelischen leben / G tliche Predig / Leren / Epistolen / Cantilenen / Prophetien / Alles eyn kostpar Seelen schatz / in alten geschryben Büchern f nden / vnd n erstmals ins liecht kommen. Auch seynd hier bey die vorgedr ckte Predigen Thauleri / w lche in vorigen Exemplaren dorch ab vnd zu s tzung gekurtzt / gelengt vnd verdunckelt waren... treüwlich gebessert‘, Köln: Jaspar von Gennep, 1543 (zit. nach dem Exemplar der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln: GB IV 7399). ‚D. Henrici Svsonis, Viri Sanctitate, Ervditione et miraculis clari, Opera (qu quidem haberi potuerunt) omnia nunc demum post annos ducentos e Sueuico idiomate Latine translata per F. Laurentium Surium Carthusianum‘, Köln: Johannes Quentel, 1555 (zit. nach dem Exemplar der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln: GB IV 6748). ‘Een cort verhael oft memorieboeck van de hertoghen van Brabant, van den ouderdom der stadt Leuven, van de seven oude origineele geslachten der selver stadt ende haere Sinte- Peetersmannen bedeylt in vier deelen oft capittelen‘ (1593) (zit. nach dem Exemplar des Stadtarchivs Löwen, Nr. 40-41). ‚Himlische Offenbarungen S. Birgiten / wie es jetzt in der Welt ergehn soll. Etlich Propheceyen D. Johannis Thauleri. Von den neun Felsen / vnd von allerley St nden der Menschen. Von der Artzney wiřder die anfechtung der letzten zeit / Landolphi. Ein nutzlicher Tractat von Br der Claus in der Schwytz‘, Dillingen: Sebaldum Mayer, 1569 (zit. nach dem Digitalisat des Exemplars: Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek: Th. Sch. 51). ‚Himlische Offenbarungen / warhaffte Propheceyen / vnd andere Gaistliche Tract tlin / Von besserung lang eingewurtzleter mißbreuch in allerley Menschenstenden / Von artzney wider der letzten zeit anfechtung / vnd wie man z rechter Christlicher volkommenheit kommen mag. ...auß S. Birgita / Johan. Thaulero / Heinrich Seussen / Ludolpho Cartheuser [et]c. gezogen / vnd durch Adam Walasser widerum ernewert / gebessert vnd gemehrt‘, Dillingen: Selbaldum Mayer, 1573. Mosheim, Johannes Laurentius: De Beghardis et Beguinabus commentarius. Fragmentum ex ipso ms. auctoris celeberrimi libro ed., duplici app. [...] et ind. necessario locupletavit Georgius Henricus Martini‘, Lipsiae 1790. Pez, R. P. Bernardus: Bibliotheca ascetica antiquo-nova. Hoc est: Collectio veterum quorundam et recentiorum opusculorum asceticorum, quae hucusque in variis mss. codicibus et bibliothecis delituerunt, 12 Bde, Regensburg 1723-1740, Bd. 8 (1725) (zit. nach dem Exemplar der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln: GB IV88-7/ 8). Quétif, Jacques und Jacques Echard: Sciptores Ordinis Pr dicatorum recensiti, notisque historicis et criticis illustrati [...], 2 Bde, Paris 1719-1723 [Unveränderter Nachdruck New York 1959]. Rerum alamannicarum scriptores aliquot vetusti, à quibus Alamannorum qui nunc partim Suevis, partim Helvetiis cessere, historiae tam saeculares quam ecclesiasticae traditae sunt, tribus tomis divisi, cum glossis rerum et verborum difficiliorum, ex bibliotheca Melchioris Quellen 619 Haiminsfeldii Goldasti, cum indice rerum et verborum accuratissimo. Editio tertia, prioribus emendatior. Praefamine, vita ac scriptis auctoris et editoris Goldasti, et nonnullis aliis auctior cura Henrici Christiani Senckenberg, Francofurti et Lipsiae: Fleischer 1730. ‚Sermon des grosz gelarten in gnaden erlauchten doctoris Johannis Thauleri predigerr ordens. weisende auff den nehesten waren wegk. yn geiste czu wandern durch vberschwebenden syn. vnouracht von geistes ynnigen vorwandelt in deutsch manchen menschen zu selikeit‘, Leipzig: Konrad Kachelouen, 1498, Bl. 260 ra -281 rb (zit. nach dem Digitalisat des Exemplars der Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel: http: / / diglib.hab.de/ drucke/ xb- 4827/ start.htm). Witter, Johannes Jacob: Catalogus Codicum Manuscriptorum, in Bibliotheca Sacri Ordinis Hierosolymitani Argentorati Asservatorum, Argentorati 1746. 5.1.3 Textausgaben 5.1.3.1 Texte der ‚Gottesfreundliteratur‘ Diepenbrock Heinrich Suso’s, genannt Amandus, Leben und Schriften. Nach den ältesten Handschriften und Drucken mit unver ndertem Texte in jetziger Schriftsprache herausgegeben von Melchior Diepenbrock, Regensburg 2 1837. darin: ‚b ch von den nún veilsen‘ (in der kürzeren Fassung): S. 366-433. Hofaker Die Neün Velsen. Ein Stufengem lde christlicher Vollkommenheit. Vor f nf Jahrhunderten aus dem Himmel geschenkt; und nun unter Beglaubigung dieser Abkunft wieder im Urtext ausgegeben von Ludwig Hofaker, Tübingen; Leipzig 1841 (Elilytha oder Halle der Gott-Gelehrten 7). Jundt 1875 Jundt, Auguste: Histoire du Panthéisme Populaire au Moyen Age et au Seizième Siècle (Suivie de pièces inédites concernant les frères du libre esprit, Maître Eckhart, les libertines spirituels, etc.), Paris 1875 [Unveränderter Nachdruck Frankfurt/ M. 1964]. darin: ‚Baner b chelin‘: S. 211-214 (Auszug). ‚B ch von den drien durch brúchen‘: S. 215-230. Jundt 1879 Jundt, Auguste: Les Amis de Dieu au quatorzième siècle, Paris 1879. darin: ‚B ch von einre heiligen Closenerin, hies Vrsula‘: S. 363-391. ‚Baner b chelin‘: S. 393-402. ‚Warnende lere [...] schreip der gnodenriche erlúhtete lerer Br der Johans tauweler‘: S. 403-405. Jundt 1890 Jundt, Auguste: Rulman Merswin et l’Ami de Dieu de l’Oberland. Un problème de psychologie religieuse. Avec documents inédits et facsimilés en phototypie, Paris 1890. darin: ‚B ch von der geistlichen stegen‘: S. 119-136. ‚B ch von einre geistlichen leitern‘: S. 137-146. ‚Materie von eime jungen, weltlichen, wolgefrúnden manne‘: S. 147- 152. Bibliographie 620 Lauchert 1896 Des Gottesfreundes im Oberland [= Rulmann Merswin’s] Buch von den zwei Mannen. Nach der ältesten Strassburger Handschrift, hg. von Friedrich Lauchert, Bonn 1896. Lanczkowski Mystische Texte des Mittelalters. Ausgewählt und hg. von Johanna Lanczkowski, Bibliographisch erweiterte Ausgabe, Stuttgart 1999. darin: ‚B ch von den vier ioren‘ (Auszüge): S. 308-313. Figuren und Gedichte des ‚Meistermemorials‘: S. 313-316. ‚A B C aus dem Meisterbuch‘, S. 316-318. Neunfelsen Die neun Felsen oder Wie und wo stehe ich? Ein Mahnruf an alle Menschen über die Wichtigkeit des Erden-Lebens dessen Ursprung und Ziel. Vor über fünfhundert Jahren empfangen von Oben durch Rulmann Merswin, Kaufherrn in Straßburg, nach Lämmert’s Ausgabe von 1850 im Auftrag für Freunde in bequemem Neudruck herausgegeben mit dem früheren Anhang und neuer Beigabe von C.F.L., Bietigheim 1899. Rieder 1905 Karl Rieder, Der Gottesfreund vom Oberland. Eine Erfindung des Straßburger Johanniter Bruders Nikolaus von Löwen, Innsbruck 1905. Schmidt 1840 Schmidt, Charles: Plaintes d’un Laïque allemand du quatorzième siècle sur la Décadence de la Chrétienté opuscule publié pour la première fois à l’occasion du quatrième anniversaire de l’invention de l’imprimerie d’après un manuscrit de la bibliothèque de la ville de Strasbourg, Straßburg 1840. darin: ‚B ch von einre offenborunge‘ / ‚Sendschreiben an die Christenheit‘, S. 1-15. Schmidt 1841 Schmidt, Carl: Johannes Tauler von Straßburg. Beitrag zur Geschichte der deutschen Mystik und des religiösen Lebens im 14. Jahrhundert, Hamburg 1841 [Unveränderter Nachdruck Aalen 1972]. darin: ‚B ch von einre offenborunge‘ / ‚Sendschreiben an die Christenheit‘: S. 220-233. ‚B ch von den fúnf mannen‘ (Schluß): S. 233-237. Schmidt 1854 Schmidt, Carl: Die Gottesfreunde im vierzehnten Jahrhundert. Historische Nachrichten und Urkunden, Jena 1854 (Beiträge zu den theologischen Wissenschaften 5). darin: ‚Gründungsgeschichte‘: S. 34-54. ‚B ch von den vier ioren‘: S. 54-76. ‚B ch von den fúnf mannen‘: S. 79-119. Briefe: S. 120-176 (für Einzelnachweise vgl. Sigle B). Nachrichten über die Gottesfreunde: S. 176-191, darin: a) Geschichte der Gottesfreunde und ihrer Niederlassung im Oberland (B, Bl. 1 rv ): S. 176f. b) Romreise des Gottesfreundes (B, Bl. 1 v -2 v ): S. 177-180. c) Vom Redaktor gegebene, historische