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Das Neue Testament und sein Text im 2. Jahrhundert

2018
978-3-7720-5640-6
A. Francke Verlag 
Jan Heilmann
Matthias Klinghardt

Das Neue Testament ist das Ergebnis einer einheitlichen Redaktion in der Mitte des 2. Jahrhunderts. Die Beiträge dieses Bandes greifen diese These von David Trobisch auf und fragen, was sie für das Neue Testament, für seinen Text und für die neutestamentliche Theologie bedeutet. Wie lässt sich die These einer Endredaktion kritisieren, differenzieren, weiterdenken? Was besagt sie für die Datierung der neutestamentlichen Texte, welchen Einfluss hat sie auf die Vorstellungen zum gottesdienstlichen Gebrauch? In welchem Verhältnis steht die Endredaktion zu der Schriftensammlung, die für Marcion bezeugt ist? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Textkritik? Wie müssen die Varianten beurteilt, wie die frühe Geschichte der Textüberlieferung verstanden werden? Welche theologischen Implikationen hat die These der Endredaktion? Die Beiträge des Bandes machen das große Potential der Endredaktionsthese deutlich und zeigen, dass die Diskussion noch ganz am Anfang steht.

ISBN 978-3-7720-8640-3 www.francke.de T A N Z T A N Z T A N Z TEXTE UND ARBEITEN ZUM NEUTESTAMENTLICHEN ZEITALTER Das Neue Testament ist das Ergebnis einer einheitlichen Redaktion in der Mitte des 2. Jahrhunderts. Die Beiträge dieses Bandes greifen diese These von David Trobisch auf und fragen, was sie für das Neue Testament, für seinen Text und für die neutestamentliche Theologie bedeutet. Wie lässt sich die These einer Endredaktion kritisieren, differenzieren, weiterdenken? Was besagt sie für die Datierung der neutestamentlichen Texte, welchen Einfluss hat sie auf die Vorstellungen zum gottesdienstlichen Gebrauch? In welchem Verhältnis steht die Endredaktion zu der Schriftensammlung, die für Marcion bezeugt ist? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Textkritik? Wie müssen die Varianten beurteilt, wie die frühe Geschichte der Textüberlieferung verstanden werden? Welche theologischen Implikationen hat die These der Endredaktion? Die Beiträge des Bandes machen das große Potential der Endredaktionsthese deutlich und zeigen, dass die Diskussion noch ganz am Anfang steht. H e i l m a n n , K l i n g h a r d t ( H r s g . ) D a s N e u e T e s t a m e n t u n d s e i n T e x t i m 2 . J a h r h u n d e r t Jan Heilmann, Matthias Klinghardt (Hrsg.) Das Neue Testament und sein Text im 2. Jahrhundert Das Neue Testament und sein Text im 2. Jahrhundert T A N Z TEXTE UND ARBEITEN ZUM NEUTESTAMENTLICHEN ZEITALTER 61 herausgegeben von Matthias Klinghardt, Günter Röhser, Stefan Schreiber und Manuel Vogel Jan Heilmann / Matthias Klinghardt (Hrsg.) Das Neue Testament und sein Text im 2. Jahrhundert Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG · Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Printed in Germany ISSN 0939-5199 ISBN 978-3-7720- 5 640- 6 Vorwort Der vorliegende Sammelband geht auf eine Tagung zurück, die im März 2015 an der TU Dresden zum Thema „Das Neue Testament und sein Text im 2. Jahrhundert/ The New Testament and its Text in the 2 nd Century“ stattfand; sie wurde großzügig durch die Fritz Thyssen Stiftung gefördert. Die meisten Beiträge gehen auf die Vorträge zurück, die bei dieser Tagung gehalten wurden; der Beitrag von Wolfgang Grünstäudl basiert auf einem Vortrag, den er im Juni 2013 an der TU Dresden gehalten hatte. An dem Zustandekommen dieses Bandes waren viele Menschen beteiligt, denen hier unser Dank ausgedrückt werden soll. Zunächst ist Nathanael Lüke, Fridolin Wegscheider und Johann Meyer für ihre organisatorische Begleitung der Tagung zu danken. Ein besonderer Dank gilt unserer Institutssekretärin, Eva-Maria Kaminski, die für einen reibungslosen verwaltungstechnischen Ablauf der Tagung gesorgt hat. Für die Begleitung und unermüdliche Hilfe im Redaktionsprozess danken wir Daniel Pauling, Tobias Flemming, Fridolin Wegscheider und Kevin Künzl. Dresden, im September 2017 Jan Heilmann und Matthias Klinghardt Inhaltsverzeichnis Jan Heilmann, Matthias Klinghardt Das Neue Testament und sein Text im 2. Jh. Eine Einführung . . . . . . . . . . . 9 Jan Heilmann Die These einer editio princeps des Neuen Testaments im Spiegel der Forschungsdiskussion der letzten zwei Jahrzehnte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Wolfgang Grünstäudl Geschätzt und bezweifelt. Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Clemens Leonhard No Liturgical Need for a Gospel in the Second Century . . . . . . . . . . . . . . . 89 Willy Clarysse, Pasquale Orsini Christian Manuscripts from Egypt to the Times of Constantine . . . . . . . . . 107 Juan Garce´s Marcion in der Turing-Galaxie: Textbegriff, Analyse und Erschließung der Frühgeschichte des Neuen Testaments im Zeichen des digitalen Medienwandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Jan Heilmann, Peter Wick Varianten in der Textüberlieferung des Johannesevangeliums. Zur Frage nach deren redaktionsgeschichtlicher und narrativer Relevanz . . . . . . . . . 147 David Trobisch The Gospel According to John in the Light of Marcion’s Gospelbook . . . . 171 Markus Vinzent Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel (Mcn). The Example of the Lord’s Prayer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Matthias Klinghardt Abraham als Element der Kanonischen Redaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Günter Röhser Kanonische Ausgabe und neutestamentliche Theologie. Mögliche Konsequenzen einer textgeschichtlichen These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Das Neue Testament und sein Text im 2. Jh. Eine Einführung Jan Heilmann, Matthias Klinghardt 1 Die Kanonische Ausgabe und die Kanonische Redaktion 1.1 Forschungsobjekt Der Titel dieses Bandes besitzt trotz seiner offenen Formulierung einen programmatischen Kern. Er impliziert eine Basisthese, auf die sich alle Beiträge - in Zustimmung, Weiterführung, Differenzierung und Kritik - beziehen: Das Neue Testament ist das Ergebnis einer Edition im 2. Jh. Zu Beginn sollen dieser gemeinsame Bezugspunkt der folgenden Beiträge kurz erläutert und seine inhaltlichen Implikationen skizziert werden. 1.1 Die editio princeps des Neuen Testaments Die Ausgangsthese einer Edition des Neuen Testaments im 2. Jh. ist nicht neu. Sie geht auf David Trobisch zurück, der schon vor 20 Jahren herausgearbeitet hatte, dass die 27 Einzelschriften des NT nicht in einem längeren, anonymen Sammlungs- und Ausscheidungsprozess zu einer literarischen (und theologischen) Einheit zusammengewachsen sind. 1 Diese Einheit sei vielmehr das Produkt einer einmaligen, historisch in der Mitte des 2. Jh. zu verortenden Edition. Diese Ausgabe trug bereits den Titel „Neues Testament“ ( η῾ καινη` διαθη´ κη ) und war von vornherein als zweiter Teil einer christlichen Bibel, also mit dem Blick auf das „Alte Testament“ konzipiert. Weil diese Ausgabe des NT sich in der Folge gegenüber konkurrierenden Ausgaben durchsetzte und kanonische Geltung erlangte, wird sie als „Kanonische Ausgabe“ bezeichnet. Trobischs These wurde von der Forschung bislang nur zurückhaltend aufgegriffen: Abgesehen von etlichen sehr allgemeinen (zustimmenden und ablehnenden) Voten und seltenen Thematisierungen von Einzelaspekten steht eine umfassende Diskussion des Konzeptes als solchem aus. Diese Zurückhaltung hat vermutlich mehrere Gründe. Man wird kaum fehlgehen in der Annahme, dass 1 Trobisch, Endredaktion; vgl. auch die englische Fassung: Trobisch, First Edition. 10 Jan Heilmann, Matthias Klinghardt schon der methodische Ansatz auf unvertrautes Terrain führte. Denn im Unterschied zur älteren Forschung zur Entstehung des NT, die durchweg auf der sekundären Bezeugung der einzelnen Schriften durch die patristische Literatur basiert, hatte Trobisch die These einer editio princeps aus Beobachtungen an den neutestamentlichen Handschriften gewonnen. Die Einsicht, dass den Handschriften als den primären Zeugen für das NT ein größeres methodisches Gewicht vor den sekundären Testimonien der Patristik (und den tertiären Schlussfolgerungen daraus) zukommen muss, setzt sich nur langsam durch. Neben dem ungewohnten methodischen Zugang erklärt sich die Zurückhaltung wohl auch durch die gravierenden Implikationen der These: Sie erfordert eine Neuorientierung in weiten Teilen der gesamten neutestamentlichen Forschung, aber auch der Patristik. Es ist das Ziel dieses Bandes, die Diskussion dieser These zu beginnen: ihre Voraussetzungen zu überprüfen, ihre Tragfähigkeit zu evaluieren und die Reichweite ihres Erklärungswertes zu erkunden. 1.2 Die Kanonische Redaktion der Evangelien Die entscheidende Innovation dieser These einer editio princeps liegt nicht so sehr in der Vorstellung, dass das NT schon im 2. Jh. vollständig vorlag (was ja immerhin eine Neujustierung der patristischen Belege für die Diskussion „umstrittener“ Schriften erfordert - etwa die Bestreitung der paulinischen Verfasserschaft des Hebr durch Origenes), als vielmehr in der Annahme, dass alle nt.lichen Schriften einer einheitlichen und vereinheitlichenden redaktionellen Bearbeitung durch den (oder die) Herausgeber dieser Kanonischen Ausgabe unterzogen wurden. Trobisch hatte diese integrierende Redaktion an paratextuellen Signalen festgemacht: Kodexform, Nomina Sacra und Überschriften. Aber es liegt auf der Hand, dass eine redaktionelle Bearbeitung sich nicht auf diese Elemente beschränkt haben muss. In diesem Zusammenhang ist die Analyse des literarischen Verhältnisses zwischen dem Evangelium, das aus der für Marcion bezeugten Schriftensammlung bekannt ist, und dem kanonischen Lukasevangelium von Bedeutung. 2 Obwohl diese Untersuchung von ganz anderen Beobachtungen und methodischen Voraussetzungen ausgeht, konvergiert sie mit Trobischs These der Endredaktion des NT, differenziert deren Ergebnisse und führt sie weiter. Die Analyse des Abhängigkeitsverhältnisses zeigt sehr deutlich, dass das traditionell angenommene Bearbeitungsverhältnis zwischen dem marcionitischen Evangelium und dem kanonischen Lukasevangelium umzukehren ist: Das für Marcion bezeugte Evangelium ist keine sekundäre Bearbeitung und „Verstümmelung“ des Lk, wie ihm von den altkirchlichen Häresiologen bis Harnack und darüber hinaus vorge- 2 Klinghardt, Evangelium (passim). 11 Das Neue Testament und sein Text im 2. Jh. worfen wurde; vielmehr ist umgekehrt Lk eine redaktionelle Bearbeitung (und zwar überwiegend eine Ergänzung) eines älteren, vorkanonischen Textes. An dieser Stelle liegt die Konvergenz zu Trobischs These der Endredaktion des NT. Denn es lässt sich wahrscheinlich machen, dass die redaktionelle Hand, die das marcionitische Evangelium bearbeitet und in das kanonische Lk verwandelt hat, mit der von Trobisch angenommenen Endredaktion identisch ist oder in ihre unmittelbare Nähe gehört. Wenn diese „lukanische“ Redaktion ein Teil der Endredaktion des Neuen Testaments darstellt, dann lässt sich die Verfahrensweise dieser Endredaktion anhand der Bearbeitung des marcionitischen Evangeliums konkretisieren und differenzieren. Diese Kanonische Redaktion hat demzufolge sehr viel mehr getan, als paratextuelle Signale, Layoutentscheidungen oder die Titelgestaltung der einzelnen Schriften zu vereinheitlichen: Sie hat tief in den älteren (vorkanonischen) Textbestand eingegriffen und eigene redaktionelle Schwerpunkte gesetzt. Vor allem hat sie die vor-neutestamentliche Überlieferung der Evangelien abgeschlossen und das Vier-Evangelienbuch in die neue Ausgabe integriert. 1.3 Die Kanonische Redaktion und der Text des Neuen Testaments Angesichts des Umstands, dass die Herausgabe der Kanonischen Ausgabe von einem umfassenden theologischen Gestaltungswillen getragen war, der sich in umfangreichen redaktionellen Eingriffen in die älteren Texte äußert (wenige Kürzungen, etliche Änderungen und zahlreiche Ergänzungen), dann überrascht es nicht, dass ein Teil dieser Eingriffe seine Spuren in der handschriftlichen Überlieferung hinterlassen hat. Der Vergleich zwischen dem vorkanonischen Evangelium der für Marcion bezeugten Sammlung und dem kanonischen Lk hat an zahlreichen Stellen Berührungen mit Varianten gezeigt, die in den kanonischen Lk-Handschriften enthalten sind: In rund zwei Dritteln aller (weit über 500) Fälle korrespondieren die für Mcn bezeugten Abweichungen gegenüber Lk mit Varianten des kanonischen Lk-Textes. Diese Korrespondenzen begegnen bevorzugt (aber nicht ausschließlich) in Handschriften des sog. „Westlichen Textes“. Diese enge Beziehung ist am besten so zu erklären, dass die Textgestalt des vorkanonischen Mcn auf die kanonischen Lk-Handschriften eingewirkt hat. Sofern Mcn kein sekundär bearbeiteter, sondern ein vorkanonischer Text mit einer breiten Rezeption ist, ist es leicht vorstellbar, dass dieses alte, vorkanonische Evangelium noch einen länger anhaltenden Einfluss auf die kanonischen Lk- Handschriften ausgeübt hat. Da sich auch der umgekehrte Einfluss der kanonischen Lk-Handschriften auf die Textüberlieferung des marcionitischen Evangeliums wahrscheinlich machen lässt, 3 gab es eine Interferenz der beiden hand- 3 Klinghardt, Evangelium, 72-113. 12 Jan Heilmann, Matthias Klinghardt schriftlichen Überlieferungen. Sie bezeugt das Nebeneinander von zwei verschiedenen Ausgaben desselben Textes, in diesem Fall der vorkanonischen Fassung des Evangeliums (Mcn) neben seiner kanonischen Überarbeitung (Lk). 4 So, wie die Textgestalt des marcionitischen Evangeliums einen Einfluss auf die Textüberlieferung des kanonischen Lk ausgeübt hat, haben wahrscheinlich auch andere vorkanonische Texte auf die handschriftliche Überlieferung der späteren „neutestamentlichen“ Fassungen eingewirkt. Für die anderen Evangelien lässt sich ein solcher Einfluss auch feststellen; er ist allerdings nur in einem geringeren Umfang und vor allem mit einem geringeren Grad an Sicherheit feststellbar als bei Lk. Es ist eine sinnvolle Vermutung, dass sich ein ähnlicher Befund auch für die Paulusbriefe ergeben könnte; zumindest existiert mit den zehn Briefen der Marcionitischen Ausgabe eine Kontrollgröße, die eine Überprüfung dieser Annahme erlaubt. In jedem Fall liegt der Schluss nahe, dass die marcionitische Ausgabe eine Vorgängerausgabe des kanonischen Neuen Testaments war: Das Nebeneinander zweier Ausgaben und eine dazwischen liegende Redaktion ist der Kern der Grundthese, dass das Neue Testament das Ergebnis einer einheitlichen und vereinheitlichenden Edition ist. 2 Fragen und Aufgaben Diese Skizze der Ausgangsthese mit ihren Implikationen stellt nicht die gemeinsamen methodischen Voraussetzungen der folgenden Beiträge dar (dafür liegen Arbeitsgebiete, Prägungen und Fragestellungen viel zu weit auseinander). Aber sie markiert doch einen Bereich gemeinsamer Interessen - verständlicherweise, denn im Umfeld der These einer Kanonischen Redaktion ergeben sich weitreichende Perspektiven, die teilweise erhebliche Auswirkungen auf das Verständnis des Neuen Testaments besitzen. Dieses Potential soll hier sehr grob angedeutet werden. 2.1 Textkritik und Textgeschichte Ein erster Aspekt schließt gleich an die Beobachtung an, dass die älteren, vorkanonischen Textfassungen die kanonische Handschriftenüberlieferung beeinflusst haben, so dass unter den Lesarten der kanonischen Handschriften auch Elemente der älteren Texte auftauchen. Diese textgeschichtliche Beobachtung stellt die Textkritik vor ganz neue Aufgaben und macht zugleich ein empfindliches Defizit ihrer Methodologie deutlich. Denn bei aller Differenzierung der erstrebten Textform („Urtext“; „Ältester Text“; „Ausgangstext“) und der ange- 4 Zu den textgeschichtlichen Implikationen dieser These gibt es jetzt eine erste Diskussion, vgl. Bauer, Evangelium; Schmid, Evangelium; Klinghardt, Textgeschichte. 13 Das Neue Testament und sein Text im 2. Jh. wandten Methode (Lokal-genealogische Methode; Coherence-Based Genealogical Method) ist das Verfahren insofern gleich, als es unter allen Varianten die jeweils älteste Textform zu eruieren sucht. In allen Modellen werden die zahlreichen Varianten als später vorgenommene, sekundäre Veränderungen des einen Bezugstextes (Urtext, Ausgangstext usw.) gedeutet, und zwar, sofern sie nicht auf Abschreibfehler zurückgehen, als redaktionelle Veränderungen. Man kann diese sekundären Veränderungen als Wucherung oder Verwildung kritisch beurteilen, man kann sie als Ausweis von „Lebendigkeit“ der Textüberlieferung positiv würdigen 5 oder sie als gezielte theologische Korrekturen verstehen 6 - in jedem Fall ist die Entstehung der Varianten gegenüber dem wie immer gedachten Bezugstext sekundär, so dass dieser Ausgangstext durch eine einfache duale Leitdifferenz „primär/ sekundär“ identifiziert werden kann. Sofern man jedoch mit Varianten in signifikanter Zahl rechnet, die nicht durch sekundäre Veränderungen entstanden sind, versagen alle bekannten Methoden. Denn wenn die Varianten in der handschriftlichen Überlieferung auf Textformen zurückgehen, die vor dem Text der Kanonischen Ausgabe liegen, wenn also die „Varianten“ primär sind und der (erstrebte) „Text“ sekundär, dann führt die Suche nach den relativ ältesten Lesarten in der Regel zu vorkanonischen Überlieferungsstufen, die von der Kanonischen Redaktion geändert wurden. Um zwischen vorkanonischen und kanonischen Lesarten unterscheiden zu können, bedarf es eines gänzlich anderen Verfahrens. Wie dieses aussehen und methodisch validiert werden könnte, ist vorerst offen: Dies ist keine geringe Aufgabe. 7 Die Annahme, dass ein signifikanter Teil der Varianten durch den Einfluss von Vorstufen des Textes entstanden ist, macht im Übrigen auf ein bemerkenswertes Defizit der gängigen Textkritik aufmerksam. Denn abgesehen von Schreibversehen, die sich in der Regel relativ leicht identifizieren lassen, gibt es keine historisch befriedigende Erklärung für das Zustandekommen von Varianten: Zeiten und Orte (wann und wo wurden Änderungen vorgenommen? ), Akteure (wer ist dafür verantwortlich? ) und Umstände (warum und wie wurde geändert? ) - all das bleibt in aller Regel unbeantwortet und unbeantwortbar. Der gelegentliche Hinweis auf „Kopisten“ erklärt bestenfalls die Versehen, nicht aber redaktionelle Varianten. Demgegenüber eröffnet die Annahme der Kanonischen Redaktion eine historisch nachvollziehbare Erklärung für zahlreiche Varianten: Zeit, Ort, Umstände, Absichten usw. sind nicht beliebig, sondern Elemente der Kanonischen Redaktion und helfen, diese genauer zu profilieren. 5 Vgl. vor allem Parker, Text. 6 Beispielhaft Ehrman, Corruption. 7 Ausführlich zum Problem: Klinghardt, Schrift, 104ff. 14 Jan Heilmann, Matthias Klinghardt 2.2 Die Kanonische Ausgabe und ihre Vorgeschichte Die neuen Perspektiven, die sich aus einer Unterscheidung von zwei Ausgaben der nt.lichen Schriften ergeben, werden vor allem in zwei Bereichen sichtbar: Zum einen rückt mit der Differenzierung unterschiedlicher überlieferungsgeschichtlicher Stadien die Vorgeschichte des NT in den Fokus, zum anderen gewinnt gerade dadurch das letzte Überlieferungsstadium der Kanonischen Ausgabe ein neues Profil. Wenn das historische Verstehen von Texten das Verstehen ihrer Genese impliziert, dann erlaubt die Identifizierung einzelner Überlieferungsstadien ein neues historisches Verständnis der neutestamentlichen Schriften. Für die Evangelien ist aufgrund der unbestreitbaren literarischen Beziehungen die Geschichtlichkeit der Überlieferung seit dem Anfang der historischen Kritik mitgesetzt. Es ist schon deutlich geworden, dass sich das Bild dieser Überlieferung grundlegend verändert, wenn man in der Marcionitischen Ausgabe eine Vorstufe der Kanonischen Ausgabe - und in dem für Marcion bezeugten Evangelium eine Vorstufe des kanonischen Lk - sieht. Dies bezieht sich vor allem auf die Theorien zum „Synoptischen Problem“, geht aber noch darüber hinaus, weil sich auch Joh in diesen Prozess der schriftlichen Evangelienüberlieferung einordnen lässt. Will man nicht davon ausgehen, dass die Kanonische Redaktion alle anderen Schriften des NT neu geschaffen hat (für den 2Tim und den 2Pe liegt diese Annahme jedoch in der Tat nahe), dann muss man davon ausgehen, dass auch diese anderen Schriften in älteren Vorstufen vorgelegen haben - und wahrscheinlich redaktionell bearbeitet wurden. Dies gilt vor allem für die Paulusbriefe, weil für diese die längste Vorgeschichte anzunehmen ist. Nimmt man einmal die zehn Briefe der marcionitischen Apostolossammlung als Ausgangspunkt, dann liegen hier die sieben mutmaßlich authentischen Briefe neben drei pseudepigraphen Ergänzungen vor. Da Pseudepigraphen immer einen existierenden Kontext voraussetzen, in den sie sich einschreiben, liegt dieser Zehn-Briefesammlung mindestens (! ) eine Sammlungsstufe voraus, die Sieben-Briefesammlung. Selbst wenn man (was eher unwahrscheinlich ist) einmal konzediert, dass Eph und Kol auf derselben Überlieferungsstufe wie 2Thess in diese Sammlung eingefügt wurden, ergeben sich mit der postulierten Sieben- und der bezeugten Zehn-Briefesammlung bereits zwei Sammlungsbzw. Überlieferungsebenen vor der Kanonischen Ausgabe, für die redaktionelle Eingriffe sehr wahrscheinlich sind. Für die Zehn-Briefesammlung erlaubt die häresiologische Bezeugung eine ungefähre Abschätzung der Unterschiede zu den Fassungen in der Kanonischen Ausgabe; die redaktionellen Veränderungen bei der Erstellung der Zehn-Briefesammlung dagegen kann man noch nicht einmal ahnen und schon gar nicht konkretisieren. In jedem Fall sind wir von den dokumentarischen Fassungen der Paulusbriefe denkbar weit ent- 15 Das Neue Testament und sein Text im 2. Jh. fernt, ohne diese Entfernung auch nur halbwegs genau einschätzen zu können: Das hat einige Auswirkungen auf die Sicherheit, mit der das Bild des „historischen Paulus“ aus seinen Briefen erhoben werden kann. Da sich der Umfang der Kanonischen Redaktion der Marcionitischen Apostolossammlung in etwa abschätzen lässt, lassen sich redaktionelle Überarbeitungen und Ergänzungen innerhalb der Paulusbriefe mit hinreichender Sicherheit identifizieren. Im Unterschied zu der seit vielen Jahrzehnten diskutierten Literarkritik der Paulusbriefe, für die in langen Forschungsperioden Pendelausschläge nach beiden Seiten ihre Konjunktur hatten, geht es dabei nicht um den Rückschluss von inhaltlichen „Spannungen“ oder „Brüchen“ auf die Verarbeitung von Quellen, sondern um den umgekehrten Weg: Die sekundären Bearbeitungen, die sich für die Kanonische Redaktion wahrscheinlich machen lassen, eröffnen die Möglichkeit, redaktionelle Spuren auch dort zu identifizieren, wo solche Spannungen bisher gar nicht aufgefallen waren, und sie für die Interpretation fruchtbar zu machen. Datiert man die Endredaktion des Neuen Testaments auf die Mitte des 2. Jh., dann liegen ihr rund 100 Jahre Überlieferungsgeschichte von den frühesten Anfängen der dokumentarischen Paulusbriefe (bei der üblichen Datierung in die 50er Jahre des 1. Jh.) voraus. 100 Jahre Überlieferungsgeschichte heißt auch: 100 Jahre theologische Entwicklung, die sich in den Überlieferungsstufen einzelner Teilsammlungen und ihrer Redaktion niedergeschlagen hat. Ob es gelingt, die „dunklen Jahrzehnte“ der frühesten Geschichte des Christentums aufzuhellen, bleibt abzuwarten. Immerhin wird deutlich, dass diese 100 Jahre theologischer Entwicklung durch die Produktion, Rezeption und Redaktion von Texten gekennzeichnet sind. In dem Maß, in dem Umfang und Gestalt der Marcionitischen Ausgabe deutlich werden, gewinnt schließlich auch die Kanonische Ausgabe Profil und wird das theologische Konzept der Kanonischen Redaktion sichtbar. Dieses redaktionelle Konzept könnte der Schlüssel zu einer historisch fundierten Theologie des Neuen Testaments sein. Der theologische Gestaltungswillen dieser Ausgabe lässt sich zwar nicht einfach auf die redaktionellen Veränderungen reduzieren, wird hier aber in besonderer Weise erkennbar, weil auch die aus der Vorstufe der Marcionitischen Sammlung rezipierte „Tradition“ erst im Licht der „Redaktion“ ihr Eigengewicht erhält: Diese Redaktion gibt zu erkennen, in welcher Hinsicht der Vielfalt der übernommenen Traditionen eine Einheit zukommt: Das redaktionelle Konzept der Kanonischen Ausgabe kommt dem am nächsten, was man als Theologie des Neuen Testaments bezeichnen könnte. 16 Jan Heilmann, Matthias Klinghardt 3 Beiträge Diese Überlegungen deuten die möglichen Konsequenzen an, die sich aus der These der Endredaktion mit ihren Erweiterungen und Differenzierungen ergeben könnten. Aber wie lässt sich die Ausgangsthese über die von Trobisch genannten Argumente hinaus validieren? Wie der Eindruck vermeiden, dass in einem geschlossenen System nur jeweils die eigenen Voraussetzungen bestätigt werden? Da sich die Richtigkeit historischer Urteile nicht beweisen, sondern nur plausibilisieren lässt, liegt die wichtigste Begründung für die Tragfähigkeit der Ausgangsthese in dem Nachweis, dass sie viele - und zwar: viele verschiedene - Fragen in einem einheitlichen Modell zu beantworten in der Lage ist. Das bedeutet aber im Umkehrschluss auch, dass man sich zunächst auf die These der Kanonischen Ausgabe und ihre Weiterungen einlassen muss, um sie auf ihre Tragfähigkeit hin zu befragen. Die folgenden Beiträge machen dazu einen Anfang. Am Anfang steht verständlicherweise Trobischs These von der Endredaktion des Neuen Testaments. 20 Jahre nach ihrer ersten Formulierung ist es notwendig, sie kritisch zu evaluieren und sie auf ihre Tragfähigkeit hin zu überprüfen. Dazu gibt zunächst Jan Heilmann einen auswertenden und systematisierenden Überblick über die bisherige Rezeption der These in der Forschung. Dabei stellt er auf der Grundlage einer Auswertung der relevanten patristischen Quellen, die traditionell zur Frage der Kanonentstehung herangezogen werden, außerdem die These auf, dass sich die von Trobisch in den Handschriften identifizierten Teilsammlungen auch in diesen metatextuellen Zeugnissen widerspiegeln und zieht daraus die Schlussfolgerung, dass die patristischen Zeugnisse nicht einen dynamischen Wachstumsprozess der Integration und Ausscheidung reflektieren, sondern die Diskussion über eine bereits bestehende Zusammenstellung in vier Teilsammlungen. Wolfgang Grünstäudl diskutiert die These einer Kanonischen Ausgabe anhand der Rolle, die Trobisch dem Zweiten Petrusbrief zuweist: Er hält die Ausgangsthese in der von Trobisch vorgetragenen Form für nicht haltbar. Mit seinem Widerspruch hat Grünstäudl deutlich gemacht, an welchen Stellen und mit welchen Fragen die weitere Diskussion einsetzen müsste. Denn ähnlich wie Heilmann kann er bei seiner kritischen Würdigung entlang von Trobischs Begründungsstruktur zeigen, dass die These häufig aus unzutreffenden Gründen zurückgewiesen worden sei. Einwände gegen die These der Kanonischen Ausgabe des Neuen Testaments beruhen aber nicht nur auf der Interpretation der (handschriftlichen und patristischen) Zeugnisse, sondern auch auf alternativen Vorstellungen von der Entstehung des „Kanons“ als Resultat eines dynamischen Sammlungs- und Aus- 17 Das Neue Testament und sein Text im 2. Jh. scheidungsprozesses. Am wichtigsten ist hier die von Theodor von Zahn breit begründete Theorie, die in der gottesdienstlichen Verlesung einzelner Schriften das entscheidende Movens für deren Sammlung und Kanonisierung sieht. In diesem Zusammenhang untersucht Clemens Leonhard in liturgiewissenschaftlicher Perspektive die Frage eines Zusammenhangs zwischen liturgischer Lesung und der Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte der Evangelien. Dabei zeigt er, dass standardisierte Formen liturgischer Lesungen sich erst im 4. Jh. entwickeln und die Quellenbelege aus dem 2. Jh. und aus der ersten Hälfte des 3. Jh. viel weniger standardisierte Formen der Rezeption von biblischen Texten zeigen, als gemeinhin angenommen wird. Dieses Ergebnis entzieht dem Zahn’schen Modell die Grundlage und stellt daher auch die damit verbundene Vorannahme zur Entstehung der Sammlung in Frage. Willy Clarysse und Pasquale Orsini, die in einem wichtigen Aufsatz theologisch motivierte Frühdatierungen neutestamentlicher Handschriften problematisiert hatten, 8 führen diese Arbeit hier fort und ergänzen ihre bisherige Arbeit um Handschriften mit alttestamentlichen und patristischen Texten. Ihre Arbeit zeigt, dass der handschriftliche Befund für das 2. Jh. sehr überschaubar ist. In Bezug auf die Frage einer Kanonischen Ausgabe im 2. Jh. bedeutet dies, dass der Befund sowohl wegen der geringen Stichproben (zeitlich und regional) als auch wegen des zumeist fragmentarischen Zustandes der Papyri, die sich möglicherweise in das 2. Jh. datieren lassen, keinen Aussagewert für die Frage der Entstehung des Neuen Testamentes in Form von 27 Schriften hat. Hinsichtlich der Ausgangsthese bleibt dieser Befund ambivalent: So wenig, wie er ein dynamisches Wachstumsmodell plausibilisieren kann, so wenig erhöht er die Wahrscheinlichkeit einer Erstausgabe. Umgekehrt kann der handschriftliche Befund diese These aber auch nicht widerlegen. Denn das Alter einer Hs. sagt noch nichts über das Alter des enthaltenen Textes aus. Ein zentraler Aspekt der Annahme einer einheitlichen Kanonischen Redaktion liegt in den Konsequenzen für die Textkritik, weil die Entstehung von Varianten nicht auf sekundäre Veränderungen reduziert werden kann. Wenn ein Prätext des kanonischen Neuen Testaments im Marcionitischen Evangelium vorliegt, ist es von zentraler Bedeutung, wie sich der rekonstruierte Text digital erschließen lässt und welche Vorteile damit verbunden sind. Das ist eines der Ergebnisse des Beitrags von Juan Garce´s. Er führt aus, dass die textkritische Forschung und damit auch die Forschungsbemühungen um die These einer Kanonischen Ausgabe und deren Vorgeschichte im Zeitalter des digitalen Medienwandels vor neuen Herausforderungen stehen; umgekehrt eröffnen sich aber auch ganz neue Möglichkeiten. Garce´s analysiert, wie die bisherige textkritische 8 Vgl. Orsini/ Clarysse, New Testament Manuscripts. 18 Jan Heilmann, Matthias Klinghardt Forschung trotz fortgeschrittener Implementierung digitaler Methoden medientechnisch noch immer durch das Druckzeitalter beeinflusst ist, und zeigt auf, wie sich sowohl die Forschungsmethodik als auch die Repräsentation von Texten im digitalen Zeitalter wandelt. Der Beitrag von Jan Heilmann und Peter Wick fragt danach, wie mit redaktionellen Varianten umgegangen werden soll, bei denen einerseits aus der Sicht der traditionellen textkritischen Kriteriern nur schwer eine eindeutige Entscheidung getroffen werden kann und die andererseits große Auswirkungen auf das narrative Gefüge des Johannesevangeliums haben. Sie nehmen explizit das heuristische Modell der Unterscheidung eines vorkanonischen und eines kanonischen Johannesevangeliums auf und untersuchen anhand exemplarischer Textvarianten, ob in der handschriftlichen Textüberlieferung des Johannesevangeliums Spuren eines vorkanonischen Johannesevangeliums zu identifizieren sind. Sie zeigen, dass sich im Rahmen des Modells durchaus plausible Erklärungen für die Entstehung einzelner redaktioneller Varianten finden lassen. Wenn die These von der Kanonischen Redaktion zutrifft, dann hat sie ihre Spuren nicht nur in der handschriftlichen Überlieferung hinterlassen, sondern auch das redaktionelle Gesamtkonzept des Neuen Testaments gestaltet. In diesem Sinn analysiert David Trobisch das Johannesevangelium und identifiziert mögliche Passagen eines editorischen Eingreifens in den Text. Davon ausgehend vergleicht er die Figur des Jüngers Johannes in der für Marcion bezeugten Sammlung mit dem Konzept in der Kanonischen Ausgabe. Während Johannes in der für Marcion bezeugten Sammlung ein farbloser Nebencharakter ist, wird er durch den (die) Herausgeber der Kanonischen Ausgabe als Gegengewicht zu Paulus deutlich aufgewertet. Die Identifizierung der Kanonischen Redaktion korreliert zwingend mit einer bestimmten Gestalt des Prätextes; da dessen Rekonstruktion auch immer umstritten ist, liegt hier die Gefahr einer zirkulären Argumentation nahe. Markus Vinzent diskutiert in seinem Beitrag am Beispiel des Vaterunsers die Bedeutung der methodologischen Vorannahmen für die Rekonstruktion des für Marcion bezeugten Evangeliums, das er für ein Produkt von Marcion hält. Vinzent zeigt, welche Auswirkungen die Bestimmung des Bearbeitungsgefälles zwischen dem für Marcion bezeugten Evangelium und dem kanonischen Lukasevangelium für die Rekonstruktionsentscheidungen hat, bzw. wie die Einschätzung, ob Marcion selbst der Verfasser des Evangeliums war oder nicht, sich auf die Rekonstruktion auswirkt. Die Kanonische Redaktion hat ihr gestalterisches Potential auch mit umfangreichen und komplexen Ergänzungen unter Beweis gestellt. Matthias Klinghardt zeigt anhand der neutestamentlichen Abrahamüberlieferung, dass sich ihr Wachstum in mehreren Überlieferungsschritten nachvollziehen lässt. Auf der 19 Das Neue Testament und sein Text im 2. Jh. letzten Ebene der Kanonischen Ausgabe wird die vielgestaltige Abrahamtradition gezielt zur Klärung des Verhältnisses zwischen Paulus und Jakobus eingesetzt: Die mit dem Abrahambeispiel verbundene Redaktion erklärt einerseits die Spannungen zwischen beiden, dient andererseits aber dem Nachweis, dass sie in den fundamentalen Fragen völlig übereinstimmen. Trotz der Unterschiedlichkeit der einzelnen Beiträge und der notwendigen Differenzierungen hat der Ansatz seine Validität und Fruchtbarkeit in sehr verschiedenen Bereichen gezeigt. Was die neuen Perspektiven, die sich hier ergeben, methodologisch und theologisch bedeuten, untersucht Günter Röhser. Er skizziert und systematisiert in seinem Beitrag die Konsequenzen der These einer Kanonischen Ausgabe für die neutestamentliche Wissenschaft. Dabei unterscheidet er zwischen exegetisch-historischen und theologisch-hermeneutischen Konsequenzen und kommt zu dem Ergebnis, dass die These der Kanonischen Ausgabe vor allem in historischer Hinsicht ein „Altering of the Default Setting“ (Dunn) bedeute, insofern sich insbesondere die Grundlagen für die neutestamentliche Textkritik veränderten. Aus hermeneutischer Sicht habe die These das Potential, neutestamentliche Theologie bzw. kanonische Auslegung historisch zu begründen. Die These einer editio princeps des Neuen Testaments im Spiegel der Forschungsdiskussion der letzten zwei Jahrzehnte Jan Heilmann „Die Geschichte des Neuen Testamentes ist die Geschichte eines Buches. Eines Buches, das von einem konkreten Herausgeberkreis an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt herausgegeben wurde.“ 1 Dies ist die zentrale These einer Herausgabe von 27 Schriften mit dem Titel „Neues Testament“ im zweiten Jahrhundert, die David Trobisch in seiner 1996 erschienen Habilitationsschrift aufgestellt hat. Seine These beruht bekanntermaßen auf vier zentralen Beobachtungen zur Einheitlichkeit des neutestamentlichen Handschriftenbefundes: „Die Notierung der nomina sacra, die Kodexform, die in den Handschriften einheitlich überlieferte Reihenfolge und Anzahl von Schriften, die Formulierung der Titel und die Hinweise darauf, daß die Sammlung von Anfang an einen einheitlichen Namen hatte, all das sind Elemente, die auf eine sorgfältige Endredaktion zurückzuführen sind.“ 2 Darüber hinaus arbeitete Trobisch das literarische Konzept der in Sammlungseinheiten herausgegebenen neutestamentlichen Schriften heraus. Das Ziel dieser Ausgabe habe darin bestanden, die Geschichte des frühen Christentums in einer spezifischen Perspektive, mit einer Tendenz zur Harmonisierung darzustellen und v. a. den Konflikt zwischen Paulus und den Autoritäten in Jerusalem zu entschärfen. 3 Die Reaktionen in der Forschung auf diese These reichen von polemischer Ablehnung 4 über wohlwollende Kritik und Skepsis 5 bis hin zu vereinzelter pro- 1 Trobisch, Endredaktion, 11. 2 Trobisch, Endredaktion, 70. 3 Vgl. Trobisch, Endredaktion, insb. 147. 4 „Nur schwer ist dem Buch gerecht zu werden, denn seine an formalen Beobachtungen des Textes orientierte Hypothese hat kaum Anhaltspunkte jenseits der Phantasie ihres Erfinders,“ (Maurer, Rez. Trobisch, 57). 5 „These comments on certain problems [ … ] are not intended as pedantic detail. They are offered in the belief that this is a very important piece of work, which should be fully discussed by all those with an interest in the New Testament as a collection of writings, and 22 Jan Heilmann duktiver Aufnahme der Ideen Trobischs. 6 Als Ausgangspunkt für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der These einer editio princeps des Neuen Testaments (im 2. Jahrhundert) erscheint der Versuch sinnvoll, die bisher in der Forschung formulierte Kritik an Trobischs Studie systematisierend zusammenzufassen und zu evaluieren. Dazu werde ich die Reaktionen auf die These Trobischs unter den folgenden Kategorien verhandeln. 1. Methodische Anfragen an die Auswertung des Handschriftenbefundes 2. Sozial- und kirchengeschichtliche Argumente 3. Kritik an fehlender historischer Kontextualisierung 4. Das Problem der Sammlung der Katholischen Briefe Zuletzt möchte ich den Ertrag dieser Durchsicht im Hinblick auf das Thema des Sammelbandes und für die weitere Forschung zusammenfassen. Im Anschluss an die englischsprachige Ausgabe von Trobischs Habilitationsschrift 7 verwende ich den metasprachlichen Begriff editio princeps/ Erstedition statt „kanonische Ausgabe“, um Missverständnisse zu vermeiden und schon begrifflich den Neuansatz zu markieren, der mit der These Trobischs verbunden ist. Zudem wird die Instanz, welche die von Trobisch postulierte Ausgabe zu verantworten hat, im Singular als Herausgeber bezeichnet, weil Trobischs These eine einheitliche Bearbeitung voraussetzt. Damit ist aber weder über Anzahl noch über das oder Geschlecht der Person(en) irgendeine Aussage gemacht. that the case could be strengthened by a revised and extended edition in the light of that discussion, with a response to the objections which are raised. Whether the case for a Canonical Edition will convince remains to be seen. But the debate is likely to advance our understanding,“ (Parker, Rez. Trobisch, 304f). 6 Vgl. v. a. Klinghardt, Evangelium. Exemplarisch sei hier außerdem die Aufnahme der These in Ebner/ Schreiber, Einleitung, 9-52 genannt. Inspiration gefunden bei Trobisch haben auch: Nienhuis, Paul; Nienhuis/ Wall, Reading; Epp, Issues; Bokedal, Formation. Vgl. außerdem die positive Würdigung der These bei Theobald, Studien, 392; Balla, Evidence; Ferguson, Factors, 311f; Gamble, Recent Research, insb. 290f. Vgl. außerdem Larson, Rez. Trobisch: „Without a doubt, there must have been some degree of professional editorial redaction of the New Testament. [ … ] Furthermore, while the Canonical Edition as Trobisch presents it may not have been the archetype for all subsequent editions, he is certainly correct in presenting his Canonical Edition in competition with other works. His discussion of the New Testament from the perspective of the reader is particularly illuminating as well. The First Edition of the New Testament, while not without its flaws, is certain to be a major landmark in the field and will occupy a place next to the works of Skeat, Roberts, and Gamble on the bookshelves of both students and scholars.“ 7 Vgl. Trobisch, First Edition. 23 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments 1 Methodische Anfragen an die Auswertung des Handschriftenbefundes Das Hauptgewicht der kritischen Anmerkungen zur These einer editio princeps liegt auf methodischen Vorbehalten bezüglich der Auswertung des Handschriftenbefundes. So wird a) von einigen Kritikern moniert, dass Trobisch einen Großteil der neutestamentlichen Papyrusfragmente, die s. E. für eine Feststellung der Reihenfolge der Schriften nicht auswertbar seien, 8 als eigene Evidenzgröße nicht berücksichtige und er seine Beobachtungen stattdessen b) v. a. an den jüngeren „Vollbibeln“ gewonnen habe. 9 Abweichungen von der postulierten Reihenfolge der Sammlungseinheiten in sog. „Vollbibeln“ als auch innerhalb der Sammlungseinheiten selbst würden c) als nicht aussagekräftige Ausnahmen dargestellt. 10 Vor allem sei d) die Argumentation bzgl. der Sammlungseinheiten für die alttestamentlichen Hss. nicht durchzuhalten. 11 e) Zudem wird Trobisch von D. C. Parker vorgehalten, seine auf den Überschriften basierende Argumentation hielte der Evidenz nicht stand, da die zugrundeliegenden Daten von Hengel unzulänglich seien. 12 So seien die Überschriften in P 4.64.67 sicher und in P 66 „vielleicht“ (1992)/ „wahrscheinlich“ (2001) von einer späteren Hand hinzugefügt worden. 13 Er expliziert sein Gegenargument in seiner Rezension nicht, es müsste aber, um argumentative Stoßkraft gegen Trobischs Untersuchung zu entwickeln, lauten: Evangelien seien in Sammlungen auch ohne Titel zirkuliert. f) Weitere häufig genannte Gegenargumente beziehen sich auf Trobischs Beobachtungen zu den Nomina Sacra, deren Notierung in den Handschriften gerade nicht einheitlich durchgehalten würde, 14 die auch in außerkanonischen/ apokryphen christlichen Schriften vorkommen 15 und - ich muss ergänzen - sogar archäo- 8 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 44-46. 9 Vgl. z. B. Maurer, Rez. Trobisch, 57; Parker, Rez. Trobisch, 302; Petersen, Evangelienüberschriften, 258f. 10 Vgl. z. B. Schnelle, Einleitung, 44; Petersen, Evangelienüberschriften, 259. 11 Holmes, Transmission, 63-65, ist einer der wenigen, die explizit auf die Variationen innerhalb der alttestamentlichen Sammlungseinheiten hinweisen. Siehe auch Grünstäudl, Geschätzt und bezweifelt, in diesem Band, 79-81. 12 Vgl. Parker, Rez. Trobisch, 302. 13 Vgl. Parker, Codex, 11 (1992); Parker, Rez. Heckel, 299 (2001). 14 Chancey, Rez. Trobisch; Parker, Rez. Trobisch, 301, verweist auf die Varianz der Abkürzungstechnik: Kontraktion und Suspension. Vgl. außerdem die Diskussion der Gegenargumente durch Tuckett, Nomina Sacra, insb. 441-443, sowie Tucketts eigene These, das System der Nomina Sacra sei als Lesehilfe (Markierung von key words) entwickelt worden (vgl. Tuckett, Nomina Sacra, insb. 455-458; dazu Hurtado, Artifacts, 122ff). Vgl. zur Diskussion um die nomina sacra weiterführend Bokedal, Notes; Bokedal, Formation, 83-123. 15 Vgl. Elliott, Rez. Trobisch, 423; Petersen, Evangelienüberschriften, 258. Siehe auch Grünstäudl, Geschätzt und bezweifelt, in diesem Band, 70. 24 Jan Heilmann logisch bezeugt sind. 16 g) Parker, der selbst mit der Metapher des „lebendigen Textes“ arbeitet, 17 fragt zudem an, wie Trobischs These mit der großen textkritisch feststellbaren Varianz des neutestamentlichen Textes (er spricht von Texttypen) vereinbar sei: „Would one not expect a greater uniformity? “ 18 ; h) P. Brandt, der in seiner Arbeit zur Endgestalt des (alttestamentlichen) Kanons die These Trobischs einer Endredaktion eingehend im Hinblick auf ihre heuristische Kraft würdigt, 19 merkt kritisch an, dass Trobisch nur die griechische Rezeption, z. B. aber nicht die Reihenfolge in der altlateinischen Handschriftentradition berücksichtige. 20 Zu den Kritikpunkten a)-c) ist zunächst anzumerken, dass die Schlagkraft des Arguments, das vor allem auf der Annahme des höheren Alters und damit Wertes der Papyrusfragmente gegenüber den „Vollbibeln“ basiert, angesichts der gut begründeten Problematisierung der häufig theologisch motivierten Frühdatierung deutlich sinkt. 21 Vor diesem Hintergrund ist auch der Versuch einer statistischen Erhebung der Überlieferungslage, wie er bei S. Petersen zu finden ist, methodisch problematisch und wenig aussagekräftig. 22 Die Annahme, bei einer Herausgabe einer Vierevangeliensammlung schon im 2. Jh. „müßten wenigstens 16 Vgl. dazu weiterführend Wicker, Graffiti. 17 Vgl. Parker, Text. 18 Parker, Rez. Trobisch, 303. 19 Bezüglich der Frage nach der Eignung von Trobischs Modell für die Untersuchung des AT kommt Brandt zuletzt zu dem Ergebnis, dass „sich Trobischs Idee einer rezeptionsfähigen Ausgabe ohne feste Abfolge der Blöcke sehr gut für die Beschreibung dessen [eignet], was die Überlieferungsgeschichte des AT an Kanonizität der Anordnung möglich macht. Es wäre im Sinne Trobischs zu suchen nach den frühesten (griechischen) Zeugen dieser Hauptform,“ (Brandt, Endgestalten, 278 [Hervorhebungen im Original]). 20 Vgl. Brandt, Endgestalten, 377. Zudem wirft Brandt Trobisch vor, seine Argumentation bezüglich der „Gruppierung der neutestamentlichen Schriften nach literarischen Gattungen“ (Trobisch, Endredaktion, 99) im Hinblick auf alt- und neutestamentliche Strukturanalogien (Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft) sei unausgewogen, da er nicht problematisiere, „daß gerade die von ihm stark gemachte Größe des Praxapostolos gattungsmäßige Gliederungsmerkmale unberücksichtigt“ lasse (Brandt, Endgestalten, 360). Um Trobischs Argumentation gegenüber dieser Kritik aufrecht zu erhalten, wäre tatsächlich zwingend anzunehmen, dass der Herausgeber zuletzt doch eine feste Reihenfolge der Teilsammlungen vorgesehen habe, nämlich: e a p r (Evangeliensammlung, Apg und Kath. Briefe, Paulusbriefsammlung, Apokalypse). 21 Vgl. Orsini/ Clarysse, Manuscripts; Orsini/ Clarysse, Christian Manuscripts, in diesem Band. Vgl. außerdem die methodologisch reflektierte Problematisierung von gängigen, auf paläographischen Datierungen beruhenden Argumentationsmustern in der exegetischen Disziplin bei Nongbri, Use; Nongbri, Limits. In letzterem Beitrag zeigt er, dass die übliche paläographische Datierung von P 66 viel zu eng gefasst ist. Auf der Grundlage sicher datierbaren Parallelmaterials müsste das Zeitfenster zur Datierung bis ins 4. Jahrhundert ausgeweitet werden. 22 Vgl. Petersen, Evangelienüberschriften, 255-257. 25 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments annähernd gleich viele Exemplare der Einzelevangelien wieder aufgetaucht sein,“ 23 scheitert nicht zuletzt auch an der geringen Reliabilität des papyrologischen Befundes, der sich durch - vor allem regionale - Kontingenz und eine geringe Stichprobengröße auszeichnet. Zudem ist mit P 66 ein Einzelkodex bezeugt, der, wenn die Titelformulierung ursprünglich ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einer Evangeliensammlung stammen muss. 24 Wenn man aus einem Sammelband nur mit einem Aufsatz arbeiten möchte, kopiert man nicht das ganze Buch. Davon, dass Trobisch die (wenigen! ) Abweichungen in der Reihenfolge der Schriftenanordnung als „nicht aussagekräftige Ausnahmen“ 25 darstelle, kann keine Rede sein. Vielmehr zeigt er begründet, wie sowohl die Abweichungen der Reihenfolge innerhalb der Sammlungseinheiten als auch insb. die Abweichungen in P 46 , D05, D06 und W032 zum Teil auf bewusste editorische Entscheidungen zurückgehen und sich als redaktionelle Umordnungen einer editio princeps interpretieren lassen. 26 Darüber hinaus ist das Phänomen bekannt und nicht ungewöhnlich, dass Schriften aus ihren ursprünglichen Sammlungskontexten herausgerissen und neu zusammengestellt werden. Diesbezüglich kann auf verschiedene Beispiele verwiesen werden: 1. Papyrus Bodmer V.VII-XIII.XX (entspricht z. T. P 72 ): u. a. Jud; OdSal 11; Melito von Sardes, Passahomilie; Ps.-Pls. 3Kor; Ps 33 f. LXX; 1/ 2Petr. 27 Im Rahmen des Modells einer Erstedition ist der Papyrus Bodmer VII-IX im 23 Petersen, Evangelienüberschriften, 257. Siehe dagegen auch Hill, Four-Gospel Canon, insb. 333. Petersen ist sich der Schwäche der statistischen Argumentation bewusst, wie Anm. 22 zeigt. Das Problem der regionalen Kontingenz des papyrologischen Befundes ist schon für Ägypten selbst ein Problem, da die Papyri zumeist aus der regionalen Provinz und nicht aus den Zentren (z. B. Alexandria im Nildelta) stammen. Inwiefern „die deutliche Änderung der Zahlen in den folgenden Jahrhunderten“ belegte, dass „dieser Befund durchaus ein Spiegel der tatsächlichen Verhältnisse sein dürften“ (ebd.), macht Petersen nicht deutlich. Auch diesbezüglich gelten die genannten methodischen Vorbehalte. 24 S. dazu unten. 25 Schnelle, Einleitung, 440. 26 Trobisch, Endredaktion, insb. 47-54. Die Tabellen bei Holmes, Transmission, 64f, zeigen zudem, dass sich im Sinaiticus, Alexandrinus und Vaticanus auch im AT feste Sammlungseinheiten finden lassen, innerhalb derer es zu Variationen kommt, die sich im Rahmen von Trobischs Modell vielleicht auch als Umordnungen einer editio princeps interpretieren ließen. 27 Aus der Zusammenstellung von P 72 zu schließen, dass 1. u. 2. Petr sowie Jud im vierten Jh. noch nicht als vollständig kanonische Schriften anerkannt waren, ist methodisch fragwürdig, da die Kategorien „Sammlung“ und „Kanon“ nicht angemessen differenziert werden, und der sekundäre kodikologische Charakter (vgl. dazu Nongbri, Construction) m. E. keine zuverlässigen Aussagen über die ursprünglichen Sammlungszusammenhänge zulässt (gegen Epp, Issues, 492). Auch Grünstäudl mutet P 72 m. E. in seinen Publikationen eine zu große Beweislast zu, s. u. zu den eindeutigen Belegen für eine katholische Siebenbriefesammlung im 3. Jh. 26 Jan Heilmann engeren Sinne nicht als „neutestamentliche“ Handschrift zu werten, sondern als Neuzusammenstellung mit einem eigenständigen redaktionellen Interesse. B. Aland hat eindrücklich herausgearbeitet, dass die singulären Textvarianten, die sie auf die Schreiber des Sammelkodex zurückführt, mit dem („antihäretischen“) redaktionellen Interesse der Sammlungszusammenstellung korrelieren. 28 2. Im Crosby-Schøyen Codex (vermutlich Ende des 3. Jh., koptisch-sahidisch) sind mit einem Auszug aus 2Makk (5,27-7,41) und dem Jonabuch eindeutig Werke aus anderen Sammlungszusammenhängen zu einer neuen Sammlung verbunden und mit neuen Überschriften versehen worden. 29 3. P. Bodm. 3 (ed. Kasser) ist eine koptische (pbo) „Edition“ von Joh und Gen, deren Motivation sich vermutlich vor allem aus der Bezugnahme von Joh 1 auf Gen 1 ergibt. Bei beiden Texten ist der Titel erhalten: bei Gen als inscriptio (ⲅⲉⲛⲉⲥⲓⲥ); die subscriptio von Joh (ⲉⲩⲁⲅⲅⲉⲗⲓⲟⲛ ⲕⲁⲧⲁ ⲓⲱⲁⲛⲛⲏⲥ) entspricht der in den griechischen Hss. überlieferten Form, die Trobisch mit der Erstedition in Verbindung bringt oder die doch zumindest auf die Zusammenstellung einer Vierevangeliensammlung zurückzuführen ist (s. u.). 4. Bei P. Mich. 3520 (4. Jh.; Koh, 1Joh, 2Petr) ist leider nicht mehr ersichtlich, ob die Briefe nummeriert worden sind, da die letzten Buchstaben der subscriptio von 1Joh fehlen und der Text des Kodex nach 2Petr 3,14 abbricht. 30 5. P. Mich. 3992, ein fragmentarisch erhaltener, einlagiger Kodex in kleinem Format (ca. 14 × 9 cm), von Husselmann auf das 3./ 4. Jh. datiert, war eine Zusammenstellung von Joh, einem nicht mehr zu identifizierenden Text, 1 Kor, Tit, Ps und Jes. 31 Zu Recht betont W. Grünstäudl gegen eine zu starke Suggestion des statistischen Arguments, dass sich die Argumentation Trobischs bezüglich der Reihenfolge der Einzelschriften in den einzelnen Teilsammlungen auf 20 bzw. 21 Manuskrip- 28 Vgl. Aland, Rolle, insb. 308; vgl. weiterführend Wassermann, Papyrus 72, und Nicklas/ Wassermann, Linien, die Alands Überlegungen noch nicht rezipieren konnten und vorsichtiger bezüglich des redaktionellen Interesses argumentieren: „Vergleicht man das Gesamt von Codex Bodmer Miscellani mit anderen Sammelcodices [ … ], so ergibt sich für ihn also eine Mittelstellung zwischen Codices, deren Texte ganz offensichtlich unter einem die Einzeltexte recht eng verknüpfenden leitenden Thema verzahnt sind, und solchen, bei denen keinerlei innerer Zusammenhang erkennbar ist“ (185); vgl. außerdem Jones, New Proposal. 29 Vgl. Goehring, Codex; vgl. zur Paginierung (bei 1Petr setzt die Zählung neu an) Goehring, Codex, XLVI f. Nicklas/ Wassermann, Linien, 186, kennzeichnen das redaktionelle Interesse des Crosby-Schøyen Codex mit den Stichworten „Pascha/ Ostern“. 30 Vgl. Schenke/ Kasser, Papyrus Michigan. 31 Vgl. Husselmann, Collection, 5f. Vgl. ferner P. Beatty XV: Apologie des Phileas; Ps 1-4 LXX (ed. Pietersma, Acts); BM.Or. 7594: Dtn 1-34; Jon 1-4; Act 1-28. 27 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments te (zzgl. der drei großen Kodizes 01 02 03) aus den ersten sieben Jahrhunderten bezieht, von denen fünf bzw. sechs eine andere Reihenfolge bieten. 32 Es ist richtig, dass es sich hier nicht um „beeindruckende 99,8%“ handelt, die „den einheitlichen Befund bestätigen.“ 33 Lässt man nun die strittigen Hss. P 45 und 016 sowie P 72 wegen des eindeutigen Charakters einer redaktionellen Neuzusammenstellung (s. o.) außen vor, sind es immer noch knapp 80% der auswertbaren Hss., welche die Reihenfolge innerhalb der Sammlungseinheiten der großen Kodizes bestätigen, wobei die Reihenfolge der vier Abweichler durchaus in Relation zu den anderen interpretiert werden kann (s. o.). Abgesehen von der Frage nach der Reihenfolge der Einzelschriften innerhalb der Teilsammlungen zeigt Trobischs Auswertung ganz deutlich eine hohe Konstanz der Teilsammlungen e p a r über einen großen Zeitraum hinweg, die sich sowohl in den griechischen Hss. manifestiert als auch - wie eine erste kurze Durchsicht zeigt - in einigen alten Übersetzungen ihren Niederschlag gefunden hat. 34 Hier muss in Umkehrung von Anfragen an Trobischs Methode die Frage gestattet sein, ob vor dem Hintergrund eines Modelles, das die Entstehung des Kanons mit den Kategorien wie Zirkulation und Sammlung in und zwischen den Gemeinden, Wachstum sowie Integration und Ausscheidung beschreibt, nicht eine größere Heterogenität in den Hss. zu erwarten sein müsste. Es bleibt m. E. bei der Feststellung Trobischs, dass die Organisation in Teilsammlungen in den voneinander unabhängig entstandenen großen Kodizes des 4. und 5. Jh. auf einen Vorläufer zurückgeführt werden muss. 35 Die Frage ist nur, wann diese Anordnungen entstanden sind. Und neben der hohen Konstanz der Teilsammlungen im hss. Befund sind es hier gerade die literarischen Quellen, in denen sich die Sammlungseinheiten schon früher widerspiegeln (s. u. Punkt 2 und zur Frage von Apg und katholischen Briefen auch Punkt 4). 36 Völlig zutreffend ist jedoch d) die von Holmes und Grünstäudl geäußerte Kritik an Trobischs Idee, dass das Neue Testament zusammen mit dem Alten 32 Vgl. Grünstäudl, Geschätzt und bezweifelt (in diesem Band, 74-79). Inwiefern man allerdings in Anbetracht der neu entfachten Diskussion um die Datierung der Papyri in Anknüpfung an Aland/ Aland, Text, 67, noch von einer textgeschichtlichen Grenze und dem Beginn einer völlig neuen Entwicklung im 4. Jh. sprechen kann (danach ordnet Grünstäudl den hss. Befund), müsste neu diskutiert werden. Hier scheint mir bei Aland/ Aland, Text, vor allem eine spezifische These des Kanonabschlusses im 4. Jh. leitend zu sein. 33 Klinghardt, Inspiration, 338. 34 Vgl. zur regelmäßigen Aufteilung der Teilsammlungen in den altlateinischen Hss. v. a. die Tabelle bei Metzger, Versions, 308-311. S. u. außerdem Anm. 180 u. 181. 35 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 38ff. 36 So fordert Grünstäudl, Geschätzt und bezweifelt, in diesem Band, 79, zu Recht, dass „der Versuch einer möglichst plausiblen Rekonstruktion der neutestamentlichen Kanongeschichte darauf angewiesen ist, die Zeugnisse der (griechischen) Manuskripte mit dem Gesamt des historischen Quellenmaterials in Beziehung zu setzen.“ 28 Jan Heilmann Testament „publiziert“ worden sei. Die Argumentation über die festen Sammlungseinheiten und über die Reihenfolge der Einzelschriften auch innerhalb der alttestamentlichen Hss. kann m. E. nicht aufrechterhalten werden. 37 Das mit der Kritik unter Punkt e) angesprochene Problem der Titel und der Platzierung der Paratexte in den neutestamentlichen Handschriften ist eigentlich zu umfangreich, um es im Rahmen eines Sammelbandes zu behandeln und bedarf m. E. im Blick auf die These von Sammlungszusammenstellungen einer eigenständigen Untersuchung. Ein Desiderat besteht zudem m. W. in der Untersuchung der handschriftlich überlieferten Titel in den Sammlungseinheiten neben den Evangelien. 38 An dieser Stelle ist aber schon gegen Parkers Kritik an Trobisch und Heckel in Stellung zu bringen, dass seine Vermutung, die Überschrift in P 66 sei eine spätere Hinzufügung, ebenfalls auf tönernen Füßen steht. Er entfaltet diese These nämlich nicht selbständig, sondern verweist lediglich auf Turners Standardwerk zu den griechischen Handschriften, 39 der ebenfalls ohne eigene Argumentation vermutet „that the title on the first page [ … ] seems to be a later addition.“ 40 Die auf der Tagung anwesenden Experten im Bereich der Paläographie und Papyrologie haben die These des sekundären Charakters der Überschrift zurückgewiesen. 41 Turner selbst warnt zu Recht vor dem zu einfachen historischen Narrativ: Rollen waren in der großen Mehrzahl der Fälle mit subscriptiones ausgestattet, bei der Übertragung der Texte in Kodizes sei diese Praxis übernommen worden, die Praxis, inscriptiones in Kodizes zu verwenden sei eine späte Entwicklung. 42 Selbst wenn wir zwei Beispiele mit später hinzugefügten Titeln hätten, so bliebe immer noch die Evidenz in P 75 bestehen: Auf f. 44r findet sich sowohl die subscriptio ευαγγελιον κατα λουκαν als auch die insciptio ευαγγελιον κατα ιωανην . Zudem hat Gathercole zuletzt zu Recht gezeigt, dass das Problem von neutestamentlichen Paratexten gerade nicht auf die Frage 37 Siehe dazu v. a. Grünstäudl, Geschätzt und bezweifelt, in diesem Band, 66f, und meine Ausführungen unter Anm. 105. 38 Vgl. die Forderung von Gathercole, Titles, 71f. 39 Vgl. Parker, Codex, 11. 40 Turner, Manuscripts, 16. 41 Gathercole, Titles, 37f, vermutet, dass sie von derselben Hand geschrieben ist, zitiert aber V. M. Martin, der als weiteres Argument für eine Hinzufügung nennt, es passe nicht zum „natural layout of the page“ (Gathercole, Titles, 38), was immer man sich darunter vorstellen muss. 42 Diese These basierte auf dem Fehlen von subscriptiones in den großen Kodizes wie dem Sinaiticus, der griechischen Zitationsweise durch Angabe der ersten Zeile statt des Titels, dem Fehlen einer inscriptio in einer am Beginn intakten Rolle und der späteren Hinzufügung von inscriptiones in der London Hyperides roll. Turner hält diese Quellenbasis für zu gering und führt stattdessen u. a. vier Beispiele von Rollen mit inscriptiones auf, vgl. Turner, Manuscripts, 16f. 29 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments nach subscriptio und inscriptio reduziert werden kann. 43 Paratextuelle Informationen zum Titel können in einem Sammelkodex prinzipiell an vier Stellen vorkommen: a) am Beginn, b) am Beginn einer Kapitelliste, c) in der fortlaufenden Kopfzeile, d) am Ende. 44 Diskutiert man die Edition von Sammlungen neutestamentlicher Schriften, sollte man sich darüber Gedanken machen, welche paratextuellen Formen der Titel auf die Entscheidung im Kontext der Zusammenstellung von Sammlungsersteditionen zurückgehen und inwiefern Varianten im Handschriftenbefund als Abwandlungen dieser ursprünglichen Form interpretiert werden könnten, die wiederum auf editorischen Entscheidungen anderer beruhen. An Trobischs Schlussfolgerungen bezüglich der großen Einheitlichkeit der Titel ändert das alles nichts. So wird man S. Petersen Recht geben müssen, wenn sie gegenüber der These Hengels einer sukzessiven Entstehung der Evangelientitel betont, dass sie „eine Konsequenz aus dem Zusammentreffen verschiedener Evangelien“ 45 sind. Allerdings ist zu überlegen, ob nicht das Modell „Zusammentreffen in einer Sammlung“ 46 mehr Plausibilität besitzt als Petersens ohne weitere Begründung vorausgesetztes dynamisches Gemeindezirkulationsmodell, bei dem der Konsens über die einheitlichen Evangelientitel im diskursiven Austausch über die Texte gefallen sein soll. 47 Wirft man Trobisch an an- 43 So aber bei Aune, Meaning, 870-876. 44 Vgl. Gathercole, Titles. Gathercole selbst macht auf der Grundlage der Analyse der Evangelientitel in den Hss. der ersten fünf Jahrhunderte einen Vorschlag zur Neurekonstruktion der Evangelientitel für die kritischen Ausgaben. Dabei präsentiert er einen eklektischen Rekonstruktionsvorschlag. Bei manchen inscriptiones sei z. B. die Kurzform „ursprünglich“, bei manchen die Langform. So hält er etwa auf der Grundlage des Fragments BnF Suppl. gr. 1120 ii 3 (P 4 ) die Langform für Mt (vgl. Gathercole, Manuscript) sowie mit P 66 und P 75 die Langform für Joh für ursprünglich; Mk und Lk hätten ursprünglich die Kurzform in der inscriptio. Vgl. Gathercole, Titles, 63ff. Schon hier ist nicht einleuchtend, warum die inscriptio von Lk in P 75 nicht in Analogie zur langen inscriptio von Joh gestaltet gewesen sein soll. Das größte methodische Problem von Gathercoles Überlegungen liegt somit insgesamt in der Kontingenz und Begrenztheit des papyrologischen Befundes. So ist m. W. vor dem 4. Jh. (im Rahmen der traditionellen Datierungen) keine Hs. mit dem Titel des MkEv überliefert. Weitere methodische Probleme ergeben sich mit der Orientierung an der in der Textkritik verwendeten Kategorie eines initial text (vgl. Holmes, Original Text), die m. E. noch an einer gewissen historischen und definitorischen Unschärfe krankt. Das Beispiel, das Holmes (Original Text, 659) bringt (der Brief, den Paulus an die Gemeinde nach Rom geschickt hat, sei der Ausgangstext), entspricht dem, was man traditionell als „Urtext“ verstanden hat. Mit diesem Modell wird die Möglichkeit verschiedener Ausgaben am Beginn der Handschriftentransmission a priori ausgeschlossen und steht als Erklärungsmöglichkeit für die Entstehung von Varianten nicht zur Verfügung. 45 Petersen, Evangelienüberschriften, 273. 46 So auch Schmid, Buchwerdung, 223-226. 47 So Petersen, Evangelienüberschriften, insb. 273f. 30 Jan Heilmann derer Stelle vor, er könne keine positiven Belege für seine These anführen, so gilt dies für die Annahme einer sukzessiven Titelentstehung oder der These einer Titelentstehung im Kontakt umso mehr. Zudem müsste Petersen konsequenterweise dann die Entstehung der Evangelientitel und die Entstehung der Titel in den Briefsammlungen unterscheiden. Hier hat das einheitliche Erklärungsmodell Trobischs, das die Titelformulierung auf eine editorische Entscheidung zurückführt, eindeutige heuristische Vorzüge. Grünstäudl weist zudem darauf hin, dass die Titel „nur innerhalb der Teilsammlungen ,einheitlich strukturiert sind‘“ 48 . Dies wird von Trobisch auch nicht bestritten, der zudem die Funktion der unterschiedlichen Titelgebung im Vergleich der Teilsammlungen untereinander mit dem Redaktionskonzept insgesamt erklärt. 49 Das Argument Trobischs für eine einheitliche Redaktion ist, dass die Titel in den Handschriften einheitlich überliefert sind, und nicht, dass sie über die einzelnen Teilsammlungen hinweg einheitlich gestaltet sind. Die umgekehrte Annahme, dass das NT in Form von 27 Schriften sich in einem dynamischen Sammlungs- und Ausscheidungsprozess formiert hätte, ließe aus der Sicht Trobischs eine höhere Diversität innerhalb des Handschriftenbefundes erwarten. Daher ist m. E. Grünstäudls Schlussfolgerung nicht zwingend, die Titel könnten nicht auf eine einheitliche Teilsammlungsedition im 2. Jh. zurückgehen. Für die damit verbundene zwingende Zusatzannahme, die Zählung der Briefe beruhe „auf dem Zusammentreten von zwei (bzw. im Fall der Johannesbriefe: drei) Texten“ 50 , gilt die oben geübte Kritik an der Vereinbarkeit der Einheitlichkeit mit den Implikationen eines dynamischen Gemeindezirkulationsmodells. Etwas stärkere argumentative Gegenkraft haben die Einwände bezüglich der Nomina Sacra. Hieraus folgt, dass erstens alle außerkanonischen Befunde in Texten und in den archäologischen Zeugnissen 51 als Reaktion auf die stilbildende Innovation einer editio princeps zurückführt werden müssen, was allerdings aus chronologischer Sicht durchaus möglich ist. Zweitens ist noch einmal hervorzuheben, dass der Herausgeber in Trobischs Modell lediglich das System, nicht aber die genaue Ausgestaltung etabliert habe. Es wäre daneben aber drittens auch möglich anzunehmen, dass der Herausgeber einen bestehenden Identitätsmarker der frühen Christen aufgegriffen haben könnte. Auch dies könnte die Verbreitung und Variabilität erklären, wäre aber immer noch kein Gegenbeweis der These Trobischs. Insgesamt sollte man aber die Beweislast, die man den Nomina Sacra für den Nachweis einer editio princeps aufbürdet, nicht allzu stark strapazieren. 48 Grünstäudl, in diesem Band, 72 [Hervorhebung im Original; Zitat im Zitat: Trobisch, Endredaktion, 66], im Anschluss an Theissen, Entstehung, 304f. 49 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 58-67. 50 Grünstäudl, in diesem Band, Anm. 80. 51 S. o. Anm. 16. 31 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments Die weiteren Einwände - zur Disparatheit der hss. Überlieferung (g) und zu den Abweichungen in der altlateinischen Überlieferung (h) - können hier nicht ausführlich thematisiert werden. Allerdings kann man im textkritischen Befund doch einige Muster und Regelmäßigkeiten bzw. statistische Auffälligkeiten erkennen, die ein Dynamizitätsparadigma wie das des „living texts“ in Frage stellen. Diesbezüglich sei angemerkt, dass das von M. Klinghardt angewandte Modell der Interferenz verschiedener Ausgaben („vorkanonisch“ - „kanonisch“) zur Erklärung von Varianten in der neutestamentlichen Textüberlieferung, 52 das in der Theorie und auf der Basis des historischen Befundes konzeptionell noch zu verfeinern wäre, mutmaßlich weiterführende heuristische Potentiale bereithalten kann. 53 Der Einbezug der altkirchlichen Übersetzungen (h) wäre sicher eine weiterführende Forschungsperspektive, die erkundet werden müsste. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Übersetzungen selbst schon eine eigene Tradition entwickelt haben könnten und im Sinne des Interferenz-Modells von „vorkanonischen“ Texten und Sammlungen beeinflusst sein könnten. 54 2 Sozial- und kirchengeschichtliche Argumente Zahlreiche weitere Argumente, die Trobischs These in der Forschung der letzten Jahre entgegengebracht worden sind, können unter der Kategorie Sozial- und Kirchengeschichte subsumiert und in fünf Hauptargumente zusammengefasst diskutiert werden: 2.1 Die Kodexform habe schon vor einer mutmaßlichen Herausgabe der editio princeps für christliche Schriften Anwendung gefunden. 55 Dieser Anfrage möchte ich angesichts der Veränderung in der Forschungslage seit der Herausgabe von Trobischs Habilitationsschrift einige weiterführende Fragen gegenüberstellen: Muss man nicht sogar davon ausgehen, dass „vorkanonische“ Sammlungen wie z. B. eine Paulusbriefsammlung oder die Bibel Marcions in Form eines Kodex herausgegeben worden sind? Ist die Annahme der innovativen Einführung der Kodexform durch den/ die Herausgeber der editio princeps eine notwendige Bedingung der These Trobischs? Kann man nicht viel- 52 Vgl. Klinghardt, Evangelium, insb. 80-113. 53 Ein von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften gefördertes Projekt mit dem Titel „Der Text der Erstedition des Neuen Testaments“ wird am Institut für Evangelische Theologie an der TU Dresden erste Schritte in diese Richtung gehen. Vgl. dazu auch Heilmann/ Wick, Varianten, in diesem Band 147-170. 54 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 80-113. 55 Vgl. z. B. Hurtado, Rez. Trobisch, 291; Hurtado, Evidence, 271-277; vgl. ferner Gamble, Corpus; Gamble, Books, 58-65, der die Herausgabe einer paulinischen Briefsammlung als Ausgangspunkt der Verwendung des Kodex im frühen Christentum vermutet. 32 Jan Heilmann mehr annehmen, dass der/ die Herausgeber eine bestehende christliche Editionspraxis von Sammlungen aufnahm und weiterführte? Der Kodex wäre in der frühchristlichen Publikationspraxis damit ja nicht „durch mehrere unabhängig voneinander arbeitende Herausgeber“ 56 eingeführt worden, sondern einfach nur von Herausgebern und Editoren älterer, vorkanonischer Sammlungen. Dies ändert alles nichts an der Einheitlichkeit des Befundes, auf denen Trobischs Schlussfolgerungen beruhen. Ergänzt werden können die Schlussfolgerungen durch eine Beobachtung von Scheele an den literarischen Quellen der Alten Kirche. Er resümierte schon in den 1970er Jahren: „Die Verwendungsart von ,codex‘ in den hier herangezogenen Schriftstellen [ … ] könnte vermuten lassen, daß sich in der alten Kirche ein bestimmter Aufteilungsmodus der Schriften der Bibel mehr oder weniger einheitlich gebildet hätte. Soweit ich sehen kann, ist diese Frage noch nicht gestellt und untersucht worden“. 57 2.2 Im 2. Jh. sei es vor allem unter ökonomischen 58 und technischen 59 Gesichtspunkten noch nicht möglich gewesen, die neutestamentlichen Schriften in einem Kodex bzw. in einer „Vollbibel“ unterzubringen. Dieses Argument halte ich aus sozialgeschichtlicher Perspektive für nicht tragfähig - man denke nur an das mutmaßliche Vermögen Marcions oder an die Kosten, die durch die paulinischen Reisen entstanden sein müssen. 60 Hinter diesem Argument steckt eine m. E. fragwürdige Vorstellung des frühen Christentums als „subkulturelles Phänomen“ 61 , das vor allem für die Unterschichten attraktiv war und in dem der Austausch biblischer Schriften ausschließlich über private Netzwerkstrukturen abgelaufen ist. 62 Dabei wird ein sozialromantisches 56 Trobisch, Endredaktion, 35. 57 Scheele, Buch, 29, Anm. 105. 58 Vgl. z. B. Greschat, Entstehung, 60. 59 Vgl. z. B. Stanton, Fourfold Gospel, 337-339; vgl. ferner auch Kraft, Codex, 233. 60 Vgl. dazu die Angaben über die Spende Marcions an die Gemeinde in Rom in Höhe von 200.000 Sesterzen bei Tertullian (praescr. 30,2; adv. Marc. 4,4,3). Zur Illustration des Ausmaßes der zu imaginierenden Kosten der paulinischen Reisen vgl. das ORBIS-Projekt der Universität Stanford: http: / / orbis.stanford.edu/ . 61 Frenschkowski, Erkannte Pseudepigraphie, 223. Vgl. demgegenüber den Gegenentwurf zur mehrheitlich pessimistischen Sicht auf den durchschnittlichen Bildungsgrad des frühen Christentums bei Schnelle, Bildung. Angesichts der mutmaßlichen Diversität des frühen Christentums und dessen komplexer Relation zur sozialen Struktur der ebenfalls (auch regional höchst diversen) Gesellschaft im römischen Reich ist diese Charakterisierung stark verkürzend. Die Abgrenzungsbemühungen der höchsten Eliten im römischen Reich, die zu Verfolgungen führten, belegen noch nicht, dass das Christentum ein „subkulturelles“ Phänomen gewesen ist. 62 Vgl. dazu die kritische Rezension von Ulrich Schmid (Schmid, Rez. Haines-Eitzen) zu 33 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments Bild (das aus dem 1Kor und Thesen zum historischen Jesus abgeleitet wird und schon für das 1. Jh aus vielen Gründen fragwürdig ist) ohne Kenntnis der Verhältnisse auf das 2. Jh. übertragen. Diese weit verbreitete Vorstellung in der Forschung ist ein Grund, warum Trobischs These von einer Publikation neutestamentlicher Schriften als Anachronismus gewertet wird. 63 Diese Sicht wird zusätzlich genährt von einer gewissen Skepsis in der altphilologischen Forschung gegenüber den älteren Arbeiten 64 zum antiken Buchwesen. 65 Allerdings wird in der Arbeit Trobischs auch nicht ganz deutlich, wie er sich die Publikation der christlichen Bibel in vier Teilsammlungen (e a p r) im 2. Jh. rein technisch ganz genau vorstellt 66 - als Publikation in einem oder zwei Bänden oder in mehreren Teilbänden. In der Spätantike sind „Teilausgaben“ der Bibel in Kodexform ikonographisch 67 und in den literarischen Quellen bezeugt. Es wäre weiterführend zu erörtern, ob und wie die neun Kodizes, die im Codex Amiatinus (f. 4r) abgebildet sind, 68 sowie die bei Cassiodor (inst. 1, praef. 8) belegten neun Kodizes mit den von Trobisch postulierten Sammlungseinheiten in Zusammenhang stehen. Cassiodor hatte die gesamte Bibel in (vermutlich alt-)lateinischer Übersetzung 69 und in Form von neun Kodizes vorliegen, 70 wobei der achte Kodex die „kanonischen Briefe der Apostel“ - vermutlich in der Reihenfolge Paulusbriefe, katholische Briefe - (inst. 1,7,1) und der neunte Kodex die Apostelgeschichte und die Apokalypse (inst. 1,8,1) enthielt. Ein redaktionelles Interesse für diese Haines-Eitzen, Guardians. Dieses Bild bringt Haines-Eitzen, Social History, 491, dann auch direkt gegen Trobischs These in Stellung. 63 Vgl. prägnant Parker, Rez. Trobisch, 301. 64 Vgl. v. a. die Arbeit von Theodor Birt (Birt, Buchwesen), welche die Forschung nachhaltig geprägt hat und bisher durch keine neuere Studie ersetzt worden ist. 65 Vgl. exemplarisch Dortmund, Buchwesen; Winsbury, Book. Die dort geäußerte Kritik an Birt - er würde ein modernes Bild der Buchpublikationspraxis in die Antike projizieren (v. a. bezogen auf die These von Atticus als Verleger; vgl. dazu auch Perlwitz, Atticus, insb. 20-22) - trifft nur auf einzelne Details (u. a. die vorgestellten Größendimensionen) zu. Das Gesamtbild, das er zeichnet, lässt sich sehr wohl an einer Gesamtschau der Quellen halten. Dies kann ich im Rahmen dieses Beitrages jedoch nicht weiter ausführen. In jedem Fall verkehrt ist die Auffassung, den mündlichen Vortrag bzw. den Moment, in dem ein Manuskript aus der Hand gegeben wird, als eigentlichen Publikationsakt in der Antike zu verstehen. So aber z. B. Roberts, Books, 49; Botha, „Publishing“. Dieses Vorurteil lässt sich an den Quellen nicht halten. Vgl. aus der Vielzahl der anzuführenden Quellen z. B. Plut. Agis. 20,3 f.; Plin. ep. 1,20,9 f.; Quint. Inst. praef.; Hier. vir. ill. 125.130. 66 Vgl. die etwas weiterführenden, aber immer noch knappen Ausführungen Trobisch, Book Publishing. 67 Darauf verweist Wallraff, Kodex, 38f, der den Begriff „Teilausgaben“ selbst aber ablehnt. 68 Vgl. La Bibbia amiatina. Riproduzione integrale su cd-rom del manoscritto, Biblioteca Medicea Laurenziana, Amiatino 1. A cura di Luigi G. G. Ricci, Giacomo Baroffio, Lucia Castaldi, Melania Ceccanti, Simone Nencioni, 2000. Siehe auch Wallraff, Kodex., Abb. 9. 69 Vgl. Fischer, Amiatinus, 1962, passim. 70 Mit Pronay, Einführung, 20.200, gegen Franz, Cassiodorus, 50-53.62, Anm. 2. 34 Jan Heilmann Zusammenstellung (aus der Sicht Trobischs müsste man sagen: Neuzusammenstellung) liegt in der mutmaßlichen Zusammenfassung nach gattungsmäßigen Kriterien (Briefe vs. Erzähltexte im weitesten Sinne). Cassiodor nimmt aber die Paulusbriefe trotz Zusammenstellung mit den anderen Briefen als eine Einheit wahr; zudem stehen die Katholische Briefe am Ende von Kodex 8 und die Apg am Anfang von Kodex 9 noch in einer gewissen Nähe. 71 Für eine Entscheidung vor dem technischen Hintergrund der antiken Buchproduktion besteht für das 2. Jh. ein dramatisches Quellenproblem, das mit der zeitlichen und regionalen Verteilung des handschriftlichen Befundes zusammenhängt: Wir besitzen aus dem 2. Jh. einfach keine materiellen Zeugnisse aus den geographischen Räumen (Kleinasien und Italien), die für eine von Trobisch postulierte Edition in Frage kämen. Den dünnen papyrologischen Befund aus dem provinziellen ägyptischen Hinterland für die technische Frage der frühchristlichen Buchproduktion im 2. Jh. auszuwerten - das gängige Vorgehen -, ist aus meiner Sicht methodisch nicht unproblematisch. Die auf dieser Basis gewonnene Evidenz kann die Beweislast eines validen Gegenarguments nicht tragen, umgekehrt ist aber auch der Beweis einer Existenz von einem Kodex, der das gesamte NT schon im 2. Jh. enthielt, nicht möglich. 72 Chr. Markschies weist bei seiner Untersuchung von Bibliotheksinventaren darauf hin, dass „ein vollständiges Neues Testament dagegen häufiger aufzutreten“ 73 scheint und führt dazu fünf bzw. sechs Bibliotheksinventare an. Die Auswertung des Befundes von Papyri, Ostraka und Inschriften müsste jedoch m. E. im Einzelnen noch einmal diskutiert werden. Wie sicher ist es z. B., dass, wie Markschies vermutet, die Bezeichnung „Apostolos“ wie bei den Lektionaren 74 stets die Sammlung der Paulusbriefe und die Sammlungseinheit des „[Prax]apostolos“ (= Apg und Katholische Briefe 75 ) umfasst? 76 Besteht hier nicht die Gefahr, Quellensprache und in der Textkritik historisch gewachsene Metasprache zur Bezeichnung der Sammlungseinheiten (e a p r) unsauber zu trennen? Das Ostrakon Till Nr. 148 (KO 679; Crum, Short Texts, 41, Nr. 165) belegt z. B. mit der Auflistung eines „kleinen Apostolos“ (ⲟⲩϣⲏⲙ ⲛⲁⲡⲟⲥⲧⲟⲗⲟⲥ) und eines „kleinen [anonymen! ] Evangeliums“ (ⲟⲩϣⲏⲙ ⲛⲉⲩⲁⲅⲅⲉⲗⲓ̈ⲟⲛ) doch eher eine für die Marcioniten bezeugte Bibel. Die Interpretation, das „klein“ bezöge „sich wohl auf das Format der 71 Vgl. weiterführend die Überlegungen zum Verhältnis des Kodex zu den Sammlungseinheiten (e a p r) des NT bei Schmid, Buchwerdung, 226-230. 72 Vgl. dazu den berechtigten Einwand bei Wallraff, Kodex, 38, mit Verweis auf Trobischs Beobachtung, dass die meisten erhaltenen Handschriften eben nicht alle Sammlungseinheiten enthielten, und auf Markschies’ Untersuchung der Bibliotheksinventare im antiken Christentum (Markschies, Theologie, 320). 73 Markschies, Forschungen, 244; wieder abgedruckt in Markschies, Theologie, 320. 74 Vgl. Aland/ Aland, Text, 172. 75 Vgl. Aland/ Aland, Text, 59.82.91.117 u. ö. 76 Vgl. Markschies, Forschungen, 245; Markschies, Theologie, 322. 35 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments Bücher“ 77 , scheint eher der Verlegenheit aus Ermangelung einer besseren Erklärungsmöglichkeit geschuldet. Dass ein kleiner Apostolos hier zusammen mit einem „kleinen Psalter“ genannt wird, korrespondiert mit den Angaben über einen Psalter häretischer Gruppierungen im muratorischen Fragment. Vgl. C. Mur. 81-85 (Lietzmann, Fragment, 10: arsinoi autem seu Valentini vel Miltiadis nihil in totum recipemus qui etiam novum psalmorum librum Marcioni conscripserunt una cum Basilide Asianum Cataphrygum constitutorem). 2.3 Die These Trobischs stünde im Widerspruch zu den Quellen (z. B. Irenäus, Canon Muratori, Origenes, Euseb), die eine Diskussion über die kanonische Geltung neutestamentlicher Schriften belegten. 78 Diesem Kritikpunkt muss man zugutehalten, dass der Canon Muratori tatsächlich nicht die von Trobisch postulierte Zusammenstellung von 27 neutestamentlichen Schriften in vier Sammlungseinheiten belegt. Die diesem zudem noch schwer datierbaren und in seinem Zustand wenig vertrauenswürdigen Text zugemutete Beweislast in einigen Entwürfen zur Geschichte des neutestamentlichen Kanons ist allerdings ebenfalls diskutabel. 79 Die These Trobischs ist auf der Grundlage der traditionell für die Kanonfrage ausgewerteten Quellen nicht so einfach zu falsifizieren. Vielmehr ist doch Trobischs Argument einigermaßen plausibel, die in den Quellen ablesbare Diskussion über die Zugehörigkeit einzelner Schriften zum „Kanon“ als „historisch-kritische Reflexionen über eine bereits bestehende Publikation“ 80 zu interpretieren. Gerade die Konstanz dieser Diskussion und ihre Fortsetzung über einen vermeintlichen „Abschluss des Kanons“ im 4. Jh. hinaus 81 lässt das Modell Trobischs, das mit der Herausgabe von Sammlungen operiert und über den „kanonischen“ Status keine Aussage macht, plausibler erscheinen als die These, die „kanonische“ Zusammenstellung der 27 neutestamentlichen Schriften sei im Rahmen eines Identitätsfindungs- und Aushandlungsprozesses erst im 4. Jh. (zumindest vorläufig) abgeschlossen worden. 82 77 Till, Ostraka, 37. 78 Vgl. Schnelle, Einleitung, 440; Kalin, Eusebius, 404. 79 Vgl. exemplarisch zur heterogenen Diskussionslage Hahneman, Fragment; Verheyden, Canon; McDonald, Biblical, 369-381. Auch Grünstäudl, Petrus, 81-87, ist vorsichtig, was die Aussagekraft des muratorischen Fragments für die Kanongeschichte angeht. 80 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 55. Ferguson, Factors, 312, Anm. 312, führt im Anschluss an Barton, Spirit, 108-131, als Analogie die rabbinische Diskussion über Koh; Hld in mJad III 5 und über Est in bMeg 7a an. Die Idee, dass die Sammlung und Zusammenstellung der Schriften in Kodizes den theologischen Debatten über den Kanon vorausliegen, wird positiv rezipiert von Wallraff, Kodex, 21. 81 Siehe dazu die Quellen bei Westcott, Survey, 531ff.; Zahn, Geschichte II, 212-318. 82 Prozessmodelle mit (vorläufigem) Abschluss im 4. Jh. werden z. B. vertreten von Aland, Problem, insb. 139-143; Lips, Kanon, passim, insb. 89-91. Greschat, Entstehung, 58-63, und Markschies, Theologie, passim, insb. 227f, verstehen die Entstehung des Kanons 36 Jan Heilmann Methodologische Schwierigkeiten bereitet zudem der weit verbreitete Ansatz, den Stand des „Kanonisierungsprozesses“ über die Zitation bzw. Nicht-Zitation einzelner neutestamentlicher Schriften in den Schriften der Alten Kirche zu bestimmen. 83 Die so gewonnenen Ergebnisse basieren grundsätzlich auf einem argumentum e silentio. Man kann Trobisch lediglich entgegenhalten, dass er die Hypothese einer kritischen Diskussion über eine bestehende Sammlung an den Quellen selbst nicht ausführlich durchgespielt, 84 sondern nur knapp skizziert hat. Vor allem die früh bezeugte Diskussion über die paulinische Verfasserschaft des Hebräerbriefes 85 erklärt sich viel einfacher, wenn man seine Zugehörigkeit zu einer Paulusbriefsammlung annimmt, da aus dem Text selbst heraus die paulinische Verfasserschaft bekanntermaßen gar nicht erschlossen werden kann. 86 Darüber hinaus ist es erstaunlich, wie gut die von Trobisch auf der Grundlage des Handschriftenbefundes vorausgesetzten Sammlungseinheiten (e a p r) 87 auch in den Quellen belegt sind. Nur deshalb kann T. Zahn die frühe Existenz eines ideellen Kanons postulieren. 88 Man braucht demgegenüber schon einen großen argumentativen Aufwand, um einen Abschluss des vermeintlichen Sammlungs- und Ausscheidungsprozesses mit Athanasius’ 39. Osterfestbrief ins 4. Jh. zu datieren. Der These, der Sammlungsprozess sei erst bei Athanasius abgeschlossen, stehen nämlich zwei Zeugnisse entgegen, die man entweder wegerklären oder sich passend machen muss: So muss man etwa Orig. hom. in Jos 7,1 als Interpolation des Rufinus auch als Prozess, sind aber bezüglich der These eines Abschlusses mit dem 39. Osterfestbriefes im Anschluss an Brakke, Formation, deutlich vorsichtiger. 83 Vgl. z. B. Metzger, Kanon, insb. 48ff; Lips, Kanon; Gregory/ Tuckett, Reception. 84 So zu Recht der Vorwurf von Grünstäudl, Geschätzt und bezweifelt, in diesem Band. 85 Die Frage der paulinischen Verfasserschaft hat bereits Pantaenus laut seinem Schüler Clemens von Alexandria beschäftigt (vgl. Zahn, Geschichte I, 283f, mit Verweis auf Eus. h. e. 6,14). Für Clemens selber steht die paulinische Verfasserschaft des Hebr fest; vgl. ebd.; strom. 2,8,4; 2,136,2f; 6,62,1f u. ö. Vgl. außerdem Orig. bei Eus. h. e. 6,25, der die Unbekanntheit des Verfassers hervorhebt; Euseb selbst (h. e. 3,38) macht Clemens von Rom, der den Hebr wörtlich zitiert (1Clem 17,21.27.26), dafür mitverantwortlich, dass man den Hebr Paulus zugeschrieben habe. Weitere Quellen, die hier nicht einzeln besprochen werden können, führt Zahn, Geschichte I, 283-302, an. 86 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 56. Vgl. auch Klinghardt, Veröffentlichung, 62; Schmid, Buchwerdung, 224; und ausführlich Rothschild, Hebrews, 139-154, die selbst - mit gewissen konzeptuellen Ähnlichkeiten zur These Trobischs etwa zur „kanonischen“ Funktion von 2Petr und Act - schlussfolgert: „Thus, Hebrews was most likely written [JH: and published within the corpus paulinum], as if by Paul, as a tool for understanding the corpus, in particular, Romans“ (153). 87 Vgl. die Bestätigung dieses Befundes bei Schmid, Buchwerdung, 222f; Hill, Corpus, 415, Anm. 185. 88 Vgl. Zahn, Geschichte I, insb. 105-117.429f. 37 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments verstehen 89 und die von Euseb angelegten Kategorien zur Systematisierung der neutestamentlichen Schriften gegen den Strich bürsten. 90 Gerade an diesen beiden Quellen kann man die in den Handschriften belegten Sammlungseinheiten besonders gut ablesen: Orig. hom. in Jos 7,1: vier Evangelien in der Reihenfolge Mt, Mk, Lk, Joh; die Apg wird losgelöst vom Evangelium mit den wahrscheinlich sieben katholischen Briefen zusammen genannt (zwei Petrusbriefe, Jakobus und Judas, Anzahl der Johannesbriefe nicht genannt); Vierzehnbriefesammlung des Paulus. 91 Dass im Übrigen Origenes an anderer Stelle (hom. in Gen 13,2) die acht Autoren der neutestamentlichen Schriften in der Reihenfolge Matthäus, Markus, Lukas, Johannes, Petrus, Jakobus, Judas und Paulus aufzählt, die den Brunnen des Neuen Testaments gegraben hätten, deutet ebenfalls darauf hin, dass ihm das Neue Testament in Form der von Trobisch herausgearbeiteten Sammlungseinheiten vertraut war. Auch an der Diskussion der neutestamentlichen Bücher bei Euseb (Eus. h. e. 2,23,24f.; 3,25,1ff) lassen sich die Sammlungseinheiten sehr schön ablesen, wobei diese Aufzählung nach den Kriterien der Echtheitskritik in akzeptierte ( ο῾ μολογου´ μενος ), bezweifelte ( α᾽ ντιλεγο´ μενος ) und gefälschte ( νο´ θος ) Schriften noch einmal untergliedert ist. A. D. Baum hat die Relationalität dieser Kategorien 89 Siehe dazu z. B. Grünstäudl, Petrus, 61ff; vgl. schon die Zweifel an der Interpolationshypothese bei Harnack, Ertrag, 12, und jetzt bei Gallagher, Origen. Auch Kruger, List, zeigte jüngst ausführlich, dass es wenig Evidenz dafür gibt, dass Rufinus in Bezug auf die neutestamentlichen Schriften interpoliert habe. Das stärkste Argument gegen die Interpolationshypothese ergibt sich aus dem Vergleich zwischen der Liste bei Origenes in hom. in Jos 7,1 sowie der Aufzählung der vom NT postulierten acht Autoren in hom. in Gen 13,2 auf der einen Seite und der Liste der neutestamentlichen Bücher bei Rufinus selbst auf der anderen Seite, vgl. Kruger, List, 112-114. Rufinus’ eigene Liste lässt nämlich die Reihenfolge späterer byzantinischer Handschriften erkennen, in der die Apg losgelöst vom ursprünglichen Zusammenhang mit den katholischen Briefen, der bei Origenes noch erkennbar ist (s. u.), zwischen Evangelien und Paulusbriefen steht. Vgl. dazu Trobisch, Endredaktion, 40. Es kommt hinzu, dass die Hauptargumente für die These einer Interpolation durch Rufin vor allem kanongeschichtlicher Art sind, also ein spezifisches Enwicklungsmodell voraussetzen, das an der Rezeption und Nicht-Rezeption von Schriften bei den Kirchenvätern gewonnen wurde, und auf dessen Grundlage Origenes den neutestamentlichen Kanon in der Gestalt der 27 Schriften noch nicht gekannt haben könnte, folglich Rufin die vermeintliche Weiterentwicklung des Kanons in seiner Zeit in seine Übersetzung projiziert hätte. 90 So etwa Kalin, Eusebius, insb. 392-397, deren Interpretation von dem Postulat abhängig ist, dass Euseb die Kategorien α᾽ ντιλεγο´ μενος und νο´ θος synonym verwendet. Siehe dazu unten mehr. 91 Der Zusatz et Apocalypsin fehlt in zahlreichen Handschriften, vgl. z. B. Metzger, Kanon, 140. Eine Hinzufügung ließe sich damit begründen, dass jemand den Text an Hand seiner normativen Auffassung der Zugehörigkeit der Apokalypse zum NT bzw. auf der Grundlage seiner Bibelausgabe ergänzte. Eine Streichung ließe sich damit begründen, dass jemand den Text des Origenes z. B. in einer Diskussion gegen die Zugehörigkeit der Apc zum Neuen Testament heranziehen wollte. Die Hinzufügungshypothese steht in einer Spannung zu Eusebs Referat aus Origenes’ Johanneskommentar, vgl. Eus. h. e. 6,25. 38 Jan Heilmann mit philologisch präziser Begründung differenzierend beschrieben: So unterscheidet Euseb „zwischen solchen Antilegomena, die er nicht für echt hielt ( νο´ θοι ), und solchen, die er damit implizit als γνη´ σιος einstuft.“ 92 Dabei ist auffällig, dass Euseb keine der 27 neutestamentlichen Schriften den νο´ θοι zuordnet. Es ist zu beachten, dass Euseb nicht die Reihenfolge der Schriften in den Handschriften diskutiert. Euseb reiht die Schriften nach dem Prinzip der Echtheit, nicht aber nach den vorliegenden Sammlungseinheiten. Dass die Sammlungseinheiten in diesen weniger deskriptiv als normativ orientierten Aufzählungen dennoch durchscheinen, ist daher umso aussagekräftiger. Auch andere Quellen 93 weisen auf die Konstanz der Sammlungseinheiten hin: Zu verweisen wäre z. B. auf Kyrill von Jerusalem (catech. 4,36); Athananasios von Alexandria (epist. fest. 39); den in seiner Ursprünglichkeit umstrittenen 60. Kanon des Konzils von Laodicea; 94 Chrysostomos (synopsis Script. Sacr.; PG 56 317); Augustinus (de doctr. Christ. 2,8,13); Innocentius in seinem Brief an Exsuperius, den Bischof von Toulouse; 95 Cassiodor (instit. 24); Johannes von Damaskus (de fide Orthod. 4,17). Auch wenn in einigen dieser Quellen die Apg nach den katholischen Briefen aufgeführt wird, so sind die Sammlungseinheiten dennoch klar erkennbar. Anstelle von vier Ordnungen 96 kommt eine teilsammlungssensible Kategorisierung lediglich auf zwei Ordnungen. Die weiteren von Zahn postulierten Ordnungen sind lediglich als Umordnung der Sammlungseinheiten zu interpretieren. Die Stellung der Apg zwischen den Evangelien und der Paulusbriefsammlung, die in den „byzantinischen Handschriften“ des NT dokumentiert ist 97 , kann m. E. plausibel als sekundäre Umstellung (der lectio difficilior „Praxapostolos“ 98 ) interpretiert werden, bei der die narrativen Texte zu einer eigenen Sammlung zusammengestellt werden. Vgl. zu dieser Aufteilung der neutestamentlichen Schriften Gregor von Nazianz (carm. 12,31); Amphilochius (Iambi ad Seleucum); 99 Rufinus (Comm. in Symb. Apost. 37); 100 zur Aussagekraft des muratorischen Fragments s. die Ausführungen oben. Aus Tert. pud. 7-11 und Iren. adv. haer. 3,11,9-3,12,1 sowie der Art der Zitation der Paulusbriefe in den folgenden Kapiteln abzuleiten, die Apg wäre (gegenüber der Sammlungseinheit „Praxapostolos“ ursprünglich) zwischen den Evangelien und den Paulusbriefen eingeordnet gewesen, ist methodisch schwierig. 92 Baum, Kanon, 338. Siehe v. a. die tabellarische Übersicht auf S. 346. 93 Die im Folgenden aufgeführten Quellen sind abgedruckt bei Westcott, Survey, 531ff. 94 Zit. n. Westcott, Survey, 533. 95 Zit. n. Westcott, Survey, 563. 96 Vgl. Zahn, Geschichte II, 382f. 97 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 40. 98 Zum Terminus „Praxapostolos“, der quellensprachlich zumeist die Zusammenstellungen von Paulusbriefen, Apg und Katholischen Briefen bezeichnet und daher eher misslich ist, um die von Trobisch bezeichnete Sammlngseinheit Apg + Katholische Briefe zu bezeichnen, vgl. Grünstäudl, Geschätzt und bezweifelt, in diesem Band, Anm. 22. Daher verwende ich ihn im Folgenden im Sinne Trobischs in Anführungszeichen, um die Differenz dieser metasprachlichen Kategorie gegenüber der Quellensprache zu markieren. 99 Zit. n. Westcott, Survey, 549. 100 Zit. n. Westcott, Survey, 562. 39 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments Denn die Argumentation orientiert sich dort entlang der Chronologie, die durch die Hintergrundnarration des NT geprägt ist. 101 Ob bzw. wann die Stellung der Apostelgeschichte nach den Evangelien materialiter realisiert wurde, muss offen bleiben. So zeigt Philastrius haer. 88 - ein eindeutiger Beleg für die Sammlungseinheit „Praxapostolos“ 102 - eindrücklich, dass die gerade genannte Zuordnung der Apostelgeschichte zu den Evangelien ( … et Prophetas et Evangelia et Actus Apostolorum, et Pauli tredecim epistolas … ) eine materielle Zusammenstellung nicht zwingend impliziert: … et septem alias, [ … ], quae septem Actibus Apostolorum conjunctae sunt. Ganz eigenwillige Zusammenstellungen bieten dagegen die schwer datierbaren Stichenverzeichnisse im Codex Claromontanus und der sog. Cheltenham-Kanon. Es ist jedoch methodisch schwierig, diese beiden Zeugnisse, deren historischer Aussagewert nur schwer einzuschätzen ist, zur Modellbildung der Entstehung des neutestamentlichen Kanons zu stark zu belasten. Die Aufzählung in Can. Apost. 85 (SC 336 8,47) dokumentiert eine Art (im Rahmen der Ersteditionsthese: sekundär) erweiterte Sammlungseinheit „Praxapostolos“, die zusätzlich zwei Clemensbriefe enthält. 103 Darüber hinaus ist die Sammlungseinheit „Praxapostolos“ auch für die koptische Überlieferung und für die Altlateiner belegt (s. u.). Aus dem Quellenbefund insgesamt lässt sich m. E. methodisch nicht sicher ableiten, dass die Apostelgeschichte und die katholischen Briefe später als die Paulusbriefe und die Evangelien in verbindlichere Corpora eingetreten und zunächst als Einzelschriften zirkuliert wären. 104 Der recht einheitliche Quellenbefund deutet doch eher darauf hin, die wenigen Abweichungen als Neueditionen zu verstehen, die jeweils aus unterschiedlichen Gründen vorgenommen worden sind. Im Befund der neutestamentlichen Handschriften haben die Abweichungen bis auf die Zusammenstellung der narrativen Texte vor die Briefcorpora jedenfalls keinen Niederschlag gefunden. Die Quellen, die Trobisch selbst als positive Evidenz für seine These heranzieht, werden von seinen Kritikern zumeist übergangen: z. B. die indirekte und direkte Bezeugung des Titels „Neues Testament“ 105 und das Zitat des sog. anonymen 101 Gegen Schröter, Jesus, insb. 304.310; Schröter, Apostelgeschichte, u. a. 401f; rezipiert von Grünstäudl, Was lange währt … , 92, Anm. 91, der allerdings auch einen leichten Vorbehalt andeutet. Schröter lässt offen, ob er mit „Reihenfolge der neutestamentlichen Schriften“ (304) und „Stellung der Apg innerhalb der anerkannten Schriften“ (310) die bei den Kirchenvätern materialiter in Kodizes vorauszusetzende Reihenfolge bezeichnet. 102 Gegen Zahn, Geschichte II, 382 Anm. 3. 103 Merkwürdig bleibt der Einschub der nicht öffentlich zugänglich zu machenden διαταγαι´ in acht Büchern. Die Zusammenstellung Can. Apost. 85 ließe sich in Kombination mit dem Geheimnistopos vielleicht als Strategie zur Durchsetzung dieser acht pseudepigraphischen Bücher erklären. 104 Gegen Schröter, Jesus, 315. 105 Vgl. Melito von Sardes bei Eus. h. e. 4,26. Gegen Trobisch, Endredaktion, 69, ist Melito aber allenfalls als Beleg für den Titel „Neues Testament“ auszuwerten. Der Charakter der Frage von Onesimus deutet darauf hin, dass er sie vor dem Hintergrund des (schon publizierten) Neuen Testaments stellt. Das Erkenntnisinteresse nach „Zahl und Reihenfolge der Bücher des Alten Testaments“ impliziert, dass er gerade keinen Zugang zu einer Sammlung alt- 40 Jan Heilmann Antimontanisten bei Euseb, der keinesfalls den Anschein erwecken möchte, „als wollte ich dem Worte der neutestamentlichen Frohbotschaft ( τ ͺ ω῀ τη῀ς του῀ ευ᾽ αγγελι´ου καινη῀ς διαθη´ κης λο´ γ ͺ ω ) etwas ergänzend beifügen, da doch keiner, der entschlossen ist, nach diesem Evangelium zu leben, etwas beifügen noch abstreichen darf,“ (Eus. h. e. 5,16,3). 106 Das gängige Verständnis dieser Stelle in der Forschung, der anonyme Antimontanist würde nicht auf den Titel einer Sammlung, sondern ganz allgemein auf die Botschaft einer als καινη` διαθη´ κη gekennzeichneten Ära verweisen, 107 ist a) angesichts der Verbsemantik von προστι´θημι (vgl. z. B. P. Amh. Gr. 2 77,15) und α᾽ φαιρε´ ω viel unwahrscheinlicher; vgl. z. B. die gesamte Wendung in Thuc. 5,23, und insb. in Pol. 21,43,27, wo es um einen Vertragstext [ συνθη´ κη ] geht. b) Es ist unsachgemäß, Eus. h. e. 5,17 gegen die These in Stellung zu bringen, dass der Antimontanist in Eus. h. e. 5,16,3 auf eine Schriftensammlung verweist. Euseb zitiert hier wiederum den anonymen Antimontanisten, der u. a. formuliert: „Doch wird man weder aus dem alten noch aus dem neuen [scil. Bund] einen Propheten nennen können, der auf solche Weise vom Geiste ergriffen worden wäre. Sie werden sich nicht auf Agabus oder Judas oder Silas oder die Töchter des Philippus oder Ammia in Philadelphia oder Quadratus oder auf sonst jemanden berufen können; denn mit diesen haben sie nichts zu tun,“ (Eus. h. e. 5,17,3; Üb. Häuser; leicht modifiziert JH). Laut C. W. van Unnik könne sich der Antimontanist mit der Wendung τω῀ ν κατα` τη` ν παλαια` ν ου῎ τε τω῀ ν κατα` τη` ν καινη` ν nicht auf Schriftensammlungen beziehen, weil in der darauffolgenden Aufzählung Namen stünden, die nicht in diesen Schriften auftauchten. 108 Dazu ist zunächst anzumerken, dass der Begriff διαθη´ κη im Zitat aus der Schrift des Antimontanisten gar nicht auftaucht, sondern in testamentlicher Schriften hatte. Damit könnte man in Modifikation der These Trobischs davon ausgehen, dass das Neue Testament eben nicht direkt zusammen mit dem Alten Testament „publiziert“ wurde, sondern die Herausgabe auch einer christlichen alttestamentlichen Bibel sekundär erfolgte. Durch die Herausgabe des „Neuen Pauly“ bekommt Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft nicht automatisch den Titel „Alter Pauly“. Dafür, dass der Titel „Neues Testament“ zuerst durch eine Edition geprägt worden ist, sprechen auch die Überlegungen von W. Kinzig, dass schon die Bibel Marcions den Titel „Neues Testament“ trug (vgl. Kinzig, διαθη´ κη , insb. 535-542), womit nicht zwingend gesagt ist, dass er diesen Titel auch erstmalig für eine Schriftensammlung geprägt hat. Die Herausgabe der zweiteiligen Bibel mit den Titeln „Altes Testament“ und „Neues Testament“ könnte tatsächlich auf die sog. „Endredaktion“ zurückgehen. Der Dialog zwischen Onesimus und Melito wäre dann vor der Herausgabe der „Kanonischen Redaktion“ zu datieren und ein Hinweis auf das zeitgeschichtliche Bestreben, eine solche zweiteilige Bibel herauszugeben, um solche Fragen zu klären. Die zweiteilige Bibel ist dann sehr schnell eindeutig bezeugt: Clem. strom. 2,29,2f; 5,13,1; Tert. de pud. 1; adv. Prax. 15 und weitere bei Zahn, Geschichte II, 103ff., aufgezählte Quellen; vgl. auch Kinzig, διαθη´ κη , insb. 529-531. 106 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 68-70. 107 Vgl. van Unnik, διαθη´ κη , 162f, der seine frühere Auffassung, der Montanist bezöge sich auf ein Buch, korrigiert; Gamble, Canon, 20; Kinzig, διαθη´ κη , 528. 108 Vgl. exemplarisch van Unnik, διαθη´ κη , 163 41 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments 5,17,2 von Euseb interpretatorisch eingefügt wird; auch die Annahme, der Antimontanist habe Quadratus und Ammia zu den prophetischen Gestalten des Neuen Bundes gerechnet, entstammt der Interpretationsleistung des Euseb (5,17,2), die man strikt von der Aussage des Fragments trennen muss. Sodann: Soweit man den argumentativen Zusammenhang aus dem Fragment noch erkennen kann, impliziert die Formulierung nicht zwingend, dass alle genannten Namen zum vorher definierten Prophetenkreis gehören. So werden Quadratus und Ammia ja von der Gegenseite eingebracht ( ω῞ ς φασιν ; 5,17,4), wobei nicht deutlich wird, auf welche „Quellen“ sich die Gegenseite stützt; Agabus (Apg 11,28; 21,10-14), Judas und Silas (Apg 15,22.27.32[! ]), und die Töchter des Philippus (Apg 21,9) werden hingegen in der Apg als Propheten bezeichnet. Daher ist die viel einfachere Erklärung, es werde, wie auch in den späteren Quellen, schon vom anonymen Antimontanisten mit dem „Worte der neutestamentlichen Frohbotschaft“ auf den Titel einer Schriftensammlung verwiesen, auch aus Gründen des Sparsamkeitsprinzips vorzuziehen. Ein indirekter Verweis auf das Alte und Neue Testament in 5,17,3 (wodurch sonst sollte man wissen, wer zu den Propheten des Alten und Neuen Bundes gehört? ), wäre eingehender zu prüfen. Aufschlussreich ist auch der ebenfalls schon bei Trobisch angeführte Kommentar zu ebendieser Stelle von Zahn: „Man meint in der Hand dieser Männer ein vom Evangelium des Matthäus bis zur Apokalypse des Johannes sich erstreckendes Exemplar des NT’s zu sehen, wie solche heute in Leipzig und Cambridge gedruckt werden; nur die letzte Ziffer der Jahreszahl des jüngsten Druckes müßte gestrichen werden.“ 109 Sodann sind auch die Beobachtungen Trobischs zu den kohärenzstiftenden Querverweisen im Neuen Testament 110 als eigene Evidenz in Rechnung zu stellen. Außerdem wären noch weitere Quellen als positive Evidenzen für die These Trobischs zu diskutieren: Wenn z. B. Valentin schreibt, „vieles von dem, was in den staatlichen/ öffentlichen Büchern ( ε᾽ ν ται ῀ς δημοσι´αις βι´βλοις ) geschrieben ist, findet sich auch in der Gemeinde Gottes ( ε᾽ ν τ ͺ η῀ ε᾽ κκλησι´ ͺ α ) geschrieben“ (Clem. strom. 6,52,4), liegt angesichts der Formulierung die Vermutung nahe, Valentin beziehe sich hier auf ein Schriftencorpus, das ihm nachweislich zugänglich gewesen sein muss. Man könnte hier nun weiter fragen, in welcher Form die „paganen“ Kritiker des Christentums, allen voran Kelsos, und andere Nichtchristen, deren Kenntnis neutestamentlicher Schriften vorauszusetzen ist, 111 die Schriften der Kirche rezipiert haben. Kelsos selbst prangert dreifache und vierfache Verfälschung des Evangeliums durch eine Gruppe von Christen an, 112 die plausibel in Beziehung zur Herausgabe des Neuen Testaments gesetzt werden 109 Zahn, Geschichte I, 113. 110 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 71-94; 125-154. 111 Zur Kenntnis neutestamentlicher Texte bei Nichtchristen vgl. weiterführend Hengel, Leser. 112 Vgl. Origenes, Cels. 2,27 (GCS 2, 156, 1-5), zit. u. üb. bei Klinghardt, Evangelium, 36. 42 Jan Heilmann kann. 113 Bei der weiteren Betrachtung des Quellenbefundes zur Rezeption des Neuen Testaments im 2. und 3. Jh. wäre zudem besonders auf vorausgesetztes Wissen - insbesondere bezüglich der neutestamentlichen Verfasserfiktionen 114 - zu achten, das man eigentlich nur aus einer „kanonischen“ Gesamtperspektive gewinnen kann. Eine vollständige Durchsicht der Quellen unter dieser Perspektive steht jedoch noch aus und kann hier nicht geleistet werden. 115 2.4 Die These Trobischs widerspreche „dem entscheidenden Movens [der Sammlung von neutestamentlichen Schriften bzw. des Kanonisierungsprozesses], die liturgische Lesung im Gottesdienst! “ 116 Diese vor allem von M. Hengel vorgetragene Kritik verweist auf die nicht erst bei T. Zahn, aber von diesem doch prominent hergestellte Interdependenz zwischen der gottesdienstlichen Lesepraxis auf der einen Seite und der Sammlung neutestamentlicher Schriften und der prozesshaft konzeptualisierten Entstehung des Kanons auf der anderen Seite. 117 Dieses Junktim der Entstehung des neutestamentlichen Kanons und der Lesung der neutestamentlichen Schriften im Gottesdienst ist bis heute forschungsgeschichtlich sehr wirksam, 118 aber nicht unbestritten geblieben. 119 An dieser Stelle zeigt sich, wie stark die Beurteilung der Entstehung der christlichen Bibel von spezifischen Vorannahmen und der Modellierung der Geschichte des frühen Christentums abhängt. Eine tiefergehende Untersuchung des Interdependenzverhältnisses zwischen frühchristlicher Lesepraxis und Buchpublikation ist m. E. ein zentrales Forschungsdesiderat, sodass an dieser Stelle keine Entscheidung getroffen werden kann. Es scheint mir allerdings so, als beruhe die Annahme, gottesdienstliche Lesepraxis sei das entscheidende Movens gewesen, auf einer sehr dünnen Quellenbasis 120 und zum 113 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 34-36 114 Vgl. Trobisch, Endredaktion, insb. 73ff. 115 Zu diskutieren wäre z. B., ob nicht die Zitateinleitung και` … ε῎τι τα` βιβλι´α [ τω῀ ν προφητω῀ ν ] και` οι῾ α᾽ πο´ στολοι … in 2Clem 14,2 die vorrangig durch Überschriften und Querverweise hergestellte Verfasserfiktion der Erstedition notwendigerweise voraussetzt (nicht beachtet von Gregory/ Tuckett, 2 Clement). Vgl. außerdem Clem. bei Eus. h. e. 6,14,5-7; Iren. adv. haer. 1,3,6; 3,1,1; Orig. bei Eus. h. e. 6,25,4-6 usw. 116 Hengel, Evangelien, 97, Anm. 282. Diesem Gegenargument ist auch der Hinweis Heckels zuzuordnen, dass die Evangelien - im Gegensatz zu den katholischen Briefen - früh zu den im Gottesdienst zu verlesenden Schriften gezählt worden seien. Einen solchen Unterschied widerlege die Existenz einer editio princeps. Vgl. Heckel, Evangelium, 347. 117 Vgl. Zahn, Geschichte I, insb. 85-150.463ff.; Zahn, Grundriss, 11ff. 118 Vgl. z. B. die Zuspitzung von Theissen, Texte, 424: „Kanonische Texte werden kultisch gebraucht. Durch ihre Verwendung im Kult werden sie zu sozialen Medien des Transzendenzbezugs. Der Kanon ist die Liste der im Gottesdienst gelesenen Schriften.“ 119 Vgl. zum Harnack’schen Gegenmodell Harnack, Evangelien-Prologe. 120 Die angeführten Quellen (1Thess 5,27; Kol 4,16; Iust. Mart. apol. 1,67) sind aus vielerlei 43 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments Teil, wenn man die neueren Einsichten zur zentralen Rolle des Gemeinschaftsmahles für die frühchristlichen Versammlungen betrachtet, auf anachronistischen Eintragungen der späteren liturgischen Perikopenlesung. 121 Dass eine gottesdienstliche Lesepraxis der entscheidende Faktor für die Entstehung des Neuen Testaments gewesen wäre, ist begründungsbedürftig und darf schon aus methodischen Gründen nicht a priori vorausgesetzt werden. 2.5 Die Theorie Trobischs setze ein viel höheres Niveau von Strukturierung und Zentralisierung voraus als im zweiten Jh. vorhanden. 