Nachrichten über die Gottesfreunde (B, Bl. 51 v -55 v ): S. 180-191. Quellen 621 Schmidt 1859 Das Buch von den neun Felsen von dem Strassburger Bürger Rulman Merswin 1352. Nach des Verfassers Autograph, hg. von Carl Schmidt, Leipzig 1859. Schmidt 1866 Schmidt, Karl: Nicolaus von Basel. Leben und ausgewählte Schriften, Wien 1866. darin: Notizen des Nikolaus von Laufen über die Gottesfreunde: S. 58-65: a) Geschichte der Gottesfreunde und ihrer Niederlassung im Oberland (B, Bl. 1 rv ): S. 58f. b) Romreise des Gottesfreundes (B, Bl. 1 v -2 v ): S. 59-62. ‚B ch von den zweyen jungen fúnfzehen ierigen knaben: S. 79-101. ‚B ch von den fúnf mannen‘: S. 102-138. ‚B ch von dem geuangen ritter‘: S. 139-186. ‚B ch von einre offenborunge‘ / ‚Sendschreiben an die Christenheit‘: S. 187-201. ‚Die touele‘: S. 202-204. ‚B ch von den zwey menschen‘: S. 205-277. Briefe: S. 278-343 (für Einzelnachweise vgl. Sigle B). Schmidt 1875 Nicolaus von Basel. Bericht von der Bekehrung Taulers, hg. von Carl Schmidt, Straßburg 1875. Strauch 1903 Strauch, Philipp: Schürebrand. Ein Traktat aus dem Kreise der Strassburger Gottesfreunde, Halle/ S. 1903. Strauch 1927a Sieben bisher unveröffentlichte Traktate und Lektionen, hg. von Philipp [ATB 22] Strauch, Halle/ S. 1927 (ATB 22; Schriften aus der Gottesfreund-Literatur 1) Strauch 1927b Merswins Vier anfangende Jahre. Des Gottesfreunds Fünfmannenbuch. (Die [ATB 23] sogenannten Autographa), hg. von Philipp Strauch, Halle/ S. 1927 (ATB 23; Schriften aus der Gottesfreund-Literatur 2). Strauch 1929 Merswins Neun-Felsen-Buch, hg. von Philipp Strauch, Halle/ S. 1929 (ATB 27; Schriften aus der Gottesfreund-Literatur 3). UBSt Urkundenbuch der Stadt Strassburg, 7 Bde, Straßburg 1879-1900. Bd. 5: Politische Urkunden von 1332 bis 1380, bearbeitet von Hans Witte und Georg Wolfram, Straßburg 1896. Bd. 7: Privatrechtliche Urkunden und Rathslisten von 1332 bis 1400, bearbeitet von Hans Witte, Straßburg 1900. van Borssum Dat boeck van den oorspronck. Een Handschrift. Met inleiding en Aan- Waalkes 1882 teekeningen, hg. von G. H. van Borssum Waalkes, Leeuwarden 1882. 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Handschriften, Inkunabeln und frühe Drucke Amsterdam, Universiteitsbibliothek I G 25 274; 299; 441; 443; 444, Anm. 179 Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek Th. Sch. 51 272 Augsburg, Universitätsbibliothek Cod. III.1.2° 4 (Au) 257f.; 299; 436; 438; 469 (u. Anm. 263)- 472 (u. Anm. 264); 473f.; 476- 478; 479f.; 480 (u. Anm. 273)- 483; 484f. Cod. III.1.4° 4 274; 299 Cod. III.1.4° 34 30, Anm. 179; 302; 516 ‚Autograph‘ des ‚b ch von den fúnf mannen‘ (B) 75-100; 106f.; 125; 217f.; 228; 323f.; 371-374; 377f.; 378, Anm. 130; 379-381; 384; 385-392; 404, Anm. 175; 409f.; 411f.; 414-420; 464; 474; 484; 591; 592f.; 604; 609; Abb. 10 u. 11 ‚Autograph‘ des ‚b ch von den nún veilsen‘ (J) 54 u. Anm. 60; 77; 78-96; 201-207; 209-216; 217; 323, Anm. 1; 435; 440-463; 463- 465; 465 (u. Anm. 255)-468 (u. Anm. 261); 472 u. Anm. 265; 474-482; 484f.; 535; Abb. 29 ‚Autograph‘ des ‚b ch von den vier ioren‘ (B) 75-97; 98; 116f.; 125; 201-207; 209; 211; 213; 217f.; 228; 323f.; 343-346; 347-363; 368-370; 411f.; 414-420; 464; 474; 484; 591; 592f.; Abb. 12 u. 13 ‚Autograph‘ des ‚b ch von den zwey menschen‘ (H) 78; 200-208; 217; 218f.; 323, Anm. 1; 532; 534-536; 537-547; 554-557; 559; Abb. 26-28b Bamberg, Staatsbibliothek Msc. Hist. 160 302 Basel, Universitätsbibliothek Cod. A X 130 293 Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz Ms. germ. fol. 242/ 243 291 Ms. germ fol. 863 231 (u. Anm. 275-277)-236; 295; 297; 304; 308 Ms. germ. quart. 35 311, Anm. 552 Register 664 Ms. germ. quart. 165 (B 165) 236-240; 245, Anm. 325; 295; 298; 308; 312, Anm. 554; 314f. Ms. germ. quart. 171 298; 302; 512 Ms. germ. quart. 179 261 Ms. germ. quart. 182 311, Anm. 552 Ms. germ. quart. 194 295; 297; 308; 312, Anm. 554 Ms. germ. quart. 195 309, Anm. 533 Ms. germ. quart. 206 311, Anm. 552 Ms. germ. quart. 839 (d) 128, Anm. 165; 140-152; 158; 189; 219; 224-226; 229; 330; 331, Anm. 35; 333; 336-342; 343; 346f.; 348-363; 363-366; 368- 370; 371; 374f.; 378 u. Anm. 130; 384; 385-392; 392- 395; 409f.; 411; 413; 417; 420; 422; 463; 589; 590f.; 597; Abb. 19-20b Ms. germ. quart. 1110 270 Ms. germ. quart. 1134 302 Ms. germ. quart. 1522 302 Ms. germ. quart. 1585 30, Anm. 179 Ms. germ. quart. 1597 302 Ms. germ. oct. 69 489, Anm. 292 Ms. germ. oct. 181 (B 181) 258- 260; 296; 299; 319; 438 Ms. germ. oct. 188 275f.; 299 Ms. germ. oct. 347 276; 280; 299 Ms. germ. oct. 353 276f.; 300 Ms. germ.oct. 517 268 Ms. germ. oct. 565 268 Ms. Magdeburg 174 293; 434 Beuron, Benediktiner-Erzabtei St. Martin, Bibliothek 8° Ms. 42 302 Bielefeld, Synodalbibliothek in der Bibliothek des Landeskirchenamtes Hs. A 2 277f.; 300 ‚Briefbuch‘ (B) 21f.; 46; 75-128; 130; 136, Anm. 169; 141; 152; 163; 190; 201-207; 209; 211; 213; 217f.; 219; 226; 227-229; 323; 343-346; 347-363; 368-370; 371-374; 376; 377f.; 378, Anm. 130; 379-381; 384; 385- 392; 404, Anm. 175; 409f.; 411f.; 414-420; 422; 463; 464; 474; 508f.; 512, Anm. 345; 589; 591; 592f.; 597; 603 (u. Anm. 680)- 615; Abb. 8-14 ‚Bruderschaftsbuch‘ 163; 192; 194 u. Anm. 233; 195; 334f., Anm. 52 Brüssel, Koninklijke Bibliotheek van België / Bibliothèque Royale de Belgique Ms. 2184 297 Ms. 3416-21 318, Anm. 579 Ms. 11988-90 278f. ; 300 ‚Das Buch genant Seuse‘, Augsburg: Anton Sorg, 1482 (GW M 44616) 291; 434; 440 ‚Diss buch das da gedicht hat der erleücht vater Amandus / genant Seüß [...]‘, Augsburg: Johann Othmar, 1512 (VD 16 S 6097) 291; 434; 440-463; Abb. 31 Colmar, Bibliothèque Municipale Ms. 269 245, Anm. 325 Ms. 308 53 Ms. 446 52 Ms. 474 610, Anm. 715 Colmar, Musée d’Unterlinden Nr. 57 48 Nr. 63 48 ‚Compendivm verae salvtis [...]‘, Köln: Johannes Quentel (Erben), 1553 (VD 16 ZV 14640) 293; 434 Deventer, Stadssarchiv en Atheneumbibliotheek 101 D 12 297 Dillingen, Studienbibliothek XV 125 240; 295; 298 Handschriften, Inkunabeln und frühe Drucke 665 Düsseldorf, Universtitäts- und Landesbibliothek Ms. B. 119 280; 300 Eichstätt, Benediktinerinnenabtei St. Walburg, Bibliothek Cod. germ. 2 267f.; 271; 296; 299; 435; 439 Einsiedeln, Stiftsbibliothek Cod. 278 30, Anm. 179 Engelberg/ Schw., Bendiktinerabtei, Bibliothek Cod. 26 606f. Cod. 234 608 Cod. 235 608 ‚Erstes, lateinisches Memorial‘ 58; 60; 69 u. Anm. 65; 70; 73f.; 128; 135-139; 163; 174, Anm. 230; 177-180; 191-193; 219-223; 330; 331-336; 343; 346, Anm. 68; 350, Anm. 76; 371; 436-438; 509; 532, Anm. 441; 533; 534; 536f. u. Anm. 456; 545 ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (Abschrift des 18. Jh.s; G) 69, Anm. 65; 124f., Anm. 147-149; 136; 138; 158; 172-200; 330; 333f.; 343; 350, Anm. 76; 371; 508, Anm. 324; 509; 512 u. Anm. 344; 514; 545 ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ (Abschrift des 18. Jh..s; E) 152; 159-163; 169; 194 u. Anm. 233; 219; 229; 330; 334f.; 336f.; 342, Anm. 59; 343; 371; 407 u. Anm. 184; 411; 420; 612 ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ (Abschrift des 16. Jh.s; F) 138; 147f., Anm. 187; 152; 160, Anm. 211; 162; 164-171; 194 u. Anm. 233; 219; 229; 330; 331, Anm. 38; 334f.; 336f.; 339-342; 343; 346f.; 348-363; 363-366; 367f.; 368- 370; 371; 375-378; 384; 385-395; 404-407 (u. Anm. 184); 409f.; 411; 413; 420; 463; 532, Anm. 441; 612; Abb. 24 Frankfurt/ M., Universitätsbibliothek Ms. germ. oct. 30 302 Freiburg i. Br., Universitätsbibliothek Hs. 93 210 Hs. 193 241 Hs. 194 (Fr 194) 240-244; 247; 295; 302; 308; 512, Anm. 338; 532; 547, Anm. 481; 547f., Anm. 482; 549f.; 550 (u. Anm. 485)-554; 557f.; 563-566 Hs. 253 241 Hs. 467 306 Hs. 470 (Fr 470) 140; 146f. u. Anm. 181 und 189; 260f.; 272; 296; 299; 435; 439; 468f. u. Anm. 261; 473f.; 476f.; 479f.; 480-482; 483-485 St. Gallen, Benediktinerabtei, Bibliothek Cod. 76 298 Cod. 944 248 Cod. 955 (SG 955) 248-256; 295; 297; 304; 308; 371; 377f. u. Anm. 129; 381-384; 384f.; 385- 392; 392-395; 397, Anm. 164; 404, Anm. 173; 407-409; 409f. Cod. 967 (SG 967) 262-265; 296; 299; 436; 439; 469 (u. Anm. 263)-472 (u. Anm. 264); 473f.; 476-478; 479f.; 480 (u. Anm. 273)-483; 484f. Cod. 986 30, Anm. 179 Cod. 994 263, Anm. 372 Cod. 1003 298 Cod. 1015 30, Anm. 179 Gent, Bibliotheek van het Bisschoppelijk Paleis ohne Signatur 281; 300 Gent, Universiteitsbibliothek Hs. 966 275 Hs. 1348 281; 300 ‚Großes deutsches Memorial‘ (A) 45-74; 100f.; 129; 130f.; 141; 152; 163; 181; 186f.; 191f.; 192f.; 201; 207; 209; 211; 212; 215; 219-222; 223f.; 229; 233; 234-236; 237- 240; 307; 314; 315; 323; 333; 343; Register 666 346, Anm. 68; 371; 378f., Anm. 130; 435; 463; 464; 465- 468; 472f.; 474 (u. Anm. 266)- 482; 484f.; 486; 503-508; 512; 514 u. Anm. 357; 532; 533f. (u. Anm. 445); 536 u. Anm. 456; 537 (u. Anm. 458)-547; 551-554; 589f.; 591-593; 597; Abb. 1-7b ‚Großes lateinisches Memorial‘ 137- 139 Den Haag, Koninklijke Bibliotheek 73 G 30 279f.; 300; 304; 441; 444, Anm. 179 ‚Haarlem Missale‘ 288 Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek Cod. theol. 