122 Dieses Trobisch häufig vorgehaltene Argument läuft ins Leere, da Trobischs These eine hierarchisierte und zentralisierte Kirche überhaupt nicht zwingend voraussetzt. Hier werden Argumente aus der älteren Diskussion über die Entstehung des christlichen Kanons fortgeschrieben, die Trobischs These etwa der forschungsgeschichtlich einflussreichen Auffassung Harnacks zuordnen, der Kanon sei eine kirchliche Gegenreaktion auf die dreifache Bedrohung der Kirche durch Marcioniten, Montanisten und den Gnostizismus. 123 Trobisch versteht die Endredaktion aber vielmehr als weitgehend kontingente Entscheidung eines Einzelnen (oder einer kleinen Gruppe) 124 mit einem durchaus spezifischen theologischen Interesse und einer Stoßrichtung innerhalb frühchristlicher Identitätskonstruktionsprozesse, die im Einzelnen historisch detailliert zu beschreiben wären. Aber erst in ihrer Rezeption wird die editio princeps zu einer „kanonischen“ Ausgabe. 125 Wie der Erfolg dieser postulierten Ausgabe erklärt werden kann, ist eine andere Frage, die sich aber leichter erklären lässt als die Alternative, nach der sich die neutestamantlichen Schriften in einem dynamischen Prozess als Einzelschriften durchgesetzt haben müssten. Insgesamt muss daher konstatiert werden, dass die These Trobischs weitgehend quer zu den bisherigen Modellen zur Entstehung des neutestamentlichen Kanons liegt und daher eine völlig neue Diskussion erfordert. Gründen ungeeignet, die Institution einer liturgischen Lesung im frühen Christentum zu belegen. Dies wird der Vf. an anderer Stelle ausführlich zeigen. Vgl. zu Justin den Beitrag von Leonhard in diesem Band. 121 Vgl. dazu weiterführend Klinghardt, Gemeinschaftsmahl; Wick, Gottesdienst. 122 Vgl. z. B. Stanton, Fourfold Gospel, 338; Stanton, Jesus, 84; aufgenommen von Hengel, Evangelien, 97, Anm. 282. Ähnlich auch die Kritik von Oeming, Hervorwachsen, 57. 123 Vgl. dazu Greschat, Entstehung, 57f; Markschies, Epochen, insb. 589-599. 124 In einem späteren Aufsatz (vgl. Trobisch, Who Published) identifiziert er Polykarp als Herausgeber des Neuen Testaments. Dies kann freilich diskutiert werden. 125 Vgl. z. B. das Missverständnis der Spezifizierung „kanonisch“ bei Lips, Kanon, 67, der jedoch im Sinne Trobischs feststellt: „Es mag [JH: im 2. Jh.] eine Textausgabe gegeben haben, die bereits alle späteren neutestamentlichen Schriften enthielt,“ (ebd.). 44 Jan Heilmann 3 Kritik an fehlender historischer Kontextualisierung Trobisch wird darüber hinaus in zahlreichen Rezensionen die fehlende genaue historische Kontextualisierung entgegengehalten: Es fehle a) eine Untersuchung zur Datierung und Lokalisierung der editio princeps. 126 b) Außerdem bleibe Trobisch genaue Aussagen zur Intention und Konkretisierung spezifischer historischer Faktoren, die zur Herausgabe des NT geführt haben könnten, schuldig. 127 In der Bewertung dieser offenen Fragen ist die Forschung gespalten: Während diejenigen, die Trobischs These ablehnen, die offenen Fragen als fehlende Plausibilität der These werten, 128 sehen andere darin Desiderata für die zukünftige Forschung. So regt etwa M. Klinghardt an, dass auf der Grundlage der Idee einer editio princeps auch die Vorgeschichte dieser Sammlung zu untersuchen wäre 129 - hier hat er mit seiner jüngst fertiggestellten Arbeit zum marcionitischen/ protolukanischen Evangelium schon erste große Schritte gemacht. 130 Zum anderen mahnt er an, die hermeneutischen und kanonstheologischen Implikationen weiterzudenken. 131 Gerade die reflexartigen Abwehrbewegungen zeigen, wie wichtig nicht zuletzt aus wissenschaftssoziologischen Gründen ein möglichst präzise ausgearbeitetes Modell zur historischen Kontextualisierung und Plausibilisierung der Ersteditionsthese ist - gerade weil sie in einem starken Spannungsverhältnis zu etablierten Modellen steht -, damit sie als Diskussionsgrundlage anerkannt wird. 4 Das Problem der katholischen Briefsammlung Bislang ausgespart habe ich Anfragen an die These Trobischs, die sich auf die Sammlungseinheit der katholischen Briefe beziehen. Während die Quellen doch ein recht eindeutiges Bild bezüglich der Vierevangeliensammlung 132 und der Paulusbriefsammlung 133 zeichnen und die Diskussion über die Zugehörigkeit der 126 Vgl. Heckel, Evangelium, 346f. 127 Vgl. z. B. Kellum, Rez. Trobisch. 128 Vgl. Maurer, Rez. Trobisch. 129 Vgl. Klinghardt, Rez. Trobisch, 182f. 130 Vgl. Klinghardt, Evangelium. 131 Vgl. Klinghardt, Rez. Trobisch, 183. 132 Vgl. diesbezüglich Trobisch uneingeschränkt zustimmend Wallraff, Kodex, 21. Vgl. ferner auch Hill, Four-Gospel Canon, der zu dem Ergebnis kommt, dass sich der Befund in der Literatur des frühen Christentums mit dem materialen Befund bezüglich eines terminus ante quem für die Vierevangeliensammlung im 2. Jh deckt. 133 Ein sicheres Datum für eine publizierte Sammlung paulinischer Briefe besteht bekanntlich in Marcions „Apostolos“, vgl. dazu Schmid, Marcion. Durch die jüngst von M. Klinghardt breit begründete These, dass das Evangelium Marcions keine Verstümmelung des Lukasevangeliums ist, sondern das LkEv eine redaktionelle Überarbeitung eines proto-luka- 45 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments Apokalypse als Diskussion über die Zugehörigkeit zu einer bestehenden Sammlung interpretiert werden kann, stellt sich der Quellenbefund bezüglich der katholischen Briefe disparater dar. Daher wird die frühe Rezeptionsgeschichte der katholischen Briefe in der neueren Forschung, die sich mit der Sammlungsgeschichte des Neuen Testaments beschäftigt, gleichsam als entscheidender Prüfstein herangezogen. Zu nennen sind hier insbesondere die Arbeiten von D. R. Nienhuis und W. Grünstäudl, die sich mit der These Trobischs im Rahmen ihrer Forschung zu den katholischen Briefen auseinandersetzen. Ihre Anfragen rekurrieren primär auf die Entstehungsgeschichte des 2Petr, dem im Rahmen der These Trobischs eine konstitutive Funktion für die Kohärenzbildung innerhalb des NT zukommt. 134 Während Nienhuis in Modifikation der Idee Trobischs die These vertritt, erst mit dem Hinzukommen von Jak und 2Petr im 3. Jh. zu einer bestehenden apostolischen Briefesammlung sei die katholische Briefsammlung zunächst im Osten zu ihrer finalen Form gelangt, 135 stellt Grünstäudl die Hypothese auf, der 2Petr sei in der zweiten Hälfte des zweiten Jh. in Alexandrien entstanden, 136 wobei ihm die bei Origenes belegbare Rezeption als terminus ante quem gilt. 137 Seine Hypothese stützt sich neben der „Beachtung der fundamentalen Entsprechung, in der die theologische Konzeption des 2 Petr zu der des Clemens steht“ 138 auf die gründlich untersuchte Frage nach literarischen Abhängigkeitsbeziehungen, die Grünstäudl u. a. zugunsten einer Abhängigkeit des 2Petr von Justin und der ApkPetr entscheidet. 139 nischen, anonymen Evangeliums darstellt (vgl. Klinghardt, Gospel; Klinghardt, Evangelium), ändern sich auch die Koordinaten für die weitere Erforschung der Sammlung der paulinischen Briefe im 1. und 2. Jh. 134 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 136-147. 135 Vgl. Nienhuis, Paul, v. a. 234-238. Daneben betont er jedoch den anti-markionitischen Charakter von Jak und 2Petr, was eher auf das 2. Jh. hindeute. Die regional differenzierende Argumentation Nienhuis’ basiert auf der Zitation bzw. Nicht-Zitation der betreffenden neutestamentlichen Schriften in den erhaltenen Texten der frühen Kirche. Dies gehört zwar zum methodischen Grundansatz der Kanonforschung. Aber gerade von der Nicht-Zitation eines bestimmten Textes, auf die Nicht-Existenz zu schließen, ist methodisch angreifbar. 136 Vgl. Grünstäudl, Petrus, insb. 283. 137 Eine Abfassung nach 180 n. Chr. könne nicht als wahrscheinlich gelten, vgl. Grünstäudl, Petrus, 290. 138 Vgl. dazu ausführlich Grünstäudl, Petrus, 234-286 (Zitat 282). 139 Grünstäudl, Petrus, 97-144.206-226. Auch wenn die Frage nach der Richtung einer literarischen Abhängigkeitsbeziehung immer mit einem gewissen methodischen Vorbehalt verbunden ist, sind die Argumente von W. Grünstäudl für eine Priorität der ApkPetr (die Datierungsvorschläge reichen von der Mitte des zweiten Jahrzehnts des 2. Jh. bis in die 130er Jahre) gegenüber 2Petr doch sehr beeindruckend. Dass sich damit der „gerne angenommene terminus ad quem des 2 Petr in einen terminus a quo [vermutlich nach 140]“ 46 Jan Heilmann Die Argumentationen von Nienhuis und Grünstäudl basieren zu einem großen Teil auf der traditionellen Methodik der Forschung zum neutestamentlichen Kanon, die sich der Auswertung der Rezeption neutestamentlicher Schriften in der patristischen Literatur bedient: Vor allem das Fehlen einer Rezeption bei den „westlichen“ Autoren wird in Stellung gebracht. 140 Wenn man wie Grünstäudl die Abhängigkeitsrichtung bei Justin und der ApkPetr umkehrt, findet sich bei Origenes der erste sichere, positive Rezeptionsbeleg für 2Petr. 141 Das methodische Problem, von der Nicht-Rezeption darauf zu schließen, eine Schrift sei noch nicht vorhanden oder als neutestamentliche Schrift nicht anerkannt, brauche ich hier nicht weiter zu thematisieren. Vor allem zeigt aber die Diskussion um konkrete mögliche Berührungspunkte und deutliche Parallelen (v. a. zwischen 2Petr und 1/ 2Clem, Herm, Barn sowie Polyk), dass eine literarische Abhängigkeit der genannten Schriften vom 2Petr zwar nicht bewiesen, 142 aber umgekehrt aus dem Befund heraus auch nicht widerlegt werden kann. Hier liegt eine deutlich sichtbare methodische Schwachstelle in der Argumentation von Grünstäudl. Während Nienhuis Euseb als Kronzeugen für seine These eines Abschlusses der katholischen Briefsammlung im 3. Jh. heranzieht, 143 sieht Grünstäudl gegen Trobisch in Eusebs Erklärung, er habe erfahren, dass der als nächstes kommende (wörtl. gebrachte), zweite [Brief des Petrus] nicht im Bund sei ( τη` ν δε` φερομε´ νην δευτε´ ραν ου᾽ κ ε᾽ ν δ ι α´ θ η κ ο ν με` ν ει ῏ναι παρειλη´ φαμεν , Eus. h. e. 3,3,1), einen Beleg für die Hypothese, die 27 Schriften des NT hätten sich in einem Prozess herausgebildet. 144 Die Formulierung selbst und der Kontext deuten aber eher daraufhin, dass die Stelle eine Diskussion um die Zugehörigkeit von 2Petr zu einer bereits existierenden Sammlung reflektiert ( ε᾽ νδια´ θηκος ), die womöglich den Titel (Grünstäudl, Petrus, 182) verwandelt, stärkt die These Trobischs, da die umgekehrte Reihenfolge eine Datierung von 2Petr und damit der editio princeps in die Mitte/ die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts erschwerte. Schwieriger hingegen ist der Erweis der Richtung der literarischen Abhängigkeit von Iust. Mart. dial und 2Petr. Hier votiert Grünstäudl v. a. auf der Grundlage einer stilistischen Beobachtung (die Sequenz in 2Petr 2,1 sei prägnanter als diejenige in dial. 82,1, vgl. Grünstäudl, Petrus, 215) für eine Priorität Justins gegenüber 2Petr. Eine Kenntnis der „Kanonischen Ausgabe“ von Justin, wie M. Klinghardt sie annimmt (vgl. Klinghardt, Evangelium, 375-377), und eine Abhängigkeit des 2Petr von Iust. Mart. dial. wären schwer miteinander vereinbar. Die argumentative Basis ist m. E. jedoch zu dünn, um die literarische Abhängigkeitsbeziehung zwischen 2Petr und Justin eindeutig zu beindeutig zu bestimmen. 140 Vgl. Grünstäudl, Petrus, 223; Nienhuis, Paul, passim. Vgl. auch Grünstäudl, Was lange währt … , insb. 72-81. 141 Vgl. zur Rezeption der katholischen Briefsammlung bei Origenes Nienhuis, Paul, 52-60. 142 Vgl. die ausführliche Diskussion bei Grünstäudl, Petrus, 184-223. 143 Vgl. Nienhuis, Paul, 63-70. 144 Vgl. Grünstäudl, Petrus, 224f. 47 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments „Neuer Bund“ trug. 145 So ist die Bezeichnung προ´ τερος - δευ´ τερος am ehesten als Verweis auf die Stellung und Bezeichnung der Briefe in einer Sammlung zu verstehen, vor allem die Formulierung η῾ λεγομε´ νη αυ᾽ του῀ προτε´ ρα („der als sein erster bezeichnet wird“) klingt nach einer Referenz auf eine vorhandene Überschrift. 146 Einen Brief mit „erster“ zu spezifizieren, impliziert zwingend, dass ein zweiter, mit einer Ordinalzahl gekennzeichnet, existiert. Ebenso deutet das Verb σπουδα´ ζω auf die Aufnahme in eine Schriftensammlung hin. 147 Vor allem der folgende Satz (Eus. h. e. 3,3,2), in dem - grammatisch eindeutig von der Besprechung des 2Petr abgegrenzt - andere Petrus zugeschriebene Schriften diskutiert werden, impliziert, dass 2Petr vor Euseb zu einer Sammlung „katholischer“ Schriften gezählt wurde ( … ε᾽ ν καθολικοι ῀ς … ). Dass Euseb hier die „kanonische“ katholische Siebenbriefesammlung vor Augen hat, bezeugt h. e. 2,23,24f. 148 Da nach Euseb auch schon Origenes 149 von einem zweiten, allerdings in seiner Authentizität bezweifelten Petrusbrief spricht ( ε῎στω δε` και` δ ε υ τ ε´ ρ α ν : α᾽ μφιβα´ λλεται γα´ ρ h. e. 6,25,8), ist es durchaus wahrscheinlich, dass auch dieser schon die Diskussion um die Zugehörigkeit zu der von Trobisch postulierten katholischen Briefsammlung reflektiert. 150 Es stellt sich nämlich die Kontrollfrage, wie Origenes und Euseb darauf kommen konnten, 2Petr als zweiten Brief zu bezeichnen, wenn er nicht als solcher in einer Sammlung gekennzeichnet gewesen wäre. Im Referenzrahmen der These Trobischs wird die Debatte um die Zugehörigkeit von 2Petr zum Neuen Testament gerade deshalb so stark geführt, weil er in einer Sammlung von sieben katholischen Briefen überliefert wird und 145 Gegen Nienhuis, Paul, 67, der ε᾽ νδια´ θηκος mit „canonical“ übersetzt. Auch gegen Grünstäudl, Petrus, 225, der zu allgemein von Schriften des Bundes spricht. 146 Für wertvolle philologische Hinweise danke ich an dieser Stelle stud. phil. Kevin Künzl. 147 In h. e. 3,9,2 beschreibt Euseb mit diesem Verb die Aufnahme der Schriften des Josephus in eine Bibliothek in Rom: του` ς δε` σπουδασθε´ ντας αυ᾽ τ ͺ ω῀ λο´ γους βιβλιοθη´ κης . Vgl. außerdem Lampe, Greek Patristic Lexicon, 1250. 148 Τοιαυ῀τα και` τα` κατα` ᾽Ια´ κωβον , ο υ῟ η῾ π ρ ω´ τ η τ ω῀ ν ο᾽ ν ο μ α ζ ο μ ε´ ν ω ν κ α θ ο λ ι κ ω῀ ν ε᾽ πιστολω῀ ν ει ῏ναι λε´ γεται : … ου᾽ πολλοι` γου῀ν τω῀ ν παλαιω῀ ν αυ᾽ τη῀ς ε᾽ μνημο´ νευσαν , ω῾ ς ου᾽ δε` τη῀ς λεγομε´ νης ᾽Ιου´ δα , μια῀ ς και` αυ᾽ τη῀ς ου῎ σης τ ω῀ ν ε῾ π τ α` λ ε γ ο μ ε´ ν ω ν κ α θ ο λ ι κ ω῀ ν . Zu dieser Einschätzung kommt auch Nienhuis, Paul, 66f; vgl. auch Grünstäudl, Was lange währt … , 71f; siehe dazu unten mehr. 149 Wenn man Ps.-Iust. Quast. 450B ins dritte Jh. datiert, was freilich umstritten ist, hätte man einen weiteren Beleg für die frühe Zählung. 150 Hinzu kommt die Evidenz, dass Origenes in de princ. 2,5,135 explizit von einem ersten Petrusbrief spricht und ein Zitat aus 2Petr 1,4 Petrus zuschreibt (vgl. Hom. in Lev. 4,4,18). Dass diese Stellen lediglich in den lateinisch überlieferten Texten auftauchen, hat angesichts des Referats durch Euseb in h. e. 6,25,8 keinerlei argumentative Aussagekraft und ist am besten durch die Kontingenz der Überlieferung zu erklären. Gegen Nienhuis, Paul, 67: 54f, der daraus weitreichende Schlussfolgerungen für die „Kanonisierung“ der Katholischen Briefsammlung zieht. 48 Jan Heilmann die deutlichen Differenzen zwischen den beiden Petrusbriefen wahr- und ernstgenommen werden. 151 Im Anschluss an Klauck vermutet Grünstäudl, dass der „aufgrund seiner elaborierten Sprachgestalt an seine Leser durchaus Ansprüche stellende 2 Petr [ … ] in einem Zirkel gebildeter Christen, die auch seine Verfasserfiktion durchschauten, entstanden“ und rezipiert worden und „dann im weiteren Raum der weniger Gebildeten als Testament des Petrus zur Geltung gekommen“ 152 sei. Die Schwäche seines Modells zur Erklärung, wie dieses Pseudepigraphon im zweiten Jh. entstanden und Teil der katholischen Briefsammlung wurde, bringt er selbst zum Ausdruck: „Wie dann dieser testamentarische Text des Petrus rund 100 Jahre nach dem Tod des Petrus in Umlauf kam und so rezipiert wurde, dass er zur Zeit des Origenes bereits eine gewisse Akzeptanz als Text des Apostels Petrus erlangt hatte, lässt sich schlicht nicht sagen“. 153 Hier ist zu fragen, ob nicht der Erklärungswert von Trobischs Modell, Fälschungen durch die Integration in Sammlungen zu verschleiern, höher anzusetzen ist. Die These Trobischs dispensiert jedoch nicht davon, pseudepigraphe Schriften, die nicht auf die editio princeps zurückgehen (können), historisch plausibel zu erklären. Das bedeutet nicht zuletzt, dass die „vorkanonische“ Geschichte der katholischen Briefesammlung im Referenzrahmen der These einer editio princeps noch zu erforschen und plausibel zu begründen wäre. Eine Fälschung der kompletten katholischen Briefsammlung durch den Herausgeber der editio princeps erscheint sowohl angesichts des Quellenbefundes als auch im Blick auf die Verschiedenheit der beiden Petrusbriefe als unwahrscheinlich. 154 Zuletzt hat sich W. Grünstäudl in zwei Beiträgen ausführlich mit der These Trobischs auseinandergesetzt. 155 Im Folgenden sind nun die Argumente, die über das oben Genannte hinausgehen, abschließend kurz zu diskutieren. Grünstäudls Gegenargumentation kondensiert in seiner Feststellung, dass die katholische Siebenbriefesammlung aus der Sicht sowohl der altkirchlichen Quellen (a) als 151 Grünstäudl, Petrus, 284f, verweist bezüglich der Stilanalyse als Kriterium für die Echtheit der apostolischen Verfasserschaft auf Orig. hom. in Hebr. apud Eus. h. e. 6,25,11. Vgl. ausführlich zur Echtheitskritik in der Alten Kirche Baum, Kanon; Baum, Pseudepigraphie, passim. 152 Grünstäudl, Petrus, 284. 153 Grünstäudl, Petrus, 284. 154 Die Untersuchung möglicher „vorkanonischer“ Sammlungseinheiten stellt ein Desiderat dar. Vgl. als Grundlage für weitere Überlegungen z. B. Hill, Corpus, insb. 449-475, zur Frage nach den johanneischen Schriften als Sammlung, und Klinghardt, Evangelium, 366-371, zu ersten spekulativen Überlegungen zu einer „protokanonischen“ Evangeliensammlung. Vgl. außerdem Nienhuis/ Wall, Reading, 17ff. 155 Grünstäudl, Was lange währt … ; Grünstäudl, Geschätzt und bezweifelt, in diesem Band. 49 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments auch der hss. Evidenz (b) sehr spät entstanden sein müsse - eine frühe Edition aller von Trobisch postulierten Sammlungseinheiten also nicht im 2. Jh. stattgefunden haben könnte: a) Grünstäudl behauptet, Eus. h. e. 2,23,24f 156 wäre der erste Beleg für diese Schriftengruppe als klar umrissene Größe. 157 Er stellt allerdings auch fest, dass „[d]ie Existenz aller sieben Katholischen Briefe [ … ] doch spätestens in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts vorausgesetzt werden“ 158 darf. Da u. a. bei Clemens von Alexandrien und Origenes die „Gesamtheit dieser sieben Texte in keiner Weise in den Blick kommt“ 159 , könne man jedoch noch keine Sammlung dieser sieben Briefe annehmen. 160 Ausgehend von diesen Beobachtungen datiert er die Entstehung der Siebenbriefesammlung in die zweite Hälfte des 3. Jh. 161 Die Sicherheit dieser Schlussfolgerung ist jedoch mindestens in zweifacher Hinsicht zu hinterfragen. Erstens kann man die Quellen, die Grünstäudl anführt, durchaus als Beleg für die Existenz einer katholischen Briefammlung werten. Es ist zwar richtig, dass die Bezeichnung ε᾽ πιστολη` καθολικη´ in der frühchristlichen Literatur nicht exklusiv für die in der Siebenbriefesammlung enthaltenen Texte verwendet wird, alle frühen Belege stehen jedoch in einem signifikant engen Zusammenhang mit den katholischen Briefen im Neuen Testament bzw. lassen sich plausibel aus den paratextuellen Informationen einer Sammlung von „katholischen Briefen“ ableiten. Die meisten Belegstellen finden sich bei Origenes. Dieser bezeichnet sehr häufig den 1Joh, 162 außerdem den 1Petr als „katholischen Brief“, 163 an einer Stelle (nur in der lateinischen Überlieferung) auch den Jud. 164 Gerade einem Brief wie dem 1Joh, der ausweislich seines Inhalts an eine exklusive Gruppe gerichtet ist, als „katholisch“ zu be- 156 S. o. Anm. 148. 157 Vgl. Grünstäudl, Was lange währt … , 71f. Ich sehe allerdings nicht, inwiefern Eus. h. e. 2,23,24f und 3,25,1-3 eindeutig belegen sollen, dass die Katholische Briefesammlung auf noch keine lange Geschichte zurückblicken könnte. Eine zeitliche Aussage lässt sich aus diesen Stellen m. E. nicht gewinnen. Gegen Grünstäudl, Was lange währt … , 82, der auf Nienhuis, Paul, 68f.86, und Norelli, Origini, 510, verweist. Siehe dagegen die Interpretation unter Punkt 2. 158 Grünstäudl, Was lange währt … , 77. 159 Grünstäudl, Was lange währt … , 81, im Anschluss an Norelli, Origini, 459-464. 160 Vgl. Grünstäudl, Was lange währt … , 77-81. Aus der unterschiedlichen Art der Nutzung aller katholischen Briefe zu schließen, diese existierten noch nicht materialiter in einer Sammlung, halte ich für methodisch schwierig. 161 Vgl. Grünstäudl, Was lange währt … , 82f. 162 Vgl. Orig. comm. in Jo. 1,22,138; 2,23,49; 19,1,3; 20,13,99; de or. 22,2; hom. in Jer. 9,4,62; comm. in Matth. 17,19. 163 Vgl. Orig. comm. in Jo. 6,35,175; sel. in Ps. (PG 12 1128,56). 164 Vgl. Orig. comm. in Rom. 5,1. 50 Jan Heilmann zeichnen, ist am einfachsten dadurch zu erklären, dass diese Attributierung die paratextuellen Informationen in den Hss. referenziert. Dass Origenes trotz mutmaßlicher Existenz der beiden kleinen Johannesbriefe (in der Sammlung) von dem einen katholischen Brief des Johannes sprechen kann, ist darauf zurückzuführen, dass er die anderen beiden wie Euseb 165 einem anderen Verfasser, nämlich dem in den Briefen genannten Presbyter zugeschrieben haben könnte. Dies deckt sich mit der Beobachtung, dass zu einem späteren Zeitpunkt, als die Siebenbriefesammlung definititv mit allen drei Johannesbriefen existierte, der 1Joh noch analog zu Origenes als der eine katholische Brief des Johannes genannt wird. 166 Analoges gilt interessanterweise auch für den 1Petr. 167 Dass Clemens von Alexandrien, der die „katholischen Briefe“ lt. Eus. h. e. 6,14,6 in seinen Hypotyposeis kommentiert hat, 168 das sog. Aposteldekret in Apg 15,23-29 als „katholischen Brief“ bezeichnet, ist angesichts der engen intratextuellen 165 Vgl. Eus. h. e. 7,25,7-11. 166 Vgl. z. B. Sokr. hist. eccl. 7,32; Kyr. Hier. tituli catech. 2,3; Joh. Chrys. psproph. (PG 59 p. 554,35). 167 Vgl. z. B. die uneinheitliche Zitationspraxis bei Kyr. Hier. catech. 5 ( Και` α᾽ να´ γνωσις Πε´ τρου καθολικη῀ς ε᾽ πιστολη῀ς · [es folgt Zitat aus 1Petr 2,1]) und catech. 1 ( Και` α᾽ να´ γνωσις ε᾽ κ τη῀ς Πε´ τρου ε᾽ πιστολη῀ς α ’ καθολικη῀ς ); ferner Anast. Sinai. adv. Mon. 5. 168 Es ist richtig, dass man aus dieser Stelle bei Euseb nicht (und noch weniger aus Photius, Cod. 109) schließen kann, Clemens habe „tatsächlich alle Katholischen Briefe kommentiert“ (Grünstäudl, Was lange währt … , 80, Anm. 43 [Hervorhebung im Original]), freilich lässt sich das Gegenteil aus diesen Stellen genauso wenig beweisen. Die Argumentation von Grünstäudl, Petrus, 239-244, für ein Fehlen eines Kommentars von 2Petr in diesem Werk ist solange sehr plausibel, als es sich bei den Adumbrationes in epistolas canonicas (Kommentar von 1Petr, Jud, 1-2 Joh) tatsächlich um die komplette lateinische Übersetzung des verlorenen Werkes von Clemens handelte. Die Gefahr einer zirkulären Argumentation ist nicht ausgeschlossen, da die Angaben in Cassiod. inst. 1,8,4 von der Hs. abhängig sind, auf der die von Cassiodor angeforderte Übersetzung basiert. Dass in den Hss. der lateinischen Übersetzung Cassiodors, den Adumbrationes, die Kommentierung des Jud direkt auf diejenige des 1Petr folgt, beweist nicht, dass die griechische Manuskriptvorlage der Übersetzung nicht vielleicht schon unvollständig war. Mit Ruwet, Cle´ment, 98, gegen Grünstäudl, Petrus, 239. Ein Grund für die mögliche Unvollständigkeit könnte im umstrittenen „kanonischen“ Status des Briefes liegen. Wenn Clemens’ Hypotyposeis nur 1Petr, Jud und 1-2 Joh enthalten hätten, entstünde eine Spannung zu der ebenfalls bei Cassiodor belegten Auffassung, Clemens habe die gesamte Heilige Schrift des AT und NT vom Anfang bis zum Ende ausgelegt (ferunt itaque Scripturas divinas veteris novi que Testamenti ab ipso principio usque ad finem, Cassiod. inst. 1, praef., 4). Diese Spannung könnte man noch mit einer unpräzisen Beschreibung des Schriftgebrauchs von Clemens auflösen. Stärker wiegt, dass Eusebs Aussage „ … ohne die bestrittenen Schriften zu übergehen, den Brief des Judas meine ich, die übrigen katholischen Briefe … ( μηδε` τα` ς α᾽ ντιλεγομε´ νας παρελθω´ ν , τη` ν ᾽Ιου´ δα λε´ γω και` τα` ς λοιπα` ς καθολικα` ς ε᾽ πιστολα´ ς … )“ wenig Sinn machte, da Euseb 1Petr und 1Joh eindeutig zu den ο῾ μολογου´ μενα und nicht zu den α᾽ ντιλεγο´ μενα zählt; die Wendung τα` ς λοιπα` ς καθολικα` ς ε᾽ πιστολα´ ς würde sich also nur auf 2Joh beziehen. Die diesbezügliche Argumentation bei Grünstäudl, Petrus, 238f, Anm. 23 (mit weiteren Verweisen auf die Forschungsdiskussion), erscheint mir eher eine Verlegenheitslösung und ist aus meiner Sicht nicht überzeugend. Das Problem der Adumbrationes kann jedoch hier nicht weiter vertieft werden. 51 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments Verflechtungen zwischen den Verfassern der Briefe in der Siebenbriefesammlung und den namentlich erschließbaren Verfassern des Aposteldekrets (vgl. insb. Apg 15,13.22; Gal 2,9) nicht erstaunlich. Diese erzählte Situation in „kanonischer“ Perspektive im Hintergrund könnte auch für Origenes den Ausschlag gegeben haben, an einer Stelle (Orig. Cels. 1,63) den Barn als „katholischen Brief“ zu bezeichnen. 169 Zweitens übergeht Grünstäudl die Evidenz für eine katholische Siebenbriefesammlung, die im Zusammenhang mit der Apostelgeschichte steht, in Orig. Hom. in Jos 7,1 und hom. in Gen 13,2, da er diese im Anschluss an die traditionelle Kanonforschung für eine Interpolation Rufins hält. Diese Bewertung jener nur im Lateinischen überlieferten Stellen in Origenes’ Werk ist jedoch in der jüngeren Forschung fraglich geworden und basiert zuletzt auf einem Zirkelschluss, da die Hauptargumente für die Interpolationsthese vor allem kanongeschichtliche sind (s. o., insb. Anm. 89). Grünstäudl begründet die sukzessive Entstehung der Siebenbriefesammlung u. a. auf der Grundlage des lateinischen Origenes, den er für interpoliert (und spät) hält, und begründet die Interpolation von Origenes mit der Entstehungsgeschichte der Sammlung der 27 neutestamentlichen Schriften. b) Grünstäudl stellt anhand eines Vergleichs der drei großen Kodizes a 01, A 02 und B 03 gegen die gängige Einschätzung in der Textkritik 170 die These auf, dass man im 4. Jh. noch nicht von einer Einheit von Apg und Katholischen Briefen sprechen könne, sondern dass diese erst für das 5. Jh. durch ein Kolophon im Alexandrinus (f. 84v) sicher bezeugt wäre. Als Argument führt er im Rahmen einer ausführlichen kodikologischen Betrachtung der Übergänge zwischen den Schriften an, dass „[a]m Ende der Apostelgeschichte (L 88/ B 1r[dritte Spalte]) [ … ] eine ganze Spalte freigelassen [ist], sodass der Jakobusbrief auf L 88/ B 1v (erste Spalte) beginnt und die Lücke zwischen Apostelgeschichte und Jakobusbrief so- 169 Vgl. die Nennung von Barnabas in Apg 15,22; Gal 2,9.14. Dass ferner Apollonius nach Eus. h. e. 5,18 dem Montanisten Themison vorwirft, er habe in Nachahmung des Apostels einen „katholischen Brief“ verfasst, also gefälscht, kann sich ebenfalls darauf beziehen, dass er sich dabei eines Namens der Autoren der katholischen Briefsammlung bedient hat. So schon Bauer, Rechgläubigkeit, 140, Anm. 3; Walls, Prototype, 441. Die Identifikation von μιμου´ μενος το` ν α᾽ πο´ στολον mit Paulus ist keinesfalls zwingend (gegen Zahn, Geschichte I, 9.263; Geschichte II, 75; Campenhausen, Entstehung, 266, Anm. 103 [zirkuläre Argumentation, da bestimmter Status der katholischen Briefe im Kanonisierungsmodell vorausgesetzt wird]); dafür enthält das Fragment bei Euseb zu wenig Kontext. Dass schließlich Dionysius von Korinth seine Briefe als „katholische Briefe“ bezeichnet hat (vgl. Eus. h. e. 4,23), wäre wiederum dadurch gut erklärbar, dass er diese in Anlehnung an eine „neutestamentliche“ katholische Briefsammlung unter dem Titel „katholische Briefe“ veröffentlicht hat. Schließlich sind unter den Briefen auch welche, die nicht an „allgemeine“ Adressaten geschickt worden sind, sondern eindeutig an Gemeinden (z. B. an die Athener, der Lacedämonier, an die Römer usw.). 170 Vgl. z. B. Parker, Introduction, 285f. 52 Jan Heilmann mit den Umfang einer ganzen Spalte - wie zwischen Barnabasbrief und Hirt des Hermas - umfasst,“ 171 wodurch Apg und Katholische Briefe optisch voneinander getrennt würden. 172 Bei seiner Argumentation fehlt die Feststellung, dass dieser Einschnitt optisch weniger markant ist als die anderen Vergleichststellen, die er anführt. Zudem implizierte die Logik des Arguments, dass auch die vier Evangelien nicht als Einheit wahrgenommen worden wären; wobei der Einschnitt dort noch viel deutlicher gestaltet ist (durch ein gänzlich unbeschriebenes Blatt zwischen Lk und Joh), auf den Grünstäudl selbst hinweist. An dieser Stelle fällt der methodische Vorwurf auf Grünstäudl zurück, den er gegenüber D. C. Parker erhebt, 173 dass man die Ebene der redaktionellen Strategien im Hintergrund einer einzelnen Hss. und die textkritische Argumentation sauber trennen muss. Grünstäudl führt aus, dass es rein rechnerisch acht Varianten gäbe, Apg, die Paulusbriefe und die Katholischen Briefe zwischen den vier Evangelien und der Johannesoffenbarung anzuordnen und in den zwei erhaltenen Unzialhandschriften des 4. Jh. zwei davon realisiert worden seien. 174 Dies bleibt allerdings ein hypothetisches Argument, da die meisten dieser Varianten hss. nicht realisiert worden sind und die Stellung der Apg zwischen Tetraevangelium und Corpus Paulinum eindeutig sekundär ist, während die Umstellung der Apg hinter die Katholischen Briefe immer noch eine Zuordnung der beiden Größen impliziert. 175 Dieser Befund in den späteren Vollausgaben des Neuen Testaments, der freilich immer noch recht einheitlich ist, 176 hat jedoch wenig Relevanz für die folgende Feststellung: Unter Anwendung der textkritischen Methodik - die beim Ziel der Rekonstruktion des Ausgangstextes sowohl für den Text als auch für die Anordnung der Schriftensammlungen gelten muss - lässt der hss. Befund der großen Kodizes keine andere Schlussfolgerung zu, als dass im Ausgangstext, auf den die drei großen Kodizes unabhängig zurückgehen, die Apg den Katholischen Briefen zugeordnet war. Bei dieser Zuordnung handelt es sich angesichts der 171 Grünstäudl, Was lange währt … , 90. 172 Vgl. Grünstäudl, Was lange währt … , 90f. 173 Vgl. Grünstäudl, Was lange währt … , 89. 174 Vgl. Grünstäudl, Was lange währt … , 88. 175 Diese Anordnung ist als sekundäre Umordnung der ursprünglichen Reihenfolge p c zur engeren Zusammenordnung der Briefe in einem Sammelkodex zu interpretieren. 176 Vgl. dazu Schmidt, Codex, 479-484. Der überwiegende Teil der dort gelisteten Minuskeln bietet das Neue Testament in der Reihenfolge der Majuskeln A 02 und B 03: e a (= a + c) p r. Vgl. ferner auch die Abb. im Codex Amiatinus (um 700) auf f. 6r (s. Anm. 68), die exakt diese Reihenfolge der Sammlungseinheiten dokumentiert; diese entspricht allerdings nicht der Reihenfolge der Schriften im Kodex (e a p c r) und muss daher älter sein. Dass in diesem Codex gerade im Bereich der paratextuellen Elemente sehr alte Elemente übernommen und nicht in Kongruenz zum eigentlichen Text gebracht werden (vgl. z. B. auch die Reihenfolge der Evangelien in den diversen Abb. am Beginn des Kodex und im Kodex selbst), zeigt demnächst eine Dissertationsschrift, die in Dresden entsteht. 53 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments eindeutigen inhaltlichen Zusammengehörigkeit des LkEv und der Apg außerdem um die lectio difficilior. Aus textkritischer Sicht schwierig ist daher auch die Formulierung, dass in der Kategorie, die im Nestle-Aland mit dem Siglum „a“ (Apg + katholische Briefe) bezeichnet wird, von den Herausgebern der textkritischen Ausgaben zwei „ganz unterschiedliche Überlieferungseinheiten zusammengestellt worden sind“. 177 Ob es sich nämlich bei der Zusammenstellung von Apg und Katholischen Briefen in einer Sammlungseinheit um ein Phänomen der Textüberlieferung handelt, ist doch gerade fraglich: Die Zusammengehörigkeit von LkEv und Apg kommt in den griechischen Kodizes und auch in den Versionalhandschriften nirgends vor und auch die Zirkulation der Apg in einer Einzelhandschrift ist nicht belegt. 178 Zusätzlich ist auch Grünstäudls Datierung der Zusammenstellung von Apg und Katholischen Briefen ins 7. Jh. zu hinterfragen: Die Zusammenschau des Gesamtbefundes in den frühchristlichen Quellen 179 , in den griechischen, in einigen koptischen Zeugnissen 180 und vor allem auch in den altlateinischen Hss. 181 zeigt, 177 Grünstäudl, Was lange währt … , 87f, Anm. 74. Nichtsdestoweniger sind zur differenzierten Beschreibung der späteren redaktionellen Umordnungen in den Vollausgaben des Neuen Testaments die Sigla e a + c p r zu verwenden (a = Apg; c = Katholische Briefe), wobei durch das Pluszeichen die Zusammengehörigkeit von a und c angezeigt werden kann; vgl. Elliot, Heritage, 130; Schmidt, Codex, 473f. 178 Wenn die Apg nicht mit dem gesamten NT in einer Hs. überliefert wird, dann steht sie zusammen mit den katholischen Briefen in einer Hs., wobei es auch eine große Anzahl von Hss. gibt, in denen neben diese beiden Größen auch noch die Paulusbriefsammlung tritt (vgl. dazu die hilfreichen und differenzierenden Ausführungen bei Grünstäudl, Was lange währt … , 87, Anm. 73; Grünstäudl" Geschätzt und bezweifelt, in diesem Band, Anm. 22.) Allerdings ist diese Zusammenstellung der Sammlungseinheit „Praxapostolos“ (a+c) zusammen mit der Paulusbriefsammlung (a+c +p) m. E. sekundär gegenüber der Zusammenstellung, die nur Apg und Katholische Briefe enthält (a+c). 179 Vgl. dazu die Diskussion der Quellen unter Punkt 2. Ich kann in den von Grünstäudl, Was lange währt … , 92, angeführten Quellen (insb. Kyr. Hier. catech. 4,36; Athan. epist. fest. 39) gerade keine theologische Logik erkennen, die dazu geführt haben sollte, Apg und Katholische Briefe zusammenzuordnen; vielmehr erscheint es mir so, als reflektieren die Aufzählungen in diesen Quellen eine bereits vorfindliche Zusammenstellung von Apg und Katholischen Briefen in den Hss., welche von den Kirchenvätern verwendet wurden. 180 Vgl. Crum, Inscriptions, 564, B 14; Ostr. IFAO 13315, col. a, Z. 27f. Vgl. Coquin, Catalogue, 209.215. Vgl. außerdem das griechische Inventar P. Lugd. Bat., col. 2, Z. 7. Vgl. zur bohairischen Handschriftentradition Metzger, Early Versions, 122. 181 Diese Einschätzung basiert auf einer ersten Durchsicht der bei Metzger, Versions, 302-311, gelisteten Manuskripte. Eine ausführliche Untersuchung der altlateinischen Hss. im Hinblick auf die Frage nach der Edition von Sammlungseinheiten ist damit noch nicht geleistet. Codex Floriacensis (Vetus Latina 55), der von zahlreichen Forschern ins 5. Jh. datiert wird, enthält Fragmente der Apg, der Katholischen Briefe, der Apc. Codex Bobiensis (VL 53), der ins 5., 6. oder 7. Jh. datiert wird, enthält Fragmente der Apg und der katholischen Briefe. Es ist aufschlussreich, dass zahlreiche Kodizes mit Vulgatatext in den übrigen Schriften des NT, in der Apg und den Katholischen Briefen einen altlateinischen 54 Jan Heilmann dass die redaktionelle(! ) Zuordnung der Apg zu den Katholischen Briefen vor dem 4. Jh. erfolgt sein muss. Methodisch nicht haltbar ist es, aus griechischen Handschriften aus dem 7. Jh., in denen die Katholischen Briefe und die Apostelgeschichte in einer Einzelhandschrift zusammengestellt sind, eine Datierung der redaktionellen Zusammenstellung ins 7. Jh. zu erschließen. 182 Hier ist der in der Textkritik zu Recht immer wieder betonte Unterschied zwischen Hs. und Textzeuge genau zu beachten: Das Alter einer Hs. sagt noch nicht viel über das Alter des enthaltenen Textes bzw. in diesem Fall des erhaltenen Sammlungszusammenhangs aus. 5 Schluss und Fazit Die Durchsicht der Forschungsbeiträge, die auf die These Trobischs reagieren, zeigt, dass der Diskussion ein gewisser Eklektizismus anhaftet und die Auseinandersetzung eher punktuell geführt wird. 183 Es fehlt eine differenzierte Würdigung der Erklärungsleistung des Modells im Ganzen, das ja offene Fragen der gängigen Theorien zur Beschreibung der Entstehung des Neuen Testaments adressiert. Es ist auffällig, dass sich die Kritik schwerpunktmäßig auf den ersten Teil, den Nachweis einer Erstedition des Neuen Testaments aus dem Handschriftenbefund, bezieht, die Beobachtungen zum literarischen Konzept und zur Kohärenz der Ausgabe jedoch weitgehend unberücksichtigt bleiben. Ein großes Rezeptionshemmnis für die Ersteditionsthese stellt die Dominanz eines zumeist weitgehend unhinterfragten Zirkulations- und Sammlungsmodells dar, in dessen Rahmen die gottesdienstliche Lesepraxis als entscheidender Katalysator und die Gemeinden, die zumeist eine recht unspezifische Größe bleiben, als Instanz für die Entstehung des neutestamentlichen Kanons konzeptualisiert sind. Dieses Modell ist mit der Annahme einer einheitlichen Redaktion (und Publikation) unvereinbar. 184 Die damit angedeutete forschungsgeschichtliche Ausgangslage verweist auf das Desiderat einer umfassenden Studie zur In- Text enthalten: So etwa der Codex Perpinianensis (VL 54), der Codex Gigas (VL 51) und der Codex Wernigerodensis (VL 58). Es liegt nahe, dass dieser Text ursprünglich aus einer Sammlung der Apg mit den Katholischen Briefen stammt. Zum hohen Alter der altlateinischen Übersetzungen, die vermutlich ins 3. Jh. oder sogar in die zweite Hälfte des 2. Jh. zurückgehen, vgl. Metzger, Versions, 287ff. 182 Vgl. Grünstäudl, Was lange währt … , 87, in Anknüpfung an Parker, Introduction, 285f. 183 Eine Ausnahme bilden Grünstäudl, Geschätzt und bezweifelt, in diesem Band, und Nicklas, Kanongeschichte. Dieser Beitrag konnte hier nicht mehr berücksichtigt werden. 184 Vgl. jedoch den Versuch von Bokedal, Formation, insb. 148-155, den Ansatz Trobischs und das Zirkulations- und Sammlungsmodell in Einklang zu bringen. Er konstatiert zusammenfassend: „The early New Testament canon is best described as a collection of prior collections of writings (in codex form), rather than a collection of 27 or so individual 55 Die These einer editio princeps des Neuen Testaments terdependenz von Lesepraxis auf der einen und der Edition und Publikation von Büchern im frühen Christentum auf der anderen Seite. In jedem Fall ist zu konstatieren, dass v. a. die hier knapp diskutierte breite Bezeugung der Sammlungseinheiten und der Titel in den materiellen Zeugnissen (d. h. im Handschriftenbefund und in den Ostraka) sowie in den patristischen Texten in einer deutlichen Spannung zu einem dynamisch konzeptualisierten und regional diversifizierten Zirkulations- und Sammlungsmodell steht. Anstelle der bisher zumeist punktuell geführten Auseinandersetzung mit Einzelaspekten der Ersteditionsthese, die eigentlich keine zwingenden Gegenargumente gegen Trobischs Ideen hervorgebracht hat, sollte die zukünftige Diskussion stärker die potentielle heuristische Erschließungskraft des Modells insgesamt fokussieren, auch wenn es im Hinblick auf die Entstehung der Sammlungseinheiten in der zweiten Hälfte des zweiten Jh. vielleicht etwas differenzierter modelliert werden muss, als Trobisch dies ursprünglich gedacht hat: Damit meine ich sowohl die Annahme möglicher Vorläufer der Sammlungseinheiten einer editio princeps (z. B. die Sammlung von zehn Paulusbriefen, die für Marcion bezeugt ist) als auch die Tatsache, dass eine zeitlich etwas entzerrtere Herausgabe der einzelnen Sammlungseinheiten und eventuell darauf reagierende Herausgabe auch griechischer alttestamentlicher Texte nach dem gleichen Editionsprinzip historisch wahrscheinlicher ist als die Annahme eines einzelnen Herausgebers. Durch letzteres wäre dann auch der weniger eindeutige Quellenbefund bezüglich der katholischen Siebenbriefesammlung besser erklärbar. Die These, dass das Neue Testament als ein Buch im zweiten Jh. herausgegeben wurde, ist eine missverständliche Zuspitzung der These Trobischs, die im Rahmen der Rezeption seiner These die heuristischen Potentiale verdeckt hat, die dadurch entstehen, wenn man die Konstanz der Sammlungseinheiten in den Hss. berücksichtigt. Abschießend ist eine Auswahl solcher heuristischer Potentiale der Ergebnisse der Studie von Trobisch kurz zu skizzieren: a) Möchte man die Querbeziehungen bzw. die narrative Kohärenz der neutestamentlichen Schriften nicht dadurch erklären, dass das Neue Testament insgesamt eine im historistischen Sinne exakte Beschreibung real-historischer Personenkonstellationen zeichnet, bietet das Modell von Trobisch diesbezüglich einen nicht zu unterschätzenden Erklärungswert. b) Die Idee von Trobisch, Pseudepigraphie als Redaktionsphänomen auf der Ebene der Zusammenstellung von Sammlungen (hier muss nicht zwingend an die Erstedition aller 27 neutestamentlichen Schriften gedacht sein) zu writings. In the case of the fourfold Gospel and the Pauline letters, delimited collections probably circulated already in the second century“ (154). Vgl. allerdings die berechtigte Kritik am methodischen Gesamtansatz dieser Studie bei McDonald, Rez. Bokedal. 56 Jan Heilmann beschreiben, stellt gegenüber der schwerer zu konzeptualisierenden Einzelverbreitungsthese eine alternative Erklärungsmöglichkeit für die Akzeptanz von Pseudepigraphen im Neuen Testament dar. 185 Trobischs Grundgedanke, der editorische Schritt der Zusammenstellung von Sammlungen neutestamentlicher Schriften könne mit einem Redaktionsschritt (also einem Eingriff in die Texte selbst) zusammenhängen, ist c) nicht nur für eine „finale“ editio princeps aller neutestamentlichen Schriften konzeptualisierbar, sondern als Möglichkeit auch für „vorkanonische“ Sammlungszusammenstellungen (Paulusbriefsammlung, Evangeliensammlungen, Corpus Iohanneum). Die daraus zu gewinnende Möglichkeit, verschiedene Sammlungsstadien zu unterscheiden, enthält d) das Potential, textkritisch feststellbare Varianten im Textbefund auf die Interferenz dieser Ausgaben in der Textüberlieferung zurückzuführen. Die damit verbundenen Konsequenzen für das in der Textkritik leitende Paradigma des „Ausgangstextes“ kann an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden. Anzumerken ist lediglich, dass sich viele Textkritiker bewusst sind, dass der Text der Handschriften nicht direkt auf die Autographen zurückgeführt werden kann, 186 wie sich exemplarisch an der Wortwahl Barbara Alands in einem Aufsatz von 1989 verdeutlichen lässt. Aland resümiert, „daß unsere Handschriften auf eine sehr frühe Ausgabe oder autorisierte Abschrift o. ä. (der Terminus muß offen bleiben) zurückgehen“. 187 Insgesamt folgt daraus e), dass die These Trobischs in methodologischer Hinsicht zu einer reflektierten Neubestimmung des Verhältnisses insbesondere von Textkritik und Überlieferungsgeschichte sowie zwischen neutestamentlicher Wissenschaft und Patristik herausfordert. Und damit sind wir zurück beim Thema dieses Bandes: Im Horizont des Modells einer editio princeps ist der Text des Neuen Testaments ein Text des 2. Jahrhunderts. 185 Vgl. auch Rothschild, Hebrews, 139f.148-154. Mit diesem Modell werden nicht sämtliche Fälle von Pseudepigraphie im NT zu erklären sein. Dennoch sollte man in heuristischer Hinsicht Fälschung für eine Sammlung als mögliche Erklärung dieses Phänomens prüfen. Vgl. ferner Porter, Pauline Canon. 186 Vgl. dazu z. B. auch Petersen, Text; Petersen, Genesis, insb. 53f.62. Die Kritik von Michael Holmes - „But Petersen definitely has not shown that the text of Matthew, Mark, Luke and/ or John in the late first century was different from the text of those same gospels as we know it c. 180 and later. His case simply does not hold water“ (Holmes, Transmission, 73 [Hervorhebungen im Original]) - trifft zwar zu, muss aber angesichts der Ergebnisse der Studie von Klinghardt zur Bearbeitungsrelation des für Marcion bezeugten Evangeliums und Lk neu hinterfragt werden. 187 Aland, Arbeit, 68. Geschätzt und bezweifelt. Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit Wolfgang Grünstäudl Bei der Suche nach einem spannenden und ertragreichen Dissertationsprojekt war es nicht etwa eine Vorliebe für exotische Fragestellungen, die mich die Auseinandersetzung mit 2 Petr wählen ließ, 1 sondern die Anregung durch David Trobischs kanongeschichtlichen Entwurf, in dem 2 Petr, üblicherweise ein Text, dessen Zugehörigkeit zum neutestamentlichen Kanon nicht unbedingt als geschichtlich wie theologisch unverzichtbar angesehen wird, plötzlich als zentrales, formgebendes Element der neutestamentlichen Schriftensammlung fungiert. 2 Im Zusammenhang eines Editorials 3 der von Trobisch bereits für das zweite Jh. angenommenen Kanonischen Ausgabe der gesamten christlichen Bibel leistet der 2 Petr in der Perspektive dieser Hypothese einen wesentlichen Beitrag zur „konzeptuellen Strategie“ 4 des Neuen Testaments und dient damit als unübergehbarer Scharnier- und Eingangstext für dessen exegetische und bibeltheologische Erschließung. 1 So die interessante Vermutung von Wypadlo, Rezension, 478. Für die freundliche Einladung, im Rahmen des SFB 804 am 28. Juni 2013 an der TU Dresden zur kanonischen Relevanz des 2 Petr vorzutragen, danke ich Matthias Klinghardt sehr herzlich. Einige der damals zur Diskussion gestellten Überlegungen finden sich nun in Grünstäudl, Petrusbild, andere werden hier fortgeführt. Für kritische Anmerkungen zu einer früheren Fassung habe ich Manuela Engl, Tobias Nicklas und Julia Snyder zu danken. 2 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 136-146. 3 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 125-154. Wenngleich Trobisch in diesem Abschnitt („Das Editorial der Kanonischen Ausgabe“) auch ausführlich Apg, 2 Tim und 2 Petr behandelt, um zu verdeutlichen, dass sich in diesen Texten in besonderer Weise das „Interesse der Herausgeber der Kanonischen Ausgabe … wiederfindet“ (ebd., 147), so bezeichnet er explizit nur Joh 21 „als Editorial zum gesamten Neuen Testament“ (ebd., 124; vgl. ebd., 153f. 156), wobei diese Bezeichnung aber auch gesondert Joh 21,25 zukommen kann (ebd., 154: „wird man den letzten Satz des Johannesevangeliums … als das Editorial des Herausgebers deuten dürfen“; vgl. auch ebd., 149). In der Rezeption von Trobischs These bei Ebner, Kanon, 44 („In 2 Petr sieht D. Trobisch so etwas wie das Editorial der Gesamtausgabe [neben Joh 21; Apg; 2 Tim … ]“) und Gerd Theißen (vgl. dazu unten 3.2) findet der Begriff „Editorial“ dann auch bzw. vor allem für 2 Petr Verwendung (vgl. auch Ruf, Propheten, 4). 4 Klinghardt, Inspiration, 342. 58 Wolfgang Grünstäudl Das pointierte Gegenüber zweier so unterschiedlicher Verortungen des 2 Petr innerhalb des neutestamentlichen Kanons - einmal randständig, einmal zentral - reizte mich zu einer eingehenden Untersuchung der literarischen Verbindungen und der rezeptionsgeschichtlichen Karriere des 2 Petr. Aufgrund der Fülle der Fragen, die mit der historischen Einordnung dieses vermutlich jüngsten später neutestamentlichen Textes verbunden sind, lag der Schwerpunkt dabei rasch auf einleitungswissenschaftlichem Gebiet, wobei unter anderen mit der Abhängigkeit des 2 Petr von der Offenbarung des Petrus 5 eine These vorgeschlagen werden konnte, die unmittelbare Folgen für die Interpretation des 2 Petr zeitigt und mittlerweile - für mich sehr erfreulich - Eingang in die Kommentarliteratur gefunden hat. 6 Die Einladung zur Diskussion mit der „Dresdner Schule“ um Matthias Klinghardt, deren Anliegen es ist, die Idee einer Kanonischen Ausgabe im Anschluss an David Trobisch weiter auszugestalten und für die konkrete exegetische Arbeit fruchtbar zu machen, 7 bietet nun die Gelegenheit, jenen Impuls, der mich vor Jahren zum 2 Petr geführt hatte, im vorliegenden Beitrag wieder aufzugreifen und der Frage nachzugehen, wie sich der 2 Petr in die beiden zur Zeit akzentuiertesten kanongeschichtlichen Entwürfe einfügt. Ein erster Abschnitt rekapituliert dabei sehr knapp die bekannte Rolle des 2 Petr im Rahmen des klassischen Entwicklungsparadigmas (vgl. 1), wonach dann, der Spur des vermutlich ältesten erhaltenen 2 Petr-Manuskripts (P 72 ) folgend, das von Trobisch entwickelte Editionsparadigma eingehender diskutiert wird (vgl. 2), ehe ein Blick auf die Relevanz der intertextuellen Verknüpfungen des 2 Petr diese Untersuchung beschließt (vgl. 3). 1 Der zweite Petrusbrief als Marker einer dynamischen Entwicklung Im Rahmen der klassischen Annahme, es könne erst ab dem vierten Jh. von einem in allen seinen Teilen fest umgrenzten und mit autoritativem Anspruch versehenen neutestamentlichen Kanon gesprochen werden, 8 nimmt der 2 Petr 5 Vgl. Grünstäudl, Petrus Alexandrinus, 97-144. Die maßgeblichen Editionen dieses noch zu wenig erforschten frühchristlichen Textes sind für die griechischen Textzeugen Nicklas/ Kraus, Petrusapokalypse, 101-120, und für den äthiopischen Text Marrassini, Apocalisse di Pietro. Eine umfassende Diskussion der Einleitungsfragen sowie eine reichhaltige Kommentierung findet sich bei Buchholz, Eyes. Zu den Konsequenzen einer Berücksichtigung der OffbPetr für die Interpretation des 2 Petr an den Beispielen Eschatologie und Schriftverständnis, vgl. Grünstäudl, Feuer, 189-202. 6 Vgl. Frey, Jud/ 2 Petr, 170-175. 7 Vgl. die Anwendungsbeispiele Klinghardt, Verstehen, 34-36 (zu Mt und Mk), und Klinghardt, Aposteldekret, 105-110 (zur Apg). 8 Vgl. zuletzt den konzisen Überblick bei Markschies, Haupteinleitung, 25-74 (Lit.). 59 Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit eine Sonderstellung ein, durch die im besonderen die Dynamik der angenommenen vielschichtigen Entwicklung sichtbar wird. 2 Petr greift selbst schon in ungewöhnlich hohem Maße auf unterschiedliche Text- und Traditionsbereiche zurück. 9 Zum einen schafft er damit „Traditionsverknüpfungen“ 10 , zum anderen bezeugt er die zunehmende autoritative Bedeutung genuin christlicher Texte innerhalb des frühen Christentums (besonders deutlich: 2 Petr 3,14-16) und kann somit „geradezu als ein ,Meilenstein‘ auf dem Weg zum ntl. Kanon gelesen werden“ 11 . Darüber hinaus - und in gewisser Weise im Kontrast dazu - wird 2 Petr nicht nur äußerst spät rezipiert (der erste sichere Zeuge ist Origenes), 12 sondern bleibt zudem für lange Zeit ein Text, dessen Zugehörigkeit zum Bestand des verbindlichen christlichen Schrifttums wiederholt klar und entschieden bestritten wird. Eusebius hält etwa mit Nachdruck fest, dass die Tradition nur einen authentischen Petrusbrief kenne (vgl. h. e. 3,3,1-4) und 2 Petr als ου᾽ κ ε᾽ νδια´ θηκος qualifiziere (vgl. h. e. 3,25,1.6), während Hieronymus berichtet, 2 Petr werde von „vielen“ ob seiner erkennbaren stilistischen Differenzen zu 1 Petr abgelehnt (vgl. vir. ill. 1, sowie ep. 120,11). Noch im sechsten Jh. formuliert der lateinische Übersetzer eines dem Didymus von Alexandrien zugeschriebenen Kommentars (enarr.) lapidar: non tamen in canone est. 13 Da 2 Petr als einer der sieben Katholischen Briefe, die deutlich später als die Vier-Evangelien-Sammlung und die Sammlung(en) von Paulusbriefen als Schriftengruppe greifbar werden, Teil des Kanons wird, 14 erlangt er jedoch zumindest indirekte kanonformative Bedeutung. 15 Wichtig ist zudem, dass in der syrischen 9 Vgl. dazu ausführlich die umfangreiche Studie von Ruf, Propheten. 10 Heckel, Traditionsverknüpfungen, 189. 11 Frey, Jud/ 2 Petr, 165. 12 Eine Skizze der Rezeptionsgeschichte des 2 Petr findet sich bei Grünstäudl/ Nicklas, Evidence, 190-197, ausführlicher zum zweiten Jahrhundert vgl. Grünstäudl, Petrus Alexandrinus, 184-233, speziell zu Origenes vgl. ebd., 52-74. 13 Vgl. Zoepfl, Enarratio, 37 (mit 46f*). Auch wenn diese Wendung möglicherweise auf eine deutlich ältere Formulierung zurückgeht (vgl. Leipoldt, Didymus, 57), bleibt ihre Präsenz in einem so späten Text doch erstaunlich. 14 Vgl. z. B. Norelli, Raccolta, 510f, und zuletzt (auch zur Verbindung mit Apg) Grünstäudl, Was lange währt, 82-91 (ebd., 90bis, muss es statt „Philipperbrief“ richtig „Philemonbrief“ heißen). 15 Gamble, Canon, 288, formuliert: „Since they [sc. die Katholischen Briefe, Anm. Grünstäudl] found inclusion in the canon not individually but precisely as a group, since that collection did not take shape until late in the third century at the earliest, and since that collection came to constitute, along with the Gospels and the Pauline Letters, one of the three major sub-units of the canon, it is very difficult to speak of a New Testament canon having taken any clear shape, whether in conception or in substance, prior to the appearance of this particular collection, and therefore prior to the fourth century.“ Deutlich wird hier unter anderem, dass auch im klassischen Entwicklungsparadigma Teilsammlungen ein wichtiges Element der kanongeschichtlichen Rekonstruktion bilden (anders Kling- 60 Wolfgang Grünstäudl Ausprägung des neutestamentlichen Kanons die „kleinen“ Katholischen Briefe (2 Petr, 2-3 Joh, Jud) sehr spät bzw. gar nicht Aufnahme finden, 16 was auch als bleibende ökumenische Herausforderung gewertet werden kann. 17 2 Der zweite Petrusbrief als Zentralelement einer gezielten Publikation Im Unterschied zur soeben skizzierten klassischen Perspektive 18 steht für das Editionsparadigma eine distinkte Größe „Neues Testament“ nicht am Ende, sondern am Anfang der neutestamentlichen Kanongeschichte, die somit nicht mit der sukzessiven Entstehung, sondern mit der fortschreitenden Rezeption eines Buches zu verknüpfen ist. Die christliche Bibel (Altes und Neues Testament) verdankt sich dabei in ihrer Gestalt einem singulären Editions- und Publikationsakt, verantwortet durch Polykarp von Smyrna, 19 dem „dritte[n] Gründer des Christentums“ 20 , zur Mitte des zweiten Jh., wobei allerdings das Fehlen jeglicher frühchristlicher Erinnerung an ein solch umfassendes Unternehmen (vgl. z. B. hardt, Inspiration, 335: „Dieser Theorie zufolge haben sich Einzelschriften durchgesetzt und sind auf diese Weise Teil der Sammlung geworden … “ [Hervorhebung WG]; zutreffend hingegen Trobisch, Endredaktion, 8), weshalb hier auch nicht, wie Klinghardt, Veröffentlichung, 59, annimmt, vorausgesetzt werden muss, ein ausnehmend kurzer Text wie etwa 3 Joh sei für lange Zeit als Einzeltext umgelaufen und schließlich durch intensiven liturgischen bzw. antihäretischen Gebrauch zu kanonischen Ehren aufgestiegen (vgl. dazu bereits Zahn, Geschichte I/ 1, 216, sowie Lieu, Epistles, 18-30, Klauck, Johannesbriefe, 34, und zuletzt Grünstäudl, Evangelium, 126-128). 16 Zum „syrischen Sonderweg“ vgl. nun Merkt, 1 Petr, 23-25 (Lit.). 17 Diese wird nach Klauck, 2-3 Joh, 14, „meist übersehen, da eine geographisch weit entfernte Kirchengemeinschaft wie die ostsyrische außerhalb unseres Gesichtskreises liegt und von der ökumenischen Geschäftigkeit nicht erfaßt wird.“ 18 Diese liegt dabei nicht als monolithischer Block, sondern in der Vielfalt unterschiedlich nuancierter Ausdifferenzierungen vor. 19 So Trobisch, New Testament, 33 (mit der Datierung „between 156 and 168 C.E.“ [Original kursiv]), zustimmend aufgegriffen bei Klinghardt, Inspiration, 343 Anm. 32. Im Unterschied zu Campenhausen, Polykarp, der Polykarp als Verfasser der Pastoralbriefe vorschlug (Dehandschutter, Polykarpbrief, 137: „bemerkenswert, aber ohne Erfolg“; vgl. Merz, Selbstauslegung, 114-140, bes. 122f Anm. 36), versucht Trobisch dabei nicht, sprachliche und theologische Spezifika von Polykarps Philipperbrief auszuwerten (etwa im Hinblick auf Nähen zu redaktionellen Teilen der Kanonischen Ausgabe), sondern stützt sich auf unterschiedliche frühchristliche Informationen zur Polykarps Person und (nur als „corroborating evidence“, ebd., 33) auf die Nennung eines Crescens in PolyPhil 14 (vgl. 2 Tim 4,13). Obwohl Trobisch in seiner Habilitationsschrift noch ausdrücklich auf eine Identifizierung des Herausgebers (bzw. der Herausgeber) der Kanonischen Ausgabe verzichtete (vgl. Trobisch, Endredaktion, 123f; scharfe Kritik daran bei Maurer, Rezension, 58), konnten Berding, Most Important Book, o. S., und Rodgers, Rezension, 198, die Verbindung zu Polykarp antizipieren. 20 Klinghardt, Inspiration, 353. 61 Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit Eusebius, h. e. 4,14) erstaunen muss. 21 Besonders markant ist im Unterschied zum Entwicklungsparadigma die Annahme, bereits im zweiten Jh. bildeten neben Evangelien und Paulusbriefen auch die Katholischen Briefe mit der Apostelgeschichte eine erkennbare überlieferungsgeschichtliche Einheit („Praxapostolos“ 22 ). 2 Petr tritt in dieser Perspektive nicht zur neutestamentlichen Überlie- 21 Vgl. z. B. Norelli, Raccolta, 501. Bereits Trobisch, Endredaktion, 151 (chronologisch also noch vor der Benennung Polykarps), betont nachdrücklich: „Die editio princeps ist nicht anonym erfolgt“ (vgl. Trobisch, First Edition, 98). Gleichzeitig „wollen die Herausgeber … eine frühe Entstehungszeit von Teilen des Neuen Testaments, noch zu Lebzeiten des Paulus, suggerieren“ (Trobisch, Endredaktion, 101 Anm. 64; die Formulierung in Trobisch, First Edition, 138 Anm. 61 [„the editors and publishers try to suggest an early date for the formation of the New Testament, during Paul’s days“, Hervorhebung Grünstäudl] führt hier zu einer nicht mehr auflösbaren Spannung von Authentizitätsfiktion und Editionstätigkeit) und „[ist] der Anspruch auf Echtheit der Schriften für das redaktionelle Konzept der Ausgabe wesentlich“ (Trobisch, Endredaktion, 123). Gedacht ist also an einen seinen Leserinnen und Lesern bekannten Herausgeber, der zusammen mit einer griechischen Zusammenstellung der Schriften Israels, für die „im wesentlichen als Vorlage … die Septuaginta“ (Trobisch, Endredaktion, 95f) fungiert, eine Sammlung von den Anspruch von Authentizität erhebenden (vgl. Trobisch, Endredaktion, 93) apostolischen Schriften publiziert. Einen anderen Akzent setzt Klinghardt, Inspiration, 349, der von einer gezielten „Selbstinvisibilisierung des Herausgebers“ spricht, womit, wenn ich richtig sehe, nicht nur gemeint ist, dass Polykarp seine Identität als Schöpfer des biblischen Schriftenarrangements (evtl. inklusive umfänglicher Textergänzungen) verwischt hat, sondern - gegen Trobisch -, dass die editio princeps anonym (also ohne Verknüpfung mit dem Namen Polykarps oder eines anderen Herausgebers) publiziert wurde (vgl. v. a. die Notiz zur aufgehobenen Anonymität der Evangelien ebd., 349). Die von Trobisch, New Testament, 33, vorgeschlagene Deutung von 2 Tim 4,13, die, wenn Polykarp als Herausgeber ohnehin bekannt war, wenig Sinn ergibt (auch die dort hergestellte Analogie zu Goethes Schaffen bezieht sich auf einen anonym publizierten Text! ), fügt sich in diese Rekonstruktion als „versteckte Spur“ eines „,ehrbare[n] Fälscher[s]‘“ (Klinghardt, Inspiration, 349) trefflich ein. Zu fragen wäre hier zum einen, inwieweit zumindest den gebildeteren frühchristlichen Theologen nicht eine Dechiffrierung dieses „nur geringfügig kaschierten Hinweis[es] auf die Identität des Herausgebers“ (Klinghardt, Inspiration, 343 Anm. 32) zugetraut werden müsste und zum anderen, wie die logistisch wie ökonomisch höchst herausfordernde Kollektion, Edition und Distribution eines solch gewaltigen Werkes (vgl. z. B. Markschies, Theologie, 321) gewissermaßen im Geheimen vor sich gegangen sein soll. 22 Für die Gruppe Apg und Katholische Briefe (bei Aland/ Aland, Text, 59: „Apostolos“) verwendet Trobisch den Begriff „Praxapostolos“ (Trobisch, Endredaktion, 38, und Trobisch, First Edition, 24, jeweils ohne weitere Erläuterung; vgl. aber Trobisch, Structural Markers, 186, und Trobisch, Canon, 897 [„in many minuscule manuscripts“]) mit dem nach Parker, Manuscripts, 283, in byzantinischer Tradition vor allem (aber nicht nur: vgl. Schmidt, Codex, 473) Manuskripte mit Apg, Katholischen Briefen und den Paulusbriefen bezeichnet werden, vgl. auch Elliott, Rezension, 423. Die Protestantische Theologische Universität Amsterdam/ Groningen bereitet zurzeit im Rahmen des „Catalogue of Byzantine Manuscripts“-Projektes eine Erhebung des Befundes zu diesen Praxapostolos-Manuskripten vor (vgl. online unter https: / / www.pthu.nl/ cbm/ [03.06.2016]). 62 Wolfgang Grünstäudl ferung hinzu, sondern ist von Anfang an ein Konstitutivum der Endredaktion des Neuen Testaments, ja seine vielfältigen intertextuellen Verknüpfungen lassen ihn überdies als Schlüsseltext einer solchen Endredaktion erscheinen. 2.1 Methodologische Grundentscheidungen Da es bislang nicht gerade einen Überfluss an umfassenden kritischen Diskussionen der Editionsthese gibt 23 und zudem die Konzeption einer Kanonischen Ausgabe meines Erachtens nicht selten aus unzutreffenden Gründen zurückgewiesen wurde, 24 ist es nötig, im Folgenden etwas auszuholen, wenn die Auseinandersetzung mit einem solchen innovativen (und damit auch provokativen) Entwurf diesem auch gerecht werden soll. Zu beginnen ist mit der Grundstruktur des Argumentationsgangs, die drei für die weitere Diskussion entscheidende Merkmale aufweist. Den Dreh- und Angelpunkt bilden die großen Majuskelhandschriften des vierten und fünften Jh. (Sinaiticus, Vaticanus, Alexandrinus, Ephraemi Syri rescriptus), in denen Tro- 23 Eine umfassende kritische Würdigung in Aufsatzform, der die vorliegende Untersuchung Vieles verdankt, bietet nun Nicklas, Kanongeschichte. Unter den zahlreichen Rezensionen ragt im Bemühen um ein differenziertes Urteil vor allem diejenige von David C. Parker hervor, dessen Hoffnung auf „a response to the objections which are raised“ (Parker, Rezension, 304f) jedoch bislang unerfüllt blieb. In der Perspektive von Trobisch, New Testament, 31, „no one has been able to point out a serious flaw in either the evidence evaluated or the conclusions drawn.“ Insgesamt zur Rezeptionsgeschichte der Ersteditions-These vgl. jetzt den Beitrag von Jan Heilmann in diesem Band. 24 Zur Illustration mögen hier drei Beispiele genügen. (1) Nach Christopher Tuckett „[Trobisch] is never quite clear where he thinks the boundaries of the ‘First Edition’ were drawn! But presumably he thinks in terms of boundaries which are very similar to those of our modern New Testaments“ (Tuckett, Nomina Sacra, 442 Anm. 56). Die geforderte Identifikation der „boundaries of the ,First Edition‘“ findet sich jedoch (zumindest für den neutestamentlichen Teil) bereits auf der ersten Seite von Trobischs Studie: „Dieses Neue Testament enthält 27 Schriften, beginnt mit den Evangelien und endet mit der Offenbarung des Johannes“ (Trobisch, Endredaktion, 5; vgl. Trobisch, First Edition, 3). (2) Larson, Rezension, o. S., stellt fest: „For the sake of his argument, Trobisch must present all thirteen letters of the Pauline corpus as authentic, plus the letter to the Hebrews. Likewise, the Petrine correspondence is also genuine, as are the canonical gospels (although these are acknowledged to be anonymous).“ Im klaren Gegensatz dazu notiert Trobisch, Endredaktion, 93 (vgl. Trobisch, First Edition, 60), aber, dass „viele Schriften des Neuen Testaments falsche Verfasserangaben tragen“ und spricht nur von der nötigen „Suggestion der Echtheit“. Vgl. auch Trobisch, Endredaktion, 128, und Trobisch, First Edition, 80 („ … the edition presents the separate writings as authentic“; Hervorhebung Grünstäudl). (3) Wenn schließlich Frankemölle, Frühjudentum, 361, den Abschluss des Neuen Testaments im Sinne der Kanonischen Ausgabe zeitlich „noch vor Markion“ einordnet und deshalb für unplausibel hält, so überrascht dies angesichts des Nachdrucks, den Trobisch auf die „Verbindung zwischen einer antimarkionitischen Haltung und dem redaktionellen Konzept der Kanonischen Ausgabe“ (Trobisch, Endredaktion, 158; vgl. Trobisch, First Edition, 105) legt, ganz besonders. 63 Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit bisch die vier ältesten „Gesamtausgaben der christlichen Bibel“ 25 findet, die trotz ihrer deutlichen Unterschiede hinsichtlich mise en page, Anzahl und Reihenfolge der enthaltenen Schriften sowie ihrer Textgestalt so viele Übereinstimmungen bieten, dass sie, da sie nicht in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen, 26 nach Trobisch auf eine gemeinsame Vorlage zurückverweisen. Von diesen vier Kodizes ausgehend, schließt Trobisch durch die Untersuchung neutestamentlicher Manuskripte aus den ersten sieben Jahrhunderten auf die Existenz dieser prägenden Vorlage bereits im zweiten Jh. zurück. 27 Sodann ist wichtig zu beachten, dass die Kanonische Ausgabe als eine Gesamtausgabe der christlichen Bibel gedacht ist und aus zwei Teilen, die von Anfang an η῾ καινη` διαθη´ κη und η῾ παλαια` διαθη´ κη heißen, gebildet wird. Da Trobisch seine These besonders im Hinblick auf das Neue Testament entfaltet und sie folglich vor allem im Bereich der neutestamentlichen Exegese diskutiert wird, kann dieser für die Bewertung des Entwurfs nicht unwichtige Punkt leicht übersehen werden (vgl. unten 2.5.2). Schließlich gilt es auf der begrifflichen Ebene zu beachten, dass die Bezeichnung „Kanonische Ausgabe“ nicht eine als Kanon (im Sinne einer mit Autorität gesetzten Norm) geschaffene Ausgabe meint. Vielmehr ist sie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung „ein christliches, literarisches Werk unter vielen“ 28 und erlangt erst im Laufe der Rezeption (rasch) breite Akzeptanz und schließlich auch normative Geltung. Anders gewendet: Das Neue Testament entsteht als Buch (genauer: als [zweiter] Teil eines Buches) und wird später zum Kanon. 29 Um Miss- 25 Trobisch, Endredaktion, 40. Da im Codex Ephraemi die ursprüngliche Zusammengehörigkeit der alttestamentlichen (Fragmente aus Spr, Koh, Hld, Ijob, Weish, Sir, gelistet bei Swete, Introduction, 128) und neutestamentlichen Teile aufgrund von Schreiberdifferenz nicht gesichert ist, mahnt Parker, Manuscripts, 73, zur Vorsicht gegenüber der Beschreibung als einer (ehemaligen) Gesamtbibel (ähnlich ebd., 72, in Bezug auf Codex Vaticanus aufgrund des Fehlens der Past, des Phlm und der Offb). 26 Zu bedenken wäre hier noch die Möglichkeit einer Herkunft aus demselben Skriptorium (v. a. für Sinaiticus und Vaticanus, vgl. Trobisch, Endredaktion, 40 Anm. 80), vgl. dazu die wichtigen forschungsgeschichtlichen Hinweise bei Bogaert, Vaticanus, passim, und Jongkind, Scribes, 18-21. 252-256. 27 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 38. Zu den ausgewerteten Manuskripten vgl. unten 2.5. 28 Trobisch, Endredaktion, 68. Ihre „mächtige[n] Konkurrenten“ innerhalb der frühchristlichen Literatur, welche Trobisch (ebd.) anschließend nur knapp erwähnt, werden in Trobisch, First Edition, 42f, exemplarisch aufgelistet (etwas anders Klinghardt, Veröffentlichung, 62: „Solche Konkurrenz ist uns nur aus der markionitischen Bibel [ein Evangelium und zehn Paulusbriefe] bekannt.“), so dass zumindest hinsichtlich der englischen Übersetzung das von Tuckett, Nomina Sacra, 443 Anm. 57, angemahnte Fehlen einer solchen Spezifizierung („However, Trobisch never specifies what these other ,competing editions of apostolic writings‘ might be.“) nicht (mehr) zutrifft (vgl. aber auch Trobisch, Endredaktion, 67). 29 Deshalb geht die kritische Anfrage von Oeming, Hervorwachsen, 57 („Welche Machtmittel 64 Wolfgang Grünstäudl verständnisse zu vermeiden, wäre es - im Sinne Trobischs - vielleicht sinnvoller, von der „Kanonisch gewordenen Ausgabe“ 30 oder (mit dem Titel der englischen Übersetzung 31 ) konsequent von der „Erstedition“ der christlichen Bibel zu sprechen. Mit der genannten Grundstruktur (vier Majuskelkodizes als Basis, Kanonische Ausgabe aus AT und NT, Kanongeschichte als Rezeptionsgeschichte eines Buches) werden Beobachtungen zu vier Bereichen der materialen Überlieferung frühchristlicher Literatur (Kodexform, nomina sacra, Titel, Reihenfolgen) verknüpft, mit deren Hilfe Trobisch den „Nachweis“ 32 einer editio princeps der christlichen Bibel im zweiten Jh. zu erbringen trachtet. Ehe nun diese vier Bereiche und ihre Auswertung mit der Überlieferungssituation des 2 Petr in Beziehung gesetzt werden (vgl. 2.2-2.5), ist noch auf eine weitreichende methodologische Grundentscheidung hinzuweisen. Am Ende seiner Argumentation formuliert Trobisch diese rückblickend folgendermaßen: „Daraus ergab sich, daß die Geschichte der Kanonischen Ausgabe von ihren ältesten sicheren Belegen bis zu ihrem ersten Erscheinen zurückverfolgt werden sollte. Es mußten also vor allem die griechischen Handschriften untersucht werden. Die alten Kanonslisten, Zitatreihen, Echtheitsdiskussionen, Bibelübersetzungen usw., die für die dogmengeschichtliche Bewertung des Kanons wesentlich sind, brauchten nicht berücksichtigt zu werden.“ 33 So wertvoll der damit gesetzte Fokus auf die handschriftliche Überlieferung ist und als unhintergehbarer Impuls für die Kanongeschichtsschreibung wie die neutestamentliche Exegese meines Erachtens den bleibenden Ertrag von Trobischs Studie darstellt, so sehr ist eine solche radikale Beschränkung auf den Handschriftenbefund methodologisch kaum nachzuvollziehen. 34 Eine Geschichhatte er [sc. der Herausgeber der Kanonischen Ausgabe, Anm. Grünstäudl], um andere Texte auszuschließen oder gegen Widerstand seine Auswahl durchzusetzen? “), an der von Trobisch, Endredaktion, 67f (vgl. Klinghardt, Veröffentlichung, 62), formulierten Konzeption vorbei. 30 Im Anschluss an die mittlerweile breit rezipierte Begrifflichkeit von Lührmann, Evangelien. 31 Vgl. Trobisch, First Edition. Da der Begriff „Kanonische Ausgabe“ jedoch durch Trobisch, Endredaktion, 13, selbst eingeführt wurde und in der einschlägigen Forschung Verwendung findet, soll er auch hier beibehalten werden. 32 Trobisch, Endredaktion, 13. 33 Trobisch, Endredaktion, 58 (Hervorhebung Grünstäudl), ähnlich exklusiv ebd., 10f. Die ebd., 56, gebotenen Beispiele zu Martin Luther und Philipp Vielhauer sind bei Norelli, Raccolta, 501f Anm. 88, kritisch besprochen. 34 Deutlich Norelli, Raccolta, 501: „Ora, mi e` difficile capire questa apodittica affermazione dell’insignificanza delle testimonianze diverse dai manoscritti.“ Aland/ Aland, Text, 77, fordern grundsätzlich: „Die Ergebnisse der Kanonsgeschichte und der Geschichte der 65 Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit te der christlichen Bibel respektive des Neuen Testaments kann meines Erachtens (um der Manuskripte willen! ) auch dann, wenn sie als Geschichte einer Edition aufgefasst und geschrieben wird, nicht auf die Evidenz der Manuskripte beschränkt bleiben und muss ihre Vereinbarkeit mit der vielfältigen Rezeptionsgeschichte christlicher Texte samt der jahrhundertelangen Diskussion um deren Geltung und Normativiät nicht nur postulieren, 35 sondern auch erweisen. 36 Zu ergänzen ist, dass Trobisch selbst die geforderte radikale Beschränkung auf den handschriftlichen Befund nicht durchhält, sondern die Verwendung des Titels „Neues Testament“ für den zweiten Teil der Kanonischen Ausgabe vor allem auf der Basis frühchristlicher Literatur erschließt. 37 Diese Vorgehensweise ist durchaus nachvollziehbar, da dieser Titel, wenn ich richtig sehe, in der neutestamentlichen Manuskripttradition bis zum siebten Jh. nur im möglicherweise sekundären 38 Inhaltsverzeichnis des Codex Alexandrinus (dort aber mit Einschluss von 1-2 Clem) 39 bezeugt ist. 40 Blickt man nun auf die frühchristliche Literatur, so ist es sicher richtig, dass Clemens von Alexandrien, Origenes und Tertullian bereits den Begriff η῾ καινη` διαθη´ κη zur Bezeichnung von autoritativen christlichen Schriften verwenden. 41 Die Feststellung, „Clemens von Alexandrien, Irenaeus, und im frühen dritten Jh. Tertullian und Origenes benutzen mit Sicherheit die Bezeichnung Neues Testafrühen Kirche müssen von der neutestamentlichen Textkritik ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden, wenn sie zu dauerhaften Ergebnissen gelangen will.“ 35 Trobisch, Endredaktion, 57: „So betrachtet, lassen sich auch die anderen Zeugnisse, die regelmäßig für ein allmähliches Anwachsen des Neuen Testaments herangezogen werden, als Beleg für die Kanonische Ausgabe auswerten.“ Ebd., Anm. 151, verweist (über das Register) auf die in der Studie verarbeitete frühchristliche Literatur. 36 Richtig Klinghardt, Rezension, 182: Dies „müsste aber im einzelnen gezeigt werden - schon deshalb, weil sich das Bild der Alten Kirche dadurch ja nicht unerheblich verändert.“ Vgl. dazu skeptisch Alkier, Erzählung, 15. 37 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 68-70. 94-101. 38 Trobisch, Endredaktion, 62 Anm. 163, folgt einer Einordnung des Inhaltsverzeichnisses in das 7./ 8. Jahrhundert und berücksichtigt es deshalb konsequenterweise nicht. Smith, Gospels, 117, hält nun trotz der unterschiedlichen Schreiberhand eine Entstehung im Zusammenhang mit der Produktion des Kodex zumindest für denkbar, erachtet aber weitere Untersuchungen zur Klärung für notwendig. 39 Das Inhaltsverzeichnis ist in zwei Spalten gegliedert, wovon die erste mit Gen, die zweite mit Ps-Oden einsetzt. Interessanterweise findet sich zu Beginn der ersten Spalte (vor Gen) ein dem in der zweiten Spalte zwischen Weish und den Evangelien platzierten ΗΚΑΙΝΗ- ΔΙΑΘΗΚΗ (vgl. die Abbildung eines Ausschnitts der zweiten Spalte bei Trobisch, Endredaktion, 66) entsprechendes ΗΠΑΛΑΙΑΔΙΑΘΗΚΗ nicht (vgl. auch Smith, Gospels, 64-70). 40 Vgl. Trobisch, First Edition, 43f, mit Verweis auf den fragmentarischen Zustand der ältesten Manuskripte. Knapper Trobisch, Endredaktion, 68: „In den Handschriften ist, soweit ich sehen kann, der Titel der Sammlung einheitlich überliefert … “ 41 Vgl. Kinzig, Title, 529-532 (mit Belegen). 66 Wolfgang Grünstäudl ment im Sinne der Kanonischen Ausgabe“ 42 , setzt allerdings das zu Beweisende in zweierlei Hinsicht voraus: Erstens in der Annahme, dass zu dieser Zeit eine Kanonische Ausgabe existiert und zweitens in der Annahme, dass die genannten Autoren, wenn sie die Bezeichnung η῾ καινη` διαθη´ κη auf christliche Texte anwenden, dies im Hinblick auf die Kanonische Ausgabe - bestimmte 27 Texte in einem bestimmten Layout und einer bestimmten Anordnung - tun. Zudem wäre auch unter diesen Voraussetzungen der seine Polykarp-Schülerschaft betonende Irenäus von Lyon aus der zitierten Aufzählung zu streichen, da er, wie Trobisch selbst richtig anmerkt, den Begriff η῾ καινη` διαθη´ κη gerade nicht in Bezug auf eine Textsammlung verwendet: 43 Seit der Ankunft Christi ergeht das neue Testament über die ganze Erde (adv. haer. 4,34,4: A domini autem adventu novum testamentum ad pacem reconcilians et vivificatrix lex in universam exivit terram … ) und durch den Heiligen Geist vollzieht sich zu Pfingsten die adapertio novi testamenti (adv. haer. 3,17,2). 44 Allzu optimistisch urteilt Trobisch auch im Hinblick auf die bei Eusebius erhaltenen Belege aus Melito von Sardes (h. e. 4,26,13f) und einem anonymen Antimontanisten (h. e. 5,16,3). Sicherlich lässt sich die Rede des Antimontanisten vom „Evangelium des Neuen Bundes“, dem nichts hinzugefügt, noch weggenommen werden dürfe (vgl. Offb 22,18f), als Referenz auf einen geschriebenen Text verstehen - „[e]indeutig“ 45 ist dies nicht 46 - , doch auch dann ist nicht automatisch davon auszugehen, dass der Antimontanist an die Kanonische Ausgabe denkt. Gleichfalls kann man, wenn Melito die Wendung τα` τη῀ς παλαια῀ ς διαθη´ κης βιβλι´α gebraucht, 47 vermuten, dass ihm der komplementäre Begriff 42 Trobisch, Endredaktion, 69 (Hervorhebungen Grünstäudl). 43 Trobisch, First Edition, 131 Anm. 168: „Irenaeus uses the term repeatedly, but he does not use it in reference to the book“. In Trobisch, Endredaktion, 70, lautet die Formulierung noch: „Irenaeus verwendet den Begriff Neues Testament häufig, bezeichnet damit aber nicht nur das Buch“ (Hervorhebung Grünstäudl). 44 Vgl. Zahn, Geschichte I/ 1, 104 mit Anm. 3 (mit weiteren Belegen), und Kinzig, Title, 528 mit Anm. 41. 45 Trobisch, Endredaktion, 69. Vorsichtiger Trobisch, First Edition, 44: „ … seems to use the term New Testament in reference to a written source“ (Hervorhebung z. T. Grünstäudl). 46 Nach Kinzig, Title, 528, „the unknown author „has in mind the total message“, ,the Christian era marked as a καινη` διαθη´ κη stamped by the Gospel‘ and not a collection of books with that title“ (enthaltene Zitate aus van Unnik, Problem, 163). 47 In der Formulierung, Melito informiere seinen Adressaten Onesimus „über die genaue ,Zahl und Reihenfolge der Bücher des Alten Testaments‘“ (Trobisch, Endredaktion, 69 mit Anm. 178 [Hervorhebung im Original]; vgl. Trobisch, First Edition, 130 Anm. 165; Nicklas, Kanongeschichte, 589-591) sind der referierte Wunsch des Onesimus, Zahl und Reihenfolge τω῀ ν παλαιω῀ ν βιβλι´ων kennenzulernen (h. e. IV,26,13) und Melitos Bericht, τα` τη῀ς παλαια῀ ς διαθη´ κης βιβλι´α in Palästina untersucht zu haben (h. e. IV,26,14), verschmolzen (Trobisch, First Edition, 44, trennt beides zutreffend). Kinzig, Title, 528, nennt Melitos Ausdrucksweise „ambiguous“. 67 Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit eines Neuen Testaments ebenfalls vertraut ist - allerdings sollte man beachten, dass die anschließende Aufzählung von wesentlich geringerem Umfang als die LXX-basierte Kanonische Ausgabe ist. 48 Überdies ist bemerkenswert, dass der Kleinasiate Melito sich erst nach Palästina begeben muss, um sichere Auskunft über das alttestamentliche Schrifttum zu erlangen. Um am Ende dieser wenigen grundsätzlichen Überlegungen zum 2 Petr zurückzukehren, sei an das bereits oben erwähnte Urteil des Eusebius erinnert. Als Schriften der καινη` διαθη´ κη nennt Eusebius die vier Evangelien, Apg, Paulusbriefe, 1 Joh und 1 Petr, sowie mit Einschränkung Offb (h. e. 3,25,1f), 49 bemerkt hingegen zu 2 Petr, er habe diesen Brief, der gleichwohl als χρη´ σιμος („nützlich“) gelte, als ου᾽ κ ε᾽ νδια´ θηκος (h. e. 3,3,1; vgl. 3,25,6) empfangen. Mit dem vom Substantiv διαθη´ κη gebildeten Adjektiv ε᾽ νδια´ θηκος verwendet Eusebius dabei einen Begriff, welcher der Bedeutung „kanonisch“ im Sinne „einer Gruppe autoritativer christlicher Schriften zugehörig“ zumindest sehr nahe kommt. 50 Unter der Annahme, dass Eusebius bezüglich des 2 Petr nur den theologischen Status einer schon seit fast zwei Jahrhunderten als Teil eines Buches namens καινη` διαθη´ κη überlieferten Einzelschrift diskutiert, wäre dieser Sprachgebrauch einigermaßen überraschend. 51 Vielmehr müsste Eusebius, um das, was er sagen will, korrekt auszudrücken, dann in etwa formulieren: „Zwar ist 2 Petr Teil der ( καινη` ) διαθη´ κη , er wird aber nicht als authentischer Petrusbrief und normativer christlicher Text bewertet. Gleichwohl gilt es als nützlich, ihn zusammen mit den anderen Schriften zu verwenden.“ 52 48 Vgl. Brandt, Endgestalten, 73-78. Hinsichtlich der Reihenfolge innerhalb der Schriftengruppen ist bemerkenswert, dass Lev nach Num steht und das Zwölfprophetenbuch zwischen Jer und Dan platziert ist. Zum Alten Testament in der Kanonischen Ausgabe vgl. Trobisch, Endredaktion, 95-100 (ebd., 96: „eine erweiterte und verbesserte Ausgabe der Septuaginta“). 49 Zu beachten ist, dass Eusebius vier Evangelien und die Paulusbriefe als Einheiten ohne Aufzählung der Einzeltexte anführt und die Apostelgeschichte nicht mit den (genannten) Katholischen Briefen zusammenstellt. 50 Entsprechend die Übersetzungen bei Markschies, Haupteinleitung, 155 (vgl. ebd., 150). Vgl. Baum, Kanon, passim; Nielsen, Eusebius, 25-46, sowie ausführlich Kalin, Canon, 397-399 (Belege: ebd., 398 Anm. 59). 51 Vgl. Norelli, Raccolta, 502 Anm. 89. 52 Wenn es in der Perspektive der Editionsthese „[d]ie redaktionelle Strategie dieser Ausgabe … zwingend erforderlich [macht], dass die Leser über die wahre Autorschaft dieser beiden Briefe [sc. 2 Tim und 2 Petr, Anm. Grünstäudl] getäuscht werden“, da „bereits der Hauch des Verdachtes, dass diese Briefe nicht von den Aposteln Petrus und Paulus stammen könnten, … das redaktionelle Konzept der Kanonischen Ausgabe vollständig desavouieren [würde]“ (Klinghardt, Inspiration, 345f), dann lässt sich für Eusebius festhalten, dass seine deutlichen Zweifel an der Authentizität des 2 Petr seinem Vertrauen in die neutestamentliche Überlieferung als solcher keinen Abbruch getan haben. 68 Wolfgang Grünstäudl 2.2 Kodexform Es bietet sich an, bei der Besprechung der vier Hauptargumente für die Editionsthese dem vermutlich ältesten erhaltenen griechischen Manuskript des 2 Petr zu folgen. Gerade aufgrund seines idiosynkratischen Charakters, den David Trobisch völlig zu Recht betont, 53 erscheint es mir ein heuristisch wertvoller Anknüpfungspunkt zu sein. Der im Handschriftenverzeichnis von Gregory/ Aland als P 72 geführte Textzeuge umfasst den vollständigen Text von 1 Petr, 2 Petr und Jud. Allerdings sind, was in der „Liste“ nicht unmittelbar erkennbar ist, 54 diese drei Texte Teil eines Sammelkodex, der nicht nur eine Reihe weiterer frühchristlicher Texte enthält, sondern auch - wie unter anderem noch die differierende Paginierung verrät - aus unterschiedlichen Vorläufermanuskripten (bzw. Teilen von diesen) zusammengestellt und neu gebunden wurde. 55 Ob sich in diesem Arrangement ein bestimmtes Sammlerinteresse oder gar eine theologische Intention erkennen lässt, ist eine spannende, aber kaum sicher zu beantwortende Frage. 56 Ganz offensichtlich ist aber, dass als Trägermedium für 2 Petr hier ein (in diesem Fall aus Papyrusblättern hergestellter) Kodex, nicht etwa eine Schriftrolle, fungiert. Dieses Spezifikum teilt P 72 mit der großen Mehrheit christlicher Manuskripte - und zwar nicht nur jener ab dem 3./ 4. Jhdt. (der vermuteten Entstehungszeit des genannten Sammelkodex), einem Zeitraum also, in dem der Kodex als Medium auch für literarische Texte zusehends populär wird, sondern auch derer aus dem zweiten und frühen dritten Jh., in dem das weithin übliche Medium für literarische Texte noch die Rolle ist. Für diese deutliche Bevorzugung des Kodex seitens der frühen Christen wurde eine Vielzahl unterschiedlicher Gründe geltend gemacht, eine einhellig akzeptierte Erklärung fehlt aber bislang. 57 Für David Trobisch lässt sich „die Einführung des Kodex für die neutestamentlichen Texte“ am ehesten als Folge einer bewussten editorischen Entscheidung verstehen, da mit der „Einheitlichkeit in allen Teilen der Sammlung“ (sc. dem Alten und dem Neuen Testament, Anm. Grünstäudl) und der „von den Verfassern unabhängige[n] Einführung“ bereits „zwei Kriterien zur Bestimmung der Kodexform als Element der Endredaktion erfüllt [wären]“ 58 . 53 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 49. 54 Vgl. Aland, Liste, 13. 55 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 49, ausführlich Wasserman, P 72 , 140-148, sowie nun Nongbri, Progress, passim, und Nongbri, Construction, passim. 56 Vgl. die detaillierte Erörterung dazu bei Nicklas/ Wasserman, Linien. 57 Zur Einführung vgl. Seeliger, Buchrolle. Aus der Fülle der Literatur seien nur der Überblick bei Hurtado, Artifacts, 61-83, der selbst an einen prägenden Einfluss der Paulusbriefsammlung denkt (vgl. ebd., 80), und die wichtigen Differenzierungen bei Kraus, Tribute, 82-88, genannt. 58 Alle vier Zitate Trobisch, Endredaktion, 35. 69 Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit Dieser Schluss ist meines Erachtens aus einem einfachen methodologischen Grund nicht zulässig: Der Kodex findet frühchristlich nicht nur für diejenigen Texte Verwendung, deren Präsenz in der Kanonischen Ausgabe angenommen wird. 59 Wenn Larry Hurtado unter den von ihm gelisteten „second-century Christian codices“ 60 eine „far greater number of biblical texts in codex form“ 61 verzeichnet, so könnte dies auf den ersten Blick dennoch als Indiz für die Editionsthese gelten. Allerdings ist das Übergewicht der biblischen Texte unter den Kodizes dann nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass sie auch das Übergewicht unter den gesamten erhaltenen christlichen Texten dieses Zeitraums bilden. 62 Unter anderem wegen dieser christlichen „appropriation of the codex that appears to have been as thorough as it was early“ 63 lässt sich auch nicht wahrscheinlich machen, dass der Kodex zuerst nur für die der Kanonischen Ausgabe zugerechneten Texte Verwendung fand und dann (aufgrund des Einflusses dieser Edition) erst für andere christliche Texte in Gebrauch kam. Solange man chronologische Differenzierungen berücksichtigt, 64 muss dabei eine Wechselwirkung zwischen dem Gebrauch der Kodexform und der Ausprägung eines canon consciousness durchaus nicht ausgeschlossen werden, 59 So bereits Elliott, Rezension, 423 („not the exclusive preserve of those books destined to be part of this ,final edition‘“); Petersen, Evangelienüberschriften, 258; Theissen, Entstehung, 303f, sowie jetzt eingehend Nicklas, Kanongeschichte, 581f. 60 Hurtado, Artifacts, 57. Hurtado inkludiert dabei unter anderem auch Manuskripte, für die üblicherweise ein Zeitfenster von 150-250 n.Chr. angegeben wird (vgl. die Tabellen bei Chapa, Transmission, 131-133), so dass man vorsichtiger von Belegen des 2./ 3. Jhdts. sprechen wird. 61 Hurtado, Artifacts, 57. Hurtado zählt „26 … copies from writings from what became the Christian Old Testament or New Testament“ und stellt sie sieben, ebd., 56f, gelisteten ,nicht-biblischen‘ Texten gegenüber. 62 Vgl. dazu die hilfreiche tabellarische Übersicht in Hurtado, Artifacts, 209-227, bei deren Auswertung aber zu beachten ist, dass Hurtado „for interest/ comparison“ (ebd., 209) auch einige jüdische Manuskripte mitgelistet hat (diese sind mit einem Asteriskus ausgewiesen) und Manuskripte mit mehreren biblischen Texten für jeden einzelnen angeführt werden. 63 Hurtado, Evidence, 272, zitiert in Hurtado, Artifacts, 61. Vgl. auch Parker, Rezension, 302. 64 Wenn Trobisch, Endredaktion, 106 Anm. 78, anmerkt, dass „[b]ei der Verbreitung anderer christlicher Literatur der ersten vier Jahrhunderte, … der Kodex von den Christen deutlich bevorzugt [wird], … die Rolle aber nicht so vollständig [ersetzt] wie bei den Bibelausgaben“ (vgl. Hurtado, Artifacts, 81-83), so ist neben den allgemeinen Begrenzungen des Befundes auch zu bedenken, dass gerade die ältesten Manuskripte von Texten wie dem ThomEv (P.Oxy. 1.1, nach der Leuven Database of Ancient Books [LDAB; online unter http: / / www.trismegistos.org/ ldab/ index.php, 03.06.2016] 150-250 n.Chr.) oder Herm (P.Oxy. 50.3528 und P.Iand. 1.4; beide nach LDAB 175-225 n.Chr.), der sich noch im Codex Sinaiticus findet (vgl. zuletzt dazu Batovici, Books), aber bereits im Muratorianum umstritten ist, im Kodexformat vorliegen. 70 Wolfgang Grünstäudl wenngleich Umfang und Struktur des Befundes zur Vorsicht mahnen. 65 Die Verwendung des Kodex ist somit ein auffälliges Spezifikum frühchristlicher Textproduktion, das hinsichtlich seiner Genese wie auch seiner Bedeutung für die Ausprägung des christlichen Kanons mit Sicherheit weiterhin intensiv erforscht zu werden verdient; es ist aber kein Spezifikum einer bestimmten Gruppe von (biblischen) Texten, dass diese und nur diese Texte auszeichnen würde. 2.3 Nomina Sacra Beginnt man 2 Petr in P 72 zu lesen, so springen unmittelbar die kontrahierten und mit einem Oberstrich markierten Formen von Begriffen wie ᾽Ιησου῀ς , Χριστο´ ς (2 Petr 1,1) und θεο´ ς (2 Petr 1,2) ins Auge. Diese markanten Kurzformen, für die sich die Bezeichnung nomina sacra eingebürgert hat, zählen sicherlich zu den auffälligsten - und in ihrer Entstehung umstrittensten - Kennzeichen christlicher Manuskripte. Trobisch führt sie auf „redaktionelle Entscheidungen eines bestimmten Herausgeberkreises“ 66 zurück und erkennt in ihnen ein Element der Endredaktion der Kanonischen Ausgabe. 67 Wie aber bereits eine kursorische Lektüre des Sammelkodex, dessen Teil P 72 ist, verdeutlicht, treten nomina sacra keineswegs nur in neutestamentlichen bzw. biblischen Texten auf. Sie begegnen hier nicht nur in den OdSal oder 3 Kor, sondern etwa auch in einem Fragment eines frühchristlichen Hymnus. 68 Analog zur Situation hinsichtlich der Verwendung des Kodex findet sich dieser breite Gebrauch der nomina sacra bereits im Bereich der ältesten christlichen Manuskripte, 69 sodass sich am Ausgang des zweiten Jh. nomina sacra sogar in einem Irenäus-Fragment (P. Oxy. 3.405; vgl. der revidierte Text P. Oxy. 4, S. 264f) „dated to a time not long after the autograph“ 70 begegnen. Der Gesamtbefund zu den nomina sacra ist dabei durch eine eigentümliche Kombination von Stabilität und Varianz gekennzeichnet: Einerseits finden die nomina sacra so breite und durchgängige Verwendung, dass sie zum Teil sogar 65 Mit Nicklas, Kanongeschichte, 581. Zuletzt vermerkt Chapa, Transmission, 123: „The codex might have been an important factor in the origin and development of the canon, but presently there is not enough evidence to prove it.“ 66 Trobisch, Endredaktion, 31. 67 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 30f. 68 Vgl. die Übersicht bei Aland, Repertorium, 61f. Nach Tuckett, Nomina Sacra, 443, „the phenomenon of nomina sacra seems to cross any possible boundaries between ,canonical‘ and non-,canonical‘ without any compunction.“ 69 Kraus, Tribute, 89f: „ … there is a striking consistency in manuscripts with canonical, non-canonical, and even heretical texts, so that we might suspect some sort of standardization at work in the second century and, if we take into consideration that the manuscripts we have today are copies of so-called Vorlagen, even before that.“ Vgl. auch Tuckett, Nomina Sacra, 443. 70 Tuckett, Nomina Sacra, 443. Vgl. Trobisch, Endredaktion, 106 Anm. 78. 71 Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit zur Bestimmung von Manuskripten als „christlich“ herangezogen werden können, wobei nochmals in der Behandlung der Kerngruppe θεο´ ς , κυ´ ριος , ᾽Ιησου῀ς und Χριστο´ ς eine besondere Konsistenz zu verzeichnen ist. Andererseits variiert die Notierung der nomina sacra nicht nur im Umfang der so behandelten Begriffe, sondern auch in deren Form wie in ihrer Anwendung innerhalb eines Textes (in P 72 z. B. ausgeschriebenes κυρι´ου in 2 Petr 1,2) oder zwischen unterschiedlichen Schreibern in ein und demselben Manuskript 71 beträchtlich. Besonders hervorzuheben ist dabei die frühe Präsenz der suspensiven Form ιη (für ᾽Ιησου῀ς ), die gerade unter historischen Vorzeichen nicht nur als bloße Ausnahme von der (kontraktiven) Regel verzeichnet werden sollte. 72 Eine solche Befundlage ist meines Erachtens mit der Annahme, die nomina sacra seien - zumindest in ihrer Kerngruppe θεο´ ς , κυ´ ριος , ᾽Ιησου῀ς und Χριστο´ ς 73 - Innovationen einer Edition (hier muss man sagen: erst) aus der Mitte des zweiten Jh., die überdies noch zur Verbreitung und Anerkennung gelangen muss, bereits grundsätzlich kaum zu vereinbaren. 74 Um aber aus der Präsenz der nomina sacra einen Hinweis auf ein biblisches Editionsprojekt zu gewinnen, müsste darüber hinaus gezeigt werden, dass ihr Gebrauch anfänglich in herausgehobener Weise mit den später kanonischen Schriften verbunden war. Ähnlich wie die Verwendung des Kodex bilden die nomina sacra gerade aufgrund ihrer sehr frühen und breiten Verwendung kein spezifisches Kennzeichen neutestamentlicher (bzw. biblischer) Manuskripte und damit kein tragfähiges Indiz für deren einheitliche Redaktion im zweiten Jh. 75 71 So lassen sich für unterschiedliche Schreiber regelrechte Profile ihres nomina sacra-Gebrauchs erstellen, wie Jongkind, Scribes, 62-84, für den Sinaiticus und Smith, Gospels, 219-225, für den Alexandrinus dies jeweils detailliert getan haben. 72 So Trobisch, Endredaktion, 26f mit Anm. 43. Ob in dieser Schreibung von ᾽Ιησου῀ς der Ursprung der nomina sacra zu finden ist, wie Hurtado, Artifacts, 115 (vgl. auch mit weiteren Beobachtungen Kraus, Tribute, 93f), vermutet, ist davon unabhängig zu untersuchen. 73 Die dreistufige Entwicklung, die Trobisch, Endredaktion, 103f, skizziert - 1) nomina sacra für θεο´ ς und κυ´ ριος in alttestamentlichen Manuskripten (evtl. sogar bereits vor der Kanonischen Ausgabe); 2) deren Übernahme in neutestamentlichen Texten samt dem „Systemzwang“ (ebd., 104) geschuldeter Ergänzung von ᾽Ιησου῀ς und Χριστο´ ς ; 3) „im Laufe der Zeit von den Abschreibern“ (ebd., 104) vorgenommene Erweiterung um andere nomina sacra - käme auch ohne die Annahme eines darin involvierten Editionsprojektes aus. 74 Vgl. bereits Elliott, Rezension 423; Maurer, Rezension, 57; Petersen, Evangelienüberschriften, 258; Theissen, Entstehung, 303f; Tuckett, Nomina Sacra, 441-443, und Nicklas, Kanongeschichte, 578-580 (bes. 580). Trobisch, Endredaktion, 106 mit Anm. 78, vermerkt unter Verweis auf Texte wie P. Egerton 2 und P.Oxy. 1,1 (EvThom), dass „[d]ie werdende katholische Kirche … die nomina sacra schon sehr früh für ihre Publikationen eingesetzt zu haben [scheint].“ 75 Tuckett, Nomina Sacra, 443: „ … it would seem that the evidence is not strong enough to establish that the practice served to demarcate a specific collection of Christian texts from 72 Wolfgang Grünstäudl 2.4 Titel 2 Petr ist die einzige Schrift des Neuen Testaments, deren Titel (in P 72 als ΠΕ- ΤΡΟΥ ΕΠΙΣΤΟΛΗ Β in in- und subscriptio präsent) sich sogar inklusive der Zählung direkt aus dem Text selbst ableiten lässt (vgl. 2 Petr 3,1). Aus dem Umstand, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, wurde ein weiterer Hinweis auf die Kanonische Ausgabe gewonnen: 76 „Die einheitlich strukturierten und in ihrer Funktion über die Einzelbeiträge hinausweisenden Titel wurden nicht von den Verfassern der einzelnen Schriften formuliert. Sie sind redaktionell. Auch können die Gattungsbezeichnungen, Verfasserangaben und die Struktur der Überschriften in den meisten Fällen dem Text nicht eindeutig entnommen werden. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Endredaktion der Titel nicht unabhängig voneinander stattgefunden hat, sondern auf eine Hand zurückgeht.“ 77 Wenngleich man darüber diskutieren kann, welche Texte welche Titelinformationen selbst bereitstellen und welche nicht, verweisen die Bezeichnungen der später neutestamentlichen Texte sicherlich auf redaktionelle Phänomene. Die Diskussion über die Herkunft der auffälligen Evangelientitel oder die Einbindung von Texten wie Eph oder Hebr in die Überlieferung der Paulusbriefe verfügt entsprechend bereits über eine lange forschungsgeschichtliche Tradition. Um hieraus jedoch ein Argument für eine einheitliche Endredaktion des gesamten Neuen Testaments (resp. der christlichen Bibel) zu gewinnen, muss man voraussetzen, dass die Titel, die ja nur innerhalb der Teilsammlungen „einheitlich strukturiert[..]“ 78 sind, für alle Teilsammlungen auf ein und denselben Ursprung zurückgehen. Dies ist aber den unterschiedlichen Titelkonzeptionen selbst - other texts, both Christian and non-Christian.“ In der Skepsis gegenüber der Auswertung der nomina sacra für die Endredaktionsthese treffen sich die ansonsten kontroversen Stellungnahmen von Tuckett, Nomina Sacra, passim, und Hurtado, Artifacts, 122-133, hier 122 Anm. 82: „Trobisch seems to me correct to point to indications of second-century Christian efforts toward marking off Christian faith and practice, and also toward identifiying texts to be treated as scripture. But in my view this process was more extended, and took much longer to complete, than in Trobisch’s theory.“ 76 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 58-68, zum Alten Testament vgl. Trobisch, Endredaktion, 97. Wie die Besprechung der Bezeichnung η῾ καινη` διαθη´ κη (ebd., 68-70) erfolgt auch die Analyse der Einzeltitel (Trobisch, Endredaktion, 58-68) erst, nachdem das „Ergebnis der vorliegenden Untersuchung“ (Trobisch, Endredaktion, 58) vorgestellt wurde. Die Zusammenfassung Trobisch, Endredaktion, 70, macht aber deutlich, dass auch der Verweis auf die Einzeltitel als Argument für die Existenz einer Endredaktion verstanden werden soll, weshalb er hier zu besprechen ist. Die Bezeichnungen der mittleren Ebene, also der vier angenommenen Teilsammlungen des Neuen Testaments, gelten hingegen bei Trobisch, Canon, 898, nicht zwingend als Element der Endredaktion: „It is unclear when these volume titles originated and whether these were already part of the first edition of the NT.“ 77 Trobisch, Endredaktion, 66f [Hervorhebungen Grünstäudl]. 78 Trobisch, Endredaktion, 66. 73 Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit ( ευ᾽ αγγε´ λιον ) κατα´ + Verfasser bei den Evangelien, προ´ ς + Adressat(en) bei den Paulusbriefen (wobei ε᾽ πιστολη` Παυ´ λου jeweils vorausgesetzt ist), Genitiv des Verfassers bei den Katholischen Briefen 79 - gerade nicht zu entnehmen. 80 Dieses missing link in der Argumentationskette lässt sich nicht durch den Verweis auf intertextuelle Verknüpfungen, die ex post, also an einer bereits eruierten Schriftensammlung, festgestellt werden, 81 ersetzen. Methodologisch richtig trennt Trobisch deshalb auch klar zwischen dem angestrebten Nachweis einer Endredaktion und der diesen Nachweis voraussetzenden Beschreibung eines redaktionellen Konzepts, wenngleich zum Teil doch durchscheint, dass bei der Bewertung des Titel-Arguments bereits an das später erhobene redaktionelle Konzept gedacht wird. 82 Wie hinsichtlich der Kodexform und den nomina sacra fehlt somit auch in Bezug auf die Titel der neutestamentlichen Schriften das Entscheidende, um aus einer aufschlussreichen Beobachtung am handschriftlichen Befund ein Indiz für eine gemeinsame Edition von 27 Texten werden zu lassen. War es dort jeweils die fehlende Abgrenzung gegenüber einer auch für andere frühchristliche Texte gebrauchten Praxis, so ist es hier der fehlende Nachweis, dass die unterschiedlichen Titelstrukturen der Teilsammlungen zusammen aus einer Hand stammen. 79 Vgl. die tabellarische Übersicht bei Niebuhr, Exegese, 565. 80 Vgl. Theissen, Entstehung, 304f. Auch die Zählungen sind kein Phänomen, das auf eine Gesamtredaktion der neutestamentlichen Schriften verweist (so Trobisch, Endredaktion, 64) oder auch nur abgeschlossene Teilsammlungen voraussetzt, sondern eines, das auf dem Zusammentreten von zwei (bzw. im Fall der Johannesbriefe: drei) Texten aufruht. Schließlich kann nur bedingt davon gesprochen werden, dass „die Titel … die Kanonische Ausgabe in Paulusbriefsammlung, Evangelien, Praxapostolos und Offenbarung des Johannes [strukturieren]“ (Trobisch, Endredaktion, 58f), da sich die Katholischen Briefe durch ihre Titelstruktur als Gruppe von Apg abheben (so auch ebd., 65, vgl. zudem den an einem Kolophon des Alexandrinus [vgl. Trobisch, Endredaktion, 52] angelehnten Titelvorschlag Trobisch, Endredaktion, 156). 81 So ließen sich etwa in das acht Personen umfassende Verfassernetzwerk der Kanonischen Ausgabe (vgl. Trobisch, Endredaktion, 91f) - mit Blick auf Sinaiticus und Alexandrinus - ein Hermas (Röm 16,14), ein Clemens (Phil 4,3; mit Betonung des gemeinsamen Zeugnisses von Paulus und Petrus in 1 Clem 5), vor allem aber ein Barnabas (Apg 4,36f; 9,26f; 11,22-30; 13,2-4; 15,1-41; 1 Kor 9,6; Gal 2,1.9.13; vgl. Trobisch, Endredaktion, 132f, dazu kritisch Maurer, Rezension, 57) problemlos integrieren. 82 Trobisch, Endredaktion, 68, erkennt in der (Nicht)Beachtung der „Querverbindungen der Titel des Lukas- und Markusevangeliums zur Paulusbriefsammlung und zum Praxapostolos“ den „Hauptgrund für das unterschiedliche Ergebnis“ gegenüber Hengel. Nach Trobisch, First Edition, 41, „[t]he uniform structure of the titles points … to an overall editorial concept … “. 74 Wolfgang Grünstäudl 2.5 Die Reihenfolgen der Einzelschriften Das mit Abstand stärkste Indiz für die Existenz der Kanonischen Ausgabe ist nach Trobisch 83 die in großen Teilen der Manuskripttradition 84 einheitliche Abfolge der Schriften innerhalb der biblischen Teilsammlungen. „Wenn Anzahl und Reihenfolge der Einzelschriften in den Abschriften einheitlich sind, so ist die Überlieferung der Sammlung auf einen gemeinsamen Archetyp zurückzuführen. Variiert dagegen der Umfang der Sammlung stark und lassen sich verschiedene redaktionelle Konzepte abgrenzen, so ist das Corpus das Ergebnis eines allmählichen Wachstumsprozesses, der an unterschiedlichen historischen Orten zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt hat.“ 85 Ausgehend von den vier großen Majuskelkodizes findet Trobisch eine solche einheitliche „Anzahl und Reihenfolge der Einzelschriften“ in den christlichen biblischen Textzeugen der ersten sieben Jahrhunderte weitgehend belegt, wobei abweichende Manuskripte - wie der P 72 enthaltende Sammelkodex, der sogar auf zwei verschiedenen Entwicklungsstufen eine „falsche“ Einordnung des Jud bietet - einzeln diskutiert und als letztlich irrelevante Ausnahmen („mavericks“ 86 ) ausgewiesen werden. Im Folgenden soll zuerst die Argumentation zum Neuen Testament - in der 2 Petr und die Katholischen Briefe wieder einen besonderen Platz einnehmen - und dann die zum Alten Testament besprochen werden. 87 2.5.1 Die Reihenfolgen in neutestamentlichen Handschriften Bei einem im Wesentlichen statistischen Argument 88 ist es besonders angebracht, genau auf die ins Spiel gebrachten Zahlenverhältnisse und die zugrunde 83 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 35, sowie Klinghardt, Inspiration, 337f. 84 Das absolute Urteil, dass „alle erhaltenen Handschriften des NT immer denselben Umfang (27 Schriften) in derselben Reihenfolge (innerhalb der Teilsammlungen) repräsentieren“ (Klinghardt, Veröffentlichung, 60 [Hervorhebungen WG]; ähnlich Klinghardt, Inspiration, 338), ist durch Trobisch, Endredaktion, 53f, nicht gedeckt. 85 Trobisch, Endredaktion, 38. Zu dieser Axiomatik vgl. Brandt, Endgestalten, 376f. 86 Elliott, Rezension, 423. 87 Alle folgenden Zahlen und Datierungen orientieren sich an Trobisch, Endredaktion, dessen Argumentation hier dargestellt werden soll. Seit 1996 sind natürlich weitere Manuskripte bekannt geworden, die aber, soweit ich sehe, den hier interessierenden Befund nicht entscheidend verändern. Vgl. die aktuelle Übersicht zu den neutestamentlichen Manuskripten der ersten vier Jahrhunderte bei Chapa, Transmission, 115f. 121f., sowie Orsini/ Clarysse, Manuscripts, passim. Besondere Erwähnung verdient die noch nicht abgeschlossene Diskussion der Frage, ob P 4 , P 64 und P 67 (Fragmente von Mt und Lk, 2./ 3. Jhdt.) von ein und demselben Kodex stammen und wenn, ob dieser alle vier später kanonischen Evangelien enthielt, vgl. v. a. Chapa, Transmission, 122 mit Anm. 26 (Lit.), und Epp, Issues, 487-491 (methodologische Reflexion). 88 Knauf, Kanon, 197 Anm. 19, vermutet: „Die verhaltene Rezeption dieser Ergebnisse zumindest in der deutschsprachigen neutestamentlichen Wissenschaft dürfte darauf zurück- 75 Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit gelegten Datenmengen zu achten, da es sonst schnell zu nicht zutreffenden Einschätzungen kommen kann. Wenn etwa David Trobisch im Laufe seiner Argumentation festhält, dass „nur 59 der etwa 5300 erhaltenen Handschriften … alle vier Sammlungseinheiten des Neuen Testaments [umfassen]“ 89 und schlussendlich folgert, dass sich „[b]is auf fünf Zeugen … alle ausgewerteten Handschriften der ersten sieben Jahrhunderte als Abschrift der gleichen Ausgabe interpretieren [lassen]“ 90 , so sind die dabei genannten Zahlen durchaus nachvollziehbar, solange man beachtet, dass erstens Trobisch selbst sechs „Handschriften mit Anordnungen und Anzahl von Schriften, die nicht mit der Kanonischen Ausgabe übereinstimmen“ 91 einzeln bespricht und zweitens zwischen erhaltenen und ausgewerteten Handschriften ein signifikanter Unterschied besteht. 92 Doch schon in einer der ersten Rezensionen zu Trobischs Arbeit werden daraus die „rund 5300 nt.lichen HSS aus den ersten sieben Jhh. (dh. vor den byzantinischen Ausgaben)“ 93 , was nahelegt, dass sich der bis auf fünf (bzw. sechs) Ausnahmen einheitliche Befund auf der Basis von mehreren tausend ausgewerteten Handschriften ergebe. Noch pointierter formuliert Matthias Klinghardt in einer jüngeren Darstellung von Trobischs Ergebnissen: „Nur fünf von rund 2500 Handschriften zeigen Abweichungen in der Reihenfolge der enthaltenen Schriften, während die restlichen (also beeindruckende 99,8%) den einheitlichen Befund bestätigen.“ 94 Beachtet man allerdings, dass sich in dem von Trobisch zugrunde gelegten Referenzwerk von Kurt und Barbara Aland die Zahl der in die ersten sieben Jahrhunderte datierten neutestamentlichen Handschriften insgesamt auf nur etwa zuführen sein, dass Trobisch nicht mit ,weicher Evidenz‘ (der Interpretation von Textinhalten), sondern mit ,harter Evidenz‘ argumentiert (objektiven, z. T. statistisch erfassbaren Merkmalen der Texte bis hinab zur Ebene der Handschriften).“ Zur Problematik statistischer Analysen frühchristlicher Manuskripte vgl. Kraus, Tribute, 82-85. 89 Trobisch, Endredaktion, 41f; vgl. Aland/ Aland, Text, 84.91f. Zu diesen »vollständigen« neutestamentlichen Codices vgl. Schmidt, New Testament, 479-484 (Tabelle). 90 Trobisch, Endredaktion, 53 (Hervorhebung Grünstäudl). 91 Trobisch, Endredaktion, 47. 92 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 48-53, konkret P 46 (ebd., 48), P 72 (ebd., 49), 032 (ebd., 50f), 05 (ebd., 51), P 45 (ebd., 52f) und 06 (ebd., 53), wobei in der Auswertung ebd., 53, der wichtige P 45 nicht mehr berücksichtigt wird. 93 Klinghardt, Rezension, 181. 