1890 299 Heidelberg, Privatsammlung Eis Hs. 101 30, Anm. 179 Heidelberg, Universitätsbibliothek Cod. Pal. Germ. 474 278; 281; 300; 441; 444f. Heverlee bei Löwen, Abdij van’t Park (Prämonstratenserabtei Park) Cod. Norbertijnerabdij 8 297 Hildesheim, Dombibliothek Hs. 724b 265f.; 296; 299; 319; 431, Anm. 110; 439 ‚Himlische Offenbarungen S. Birgitten wie es jetzt in der Welt ergehn soll [...]‘, Dillingen: Selbaldum Mayer 1569 (VD 16 15402) 272 ‚Himlische Offenbarungen warhaffte Propheceyen [...]‘, Dillingen: Sebaldum Mayer 1573 (VD 16 W 793) 272, Anm. 435 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek Cod. St. Blasien 75 302 Cod. St. Georgen 80 302; 512, Anm. 338 Karlsruhe, Generallandesarchiv Hs. 65/ 217 241, Anm. 299 ‚Kleines deutsches Memorial‘ 57; 66; 73f.; 147f., Anm. 187; 163; 182; 183; 221; 222f.; 330; 333; 343; 378, Anm. 130; 497, Anm. 305; 507; 508; 536, Anm. 456 Köln, Historisches Archiv der Stadt GB 4° 100 291-293; 434 Köln, Universitäts- und Stadtbibliothek GB IV 1952 291; 434; 440-463; Abb. 31 GB IV 7399 291 Wallraf F V 265 293; 434 Königsberg, ehemalige Staats- und Universitätsbibliothek Nr. 1785 266f.; 299; 304; 439; 480, Anm. 273 Krakau, Uniwersytet Bibliotheka Jagiellońska Berol. Ms. germ. quart. 1497 282; 300 Leeuwarden, Provinciale Bibliotheek van Friesland Hs. 685 283, Anm. 467 Leipzig, Universitätsbibliothek Ms. 559 10; 302; 486 u. Anm. 276 Ms. 1659 (L) 245f.; 295; 297; 304; 308; 316f.; 532; 547, Anm. 481; 547f., Anm. 482; 548f.; 551; 554 (u. Anm. 490)- 557; 558f.; 560-563 (u. Anm. 502) Leuven, Stadtarchiv Nr. 40-41 50 u. Anm. 44 Mainz, Stadtbibliothek Hs I 322 302 ‚Meistermemorial‘ 117; 122; 123; 125; 128; 142; 149; 150 u. Anm. 194; 150-152; 156; 161; 162; 167; 173; 226f.; 228; 229; 330; 422; 603, Anm. 680 Handschriften, Inkunabeln und frühe Drucke 667 Melk, Benediktinerabtei, Bibliothek, Cod. 1745 283; 300 München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv KU Maria Mödingen, Nr. 137 261, Anm. 364 München, Bayerische Staatsbibliothek Cgm 214 30, Anm. 179; 270; 271 u. Anm. 426 Cgm 215 270; 271 u. Anm. 426 Cgm 372 303 Cgm 373 303 Cgm 452 268f.; 270; 271 u. Anm. 426; 296; 299; 319; 435f.; 439; 467 Cgm 519 284 Cgm 627 269f.; 271 u. Anm. 426; 299; 303; 439 Cgm 628 30, Anm. 179; 303 Cgm 759 278; 284; 300; 441; 444f. Cgm 818 64; 295; 297; 308; 312, Anm. 554; 313f. Cgm 831 264 Cgm 838 284; 300; 441 Cgm 841 30, Anm. 179 Cgm 843 284f.; 301 Cgm 4880 30, Anm. 179 Cgm 5233 303 Cgm 7248 285f.; 301 Clm 5250 416, Anm. 209; 2 Inc. c.a. 1261 291 Res/ 2 P. lat. 1430 291 Nürnberg, Stadtbibliothek Cent. VI, 46 d 299, 612 Cent. VI, 61 303 Cent. VI, 84 313, Anm. 558 Cent. VII, 25 312, Anm. 554 Cent. VII, 42 286; 301 Cent. VII, 79 312, Anm. 554; 321, Anm. 601 Paris, Bibliothèque Nationale de France Ms. allem. 222 (P) 244; 247; 295; 297; 308; 312, Anm. 554; 315; 532; 547, Anm. 481; 549; 557- 559; 566 ‚Pflegermemorial‘ (d) 128, Anm. 165; 140-152; 158; 189; 219; 224-226; 229; 331, Anm. 35; 333; 336-342; 343; 346f.; 348-363; 363-366; 368-370; 371; 374f.; 378 u. Anm. 130; 384; 385-392; 392- 395; 409f.; 411; 413; 417; 420; 422; 463; 589; 590f.; 597; Abb. 19-20b ‚Pflegermemorial‘ (Abschrift des 15. Jh.; D) 128, Anm. 165; 150; 152; 153-158; 174, Anm. 230; 189f.; 193; 194-197; 219; 226; 330; 331, Anm. 38; 333; 336f.; 338f.; 340-342; 343; 346f.; 348- 363; 363-366; 366f.; 368-370; 371; 375f.; 378 u. Anm. 130; 384; 385-392; 392-395; 395-404; 409f.; 411; 413; 417; 420; 422; 463; 589; 590f.; 597; Abb. 21-23 Prag, Národni knikovna Česke Republiky (Nationalbibliothek) Cod. XVI.G.24 303 Rijsenburg, Groot Seminarie Hs. 105/ 54 286; 301 Salzburg, Benedektinerinnenabtei Nonnberg, Bibliothek Cod. 23 A 22 287; 301 Salzburg, Universitätsbibliothek M I 476 30, Anm. 179 ‚Sermon des groß gelarten doctoris Johannis Thauleri [...]‘, Leipzig: Konrad Kachelouen, 1498 11, Anm. 76; 516 u. Anm. 370 Straßburg, Archives de la Ville et de la Communauté urbaine A. H. 66 245, Anm. 325 1OND 3 214 1OND 7 214 Register 668 Série II 54 (olim VDG 68 ; B 54 ; E) 152; 159-163; 169; 194 u. Anm. 233; 219; 229; 330; 334f.; 336f.; 343; 371; 612 Série IV 146, 2 521, Anm. 391 Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin H 1354 8a 153, Anm. 197 H 1363 7 153 H 1369 6 51, Anm. 50 H 1383 (D) 128, Anm. 165; 150; 152; 153-158; 174, Anm. 230; 189f.; 194-197; 219; 226; 330; 331, Anm. 38; 333; 336f.; 338f.; 340-342; 343; 346f.; 348-363; 363-366; 366f.; 368-370; 371; 375f.; 378 u. Anm. 130; 384; 385-392; 392-395; 395-404; 409f.; 411; 413; 417; 420; 422; 463; 589; 590f.; 597; Abb. 21- 23 H 1408 153, Anm. 198; 524, Anm. 409; 603, Anm. 678 u. 680 H 2184 (C) 69, Anm. 65; 117f.; 129-139; 141; 146; 147; 150; 190; 191; 220f.; 224; 292; 330, Anm. 34; 331; 332, Anm. 38; 335; 433f.; 436-438; 463, Anm. 250; Abb. 16-18 H 2185 (B) 21f.; 46; 75-128; 130; 136, Anm. 169; 141; 152; 163; 190; 201-207; 209; 211; 213; 217f.; 219; 226; 227-229; 323; 343-346; 347-363; 368- 370; 371-374; 376; 377f.; 378, Anm. 130; 379-381; 384; 385- 392; 404, Anm. 175; 409f.; 411f.; 414-420; 422; 463; 474; 508f.; 512, Anm. 345; 589; 591; 592f.; 597; 603 (u. Anm. 680)- 615; Abb. 8-14 H 2190 (F) 138; 147f., Anm. 187; 152; 160, Anm. 211; 164-171; 194 u. Anm. 233; 219; 229; 330; 331, Anm. 38; 334f.; 336f.; 339-342; 343; 346f.; 348- 363; 363-366; 367f.; 368-370; 371; 375-378; 384; 385-395; 404-407 (u. Anm. 184); 409f.; 411; 413; 420; 463; 532, Anm. 441; 612; Abb. 24 H 2975 233, Anm. 287 H 2975 3 233, Anm. 288 H 3124 18 243, Anm. 310 Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire Ms. 738 (olim L als. 96; G) 69, Anm. 65; 124f., Anm. 147-149; 136; 158; 172-200; 330; 333f.; 343; 350, Anm. 76; 371; 508, Anm. 324; 509; 512 u. Anm. 344; 514; 545 ; Abb. 25 Ms. 739 (olim L als. 96a; A) 45- 74; 100f., 129, 130f.; 141; 152; 163; 181; 186f.; 191f.; 192f.; 201; 207; 209; 211; 212; 213; 215; 219-222; 223f.; 229; 233; 234-236; 237-240; 307; 314; 315; 323; 333; 343; 346, Anm. 68; 371; 378f., Anm. 130; 435; 463; 464; 465-468; 472f.; 474 (u. Anm. 266)-482; 484f.; 486; 503-508; 512, 514 u. Anm. 357; 532; 533f. (u. Anm. 445); 536 u. Anm. 456; 537 (u. Anm. 458)-547; 551- 554; 589f.; 591-593; 597; Abb. 1-7b Ms. 752 (olim L als 109) 46, Anm. 16, 18 u. 19; 103 u. Anm. 139, 140 u. 144; 124, Anm. 147, 148; 125, Anm. 149; 153f. u. Anm. 200; 170; 172, Anm. 227; 192; 197f.; 208, Anm. 246; 603, Anm. 678 Ms. 1005 (olim L als. 273) 210 Ms. 1387 (olim L als. 718) 171 Ms. 1393 (olim L als. 723) 170f. Ms. 1410 (olim L als. 740) 210 Ms. 1411 (olim L als. 741) 210 Ms. 1581 (olim L. als. 1096) 210 Ms. 2613 (olim L. germ. 552) 611f. Handschriften, Inkunabeln und frühe Drucke 669 Ms. 2626 (olim L germ. 565) 269; 270; 271; 296; 299; 436; 439 Ms. 2745 (olim L germ. 642; H) 78; 200-208; 217; 218f.; 323, Anm. 1; 532; 534-536; 537- 547; 554-557; 559; Abb. 26- 28b Ms. 2798 (olim L germ. 665; J) 54 u. Anm. 60, 77; 78-96; 201- 207; 209-216; 217; 323, Anm. 1; 435; 440-463; 463- 465; 465 (u. Anm. 255)-468 (u. Anm. 261); 472 u. Anm. 265; 474-482; 484f.; 535; Abb. 29 Ms. 2934 (olim L germ. 726) 169f. E 152 463; 465 (u. Anm. 255)- 468 (u. Anm. 261); 473; 474, Anm. 266; 479f. u. Anm. 273; 485 Stuttgart, Baden-Württembergisches Hauptstaatsarchiv Nr. B 482 a , Nr. 4 298 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek Cod. HB I 83 610, Anm. 714 Cod. HB I 203 295; 298 Cod. theol. et phil. 2° 283 303 Cod. theol. et phil. 4° 503 287; 301; 439; 441; 445 ‚D. Henrici Svsonis [...] Opera (qu quidem haberi potuerunt) omnia [...]