94 Klinghardt, Inspiration, 338. In dem für ein breiteres Publikum gedachten Beitrag Trobisch, Auswahl, 201, fällt die zeitliche Einschränkung auf die ersten sieben Jahrhunderte aus: „Bis auf ganz wenige Ausnahmen … stimmen die Titel, Anzahl und Reihenfolge der Evangelien, der Paulusbriefe, der katholischen Briefe in den griechischen Handschriften überein“ (Hervorhebung Grünstäudl). 76 Wolfgang Grünstäudl 250 beläuft, 95 so wird deutlich, dass diese eindrucksvollen Zahlenverhältnisse nicht dem von Trobisch erhobenen Befund entsprechen können. Dieser kommt vielmehr dadurch zustande, 96 dass Trobisch in einem ersten Schritt aus den in NA 27 aufgelisteten Manuskripten der ersten sieben Jahrhunderte zuerst eine nicht benannte Anzahl von Texten ausscheidet, die seiner Einschätzung nach „nicht im Rahmen des antiken Buchwesens für den Vertrieb bestimmt waren“ 97 . Sodann werden alle Manuskripte ausgeschlossen, die nur einen neutestamentlichen Text (bzw. Teile von einem solchen) wiedergeben und daher für die Frage nach der Reihenfolge der Texte unergiebig scheinen. 98 Bis auf die dieser Gruppe zuzurechnenden Papyri werden diese Manuskripte auch einzeln aufgeführt. Ebenfalls einzeln gelistet und der Gruppe der „[n]icht auswertbare[n] Handschriften“ 99 zugeordnet werden jene Manuskripte, die mehr als einen neutestamentlichen Text bezeugen, allerdings keine sicheren Aussagen mehr über deren ursprüngliche Reihenfolge erlauben. Übrig bleiben schließlich 20 (21) Manuskripte, von denen nach Trobisch 15 die Anordnung der kanonischen Ausgabe bezeugen und fünf (sechs) eine andere Abfolge bieten. 100 Zu beachten ist allerdings, dass nur wiederum zwei dieser 15 Zeugen - nämlich P 74 (Apg + Katholische Briefe, 7. Jhdt.) und 022 (Evangelien, 6. Jhdt.) - im strengen Sinn als sichere Zeugen für die Anordnung der Kanonischen Ausgabe gelten können, da sie die exakte Reihenfolge aller Schriften einer Teilsammlung aufweisen. Als einen dritten Zeugen wird man 016 (Paulusbriefe, 5. Jhdt.) hinzuzählen dürfen, da zwar Röm zu Beginn fehlt, seine ursprüngliche Präsenz im Manuskript aber alle Plausibilität für sich hat. Immerhin zwölf Manuskripte bieten eine auch mit der Kanonischen Ausgabe kompatible Teilsequenz, wobei in P 61 (Paulusbriefe, 7./ 8. Jhdt.) und 048 (Apg, Katholische Briefe, Paulusbriefe, 5. Jhdt.) die entscheidende Lokalisierung des Hebr (in 048 zusätzlich auch die der Apg) nicht mehr zu klären ist. 101 95 Vgl. Aland/ Aland, Text, 89f. Festgehalten bei Trobisch, Entstehung, 31 („etwa 220“). 96 Zum methodischen Ansatz vgl. Trobisch, Endredaktion, 43-45, sowie Petersen, Evangelienüberschriften, 258f. 97 Trobisch, Endredaktion, 43. 98 Es wäre sicherlich lohnend zu fragen, ob nicht auch Manuskripte, die nur einen später neutestamentlichen Text bezeugen, für Fragen nach der Gestaltung von Teilsammlungen relevant sein könnten. So bezeugen etwa P 15 (mit 1 Kor 7,18-8,4) und P 16 (mit Phil 3,10-17; 4,2-8; beide wohl 4. Jhdt.), die vermutlich ein und demselben Kodex angehören (vgl. bereits die editio princeps unter P.Oxy. 7.1008 und 1009), gemeinsam eine Zusammenstellung der Paulusbriefe. 99 Trobisch, Endredaktion, 44 (im Original kursiv). 100 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 46-53. 101 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 47 Anm. 112. 77 Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit Unter Berücksichtigung der Altersgliederung der Handschriften - vor und nach der textgeschichtlichen „Grenze“ 102 des 3./ 4. Jhdts. - sowie der Differenzierung nach Teilsammlungen 103 lässt sich dieser Befund folgendermaßen darstellen: 104 Bestimmbare Reihenfolgen in ntl Manuskripten (nach Trobisch, Endredaktion, 44-54): 1.-3. Jhdt. 4.-7. Jhdt. (ausgenommen 01, 02, 03) ident mit KA kompatibel mit KA anders als KA ident mit KA kompatibel mit KA anders als KA Evangelien --- P 75 P 45 ? 022 042, 043, 064 05, 032 Paulusbriefe --- P 30 P 46 016? P 61 , 015, 048, 0285 06 Apg + Katholische Briefe --- --- P 45 ? P 72 P 74 048, 0166, 0247, 0251 05 102 Aland/ Aland, Text, 67. Mit der Begründung: „Denn mit dem 4. Jahrhundert beginnt eine völlig neue Entwicklung“ (Aland/ Aland, Text, 67). 103 Nur 048 (Fragmente aus zwölf Paulusbriefen, der Apg sowie sechs Katholischen Briefen) und 0285 (Fragmente aus fünf Paulusbriefen und 1 Petr) bieten Text aus mehr als einer Teilsammlung. 104 Es sei nochmals betont, dass hier nur eine Darstellung der bei Trobisch, Endredaktion, 43-54, entwickelten Argumentation angezielt ist. Eine umfassende Überprüfung jedes der in der folgenden Tabelle angeführten Manuskripte im Spiegel der aktuellen Forschungsliteratur und/ oder durch Autopsie konnte nicht geleistet werden und bleibt ein Desiderat. Es erfolgte aber eine erste Kontrolle anhand der im Virtuellen Manuskriptraum (NT.VMR; online unter http: / / ntvmr.uni-muenster.de/ , 03.06.2016) des Instituts für Neutestamentliche Textforschung bereitgestellten Fotografien (für wertvolle Hinweise danke ich Marie- Luise Lakmann und Darius Müller). Einige erste Anmerkungen erscheinen angebracht: a) Zu 015 und 016 notiert Trobisch, Endredaktion, 47 Anm. 111, versehentlich, „die Reihe Phlm Hb 1Tim ist gesichert.“ Das Richtige (2 Thess-Hebr-1 Tim) findet sich bei Trobisch, Entstehung, 18. b) 064 (vgl. Trobisch, Endredaktion, 47 Anm. 113) gehört mit 074 und 090 demselben Manuskript an (vgl. Aland/ Aland, Text, 126). c) Die Majuskel 0285 (mit 081) enthält neben Hebr und 1 Tim nicht nur „auch Fragmente des Epheserbriefes“ (Trobisch, Endredaktion, 47 Anm. 117), sondern zudem Fragmente aus Röm, 1-2 Kor und 1 Petr. 78 Wolfgang Grünstäudl Hinter den „ausgewerteten Handschriften der ersten sieben Jahrhunderte“ 105 , mit denen das argument from sequence begründet wird, verbergen sich also letztlich nicht mehr als 21 Manuskripte, wobei überdies nur der deutlich geringere Teil von diesen - nämlich fünf - der entscheidenden Phase vor den für die Rekonstruktion der Kanonischen Ausgabe herangezogenen Unzialhandschriften des 4./ 5. Jhdts. zuzurechnen ist. 106 Wiederum nur zwei dieser fünf Manuskripte - P 75 (3. Jhdt. 107 ) mit Lk/ Joh und P 30 (3. Jhdt.) mit 1-2 Thess - bieten eine mit der Kanonischen Ausgabe zumindest kompatible Teilsequenz. Auffällig ist zudem das Fehlen der Kombination von Apg und Katholischen Briefen vor den Unzialen: In P 45 (3. Jhdt.) steht die Apg hinter den - ursprünglich vermutlich in der sogenannten westlichen Reihenfolge Mt, Joh, Lk, Mk angeordneten 108 - Evangelien, 109 während sich in P 72 nur 1-2 Petr und Jud finden. Ein „einheitliches Bild“ 110 , das dafür sprechen könnte, die übereinstimmenden Teil-Reihenfolgen in Sinaiticus, Vaticanus und Alexandrinus auf die bewusste 105 Trobisch, Endredaktion, 53. 106 Die Ausführungen in Trobisch, Canon, 898, könnten im Sinne eines bereits in der Frühzeit breiten und einheitlichen Befundes zur Reihenfolge der Texte missverstanden werden: „Extant manuscripts from the 2nd and 3rd centuries CE are mostly fragmentary. Nevertheless, with few exceptions manuscripts from this period, which cover more than one writing, present these in the order of the later tradition, thus supporting the notion of four original collection units.“ Wie aber der Kontext verdeutlicht, meint „order“ hier nicht Reihenfolge (Trobisch, First Edition, 21-43, verwendet dafür „sequence“), sondern Gruppierung (in vier Teilsammlungen). Die genannten „few exceptions“ sind nach Trobisch, First Edition, 28, dann die drei Manuskripte P 53 (Mt, Apg), P 45 (Evv, Apg) und P 72 (1-2 Petr, Jud im Kontext später nicht kanonischer Texte) gegenüber je drei Manuskripten mit (nur) mehreren Evangelien (P 4 [Mt, Lk], 0171 [Mt, Lk], P 75 [Lk, Joh]) bzw. (nur) mehreren Paulusbriefen (P 30 [1-2 Thess], P 46 [Röm, Hebr, 1-2 Kor, Eph, Gal, Phil, Kol, 1 Thess], P 92 [Eph, 2 Thess]). 107 Nongbri, Place, passim, schlägt nun sogar eine Datierung in das vierte Jahrhundert vor. Vgl. auch Orsini, Bodmer, 77. 108 Entsprechend der 1993 vorgelegten detaillierten Rekonstruktion von Skeat, Analysis, passim (Trobisch, Endredaktion, 52 Anm. 131, verweist nur auf die Notiz in Skeat, Irenaeus, 198), die als Konsens gelten darf (vgl. z. B. Hurtado, P 45 , 135 Anm. 15, und zuletzt Roth, P 45 , 127f mit Anm. 40). 109 Trobisch, Endredaktion, 53, gibt zu bedenken, dass P 45 , der in Apg 17,17 abbricht, ursprünglich nicht nur die Evv und Apg, sondern auch die Katholischen Briefe umfasst haben könnte und kommt zum Schluss, „daß P 45 nicht als sicherer Beleg dafür gelten kann, daß die Apostelgeschichte mit den Evangelien und ohne die Katholischen Briefe verbreitet wurde.“ Dazu ist festzuhalten, dass P 45 nur dann ein Beleg für die Anordnung der Kanonischen Ausgabe wäre, wenn a) der Kodex nach Apg noch weiteren Text umfasst und es sich dabei b) um die Katholischen Briefe in c) der „kanonischen“ Reihenfolge gehandelt hätte. Tatsächlich geboten wird vom Textzeugen aber nur die Zusammenstellung von Evv und Apg. Entscheidend ist: Für das zu Beweisende, die frühe Verbindung von Apg und Katholischen Briefen im Sinne der Kanonischen Ausgabe („Praxapostolos“), gibt es vor den großen Kodices des vierten Jahrhunderts keinen einzigen handschriftlichen Beleg. 110 Trobisch, Endredaktion, 54. 79 Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit Gestaltung von vier neutestamentlichen Teilsammlungen durch ein und dieselbe Gesamtredaktion bereits im zweiten Jh. zurückzuführen, ergibt sich durch diesen schmalen und divergenten handschriftlichen Befund gerade nicht. Vielmehr zeigt sich an dieser Stelle noch einmal besonders deutlich, wie sehr der Versuch einer möglichst plausiblen Rekonstruktion der neutestamentlichen Kanongeschichte darauf angewiesen ist, die Zeugnisse der (griechischen) Manuskripte mit dem Gesamt des historischen Quellenmaterials in Beziehung zu setzen. 2.5.2 Die Reihenfolgen in alttestamentlichen Handschriften Betrachtet man nun die Situation in der alttestamentlichen Manuskriptüberlieferung, so wartet zunächst eine Überraschung: „Umfang und Anordnung der Schriften des Alten Testaments präsentieren sich in den großen Bibelunzialen nicht so einheitlich wie in ihrem neutestamentlichen Teil.“ 111 Hinter dieser nüchternen Feststellung verbirgt sich für die These, die Redaktion der Kanonischen Ausgabe habe auch das Alte Testament umfasst und dort unter anderem „Titel und Gruppierungen festgelegt“ 112 , natürlich eine enorme Herausforderung. 113 David Trobisch stellt sich ihr, indem er in den alttestamentlichen Teilen von Sinaiticus, Vaticanus und Alexandrinus „fünf Sammlungseinheiten und drei Anhänge“ 114 beschreibt und deren Anordnung folgendermaßen tabellarisch darstellt: Atl Schriftenarrangement in den Unzialen des 4./ 5. Jhdts. (nach Trobisch, Endredaktion, 99): Vaticanus 1 + a 2 3 4 5 Sinaiticus 1 + a 3 + b 5 4 2 Alexandrinus 1 4 5 3 + a + b 2 + c 111 Trobisch, Endredaktion, 99. Die Diskussion der Reihenfolgen der alttestamentlichen Schriften ist bereits in die Überlegungen zum literarischen Konzept der Kanonischen Ausgabe integriert (vgl. Trobisch, Endredaktion, 95-100). 112 Trobisch, Endredaktion, 96. 113 Bislang wurde dies, wenn ich richtig sehe, nur von Holmes, Text, 63-65, der aus diesem Grund Trobischs These als „simply not persuasive“ (Holmes, Text, 65) beurteilt, in aller Deutlichkeit wahrgenommen. 114 Trobisch, Endredaktion, 99. Als Sammlungseinheiten werden genannt: 1 = Gen, Ex, Lev, Num, Dtn, Jos, Ri, Rut, 1-2 Sam, 1-2 Kön, 1-2 Chr; 2 = Ps, Spr, Koh, Hld, Ijob, Weish, Sir; 3 = Est, Jdt, Tob; 4 = Hos, Am, Mich, Joel, Obd, Jona, Nah, Hab, Zef, Hag, Sach, Mal; 5 = Jes, Jer, Bar, Klgl, EpJer, Ez, Dan. Als Anhänge (zum Begriff vgl. Trobisch, Endredaktion, 41 Anm. 84) werden genannt: a = Esr, Neh; b = 1-4 Makk; c = PsSal. 80 Wolfgang Grünstäudl Durch die oben wiedergegebene Tabelle 115 könnte der Eindruck entstehen, in Analogie zur Situation im neutestamentlichen Bereich der Unzialen, wo Apg und Katholische Briefe den Paulusbriefen folgen (Sinaiticus) oder voraufgehen (Vaticanus, Alexandrinus), aber innerhalb dieser Gruppen jeweils dieselben Einzelschriften in derselben Reihenfolge erscheinen, 116 sei auch der alttestamentliche Bereich aus in unterschiedlichen Abfolgen angeordneten Textgruppen mit jeweils identischer Reihenfolge der enthaltenen Einzeltexte aufgebaut. Doch dem ist nicht so. Trobisch notiert selbst zum Sinaiticus: „Bar folgte nicht auf Jer und ist nicht erhalten“ 117 . Das bedeutet aber, dass die Reihenfolge der prophetischen Schriften im Sinaiticus sicher nicht, so wie in Vaticanus und Alexandrinus, Jer-Bar-Klgl-EpJer gelautet hat 118 . Es finden sich zudem noch weitere Varianzen. So steht im Vaticanus Tob nach Jdt (Est-Jdt-Tob), während Sinaiticus und Alexandrinus die Abfolge Est-Tob-Jdt bieten. Das Buch Ijob ist sogar dreimal an unterschiedlicher Stelle eingeordnet: Im Sinaiticus nach Sir am Ende der poetischen Schriften (und damit in diesem Manuskript am Ende des gesamten Alten Testaments), im Vaticanus nach Hld und vor Weish, im Alexandrinus nach den hier auf die Psalmen folgenden Oden und vor Spr. Schließlich finden sich von den Makkabäerbüchern, die im Alexandrinus vollständig vertreten sind (1-4 Makk), im Sinaiticus nur 1 Makk und 4 Makk, während sie im Vaticanus gänzlich fehlen. Selbst wenn man also mit Trobisch die alttestamentlichen Schriften in „fünf Sammlungseinheiten und drei Anhänge“ 119 gruppiert, was keineswegs selbstverständlich ist, 120 begegnen hinsichtlich Ijob in Sammlungseinheit 2 (diese ist im 115 Diese Tabelle (Kritik daran bei Elliott, Rezension, 423) wirkt bei Brandt, Endgestalten, 183 mit Anm. 853, dergestalt nach, dass auch dort die variierenden Platzierungen von Bar, Tob und Ijob nicht ausgewiesen werden und für Sinaiticus „1-4 Makk“ (statt „1+4 Makk“) notiert wird. Das Richtige findet sich aber ebd., 185 (zu Bar, Tob und den Makkabäerbüchern). 186 (zu Ijob). 116 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 40f. 98 mit Anm. 58. 117 Trobisch, Endredaktion, 99. 118 Erhalten sind nur Jer und Klgl (bis 2,20). Nach der Rekonstruktion von Milne/ Skeat, Scribes, 6, „in all probability, Baruch and the Epistle of Jeremy found a place in the Sinaiticus immediatly after Lamentations.“ 119 Trobisch, Endredaktion, 99. 120 Trobisch, Endredaktion, 98f, selbst gebraucht vor und nach der gebotenen Tabelle die Dreiteilung in historische, prophetische und poetische Schriften und setzt diese mit dem Aufbau des Neuen Testaments in Beziehung. Vgl. dazu kritisch Brandt, Endgestalten, 360 („unausgewogen“), 358-370 (vgl. außerdem Brandt, Endgestalten, 186 Anm. 862 und 193 Anm. 891) die Problematik von Strukturanalogien zwischen Altem und Neuem Testament (wie z. B. bei Ebner, Kanon, 19f) bespricht. Nur angemerkt kann werden, dass bei alledem die physischen Signale, die die Manuskripte selbst bezüglich der Gruppierung der Einzelschriften setzen, noch nicht berücksichtigt sind. So heben sich etwa im Sinaiticus durch Lagenwechsel die Blöcke Jes-Mal (Propheten) und Ps-Ijob (Poetische Bücher) deutlich ab, 81 Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit Alexandrinus noch um die Oden ergänzt), Tob in Sammlungseinheit 3 und Bar in Sammlungseinheit 5 auch innerhalb dieser Gruppen klare Varianzen in der Reihenfolge der Schriften. 121 Eine einheitliche „Anzahl und Reihenfolge der Einzelschriften“ 122 , die für das Editionsparadigma so hohe Relevanz besitzt, findet sich somit hinsichtlich der alttestamentlichen Texte nicht einmal in den die Ausgangsbasis der Argumentation bildenden großen Majuskelhandschriften. 3 Der zweite Petrusbrief als Knotenpunkt eines intertextuellen Netzwerks Wenngleich die der Spur des 2 Petr folgende Sichtung der vier Hauptargumente für die Kanonische Ausgabe (Kodexform, nomina sacra, Titel und Reihenfolge) meines Erachtens gezeigt hat, dass sie die auf ihnen ruhende These nicht zu begründen vermögen, lohnt es, nun noch einen Blick auf die Rolle des 2 Petr in dem von Trobisch erhobenen redaktionellen Konzept der Kanonischen Ausgabe zu werfen. Zu beachten ist dabei nur, dass Trobisch diese Beobachtungen zu Recht deutlich von den Argumenten für die Existenz der Kanonischen Ausgabe abhebt und sie unter rezeptionsästhetischen Vorzeichen als ein Lektüreangebot markiert, dem man, wenn man von der Annahme einer Kanonischen Ausgabe überzeugt ist, gerne folgen wird, das aber auch im Rahmen einer im weiteren Sinn kanonischen Lektüre des Neuen Testaments angenommen werden kann. 123 Schließlich enthält es auch zahlreiche Hinweise, die für jede exegetische Beschäftigung mit dem 2 Petr von Bedeutung sind. 3.1 Querverweise Zu beginnen ist mit den zahlreichen innerbiblischen Querverweisen, die Trobisch zu 2 Petr notiert. Zweifelsohne bildet 2 Petr einen wichtigen Knotenpunkt eines vielschichtigen intertextuellen Netzwerks, von dem an dieser Stelle nur drei der markantesten Verbindungsstränge kurz genannt werden können: Eine erste Gruppe von Verknüpfungen bilden die drei expliziten Verweise auf andere Texte in 2 Petr 1,20f (schriftliche Prophetie), 2 Petr 3,1 (ein weiterer Petrusbrief) und 2 Petr 3,14-16 (Paulusbriefe). Zwar wird in 2 Petr 3,1 aller vgl. Parker, Sinaiticus, 80. Umfassend zur Lagenstruktur der Unzialen und ihrer möglichen kanongeschichtlichen Relevanz, vgl. nun Andrist, Structure. 121 Der Anhang b (vgl. oben Anm. 114) erscheint zudem im Sinaiticus in anderer Gestalt (1+4 Makk) als in Alexandrinus (1-4 Makk). 122 Trobisch, Endredaktion, 38. 123 Niebuhr, Exegese, 568 Anm. 27, schließt sich der Endredaktionsthese nicht an, schätzt aber „die Rekonstruktion der Leserperspektive auf das Neue Testament“ als „erhellend“ ein. 82 Wolfgang Grünstäudl Wahrscheinlichkeit nach auf den uns bekannten 1 Petr angespielt, doch hat der auffällige Umstand, dass Sprache und Autorfiktion des 2 Petr ansonsten keinen Anschluss an 1 Petr suchen, bereits in der Antike irritiert (Hieronymus, vir. ill. 1, sowie ep. 120,11). 124 Der paradoxe Anschluss an 1 Petr wird aber dann verständlich, wenn man berücksichtigt, dass sich das Petrusbild des 2 Petr an das der OffbPetr anlehnt und von daher seine Plausibilität bezieht. 125 In der Betonung der Verlässlichkeit (schriftlicher) Prophetie und den hermeneutischen Ausführungen zu den Paulusbriefen werden Themen angesprochen, die in der großkirchlichen Auseinandersetzung mit der Theologie Markions eine wichtige Rolle spielen. Wenngleich man diese Elemente, die in 2 Petr zunächst im Dienst einer eschatologischen Debatte stehen, sicher nicht als hinreichende Beweise für eine antimarkionitische Ausrichtung des 2 Petr werten kann, so laden sie dann, wenn man aus anderen Gründen eine entsprechende Datierung des 2 Petr annimmt und berücksichtigt, dass ein kontroverstheologischer Text nicht nur eine einzige Gegenfront voraussetzen muss, doch zu einer Lektüre des 2 Petr ein, die ad experimentum einen Blick auf die markionitische Herausforderung wirft. Einen Fingerzeig, dass hier möglicherweise noch manches interessante Detail zu entdecken ist, könnte der Umstand sein, dass mit ͺ ω῟ γα´ ρ τις η῞ ττηται , του´ τ ͺ ω δεδου´ λωται in 2 Petr 2,19 wohl ein Herrenwort Verwendung findet, welches später in den Dialogen des Adamantius gegen den Markionismus in Anschlag gebracht wird (vgl. Adam. 58,1f). 126 Eine weitere Kategorie wird durch die deutliche und umfassende Verwendung von Texten, die keine explizite Nennung erfahren, begründet. Hierhin gehört natürlich der Rückgriff auf Jud, der in 2 Petr beinahe vollumfänglich, wenngleich mit vielfältigen Transformationen, integriert ist. 127 Wichtig ist dabei der von Trobisch betonte Umstand, dass die Funktion der Verfasserfiktion des 2 Petr nicht zwingend voraussetzt, dass seine Leser die Nähe zum Jud nicht bemerken, sondern dass umgekehrt diese sprachliche und inhaltliche Ähnlichkeit mit einem 124 Bei Schmidt, Mahnung, passim, ist diese Beobachtung ein wichtiges Element der These, 2 Petr sei als ein prosopographischer Text zu lesen. 125 Vgl. Grünstäudl, Feuer, 185-189; Frey, Jud/ 2 Petr, 185. 126 Zur Begründung dieser Deutung von 2 Petr 2,19 mit einer ausführlichen Besprechung der einzelnen Belege vgl. Grünstäudl, On Slavery. Frey, Jud/ 2 Petr, 303, hält zwar eine Verwendung als Herrenwort in Adam. für möglich, geht für 2 Petr 2,19 jedoch von einer „Anlehnung“ an Röm 6,16 aus (vgl. Ruf, Propheten, 460). Dabei müsste aber angenommen werden, dass eine von 2 Petr gebildete Sentenz in der nachfolgenden Überlieferung zu einem Herrenwort umgeformt wurde und dann als solches in unterschiedlichen Traditionszusammenhängen (Hippolyt; Adam.; Ps.-Clem.) Verwendung fand. 127 Die Benutzung des Jud durch 2 Petr wurde vielfach besprochen, vgl. zuletzt Frey, Jud/ 2 Petr, 154-162. Zur These, in der selektiven Jud-Rezeption des 2 Petr drücke sich eine Art von Kanonbewusstsein aus (u. a. Trobisch, Endredaktion, 141 Anm. 30), vgl. Ruf, Propheten, 399f; Grünstäudl, Petrus Alexandrinus, 16f. 83 Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit der ersten christlichen Generation zugerechneten Text auch als Authentifizierungsmerkmal wirken kann. 128 Ebenfalls hier einzuordnen ist meines Erachtens die OffbPetr, die sich im zweiten Jh. hoher Wertschätzung erfreute und etwa bei Clemens Alexandrinus als γραφη´ (ecl. 41,1) zitiert wird. 129 Wie bereits erwähnt, lehnt sich 2 Petr dabei an das Petrusbild der OffbPetr an und entwickelt deren eschatologische Konzeption unter geschickter Adaption der pertrinischen Verfasserfiktion weiter, was Jörg Frey treffend als die Ausgestaltung eines „petrinische[n] Diskurs[es]“ 130 bezeichnet. Die zentrale Bedeutung, die damit einem nicht Teil des Neuen Testaments gewordenen Text in literarischer und theologischer Hinsicht für 2 Petr zukommt, ist entsprechend in jeder kanongeschichtlichen Einordnung des 2 Petr mit zu berücksichtigen. Eine dritte Gruppe bilden schließlich jene Texte, auf die begrenzte, doch mehr oder minder deutliche Anspielungen vorliegen, wobei manche zwar möglich, aber kaum wahrscheinlich zu machen sind (um nur neutestamentliche Beispiele zu nennen: Lk, 1 Thess, Offb), andere hingegen trotz ihres geringen Umfangs eine gewisse Plausibilität besitzen (v. a. Mt, Mk, Röm). 131 Ein signifikantes Detail ist dabei der Rückverweis in 2 Petr 1,14, der häufig - zum Teil ausdrücklich in Ermangelung einer besseren Alternative 132 - auf Joh 21,18f bezogen wird, meines Erachtens jedoch in seiner ursprünglichen Funktion besser als Rekurs auf die Todesprophetie in OffbPetr 14,4 (Rainer-Fragment) zu verstehen ist. 133 Da Trobisch nicht zwingend annimmt, 2 Petr 1,14 sei als Verweis auf Joh 21 konstruiert worden, sondern nur, dass dieser Vers innerhalb des Arrangements der Kanonischen Ausgabe als solcher fungiere, 134 ist eine Rezeption der OffbPetr in 2 Petr 1,14 (und an anderen Stellen) mit seiner Konzeption prinzipiell vereinbar. 135 Die Verknüpfung von 2 Petr 1,14 und Joh 21 spielt darüber hinaus in der 128 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 144f; Grünstäudl, Petrus Alexandrinus, 18-20. 129 Zur Rezeptionsgeschichte der OffbPetr vgl. Buchholz, Eyes, 20-81, speziell zu ihrer Verwendung bei Clemens Alexandrinus vgl. Grünstäudl, Petrus Alexandrinus, 268-281. 130 Frey, Jud/ 2 Petr, 173. 131 Vgl. hierzu v. a. Ruf, Propheten, 577-591. 132 Vgl. Vögtle, Jud/ 2 Petr, 160; Heckel, Traditionsverknüpfungen, 201. 133 Vgl. Grünstäudl, Petrus Alexandrinus, 39-41. 123-130; Frey, Jud/ 2 Petr, 243-246. 134 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 128. 136f. 135 Die Redaktion der Kanonischen Ausgabe hätte sich dann mit 2 Petr einen Text zunutze gemacht, der deutlich über die von ihr gezogenen Grenzen hinausweist. In der Weiterentwicklung der Editionsthese bei Matthias Klinghardt ist hingegen implizit ein auktorial intendierter Bezug auf Joh 21 vorausgesetzt, da nur dann 2 Petr (zum Zeitpunkt seiner Abfassung) auf ein redaktionelles Element der Kanonischen Ausgabe verweist (alle anderen Querverweise zielen auf in die Teilsammlungen integrierte Einzelschriften bzw. auf eine in ihrer Form nicht eindeutig bestimmte Teilsammlung [Paulusbriefe], nicht aber auf die Teilsammlungen in ihrer angenommenen endredaktionellen Gestalt) und somit „die 84 Wolfgang Grünstäudl Zuordnung des 2 Petr zum Editorial der Kanonischen Ausgabe eine wichtige Rolle, welche im Folgenden noch kurz vorzustellen ist. 3.2 Editorial Eingangs wurde bereits festgehalten, dass David Trobisch 2 Petr nicht als Editorial des Neuen Testaments (bzw. der Kanonischen Ausgabe insgesamt) bezeichnet, sondern diese Rolle Joh 21 (und im besonderen Joh 21,25) zuweist. 136 Dennoch wurde in Diskussion und Rezeption seines Entwurfs wiederholt die These, 2 Petr sei als Editorial des Neuen Testaments zu verstehen, als ein typisches Element der Editionsthese gewertet. Besonders interessant ist die entsprechende Transformationslinie bei Gerd Theißen, einem der Gutachter von Trobischs Habilitationsschrift. Theißen erwägt in der im Jahr 2000 erschienenen ersten Auflage von „Die Religion der ersten Christen“ en passant die Vorstellung, 2 Petr sei „eine Art ,Editorial‘ der Herausgeber des Kanons“ 137 , weist jedoch in seinem sieben Jahre später veröffentlichten Entwurf zur Literaturgeschichte des Neuen Testaments nicht nur Trobischs Entwurf insgesamt in überraschender Deutlichkeit zurück, 138 sondern „zögert“ nun auch, dem „auf den ersten Blick faszinierend[en Gedanken]“, 2 Petr sei „eine Art Editorial zu einer ersten vollständigen Edition des Neuen Testaments“ zu folgen und fragt: „Sollte ausgerechnet ein Editorial der ältesten Kanonedition kanonisch umstritten gewesen sein? “ 139 Kenntnis der kompletten Sammlung der Kanonischen Ausgabe voraussetz[t]“ (Klinghardt, Inspiration, 345, vgl. bereits Klinghardt, Rezension, 182). 136 Vgl. oben Anm. 3. So auch Petersen, Evangelienüberschriften, 253, und Norelli, Raccolta, 499: „Trobisch identifica in Gv 21 … il vero e proprio ,editoriale‘ della collezione canonica … “ 137 Theissen, Religion, 367. Der Kontext Theissen, Religion, 366f, lautet: „Da der 2 Petr schon große Teile des gesamten neutestamentlichen Kanons voraussetzt, dürfte er in die Nähe der Kanonbildung gehören. Vielleicht wurde er als pseudonymer Brief erst im Zusammenhang mit der Kanonbildung geschrieben, als eine Art ,Editorial‘ der Herausgeber des Kanons, die sich hinter dem Namen des ersten Apostels versteckten“ (vgl. Klinghardt, Rezension, 182). Ein unmittelbarer Verweis auf Trobisch, Endredaktion, findet sich nicht, vgl. allerdings Theissen, Religion, 358 mit Anm. 22 (zu den nomina sacra). Vgl. Heckel, Traditionsverknüpfungen, 190 Anm. 2. 138 Theissen, Entstehung, 303f: „Diese auf den ersten Blick bestechende Lösung ist unwahrscheinlich.“ Als Gründe hierfür werden ebd., 304-306, die allgemeinchristliche Verwendung von Kodex und nomina sacra sowie die nur auf Teilsammlungen verweisenden Überschriften benannt, während das Reihenfolge-Argument nicht eigens behandelt wird. Das Urteil, ebd., 277-308, folge Trobisch „mit leichten Abstrichen“ (so Ebner, Kanon, 32), ist wohl zu positiv. 139 Alle vier Zitate Theissen, Entstehung, 307. Andererseits fragt Theißen, ob umstrittene Texte wie 2 Petr „überhaupt eine Chance gehabt [hätten], sich im Kanon durchzusetzen, wenn sie nicht ein großes Ansehen als Bestandteil einer frühen einheitlichen Endredaktion des Kanons gehabt hätten“ (ebd., 307f Anm. 44, vgl. Ebner, Kanon, 44). 85 Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit Wiederum vier Jahre später nimmt Theißen einen Beitrag Trobischs zur Festschrift anlässlich seines 65. Geburtstags zum Anlass, in einem Exkurs „einige Argumente zur Unterstützung der These von David Trobisch“ 140 beizubringen, wobei er im 2 Petr „die Grundstruktur des Kanons als Verbindung von Evangelien- und Briefliteratur“ 141 realisiert sieht und konkludiert: „In dieser bescheidenen Form ist die These von David Trobisch m. E. haltbar: Der 2. Petrusbrief ist ein Editorial in Briefform für eine kanonische Ausgabe des Neuen Testaments im 2. Jahrhundert.“ 142 Diese Neugestaltung des Editorial-Gedankens ist bei Trobisch in zweierlei Hinsicht angeregt: Einerseits dadurch, dass Trobisch seine Analyse der innerbiblischen Querverweise des 2 Petr (wie die der Apg und des 2 Tim) in das Kapitel „Das Editorial des Neuen Testaments“ einfügt, 143 andererseits dadurch, dass in seinem Entwurf 2 Petr und das eigentliche Editorial Joh 21 in einem engen und komplexen Beziehungsverhältnis stehen. Wenn gelten soll, dass „die kanonische Gestalt des Johannesevangeliums [sc. inkl. Joh 21, Anm. Grünstäudl] jünger als die Petrusbriefe“ 144 ist, zugleich aber in 2 Petr 1,14 „auf das Johannesevangelium (Joh 21) … verwiesen [wird]“ 145 , so wirkt dies zuerst widersprüchlich, verdankt sich aber der genauen Unterscheidung von produktions- und rezeptionsästhetischer Perspektive. Aus der Sicht von Leserinnen und Lesern, die 2 Petr und Joh in einem gemeinsamen, die OffbPetr nicht umfassenden Rahmen (wie dem der Kanonischen Ausgabe) wahrnehmen und auf dieser Basis eine einheitliche Biographie des Petrus konstruieren, folgt Joh 21 als ein Text, der bereits den Tod Petri voraussetzt, in der 140 Theissen, Literaturgeschichte, 133 (der Exkurs „2. Petrusbrief als Editorial des neutestamentlichen Kanons“ ebd., 133-136). Der Kern dieses Exkurses - ohne Bezug auf Trobisch und das Editorial-Konzept -, der vor allem in Auseinandersetzung mit Ruf, Propheten, steht, findet sich nun auch im Beitrag Theissen, Texte, 442-445, der auf einen bereits 2009 in Erlangen gehaltenen Vortrag zurückgeht (vgl. Theissen, Texte, 423 Anm. 1). 141 Theissen, Literaturgeschichte, 136. 142 Theissen, Literaturgeschichte, 136. Dies ist so zu verstehen, dass Theißen nun (in den vier Hauptargumenten Trobischs) „Spuren einer Gesamt-Edition erkennen kann“ (Theissen, Literaturgeschichte, 133), von dieser aber eine „Gesamt-Redaktion“ (Theissen, Literaturgeschichte, 133) unterscheiden möchte, von der erst zu sprechen wäre, „wenn man umfangreichere Texte dieser Redaktion zuordnen“ (Theissen, Literaturgeschichte, 133) könnte. Nach Theißen zeigen aber die von Trobisch als Elemente der Redaktion vorgeschlagenen Texte „Joh 21, Mk 16,9ff [sic], die Apostelgeschichte und [der] 2. Petrusbrief … keine Spuren einer einheitlichen Redaktion oder Edition“ (Theissen, Literaturgeschichte, 133). 143 Vgl. Trobisch, Endredaktion, 125-154, mit Theissen, Entstehung, 307 Anm. 43, und Ebner, Kanon, 44. 144 Trobisch, Endredaktion, 127. 145 Trobisch, Endredaktion, 147; vgl. ebd., 136f). 86 Wolfgang Grünstäudl Chronologie der Entstehung auch dann den beiden Petrusbriefen, wenn diese Leserinnen und Leser zur kohärenzverstärkenden Annahme gelangen, dass 2 Petr 1,14 auf jenes Ereignis zurückverweist, das in Joh 21 geschildert wird. Die Autorfiktion des 2 Petr zerbricht erst, wenn 2 Petr 1,14 als ein Text gelesen wird, der nicht (nur) auf das in Joh 21 erzählte Ereignis, sondern auf Joh 21 als Text rekurriert und damit einen Text voraussetzt, der seinerseits schon auf den Tod des Petrus zurückblickt. Auf dem Hintergrund dieser rezeptionsästhetischen Perspektive ist Trobischs Zuordnung deshalb konsequent: Solange die Fiktion seiner petrinischen Verfasserschaft aufrecht erhalten werden soll, kann 2 Petr innerhalb der Kanonischen Ausgabe nicht die Funktion eines Editorials, das für die Leserinnen und Leser „als die zeitlich letzte Textpassage einer Ausgabe“ 146 erkennbar ist, zugeschrieben werden. 4 Zusammenfassung und Ausblick Als ein spät entstandener, spät bezeugter und lange umstrittener Text, der bereits eine hohe Wertschätzung spezifisch christlicher Textwelten unterschiedlicher Provenienz zu erkennen gibt, fügt sich 2 Petr gerade deshalb gut in das Entwicklungsparadigma ein, weil er nicht Grund und Mitte des normativen christlichen Schrifttums ist. An ihm - wie an den Katholischen Briefen insgesamt - lässt sich die Dynamik der Ausbildung des christlichen Kanons besonders gut nachvollziehen. Folgt man hingegen der Spur des 2 Petr im Rahmen des Editionsparadigmas, so ergeben sich nicht nur Anfragen zu den methodischen Grundentscheidungen und manchem Detail, sondern auch deutliche Einwände gegen die vier Hauptargumente für eine editio princeps der christlichen Bibel im zweiten Jh.: 1) Hinsichtlich der beiden Argumentationsstränge, die auf der bevorzugten Verwendung der Kodexform und dem Gebrauch der nomina sacra aufruhen, ist festzuhalten, dass sich die Präferenz für die Kodexform und die Verwendung der nomina sacra als typische Eigenschaften christlicher Manuskripte nicht auf typische Eigenschaften neutestamentlicher (bzw. biblischer) Manuskripte reduzieren lassen. Beide Phänomene bilden damit wichtige Elemente der material culture des frühen Christentums, nicht aber distinguierende Elemente einer Edition. 2) Die Titel der neutestamentlichen Schriften verdanken sich sicherlich zumindest zum Teil gegenüber der Abfassung der Texte sekundären Prozessen. Ohne den Nachweis, dass diese Titel (in ihren zwischen den Teilsammlungen differierenden Formen) auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgehen, lässt 146 Trobisch, Endredaktion, 154. 87 Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit sich daraus aber kein Argument für eine Gesamtedition der biblischen Schriften gewinnen. Auch dort, wo sich der frühchristliche Gebrauch von η῾ παλαια` διαθη´ κη und η῾ καινη` διαθη´ κη erkennbar auf Sammlungen von Texten bezieht, lässt sich nicht bereits voraussetzen, dass damit stets eine Größe von Umfang und Gestalt der Kanonischen Ausgabe gemeint ist. 3) Schließlich kann auch das nach eigener Einschätzung stärkste Argument - der Hinweis auf die Reihenfolge der Texte in der Manuskripttradition - das auf ihm ruhende Gewicht nicht tragen. Im neutestamentlichen Bereich wird die These, die in drei großen Majuskelkodizes des vierten (Sinaiticus, Vaticanus) und fünften (Alexandrinus) Jh. auftretenden inneren Reihenfolgen der Teilsammlungen gehe auf eine editorische Entscheidung des zweiten Jahrhunderts zurück, mit Beobachtungen zu insgesamt 21 Manuskripten gestützt, von denen allerdings nur fünf aus der Zeit vor den großen Unzialen stammen. Wiederum nur zwei von diesen fünf Zeugen (P 75 mit der Abfolge Lk-Joh und P 30 mit 1 Thess- 2 Thess) bieten Teilsequenzen, die mit der für die Kanonische Ausgabe angenommenen Reihenfolge zumindest kompatibel sind. Im alttestamentlichen Bereich, der für die Kanonische Ausgabe als gleichermaßen konstitutiv gilt, finden sich - in der bisherigen Diskussion wohl zu wenig beachtet - nicht einmal in den großen Unzialen einheitliche Abfolgen innerhalb der Teilsammlungen - auch dann nicht, wenn man mit insgesamt acht sammlungsgeschichtlichen Untergruppen rechnet. Wenngleich die Argumente für eine prägende Edition der christlichen Bibel im zweiten Jahrhundert deshalb meines Erachtens nicht zu überzeugen vermögen, so setzt diese These doch wichtige und künftig unübergehbare Impulse, denen nur eine noch stärkere Beachtung zu wünschen ist. Zum einen ist dies die nachdrückliche Erinnerung an die Materialität der biblischen Überlieferung. Angesichts der Präsenz großartiger und unverzichtbarer kritischer Editionen kann der Umstand, dass wir das Neue Testament (und die Bibel insgesamt) nur in der Form vielfältiger Manuskripte „besitzen“, leicht in Vergessenheit geraten. Die biblischen Manuskripte sind keineswegs bloßes Rohmaterial, aus dem nur das Eigentliche des auszulegenden Textes zu gewinnen ist, vielmehr kommt ihnen eine eigene historische und theologische Dignität zu, die durch eine Neuausrichtung der Textkritik in den letzten Jahrzehnten wieder verstärkte Beachtung gefunden hat. 147 Zum anderen macht Trobischs Entwurf hinsichtlich des 2 Petr darauf aufmerksam, dass sich in diesem Brief weit mehr als ein bloßer Randtext des Neuen Testaments erkennen lässt. Auf der Basis der wahrgenommenen Vielfalt seiner intertextuellen Verknüpfungen stellt sich nun die Aufgabe, 2 Petr, dessen inten- 147 Vgl. dazu etwa Clivaz, New Testament, 15-18, und zuletzt Kraus, Tribute, 80-82. 88 Wolfgang Grünstäudl sive polemische Prägung eine bleibend schwierige hermeneutische Herausforderung bildet, noch konsequenter als Text des zweiten Jahrhunderts zu lesen, dessen nächste Verwandten 148 sich nicht nur unter den später kanonisch gewordenen neutestamentlichen Schriften befinden. Als ein bemerkenswerter Text, der geschätzt, benutzt und überliefert, jedoch auch bezweifelt und scharf abgelehnt wurde, wird 2 Petr weiterhin die spannende Erforschung der Geschichte des neutestamentlichen Kanons in besonderer Weise begleiten. 148 Zu dieser familialen Begrifflichkeit im Hinblick auf die intertextuellen Beziehungen des 2 Petr vgl. Bauckham, Jud/ 2 Petr, 150, und Ruf, Propheten, 561-604. No Liturgical Need for a Gospel in the Second Century Clemens Leonhard 1 Questions and Presuppositions One of the most important arguments against the assumption that the canonical Gospels were composed in the latter half of the second century (based upon an original text written by a well-known author Marcion of Sinope) would emphasize that the Gospels had already been used in the performance of Christian liturgies. 1 While it may be argued that the weekly meetings of Justin’s group in Rome contained readings of the Gospels, no earlier text even hints at this idea. 2 It may be claimed that these texts were written in order to be read in liturgies. Thus, first century origins of these texts seem to point to first century liturgies where they were read. At the same time such ancient liturgies require the early existence of the Gospels. The mutual confirmation of these two groups of assumptions is not, however, more persuasive than any other bit of circular reasoning. Even though the scarcity of extant data occasionally justifies such arguments, the following paper is designed to show that the history of Christian liturgies does not require the existence of the Gospels in any form or precursor before the later second century. The assumption that there was no need for a Gospel text in the first and early second centuries C.E. does not prove that the Gospels did not exist. However, it prohibits the argument from liturgical use in order to support an early date of the Gospels. 1 Hengel, Evangelien, 95-103 - Kapitel III.4 “Die Sammlung der vier Evangelien beruht nicht auf einer besonderen offiziellen Entscheidung der Kirche, sondern auf dem Gebrauch in den Gottesdiensten” - correctly rejects anachronistic assumptions about a kind of world-wide Christian authority which established a scriptural canon. The fact that one element of this alternative (“offizielle Entscheidung”) is absurd insinuates that the other one should be true. However, the “use” of the Gospels in “the liturgies” of Christian groups in the late first and early second centuries is no less unsubstantiated. Justin is the first one to speak about the reading of the Gospels. Hengel’s claim that the Gospels “besaßen … hervorgehobene Bedeutung” (98) in his liturgy is incorrect. I am grateful to Jan Heilmann for this reference. 2 Basilides neither used the canonical Gospels nor wrote an euangelion containing narratives about - and sayings of - Jesus; Kehlhoffer, Basilides’s Gospel. 90 Clemens Leonhard At the same time, the following paper puts theories to the test that argue for second century origins of the Gospels. While it shows that some developments of Christian liturgies can be explained in this paradigm, it does not support, but presuppose it. This line of reasoning requires, nevertheless, a reversal of the burden of proof. It requires good reasons to claim an e.g. first century reading of Gospel texts in Christian groups. The essay proceeds from two basic assumptions. First, eligible cases must hint at ritualized (formalized, standardized, repeated, etc.) performances of Gospel readings. 3 A ritual use of a text can only be inferred from other sources than the text itself. Second, a ritualized use of texts par excellence is the “Service of the Word” or the “Liturgy of the Word”—modern designations for the sequence of ritual acts preceding the celebration of the Eucharist (as the first part of the mass in the Catholic Church or the Divine Liturgy of the Oriental Churches). The reading of a passage from the Gospels is the point of culmination of the Liturgy of the Word. Such ritualized Gospel readings did/ do not play an important role on other occasions than the Liturgy of the Word, although structures like the Liturgy of the Word were attached to various liturgical performances much later. 4 Thus, the following inquiry will start with the search for Liturgies of the Word (as combined with the celebration of the Eucharist) which contain a proclamation of the Gospel by definition. 2 Celebrations of Liturgies of the Word When (and why) did Christians begin to perform ritualized readings of Gospel texts within liturgies of prayer and Scripture readings? A cursory glance upon the ancient sources allows one to map the development. 2.1 East of Byzantium in the Fifth Century Reinhard Meßner observes that the East Syrian churches of the Sassanian Empire adopted the Western custom to celebrate a Liturgy of the Word as preceding the celebration of Eucharists in the early fifth century. 5 Texts from Eastern synods hint at the fact that Eastern congregations continued to celebrate the Eucharists 3 Cf. Bell, Ritual, 138-169 for the concept of “ritualization”. Allowing for a grey area between liturgical readings and the study of texts one must, nevertheless, try to distinguish between them as typical and different forms of practice with different reasons for its performance. 4 Rouwhorst, Reading, 325 points to an “instruction” as part of a kind of liturgy of the hours in an opaque passage in the Apostolic Tradition. 5 Messner, Synode, esp. 75-77, 84f. Meßner’s lucid explanation is endorsed here except for the notion that the Christian Liturgy of the Word derives from a form of rabbinic Sabbath liturgy, cf. section 5.2 below. 91 No Liturgical Need for a Gospel in the Second Century as (more or less stylized) banquets without preceding Liturgies of the Word. The adoption of the Western custom to add a Liturgy of the Word to every Sunday celebration of the Eucharist and to stop the performance of sympotic Eucharists in houses and apparently also in church buildings led to the dissemination of the Liturgy of the Word East of Byzantium. Gerard Rouwhorst claims that the practice of reading the Holy Scriptures links Judaism and Christianity, because no other community of the ancient world would perform such services. 6 This is indisputably true as long as one understands reading services in terms of highly ritualized performances in Christianity and Judaism as they are attested at the end of late Antiquity. Taken in a broader perspective which comprises also less ritualized activities than Christian and Jewish Liturgies of the Word—activities like study sessions of groups of philosophers—Jewish and Christian liturgies lose this kind of uniqueness. Second century Christian as well as Rabbinic groups were firmly rooted within their cultural environment. Groups like Justin’s (who did not know a Liturgy of the Word in a strict sense) understood themselves as philosophers. They occupied themselves with important texts and composed and extemporized pieces of explanatory rhetoric. Meßner’s analysis is important for the present purpose, because it shows that the connection of the Eucharist with a Liturgy of the Word was not ubiquitous in the first half of the first millennium C.E. Furthermore, reading of texts from the (canonical) Gospels (and apparently not from the Diatessaron etc.) was regarded as a typical if not indispensable component of Liturgies of the Word. 2.2 The Apostolic Constitutions (Late Fourth Century) Somewhat further to the West—from Seleucia-Ctesiphon towards Antioch—the second and eighth books of the Apostolic Constitutions contain obvious attestations of a standardized form of the Eucharist preceded by a Liturgy of the Word. 7 It mentions the reading of “the Law and the Prophets, our [i.e. the Apostles’] Letters, the Acts and the Gospels” 8 by a presbyter or deacon and “Moses, Joshua, Judges, Kings, Chronicles, the Return (from the exile, i.e. Ezra); then the writings of Job and Salomon and the sixteen Prophets” followed by the singing of the “hymns of David”, the Acts of the Apostles, Pauline Letters concluded by the Gospels, whose reading is elevated over the other scriptural texts by different liturgical means; 9 “the Law, the Prophets, and the Gospel” 10 , or “Prophets and 6 Messner, Synode, 78 referring to Rouwhorst, Reading 305f, 326-330. 7 Cf. Messner, Synode, 70, note 44. Regarding the celebration of the ordination of a bishop, cf. Apostolic Constitutions 8.5.11-8.15.10 (Metzger 150-215) and as a description of the Liturgy of the Word: 2.57.5-20 (Metzger 312-319). 8 Apostolic Constitutions 8.5.11 (Metzger 150f). 9 Apostolic Constitutions 2.57.5-9 (Metzger 312-315). 10 Apostolic Constitutions 2.39.6 (Metzger 268f). 92 Clemens Leonhard Gospel” 11 . Each of the readings is followed by the singing of Psalms. A sermon may be added. 12 After the dismissal of the catechumens, 13 the assembly prays. The deacons prepare the gifts and men and women exchange the kiss of peace separately. The deacon pronounces intercessions and the bishop blesses the people. The celebration of the Eucharist follows. These texts assume that the bishop’s church owns a considerable series of books for the performance of the liturgy. They do not address the question how less affluent congregations celebrated Liturgies of the Word. Its representativity is (as often in this genre) debatable. In this system, mostly Old Testament readings precede the reading of the Gospels—the obvious point of culmination of the sequence of proclaimed texts. 2.3 Origen Harald Buchinger observes that Origen “gives no unambiguous testimony for the connection of the celebration of the Eucharist with a Liturgy of the Word” 14 . Nevertheless, circumstantial evidence shows that Origen may already have known this connection as well as the performance of one single Eucharistic prayer over bread and wine following—not preceding—a Liturgy of the Word. It may be inferred from Origen’s extant homilies that Gospel pericopes were read on Sundays and could be preceded by readings from other books. 15 According to Buchinger, “every further reconstruction remains simply a projection of later conditions” 16 . Origen’s church most probably performs a common prayer of all faithful and the kiss of peace before the celebration of the Eucharist. 17 Apart from all uncertainty, Origen seems to presuppose that Eucharistic celebrations were preceded by Liturgies of the Word. If this custom should go back to a kind of first century Christianity, it becomes inexplicable why congregations in the Christian East could have been living for centuries in ignorance of this custom. If Liturgies of the Word containing the reading of Gospel texts should be an innovation of the early third century, one would need to postulate a powerful 11 Apostolic Constitutions 2.59.4 (Metzger 326f). 12 The sermon is called didaskalia, Apostolic Constitutions 2.54.1 (Metzger 304). 13 Catechumens and penitents were blessed by the presider and then supposed to leave the church before the celebration of the Eucharist; Apostolic Constitutions 2.39.6 (Metzger 268f), 2.57.14 (Metzger 316f); 8.6-9 (Metzger 150-167). 14 Buchinger, Eucharist, 211. Buchinger, Eucharist, has been updated and expanded in Buchinger, Eucharistische Praxis, 15. 15 Buchinger, Eucharistische Praxis, 17 observes that it is not evident that Gospels were necessarily among the readings on Sundays. 16 Buchinger, Eucharist, 211; cf. 222. For circumstantial evidence, cf. Buchinger, Eucharistische Praxis, 16f. 17 Buchinger, Eucharist, 212; Buchinger, Eucharistische Praxis, 17f. 93 No Liturgical Need for a Gospel in the Second Century hierarchy that could enforce world-wide liturgical reforms. The reconstruction of such an institution would be anachronistic. However, one may imagine a powerful movement in Early Christianity whose adherents would propagate liturgical customs on their own initiative. The opposition against Marcion could have been such a movement uniting diverse writers without orchestration from an established authority. 2.4 Tertullian At this point, two texts from Tertullian’s oeuvre must be mentioned as it seems that this author is talking about a Liturgy of the Word that precedes the consumption of the Eucharistic meal as the typical form of Christian meeting. 18 In De anima 9, Tertullian mentions visions of a prophetess during dominica sollemnia. 19 The prophetess derives subjects for her prophecy from the readings of scripturae (leguntur), the singing of psalms, or the performance of sermons. The reading of a Gospel text and the Eucharist are not mentioned. 20 The list contains activities at a Christian—in this case, a Montanist—meeting. Even if the list does not testify to a complete repertoire of ritual elements of Christian gatherings, a Gospel reading within a Liturgy of the Word and preceding the Eucharist is nothing but mere conjecture. Similar observations can be collected from Tertullian’s (pre-Montanistic) Apologeticum 39, a chapter that contains a bright description of the Christian Eucharistic meeting against the background of the dark depiction of other groups’ disgusting behavior at meals. Tertullian mentions prayer, the exposition of scriptural texts, and sermons that lead up to ethical topics. This chapter does not describe the reading of scriptures. 21 Tertullian does not, likewise, mention that Gospels are read as part of Eucharistic or non-Eucharistic meetings. He does not, moreover, refer to a ritual link between the meal and a kind of meeting that may be devoted to learning and study. The sequence of liturgical actions does not, 18 Salzmann, Lehren, 387-429, esp. 387-396 refers to Tertullian’s De anima 9 (Waszink 792) and Apologeticum 39 (Dekkers 150-155). 19 Salzmann, Lehren, 388f note 7 argues against Franz Joseph Dölger for an interpretation of this term as celebrations on a Sunday. 20 Salzmann, Lehren, 390, suggests that transactio sollemniorum might refer to the Eucharist. His suggestion that arcane discipline should have prevented Tertullian from mentioning the Eucharist should be treated with great suspicion; cf. the nuanced observations of Buchinger, Eucharistische Praxis, 11-14 regarding Origen and Jacob, Arkandisziplin, 35-117 for an assessment of the concept as a problem of the post-Reformation history of Christian theology. 21 Coimus ad litterarum diuinarum commemorationem … Apologeticum 39.3 (Dekkers 150). Regarding the term commemoratio, Blaise, Dictionnaire, 172 does not refer to any meaning connected with a liturgical reading. 94 Clemens Leonhard furthermore, reflect the structure of any single liturgical performance. The chapter discusses diverse topics in a polemical way. 22 While theological topics would of course be discussed as parts of the table-talk in Tertullian’s congregations, the ritualized performance of scripture readings was not an integral part of Eucharistic celebrations. With these observations, the search for Liturgies of the Word comes to an end. Christians of Tertullian’s time are interested in the Holy Scriptures including the Gospels. 23 Nevertheless, they do not perform Liturgies of the Word connected with the celebration of their Eucharists. Liturgies of the Word apparently emerged only after the demise of sympotic Eucharists—a process that had only begun in Tertullian’s church. 24 Testimonies for early readings of the Gospels locate those readings in Liturgies of the Word. Liturgies of the Word emerge in the third century. This observation does not, of course, silence the question whether there could have been other forms of ritualized Gospel readings. 3 Liturgical Functions of the Gospels in the Gospels and in 1 Corinthians? Going back in the history of Christian liturgies, the typical and technical Liturgy of the Word that contained a reading of the Gospels makes its appearance in the middle of the third century. Christian groups were used to engaging in the reading and exegesis of the Bible before that time. One may thus ask whether or not this activity was an integral component of Christian meals before the sources mention the Gospels as part of Liturgies of the Word. Thus, two passages of the Gospel of Luke and the last chapters of the First Letter to the Corinthians may point to more ancient liturgical needs for Gospel texts than the late fourth century Eucharistic liturgies. 