‘, Köln: Johannes Quentel, 1555 435 ‚Des erleuchten D. Johannis / Tauleri / von eym waren Euangelischen leben / G tliche Predig/ Leren/ [...]‘ Köln: Jaspar von Gennep 1543 (VD 16: J 777) 291 Urkundenbücher, drei 20; 21; 32; 51; 52; 58; 69f.; 73; 74; 105; 128; 131; 135; 143; 145; 150; 152; 157; 161; 167; 185; 197; 213; 218; 219- 224; 226; 227; 228; 229; 308; 343- 345; 346; 375; 414; 415; 416; 422; 463; 589 Utrecht, Museum Catharijneconvent, Bibliotheek BMH h 1 299 BMH SJ H 164 288; 303 Weert, Minderbroederklooster, Bibliotheek Cod. 15 288; 301 Wien, Benediktinerabtei Unserer Lieben Frauen zu den Schotten, Bibliothek (Schottenkloster) Cod. 308 271 Wien, Österreichische Nationalbibliothek Cod. 3022 303; 512; 513, Anm. 352 Cod. 11864 273 Ser. nova 12868 288f.; 301; 321, Anm. 601 Wiesbaden, Hessisches Hauptstaatsarchiv Abt. 3004, B 10 48 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek Cod. Guelf. 17.12 Aug. 4° 303 Cod. Guelf. 78.5 Aug. 2° 278; 289; 301; 441; 455, Anm. 215 u. Abb. 30 Cod. Guelf. 85.3 Aug. 2° 278; 290; 301; 441; 444f. Cod. Helmst. 311 433, Anm. 117 Würzburg, Universitätsbibliothek M. ch. f. 66 30, Anm. 179; 303; 515, Anm. 364 M. ch. q. 28 210 M. ch. q. 144 290; 301 ‚Zweites übriggebliebenes Lateinbuch‘ (C) 69, Anm. 65; 117f.; 129-139; 141; 146; 147; 150; 190; 191; 220f.; 224; 292; 330, Anm. 34; 331; 332, Anm. 38; 335; 433f.; 436-438; 463, Anm. 250; Abb. 16-18 Register 670 2. Texte und Kunstwerke Bruder Albrecht: ‚Von der Liebe zu Gott‘ 253 ‚Von viererlei Nutzen des Todes Christi‘ 252 ‚Von vier Tugenden‘ 253 ‚Allegorische Anleitung zu einem reinen Herzen‘ 249 ‚Allegorische Unterweisung zur Nachfolge im Leiden‘ 251 ‚Ein andehtig, g t gebet vnd ermanunge von dem lidende vnsers herren‘ 67 ‚Anleitung zur Nachfolge Christi‘ 255 ‚Anzeichen des Todes und der Todsünde‘ 256 ‚Über die armen Seelen‘ 240 Ps.-Augustinus: ‚Manuale‘ 288 ‚Von den beiden Klausnerinnen Ursula und Adelheit‘ → ‚b ch von einre heiligen Closenerin, hies Vrsula‘ Berler, Maternus: ‚Chronik‘ 594, Anm. 612 ‚baner b chelin‘ 62f.; 187; 231, Anm. 274; 297; 430f., Anm. 110; 431 ‚Bannerbüchlein‘ → ‚baner b chelin‘ ‚Baumgarten geistlicher Herzen‘ 250 ‚Begleitbrief zum b ch von den fúnf mannen‘ 77; 96; 97; 98; 107; 123; 217; 372-375; 378, Anm. 130; 392 u. Anm. 157; 418 ‚Begleitbrief zum b ch von dem meister‘ 74; 100; 110f.; 177f.; 191; 222; 334; 507-509; 512, Anm. 345 ‚Begleitbrief der drei Pfleger zum Meistermemorial‘ 77; 123; 161; 167; 228 ‚Bemerkungen zum Meistermemorial‘ 142; 150; 156; 162; 173 ‚Bemerkungen zum Grabmal Werners von Hüneburg‘ 129; 132; 137 ‚Bemerkungen über die zwei übriggebliebenen Lateinbücher‘ 117; 129; 134; 146; 157; 190 ‚Bergheimer Antependium‘ 48 ‚Bericht über den Fund der Gebeine Rulman Merswins und Werners von Hüneburg‘ 188; 197-199 Berthold von Regensburg: ‚Vom geistlichen Weg‘ 252 ‚Vom göttlichen Lohn‘ 253 ‚Von dem jüngsten Tag‘ 252 ‚Von den drei Übergängen des Volkes Israel‘ 254 ‚Beschreibung des Grabes und Wappens des Werner von Hüneburg‘ 129f.; 134; 137 ‚Beschreibung des ‚Grünen Wörth‘ vor der Zerstörung 1633‘ 153, Anm. 198; 187; 524, Anm. 409; 603, Anm. 678 ‚Bestätigung der Jakobsmesse durch Komtur Heinrich von Wolfach‘ 145; 157 Bonaventura: ‚Soliloquium de quator mentalibus exercitiis‘ 287 Boonen, Willem: ‚Antiqui Lovani‘ 50 u. Anm. 44 ‚Brief der drei Pfleger der Jakobsmesse‘ 145; 157 ‚Buch von dreierlei Ständen der Menschen‘ 268 ‚Buch von den fünf Mannen‘ → ‚b ch von den fúnf mannen‘ ‚Buch von dem fünfzehnjährigen Knaben‘ → ‚b ch von den zweyen iungen fúnfzehen ierigen knaben‘ ‚Buch von geistlicher Armut‘ 268; 270 ‚Buch von der Selbsterkenntnis‘ 268 Texte und Kunstwerke 671 ‚Buch von den zwei Mannen‘ → ‚b ch von den zwey menschen‘ ‚Büchlein von den Vier Jahren seines anfangenden Lebens‘ → ‚b ch von den vier ioren‘ ‚b ch von den drien durch brúchen‘ 30, Anm. 179; 63; 187; 231, Anm. 274; 430f., Anm. 110; 431; 502f. ‚b ch von eime eginwilligen, weltwisen manne‘ 54; 62; 187; 240; 295; 298 ‚b ch von dem fúnckelin in der selen‘ 54; 61; 186; 294, Anm. 499 ‚b ch von den fúnf mannen‘ 12-14; 27; 75-100; 106-108; 123; 125; 144f.; 150; 157; 161; 162; 166; 180; 182f.; 185; 190; 192; 193; 217f.; 222; 225; 226; 228; 248- 256; 295; 297; 304; 307; 308; 323, Anm. 1; 330; 344; 344, Anm. 66; 371-410; 411f.; 414-420; 421, Anm. 2; 422; 484; 493; 570f.; 590; 593; 604 ‚b ch von der fúrkomenen gnoden‘ 59; 63f.; 69; 187; 231 Anm. 274; 295; 297f.; 308; 312; 313; 314; 316; 318, Anm. 579; 430f., Anm. 110; 431 ‚b ch von einre geistlichen leitern‘ 61; 186; 294, Anm. 499; 592, Anm. 606 ‚b ch von der geistlichen stegen‘ 12-14; 54; 61; 294, Anm. 499; 592, Anm. 606 ‚b ch von dem geuangen ritter‘ 60; 231-236; 295; 297; 304; 308; 591, Anm. 605; 592, Anm. 609 ‚b ch von einre heiligen Closenerin, hies Vrsula‘ 60; 68f.; 187; 236- 240; 295; 298; 308; 312; 315; 316; 591, Anm. 605; 592, Anm. 607 und 609 ‚b ch von den junckfrawen‘ 282 ‚b ch von dem meister‘ 3f.; 8, Anm. 54; 9-11; 12-14; 33, Anm. 192; 53; 54; 65f.; 69; 70-72; 73; 74; 110f.; 177-179; 180; 190; 191; 193; 222; 223; 240; 245 u. Anm. 325; 294; 302f.; 317; 323, Anm. 1; 346, Anm. 68; 378, Anm. 130; 421, Anm. 2; 486-517; 520; 530; 560; 568; 569f.; 571; 580f.; 585 ‚b ch von den nún veilsen‘ 3 u. Anm. 12; 8, Anm. 54; 19; 26f.; 53; 54; 65; 69; 70-72; 73; 77-98; 117; 129-139; 144; 146; 156; 160; 165; 187; 191; 201-207; 209-216; 217; 222; 223; 257-293; 294; 296; 299- 301; 304; 318-322; 323, Anm. 1; 332, Anm. 38; 345f.; 349 u. Anm. 73; 378, Anm. 130; 421, Anm. 2; 433-485; 491; 530; 535; 568; 580; 581; 585 ‚b ch von einre offenborunge‘ 12- 14, 62; 187; 294, Anm. 499; 492 ‚b ch von den vier ioren‘ 19; 75-98; 116f.; 125; 144; 150; 154, Anm. 206 u. 207; 156; 160; 162; 163; 165; 179f.; 190; 191; 193; 201-207; 208; 209; 211; 213; 217f.; 222; 225; 226; 294 u. Anm. 499; 307; 323f.; 330; 333f.; 343- 370; 371; 384; 385; 387; 390; 391; 401; 406; 409; 411f.; 414-420; 421, Anm. 2; 422; 463; 464; 484; 533; 534, Anm. 446; 590; 591; 592f. ‚b ch von zweyen heiligen closter frowen in peyerlant‘ 27, 61; 69; 186f.; 294, Anm. 499; 591, Anm. 605; 592, Anm. 609 ‚b ch von den zweyen iungen fúnfzehen ierigen knaben‘ 12-14; 60; 133; 180; 187; 193; 294, Anm. 499 ‚b ch von den zwey menschen‘ 12- 14; 45; 53; 54; 65; 69; 70-72; 73; 144; 154, Anm. 205; 156; 160; 165; 181; 183f.; 190; 192; 193; 200-208; 217; 218f.; 222; 223; 240-247; 295; 297; 304; 308; 312; 315; 316; 317; 323, Anm. 1; 344 u. Anm. 66; 349; 378, Anm. 130; Register 672 421, Anm. 2; 422; 464, Anm. 251; 492; 518-566; 568; 570; 571; 580; 581; 593 ‚Von einem christlichen Leben‘ 262 u. Anm. 366; 264 ‚Colmarer Kreuzigungstafel‘ 48 ‚Über Demut‘ 249 ‚Deutscher Prolog zum b ch von den nún veilsen‘ 129; 132 ‚Dialog eines Klosterbruders mit einem jungen Priester namens Walther‘ → ‚Exemplar [...] alse ein [...] br der in eime closter lerete einen iungen, súndigen priester, hies br der Walther‘ Dietrich von Apolda: ‚Legende van sinte elizabeth van dueringhen‘ 278; 279 ‚Drei Arten der Nachfolge Jesu‘ 251 ‚Drei Folgen der Sünden‘ 251 ‚Von den drîn fragen‘ 231, Anm. 274; 268; 271; 430f., Anm. 110; 493; 497-503; 513 ‚Über drei Stufen auf dem schmalen Weg zu Gott‘ 250 Ebner, Margareta: ‚Offenbarungen‘ 261; 576f.; 577f. Meister Eckhart: Spruch: ‚Diz ist Meister Eckehart, dem Got nie niht verbarc‘ 255 ‚Elias Kampf gegen den Baalskult‘ 255 ‚Ermahnung an die Brüder‘ 182; 185; 190; 192; 193 ‚Ermahnung und Gebet in Reimen‘ 67 ‚Exempel Lots‘ 255 ‚Exempel über den Wahrsager Bileam (Balaam) [...]‘ 254 ‚Exemplar [...] alse ein [...] br der in eime closter lerete einen iungen, súndigen priester, hies br der Walther‘ 66; 294, Anm. 499 ‚Von falscher und wahrer Andacht‘ 249 ‚Fegfeuer des heiligen Patricius‘ 231f., Anm. 277 ‚Figuren und Gedichte des Meistermemorials‘ 72; 100; 122; 152; 226; 228 ‚Formen und Nutzen der Liebe zu Gott‘ 249 ‚Fünfmannenbuch‘ → ‚b ch von den fúnf mannen‘ ‚Gedicht im Anschluß an ein Gemälde des Jüngsten Gerichts‘ 53; 68 ‚Gedicht im Anschluß an ein Gemälde zur Todesstunde‘ 53; 68 ‚Gedicht auf den Grünen Wörth‘ 142; 150; 155; 156; 174; 185; 190 ‚Gedicht auf Jesu Namen‘ 100; 101; 123; 228 ‚Gedicht als Mahnung zur Umkehr‘ 100; 122 ‚Gedicht aus dem Meistermemorial‘ 77; 108; 152 ‚Gedicht auf die Minderbruderschaft‘ 161; 168 ‚Vom Gehorsam‘ 254 Geiler, Johannes, von Kaysersberg: ‚Pater noster‘ 311 ‚Der Seelen Paradies‘ 273 ‚Über geistliche Armut‘ 255 ‚Geistliche Himmelfahrt‘ 245 ‚Das geistliche Kloster‘ 262, Anm. 366 Gerardus de Sanctis: ‚Prologhe‘ zu Ms. 3416-21 der Koninklijken Bibliotheek, Brüssel 318, Anm. 579 Gerardus Zerbolt de Zutphen: ‚De reformatione virium animae‘ 258 u. Anm. 345 ‚Geschichte der Gottesfreunde und ihrer Niederlassung im Oberland‘ 105f. ‚Geschichte eines jungen Weltkindes‘ → ‚Materie von eime jungen, weltlichen, wol gefrúnden manne‘ Texte und Kunstwerke 673 ‚Geschichte der Komturei [...] bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts‘ 188 ‚Gnaden des Eucharistieempfangs‘ 252 ‚Über das göttliche Wesen der Seele‘ 254 ‚Goldenes ABC‘ 489 u. Anm. 292 Goossen van der Weyden: ‚Triptychon mit Jungfrau und Kind‘ 521, Anm. 392 Groote, Geert: ‚Propositum‘ 319 ‚Gründungsgeschichte‘ 143f.; 150; 154, Anm. 206; 156; 160; 162; 165; 176f.; 185; 189; 190; 191; 193; 194-197; 222; 225; 226; 294 u. Anm. 499; 306; 307; 330-342; 343; 348; 371; 411; 412f.; 420; 590 u. Anm. 602 u. 603 ‚Gründung des ‚Grünen Wörth‘ durch Werner von Hüneburg‘ 156; 176 ‚Vom guten Hirten‘ 262, Anm. 366 ‚Haarlem Missale‘ 288 Hartwig von Erfurt: ‚Predigtpostille‘ 494 u. Anm. 297 ‚Die heilige Regel für ein vollkommenes Leben‘ 250 Heinrich von Löwen 245 Herp, Hendrik: ‚Explanatio svccincta et perspicua noven rvpivm [...]‘ 434f. ‚Spieghel der volcomenheit‘ 435 ‚Hinderste Stroffunge‘ 74; 160; 163; 166; 191; 192; 222 ‚Historische Nachrichten über die Gottesfreunde‘ 120f.; 161; 166f.; 228; 605-615 ‚Über die Höllenfürsten [...]‘ 255 ‚Interrogatio Sancti Anselmi de passione Domini‘ 287 Jakobus Regalis: ‚De thesauris summi regis‘ 131; 136; 138; 161; 162; 163; 164; 168 Joos van Cleve: ‚Madonna mit dem Kind‘ 521, Anm. 392 ‚Lateinische Vorbemerkungen über das zweite übriggebliebene Lateinbuch‘ 129; 132f.; 135 ‚Leben Jesu‘ (‚Von der geistlichen Spur‘) 29f., Anm. 179 ‚Leben eines Bruders Ulrich aus dem Benediktinerorden‘ 134 ‚Eine letze (lectio) an einen jungen Ordensbruder‘ → ‚Eine letze wart eime iungen br der gegeben‘ ‚Eine letze wart eime iungen br der gegeben‘ 54; 61f.; 187; 294, Anm. 499 ‚Legenda aurea‘ 240 ‚Liber de censibus fabrice‘ 214 ‚Lucidarius‘ 282 ‚Mahnung an die grenzenlose Liebe Gottes‘ 251 ‚Mahnung vor dem Sündenfall geistlicher Menschen‘ 250 Mardach, Eberhard: ‚Sendbrief von wahrer Andacht‘ 565, Anm. 507 Marquard von Lindau: ‚Dekalogerklärung‘ 247; 315 ‚Eucharistietraktat‘ 287 ‚Hiob-Traktat‘ 287 ‚Regel aller Prälaten‘ 612 ‚Materie von eime jungen, weltichen, wol gefrúnden manne‘ 62; 187; 294, Anm. 499; 592, Anm. 609 ‚Meisterbuch‘ → ‚b ch von dem meister‘ Meyer, Johannes: ‚Buch der Reformacio Predigerordens‘ 8; 169f.; 242f.; 261, Anm. 364; 311; 514, Anm. 358 ‚Papstchronik Predigerordens‘ 309 ‚Von der Minne‘ I 248 Mosheim, Johann Lorenz: ‚De Beghardis et Beguinabus‘ 433, Anm. 117 Register 674 ‚Von müßigen und heilbringenden Worten‘ 249 ‚Nachtragsbestimmungen zum Pflegerbrief‘ 162; 169 ‚Namen und Lebensdaten der Pfleger‘ 123 ‚Neunfelsenbuch‘ → ‚b ch von den nún veilsen‘ ‚Neun Freuden des Klosterlebens‘ 250 Nider, Johannes: ‚Formicarius‘ 4, Anm. 16; 6 Nikolaus von Landau: ‚Sermones novi‘ 494 u. Anm. 296 ‚Nützliche Lehre an eine Jungfrau mit vorangehendem Gebet‘ → ‚Nútzliche letze‘ ‚Nútzliche letze‘ 66f.; 294, Anm. 499 ‚Ordnung der Minderbruderschaft‘ 161; 162; 167; 612 ‚Paradisus animae‘ 252; 255 Bruder Peter: ‚Von den sieben Schöpfungstagen‘ 253 ‚Pflegerbrief‘ 142; 158; 162; 169; 333 ‚Pflegereid‘ 119; 142; 149; 150; 157; 161; 162; 167; 333 Pomerius, Henricus: ‚De origine monasterii Viridisvallis‘ 278; 279 ‚Prolog und Inhaltsangabe des Meistermemorials‘ 117; 125; 228 ‚Prolog zum Meistermemorial‘ 161; 163; 167 ‚Über rechte Buße‘ 251 ‚Rechtfertigung für die Verwendung des gestifteten Geldes‘ 158; 186; 189 ‚Die Rede von den 15 graden‘ 279 ‚Romreise des Gottesfreundes‘ 15 u. Anm. 90; 106 Ruusbroec, Johannes: ‚Vanden blinkenden steen‘ 318, Anm. 579 ‚Die chierheit von der gheestelijkker brulocht‘ 295; 308; 313; 314; 318, Anm. 579; 430, Anm. 110; 579 ‚Vanden vier becoringhen‘ 318, Anm. 579 ‚Schaden des Lästerns‘ 251 ‚Schlichtung eines Streits zwischen dem Johannitermeister [...] und dem Konvent zu Straßburg [...]‘ 188 ‚Schürebrand‘ 67; 100; 101; 122; 126; 228; 231, Anm. 274; 298f.; 612 ‚Vom Schweigen‘ 254 ‚Sechs Ehren des Palmsonntags‘ 252 ‚Sechs Hindernisse für den vollkommenen Lobpreis Gottes‘ 251 ‚Sechzehn Gründe zu wahrhafter Klage‘ 249 ‚Sendbrief vom Leiden‘ 245 ‚Sendbrief von wahrer und falscher Andacht‘ 565, Anm. 507 ‚Sendschreiben an die Christenheit‘ → ‚b ch von einre offenborunge‘ Seuse, Heinrich: ‚Büchlein der ewigen Weisheit‘ 315; 573f.; 577f. ‚Exemplar‘ 277; 289; 315; 573f.; 577f. u. Anm. 544 ‚Kleines Briefbuch‘ 247; 573f.; 577f. ‚Vita‘ 247; 256; 315; 489; 527, Anm. 428; 573f.; 577f. ‚Siben werg der erbermede‘ 29f., Anm. 179; 63; 160; 163; 165; 187; 294, Anm. 499 ‚Sieben Gründe, warum der Mensch seinen Eigenwillen aufgeben muß‘ 251 ‚Sieben Werke der Barmherzigkeit‘ → ‚Siben werg der erbermede‘ ‚Von der Siebenzahl‘ 262, Anm. 366 ‚Die sieben Zeiten des Leidens Christi‘ 262, Anm. 366 Texte und Kunstwerke 675 ‚Specificatio parvorum censuum fabrice [...] A.D. 1351‘ 214 ‚Speculum artis bene moriendi‘ 270; 274 ‚Spitalordnung‘ 160; 163; 165; 195 u. Anm. 233; 334 u. Anm. 52; 335, Anm. 53; 336 ‚Stiftung des Klosters [...] durch Werner von Hüneburg‘ 57 ‚Stiftungen an den Grünen Wörth‘ 50; 56f.; 160 u. Anm. 211; 163; 169; 229 ‚Tafel zur Ordnung der Jakobsmesse‘ 50; 55f.; 142; 157; 186 Tauler, Johannes: ‚Dit is eyn schoen sermonen vanden werdighen heiligen sacrament‘ 262, Anm. 366 ‚Passionscollatie‘ 430f., Anm. 110 Predigten 3; 236; 247; 264; 266; 271; 487; 574-576; 577f.; 582 Ps.-Tauler: ‚Es ist ein hoher Berg‘ 256 ‚Sendbrief an Klosterfrauen‘ 162; 168 ‚Tauler im Fegefeuer‘ 245 u. Anm. 325 ‚Teufelsbeichte‘ 282 Bruder Thomas: ‚Von den drei höchsten Engeln‘ 253f. ‚Die tofele‘ 62; 187; 294, Anm. 499 ‚Traktat für eine Gottesminnerin‘ 162; 168 ‚Tugenden, die der Gerechtigkeit innewohnen‘ 249 ‚Uffenbachsche Wappenbuch‘ 51 ‚Urkundliche Beglaubigung der drei Urkundenbücher‘ 58; 72; 145; 152; 157; 161; 162; 167; 185f. ‚Vaterunserauslegung‘ (Adonay- Auslegung) 254 ‚Verhaltensregeln für den geistlichen Menschen in der Welt‘ 252 ‚Verzeichnis der Bücher des Gottesfreundes‘ 186f. ‚Verzeichnis der Brüder‘ 188 ‚Verzeichnis der Johanniterkommenden‘ 188 ‚Verzeichnis der Komture‘ 187 ‚Verzeichnis der Kustoden‘ 187 ‚Verzeichnis der Pfleger‘ 188 ‚Verzeichnis der Priester‘ 188 ‚Verzeichnis der Prioren‘ 187 ‚Verzeichnis der Prioren der Schlettstadter Komturei‘ 187 ‚Vier Dinge, an denen man die geistliche Armut des Menschen erkennen soll‘ 249 ‚Vier Zeichen, ob der Mensch das Himmelreich erlangt‘ 249 ‚Vitaspatrum‘ 270 ‚Vogelnestvision‘ 182; 190; 192; 193; 222 ‚Vorgeschichte der Jakobsmesse‘ 55; 146; 148; 150; 157; 186; 189 ‚Warnende lere [...] schreip [...] Johans tauweler‘ 67; 294, Anm. 499 ‚Weinen des Herrn und Maria Magdalenas‘ 256 Wencker, Johann: ‚Chronik‘ 594, Anm. 612 ‚Wider den Eigenwillen‘ 250f. ‚Wiesbadener Rapiarium‘ 48 ‚Zahl der Brüder im Jahr 1595‘ 188 ‚Zahl der Priester auf