22 Salzmann, Lehren, 393f rejects the idea that Tertullian should refer to two liturgical events here. Nevertheless, he reorganizes the information in order to derive a typical, liturgical sequence from it. Apologeticum 39.16 (Dekkers 152) refers to the Eucharist by means of the term agape. Cf. McGowan, Naming, and McGowan, Rethinking, against notions like Salzmann, Lehren, 405. 23 Salzmann, Lehren, 401, 416-418 points to De praescriptione haereticorum 36.5 (Refoule´ 217) that refers to the Law, the Prophets, the Gospels ( … legem et prophetas cum euangelicis et apostolicis litteris miscet, inde potat fidem … ), and the Apostolic Epistles as sources for the Christian faith in Rome—a passage that does not discuss the liturgical use of the text. Similarly, De oratione 9.1 (Diercks 262f) points to the opposite of public readings. The edicta prophetarum, evangeliorum, apostolorum etc. are said to be hinted at in the text of the Lord’s Prayer. Rouwhorst, Reading, 323 bases his claim that Tertullian’s church performed Liturgies of the Word upon Salzmann, Lehren, 416-418. 24 Cf. Leonhard, salutationes esp. 434-436 for a model which tentatively suggests a reason for the emergence of a Liturgy of the Word as combined with the Eucharist. 95 No Liturgical Need for a Gospel in the Second Century 3.1 Marcion/ Luke 22 and 24 Read as texts from the second century, the Gospel accounts of the Last Supper (especially Luke’s) corroborate these observations. Marcion/ Luke 22 describes Jesus’ last celebration of Pesach as a typical symposium. The account does not have any interest in a historical reconstruction of customs how to celebrate Pesach in Jerusalem in late Second Temple times. It is devoid of anything that points to a first century celebration of a pilgrim festival in Jerusalem. As any etiology, it is created in the image of the celebration that it should furnish with a dignified prehistory. As an etiology for the performance of Eucharists, it is entirely uninterested in Easter. If Eucharistic celebrations should always have been preceded by a liturgy of word, Marcion/ Luke 22 would totally fail in this function. For, Jesus and his disciples enter the room and begin to eat their dinner immediately. There is not the slightest trace of reading or talking about scripture before the meal. In a sympotic event, it befits a host to invite his guests to a learned conversation after the conclusion of the dinner. According to Marcion/ Luke 22, Jesus abides by this rule. 25 They discuss several stereotype topics of the literary repertoire of ancient table-talk. This chapter shows that Christians met for communal meals. They may have read and/ or discussed biblical and exegetical topics after the meal. Sympotic Eucharists could not have been connected with a Liturgy of the Word preceding the meal. The etiology for the Eucharist does not support celebrations preceded by a Liturgy of the Word. Whatever the time of composition of the Gospels, their authors could not yet envisage a celebration like the third/ fourth century combination of a Liturgy of the Word with a Eucharist. Justin’s use of a paraphrase of the institution narratives corroborates this understanding. His group does not celebrate a form of sympotic Eucharist that could claim to derive from Jesus’ institution. For Justin, the institution narrative is only used in order to legitimize the exclusion of people who do not belong to his congregation from the consumption of the Eucharistic elements. 26 Justin is not interested in an etiology for his celebration (which does not fit to the Gospel texts, especially not to Luke) but in a bit of scriptural support for the exclusion of non-members from the participation in the food. 25 Klinghardt, Evangelium, 1019-1036 (Luke 22: 14-34). 26 1 Apololgy 66.1: “And the food is called among us ‘eucharist’, of which it is lawful for no one to partake except … ” 66.3 “ … Taking bread and giving thanks he said … ”, “ … and he shared it with them alone.” Minns/ Parvis, Justin 257 n. 6 (Marcovich, Apologiae, 127f) delete “alone” without any basis in the manuscripts (cf. Marcovich, Apologiae, 128) although they acknowledge that the alleged “gloss” refers back to 66.1. The term “alone” is the culmination point of Justin’s argument. 96 Clemens Leonhard This is corroborated by the observation that Justin could have used an alternative etiology for his celebration: the account of Jesus’ discussion with Emmaus and Cleopas after Jesus’ resurrection (Marcion/ Luke 24: 13-35). Yet, he does not quote this pericope for this purpose. The verse that makes Jesus discuss passages from “Moses and all the Prophets” (Luke 24: 27) is Luke’s expansion of Marcion’s text. 27 The idea that Jesus expounded the Torah and the Prophets in front of the two disciples on their way from Jerusalem and thus before they reclined for dinner did not occur to Marcion. However, Luke was interested in a purely theological, anti-Marcionite argument regarding the integration of Jesus’ life and death into a kind of Old Testament salvation history. Luke did not want to talk about the Eucharist, let alone about a compulsory Liturgy of the Word preceding it. This is borne out by the fact that Marcion/ Luke 24 does not end in a meal. Jesus vanishes and the meeting is disrupted completely before the beginning of a meal. Neither for Marcion nor for Luke is the story of Emmaus and Cleopas an etiology for the structure or the meaning of the Eucharist. Marcionite/ Lukan descriptions of the Last Supper and the conversation of Jesus with the two disciples on their way from Jerusalem show that a Liturgy of the Word was just not imaginable, let alone regarded as a constitutive element of the Eucharist. However stylized, the Eucharist is a kind of meal. It could have been followed by sympotic table-talk (Marcion/ Luke) or preceded by the study session of a group of philosophers (Justin, see below). Neither a Liturgy of the Word, nor a philosophic study session, nor a (perhaps archaizing) bit of standardized table-talk was regarded as an indispensable constituent of a Eucharist. 3.2 Luke (not Marcion) 4: 16‒22 In the same way as the author of Luke’s Gospel corrected the story of Jesus’ meeting with Emmaus and Cleopas, he also added Jesus’ reading and exegesis in the Synagogue of Nazareth as an argument against Marcion. 28 Jesus reads and expounds a passage from the Old Testament prophets. There is no hint to a meal following the service in Nazareth. In a similar way as Justin wanted the Emperor to understand his own group, Luke depicts Jesus as a teacher who expounds a passage of what should be regarded as Holy Scripture. He explains its importance and meaning for the listeners. There is no reason to doubt that certain Jewish 27 Klinghardt, Evangelium, 1131-1147 esp. 1142 no. 7. Justin hints at the verse in 1 Apology 50.12 (Minns/ Parvis, Justin, 208f; Marcovich, Apologiae, 102); Dialogue 53.5 (Marcovich, Dialogus, 158) and Dialogue 106 (Marcovich, Dialogus, 252). 28 The absence of a reading from the Torah emphasizes Luke’s lack of interest in Jewish practice. The pericope tells the story of a performance of a ritual in order to communicate a theological (anti-Marcionite) position. Cf. Klinghardt, Evangelium, 464-472 esp. 466 no. 2. 97 No Liturgical Need for a Gospel in the Second Century groups met for the reading and discussion of the Hebrew Bible in the first and second centuries C.E. (see below). Elements of a rabbinic Sabbath morning liturgy can be read into the background of this very brief text, not out of it. The claim that the text should reveal a faint inkling of rabbinic celebrations of Torah reading becomes more plausible, if Luke 4: 16-22 originated in the second half of the second century. 3.3 1 Corinthians 11‒14 Matthias Klinghardt has shown that 1 Cor 11-14 is a literary unit that also represents a sequence of ritual acts that was immediately comprehensible as a Greek or Roman banquet. The chapters 12-14 collect rules and allude to literary conventions about proper table talk. 29 Thus, the structure of the Christian meeting according the First Letter to the Corinthians does not only rule out that a Liturgy of the Word should have been performed before the meal. It also shows that a kind of reading of a Gospel text (that would have been composed after this letter) did not have a logical slot in this event—neither after nor before the meal. For the time being, it is the most important structural lesson that must be learned from Paul’s letter that reading texts, learned discussions, and other forms of table-talk would take place after the meal rather than preceding it. The letter collects rules for the proper behavior at Christian banquets along the course of a sympotic celebration. Although any kind of text could be read, recited, sung, proclaimed, etc. in Christian meetings, none of them contains a ritual slot that requires or just favors Gospel texts. 4 A Liturgy of the Word in Justin’s Congregation? The preceding discussion led to the conclusion that Gospels were not needed for Christian liturgies for roughly a century after the destruction of the Second Temple—a date that is often associated with the time of composition of the Gospels. 30 In the course of this argument, one author had been passed over: Justin, the Philosopher 31 and Martyr. This omission requires rectification, because the description of the Eucharist in Justin’s First Apology appears to prefigure the structure of the medieval mass: a Liturgy of the Word followed by the celebration of the Eucharist. 29 Cf. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, § 13; e. g. 345. Salzmann depicts the ritual structure of the Christian gathering according to 1 Corinthians as precursor of the mass. 30 Cf. Vinzent, Marcion, 159-214 (chapter 2). 31 Cf. Minns/ Parvis, Justin, 33, 59f, 70. 98 Clemens Leonhard 4.1 Philosophers Reading Texts Justin’s group is convened weekly, on the “Days of Helios”. 32 At their meetings, someone reads the “memorabilia of the Apostles (apomne¯moneumata to¯n apostolo¯n) or the writings of the prophets (syngrammata to¯n prophe¯to¯n) as long as possible” 33 . After that, the presider “makes a verbal admonition and stimulation for the imitation of these good things” 34 . The whole congregation rises and prays. The celebration of the Eucharist follows. 35 Like other groups of this epoch, 36 Justin’s community did not regard this kind of scripture study as compulsory component of Eucharistic celebrations. The group also performed the Eucharist right after a baptism. 37 According to the Acts of his Martyrdom, Justin denies knowing any other Christian group in Rome except for his own (which is obviously wrong). 38 The ancient editors of a younger recension of the Acts expanded the significance of Justin’s testimony making it a statement about all Christians of Rome (which is no less absurd). 39 Justin depicts his group as philosophers, open to outsiders and 32 1 Apology 67.3, 8 (Minns/ Parvis, Justin, 258-263; Marcovich, Apologiae, 129). 33 1 Apology 67.4 (Minns/ Parvis, Justin, 258; Marcovich, Apologiae, 129). The “reader” is not referred to with a term suggesting an established office: “the reading one”, anagino¯sko¯n. The audible reading is a scholastic and/ or liturgical procedure, necessary for the common work of the group. A single reader would read silently; Slusser, Reading; Gavrilov, Techniques; Buryeat, Postscript. Regarding the establishment of offices, Justin’s “presider” is the head of the philosophic school; cf. Brent, Diogenes Laertius, 370f. 34 1 Apology 67.4 (Minns/ Parvis, Justin, 258; Marcovich, Apologiae, 129). Note 4 (Minns/ Parvis, Justin, 259-261) calls attention to a problem of reference in the text which is irrelevant here; cf. note 22 for agape¯ and Vegge, Paulus, 191, 230ff, 274-278 for ethics as the major aim of philosophic education and rhetoric. 35 1 Apology 67.5 Minns/ Parvis, Justin, 260-261; Marcovich, Apologiae, 129. 36 Cf. Didache 9f (Wengst, Didache, 78-83). Texts like the Acts of Judas Thomas also describe Eucharists without Liturgy of the Word. Thomas blesses and distributes only bread or the text refers to a cup without mentioning its contents: 27 (Bonnet, Acta Philippi, 143); 29 (146), 49f (165-167), 120f (230f), 133 (240), 158 (268f). The Eucharists follow baptisms in this narrative except for chapter 29. In that case, the Apostle delivers a sermon before the Eucharist, in which he does not partake, because he was fasting before the dawn of the kyriake¯. There is no trace of a text to be read. The Eucharistic breakfast on the kyriake¯ at the end of ch. 29 is neither connected to baptism nor to any trace of a Liturgy of the Word. 37 1 Apology 65.3 (Minns/ Parvis, Justin, 252-255; Marcovich, Apologiae, 125f). 38 Snyder, Bath, 361. Looking for reliable information about Justin in the Martyrs’ Acts is not without problems; cf. Ulrich, Justin’s School, 64. 39 Recension C (2.4f [Musurillo, Acts, 56f]) abolishes the textual distinction between Roman Christianity and Justin’s group making Justin speak about all Christians of Rome. Recensions A and B of the Martyrium indicate that Justin only speaks about his group of disciples; cf. Salzmann, Lehren, 274. Not all Roman Christians followed this one philosopher’s approach (and would not have fitted into his room); cf. Bradshaw, Origins, 63f. 99 No Liturgical Need for a Gospel in the Second Century generous to members who did not participate in the meetings. The group reads texts, because philosophers are interested in texts. 40 4.2 The Memorabilia of the Apostles Justin’s congregation reads “the memorabilia (apomne¯moneumata) of the apostles or the writings of the prophets”. 41 The latter group of texts seems to comprise parts of the Hebrew Bible besides other material like the books of Hystaspes and the Sibyl. 42 Tatian mentions that those books laid the foundation for his own conversion to Christianity. 43 He had been “convinced” of their truth. This ter- 40 Cf. note 3 above. Bradshaw, Origins, 70 refers to Philo’s Hypothetica/ Apology 7.12f (Colson, Philo, 430-433; apud Eusebius) describing the study of Scripture on the Sabbath as going on until the afternoon. A similar situation should be envisaged for Justin—not because Justin inherited some Jewish custom, but because Philo and Justin present their respective congregations as a similar type of group. Ulrich, Justin’s School; Georges, Justin’s School; Aragione, Justin, 52-55; Markschies, Lehrer; and Brent, Diogenes Laertius, 370f describe the character of Justin’s group as philosophers. Cf. also Vegge, Paulus, 112-117, 191-194 (and 65f as well as Barnes, Philosophers; and Georges, Justin’s School, 79 for women philosophers); Hahn, Philosoph for a general social context (esp. 67-99); and Löhr, Christianity, esp. 166, 174; Hadot, Unterrichtsbetrieb, 56, 63-68 for pagan customs of studies along lists of required readings. Abramowski, Erinnerungen, 346 suggests that Justin chose apomne¯moneumata which means “daß darin des Meisters der Philosophie schlechthin, nämlich Christi, gedacht wird“. Ulrich, Justin’s School, 66 observes that Justin uses the term didaskalos for Christ only. Cf. Levine, Synagogue, 90 for a general assessment of the historical realities behind Philo’s description of Alexandrian Jewry as groups of philosophers: “ … Philo’s emphasis is too unique and extreme: he alone calls the synagogue a didaskaleion. To assume that ordinary Jews would be interested in such intensive study sessions or would be willing to stay in the synagogue for much of the Sabbath day flies in the face of all we know of human nature and Jewish practice de facto.” While several elements of Jewish groups as philosophers are acceptable, they must not be generalized. 41 Justin speaks about apomne¯moneumata only in two passages within his oeuvre. Abramowski, Erinnerungen 341-344 claims that Dial. 100-107 (Marcovich, Dialogus, 241-254) had been written earlier and incorporated into the final form of the Dialogue (as an explanation why the term apomne¯moneumata only occurs in this section of the Dialogue). She summarizes the history of research (344f) that explored ways to understand Justin’s choice of this term in its ancient literary context; cf. the follow-up survey: Aragione, Justin 45f. 42 1 Apology 20.1 (Minns/ Parvis, Justin 130f; Marcovich, Apologiae, 62); 44.12 (Minns/ Parvis, Justin, 196f; Marcovich, Apologiae, 95). Clement of Alexandria (Stromateis 6.5/ 43.1 [Descourtieu, Cle´ment d’Alexandrie, 146-149]) also refers to the Sibyl and Hystaspes as belonging to the “prophets”. 43 Even if it is not certain that Tatian was Justin’s student, Trelenberg shows that he used Justin’s works, Oratio 195-203. Tatian, Oratio 29.2 (Trelenberg, Tatian, 160f; cf. 200 for the parallel to Justin) characterizes these writings as barbarikos. God should have taught Tatian through those pagan books, which brought about his conversion to Christianity. Note Hahn, Philosoph, 50-60 for the idea of a “conversion” (metabole¯) to philosophy. The book 100 Clemens Leonhard minology echoes one of Justin’s elements of the definition of a Christian. One must be “convinced” of the community’s teachings. 44 The study of the Sibyl, the Old Testament prophets, and the ancient philosophers support the community’s identity. Christian authors use the term apomne¯moneumata infrequently for writings about famous persons. Thus Origen refers to apomne¯moneumata of (i.e. “about”) Apollonios of Tyana. 45 The work was written by a “philosopher” not a Christian. For Origen, it is reliable, because it tells a story that is embarrassing for philosophers. It speaks about a philosopher who falls prey to the witchcraft of Apollonius. Kelsos had claimed that philosophers should be immune against the lures of wizardry. In an exegetical catena fragment, Apollinaris of Laodicea (died ca. 392) expounds John 20: 30. According to Apollinaris “John also teaches us, why he deemed the apomne¯moneumata of Christ’s (earthly) presence worthy of being written down; (viz.) that they (are recorded for) the greatest benefit of their readers … ”. 46 Apomne¯moneumata are stories about Christ contained within the (canonical) fourth Gospel. The “memorabilia” of the Apostles and the Prophets are the foundation of Justin’s belief of the cosmic function of the Logos. The term is vague enough in order to require Justin to explain it—apomne¯moneumata, the “so-called Gospel(s)”. 47 He prefers the term apomne¯moneumata over the term “Gospel” (euangelion/ euangelia). The term euangelion could still have been tainted by the fact that Marcion had been the first one to adopt this term as a designation for a—i.e. his—Gospel. Justin paraphrases the story of Heracles at the crossroads from Xenophon’s Apomne¯moneumata of Socrates in the Second Apology. 48 He refers to this source as “that Xenophontic one (Xenopho¯nteion)”—apparently “(that) book” (Minns and of Hystaspes and the Sibyl are also mentioned by Lactantius, Divinae Institutiones 7.15.18f (Freund, Laktanz, 156f) and 7.18.1f F. 164f “prophetae and vates have foretold … For, Hystaspes … says”; (cf. Freund, Laktanz, 53-69, 440-444, 480-484). 44 1 Apology 61.2 (Minns/ Parvis, Justin, 236-239; Marcovich, Apologiae, 118); 65.1 (Minns/ Parvis, Justin, 252f; Marcovich, Apologiae, 125). Cf. Ulrich, Justin’s School, 67. 45 Contra Celsum 6.41 (Borret, Orige`ne, 147, 276f); cf. Aragione, Justin, 48. The function of the genitive (“of” versus “about”) has been discussed repeatedly; cf. Abramowski, Erinnerungen, 347f. In the same work; 7.54 (Borret 150, 140-143.1f), Origen rebuts Kelsos for his inability to produce apomne¯moneumata of sayings of Heracles. 46 Reuss, Johannes-Kommentare, no. 154.9f, p. 62. 47 1 Apololgy 33.5 (Minns/ Parvis, Justin, 172f; Marcovich, Apologiae, 80). 48 2 Apology 11.2-5 (Minns/ Parvis, Justin, 314-317; Marcovich, Apologiae, 153); cf. Xenophon’s Memorabilia of Socrates 2.1.21-33 (Marchant/ Todd/ Henderson, Xenophon, 94-103). Aragione, L’Episodio, studies the parallel passages and their differences in their respective contexts. 101 No Liturgical Need for a Gospel in the Second Century Parvis: “story”). Xenophon did not name his book Apomne¯moneumata. Nevertheless, it seems to have been known under this designation already in Justin’s time. The term apomne¯moneumata is appropriate for the subject that Justin wants to refer to and for the persons who should understand this designation. 49 Gabriella Aragione admits that many of the attestations of the term as designations for books come from florilegia like Diogenes Laertius which postdate Justin’s time, 50 even though she assumes that it may have been in use already in the second century. 51 Regarding Old Testament texts, Justin was able to refer to “the Prophets” or to Moses who enjoyed a reputation of honor and seriosity among Justin’s fellow philosophers. 52 However, he had to appeal to other concepts with regard to the Gospels. Justin neither invented nor liked the term “Gospel”, 53 although he knew its positive connotations. 54 His readers could be expected to understand this designation. The apomne¯moneumata are not, apparently, congruent with material that is extant in the four canonical Gospels. 55 The term refers to a genre of contents (viz. memorable stories about—and sayings of—Jesus), not to a certain text. Justin’s mixed quotations may also point to the use of a Gospel harmony, which may point to the existence of the canonical Gospels as well as Marcion’s. 56 As the Gospels were brand-new texts in Justin’s time, so was the total lack of conventions to use them in a typically Christian way. Justin’s group did not perform reading sessions that were standardized or ritualized beyond what was 49 Justin uses a designation for a kind of philosophical text that other non-Christian compilers of literary texts would also use for similar texts. Philosophers like Valerius Harpocration, Aelius Theon (cf. Aragione, Justin, 47f), Plutarch, Diogenes Laertius, and Athenaeus are mentioned. 50 Aragione, Justin, 48f. 51 Aragione, Justin, 50 quotes Diodorus Siculus, Bibliotheca historica 33.7.7 (Walton, Diodorus, 12 [24f]), who suggested a definition: “and when a thing is stated simply, briefly, and without frills, the speaker is credited with a pointed saying, while the hearer has something to remember (apomne¯moneuma)”. She also observes (50f) that Justin (1 Apology 14-17 [Minns/ Parvis, Justin, 110-121; Marcovich, Apologiae, 52-58]) characterizes a list of Jesus’ sayings in the same way as Plutarch speaks about Cato’s and Lycurgus’ apomne¯moneumata. 52 Aragione, Justin, 55. 53 1 Apology 66.3 (Minns/ Parvis, Justin, 256f; Marcovich, Apologiae, 128) “the so-called Gospels”; cf. Vinzent, Marcion, 37f. 54 Dialogue 12.2 (pto¯choi euangelizontai Marcovich, Dialogus, 90); Vinzent, Marcion, 37f. After the recent re-evaluation of the role of Marcion’s Gospel in the literary history of Christianity, the singular may point to that book, to a Gospel harmony, to Paul’s idea about Jesus’ good tidings, and to Justin’s abstraction. 55 Cf. Vinzent, Marcion, 36f. 56 Vinzent, Marcion, 37. 102 Clemens Leonhard normal for groups of philosophers. There was neither a yearly cycle of festivals, 57 nor a well-established catechetical corpus that insiders of the group could be expected to have mastered. Justin’s designation for these texts, their use in the meetings of his group, and the fact that he does not quote a single line verbatim would be absurd, if these four books had already been the undisputed basis of the Christians’ identity and liturgy for roughly a century. Justin’s group read and discussed Gospel material among other texts because they were interesting, new, and controversial. However, they chose the reading material for similar reasons that may have led to the establishment of the Liturgy of the Word later. Old Testament Prophets and canonical Gospels establish and proclaim an anti- Marcionite stance. 5 Celebrations of Torah in Judaism If the Christian custom to read the Gospels in formalized meetings should emulate rabbinic celebrations of Torah reading, one may construct Christian Liturgies of the Word as created in opposition to their Jewish parallels. In that case, one may wonder what it means that the Gospel does not seem to replace the Torah or why the reading of the Gospel was furnished with special authority by its assignment to certain members of the clergy, if it should have been regarded as inferior to a preceding Old Testament reading. 5.1 Paragons of Jewish Philosophers: Therapeutai and Therapeutrides Philo claims that Therapeutai and Therapeutrides can be found everywhere in the ancient world, but especially near Alexandria and in a place above the Mareotic Lake living in solitary, detached houses (which they never leave throughout six days of the week). 58 Regarding books, they only possess “laws, oracles 57 E.g. Justin, Dialogue 8.4 (Marcovich, Dialogus, 85), 10.3 (87), 18.2f (99f), 23.3 (108), 43.1 (140). 58 Philo, De Vita Contemplativa 30-39 (Cohn/ Reiter, Opera 6, 476f; Colson, Philo, 130-137); for the dissemination and abode of the alleged group 21f (Cohn/ Reiter, Opera 6, 474; Colson, Philo, 124f). Engberg-Pedersen, Philo’s De Vita Contemplativa remarks: “whether there were people a little bit like Philo’s therapeutai or not does not seem to matter much”, 48. Ebner, Mahl suggests that the description of the Therapeutai and Therapeutrides actually aims at an ideal image of Judaism (according to Philo’s understanding). There is no reason to assume that Philo’s story about this ascetic group should be a more realistic description of actual fact than the depraved and repulsive meal customs in chapter 40-63 (Cohn/ Reiter, Opera 6, 477-481; Colson, Philo, 136-150) should be typical for the “symposia of the others (to¯n allo¯n)” (ch. 40), held “everywhere” (ch. 48), or for the “symposia (held) in Greece” that brazenly display luxury and decadence (ch. 57-63 including Plato and Xenophon). During some of those debased meetings, the symposiasts are said to bite off parts of their fellows’ bodies, ready for cannibalism (40) and murder (43). Van 103 No Liturgical Need for a Gospel in the Second Century (delivered) through the prophets, hymns” as well as other material that is useful for knowledge and piety. 59 They read the Holy Scriptures and “have also writings (syngrammata) of men of old, the founders of their way of thinking, who left many memorials (mne¯meia 60 ) of the form used in allegorical interpretation … ” 61 . This group is Philo’s allegory for ideal congregations of Jews. They meet on the seventh day of the week in order to listen to a discourse of the (male) senior scholar among them. Every fiftieth day, they celebrate a festival, beginning with prayer, then reclining for a banquet, first listening to an exegetical speech concluded with hymn-singing. After a frugal meal of bread (seasoned with some hyssop) and water, they hold a vigil of singing and dancing. 62 Philo’s Jews-asphilosophers do not read any text at their gatherings. This group is fictional in a narrow sense (of real persons living near the Mareotic sea and everywhere around the Mediterranean). The properties that they share with Justin’s group are not due to a Judeo-Christian tradition. Such similarities are due to the fact that both Justin and Philo present their own groups as philosophers—like other Greeks and Romans with similar interests. 5.2 Ritualization of Rabbinic Study Sessions An inscription of the early first century C.E. from Jerusalem mentions a synagogue built for the “reading of the Law and the teaching of the commandments” and adds that the donor, Theodotos, also built “the guest room, the chambers, and the water fittings, as an inn for those in need from foreign parts … ”. 63 Torah reading is thus established as an activity of Diaspora groups and mentioned by a priest. 64 As the corpus of rabbinic texts does not yield reliable information for this der Horst, Chaeremon fragment 10 (16-22, 56-61 apud Porphyry) remarks that Philo describes the Therapeutai and Therapeutrides in a very similar way as the Alexandrian priest Chaeremon (died before 96 C.E. in Rome) depicts groups of Egyptian priests: “both authors [i.e. Chaeremon and Philo] largely draw on a traditional vocabulary designed to describe the ideal way of life of a community of philosophizing saints”, 56. 59 Philo, De Vita Contemplativa 25 (Cohn/ Reiter, Opera 6, 475; Colson, Philo,126). 60 The term is only used here in Philo’s De Vita Contemplativa. Several of these points can be compared to information in the last chapters of Justin’s First Apology; cf. Engberg-Pedersen, De Vita Contemplativa, esp. 56. 61 Philo, De Vita Contemplativa 28f (Cohn/ Reiter, Opera 6, 475; Colson, Philo, 128f). 62 Philo, De Vita Contemplativ 64-89 (Cohn/ Reiter, Opera 6, 481-486; Colson, Philo, 150-169). 63 Kloppenborg Verbin, Dating shows that a post-destruction date for this inscription is untenable; translation: p. 244. Rouwhorst, Reading, 319f suggests on the basis of Acts 15: 21 that Jewish Christian congregations used to read (in whichever way) the Torah in their synagogues. If Acts was written in Rome after the Gospel of Luke (and hence in the latter part of the second century), Acts either reflects a plausible perspective upon Jewish philosophic circles or a desideratum for anti-Marcionite Christian practice. 64 Cf. Stemberger, Öffentlichkeit, esp. 32f. 104 Clemens Leonhard epoch, the shape of actual performances of Torah reading that could have influenced Christians of Justin’s time, cannot be recovered. Intellectuals such as Rabbis, Justin’s Christian group, Pythagorean philosophers, and other groups studied and expounded texts. The typically rabbinic performance of Torah reading developed at the same time as the emergence of Christianity. 65 Thus, the Tannaim study the sacrificial laws that prescribe the sacrifices on the festival days when these sacrifices were offered in the Temple. 66 This practice of anamnetic reading was not or not only motivated by an interest in the understanding of texts. It enabled the rabbis to perform a sacred obligation. 67 Rabbinic services of Torah reading neither provide a structural model for the Christian sequence of a Liturgy of the Word followed by the Eucharist (or the other way round) nor for the internal staging of a hierarchy of importance between different corpora of texts. There is no reason to assume any interdependence between the development of the typically Christian and rabbinic ritualization of the reading of sacred texts. Serious studies cannot reach firmer conclusions than “It is not unreasonable to assume some historical relationship … ” between the rabbinic Sabbath morning liturgy and analogous performances in Christianity. 68 5.3 The Gospels and the Haggadah of Pesach It has been claimed that the Gospels or the Passion Narratives should have been written in order to be read or recited during (Proto-/ Judaeo-) Christian celebrations of the Pascha as a replacement of the Haggadah of Pesach. The Haggadah is not, however, a literary genre, but a single text. It is first attested in the tenth century. The conclusion of the central rabbinic textual corpora provides a terminus post quem for the composition of the oldest recensions of the Haggadah. 69 65 Stemberger, Öffentlichkeit, 35f suggests the end of the Bar Kokhba revolt as a terminus post quem for the emergence of the rabbinic ritualization of Torah reading as noted in the tannaitic texts. Schiffman, Early History would refer to a slightly higher age (before 70 C.E.) for customs Torah reading as widespread among Jews. Schiffman regards possibly normative utterances and idealized descriptions by Josephus as reflecting mundane reality. If the New Testament passages (in Luke 4 and Acts 13; 15) originated in later second century Rome, their value for the reconstruction of first century Palestine is negligible. Cf. Mandel, Scriptural Exegesis for a critical assessment of reconstructed readings and the “exegesis” of the Torah in the works of Josephus (and Philo). 66 Mandel, Scriptural Exegesis, 28, note 46 emphasizes the study of the laws pertaining to the rabbinic festivals (mMeg 3.4-5) as reflecting an emphasis of the tradition on the discussion and teaching of laws much more than upon the proclamation of the text of the Torah. 67 Langer, Study describes important elements of this change attested in the Talmud Yerushalmi. 68 Rouwhorst, Reading, 323. 69 Cf. Leonhard, Jewish Pesach, 73-118 for the provenance of the Haggadah and its historical and literary context. 105 No Liturgical Need for a Gospel in the Second Century The Gospels already circulated for half a Millennium before the Haggadah was conceived. Christian groups started to celebrate the Pascha—perhaps as an anti- Pesach—around the middle of the second century. 6 Conclusions In search of liturgical Gospel readings as part of a Liturgy of the Word, first traces emerge in the third century. The custom is well established at the end of the fourth century. The assessment of predecessors of this practice requires a distinction between testimonies for interests of groups in these texts and a ritualized performance of readings. The mere existence of the texts proves that they were read. It does not point to communal, let alone ritualized readings. Origen’s testimony points to a much less standardized situation than it can be reconstructed for sources of the later fourth century. Tertullian discusses scriptural texts at meetings of his Christian group. He does not yet know a Liturgy of the Word. Justin’s session of philosophical studies preceding the Eucharist on the Days of Helios is the only possible predecessor of both the Liturgy of the Word and any communal study of Gospel material. However, the claim that Gospel readings began in the latter part of the second century cannot only be based on this argumentum e silentio, because the late first and early second centuries are notoriously undocumented in the history of Christianity. Further arguments are required. Justin’s meetings on the Days of Helios are at most remote prototypes of Liturgies of the Word. As leader of a group of philosophers and as a staunch anti- Marcionite, Justin reacted quickly to the newest trends in Christianity. He put the correct versions of the new compositions as well as other texts that supported his approach (apparently Old Testament texts) on the reading list of his group. Justin’s brand of Christianity vanished with the demise of Christian groups organized as circles of philosophers. 70 Even if the practice to study and discuss texts independent of one’s sympotic table-talk was neither liturgical nor typically Jewish or Christian, the sudden emergence of Gospel material together with (Old Testament) Prophets cannot be attributed to the novelty of this literature, let alone to a kind of ecclesiastical authority. The choice of texts manifests Justin’s opposition against Marcion. Second century additions to Marcion’s Gospel (cf. Luke 4: 16-22; 24: 27) and Justin’s reading assignment of “prophets” point into the same direction. Anti-Marcionism is not a re-alignment of Christian and Jewish customs, but an innovative elevation of the role played by the Old Testament in Christianity. 70 Cf. Löhr, Christianity, 184-188. 106 Clemens Leonhard This is borne out by the observation that the emergence of the Christian Liturgy of the Word is not dependent upon the ritualization of the rabbinic services of Torah reading and prayer. The developments of both Christian and rabbinic traditions follow different lines and interests. The remote parallels between rabbinic and Christian approaches to the reading of texts (either in literary fiction or in actual practice of groups) are due to their common roots within the Greek and Roman ways of living and studying as philosophers. The supposition that Christian groups adopted or inherited Jewish Diaspora customs of reading and studying Torah does not moreover explain the later prominence of the Gospels in Christian liturgies. Even if the Gospels should have been written in the late first century, there was just no Christian liturgy in which they played an essential role. Sympotic meetings of Christians provided a framework for discussions of all kinds of texts and topics. They do not require Gospel texts like the later Liturgies of the Word. It is still not evident for Origen that Gospel readings were indispensable. Justin’s group does not perform Liturgies of the Word in their third and fourth century shape and function. Therefore, it is not more than a tentative suggestion that these later Liturgies of the Word took their shape independent of Justin but because of the same reasons. Ephrem the Syrian still wrote tractates against Macion (and others). Opposition against Marcion thus united churches which diverged in other questions. Justin’s choice of texts reveals the same motivation as later designs of liturgies without being their precursor. In later epochs, an obligatory Liturgy of the Word came to stage the sanctity of the canonical Gospels as well as their superiority over other texts. Readings of Old Testament texts supported the same case. The performance of Liturgies of the Word and its ritualized emphasis on the Gospels thus emerged in order to shape and express Christian identity and orthodoxy as Anti-Marcionite. Apart from these only tentative suggestions, the origins of the Gospels must be reconstructed based on historical and textual data. Gospel texts emerge in the middle of the second century as reading material of a group of intellectuals/ philosophers (Justin). A century later, their reading is attested in the first traces of a Liturgy of the Word preceding the celebration of the Eucharist. The history of Christian liturgies does not require a date of origins for the Gospels before Justin. Even that time—as well as several decades after Justin’s death—Christianity did not practice any type of liturgy that required Gospel readings. Christian Manuscripts from Egypt to the Times of Constantine 1 Willy Clarysse, Pasquale Orsini 1 Our study of Christian book production before Christianity was officially recognised by Constantine includes the third and early fourth centuries, because in our opinion only a handful of papyri can be attributed to the second century, the theme of this conference. Luxury books like the codices Vaticanus, Alexandrinus or Sinaiticus clearly belong to the period of the victorious church (after AD 324). Our interest is in the preceding period. The present study is an extension of our project on New Testament manuscripts published in the Leuven Ephemerides in 2012. 2 There we opposed the early datings of several papyri proposed by some New Testament scholars, who intruded upon the field of palaeography. We presented a survey of the New Testament papyri there, studied from a palaeographer’s point of view. On the whole, our datings are not so different from those in Nestle-Aland, but they have the advantage of being studied from a single point of view, and being compared to all contemporary papyrus texts, not only to Biblical texts. For the present occasion, we have added Old Testament papyri and church fathers. Our presentation is the result of a collaboration between a papyrologist, mainly a documentary papyrologist with an interest in book production (LDAB) and a Greek palaeographer, also interested in literary papyri. Because our starting points are different, there were several occasions where agreement was not selfevident. Since the NT papyri were dealt with in our 2012 article, our main task was checking the dates of the papyri outside the NT. This is now possible for over 90% of the published texts, thanks to photographs in the editions and online. We ended up with a database of 190 texts, where a date before AD 325 is probable. Identification of the types of handwriting often allows a more precise dating than 1 Willy Clarysse wrote sections 1 and 3, and Pasquale Orsini section 2, but the authors share responsibility for the work as a whole. 2 Orsini/ Clarysse, Manuscripts. 108 Willy Clarysse, Pasquale Orsini that found in Rahlfs, Nestle-Aland or in the Leuven Database of Ancient Books (LDAB) 3 . We have never dated closer than 50 years, i.e. two generations. This ongoing work has been mainly the task of Orsini and will result in a list of early Christian manuscripts, which will be incorporated into the LDAB and which we hope to publish in BETL later on. 4 We have excluded: · texts dated to the fourth century in general by the editors and later scholars. The overwhelming majority of these are post-Constantinian, but we may have missed a few items here belonging to the early fourth century, when no photographs were available online or in the printed editions. · Jewish texts, e.g. Old Testament texts with tetragrammaton, such as P. Oxy. 77 5101 (TM 140 272; Psalms; AD 50-150); we also consider P. Oxy. 65 4443 (TM 61923; Esther; AD 50-150) as Jewish. · Coptic texts: again, most may be post-Constantinian. 5 The only fixed points for our datings derive from the archival context and from contents of the texts. Two early groups of books predominate in our material: the Bodmer and the Chester Beatty codices. They were both bought in Middle Egypt in the 1950s, and it has even been suggested that they constitute the remnants of a single collection. 6 But in our opinion these libraries were a diverse set, with some older and some newer books, and so the library context is only of limited help in this case. In the main, therefore, datings of biblical manuscripts are based on palaeography. For the criteria, we refer to our previous article. 7 The palaeographic categories (stylistic class, style, canon), although certainly “anachronistic” (ancient scribes wrote without knowing these principles), are useful from a heuristic point of view. 3 Rahlfs-Fränkel, Verzeichnis der griechischen Handschriften des Alten Testaments, 2004; Nestle-Aland: http: / / ntvmr.uni-muenster.de/ liste; LDAB : http: / / www.trismegistos.org/ ldab. 4 The work is not yet finished as we are still looking for photographs of several papyri. The final publication may change some of our figures, but not the general picture. 5 Bagnall, Egypt in Late Antiquity, 256: “The widespread use of Coptic, for both sacred literature and letters, can be identified within a decade or so of Constantine’s acquisition of Egypt after the defeat of Licinius in 324.” 6 For a clear survey of the fourth century Christian libraries (with a list of all books in appendix), see now Fournet, Anatomie. For palaeographic aspects of the Bodmer papyri see Orsini, Papiri Bodmer. 7 Cf. Orsini/ Clarysse, Manuscripts, 447-449. 109 Christian Manuscripts from Egypt to the Times of Constantine 2 The results of our previous investigation of ancient manuscripts of the New Testament can be summarized as follows 8 : A. The graphic outline is articulated in six areas: 1. “Severe style”, including the transitional phase leading to the upright and sloping pointed majuscule; 2. Round chancery script, which leads to the “Alexandrian stylistic class”; 3. Canonized majuscules (for the manuscripts studied here, only the biblical majuscule and “round majuscule” enter into this category); 4. Semi-formal majuscules (influenced by the round majuscule and generic round scripts); 5. “Alexandrian chancery script of Subatianus Aquila”; 6. Cursive and informal documentary writings. B. There are no first century New Testament papyri and only very few can be attributed to the second century (three papyri, probably all written in the second half of the century 9 or somewhere between the late second and early third centuries (four manuscripts). 10 These conclusions remain valid despite a few minor additions and corrections to our corpus. Our survey of the different scripts documented in our corpus of manuscripts, now including Old Testament texts and other Christian texts (apocrypha, theology, liturgy, magic, Shepherd of Hermas) is presented in the following table. OT Mss NT Mss Others Total Alexandrian stylistic class 25 20 11 56 Severe style 5 16 16 37 - upright 2 0 0 - sloping 3 16 16 Documentary and cursive script 12 7 13 32 Transition from Severe style to pointed majuscule 5 5 7 17 - sloping 3 4 4 - upright 2 1 3 Formal round 5 2 6 13 Biblical majuscule 4 6 1 11 “Round majuscule” 11 3 1 4 8 8 Cf. Orsini/ Clarysse, Manuscripts, 460-461, 466. 9 P 52 , P 90 , P 104 . 10 P 30 , P 64+67+4 , 0171, 0212. 11 Also known as “Roman uncial” (see G. Cavallo, Il calamo e il papiro, 151-161) and classified in the first group of the “formal round” (cf. Turner/ Parsons, Greek Manuscripts, 21). 110 Willy Clarysse, Pasquale Orsini OT Mss NT Mss Others Total Chancery scripts 2 6 0 8 - Chancery script of Subatianus Aquila 1 3 0 Informal bookhands 5 0 3 8 Mixed style 2 0 0 2 Table 1. Script types in pre-Constantinian Christian books The scripts most frequently used in all these types of texts are: Alexandrian stylistic class (56 manuscripts), Severe style (37 manuscripts) especially sloping to the right, documentary and cursive scripts (32 manuscripts); less common are the scripts of the transition from Severe style to pointed majuscule (17 manuscripts: 11 sloping and 6 upright), the formal round scripts (13 manuscripts), biblical majuscule (11 manuscripts). The Alexandrian stylistic class is used a lot for the Old and New Testament (25 and 20 manuscripts), less in other texts (11 manuscripts); on the other hand, the Severe style is found far more rarely in the Old Testament than in the New Testament (5 vs. 16 manuscripts) and other texts (16 manuscripts); documentary and cursive scripts are less frequent in the New Testament (7 manuscripts), than in the Old Testament (12 manuscripts) and other Christian texts (13 manuscripts). Until the early fourth century the biblical majuscule is poorly attested in the Old and New Testament (4 and 6 manuscripts): it becomes the canonized script for Bible manuscripts only in the first half of the fourth century. From the palaeographical point of view, there are elements of continuity and discontinuity in the production of biblical manuscripts: continuity in the use of the Alexandrian stylistic class; discontinuity in the increased use of the Severe style and in the reduced use of documentary and cursive scripts. The other Christian manuscripts sometimes follow the graphic trends of the Old Testament (for the documentary and cursive scripts), sometimes those of the New Testament (for the Severe style), and sometimes they make autonomous choices (limited use of the Alexandrian stylistic class and biblical majuscule). The canonized scripts are only two (biblical majuscule and round majuscule), with a few manuscripts; all other scripts are “stylistic class”, “style”, documentary and informal bookhands. At this stage of the Christian book production a high quality standard had not yet been defined. The early Christian book occupies an intermediate position between formalized and informal scripts, for private use, for individual or collective use of the books. Its graphic universe meets the needs of functionality, readability, and use, but it is not yet organized into a hierarchy of graphic forms. 111 Christian Manuscripts from Egypt to the Times of Constantine 3 The earliest christian manuscripts Date TM Number Publ. Contents Notes 100-150 63460 PSI 1200 bis theol., eschatological roll 100-199 61926 PSBA 1957 OT Psalms 125-175 61782 P. Oxy. 4404 NT Matthew 61624 P. Ryl. 457 NT John 140-199 61930 P. Ant. 1 7 OT Psalms 150-199 61625 P. Oxy. 3523 NT John 59982 P. Iand. 1 4 Shepherd of Hermas 150-225 59983 P. Oxy. 3528 Shepherd of Hermas 150-250 61924 P. Yale 1 1 OT Genesis 61932 P. Monts. Roca 41 OT Chronicles 61951 P. Beatty 6 7 OT Isaias 62329 P. Lond. Lit. 211 OT Daniel roll or sheet 59984 P. Mich. 2.2 130 Shepherd of Hermas roll 62838 P. Oxy. 1 1 apocr. Gospel Thomas 63527 Bell/ Skeat apocr. Gospel 62820 P. Freib. 1 4 theol. homily (? ) codex or sheet? 63857 P. Mich. 18 763 theol. homily (? ) roll 170-250 61934 P. Beatty VI OT Numeri + Deuteronomium 175-225 66870 P. Schoyen 2 26 OT Leviticus 66869 P. Schoyen 1 23 OT Josuah 61931 PSI 921 vo. OT Psalms roll, documentary hand 61783 P. Monts. Roca 48 NT Matthew + Luke 61828 PSI 1 2 NT Matthew + Luke parchment 112 Willy Clarysse, Pasquale Orsini Date TM Number Publ. Contents Notes 61860 P. Oxy. 13 1598 NT Paul, Thess. 61928 PSI Congr. 20 1 OT Psalm 1 sheet, amulet? 69384 P. Oxy. 4706 Shepherd of Hermas roll 175-256 61914 P. Dura 10 NT Tatianus, Diatessaron roll, Syria Table 2. List of manuscripts for which a second century date is not excluded The 28 manuscripts listed in Table 2 may belong to the second century AD from a palaeographical point of view. Note, however, that only seven of them are exclusively attributed to that century, the other 23 can be either second or third century, and for most of them an early third century date is a priori more likely. 12 The only text that we date to the first half of the second century is PSI 11 1200 bis (TM 63460), a fragmentary theological treatise containing two nomina sacra. It is written on a roll (not on a codex as is usual for Christian texts) and deals with eschatological problems. Eleven of the 28 texts contain fragments of the Old Testament, seven belong to the New Testament, including the fragment of Tatianus’ Diatessaron from Dura Europos (TM 61914). Most conspicuous at this early date are the four manuscripts of the Shepherd of Hermas (TM 59982, 59983, 59984, 69384), a Christian treatise that was popular in early Christian Egypt and sometimes even incorporated into the New Testament, 13 e.g. in the codex Sinaiticus, which also contains the Letter of Barnabas. This letter is also found in a papyrus from the III/ IV cent. (TM 59353). The work was written in Rome shortly after AD 150 and the earliest copy in Egypt (P. Iand. 1 4 = TM 59982) is dated hardly a generation later. Except for Hermas, the NT texts are mainly gospels (Matthew, Luke and John, not Mark; but also three apocryphal gospels). One third century fragment, TM 61700 (P 69 ), was tentatively attributed to the Gospel of Marcion. 14 The presence of three theological treatises or homilies is somewhat unexpected. Old Testament and New Testament texts are more or less equally represented. The fluctuations in the second and third centuries are not significant because the number of texts is too low. 12 Cf. Bagnall, Books, 10-24. 13 For the unexpected frequency of the Pastor of Hermas among the earliest Christian books, see already Bagnall, Books, 41-43. The most recent edition of the papyrological fragments is that by T. Wayment, Apocrypha, 81-169. 14 Cf. Clivaz, Angel and Sweat. This identification is doubted by BeDuhn, First New Testament, 41f and Klinghardt, Evangelium, 1039ff. 113 Christian Manuscripts from Egypt to the Times of Constantine In the Old Testament, the Psalms are by far the most popular genre: the two second century texts are both psalms (TM 61926 and 61930). For II/ III the relation is 2/ 9 (one third Psalms), for the third century it is 7/ 23 (idem), for III/ IV it is 2/ 13 (one sixth Psalms), for IV it is 3/ 17 (idem). The preponderance of Psalms diminishes in the later period. In the New Testament, the second century texts are three gospel fragments (Matthew and twice John), 15 for the second and third century fragments, we find Paul’s letters to the Thessalonians (TM 61860) and two gospel books combining Matthew and Luke (TM 61783 and 61828) in a single volume. In the third century, John’s gospel is the most popular, with eleven manuscripts, followed by Matthew and Luke with four each. The only example of Mark is in a manuscript containing also John and Luke, so probably a gospel book (TM 61826; Chester Beatty 1 1). Paul is now represented in six manuscripts, the Letter of James by three, the Apocalypse by two and the Acts of the Apostles by a single one. Clearly the gospels are the most popular Christian books (36 vs. 28 for all other works together). Mark, however, is only rarely found (this remains so in the fourth, fifth and even sixth centuries, and also in the oldest Coptic Bible texts). 