dem Grünen Wörth‘ 187 ‚Zahl der Priester in verschiedenen Kommenden‘ 188 ‚Die zeichen eines wârhaften grundes‘ 488; 496, Anm. 300; 516 ‚Die zehn ägyptischen Plagen‘ 255 ‚Zierden der Armut des Glaubens‘ 251 ‚Von zwei bayerischen Klosterfrauen, Margarete und Katharina‘ → ‚b ch von zweyen heiligen closter frowen in peyerlant‘ ‚Zweimannenbuch‘ → ‚b ch von den zwey menschen‘ Register 676 3. Personen und geistliche Institutionen Alkmaar, Tertiarissenkloster St. Catharina (‚Oude Hof‘) 286; 301 Altdorf, Bendiktinerabtei 594f. u. Anm. 612; 596, Anm. 632 Amsterdam, Kartause 290; 301 Anna Katharina, Erzherzogin von Tirol 273 Arnim, Achim von 215 Arnswaldt, August Freiherr von 276; 277 Augsburg Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra 284; 289; 300; 301; 303 Franziskaneroberservanten 303 Aytingerin, Agnes 264 Bamberg, Franziskanerkloster 302 Barbara von Heiligenstein, Seelgerätstifterin; auf dem ‚Grünen Wörth‘ beerdigt 103, Anm. 144 Bartholomäus von Bolsenheim, Dominikanerprovinzial 606 Basel Augustinerchorherrenstift St. Leonhard 264 u. Anm. 384 Dominikanerkloster 293 Dominikanerinnenkloster St. Maria Magdalena an den Steinen (ad Lapides) 241f.; 243; 247; 293; 297; 309; 564 Johanniterkomturei 595 Klarissenkloster Gnadental 241 Bergheim (bei Colmar), Johanniterkomturei 48 Beutlerin, Magdalena (=Magdalena von Freiburg) 243 Bielefeld, Augustinerchorfrauenstift 278 u. Anm. 449; 300 Blankhart, Heinrich, Patrizier aus Leuven u. Stifter der Jakobsmesse 46 u. Anm. 13 u. 16; 47; 50; 52; 55-57; 69; 70; 72; 142; 145; 146; 148; 176; 221 Blankhart, Luitgard, Ehefrau Heinrich Blankharts u. Stifterin der Jakobsmesse 55; 56f.; 136, Anm. 169; 607 St. Blasien, Benedikinerabtei 302 Bock, Johannes 612 Bockhin, Ursula, Priorin des Dominikanerinnenklosters St. Margaretha, Straßburg 171 Böckler, Nikolaus, Inquisitor des Johannes Malkaw 611 Böddeken, Augustinerchorherrenstift 259 u. Anm. 354; 264 u. Anm. 384; 318f., Anm. 580; 319- 321 Bömlin, Konrad 298 u. Anm. 504 Bronnbach, Zistersienserabtei 302 Brüssel Augustinerchorfrauenstift S. Elisabeth van de berg Sion 279; 300 Beginenhof 297 Bucer, Martin 171 Búchsener, Claus, Pfleger der Jakobsmesse (1388) 606; 607 Canisius, Theodor, Rektor des Jesuitenkollegs in Dillingen 272 Claman, Andreas, Maler in Straßburg u. Begünstigter einer Stiftung Heinrich und Luitgart Blankharts 56 Claeszoon, Gherit 290; 301 Colmar Dominikanerinnenkloster Unterlinden 8 u. Anm. 58; 242 u. Anm. 304, 243; 245, Anm. 325; 309 Johanniterkomturei 595 Colner, Friedrich 263-265 u. Anm. 367, 368, 372 u. 379 Personen und geistliche Institutionen 677 Conrad von Geispolezheim, Verwandter des Johanniterpriesters Nicolaus von Geispolezheim ? (1381) 102 C nrado z dem Eber 102 C nrat zem Trúbel 606; 607 Dalheim, Augustinerchorherrenstift 259f.u. Anm. 346 u. 354; 296; 299; 319f. Delft 288; 301 Delft, Franziskanerinnenkloster St. Barbara 279 Deventer Fraterhaus 292 Schwestern vom gemeinsamen Leben 297 Dillingen, Jesuitenkolleg 272 Dorlisheim, Johanniterkomturei 595 Düsseldorf, Dominikanerkloster 282 u. Anm. 465 Dútschman, Hug, auf dem ‚Grünen Wörth‘ beerdigt (1399) 606; 607 Ebner, C nradus 293 Ebner, Margareta 10; 23; 261; 310 Meister Eckhart 25; 63; 247; 433, Anm. 117; 487; 496; 499; 501; 503 Eger, Klarissenkloster St. Klara 303 Eichstätt Augustinerchorherrenstift Rebdorf 267f.; 269; 270; 271; 296; 299; 303; 318-320 u. Anm. 580 Benediktinerinnenabtei St. Walburg 267f. Elisabeth von Uttenheim, Mutter des Komturs u. Schreibers → Johannes Amandus Schmalriem 154 u. Anm. 200 Else von Heiligenstein 103 Engelberg, Benediktinerabtei St. Andreas 121; 376f.; 605-609; 612 Engelhardt, Christian Moritz 211; 215 u. Anm. 264 Engelthal, Dominikanerinnenkloster 257, Anm. 341 Erfurt, Kartause St. Salvatorberg 302 Erhard von Dünungen 311, Anm. 552 Färber, Ulrich 264 Freiburg i. Br., Klarissenkloster St. Klara 241-243 u. Anm. 296 u. 304; 248; 295; 297; 308; 383; 532; 564 Freiburg/ Schw., Johanniterkomturei 609f.; 611f. St. Gallen, Dominikanerinnenkloster St. Katharina 303 St. Georgen-Klause 263f. u. Anm. 368; 296; 298; 299 Geiler, Johannes, von Kayersberg 311 Geldern, Augustinerchorfrauenstift Nazareth 277 u. Anm. 445; 300 Gent, Kleiner Beginenhof 281; 300 St. Georgen (Schwarzwald), Benediktinerabtei 302 Gerardus Zerbolt de Zutphen 292 Gertrud von Bietenheim, zweite Frau Rulman Merswins 23; 78; 200; 201, Anm. 235; 207; 208 u. Anm. 246; 218; 261; 535 Goetzmann, Franz Joseph Ignatius, Kustos (1731-1770) und Komtur (1770-1783), Schreiber des → ‚ersten übriggebliebenen Lateinbuchs‘ (G) 45; 47; 124, Anm. 148 u. 149; 138; 150; 155; 158; 172 u. Anm. 227; 173; 178; 186; 189-200; 330-333; 335, Anm. 53; 350, Anm. 76; 508, Anm. 324; 509; 512, Anm. 344; 536, Anm. 456; Abb. 25 Greta von Grosstein, Schwester (bis 1410) 103, Anm. 144; 607 Grieshaber, Franz Karl 146-148 u. Anm. 181, 183 und 185 Register 678 Grimm, Jacob 215 Groenendaal, Rookloster 279, 289, 301; 318 u. Anm. 579 Guggenheim, Katharina 102 Haarlem, Augustinerchorherren 288 Hagenau, Dominkanerinnenkloster St. Katharina 170 Hans von Grosstein 103 Hans von Rútberg, Gründer einer eremitischen Gemeinschaft im Brudertobel 15 Hans von Schönau 273 Harderick, Johann, Beichtvater der Augustinerchorfrauen in Bielefeld 278 Heinrich von Andlau, Konventuale († 1398) 46 u. Anm. 19 Heinrich von Ettenheim 102 Heinrich von Nördlingen 22f. (u. Anm. 149); 261; 576, Anm. 555; 577 Heinrich von Sachsen, Domkanoniker in Basel 433, Anm. 117 Heinrich von Wolfach, Komtur (1371-1390) 51, Anm. 50; 108; 110; 111; 112; 114; 115; 116; 118; 121; 124; 145; 157; 609f.; 609-615 Helena von Heiligenstein, Seelgerätstifterin 103, Anm. 144 Helmbrecht, Nikolaus 102 Helmicus Amoris de Zutphen, Bruder des → Gerardus Zerbolt de Zutphen 292 Hendrik Jan van Wijn 274; 299 Herdegen, Johannes, Prior des Augustinerchorherrenstifts Rebdorf 268; 270; 303 Hernott, Seraphin 521, Anm. 391 Hersfeld, Augustinerchorherrenstift 264f. Herzebrock, Benedektinerinnenabtei 278 Hildesheim, Fratergemeinschaft ‚Lüchtenhof‘ 266 u. Anm. 394; 296; 299; 319 Hiltalingen, Johannes 611 Hoffmann von Fallersleben 275 Hugo von Monfort 153, Anm. 197 Indersdorf, Augustinerchorherrenstift 285 Inzigkofen, Augustinerchorfrauenstift 270; 271; 285f.; 296; 299; 301; 303; 318f., Anm. 580; 320 Jäck, Anna 270 Johann II. von Straßburg (= Johannes von Lichtenberg), Bischof von Straßburg 433, Anm. 117 Johannes von Bolsenheim, Prior in Engelberg 121; 376; 605; 608f. u. Anm. 704, 705 und 707 Johannes von Chur, Gründer der Einsiedlei Ganterschwyl 18; 19 Johannes von Grosstein, Komtur der Kommende in Dorlisheim 103, Anm. 144 Johannes von Kageneck, Pfleger (1391 ? -1408) 124 u. Anm. 147; 606; 607 Johannes von Marsel 282 Johannes von Rinstetten (Reichstett) 611f. u. Anm. 731 Johannes von Schaftoltzheim 57; 119; 133; 135; 136 u. Anm. 169; 292; 433f.; 436-438; 611 Johannitermeister in deutschen Landen → Konrad von Braunsberg → Löselin, Johannes → Schlegelholtz, Hesse Jung, Nikolaus, Pfleger (1391 ? -1408) 124 u. Anm. 147 und 148 Katharina von Schaftolzheim 102 Katharina zu der Wagen 103 Kentzinger, Johann Baptist, Komtur (1738-1751) 73; 215, Anm. 262 Kirchheim/ Ries, Zisterzienserinnenkloster 274; 299 Knuss, Konrad 264 Köbel, Johannes Bartholomäus, Komtur (1695-1718) 188 Personen und geistliche Institutionen 679 Kölbelin, Greda, Seelgerätstifterin und Stifterin für den Unterhalt der Jakobsmesse (1399) 606; 607 Kölbelin, Johannes, Bruder → Greda Kölbelins 606; 607 Köln St. Aposteln 282 Dominikanerinnenkloster St. Gertrudis 246 Fraterherren am Weidenbach 292 Kartause St. Barbara 292 Kreuzbrüderkonvent 292f. u. Anm. 489 Komtur → Goetzmann, Franz Joseph I. → Heinrich von Wolfach → Kentzinger, Johann Baptist → Köbel, Johannes Bartholomäus → Nikolaus (Rauch) von Baden → Schmalriem, Johannes Amandus → Thome, Erhart Konrad von Braunsberg, Johannitermeister in deutschen Landen (1362-1390) 46; 47; 52; 58; 68; 69; 70; 72; 115; 123; 145; 152; 157; 161; 162; 167; 219; 589; 590, Amm. 602; 595 Konrad zu der Megede, Stifter des Johanniterspitals (1381), Pfleger (1381-1400 ? ) 102; 124, Anm. 148; 219 Kraft Ernst, Fürst von Oettingen- Wallerstein 258 Kraus, Hans 282; 300 Lamprecht von Brunn, Bischof von Straßburg 433, Anm. 117; 595 Leonardus de Mansuetis, Generalmeister der Dominikaner 261, Anm. 364 Loë, Paulus von 282 Löselin, Adam, Pfleger (1395-1411) 104, Anm. 144; 124 u. Anm. 149 Löselin, Adelheidis, Seelgerätstifterin; auf dem ‚Grünen Wörth‘ beerdigt 104, Anm. 144 Löselin, Johannes, Johannitermeister in deutschen Landen; auf dem ‚Grünen Wörth‘ beerdigt 104, Anm. 144 Löselin, Johannes, miles, Seelgerätstifter 104, Anm. 144 Löselin, Sophye 103 Mainz, Kartause St. Michaelsberg 302 Malkaw, Johannes, weltgeistlicher Wanderprediger (1390, 1391) 610-612 Marcus, Jacob 281 Marienfrede, Kreuzbrüderkonvent 280; 300 Margaretha von Kentzingen 8 u. Anm. 56 u. 58; 242f.; 514, Anm. 358 Marquard von Lindau 262, Anm. 366; 264; 573, Anm. 543; 612 Martin von Mainz, Anhänger des Nicolaus von Basel 4; 5; 9 Mayer, Sebald 272 Medingen, Dominikanerinnenkloster 260f. u. Anm. 359 und 364; 272; 296; 299 Meiger, Burkhard, Teilnehmer am Inquisitionsprozeß gegen Johannes Malkaw 612 Menweg, Joseph Melchior 172, Anm. 227 Merswin (? ), Claus, Pfründner im ‚Großen Spital‘ in Straßburg 298 Merswin, Katharina, Priorin des Straßburger Dominikanerinnenklosters St. Marx u.Schwester (? ) Rulmans 23 u. Anm. 147 u. 148; 261 Merswin, Johannes, Bruder Rulmans u. Pfleger (1371-1374 o. 1378) 607, Anm. 693 Register 680 Merswin (? ), Wernher, Pfründner im ‚Großen Spital‘ in Straßburg 298 Meyer, Johannes 169; 242f.; 309 u. Anm. 533; 565f. Miller, Matis 260 u. Anm. 358; 261 u. Anm. 360 Mosung, Paul, Pfleger (1393-1395) 124f., Anm. 149 Müller, Conrad 103 Neuwiller, Domkapitel zu St. Peter und Paul 210 Nicolaus von Basel 4 (u. Anm. 16)- 6, 8f. Nikolaus (Rauch) von Baden, Komtur (1468-1504) 170 Nikolaus von Blaufelden, Lektor der Straßburger Franziskaner 122; 612 Nikolaus von Löwen, Johanniterpriester und Sekretär Rulman Merswins († 1402) 2; 20f., 46 u. Anm. 16; 47; 55; 57; 77; 116; 119f.; 121; 122; 123; 124; 125; 127; 162; 177; 195; 211; 214; 218; 304; 323f.; 347; 348; 350 u. Anm. 376; 373; 376; 378, Anm. 130; 380; 407, Anm. 184; 417; 418; 421f.; 486; 536, Anm. 456; 605f.; 607-609; 612 Nürnberg Dominikanerkloster 286 Dominikanerinnenkloster St. Katharina 257, Anm. 341; 261, Anm. 364; 271; 286; 299; 301; 303; 312, Anm. 554; 313, Anm. 559; 321, Anm. 601 Oggelsbeuren, Klarissen 298 Oostmalle, Augustinerchorfrauenstift 275; 299 Otscher, Konrad, Vizekomtur und Kustos (1371-1390) 612 Otto Truchseß von Waldburg 272 Paulus von Preußen, Münstervikar in Straßburg 233 Pelpin, Zisterzienserabtei 267 Peter von Gengenbach, Vikar des Dominikanerinnenklosters St. Nikolaus in undis 233 Peter von Keiserberg 56 Pforzheim, Dominikanerinnenkloster 261, Anm. 364; 302 Pfeiffer, Franz 140; 146-148 u. Anm. 181 u. Anm. 189 Pfleger → Johannes von Kageneck → Jung, Nikolaus → Konrad zu der Megede → Löselin, Adam → Merswin, Johannes → Mosung, Paul → Wetzel, Heintzemann → Zorn, Nikolaus, gen. Lapp → Zorn von Bulach, Gaspard/ Caspar → Zorn von Bulach, Georg → Zorn von Bulach, Nikolaus → Zorn von Bulach, Nikolaus Bernhard → Zorn von Bulach, Nikolaus IX. Pillenreuth, Augustinerchorfrauenstift 270; 271 Ruusbroec, Johannes 64; 314; 318, Anm. 579 Sachs, Agnes, Dominikanerin in St. Nikolaus in undis 311, Anm. 552 Sachs, Stefan (Vater der → Agnes Sachs) 311, Anm. 552 Schlegelholtz, Hesse, Johannitermeister in deutschen Landen (seit 1390) 149; 152; 160; 162; 163; 165 Schlettstadt, Johanniterkomturei 187; 188; 211; 215 u. Anm. 262; 305; 464; 524, Anm. 409; 595 Personen und geistliche Institutionen 681 Schmalriem, Johannes Amandus, Komtur (1439-1467) u. Schreiber des → ‚Pflegermemorials‘ (D) 153f. u. Anm. 197 u. 198; 158; 188; 189; 190; 226; 338; 340; 395- 404 Schmalriem, Nicolas Gürteler, Vater des → Johannes Amandus Schmalriem 154 u. Anm. 200 Schmidt, Charles/ Karl 211 Schönensteinbach, Dominikanerinnenkloster 243 Schurer, Werner, Johanniterpriester 162 Schweighäuser, Charlotte 216 Schweighäuser, Johann 216 u. Anm. 265 Schweigheuser, Joseph, apostolischer Notar in Straßburg; Nachtragshand im → ‚Autograph‘ des ‚b ch von den nún veilsen‘ (J) 54, 77, 104; 209f. u. Anm. 250; 211; 212; 213; 215; 216, Anm. 265; Abb. 29 Sengler, Ignatius 172, Anm. 227 Seuse, Heinrich 434f.; 582; 605f. Straßburg, Dominikanerinnenkloster St. Katharina 246 Domininanerinnenkloster St. Margaretha (und Agnes) 165 u. Anm. 216; 169-171 u. Anm. 219; 243; 594 Dominikanerinnenkloster St. Marx (und Johannes) 197; 199; 246; 261 Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis 10; 233; 237; 242 u. Anm. 304; 245, Anm. 325; 246; 247; 261; 295; 297; 298; 302; 308-317; 532; 560; 561; 564 Franziskanerkloster 298, Anm. 504 Großes Spital 245, Anm. 325; 295; 298 Jung St. Peter 521, Anm. 391 Klarissenkloster auf dem Roßmarkt 311, Anm. 552 Karmeliter 311 Münster 521, Anm. 390 Reuerinnenkloster St. Magdalena 232f. u. Anm. 278; 295; 297; 308; 311 Straub, (Joseph) Alexandre 208 u. Anm. 248 Sudermann, Daniel 245f.; 298; 299; 302; 309 Sulz, Johanniterkomturei 595 Surius, Laurentius 434f. Tauler, Johannes 4; 5; 9-11, 25; 67; 154 u. Anm. 205; 155; 178; 179; 245, Anm. 325; 266; 291; 486 u. Anm. 276 u. Anm. 277; 487; 496 Tegernsee, Benediktinerabtei St. Quirin 303 Thome, Erhart, Komtur (1391-1426) 124; 612 Tidemann, Johannes 434 Trosters, Nicolaus 302 Tucher, Katharina 257, Anm. 341; 261, Anm. 364 Villingen, Johanniterkomturei 595 Wagner, Johannes, Gründer einer Einsiedelei im Herigswald 11 Walasser, Adam 272 u. Anm. 428 Walther von Heiligenstein, Prior († 1432) 103, Anm. 144 Weesp, Schwestern vom gemeinsame Leben S. Jan Evangelist (Oude Convent) 279 Tertiarissen S. Maria (Jonge Hof) 279, Anm. 455 Welker, Konrad 270 Werner von Hüneburg, Stifter der Benediktinerabtei auf dem ‚Grünen Wörth‘ 47; 51, 52; 57f., 70; 72; 129; 130; 131; 132; 134; 137; 144; 156; 176; 187; 188; 197f.; Register 682 221; 521, Anm. 390; 590, Anm. 602; 594 u. Anm. 612 Wetzel, Heintzemann, Pfleger (1371- 1386 o. 1387) 219; 244; 607, Anm. 693 Wiblingen, Benediktinerabtei St. Martin 287; 301 Wien, Servitinnenkloster Maria Opferung 273 u. Anm. 436 Windesheim, Chorherrenstift 318 Worms Augustinerchorherrenstift Kirschgarten 268; 318f., Anm. 580, 319 u. Anm. 589 Dominikanerinnenkloster Himmelkron 233; 243; 247 Zorn, Bertold jun., Vater → Margaretha Zorns 243, Anm. 310 Zorn, Gertrud 102 Zorn, Heilcka, Seelgerätstifterin; auf dem ‚Grünen Wörth‘ beerdigt 103, Anm. 140 Zorn, Katharina 102 Zorn, Margaretha, dominikanische Reformschwester 242; 243f. u. Anm. 310; 247; 297; 308; 315 Zorn, Margaretha (Mutter) 243, Anm. 310 Zorn, Nesa, Seelgerätstifterin 103, Anm. 140 Zorn, Nikolaus, gen. Lapp, Pfleger (1374 o. 1378-1393) 46 u. Anm. 18; 124, Anm. 147 und Anm. 149; 219; 606; 607 u. Anm. 693 Zorn von Bulach, Gaspard/ Caspar, Pfleger (1507-1511) 244 Zorn von Bulach, Georg, Pfleger (1460-1469 o. 1472) 244 Zorn von Bulach, Nikolaus, Pfleger (1386 oder 1387-1391 ? ), Pfleger der Jakobsmesse (1388) 124, Anm. 147; 244; 606f. u. Anm. 693 Zorn von Bulach, Nikolaus Bernhard, Pfleger (1447-1460) 244 Zorn von Bulach, Nikolaus IX.,. Pfleger (1492, 1500) 244 Zorn von Bulach, Rudolph, gen. von Raustein, Pfründer (1455) 244 7. Bildteil 7. 