16 Paul is only represented from the third century onwards, and so are the Catholic Letters and the Apocalypse. Interest in Acts remains low all over. Theological works, e.g. homilies, treatises, and letters, are rather frequent and early (23 instances). Most treatises or letters are anonymous but one is dated to the second century (TM 63460) and two to the second/ third centuries (TM 62820 and 63857). The Cestoi of Iulius Africanus (TM 61406) are nearly contemporary with the author (the papyrus was reused in AD 276), and so is the letter of the patriarch Theonas against the Manicheans (TM 62826). A fragment of Irenaeus (TM 61317) dates to the first half of the third century, hardly two generations after it was written; Irenaeus turns up again a century later in Edfu (TM 61318). Also for Origen, we have some nearly contemporary fragments (TM 62337; 64007; 62335). This gives the impression that theological work was fairly soon taken account of by Christians in the chora. Over the whole period, six manuscripts are probably used in a school context, all dating after AD 250. Here psalm texts predominate (TM 61597, 62310, 61276). Thus TM 61597 is a codex of waxed tables, containing the comparatio of Menander and Philistion, mathematical exercises, acrostichic jambic verses (Menandri sententiae) and Psalm 146, which is a praise of God ( κυ´ ριος ) as creator and master of the world. We even know the name of the schoolboy, Papnouthein, an Egyptian name meaning “The one of (the) god”. The name Papnouthis is popular in 15 TM 61624 (P 52 ), 61625 (P 90 ) and 61782 (P 104 ). 16 Data taken from the LDAB for all languages, including Latin and Syriac. 114 Willy Clarysse, Pasquale Orsini Christian times, but there are several earlier examples. TM 61276 is a codex of wooden tablets. It starts with a grammatical exercise (nominative, genitive, dative), followed by a paraphrasis of book I of the Iliad, then follow Psalm 46 in Akhmimic Coptic, fraction tables, and more grammar in Greek. The Gospel of John is found alongside a mathematical exercise (TM 61614). One fragment comes from a codex with Paul’s Letter to the Romans (TM 61598, but we date this one to the second half of fourth century), but the gospels are conspicuously absent in the schools. As already noticed by Bagnall, Gnostic and Manichean works are rare in the early period, and the manuscripts do not support Bauer’s thesis that Egyptian Christianity was in origin heterodox. 17 Magical texts naming Christ or using Christian symbols or nomina sacra are rare for the period under discussion: an amulet for a woman (TM 64257), a sheet with Psalm 1 (TM 61928) and the pater noster (TM 64206). We count three prayers, which may belong to a liturgical context (TM 64264; 63986; 64184, with musical notation) and one unexpectedly early anaphora (TM 64255), the date of which is still under discussion. All are written in documentary hands. In the fourth century, Christian elements in magical texts become far more common. What is completely missing in this early period are hagiographical works, with the exception of the Apology of Phileas. The genre of hagiography comes to the fore only at a much later period, with just a few fifth century fragments. 18 Martyrs were not central to early Christians in Egypt. Our work is not yet finished: we are still missing photographs of some important early manuscripts; we have only looked at the earliest examples so far, but perhaps one should go on further in time to see what changes in Christian books once Christianity becomes the official religion of the Roman Empire. 17 Cf. Bagnall, Books, 10; TM 64286 is dated to the later third cent.; TM 64443 (P. Kellis Lit. II 97) to the fourth century (according to archaeological data). 18 Cf. Clarysse, Coptic Martyr Cult; Minnen, Saving History. Marcion in der Turing-Galaxie Textbegriff, Analyse und Erschließung der Frühgeschichte des Neuen Testaments im Zeichen des digitalen Medienwandels Juan Garce´s The New Testament is - and always has been - the result of a fusion of technology of whatever kind is in vogue and its accompanying theory. 1 Einleitung Zeiten medienkultureller Umbrüche sind Zeiten, die besonders wichtige und spannende Perspektiven eröffnen. Rückblickend kann man viele, seit langem für selbstverständlich angesehene Aspekte der Textproduktion und -rezeption erst aufgrund der technisch-medialen Veränderungen als das erkennen, was sie waren: durch einen bestimmten historischen textmedialen Kontext bedingt und deshalb kontingent. Ausblickend versucht man, „aus der Perspektive der Gegenwart das wahre Ausmaß der sich abzeichnenden Veränderungen zu erkennen.“ 2 Der Rückblick ist deshalb wichtig, weil der durch den Umbruch eröffnete Blickwinkel einen Erkenntnisfortschritt beschert. Das epistemische Ziel wird treffend von Patrick Sahle als medientheoretische Entmythologisierung beschrieben: „Wir müssen klären, welche Teile der [ … ] Theorien technisch bedingt sind, um dann zu einem Metamodell fortschreiten zu können, das von diesen technisch-medialen Bedingungen abstrahiert bzw. sich ihrer wenigstens bewusst ist.“ 3 Es kann hierbei aber nicht darum gehen, das Kind mit dem Bade auszuschütten und das Alte einfach durch den Medienwandel als ,veraltet‘ abzutun. Vielmehr geht es darum, „das Erbe zu verzeichnen, das es fortzuführen 1 Parker, Textual Scholarship, 12. 2 Pscheida, Wikipedia-Universum, 50 mit Bezug auf McLuhan - mittlerweile hat sich die grundsätzliche Gestalt des sich seit dem Ende des 19. Jh. anbahnenden Umbruchs in der Form vernetzter Computer verkörpert. 3 Sahle, Digitale Editionsformen I, 262. 116 Juan Garce´s gilt, [ … ] alle jene Erfahrungen und Traditionen zu berücksichtigen, die durch die nun anstehenden Wandlungen im bekannten dreifachen Wortsinne aufgehoben werden sollen, indem sie beseitigt, bewahrt und auf eine höhere Entwicklungsstufe befördert werden.“ 4 Der sich daran anschließende Ausblick in die Zukunft ist deshalb spannend, weil es hier darum geht, kreativ und visionär zu entwerfen. Es geht auch darum, eigene Erkenntnisse so zu konzipieren, dass sie eine kritische Masse an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler - in unserem Falle: aus dem Fachbereich Neues Testament - davon überzeugt, eine gemeinsame Zielverfolgung in Angriff zu nehmen. Die Übergangsphase zwischen medialen Epochen, in der sich auch die neutestamentliche Wissenschaft derzeit befindet, ist also besonders wichtig. In der Übergangsphase werden entscheidende Weichen gestellt, welche die Forschung nachträglich prägen werden. Wenn wir hier im Kontext dieses Medienwandels über die Frühgeschichte des Neuen Testaments nachdenken, müssen wir nicht nur zwei, sondern gleich drei größere Medienepochen in eine kritische Beziehung setzen. Dies ist eine Gegebenheit, welche die neutestamentliche Wissenschaft mit allen Philologien der Antike und des Mittelalters gemeinsam hat. Zunächst geht es um die chirographische Epoche, in der die Schriften des Neuen Testaments handschriftlich kopiert und ediert wurden. Diese Zeit brachte die handschriftlichen Wissensrohstoffe hervor. Deren sachgerechte Erschließung ist deswegen eminent wichtig, weil sie sowohl die Grunddaten der neutestamentlichen Textwissenschaft darstellt als auch Analyseansätze gleichzeitig begünstigen und behindern kann. Die ausgehende, aber in den Geisteswissenschaften immer noch herrschende Epoche ist das typographische Zeitalter, in dem die moderne neutestamentliche Textwissenschaft entstand und von der Druckkultur wesentlich, wenn auch meist unbewusst geprägt wurde. In dieser Zeit wurde der Großteil der Handschriften für die Wissenschaft erschlossen - sowohl ,entdeckt‘ als auch kollationiert - und darauf aufbauend maßgebliche, kritische Textausgaben in gedruckter Form veröffentlicht. Schließlich befinden wir uns mittlerweile im digitalen Zeitalter, das von ubiquitären, vernetzten elektronischen Informationssystemen gekennzeichnet ist. Mit diesem Zeitalter kommt eine Reihe von technischen und kulturellen Umwälzungen, denen sich die neutestamentliche Wissenschaft kritisch stellen muss. Der sich in den Geisteswissenschaften nur zögerlich vollziehende Medienwandel vom Gutenberghin zum Google-Universum hat das Phänomen der Digital Humanities (DH) hervorgebracht. Teilweise eine eigene Disziplin, teilweise in bestehenden Disziplinen integriert (etwa in der Computerlinguistik), 4 Sahle, Digitale Editionsformen I, 12. 117 Marcion in der Turing-Galaxie teilweise eine Erweiterung des Anwendungsbereiches bestehender Disziplinen (beispielsweise der Informatik) - die DH sind ein Phänomen das sich in seiner komplexen Beziehung zu etablierten Fächern gleichzeitig als Forschungsfeld und Disziplin verschiedentlich manifestiert. 5 In den DH geht es vorwiegend um die Ausweitung des etablierten Methodeninstrumentariums durch digitale Methoden. Dieses Ausweiten hat aber auch unweigerlich die Wirkung, das Wissensobjekt und die Wissenskultur in diesem Prozess mit zu verändern. Als Teil dieses Phänomens verstehen sich die folgenden Überlegungen. Die neutestamentliche Textwissenschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten - nicht zuletzt wegen des Medienwandels - mit gewandelt. 6 Lange Zeit galt sie als ein den wenigen Spezialisten überlassenes Feld, deren Forschung im Wesentlichen - bis auf für ein paar relativ wenigen Textstellen - abschließende Ergebnisse produziert hat. Die Beschäftigung mit diesem Thema war eine Pflichtübung, der man sich unterzog, bevor man sich der ,eigentlichen‘ Aufgabe der neutestamentlichen Wissenschaft widmen durfte: die Exegese der nun etablierten Texte. Diese Situation hat sich verändert. Die Zahl der Forscher, die sich mit textwissenschaftlichen Themen beschäftigen, hat sich merklich vergrößert. Zahlreiche, mitunter auch grundlegende Diskussionen werden rege geführt. Die ,digitale Wende‘ hat hier sicherlich einen Beitrag geleistet. Längst sind die Zeiten vorbei, in denen der Zugang zu den neutestamentlichen Handschriften einer kleinen Zahl von privilegierten Forschern mit dem nötigen Reisebudget und der Zugang vermittelnden Vernetzung vorbehalten war oder zumindest Zugang zu einer Institution hatten, in der die relevanten Materialien gesammelt wurden. Die wichtigsten Handschriftensammlungen bieten mittlerweile im Internet Digitalisate einer ständig wachsenden Zahl von Handschriften in brauchbarer Auflösung, über akzeptable virtuelle Umgebungen oder gleich zum Download an. Auch wenn der Zugang zu einem digitalen Surrogat nicht immer die Autopsie der Handschrift selbst voll ersetzt, bietet die Massendigitalisierung bisher unbekannte qualitative Bedingungen für frei zugängliches Forschungsmaterial für eine denkbar große Anzahl von Forscherinnen und Forschern. Es ist in diesem Kontext nicht verwunderlich, dass vermehrt die Handschriften selbst gegenüber den von ihnen abstrahierten und kollationierten Texten in den Forschungsmittelpunkt gerückt sind. Man kann hier von einer eindeutigen Tendenz vom Abstrakten zum Konkrete(re)n sprechen. Zugleich hat die Diskussion sowohl zur Ausweitung der Forschungsfragen als auch zur Problematisierung und Präzisierung der Grenzen des Erreichbaren und 5 Das Phänomen DH hat geradezu eine Essay-Gattung „Was ist DH? “ hervorgebracht. Stellvertretend verweise ich auf den immer lesenswerten Beitrag Sahle, Digital Humanities? 6 Siehe Elliott, Recent Trends, und Houghton, Recent Developments. 118 Juan Garce´s bisher Erreichten geführt. Verstand man das Ziel der neutestamentlichen Textwissenschaft fast ausschließlich als die textkritische Rekonstruktion des ältesten Wortlauts, gesellen sich jetzt zusätzliche Fragestellungen, welche sich mit der Textgeschichte in ihrem medientechnischen, kulturellen und theologischen Kontext beschäftigen, (fast) gleichberechtigt hinzu. Um nur ein paar repräsentative Beispiele zu nennen: · im Narrative Textual Criticism-Ansatz fragt man sich, inwiefern die Textgeschichte etwas über die frühe Rezeption des Textes offenbart; 7 · eine Reihe von Forschern versuchen, genauer die Tendenzen individueller Kopisten zu analysieren, was wiederum für das Verständnis der Entstehung von Varianten und deren Bewertung relevant ist; 8 · vermehrt werden jetzt auch individuelle Handschriften - oft in Verbindung mit der davor genannten Fragestellung - genauer unter die Lupe genommen; 9 · schließlich widmet man sich vermehrt der umfassenderen Frage, wie denn frühe neutestamentliche Schriften vervielfältigt und „veröffentlicht“ wurden. 10 Das Anerkennen der Grenzen der Textwissenschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten u. a. auf folgende Frage zugespitzt: Was rekonstruiert man, wenn man den ältesten Wortlaut des neutestamentlichen Textes rekonstruiert? Bezeichnet das „Wissenschaftliche Bibelportal der Deutschen Bibelgesellschaft“ die dort angebotenen hebräischen, griechischen und lateinischen Textausgaben als „Urtext-Ausgaben“ 11 , drückt man sich in der wissenschaftlichen Diskussion zu Recht etwas vorsichtiger und manchmal präziser aus. 12 Hierbei spielt das 2. Jh. eine besonders wichtige Rolle. Wenn man in Richtung „Entstehung“ des neutestamentlichen Textes schaut, kristallisiert sich dieses Jahrhundert geradezu als der „Ereignishorizont“ der neutestamentlichen Textwissenschaft heraus. Dies hat mehrere Gründe. So führt z. B. der handschriftliche Befund vermutlich weniger zu einem Text des 1., als zu einem Text des 2. Jh. Auch wenn die elektronische „Kurzgefaßte Liste“ 13 neutestamentlicher Handschriften lediglich vier Papyri (P 52 , P 90 , P 98 , P 104 ) ins 2. Jh. und zwei (P 77 , P 103 ) ins 2./ 3. Jh. datiert und es erst für das 3. Jh. mit 45 Papyri aus dem 3. Jh. (davon 6 „Anfang“ 3. 7 Vgl. Parker, Living Text, und Ehrman, Corruption. Ein Vorreiter war Epp, Theological Tendency. 8 Royse, Scribal Habits, und Herna´ ndez, Scribal Habits. Ein Vorreiter war: Colwell, Studies. 9 Parker, Codex Bezae, und Malik, P.Beatty III (P 47 ). 10 Mugridge, Copying; Charlesworth, Early Christian Gospels; aber auch mit einem unterschiedlichen Fokus Trobisch, Endredaktion. 11 http: / / www.bibelwissenschaft.de/ online-bibeln/ ueber-die-online-bibeln/ 12 Epp, Multivalence; Holmes, Original Text; Epp, Beginning. 13 http: / / ntvmr.uni-muenster.de/ liste 119 Marcion in der Turing-Galaxie Jh.) und dreizehn Papyri aus dem 3./ 4. Jh. etwas besser aussieht, 14 so führen die Spuren (gestützt durch die einsetzende Bezeugung des Textes durch die patristische Literatur) zur These eines Ausgangstextes in der zweiten Hälfte des 2. Jh. Berücksichtigt man auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Text nicht nur im Prozess des Kopierens, sondern auch vor allem des „Edierens“ Veränderungen unterworfen wurde, so müssen auch andere Faktoren mit berücksichtig werden. Auch hier erweist das 2. Jh. seine Schlüsselposition: in diesem Jahrhundert entwickelte sich vielleicht überhaupt erst ein „,Textbewußtsein‘ [ … ], d.h. ein Bewußtsein dafür, daß der bestimmte Text bestimmter Schriften integer zu bewahren und entsprechend zu zitieren sei“ 15 ; für dieses Jahrhundert haben wir einen expliziten Beleg für die Verwendung und vielleicht auch Herausgabe einer Sammlung mit neutestamentlichen Schriften durch Markion, auch wenn diese beachtliche Unterschiede gegenüber der wohl auch erst im 2. Jahrhundert entstandenen „kanonischen“ Ausgabe des Neuen Testaments aufwies. Das überaus wichtige 2. Jh. zeigt geradezu, wie bedeutsam es ist, Textgeschichte im engen Zusammenhang mit Überlieferungs-, Kanons- und Medienkulturgeschichte zu erforschen. Im Zusammenhang mit der oben beschriebenen medialen und wissenschaftlichen Konstellation will ich in diesem Beitrag mir wichtig erscheinende Gedanken in drei Teilen bieten: (1.) zum grundlegenden Textbegriff, (2.) zu digitalen Analysemethoden und (3.) zur digitalen Erschließung. Im ersten Teil werde ich idealtypisch dem die neutestamentliche Forschung prägenden typographischen Textbegriff einen digitalen Textbegriff gegenüberstellen und behaupten, dass der letztere der Erforschung des im chirographischen Zeitalter entstandenen und überlieferten neutestamentlichen Text zahlreiche Vorteile bringt. Im zweiten Teil zeige ich an drei in der textkritischen Forschung eingesetzten Methoden - Gerd Minks kohärenzbasierte genealogische, Stephen Carlsons kladistische und Gerald Donkers multivariate Methode - Möglichkeiten und Grenzen der digitalen Analyse auf. Schließlich bespreche ich ein Erschließungskonzept für die Erforschung der Frühgeschichte des neutestamentlichen Textes, das die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters optimal nutzt. 14 Vgl. dazu die kritische Auseinandersetzung mit der Datierung neutestamentlicher Papyri bei Clarysse/ Orsini, Manuscripts, und in diesem Band. 15 Aland, Rezeption, 2. 120 Juan Garce´s 1 Zur Medialität des Textbegriffs „Der Textbegriff“, so Patrick Sahle in seiner grundlegenden Dissertation Digitale Editionsformen, „ist eine Funktion von Fragestellungen (Sichten auf den Text) und jeweils gegenwärtiger (also historischer) textmedialer Sozialisation. Bestimmte Textbegriffe werden immer durch bestimmte Texttechnologien gefördert oder behindert: Was der Text ist, ist eine ontologische Fragestellung, die von unterschiedlichen Technologien unterschiedlich beantwortet wird. Die Evolution der Techniken ist eine Evolution der Textbegriffe.“ 16 Diese abstrakte Beobachtung lässt sich anschaulich anhand eines Beispiels darstellen, das dem Neuen Testament des 2. Jahrhunderts, was Corpus und Zeit angeht, recht nahe steht - der Hexapla des Origenes. 1.1 Die Hexapla des Origenes Als Origenes es im Cäsarea des 3. Jahrhunderts auf sich nahm, die verschiedenen griechischen Übersetzungen und Revisionen des griechischen „Alten Testaments“ miteinander und mit dem entsprechenden hebräischen Text philologisch zu vergleichen, fand er eine bemerkenswerte Lösung. Diese bestand in einem textkritischen Instrument, das die verschiedenen Texte synoptisch in sechs Spalten nebeneinander setzte. „The epochal importance of the work”, bemerken Anthony Grafton und Megan Williams, „lies above all in its arrangement. The Hexapla was perhaps the first book—as opposed to official documents—ever to display information in tabular form: in columns intended to be read across rather than down the page.“ 17 Zur besseren Einordnung dieser Leistung hilft es, die technisch-medialen Veränderungen in Erinnerung zu rufen, die Origenes selbst und seine Zeitgenossen erlebten. Die Fragestellung des Origenes war eine klassisch-philologische. Der textmediale Kontext war es aber, der es ihm erlaubte, durch sein innovatives Doppelseitenlayout einen epistemischen Fortschritt zu realisieren. Die physische Gestalt des zeitgenössischen handgeschriebenen Buchs veränderte sich in gleich zweifacher Hinsicht: Pergament ersetzte zunehmend Papyrus als Schriftträger und erlaubte größere Seiten in einem Kodexbuch. Noch wichtiger war aber die sich noch im Vollzug befindende Ablösung der Buchrolle durch die technisch ausgereiftere und vielseitigere Kodex-Form. Diese „Kodifizierung” des Schreibens „threw into question”, so weiter Grafton und Williams „existing assumptions regarding the natural relation between the book as material object and as unit of meaning“ 18 . Origenes konnte demnach dank der technisch-medi- 16 Sahle, Digitale Editionsformen III, 391. 17 Grafton/ Williams, Transformation, 17. 18 Grafton/ Williams, Transformation, 12. 121 Marcion in der Turing-Galaxie alen Innovation ein Instrument schaffen, das eine systematische Analyse der komplexen Texttradition erlaubte. Das großzügige Layout erlaubte zudem eine relativ hypothesenneutrale Erschließung der verschiedenen Texte, denn, anders als beispielsweise die philologische Kommentierung in Scholien, konnten die separaten Texte mit nur kleinen diakritischen Eingriffen „neutral“ nebeneinander stehen. Erschließung und Analyse waren zwar nicht unabhängig, aber in gewisser Hinsicht getrennt. Die leider nur fragmentarisch überlebende Hexapla setzte sich, vermutlich aus praktischen und finanziellen Gründen, als Modell nicht durch. Sie zeigt aber, wie ein innovatives Textmodell nicht nur gedacht, sondern auch Hand in Hand mit entsprechenden technisch-medialen Innovationen konkret umgesetzt und für wissenschaftliche Fragestellungen instrumentalisiert werden konnte. Die kritische Erforschung solcher und ähnlich komplexer Texttraditionen erfuhr erst im Druckzeitalter einen wissenschaftlichen und technologischen Durchbruch, dessen reife Gestalt man in Form der zeitgenössischen Standardausgaben genießen kann. 1.2 Das Novum Testamentum Graece und die Editio Critica Maior Das mittlerweile in der 28. Auflage erschienene Novum Testamentum Graece (NTG) bietet als unangezweifelte Standardausgabe den grundlegenden Text für die neutestamentliche Wissenschaft. Zwar gibt es alternative kritische Ausgaben, 19 der Text des NTG gilt aber allgemein de facto als der Grundtext, den man im alltäglichen wissenschaftlich-exegetischen Diskurs im Normalfall nicht besonders legitimieren braucht. Generationen von Studenten des Neuen Testaments wurden anhand dieses Textes in den wissenschaftlichen Diskurs sozialisiert. Praktisch ist für die neutestamentliche Wissenschaft das NTG das Neue Testament. Als Ausgabe ist das NTG ein Meisterwerk einer gedruckten Ausgabe: gut handhabbar, (der Lemmatext) klar lesbar und dazu noch erschwinglich, bietet die Ausgabe den historisch rekonstruierten Text und die „wichtigsten“ Textvarianten. Dabei mussten die Herausgeber eine Reihe von Entscheidungen treffen, um der intendierten Nutzung des Textes so gut es geht gerecht zu werden. Denn der vom Institut für neutestamentliche Wissenschaft (INTF) herausgegebene und von der Deutschen Bibelgesellschaft veröffentlichte und vertriebene Text dient nicht nur als Grundlage für die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Text, sondern auch als Grundlage für die meisten modernen Übersetzungen im ökumenischen Kontext. Das Resultat dieser Entscheidungen hat David Parker mit einem entfremdenden Blick treffend zusammenfassend beschrieben: 19 MT, SBL, ECM. 122 Juan Garce´s „It is a historically hybrid text: a modern Greek New Testament has been generated from electronic files and printed in its thousands; it has sixteenth-century verse numbers, thirteenth-century chapter numbers, and fourth-century subsections; follows standard rules of orthography partly modern and partly based on manuscripts of the fourth century; has punctuation supplied by its editors; the words are written separately and not in the traditional scriptio continua; has the books in the order of the Latin Bible; above all the text is based on modern critical study of manuscripts, of which the oldest complete copies were made in the fourth century. The text itself never existed in any ancient document in this precise form (since the individual copy most closely approximating to it will have contained errors that were subsequently corrected), but is a recreation on modern critical principles. It is this mixture of styles and technologies and texts to which readers respond in the belief that they are interacting with the apostle Paul or with the four Gospel writers. Is it not actually the case that they are in debate with the result of two thousand years of development? ” 20 Parkers Beschreibung folgt und repräsentiert in fast idealer Weise eine „typographische Mentalität“, wie sie Sahle in ihren „Dogmen“ dargestellt hat. 21 Zunächst fällt das darzustellende Ziel einer typischen Druckedition auf. Denn der „Prozess der Umformung von Überlieferungsträgern aller Art in ,gedruckte Bücher‘“ 22 zielt auf die Repräsentation eines sehr abstrakten Textes: „Texte - und gedruckte Bücher als Textträger - haben nicht die Funktion, andere Medien zu repräsentieren, andere Dokumente abzubilden, sondern deren ,Inhalte‘“ 23 . Dementsprechend ist solch eine anachronistisch erscheinende Zusammenstellung zielführend und legitim. „Der Editor als sehender Deuter schält das Wesentliche aus den anderen Erscheinungsformen heraus und realisiert so die Intention des Dokuments bzw. ihren Sinngehalt in einer erneuten Codierung durch die typografischen Zeichen.“ 24 Paratextuelles wird hier in der Regel als unwesentlich, weil kontingent, wegdistilliert. Was dargestellt wird, ist der Inhalt. Die paratextuellen Elemente der Edition sind so wie die weggeschälten paratextuellen Elemente der Handschriften unwesentlich. So erfolgreich und gelungen diese Ausgabe auch ist, sie ist lediglich ein Wegbereiter für die eigentliche „Apotheose der kritischen Edition“ 25 : die teilweise schon erschienene Editio Critica Maior (ECM) des Novum Testamentum Graecum. Auch wenn sie denselben Lemmatext bieten soll wie die jeweils aktuellste Ausgabe des NTG, erscheint sie als eine Edition, die anders genutzt werden will. An ihr will ich vorläufig drei Dinge bemerken: 20 Parker, Textual Scholarship, 19. 21 Sahle, Digitale Editionsformen I, 289ff. 22 Sahle, Digitale Editionsformen I 289. 23 Sahle, Digitale Editionsformen I, 290. 24 Sahle, Digitale Editionsformen I, 291. 25 Parker, Introduction, 200: „The apotheosis of the critical edition”. 123 Marcion in der Turing-Galaxie 1. Die ECM bietet vordergründig einen Text, der nicht in erster Linie als Lesetext gestaltet ist. Auffällig ist die Prominenz des Apparats, der klar alle relevanten Varianten auflistet. Der Lemmatext wird auf einer Zeile pro Seite dargestellt. Alle Wörter erhalten eine gerade Referenznummer, auf die sich die aufgelisteten Varianten beziehen. Der Schwerpunkt der Edition hat sich vom Lemma auf den Apparat, der jetzt den eigentlichen Interessenschwerpunkt darstellt, verschoben. Die Edition bietet, anders ausgedrückt, strukturierte Daten. Sie ist sozusagen eine „Datenbank“, also ein Instrument, das “the full range of resources necessary for scholarly research in establishing the text and reconstructing the history of the New Testament text during its first thousand years” 26 bereithält. Mit anderen Worten: in den Vordergrund treten jetzt gegenüber dem „Text” die relativ umfassenden Erschließungs- und Forschungsdaten. 2. So ein Unterfangen muss auf einer computergestützten Erschließung und Analyse basieren, denn - anders als die vorhergehenden Editionen, die zwar auch schon computergestützt arbeiteten, aber auf der Auswertung von Teststellen basierten - hat die ECM den Anspruch, die Kollation aller vollständigen neutestamentlichen Texte auszuwerten: „its comprehensive approach based on every surviving manuscript is predicated on the use of computers to acquire, analyse and publish the data associated with the edition” 27 . Hierfür wurde vom INTF ein innovatives und ohne Computerunterstützung schwer denkbarer Methodenkomplex entworfen, auf den im nächsten Abschnitt eingegangen wird. 3. Die Frage stellt sich natürlich, ob man der intendierten Nutzung („full range of resources necessary for scholarly research“) mit einer gedruckten Ausgabe überhaupt gerecht werden kann. Das Medium sorgt, was Textbegriff und Gestalt angeht, zwar für eine gewisse Kontinuität mit vorhergehenden Editionen, die statische Darstellung des Gedruckten verhindert aber gerade das, was man mit den schon digital erschlossenen Daten machen will: in der komplexen Datenmenge nach Mustern und Gesetzmäßigkeiten zu suchen. Gerade hier wäre die digitale Analyse der ideale und logische Anschluss an die digitale Erschließung. Und die ECM bietet auch schon ansatzweise solche Möglichkeiten an 28 bzw. arbeitet an der Entwicklung „eine[r] digitale[n] Plattform“ 29 , welche die Daten mit noch größerer Vollständigkeit (in Form vollständiger Transkripte) bietet und deren Analyse ermöglicht. 26 ECM2: 21*. 27 Houghton/ Smith, Digital Editing, 110. 28 Hier verweise ich auf den nächsten Abschnitt. 29 http: / / egora.uni-muenster.de/ intf/ projekte/ ecm publikation.shtml. 124 Juan Garce´s Diese Überlegungen bringen uns zu der eigentlichen Frage: Wie verändert sich der Textbegriff im digitalen Zeitalter? Und wie erlaubt dieser mit der Medialität vorhergehender Epochen umzugehen? 1.3 Text im digitalen Zeitalter Ein Charakteristikum eines digitalen Textbegriffs sticht im Rahmen unserer Fragestellung heraus: „Die vielfältigen Wandlungen, die mit dem Übergang zu digitalen Formen einhergehen, finden ihren Kern in der Trennung von Inhalt und Form. Der Wandel lässt sich nicht so sehr als ein Wechsel der Medien, sondern vielmehr als eine Befreiung von medialer Gebundenheit beschreiben.“ 30 Anders als im gedruckten Medium also, in dem der Inhalt aus seiner Medialität herausgelöst wird, um ihn dem Medium des Gedruckten und seinem impliziten Textbegriff zu unterwerfen, geschieht in der digitalen Erschließung zwar ähnliches, die Form der Darstellung wird aber einem zusätzlichen Schritt überlassen und ist deswegen noch relativ offen. Das heißt, eine digitale Darstellungsform liegt zwar nahe, man kann aber immer andere - digitale oder analoge - und sogar mehrfache Formen wählen. Die Darstellungsform ist ein sekundäres Derivat, das aus den Erschließungsdaten hervorgeht und somit als von ihnen abhängig oder auch getrennt zu denken ist. Man kann hier von einer „Transmedialisierung“ zweier in einem komplexen Verhältnis stehenden Aspekte sprechen: die im Erschließungsprozess beschriebenen Daten und Strukturen (prämediale Repräsentation) setzen zwar bei der Weiterverwertung Grenzen, aber die medialen „Präsentationsformen sind perspektivisch generierte Sichten oder Realisierungen von Daten und Datenstrukturen,“ 31 die denkbar unendlich sind. Aus den digital genügend erschlossenen Daten könnte man beispielsweise eine auf Papier gedruckte Edition zum Lesen, ein 3D-Druck einer Inschrift mit dem epigraphischen Text auf seinem rekonstruierten Textträger oder eine digitale Tabelle für eine statistische Auswertung algorithmisch extrapolieren. Man sieht, dass hier der Erschließung eine besonders hohe Wichtigkeit zukommt, weshalb ich sie im dritten Teil meines Beitrags detaillierter thematisieren werde. Aber an dieser Stelle sollte ich zumindest schon feststellen, dass mit der neuen Prominenz der Erschließung und vor allem ihrer Befreiung vom (problematischen inhaltsorientieren) Textmodell des Druckzeitalters - ganz zu schweigen von der potentiellen Wiederverwertbarkeit und Offenheit digitaler Erschließungsdaten - dieser Erschließung des handschriftlichen Befundes des griechischen Neuen Testaments eine bedeutende Grenze entzogen wird. Er- 30 Sahle, Digitale Editionsformen I, 281 [Hervorhebungen JG]. 31 Sahle, Digitale Editionsformen I, 281. 125 Marcion in der Turing-Galaxie schließung muss jetzt nicht mehr nur „Inhalte“ beachten, sondern kann und sollte auch als signifikant erscheinende „paratextuelle“ und andere Phänomene mit erschließen. Es ist nun für die Erschließung der chirographischen Grundlagen des Neuen Testaments die Voraussetzung für einen Textbegriff geschaffen der - zumindest potentiell - holistischer ist und der physischen Realität des Befundes gerechter wird. Man darf hier freilich nicht einem naiven Realismus verfallen und die Vorteile der Digitalität als eine relative Annäherung an den historischen Text an sich ansehen. Der Vorteil liegt hier eher darin, dass durch die neuen Freiheiten entscheidend mehr und bisher als unwesentlich angesehene Aspekte systematisch in den wissenschaftlichen Blickpunkt rücken. 32 Ein weiterer interessanter Aspekt digitaler Modellierung ist die visuelle Darstellung erschlossener komplexer Texttraditionen. Von der Hexapla des Origenes bis zu den Kollationstabellen moderner Editionsprojekte hat die tabellarische Gegenüberstellung von Lesevarianten die Grundlage für die textwissenschaftliche Analyse bereitgestellt. Im kritischen Apparat fanden diese analysierten Varianten ein editorisches Zuhause. Doch weder die Tabelle noch der Apparat erscheinen ein besonders einsichtiges epistemisches Instrument für die Erfassung diachroner Komplexität zu sein. Vielversprechender ist die Darstellung einer solchen Tradition als graphisch (erfasstes und) dargestelltes Varientennetzwerk, wie sie beispielsweise im Kontext der Entwicklung des CollateX-Tools angewendet wurde. 33 Vereinfacht beschrieben repräsentiert ein solcher Graph die Texttradition als Fluss, dessen Strom sich je nach Variantenreichtum in mehrere Arme aufspaltet bzw. bei Transpositionen zurückfließt. Elegant und intuitiv vermittelt eine solche Visualisierung die Texttradition als Textfluß, wobei die Komplexität selbst detailliert an den gegebenen Stellen ins Auge springt. Potentiell kann ein solcher Graph auch mithilfe von unterschiedlich formatierter Linienart und -farbe der Verbindungslinien - in der Netzwerkgraphensprache als „Kanten“ bezeichnet - eine nuanciertere Klassifizierung von Variantenrelationen ausdrücken. 32 Auch im digitalen Zeitalter wird eine Edition nicht der darzustellende Text selbst, sondern ein Argument für diesen bleiben. Vgl. Cerquiglini, Variant, 79. Nur ist dieses Argument jetzt umfangreicher und deswegen auch historisch potentiell wertvoller. 33 Vgl. dazu weiterführend Andrews/ Mace´ , Tree of Texts; van Zundert/ Andrews, Apparatus. 126 Juan Garce´s Beispiel eines Variantengraphen für einen griechischen Textauszug. Quelle: http: / / ecdo sis.net/ main/ node/ 5 Doch die Vorteile bestehen nicht nur in der vermittelten Zugänglichkeit eines komplexen Prozesses. Es gibt, wie Andrews und Mace´ zeigen, 34 auch Vorteile in der algorithmischen Analyse. Ohne hier auf diesen Ansatz eingehen zu können, der auf Graphen basiert, wäre es zielführend, anhand von drei konkreten Beispielen computerbasierter Analyseansätze zu zeigen, welche Möglichkeiten derzeit in der neutestamentlichen Wissenschaft Eingang finden, bevor wir uns der in diesem Abschnitt als zentral erwiesenen Frage widmen: wie sollte man im Kontext des beschriebenen Medienwandels die neutestamentliche Texttradition digital erschließen? 2 Digitale Analyseansätze in der Erforschung der neutestamentlichen Textgeschichte We are working in a period when the data for textual criticism will inevitably be translated into mathematics. In fact it is doubtful that New Testament textual critics can really hope to relate all of the data now available to them without the aid of computers. 35 Vereinfacht beschrieben handelt es sich bei allen digitalen Analyseansätzen um ein analytisches Vorgehen, das einen digital erschlossenen Datensatz - mehr dazu im dritten Teil - anhand von Algorithmen so transformiert, dass dadurch wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden. Es handelt sich also weder um theorieneutrale Ansätze - schließlich können Algorithmen nur innerhalb eines theoretischen Kontexts sinnvoll zu weiteren Erkenntnissen führen - noch 34 Andrews/ Mace´ , Tree of Texts, 511ff. 35 Colwell, Studies in Methodology, 99. 127 Marcion in der Turing-Galaxie um Ansätze, deren Ergebnisse ohne deutende Auswertung zielführend oder gar sinnvoll sind. Diese vereinfachte Beschreibung deutet schon auf die empirische Natur dieser Ansätze hin. Werden Daten und analytische Computercodes - beides idealerweise standardkonform und dokumentiert - offen zur Verfügung gestellt, können die Verfahren nicht nur wiederholt, sondern auch - in dem man beispielsweise Daten korrigiert, umstrukturiert oder ergänzt oder aber Algorithmen modifiziert - nachnutzbar gemacht werden. Die Vorteile eines solchen Szenarios für wissenschaftliche Arbeitsabläufe - insbesondere ihre Beschleunigung und Transparenz - werde ich hier nicht weiter ausführen. Im Folgenden werden kurz drei Ansätze vorgestellt, die einen ausgeprägten digitalen Anteil vorweisen oder sogar vorwiegend digital arbeiten. 2.1 Die Kohärenzbasierte Genealogische Methode Wie schon oben erwähnt, ist die Editio Critica Maior (ECM) die aktuelle, vom Institut für neutestamentliche Textforschung in Münster verantwortete kritische Ausgabe des Neuen Testaments. Sie basiert einerseits auf einer vollen Kollation aller Textzeugen und andererseits auf einem erweiterten methodischen Ansatz - die Kohärenzbasierte Genealogische Methode (KBGM). Nicht nur die hohe Anzahl der Handschriften setzt die neutestamentliche Textgeschichte von anderen Texten ab. Der besonders zahlreich kopierte neutestamentliche Text zeichnet sich laut etablierter Auffassung auch durch Varianten aus, die man einerseits durch den gleichzeitigen Gebrauch von textgeschichtlich unabhängiger Vorlagen - man spricht hier von „hochgradiger Kontamination“ - andererseits aber auch durch eine unabhängige und zufällige Mehrfachentstehung erklären könnte. Dieser textgeschichtlichen Eigenart, aufgrund derer klassische textkritische Ansätze praktisch unanwendbar scheinen, will die KBGM gerecht werden. Dabei handelt es sich nicht um eine Methode im eigentlichen Sinn, sondern eher um eine „Metamethode“ 36 - ein Methodenkomplex, der oft als schwer zugänglich empfunden wird. 37 Im Folgenden werden die einzelnen Bestandteile der KBGM einzeln aufgeschlüsselt und deren Relation erklärt. Der „eklektische“ Text des Novum Testamentum Graece - sozusagen der Vorgänger der ECM - basiert vorwiegend auf der lokal-genealogischen Methode, die sich aufgrund der oben erwähnten „Gesetzlichkeit der Tradierung des neutestamentlichen Textes“ gezwungen sah, den textkritischen Fokus von den handschriftlichen Texten auf die einzelne Variantenstellen einzuengen: „was die klas- 36 Mink, Contamination, 142. 37 Wasserman, Correlations, 2, spricht etwa von der „agnostischen“ Einstellung von Forschern, die von „the complexity of the method and the difficulty of comprehending what is going on in that black box from which appears one neat stemma of textual flow after the other“ abgeschreckt sind. 128 Juan Garce´s sische Philologie für die Gesamtüberlieferung vollzieht, geschieht beim Neuen Testament an jeder Stelle von neuem.“ 38 Dabei wird für jede dieser Variantenstellen strikt nach „inneren“ philologischen Kriterien ein Stammbaum erstellt, „bei dem sich zeigt, welche Lesart aus welcher entstanden ist und welche die ursprüngliche sein muß.“ 39 „Es stellt eine Hypothese darüber dar, welche Variante aus welcher entstanden ist, erklärt also Varianten als prioritär (Quellvarianten) oder posterioritär in ihrem Verhältnis zueinander.“ 40 Da man bei diesem Ansatz aber grundsätzlich zwischen der Handschrift und deren Textzustand unterscheidet, darf man zwischen einem lokalen Stemma zu einer Stelle keine unmittelbaren Rückschlüsse auf das genealogische Verhältnis zwischen den betreffenden Handschriften ziehen, schließlich könnte in einer jüngeren Handschrift eine ältere Lesart überleben. Wie lassen sich aber dennoch Aussagen über die Textgeschichte treffen, die über lokale Stammbäume hinausgehen? Wie erkennt man - anders ausgedrückt - die Strukturen des neutestamentlichen Textwaldes mithilfe unserer Erkenntnisse über einzelne Bäume? Hier kommt der für diesen Methodenkomplex äußerst wichtige Kohärenzbegriff ins Spiel. Zunächst kann man die miteinander kollationierten Texte objektiv vergleichen und die „Nähe“ zueinander analysieren. In der KBGM spricht man hier von prägenealogischer Kohärenz, die strikt die Übereinstimmung von Varianten zwischen Textzeugen quantitativ erfasst: „Zwischen Zeugen mit einem hohen Übereinstimmungsgrad herrscht eine starke prägenealogische Kohärenz. Sie ist ein Kriterium für die Wahrscheinlichkeit, ob Varianten aufgrund ihrer Zeugen überhaupt eine genealogische Beziehung haben können. Auch weist ihr Mangel auf zufällige Mehrfachentstehung von Varianten hin.“ 41 Sie heißt deswegen prägenealogisch, weil sie für sich genommen zwar die Wahrscheinlichkeit einer genealogischen Beziehung zwischen Textzeugen, aber noch keine Richtung für dieselbe feststellen lässt. Für (fast) jede Variantenstelle gibt es aber auch immer noch - gemäß der lokalgenealogischen Methode - ein philologisch fundiertes lokales Stemma. Die Summe dieser lokalen Stemmata ergibt dann jeweils zwischen zwei Textzeugen eine Tendenz bezüglich des lokalen „Textflusses“. D. h.: je öfter lokale Stemmata zwischen zwei Textzeugen jeweils die Variante eines Zeugen als Quellvariante für den anderen Textzeugen anzeigen, desto eindeutiger ist die genealogische Beziehung (Vorfahre und Nachfahre) zwischen den beiden. Diese genealogische Kohärenz im Zusammenhang mit der oben erwähnten prägenealogischen Ko- 38 Aland/ Aland, Text, 44. 39 Aland/ Aland, Text, 295. 40 Mink, Anleitung (http: / / intf.uni-muenster.de/ cbgm2/ guide de.html). 41 Mink, Worum geht es? (http: / / www.uni-muenster.de/ EvTheol/ intf/ projekte/ kgm/ aus. html). 129 Marcion in der Turing-Galaxie härenz bildet nun die Grundlage für ein quantitatives Bild, das sich aus der vergleichenden Gesamtsicht aller bisherigen Analysen ergibt - „die definite Hypothese über den einfachsten genealogischen Zusammenhang aller Zeugen“ 42 , nämlich die stemmatische Kohärenz. Die KBGM erweist sich also als ein Methodenkomplex, bei dem traditionellphilologische Methoden mit computergesteuerten Verfahren interagieren. Die nun digital vorliegenden Lokalstemmata werden im Zusammenhang mit automatisierten Vergleichen zwischen Textzeugenpaaren und -gruppen analysiert und in iterativen Durchgängen angepasst. Dies erfordert geradezu „the frequent interaction of computerized procedures with philological assessments of intermediary results”, 43 denn das computergestützte Testen aller möglichen Stemmata „requires enormous computing power.“ 44 2010 erwägte man noch ein Cluster von Hochleistungsrechnern. 45 Heute scheint man davon abgekommen zu sein und auf die sich ständig weiterentwickelnde Rechenkraft von Servern und PCs zu setzen. Ein besonders interessanter Aspekt der KBGM ist ihre potentielle Öffnung der Daten und Prozesse gegenüber Forschern außerhalb des INTF. „In the long run, external CBGM clients will probably be able to use the new technology for their own attempts to construct optimal substemmata.“ 46 Kurzfristig und ansatzweise wird dies vom Institut schon durch die “Genealogical Queries”-Webseiten (GenQ) angeboten. 47 Anhand der für die zweite Auflage der ECM erschlossenen Daten über die Katholischen Briefe kann der Nutzer jetzt in fünf Modulen verschiedene genealogische Aspekte dieser Texte untersuchen. So kann man im Modul „Potential Ancestors and Descendants“ über eine Eingabemaske einen Textzeugen angeben und bekommt als Resultat ein Liste von möglichen Vor- und Nachfahren samt ihrer Übereinstimmungen und Abweichungen von Varianten. Im Modul „Comparison of Witnesses“ kann man das Verhältnis von Zeugen besonders auf den Verdacht von möglichen Vorlagenwechseln und wechselnden Kontaminationsquellen hin untersuchen. Das Modul „Coherence in Attestations“ zeigt dem Nutzer anhand von Graphen lokale Textflussdiagramme für bestimmte Varianten. Die Zusammenfassung aller Resultate dieses Moduls kann man im Modul „Coherence at Variant Passages“ für alle Varianten einer Stelle 42 Mink, Anleitung (http: / / intf.uni-muenster.de/ cbgm2/ guide de.html). 43 Mink, Contamination, 189. 44 Mink, Contamination, 205. 45 Mink, Contamination, 205. 46 Mink, Contamination, 205. 47 Mink, Anleitung (http: / / intf.uni-muenster.de/ cbgm2/ GenQ.html). Seit Juli 2013 sind diese in der Version 2.0 verfügbar. S. die Anleitung (http: / / intf.uni-muenster.de/ cbgm2/ guide de.html), die im Folgenden zusammengefasst wird. 130 Juan Garce´s bekommen. Schließlich kann man im Modul „Local Stemmata“ das angenommene lokale Stemma jedweder Variantenstelle betrachten. Auch wenn die GenQ-Seiten nur einen Teil der im INTF erschlossenen Daten und dann auch nur zur Analyse in den fünf Modulen zur Verfügung stellen, ist der Schritt zur Öffnung ein wichtiger und zukunftsweisender Schritt, dessen erste Früchte nicht lange auf sich warten lassen. 48 Weitere Schritte scheinen vom Institut geplant zu sein. Ein wichtiges Vorhaben - die Erschließung der handschriftlichen Texte im New Testament Virtual Manuscript Room (NT-VMR) - werden wir im abschließenden Abschnitt betrachten. Im Rahmen des im digitalen Zeitalter sich langsam durchsetzenden „Openness“-Gedankens muss man sich in naher Zukunft wünschen, dass sowohl alle grundlegenden Daten - besonders, wenn Sie durch öffentliche Gelder finanziert wurden - und die für ihre Analyse eingesetzten Computerprogramme offen und dokumentiert unter einer zumindest für die Wissenschaft offenen Nutzerlizenz zur Verfügung gestellt werden. Aufgrund der außerordentlich wichtigen Rolle des INTF muss man diesen ersten Schritt unterstützen und auf nächste Schritte in naher Zukunft hoffen. An dieser Stelle ist noch die hybride Natur der KBGM und ihr Verständnis innerhalb des Methodenkomplexes hervorzuheben. Wie oben dargestellt, werden die digitalisierten lokal-genealogischen Entscheidungen aufgrund von iterativen Schritten auf ihre Kohärenz hin untersucht und nötigenfalls disambiguiert bzw. korrigiert. Die durch digitale Analyse errechneten Kohärenzen tragen hier vorwiegend „eine Ergänzung und ein Korrektiv“ zu den traditionell-philologischen Untersuchungen bei. 49 Die unweigerliche subjektive und nicht immer schlüssige Argumentation bei lokal-genealogischen Entscheidungen ist aber nicht erst in jüngster Zeit als ein grundlegendes methodisches Problem erkannt worden. 50 Etwa zwölf bis sechzehn Kriterien werden hierbei als Richtlinien herangezogen. 51 Sie können aber selten mechanisch als Gesetze oder feste Regeln angewendet werden, sondern müssen auf ihre Wahrscheinlichkeit hin erwogen werden, und zwar aufgrund von rekonstruierten Szenarien. 52 Ein solches Szenario - um nur ein Beispiel zu nennen - sind die Abschreibepraktiken und Gewohnheiten der Abschreiber, denen man erst in den letzten Jahrzehnten eine methodologisch-rigorose Aufmerksamkeit geschenkt hat. 53 Als 48 Wasserman, Coherence Based Genealogical Method. 49 Wie Mink, Contamination, im Untertitel seines Artikels zu erkennen gibt. 50 Epp, Textual Criticism, 420f. 51 Epp, Textual Criticism, 420f. 52 Epp, Textual Criticism, 423. 53 Royse, Scribal Habits, 6ff., beschreibt den Mangel an fundierter Grundlage, die in der teilweise widersprüchlichen Argumentation des Textual Commentary zu Tage tritt. 131 Marcion in der Turing-Galaxie Klammerbemerkung sei aber an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass nicht alle Varianten auf Abschreibepraktiken und Gewohnheiten der Abschreiber zurückzuführen sein können, wie im Rahmen dieses Sammelbandes an anderer Stelle ausführlich diskutiert wird. Man muss sich hier fragen, ob man die lokalen Stemmata nicht grundlegender auf eine innere Stimmigkeit hin untersuchen sollte. Digitale Methoden können und sollten hier weitreichender als Ergänzung und Korrektiv herangezogen werden, indem sie das Element der Subjektivität weiter relativieren: In welcher Konstellation greift welches Kriterium, um eine lokal-genealogische Entscheidung argumentativ zu untermauern? Und führte die gleiche Argumentation konsequent immer zu gleichen Entscheidungen? Eine solche Analyse allein würde wichtige Einsichten bringen. Es geht hier nicht darum, dem Algorithmischen die Alleinherrschaft zuzusprechen. Dennoch sollte man in der nahen Zukunft vom korrigierenden Potential des Digitalen mehr erwarten. 2.2 Neutestamentliche Handschriften und Phylogenetik „[D]ie innere Gesetzlichkeit der Tradierung des neutestamentlichen Textes mach[t] die Aufstellung eines [ … ] Gesamtstemmas nicht nur in der Gegenwart, sondern aller Voraussicht nach auch in absehbarer Zukunft nicht möglich“ 54 , prophezeiten Kurt und Barbara Aland vor knapp dreieinhalb Jahrzehnten. Die Möglichkeiten einer computerbasierten Errechnung eines solchen Stammbaumes waren in den 1980ern freilich nicht ohne weiteres vorauszusehen. Hier kommt der neutestamentlichen Textwissenschaft eine Teildisziplin der Biologie zur Hilfe, die sich mit der Erforschung der Stammesgeschichte von Lebewesen beschäftigt. Die Phylogenetik nämlich - besonders die molekulargenetische Analyse der DNS und die Systematisierung/ Taxonomie durch die Methoden der Kladistik - setzt seit den 1960er Jahren Computerprogramme ein, die anhand von verglichenen Merkmalen Stammbäume konstruiert. 55 Die auffälligen Analogien zwischen der Phylogenetik und der in den Philologien betriebenen Stemmatologie wurde schon in den 1970er Jahren bemerkt. 56 In der neutestamentli- 54 Aland/ Aland, Text, 44. 55 Zur Anwendung kladistischer Software auf die Textgeschichte des Neuen Testaments sei hier, neben der unten dargestellten Dissertation von Stephen Carlson, auf die Dissertation von Yii-Jan Lin (vgl. Lin, Erotic Life) verwiesen. Als standardsetzendes Handbuch, das die zugrundelegenden Theorien detailliert darlegt, verweise ich auf Felsenstein, Inferring Phylogenies. 56 Carlson, Galatians, 80, der hier u. a. auf den Artikel von Platnick/ Cameron, Cladistic Methods, verweist, der die Kladistik aufgrund des Erfolges der Stemmatologie und ihren heuristischen Fokus auf Leitfehler empfiehlt. Selbst Handbücher zur molekularen Phylogenetik allegorisieren gerne mit Rückgriff aus der Welt des Kopierens von Texten: „Die Genome dienen, gleichsam als Handbücher und Gebrauchsanweisungen, vornehmlich als 132 Juan Garce´s chen Wissenschaft ist aber die Anwendung besagter Ansätze bisher eher auf Zurückhaltung gestoßen. Mit der Dissertation von Stephen Carlson 57 haben wir nun eine monographische Abhandlung, die den Ansatz kritisch auf den Galaterbrief anwendet. Als Datengrundlage dient Carlson die von Reuben Swanson für den Galaterbrief zusammengestellte Kollation von Handschriftentexten, 58 von denen er insgesamt elf Handschriftentexte korrigiert und die er um mehrere Handschriften- und Übersetzungstexte ergänzt hat. Die insgesamt 1624 Varienteneinheiten der 92 kollationierten Zeugen wurden von Carlson in zwei Schritten analysiert. Im ersten Schritt lies Carlson ein von ihm geschriebenes Programm 59 nach dem in der Kladistik gefolgtem Parsinomie-Prinzip mehrere Stemmata erstellen. 60 Diese Stemmata sind noch nicht ausgerichtet (sie sind unoriented), d.h. sie besagen noch nichts über die genealogische Richtung der Handschriftentexte zueinander bzw. haben noch nicht einen genealogischen Ausgangspunkt identifiziert. Sie zeigen aber schon wahrscheinliche, wenn auch genealogisch-richtungsoffene Beziehungen zwischen den Handschriftentexten. Anders als bei der Berechnung der prägenealogischen Kohärenz der KBGM aber wurde hier das Phänomen der Kontamination - in der Biologie wird dieses Phänomen als „Retikulation“ bezeichnet - mit berechnet. Das Parsimonie-Prinzip, das in der Geisteswissenschaft besser als „Ockhams Rasiermesser“ bekannt ist, gebietet ja die höchste Sparsamkeit im Umgang mit Hypothesen und Theorien. In der Phylogenetik spricht man auch gerne von „Kosten“, die bei der hypothetischen Erstellung von Stammbäumen anfallen. Mit Allan Dickermans „Hypertree“-Ansatz berechnet Carlsons Programm für jeden Fall der Kontamination zusätzliche „Kosten“ in Form von der Streichung von Verbindungslinien (Kanten). 61 Das Informationsspeicher der Steuerung aller Lebensfunktionen. Die Kopierarbeiten an diesen Büchern des Lebens bringen Tippfehler, neue Sätze, Kapitel, umgestellte Passagen und fehlende oder neu eingefügte Seiten mit sich. Aus diesen Veränderungen die Stammesgeschichte der Organismen nachzuzeichnen, ist Gegenstand der molekularen Phylogenetik.“ (Knoop/ Müller, Gene, 1). Man sollte aber an dieser Stelle auch auf die Unterschiede zwischen Phylogenetik und Stemmatologie hinweisen. S. dazu Lin, Erotic Life. 57 Der Text der Dissertation (Carlson, The Text of Galatians and Its History (PhD Thesis), Duke University 2012 〈 http: / / dukespace.lib.duke.edu/ dspace/ handle/ 10161/ 5597 〉 ) steht unter der angegebenen URL zum kostenfreien Download zur Verfügung. Die überarbeitete Fassung wurde in WUNT II 385, Tübingen 2015 veröffentlicht. Der besseren Zugänglichkeit wegen werde ich auf den 2012 eingereichten Dissertationstext verweisen. 58 Swanson, Galatians. 