1 Abbildungsverzeichnis und Bildnachweis Den Abbildungen der Handschriften aus der Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg liegen, sofern nichts anderes vermerkt, die Digitalisate der Internetseite der Bibliothek zugrunde (www.bnu.fr/ collections/ la-bibliotheque-numerique/ lamystique-rhenane), für die Handschriften der Archives départementales du Bas-Rhin wurden digitale Fotografien erstellt. Diesen beiden Institutionen sowie der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel und der Universität- und Stadtbibliothek in Köln sei für die großzügige Genehmigung der Abbildungsrechte herzlich gedankt. Abb. 1 ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 739, Bl. 1 r Abb. 2a ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 739, Bl.1 v Abb. 2b ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 739, Bl. 2 r Abb. 3a ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 739, Bl. 2 v Abb. 3b ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 739, Bl. 3 r Abb. 4a ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 739, Bl. 3 v Abb. 4b ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 739, Bl. 4 r Abb. 5a ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 739, Bl. 4 v Abb. 5b ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 739, Bl. 5 r Abb. 6a ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 739, Bl. 5 v Abb. 6b ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 739, Bl. 6 r Abb. 7a ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 739, Bl. 6 v Abb. 7b ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 739, Bl. 7 r Abb. 8 ‚Briefbuch‘ (B) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2185, Buchdeckel Abb. 9 ‚Briefbuch‘ (B) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2185, vorderes Spiegelblatt und Bl. 1 r Bildteil 684 Abb. 10 ‚Briefbuch‘ (B) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2185, Bl. 3 v u. 4 r Abb. 11 ‚Briefbuch‘ (B) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2185, Bl. 11 v u. 12 r Abb. 12 ‚Briefbuch‘ (B) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2185, Bl. 32 v u. 33 r Abb. 13 ‚Briefbuch‘ (B) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2185, Bl. 40 v u. 41 r Abb. 14 ‚Briefbuch‘ (B) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2185, Bl. 75 v u. 76 r Abb. 15 Alphabetenvergleich Abb. 16 ‚Zweites übriggebliebenes Lateinbuch‘ (C) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2184, Buchdeckel Abb. 17 ‚Zweites übriggebliebenes Lateinbuch‘ (C) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2184, vorderes Spiegelblatt u. Bl. 1 r Abb. 18 ‚Zweites übriggebliebenes Lateinbuch‘ (C) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2184, Bl. 1 v u. 2 r Abb. 19 ‚Pflegermemorial‘ (d) Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 839, Buchdeckel hinten (Digitalisat der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz) Abb. 20a ‚Pflegermemorial‘ (d) Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 839, Bl. 1 r (Digitalisat der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz) Abb. 20b ‚Pflegermemorial‘ (d) Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 839, Bl. 1 v (Digitalisat der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz) Abb. 21 ‚Pflegermemorial‘ (D; Abschrift des 15. Jahrhunderts) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 1383, Buchdeckel vorn Abb. 22a ‚Pflegermemorial‘ (D; Abschrift des 15. Jahrhunderts) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 1383, eingelegter Zettel, Rectoseite Abb. 22b ‚Pflegermemorial‘ (D; Abschrift des 15. Jahrhunderts) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 1383, eingelegter Zettel, Versoseite Abb. 23 ‚Pflegermemorial‘ (D; Abschrift des 15. Jahrhunderts) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 1383, vorderer Spiegel u. Bl. 1 r Abb. 24 ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ (F; Abschrift des 16. Jahrhunderts) Straßburg, Archives départementales du Bas-Rhin, H 2190, Bl. 1 r Abb. 25 ‚Erstes übriggebliebenes Lateinbuch‘ (G; Abschrift des 18. Jahrhunderts) Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 738, Bl. 1 r (Digitalisat der Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg) Abb. 26 ‚Autograph‘ des ‚b ch von den zwey menschen‘ (H) Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 2745 ), Bl. 1 r Abbildungsverzeichnis und Bildnachweis 685 Abb. 27 ‚Autograph‘ des ‚b ch von den zwey menschen‘ (H) Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 2745, Bl. 70 r Abb. 28a ‚Autograph‘ des ‚b ch von den zwey menschen‘ (H) Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 2745, Bl. 147 v Abb. 28b ‚Autograph‘ des ‚b ch von den zwey menschen‘ (H) Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 2745, Bl. 148 r Abb. 29 ‚Autograph‘ des ‚b ch von den nún veilsen‘ (J) Straßburg, Bibliothèque Nationale et Universitaire, Ms. 2798, Bl. 3 r (Microfilm der Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg) Abb. 30 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 78. 5 Aug. 2 o , Bl. 268 v (Digitalisat der Herzig August Bibliothek, Wolfenbüttel) Abb. 31 ‚Diss buch das da gedicht hat der erleücht vater Amandus, genannt Seüß/ [...]‘, Augsburg: Johann Othmar, 1512, Bl. 217 v / 218 r (Fotografie des Exemplars der Stadt- und Universitätsbibliothek Köln: GB IV 1952) Abb. 1: ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Bl. 1 r 2* Abb. 2a: ‚GGroßes deutsches MMemorial‘ (A), Bl. 1 v Abb. 2b : ‚Großßes deutsches Memoorial‘ (A), Bl. 2 r 3* Abb. 3a: ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Bl. 2 v Abb. 3b: ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Bl. 3 r 4* Abb. 4b : ‚Großßes deutsches Memoorial‘ (A), Bl. 4 r 5* Abb. 4a : ‚Großes deutsches Memorial‘ (A), Bl. 3 v Abb. 5a : ‚GGroßes deutsches MMemorial‘ (A), Bl. 4 v Abb. 5b : ‚Großßes deutsches Memoorial (A) ‘ , Bl. 5 r 6* Abb. 6a: ‚GGroßes deutsches MMemorial‘ (A), Bl. 5 v Abb. 6b : ‚Großßes deutsches Memoorial‘ (A), Bl. 6 r 7* Abb. 7a : ‚GGroßes deutsches MMemorial‘ (A), Bl. 6 v Abb. 7b: ‚Großßes deutsches Memoorial‘ (A), Bl. 7 r 8* Abb. 88a : ‚Briefbuch‘ (B), BBuchdeckel vorn Abb. 8b : ‚Briefbuch‘ (B), Buchdecckel hinten 9* Abb. 9a : ‚BBriefbuch‘ (B), vorderes Spiegelblatt Abb. 9b : ‚Briefbuch‘ (B), Bl. 1 r 10* Abb. 110a : ‚Briefbuch‘ (B), Bl. 3 v Abb. 10bb : ‚Briefbuch‘ (B), Bll. 4 r 11* Abb. 11 : ‚Briefbuch‘ (B), B Bl. 11 v und 12 r 12* Abb. 12: ‚Briefbuch‘ (B), B Bl. 32 v und 33 r 13* Abb. 13 : ‚Briefbuch‘ (B), B Bl. 40 v und 41 r 14* Abb. 114a : ‚Briefbuch‘ (B), Bl. 75 v Abb. 14bb : ‚Briefbuch‘ (B), Bll. 76 r 15* n 16* Alphabet des Rulman Merswin im ‚b ch von den vier ioren sines anevohenden lebendes‘ (Bl. 33 r ) Alphabet des Rulman Merswin im Besitzeintrag in H (Bl. 147 v ) Alphabet des Rulman Merswin im ‚b ch von den nún veilsen‘ (Bl. 3 und 4) Alphabet des Gottesfreundes aus dem Oberland im ‚b ch von den fúnf mannen‘ (Bl. 4 r ) a b d e f g h k l im Besit vorh tzeintrag nicht handen 17* m n o r s 18* AAbb. 15: Alphabeten nvergleich 19* t v im Besitzeintrag nicht vorhanden w Abb. 16 : ‚Zwe eites übriggebliebenes Latein nbuch‘ (C), hin nterer Einband d 20* Abb. 17a : ‚Zw Spi weites übriggebliebe iegel vorn enes Lateinbuch‘ (C) ), Abb. 17b : ‚Zweites Bl. 1 r übriggebliebenes Laateinbuch‘ (C), 21* Abb. 18: ‚Zweites üübriggebliebenes La ateinbuch‘ (C), Bl. 1 vv und 2 r 22* Abb. 19 ‚Pflegermemorial‘ (d), Buchdeckel hinten 23* : Abb. 20a : ‚Pflegermemorial‘ (d), Bl. 1 r Abb. 20b : ‚Pflegermemorial‘ (d), Bl. 1 v 24* Abb. 21: ‚Pfle Buch germemorial‘ (Absc hdeckel hrift; D), Abb. 22a: ei Abb. 22b : ei ingelegter Zettel, Re ingelegter Zettel, Ve ectoseite ersoseite 25* Abbb. 23 : ‚Pflegermemoorial‘ (Abschrift; D), vorderes Spiegelblattt und Bl. 1 r 26* 27* Abb. 25 : ‚Erstes übriggebliebens Lateinbuch‘ (Abschrift d. 18. Jh.; G), Bl. 1 r Abb. 24 : ‚Erweitertes Pflegermemorial‘ (Abschrift d. 16. Jh.; F), Bl. 1 r Abb. 26: ‚Autogra Bl. 1 r aph‘ des ‚b ch von dden zwey menschen‘‘ (H), Ab bb. 27 : ‚Autograph‘ d Bl . 70 r es ‚b ch von den zwey menschen‘ (H), 28* Abb. 28a : ‚Au (H), tograph‘ des ‚b ch v , Bl. 147 v von den zwey menscchen‘ Abb. 28b : ‚Autogra (H), Bl. 1 ph‘ des ‚b ch von d 148 r den zwey menschen‘ 29* Abb. 29 : ‚A Autograph‘ dees ‚b ch von d den nún veilsen n‘ (J), Bl. 3 r 30* Abb. 30 : Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 78. 5 Aug. 2 o , Bl. 268 v 31* Abb. 31 : ‚D Au (E Diss buch das da gedi ugsburg: Johann Oth Exemplar der Stadtu icht hat der erleücht hmar, 1512; Bl. 217 v und Universitätsbibl t vater Amandus, gen v / 218 r liothek Köln: GB IV nannt Seüß/ [...]‘, V 1952) 32*