59 Der in C programmierte Code bestand aus 6548 Zeilen, die in 21 Quelldateien verteilt waren (s. Carlson, Text, 104, Anm. 141). 60 Carlson, Text, 88. Das Programm lief über zwei Wochen (s. Carlson 2012: 104). 61 Carlson, Text, 100f. Das konkrete Festlegen dieser „Kosten“ ist nicht unkompliziert. Carlson entscheidet sich für die Durchschnittsanzahl eingeführter Varianten pro Handschrift. 133 Marcion in der Turing-Galaxie Ergebnis ist demnach im Idealfall das hypothesensparsamste Stemma. Die Einberechnung der wahrscheinlichen Kontamination im ersten automatisierten Schritt hat eine Reihe von Vorteilen. Einer davon ist, dass im Gegensatz zur im INTF praktizierten Einbeziehung der lokalen Stemmata dieser arbeits- und hypothesenintensive Schritt ausfallen kann. In einem zweiten Schritt greift Carlson auf interne Kriterien der traditionellphilologischen Analyse zurück, um das Stemma anhand der Knoten oder Zweige auszurichten (orient), die dem ältesten Wortlaut am nächsten kommt. 62 Carlson behilft sich der Arbeit des INTF und der Hortschen Theorie des „neutralen Texts“, um den Bereich zu identifizieren, an dem sich diese häufen, und findet einen „inneren Ast“, der Codex Sinaiticus mit Codex Vaticanus/ P 46 verbindet. Ähnlich der KBGM verfolgt also Carlson in der von ihm angewandten Methode einen hybriden stemmatisch-ekklektischen Ansatz. 63 Innovativ ist die Anwendung phylogenetischer Ansätze, die es ihm erlauben, trotz der hochgradigen Kontamination und angenommenen zufälligen Mehrfachentstehung von Schreibfehlern dennoch stemmatologisch zu arbeiten. Dabei ist bemerkenswert, dass die Rekonstruktion des ältesten Wortlautes lediglich an zwölf Stellen vom NTG abweicht. 64 Der Vorteil dieses Ansatzes liegt jedoch auch im unterschiedlichen Textbegriff und - implizit - der potentiell größeren texthistorischen Leistung gegenüber der KBGM. Wie Carlson 2014 bei der Panel Session der Jahrestreffen des Society of Biblical Literature in San Diego bemerkte, ist es nämlich nicht das Ziel der KBGM - trotz des Begriffes „genealogisch“ - Fragen zur Textgeschichte des Neuen Testaments zu beantworten, sondern zielstrebig den „Ausgangstext“ gründlich zu rekonstruieren: 65 „The CBGM is not really intended to give a history of the text (in terms of the history of manuscript production) but to identify a set of texts that carry the readings of the initial text.“ 66 Beim Verfolgen dieses Ziels erscheint die Unterscheidung von (konkretem) Handschriftentext und (abstrakten) Textzeugen als sinnvoll. Für eine wachsende Zahl von Forschern gilt jedoch hierbei: „the textual critic interested in the history of the text still has a lot of work to do“ 67 . 62 Carlson, Text, 92ff. 63 Carlson, Text , 59: „this study of the text of Galatians and its history proposes to take a hybrid stemmatic-eclectic approach to the textual evidence”. 64 Diese Zahl kann natürlich in beide Richtungen als erstaunlich angesehen werden. 65 Carlson, Comments, 1. 66 Carlson, Comments, 2. 67 Carlson, Comments, 2. Die Zweitrangigkeit des Ziels der KBGM erkläre auch den Tatbestand, dass „[n]o global stemma has yet been formally published for the CBGM, and the text flow diagrams do not answer such questions brought to bear on the history of the text” (Carlson, Comments, 2). 134 Juan Garce´s Noch relevanter für die Fragestellung dieses Sammelbandes sind Carlsons Beobachtungen bezüglich der Frühgeschichte des Neuen Testaments. Die Divergenzen zwischen den frühesten Handschriftentexten und ihrer fragmentarischen Natur führen zu einer auffälligen Verflachung des mit der KBGM rekonstruierten Textflußdiagramms: „a rather large set of texts that are identified as having only the initial text as their first (or second? ) potential ancestor. This flattening results in a loss of structure of the early textual history and therefore puts a premium on the use of internal evidence to get the initial text right.” 68 Carlsons Ansatz zeigt, wie man durch die Anwendung von digitalen Methoden in Verbindung mit traditionell-philologischen Beobachtungen trotz der komplexen Textgeschichte des Neuen Testaments nicht auf einen abstrakten Textbegriff zurückgreifen muss bzw. gerade deswegen die Rekonstruktion der Textgeschichte der Handschriftentexte in den Hintergrund stellen muss. Weder die von Carlson verwendeten Kollationstabellen noch die von ihm geschriebenen Computerprogramme stehen - soweit ich sehen kann - dem Nutzer zur Verfügung. Die kritische Durchsicht der Programme wird aufgrund der Tatsache, dass C eine höchst anspruchsvolle Sprache ist, nur relativ wenigen Forschern wirklich etwas bringen. Dennoch wünscht man sich im Sinne des Open-Science-Gedankens die Nachnutzbarkeit besagter Elemente. Bei unserem letzten Beispiel scheint dies besser umgesetzt. 2.3 Das Neue Testament der frühchristlichen Autoren und multivariate Analysemethoden Gerald Donkers Dissertation 69 ist nicht nur wegen ihrer Forschungsfrage und der angewandten digitalen Methoden relevant und bemerkenswert. Sie zeichnet sich auch dadurch aus, dass die analysierten Daten, Analyseprogramme, Ergebnistabellen und -graphen dem interessierten Forscher frei zur Verfügung gestellt werden. 70 Donker hat dabei auf Formate gesetzt, die entweder praktisch offen (Bilder kommen im GIF- oder JPG-Format, Tabellen als CSV-Dateien) oder explizit Open Source (Analyseprogramme wurden in Python und R geschrieben) sind. Beide Programmiersprachen haben sich vor allem in den Forschungsfeldern, für die die Statistik wichtig sind, gut etabliert und setzen sich zudem auch 68 Carlson, Comments, 2. 69 Donker, Text. 70 Diese sind über die Website des Verlegers - die Society of Biblical Literature - als PDF- Datei mit den dokumentierten Addenda und als Dateien selbst zum Download zur Verfügung gestellt (http: / / www.sbl-site.org/ assets/ pdfs/ pubs/ Donker/ Athanasius.zip). Man wünschte sich, dass diese Daten unter einer expliziten, offenen Lizenz - wie z. B. Creative Commons (https: / / de.creativecommons.org/ ) oder einer GNU GPL (http: / / www.gnu.de/ documents/ gpl-3.0.de.html) veröffentlicht werden. Die Zurverfügungstellung und expliziten Angaben in der Monographie implizieren aber einen solchen Gebrauch. 135 Marcion in der Turing-Galaxie durch ihre relativ leichte Erlernbarkeit positiv ab. 71 Dieser Aspekt ist m. E. im Sinne der Offenheit vorbildlich und zukunftsweisend. Die Fragestellung, der Donker hier nachgeht, ist die der textgeschichtlichen Einordnung der neutestamentlichen Referenzen (konkret: zur Apostelgeschichte, den Paulusbriefen und den Katholischen Briefen) des Athanasius von Alexandria im 4. Jahrhundert. Bekanntlich ist dieser derzeit beliebte aber auch äußerst komplexe Forschungsbereich deswegen so interessant, weil er nicht nur den historischen Befund der Handschriften um die Zitate und Referate der frühen Schriftsteller erweitert, sondern diese auch besser durch die untersuchten Autoren chronologisch und geographisch verankern kann, was ja mit dem handschriftlichen Befund oft nur recht breit und spekulativ möglich ist. Dabei kann sich Donker methodologisch auf die Vorarbeiten der in derselben Reihe 72 veröffentlichten Autoren, aber auch auf die noch unpublizierte Dissertation von John Brogan 73 stützen. Methodologisches Neuland begeht Donker aber, indem er die Quantitative Methode und die (nicht ganz unumstrittene) Comprehensive Profile Method um multivariate Verfahren erweitert. Mit der multivariaten Statistik kann man nämlich, anders als in den vorhergehenden Methoden, gleich mehrere statistisch relevante Variablen mit berücksichtigen und dadurch kann ein Phänomen umfangreicher untersucht werden. 74 Hierbei unternimmt Donker vier methodische Schritte: 75 (1.) zunächst erstellt er eine Ungleichheit-Datenmatrix (dissimilarity data matrix), welche für die Errechnung statistisch signifikanter Übereinstimmung zwischen Textzeugen besonders ergiebig ist; dann errechnet er (2.) die kritischen Ungleichheits-Werte (critical values of dissimilarity) und ermittelt davon abhängig die signifikanten Beziehungen zwischen Handschriftentexten; des Weiteren (3.) kartographiert er diese Abhängigkeiten aller Handschriftentexte zueinander in einem zwei- und einem dreidimensionalen Graphen (multidimensional scaling maps), die den überlieferungsgeschichtlichen Textraum (textual space) darstellen; und schließlich werden (4.) die Ergebnisse noch einmal in Baumgraphen (Dendogramme) und Optimalen Cluster-Graphen (optimal cluster maps) visualisiert. 71 Dies ist aber nicht nur für die Wirtschafts- und Naturwissenschaften der Fall. Selbst für die Literaturwissenschaften findet man mittlerweile empfehlenswerte Einführungen - vgl. z. B. Jockers, Text Analysis. In den digital betriebenen Altphilologien findet man auch zunehmend die Anwendung von Python - s. z. B. das Open Greek and Latin Project und die corpuslinguistische Arbeit von James Tauber. 72 https: / / www.sbl-site.org/ publications/ Books NTGrF.aspx. 73 Brogan, Text. 74 Donker, Text, 217f. 75 Donker, Text, 18-226. 136 Juan Garce´s Auch wenn die Ergebnisse bestehender Vorarbeiten eher, wenn auch oft gegenüber diesen nuancierter, bestätigt 76 werden, zeigt doch Donkers Studie, dass ein solcher Ansatz, zusammen mit anderen Ansätzen, vielversprechend auch auf andere Autoren angewandt werden sollte. Positiv ist hier zunächst zu erwähnen, dass die multivariate Analyse der Komplexität gerechter wird als andere Ansätze. Herausragend sind die Qualität und der heuristische Wert der zahlreichen Visualisierung von Datenanalysen. Komplexe Zusammenhänge erkennt man oft erst in der graphischen Darstellung. 2.4 Digitale Analyse und die Konsequenzen für die Erschließung Die Erforschung der neutestamentlichen Textgeschichte ist ein notwendigerweise datengetriebenes Unternehmen. Es hat sich gezeigt, dass digitale Analyseansätze sich durchaus schon auf diesem Gebiet etabliert haben. Nicht ganz klar ist noch, welche Rolle diese Ansätze gegenüber den traditionell-philologischen Ansätzen spielen sollte. Sie wollen diese nicht ersetzen, sondern ergänzen. Aber inwiefern sollen sie auch ein Korrektiv darstellen, bzw. inwiefern helfen sie, die Subjektivität der traditionellen Ansätze zu verringern? Die strikte Formalisierung von Algorithmen zwingt die Forschung, Sachverhalte grundsätzlich neu zu denken. Vor allem gilt dies für einen Bereich, der stark mit rekonstruierten Szenarien und Wahrscheinlichkeiten arbeiten muss. Hier überrascht es, wie wenig statistisches Grundwissen vorausgesetzt wird. Ein großer Vorteil von digitalen Verfahren ist ihr Versuchscharakter und ihre Wiederholbarkeit. Bei gleichem Datensatz und Analysealgorithmus sollte sich das gleiche Ergebnis einstellen. Dies ermöglicht aber auch die Wiederholung des „Experiments“ mit modifizierten Daten oder Analyseparametern. Die Aufgabe der neutestamentlichen Wissenschaft ist es, an dieser Stelle festzustellen, welche Aspekte algorithmisch analysierbar sind und welche nicht. Dies geht aber nur, wenn beide Elemente - Daten und Verfahren - offen zugänglich sind. Ein datengetriebenes Unternehmen braucht tief und vor allem konsistent erschlossene Daten, die zur freien Forschung bereitgestellt werden. Der Frage, wie man diese Daten digital erschließen sollte, werde ich mich im letzten Abschnitt widmen. 76 Der neutestamentliche Text des Athanasius zeigt wenig überraschend eine starke Affinität zum „alexandrinischen“ Text, auch wenn dies in der Apostelgeschichte ausgeprägter ist als in den katholischen und paulinischen Briefen. Vgl. Donker, Text, 313-315. 137 Marcion in der Turing-Galaxie 3 Digitale Erschließung der Frühgeschichte des neutestamentlichen Textes [T]he textual criticism of the New Testament cannot be carried out by statistical methods. Before you can reasonably apply statistics you must have exact and complete figures - which in this field do not exist. In fact, they never will nor can exist. 77 3.1 Rekonstruierte Texte und deren Auszeichnung Knapp ein Jahrhundert nach Adolf von Harnacks monumentalem Marcion- Buch, 78 das die Forschung nachhaltig prägte und das Thema scheinbar abschloss, erschienen gleich zwei Rekonstruktionen des von Marcion herausgegebenen Evangeliums (Mcn). 79 Diese bemerkenswerte Gegebenheit ist gleich aus mehreren Gründen in unserem Zusammenhang interessant. Marcion und seine Sammlung von einem anonymen Evangelium und zehn Paulusbriefen stehen mitten im Ereignishorizont, hinter dem wir die Geschichte der neutestamentlichen Texte zu rekonstruieren versuchen. Keiner bezweifelt, dass Marcion ein solches Werk im zweiten Jahrhundert herausgegeben hat und dass diese Ausgabe die nachfolgende frühkirchliche Diskussion und neutestamentliche Ausgaben nachhaltig - wenn auch vorwiegend polemisch-kontrovers - beeinflusst hat. Eine kritische Neuerschließung seiner patristischen Bezeugung und eine Neudiskussion der für die Rekonstruktion relevanten Vorannahmen und Rekonstruktionskriterien sollten schon deswegen wünschenswert sein. Doch die Rekonstruktion der marcionitischen Sammlung stellt die Forschung vor einer Reihe von Herausforderungen und Entscheidungen. Nicht zuletzt stößt man auf medientechnische Grenzen bei der Erschließung der Daten und, vor allem, deren Darstellung. Eine Edition des rekonstruierten Textes will nämlich mehr über die Rekonstruktion aussagen als die einfache Darstellung des Textes. Beide Autoren mussten sich deswegen bei der Darstellung einiger typographischer Hilfskonstrukte bedienen. 80 Neben der Hervorhebung durch normalen, fetten und kursiven Schriftstil (oder einer Kombination derselben), findet man 77 Zuntz, 1953, 58. 78 Harnack, Marcion. 79 Klinghardt, Evangelium; Roth, Text. Roths Buch ist eine Überarbeitung seiner 2009 an der University of Edinburgh eingereichten Dissertation, die an folgender Adresse zum Download verfügbar ist: https: / / www.era.lib.ed.ac.uk/ bitstream/ handle/ 1842/ 7902/ Roth 2009.pdf. In diesem Zusammenhang muss man auch die fast zeitgleichen Studien von Markus Vinzent (Vinzent, Dating) und Judith Lieu (Lieu, Marcion) erwähnen. 80 Vgl. die Erläuterung bei Klinghardt, Evangelium, 450f.; Roth, Text, 410-412. 138 Juan Garce´s die Kombination mit unterstrichenem Text bzw. mit diversen Klammern (runde, eckige, geschweifte und sogar Doppelklammern). Klinghardt ergänzt zusätzlich den für Marcion nicht bezeugten lukanischen Text in unterschiedlicher Schriftgröße (sog. Petitdruck). Ausgesagt werden soll über den rekonstruierten Text unterschiedliches. Einerseits geht es natürlich um die Darstellung des Befundes in den frühchristlichen häretiologischen Referaten: Wird das betreffende Textsegment wörtlich oder nicht-wörtlich zitiert, implizit besprochen oder erwähnt? Wird es gleich von mehreren Autoren aufgeführt, stellt sich gleich die Frage: wie oft, von wem und wie gleichmäßig? Denn Letzteres ist auch für die grundlegende Bewertung des Befundes relevant: Wie sicher ist man sich über welchen Aspekt der Rekonstruktion? Ist man sich beispielsweise über die An- oder Abwesenheit gegenüber Lk sicher, aber nicht unbedingt über den genauen Wortlaut? Es sollte schon hier klar sein, dass die möglichst strenge Trennung einer relativ hypothesenneutralen und differenzierten Darstellung des Befundes und deren differenzierten Bewertung aufgrund verschiedener Vorüberlegungen schon beim Erschließungsprozess eingehalten werden sollte. Aufgrund der grundsätzlichen Trennung von Erschließung auf der einen Seite und sowohl Darstellung als auch Analyse auf der anderen Seite bietet die digitale Erschließung eine Chance, die oben erwähnten Qualifizierungen eines (rekonstruierten) Textes neu zu durchdenken und klarer zu differenzieren. Denn im Grunde stellen die oben erwähnten Rekonstruktionen des Mcn ein hybrides Gebilde dar, bei dem gleich mindestens drei Textkomplexe und ihre intertextuellen Relationen zum Ausdruck kommen. Um an den Text des Mcn zu gelangen, muss man sich schließlich einerseits durch die Texte der Häresiologen (und deren relativ überschaubare Textgeschichte) durcharbeiten, aber andererseits auch durch Lk (und dessen Textgeschichte). Die durch eine ausgeklügelte Schriftauszeichung qualifizierte Rekonstruktion von Klinghardt und Roth ist nicht nur die eigentliche Erschließung der konstituierenden Textdaten, sondern schon ein Destillat einer eingehenden Analyse. Diese Beobachtungen können und wollen keine Kritik an der Arbeitsweise und den Leistungen der beiden Forscher sein. Es ist vielmehr eine Bestandsaufnahme eines Desiderats und einer Chance, im digitalen Zeitalter die für die Erforschung der Textgeschichte notwendigen Grunddaten gründlicher und systematischer zu erschließen. Denn idealerweise wäre es näherliegend, den mcn und lkn Text zunächst in den Texten der Häresiologen qualifiziert zu kennzeichnen. 81 81 Praktisch liegt aber oft ein pragmatischer Ansatz näher, bei dem man mit den Daten anfängt, die einem zur Verfügung stehen. Den elektronischen Text der Vordruckfassung von Klinghardt, Evangelium, habe ich auf eine TEI-Erschließung hin analysiert und an ihm eine anfängliche, automatisierte Auszeichnung vorgenommen. Die XML-Datei wurde von Daniel Pauling überarbeitet und auf der Webseite des Projektes „The earliest Edition of 139 Marcion in der Turing-Galaxie Solch eine nuancierte Qualifizierung eines Textes nennt man in der digitalen Editorik „Auszeichnung“ (markup) und keine Auszeichnungssprache hat sich in den digitalen Geisteswissenschaften stärker durchgesetzt als die Extensible Markup Language (XML), 82 insbesondere nach den Spezifikationen der Text Encoding Initiative (TEI). 83 Die TEI-Spezifikationen entstanden aus einem langen Prozess der Konsensbildung. Sie lassen freilich den Anwendern auch einen relativ großen Spielraum in der konkreten Anwendung. Dennoch bieten TEIausgezeichnete Textdaten bei ihrer Darstellung und Analyse eine Reihe von erheblichen Vorteilen. 84 Die angebotenen TEI-Elemente und die zahlreichen Beispiele und Empfehlungen für deren Anwendung erleichtern nicht nur am Anfang die Arbeit der Auszeichnung selbst, in dem man von der Erfahrung und den Vorüberlegungen einer interdisziplinären Community profitiert. Sie bieten auch eine gemeinsame Sprache, mit der editorische Erschließungsprozesse verständlicher und zugänglicher gemacht werden können. Schließlich bieten sie auch die Möglichkeit der offenen Nachnutzbarkeit und der Darstellung und Analyse anhand von Programmen anderer, die aufgrund der standardkonformen Auszeichnung im Prinzip auf alle anderen TEI-ausgezeichneten Dokumente anwendbar sind. 3.2 Handschriftentranskripte als erschlossene Wissensrohstoffe Die grundlegenden Objekte der neutestamentlichen Textgeschichte stellen zweifelsohne die Handschriften mit neutestamentlichen Texten dar. Sie sind sozusagen der Wissensrohstoff, dessen Erschließung am Anfang des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses der neutestamentlichen Textwissenschaft steht. Im digitalen Zeitalter stehen neutestamentliche Handschriften gleich aus zweierlei the New Testament“ (https: / / marcionbible.tu-dresden.de/ ) veröffentlicht. Nun liegt eine Rekonstruktion vor, die zugänglich ist und in Zusammenarbeit mit Dritten diskutiert und verbessert werden bzw. auf Konsistenz der Rekonstruktionskriterien hin digital analysiert werden kann. 82 Der derzeit gültige Standard wurde 2008 vom World Wide Web Consortium (W3C) in der 5. Auflage dokumentiert. S. https: / / www.w3.org/ TR/ xml/ . 83 Die derzeit als Standard beschriebenen Richtlinien werden vom TEI-Consortium in der P5- Version hier zur Verfügung gestellt: http: / / www.tei-c.org/ release/ doc/ tei-p5-doc/ de/ html/ index.html. 84 Eine lesenswerte Einführung bietet Schöch, Textformat. Dass das XML-Datenmodell - die Ordered Hierarchy of Content Objects (OHCO) - auch Nachteile hat, sollte hier nicht verschwiegen werden. Es zwingt beispielsweise, bei der Auszeichnung einen Textaspekt - z. B. „logischer“ Aufbau in Bücher, Kapitel, Verse etc. - in den Vordergrund zu stellen und andere Aspekte - z. B. „physischer“ Aufbau in Lagen, Folios, Seiten, Kolumnen, Zeilen - in etwas umständlicher Weise zu integrieren. Man spricht hier vom Problem der „overlapping hierachies“, für die es zwar verschiedene Lösungsversuche gibt, das aber dennoch stets bei komplexen Auszeichnungsschichten im Raume steht. 140 Juan Garce´s Gründen im Mittelpunkt: Die Handschriften sind durch eine wachsende Zahl hochqualitativer Digitalisate so gut wie noch nie zugänglich; die Erschließungsmöglichkeiten, die man durch TEI-ausgezeichnete Transkripte der Handschriften praktisch umsetzen kann, sind was Zusammenarbeit, Größenordnungen und Erschließungstiefe angeht, historisch sondergleichen. Der New Testament Virtual Manuscript Room 2.0 (NT.VMR - http: / / ntvmr.uni-muenster.de/ ), der in Zusammenarbeit zwischen dem INTF und dem an der University of Birmingham angesiedelten Institute for Textual Scholarship and Electronic Editing entwickelt wurde, veranschaulicht dies in einer besonders erfolgreichen Umsetzung. Das NT.VMR bietet nämlich in seinem „virtuellen Handschriften-Lesesaal“ eine Umgebung, die nicht nur zur Konsultation der bisher erschlossenen neutestamentlichen Daten (Beschreibung der Textzeugen, Handschriftendigitalisate und Transkription derer Texte) ermöglicht, sondern vor allem eine Umgebung zu ihrer kollaborativen Erschließung, in der sich angemeldete Forscher an der Transkription neutestamentlicher Texte beteiligen können. Hierfür stellt das NT.VMR einen vom Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften an der Universität Trier entwickelten Editor zur Verfügung, in dem der angemeldete Forscher den in einem Digitalisat dargestellten neutestamentlichen Text entweder durch eigene Eingabe oder durch die Modifikation eines vorgegebenen Texts transkribieren kann. Von den Teilnehmern werden hierfür keine speziellen XML/ TEI-Kenntnisse erwartet. Der Editor erlaubt es jedoch auch, direkt in den XML-Code, der sonst im Hintergrund steht, zu schreiben. Ein wichtiges Merkmal dieser Umgebung ist es, dass diese Transkripte nicht nur als TEI-kompatible XML-Datei - jedoch scheinbar nur auf Seiten-Ebene - exportiert werden können, sondern dass auch bestimmte Aspekte des Transkriptionsprozesses der Diskussion in der teilnehmenden Community geöffnet werden können. So kann man paläographisch (aber auch anderweitig) auffällige Merkmale der Handschrift direkt am Digitalisat kennzeichnen und mit Stichwörtern versehen. Dies ermöglicht zusätzlich eine direkte Verlinkung an dem so gekennzeichneten Bereich und das Durchsuchen aller Bereiche, die mit bestimmten Stichwörtern gekennzeichnet wurden. Das NT.VMR stellt einen klaren Fortschritt dar, der die neutestamentliche Textforschung zweifelsohne ins digitale Zeitalter versetzt. Für Neutestamentler bietet es eine digitale Umgebung, die den sowohl inhaltlichen als auch technischen Einstieg in die digitale Forschung ermöglicht. Auch für die Lehre stellt es eine besonders ergiebige pädagogische Ressource dar. 85 Das NT.VMR macht da- 85 Dalke/ Ernecke/ Flemming/ Karasinsky/ Künzl/ Wegscheider, Digitale Transkription; siehe auch Künzl, Digitale Transkription. 141 Marcion in der Turing-Galaxie mit aber auch aus einer Notwendigkeit eine Tugend. Denn die grundlegende Erschließung der für die neutestamentliche Textwissenschaft notwendigen Daten kann nur in einer großangelegten, kollaborativen Bemühung geleistet werden. Eine relativ geschlossene Umgebung wie die des NT.VMR bietet dafür eine Reihe von Vorteilen. Die immer noch problematische Frage der Nutzungsrechte der Digitalisate kann damit in den meisten Fällen pragmatisch gelöst werden, indem diese für die Nutzung der angemeldeten Forscher leichter mit den Rechteinhabern verhandelt werden können. Die relative Geschlossenheit hat aber auch Vorteile beim Datenmanagement: sie sichert die für die Verarbeitung wichtige Einheitlichkeit der Daten, besonders bezüglich der Formatierung und Struktur (XML-Schema). Für die nahe Zukunft der digitalen Erschließung wünscht man sich aber weitere soziale und konzeptionelle Entwicklungen der digitalen Wissenskultur, die ich anhand von Antworten auf drei Fragen kurz skizzieren will: Wie sähe eine Erschließung aus, die auf die Öffnung der Daten und offene Vernetzung der Teilnehmer zielt und warum wäre das so erstrebenswert? Inwiefern kann uns Digitalität Zugang zu einem der Handschriftkultur gerechteren Textbegriff bereiten? 3.3 Offenheit ‒ Von der Umgebung zum Netzwerk Was im NT.VMR der Forschercommunity virtuell geboten wird, existiert außerhalb dieser als eine Reihe von Dienstleistungen in einer recht heterogenen Institutionslandschaft. Die physisch-überlebenden, verstreuten Handschriften befinden sich in den sie archivierenden Institutionen: Bibliotheken, Museen, Klöstern, Privatsammlungen etc. Die darauf basierenden Texteditionen - diplomatisch oder eklektisch rekonstruiert - kann man zwar - sofern veröffentlicht - in den besseren Forschungsbibliotheken einsehen, gehören aber im weiteren Sinne den Verlagen und Herausgebern. Die spezialisierten Vorhaben (wie beispielsweise das Septuaginta-Unternehmen) und Forschungsinstitute (wie zum Beispiel das INTF) erfüllen die wichtige Rolle des Sammelns von Handschriftensurrogaten (etwa als physische oder digitale Fotografie) und deren Verwertung in Bezug auf Einsichten in die Textgeschichte und vor allem einer wissenschaftlichen Edition. Der m. E. für die Wissenschaft interessanteste Aspekt - die Erschließung (Transkription und Kollation) der Daten - bleibt jedoch in den meisten Fällen im halbprivaten Besitz der Vorhaben und Forschungsinstitute. Im Rahmen des digitalen Medienwandels wandelt sich auch die Priorität der eben erwähnten Elemente. Im digitalen Zeitalter stehen (strukturierte) Daten - in unserem Fall: Transkription und Kollation - im Vordergrund. Dies hat auch Konsequenzen für die Rolle der Institutionen und deren Dienstleistungen. Die Angst ist freilich, dass die potentielle Offenheit der Daten die beteiligten Institutionen in Legitimationsnöte bringt: Welche Rolle spielen Archive, wenn ihre 142 Juan Garce´s Handschriften in hochauflösenden Digitalisaten zum Download zur Verfügung stehen? Welche Rolle spielen Verlage, wenn digitale wissenschaftliche Editionen den Printausgaben in vielerlei Weise überlegen sind? Welche Rolle spielen Forschungsinstitutionen, wenn ihre mühsam gesammelten und erarbeiteten Daten relativ mühelos digital weiterverarbeitet werden können, nachdem diese digitalisiert worden sind? Die Institutionen - und mit ihnen die Forschercommunity - müssen sich angesichts dieses Wandels neu (er)finden und zwar im Hinblick auf die neue Priorisierung der Forschungsdaten und deren Bereitstellung im neuen Ökosystem. Auch wenn es im digitalen Zeitalter zu tektonischen Verschiebungen kommt, sollte die grundlegende Trennung der Belange (im Sinne von separation of concerns) dennoch weiter bestehen bleiben: Archive kümmern sich weiterhin für die Konservierung des physischen Handschriften und liefern deren digitale Surrogatdaten (Digitalisat und strukturierte Beschreibung) - gerne im eigenen Viewer, aber immer auch über eine externe Schnittstelle - und garantieren somit die nachhaltige Verfügbarkeit und wissenschaftliche Weiterverarbeitung. Forschungsinstitute werden sich weiterhin weiterentwickeln und zwar als methodologische Kompetenzzentren, die aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung mit der Weiterverarbeitung von Analysedaten und derer Interpretation hier einen wertvollen Beitrag leisten. Im digitalen Zeitalter werden aber die Analysen ihre Legitimität anhand der Daten beweisen müssen, und dafür müssen diese offen zur Verfügung stehen. Schwieriger sieht es freilich für Verlage aus. Die Gerüchte über den Tod des gedruckten Buches sind übertrieben worden. Es wird weiterhin und voraussichtlich langfristig einen Bedarf hierfür geben. Im Hinblick auf die digitale Forschung könnte man aber einen Kompromiss vorschlagen, aufgrund dessen man digitale Primärquellen (in unserem Fall: Texteditionen neutestamentlicher und frühchristlicher Literatur) für die offene, wissenschaftliche Weiternutzung zur Verfügung stellt, die Verlage aber weiterhin die Ergebnisdaten wissenschaftlicher Analysen publizieren. Absolut grundlegend für den Erfolg eines solchen Szenarios sind offene und standardkonforme Datenschnittstellen und Austauschprotokolle. 86 Denn nur dann können Daten frei genutzt und referenziert werden. Eine digitale Forschung ohne diese Möglichkeit ist einfach stark in ihrer wissenschaftlichen Aussagefähigkeit eingeschränkt. Ein letzter Punkt sollte hier kurz erwähnt werden: Mit dem technisch-medialen Wandel müssen sich auch universitäre Metriken wandeln. Ein nicht unwesentlicher Aspekt ist die Sichtbarkeit und angemessene Bewertung kleinerer 86 Als erfolgreiches Beispiel sind die Canonical Text Services (CTS - http: / / cite-architecture.github.io/ cts/ ) anzuführen. 143 Marcion in der Turing-Galaxie Beiträge in kollaborativen Vorhaben wie die Transkription von neutestamentlichen Texten im NT.VMR. Die digitale Umgebung erlaubt es selbstverständlich, auch kleinere Beiträge zu „messen“ und kumulativ zu erfassen, wie man es beispielsweise bei der Erfassung von Beiträgen bei der Softwareentwicklung schon tut. 87 3.4 Ein umfassender Textbegriff Der in den etablierten textkritischen Methoden zugrundeliegende Text ist angemessenerweise ein abstrakter, ,linguistischer‘ Text, der nur das erfasst, was für die Rekonstruktion eines ältesten Wortlauts wesentlich zu sein scheint. Orthographische Varianten, Akzente, sinngebende Textgestaltung und dergleichen wurden für die Textkollation nicht berücksichtigt. Das hat einmal praktische Gründe: die Aufnahme solcher Merkmale würde eine Kollationstabelle überkomplizieren. Es hat aber auch textbegriffliche Gründe, die durch den historischen medientechnologischen Kontext der modernen neutestamentlichen Textwissenschaft seit dem 17. Jh. bedingt sind. Im Rahmen der zunehmenden Zahl zugänglicher Bibelhandschriftendigitalisate und - vor allem - der digitalen Erschließung derer Texte in Form von XML-ausgezeichneten Transkripten stoßen sich Forscher zunehmend am Informationsverlust, den diese Abstraktion erlaubt. Insbesondere haben sogenannte ,Paratexte‘ - Material, das den ,eigentlichen‘ Text begleitet, wie z. B. Einführungen, Inhaltsbeschreibungen, Glossen, Kolophone und dergleichen - das Augenmerk der Textwissenschaft gefunden. Im Rahmen der Vorarbeiten für die ECM schreibt die Forschergruppe an der KiHo Wuppertal/ Bethel, dass man sich von der zusätzlichen Erschließung der Paratext-Elemente „Einblicke in das kulturgeschichtliche Setting der Apk-Hss.“ sowie die erfolgreiche Verbindung sozial-geschichtlicher und textkritischer Fragen erhoffte. 88 Nicht zuletzt hat es eigens auf dieses Phänomen ausgerichtete Projekte, wie das „Paratexts of the Bible“-Projekt (paratexbib.eu/ ) ins Leben gerufen. Aus dieser Einsicht, nämlich dass der technisch-mediale Kontext des Buchdrucks die moderne neutestamentliche Wissenschaft geprägt hat, kann man zahlreiche Schlussfolgerungen ziehen. Abschließend soll hier nur eine Konsequenz für die Datenerschließung erwähnt werden. Wenn der in der neutestamentlichen Wissenschaft etablierte Textbegriff bewusst oder unbewusst bestimmte Aspekte der handschriftlichen Überlieferung in seiner Erschließung als unwesentlich ausgelassen hat, wir aber diesen Textbegriff im postdigitalen Zeitalter als zu eng sehen müssen, heißt dies, dass wir nun die ehemals weggelassenen Elemente bei der digitalen Erschließung mit 87 Georgios/ Kalliamvakou/ Spinellis, Measuring Developer Contribution. 88 Lembke/ Müller/ Schmid/ Karrer, Apokalypse, 11f. 144 Juan Garce´s erfassen müssen. Das bedeutet weiterhin, dass die ohnehin umfangreiche Aufgabe nun noch größer geworden ist und wir vermehrt auf die großangelegte Zusammenarbeit in virtuellen Umgebungen angewiesen sind. Vor allem sollten die mühsam erschlossenen Daten frei zur Nachnutzung zur Verfügung gestellt werden. Als anschauliches Beispiel und repräsentativ für die zahlreichen zu diesem Thema in jüngster Zeit veröffentlichten Studien könnte man hier die interessante Dissertation von Alan Mugridge 89 anbringen. Ein Großteil der Monografie besteht in der Auflistung von Handschriftenbeschreibungen und -kategorisierungen, die er zweifelsohne mühsam zusammengetragen hat. Angesichts der oben erwähnten digitalen Analysemöglichkeiten ist es bedauerlich, dass solche Daten immer noch zum Nachschlagen und zur Lektüre im Druck, aber nicht zur digitalen Nachnutzung veröffentlicht werden. Conclusio Welche Perspektiven eröffnen sich also für das Forschungsinteresse am frühen neutestamentlichen Text im Schatten des fortschreitenden Medienwandels? Die sich ergebende Situation ist überaus positiv und verleiht unserem Forschungsbereich ein neues Interesse und vor allem eine neue Vitalität: Die Welt der virtuellen Vernetzung erlaubt einen zunehmenden und präzedenzlosen Zugang zu den für die Forschung grundlegenden Daten: Handschriftendigitalisate, Transkripte, Kollation, Auswertungen und deren Visualisierung; digitale Methoden ermöglichen die ungeheure Beschleunigung von Algorithmus-basierten Analysen; Daten können nun auch gemeinsam erschlossen, vernetzt und nachgenutzt werden. Vor allem ist jetzt ein umfassenderer, komplexerer und den historischen Bedingungen gerecht werdender Textbegriff denkbar, erschließbar und praktisch analysierbar. Zumindest vorübergehend rückt der Fokus weg von den als gesichert und praktisch nicht hinterfragbar angesehenen Texteditionen hin zu den Daten, die für jegliches Verständnis des frühen neutestamentlichen Textes grundlegend sind. Der erfolgversprechendste Leitgedanke für den Umgang mit solchen Daten ist die Offenheit - offene Zusammenarbeit, offen zugängliche und nachnutzbare Daten, offene und nachprüfbare Analysen. Die Herausforderungen für die neutestamentliche Wissenschaft sind aber nicht zu unterschätzen. Neue Modelle der Zusammenarbeit und der Bewertung von wissenschaftlichen Leistungen sind notwendig. Genauso ist eine auf digitale Grundkompetenzen hin ausgerichtete Revision der Fachdidaktik unabdingbar. 90 Einer eingehenderen, interdisziplinären Reflexion über die Grenzen und Poten- 89 Mugridge, Copying. 90 Ein Überblick und erster Versuch findet sich bei Garce´ s/ Heilmann, Digital Humanities. 145 Marcion in der Turing-Galaxie tiale der digitalen Methoden wird man sich auch stellen müssen. Letztlich benötigen wir noch bessere und umfangreichere erschlossene Daten. Es ist erstaunlich, wie viel eine Disziplin mit einem verhältnismäßig kleinen Korpus noch zu leisten hat. Doch wie für Origenes die technologischen Neuerungen in der Kodexproduktion für eine neue, verheißungsvolle Ära der biblischen Philologie stand, so sollte auch der digitale Wandel Ähnliches hoffen lassen. Mein Vorschlag ist, dass wir in den neuen Gewässern den Weg zwischen Hype und Widerstand, den derzeitig umtriebigen Skylla und Charybdis finden. Ich hoffe, diese Beobachtungen haben hierzu einen bescheidenen Beitrag geleistet. Varianten in der Textüberlieferung des Johannesevangeliums Zur Frage nach deren redaktionsgeschichtlicher und narrativer Relevanz Jan Heilmann, Peter Wick Das Interesse an literarkritischen und redaktionsgeschichtlichen Fragestellungen hat in der Johannesforschung deutlich abgenommen. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass das diachrone Lektüremodell der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, das sich vor allem in Anknüpfung an Rudolf Bultmanns Johanneskommentar etabliert hat, in weiten Teilen der Forschung von primär synchronen Ansätzen der Auslegung abgelöst worden ist. 1 Diachrone Fragestellungen in der Johannesforschung beziehen sich zumeist nur noch auf das Verhältnis von Johannes zu den Synoptikern. 2 Im Rahmen seiner Untersuchung zum Evangelium, das für Marcion zusammen mit zehn Paulusbriefen bezeugt ist, hat Matthias Klinghardt neben seinen Hauptthesen zur Priorität dieses anonymen Evangeliums (Mcn) 3 gegenüber dem Lukasevangelium und seiner Stellung im Rahmen der Bearbeitungsverhältnisse zu den synoptischen Evangelien in einem kleinen Kapitel nicht nur eine neue 1 Einschlägig für diesen Paradigmenwechsel ist der Kommentar von Hartwig Thyen, der in seiner Forscherbiographie selbst einen Wechsel von einer diachronen Lektüre des Johannesevangeliums zu einer radikal synchronen Perspektive vollzogen hat. Vgl. Thyen, Joh, 1-5. 2 Vgl. aber den von J. Zumstein vorgeschlagenen Ansatz, diachrone Entwicklungsprozesse des Johannesevangeliums bis zu einer „Endredation“ als „Relecture“-Prozess zu konzeptualisieren. Vgl. dazu insb. Zumstein, gewachsenes Evangelium; Zumstein, Erinnerung; Zumstein, saint-Jean; Zumstein, Joh. 3 Das Kürzel Mcn, das aus der Ermangelung anderer Alternativen gewählt werden musste, ist zugegebenermaßen etwas unglücklich, aber legitimiert sich aus der historisch sicher verifizierbaren Verwendung dieses Textes durch Marcion und die Marcioniten sowie durch andere christliche Gruppierungen, die aus der Sicht der entstehenden Kirche als „häretisch“ galten. Vgl. zur Begriffsklärung Klinghardt, Evangelium, 24. Das Kürzel Mcn impliziert im Ansatz Klinghardts weder die These, dass Marcion das Evangelium geschrieben habe, noch eine bestimmte Datierung oder gar Spätdatierung dieses Textes. 148 Jan Heilmann, Peter Wick Hypothese zum Verhältnis von Johannes zu den Synoptikern aufgestellt; und zwar eine, die es ermöglicht, die schwierig zu erklärenden Berührungspunkte zwischen Joh und Lk mit einer doppelten Bearbeitungsrelation Mcn ( œ proto-Lk) Joh Lk erstaunlich gut zu beschreiben. Sondern er hat daneben auch einen Modellansatz skizziert, textkritische Varianten im Johannesevangelium redaktionsgeschichtlich auszuwerten. Dabei ist es wichtig vorab zu betonen, dass sein Modellansatz zur Erklärung der Varianten nicht abhängig ist von seiner These der doppelten Bearbeitungsrelation proto-Lk Joh Lk; beides sind zwei zunächst voneinander unabhängige Hypothesen. Beide Hypothesen bedürfen u. E. einer intensiven Diskussion. Im Rahmen dieses Beitrages möchten wir Klinghardts Modellansatz zur Untersuchung der Varianten aufnehmen, dessen methodologische Implikationen für diachrone Fragestellungen ausloten sowie dessen weiterführendes heuristisches Potential diskutieren und dessen Relevanz für synchron orientierte Fragestellungen erkunden. Dazu wird in einem ersten Schritt der Modellansatz Klinghardts kurz referiert, um ihn dann an Hand von vier Fallbeispielen zu diskutieren. Dabei sind solche Varianten gewählt worden, die schwerlich auf Fehler von Schreibern zurückführbar sind, sondern die auf intentionale, redaktionelle Eingriffe in den Text zurückgehen müssen. 1 Textkritische Varianten im Johannesevangelium im Rahmen des Dresdner Modells Der Ausgangspunkt des Modellansatzes Klinghardts zur Untersuchung von textkritischen Varianten im Johannesevangelium ist die Beobachtung, dass die handschriftliche Bezeugungsbasis einiger Varianten in der Textüberlieferung des Johannesevangeliums in frappanter Weise mit denjenigen Handschriften übereinstimmt, die im Lukasevangelium in gehäufter Form Varianten des mcn bzw. proto-lukanischen Textes bezeugen. Zu diesen Handschriften zählen laut Klinghardt u. a. der Codex Bezae (D05), die Handschriften der altlateinischen Übersetzungen (it), die syrischen Übersetzungen (sy), häufig aber auch der unkorrigierte Codex Sinaiticus ( a *) und einige Minuskeln. Auffällig an diesen Hss. ist die hohe Korrelation von Lesarten, die vom Wortlaut des „kanonischen“ Lukasevangeliums abweichen, mit dem bei Tertullian, Adamantius und Epiphanius bezeugten Text des Evangeliums in der „Bibel“ Marcions. Diese Beobachtung hat schon Harnack gemacht, konnte sie aber historisch nur schwer einordnen. „Wo kämen wir hin, wenn wir alle Sonderlesarten des WTextes dem Marcion als Urheber zuwiesen? “ 4 Sein bis heute akzeptierter Lösungsvorschlag, Marcions 4 Harnack, Marcion, 162*. 149 Varianten in der Textüberlieferung des Johannesevangeliums Verstümmelungsredaktion habe eine westliche Hs. zugrundegelegen, 5 ist in der Forschung nicht in allen Konsequenzen zuende gedacht worden und gleich mit mehreren Problemen und Inkonsistenzen behaftet. So nimmt Harnack an einigen Stellen an, dass Streichungen von Marcion in ebendiese (westliche! ) „abendländische Überlieferung eingedrungen“ 6 seien, was historisch viel schwieriger zu plausibilisieren ist als die Annahme, dass der Text eines älteren, „vorkanonischen“ Evangeliums Einfluss auf die Hss.-Transmission genommen hat. 7 Zudem impliziert diese Lösung, die U. Schmid 8 für den marcionitischen Apostolos modifizierend übernommen hat, dass der sog. „Westliche“ Text in der ersten Hälfte des 2. Jh. entstanden sein muss, und setzt - wegen des relativ einheitlichen Charakters der distinkten „westlichen“ Lesarten über die Einzelschriften des NT hinweg - zwingend voraus, dass die Schriften des NT, in denen die „westlichen“ Lesarten vorkommen, schon in der ersten Hälfte des 2. Jh. gesammelt vorgelegen haben müssten. Oder anders formuliert: Die Lösung ist mit Kanonmodellen, die von einem anonymen Sammlungs- und Ausscheidungsprozess und einer dynamischen Zirkulation von Einzelschriften im 2. Jh. ausgehen, nur schwer vereinbar. Im überlieferungsgeschichtlichen Modell Klinghardts wird diese Beobachtung nun erklärbar: Es handele sich um Lesarten eines älteren (nicht von Marcion geschriebenen) Evangelientextes, die durch das Phänomen der Kontamination in die kanonischen Handschriften des Lukasevangeliums eingesickert sind. 9 Vor dem Hintergrund dieses Befundes diskutiert Klinghardt an Hand einiger Beispiele von Varianten in der Textüberlieferung des Johannesevangeliums in aller Kürze auch die Möglichkeit, dass sich in den Handschriften des Johannesevangeliums Spuren eines „vorkanonischen“ Johannestextes (Joh*) erhalten haben. So könnten etwa die viel diskutierten Varianten in Joh 1,13 10 darauf zurückzuführen sein, dass die bei Clemens von Alexandria und Origenes und in der griechischen Handschriftentradition breit bezeugte Plurallesart auf die „Kanonische Redaktion“ im zweiten Jahrhundert zurückgehe; die (christologische) Singularlesart, die durch das Fehlen des Relativpronomens οι ῞ in D*, den Codex Veronensis b sowie durch einige Kirchenväter bezeugt ist, hingegen durch den Einfluss eines „vorkanonischen“ Johannestextes zu erklären sei. 11 Auch das Fehlen von ε᾽ πα´ νω πα´ ντων ε᾽ στι´ν u. a. in P 75 a * D it sy c (Joh 3,31), von ευ᾽ χαριστη´ σαντος 5 Vgl. Harnack, Marcion, 242*ff. 6 Harnack, Marcion, 190*, ad Lk 5,39. 7 Vgl. dazu Klinghardt, Evangelium, insb. 72-77. 8 Vgl. Schmid, Marcion, 270-281. 9 Vgl. dazu Klinghardt, Evangelium, passim. 10 Vgl. dazu Thyen, Joh, 1,13. 11 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 329-331. 150 Jan Heilmann, Peter Wick του῀ κυρι´ου u. a. in D 091 a e sy s.c (Joh 6,23) und von πατρο` ς η῾ μω῀ ν in D W it sy s pbo könnten Einflüsse eines „vorkanonischen“ Textes auf die Textüberlieferung darstellen. 12 Dass die „Kanonische Redaktion“ die nähere Bestimmung von Abraham als „unseren Vater“ als Zusatz eingefügt habe, steht für Klinghardt im Einklang mit deren Interesse am Motiv der Abrahamskindschaft, das „verschiedentlich redaktionell verstärkt“ 13 wurde: sichtbar z. B. in Lk 1,54f.73f; 3,8 (nicht in Mcn enthalten) und in Gal 3 und Röm 4. Hierbei handelt es sich um Kapitel, in denen im marcionitischen Apostolos eine Erwähnung Abrahams fehlte. 14 Ebenfalls auf die „Kanonische Redaktion“ könnten die Varianten auf Joh 8,59; 9,35.38f und 12,8 zurückgehen. 15 Auf der Grundlage der textkritischen Bezeugung schließt Klinghardt außerdem, dass in Joh 4,9 ου᾽ γα` ρ συγχρω῀ νται ᾽Ιουδαι ῀οι Σαμαρι´ταις (fehlt in a * D a b e j), in Joh 6,4 η῏ ν δε` ε᾽ γγυ` ς το` πα´ σχα , η῾ ε῾ ορτη` τω῀ ν ᾽Ιουδαι´ων (fehlt in wenigen Zeugen), in Joh 13,11 δια` του῀το ει ῏πεν ο῞ τι ου᾽ χι` πα´ ντες καθαροι´ ε᾽ στε (fehlt in D), der gesamte Vers Joh 19,35 (fehlt in e und in einer Handschrift der Vulgata) und Joh 21,25 (fehlt in a * und in Minuskel 63) von der „Kanonischen Redaktion“ ergänzt worden sein könnten. Klinghardt vermutet vor diesem Hintergrund weitergehend, dass die „Kanonische Redaktion“ durchaus für die konkrete Ausformung zentraler Elemente der literarischen Architektur des Johannesevangeliums verantwortlich sein könnte. Allerdings betont er den spekulativen Charakter weiterführender literarkritischer Überlegungen ohne Indizien in der handschriftlichen Überlieferung. Als Problemanzeige verweist er exemplarisch auf die Erzählerkommentare in Joh 2,22; 12,16; 20,9, die einen „narrativen Haftpunkt“ 16 in Lk 24 hätten und daher für die Frage nach der Relation zwischen Lukas, „vorkanonischem“ und „kanonischem“ Johannesevangelium besonders interessant seien. 17 Vorab ist ganz deutlich zu betonen, dass die Hoffnungen gering sein dürften, auf der Grundlage des Dresdner Modells literarische Vorstufen des „kanonischen“ Johannesevangeliums als Gesamttext zu rekonstruieren, die den elaborierten, aber dann doch spekulativen literarkritischen Modellen Bultmanns 18 oder Siegerts 19 gleichen würden. Die prinzipielle Kontingenz des textkritischen Befundes, der vermutlich nur einen (kleinen? ) Teil der Varianten eines „vorkanonischen“ Textes erhalten hat, begrenzt die methodischen Möglichkeiten. 12 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 331-333. 13 Klinghardt, Evangelium, 333. 14 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 332f. 15 Vgl. dazu Klinghardt, Evangelium, 333f. 16 Klinghardt, Evangelium, 341. 17 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 335-342. 18 Vgl. Bultmann, Joh. 19 Vgl. Siegert, Evangelium. 151 Varianten in der Textüberlieferung des Johannesevangeliums Klinghardts Überlegungen zu den Varianten im Johannesevangelium weisen aber umso drängender darauf hin, dass die Frage danach, welcher Text der Exegese des Werkes zugrundezulegen ist, keinesfalls banal und schnell zu entscheiden ist. Diese Frage nach der Textgrundlage stellt sich insbesondere im Hinblick auf die in der Johannesforschung feststellbare Tendenz, den „Endtext“ o. ä. (gemeint ist die Textrekonstruktion in den historisch-kritischen Ausgaben) primär „synchron“ bzw. mit narratologischen Methoden zu analysieren. An zahlreichen Stellen zeigt sich nämlich, dass selbst kleine Varianten im Text, deren textkritische Bewertung zum Teil schwierig ist, nicht unerhebliche Implikationen für die Ergebnisse z. B. narratologischer Untersuchungsschritte haben können. Wir möchten das Problem der textlichen Grundlage synchron orientierter Analysen des Johannesevangeliums an Hand von drei weiteren Beispielen von Varianten, die durch die Handschriften bezeugt sind, diskutieren und damit an Hand von vier Fallbeispielen die Notwendigkeit einer variantensensitiven Exegese in Ansätzen vorführen, 20 um darauf basierende weiterführende Implikationen, Fragestellungen und Forschungsperspektiven zu benennen. 2 Der Auserwählte oder der Sohn Gottes in Joh 1,34 Und ich habe gesehen und ich habe bezeugt, dass dieser der Auserwählte/ der Sohn/ der auserwählte Sohn Gottes ist. (Joh 1,34) Der textkritische Befund, der aus Platzmangel in den kritischen Apparaten der historischen Ausgaben nicht vollständig dargestellt werden kann, ist der folgenden Tabelle zu entnehmen: 21 20 Die Berücksichtigung von Varianten bei der Auslegung des Johannesevangeliums fordert etwa auch Förster, Textual Criticism, der die Entstehung der Varianten allerdings anders beurteilt. Vgl. jetzt auch Förster, Überlegungen. 21 Siehe für die Ergänzung der Zeugenlisten aus den historisch-kritischen Ausgaben Quek, John 1.34, 24f. Zuzustimmen ist seinen Bemerkungen zu P 5 - einem Papyrus, der schon von Harnack (Harnack, Textkritik, 553) u. a. sowie in den älteren Ausgaben der kritischen Editionen als Evidenz für die Lesart ο εκλεκτος angeführt worden ist - und P 106 : Die Wahrscheinlichkeit, dass in P 5 in der Lücke vor ]C ΤΟΥ ΘΥ das längere εκλεκτος stand und nicht υιος (womöglich sogar als Nomen Sacrum) ist vielleicht ein wenig höher, als Zeuge fehlt P 5 wegen dieser Unsicherheit allerdings u. E. aus. Das Transkript im VMR des INTF geht davon aus, dass der Strich vom Nomen Sacrum (also von υιος ) noch zu sehen sei, was allerdings aus unserer Sicht ebenfalls sehr unsicher erscheint. Bei P 106 ist es hingehen relativ sicher, dass die längere Lesart εκλεκτος bezeugt ist - zum einen, weil das zweite Epsilon sichtbar ist; zum anderen spricht zusätzlich die durchschnittliche Zeilenlänge aus unserer Sicht dafür ( ο εκλεκτος : Durchschnittliche Wortzahl/ Zeile auf der Seite = 24; Zeilenlänge mit υιος = 20 [wenn als Nomen Sacrum notiert, sogar nur 18]; Zeilenlänge mit εκλεκτος = 24). Im Hinblick auf die Beobachtungen von Klinghardt, die oben skizziert 152 Jan Heilmann, Peter Wick ο εκλεκτος [P 5vid ] P 106vid a * 77(? ). 187. 218. 228. 1784 b e ff 2* sy s.c Ambr Aug ο υιος P 66 P 75 [P 120 ] 22 a 2 A B C L Θ Ψ 083 0141 0233 vid f 1.13 28 33 157 180 205 565 et al. M aur c f l g bo arm aeth geo slav Or Asterius Chr et al. electus filius filius di electus *[ ο εκλεκτος υιος ] *[ ο υιος ο εκλεκτος ] (a) ff 2c sa vg mss ( μ * Cod. Sang. 51) sa syr palmss P 75 * vid (? ) *[ ο μονογενης υιος ] syr palms (GNT 4) Das textkritische Problem in Bezug auf Joh 1,34 ist in der exegetischen Literatur sowohl im Hinblick auf die äußeren als auch die inneren Kriterien schon sehr ausführlich diskutiert worden. Daher können die folgenden Bemerkungen zur Bezeugung der Varianten kurz ausfallen. Während sich die Forschung relativ einig darin ist, die in den griechischen Handschriften nicht bezeugte Lesart electus filius (u. ä.: s. o. in der dritten Zeile der Tabelle) als Konflation der beiden anderen zu interpretieren, 23 ist die Forschung bezüglich der Frage, ob „der Auserwählte“ oder „der Sohn“ die ursprüngliche Lesart darstellt, ungefähr in der Hälfte gespalten. 24 Schon daran zeigt sich, dass auf der Grundlage der traditionellen textkritischen Grundsätze zur Beurteilung von Varianten, die lediglich eine binäre Option „ursprünglich“ - „sekundär“ zulassen, 25 an dieser Stelle keine eindeutige Entscheidung bezüglich der „Ursprünglichkeit“ einer der beiden Varianten getroffen werden kann: Auf der Grundlage der Quantität der Zeugen kann und darf auch aus methodologischer Sicht keine Entscheidung getroffen werden. Zudem sind beide Lesarten recht gut bezeugt. Sich mit dem Verweis auf den Papyrusbefund für ο υιος als älteste Lesart zu entscheiden, ist nicht nur angesichts der neueren Vorbehalte gegenüber paläographischen Datierungen der Papyri 26 unsicher; denn mit P 106 ist ja auch ο εκλεκτος recht sicher in den Papyri bezeugt. Es kommt erschwerend hinzu, dass wurden, ist es noch wichtig darauf hinzuweisen, dass der Codex Bezae (D05) an dieser Stelle defekt ist. 22 Dieser Papyrus aus dem 4. Jh. hat allerdings anscheinend die singuläre Lesart ο῾ υι῾ο` ς ο῾ του῀ θεου῀ . Vgl. dazu Wasserman, Third-Century Papyri. 23 Vgl. exemplarisch Quek, John 1.34, 25.27, der darauf hinweist, dass es sich bei den konflationierten Lesarten um eine indirekte Bezeugung der Lesart ο εκλεκτος handelt. Eine Ausnahme bildet Rogers, Text, der für die Ursprünglichkeit von „der auserwählte Sohn“ plädiert. 24 Vgl. dazu weiterführend Skinner, Son, 341ff, der die beiden Positionen referiert und selbst auf der Grundlage von narratologischen Überlegungen überzeugend für die Ursprünglichkeit der Lesart ο εκλεκτος votiert. 25 Vgl. Aland/ Aland, Text, 284f. 26 Vgl. dazu Nongbri, Use; Barker, Dating; Orsini/ Clarysse, Manuscripts; Nongbri, Limits. 153 Varianten in der Textüberlieferung des Johannesevangeliums die Erklärungsversuche für die Entstehung der als sekundär gedeuteten Variante ο εκλεκτος (z. B. Haenchen, Thyen) eher hypothetische Verlegenheitslösungen als zwingende Erklärungsansätze darstellen. 27 Deutet man hingegen ο εκλεκτος als ursprüngliche Lesart und erklärt das Aufkommen der Variante ο υιος dadurch, dass Schreiber durch die Parallelen aus den synoptischen Erzählungen von der Taufe beeinflusst worden sind, bleibt die breite Bezeugung in den griechischen Handschriften erklärungsbedürftig. 28 Da also allein aus textkritischer Sicht keine eindeutige Entscheidung getroffen werden kann, sollte die exegetische Analyse beide Varianten gleichermaßen berücksichtigen. Beim Vergleich mit den synoptischen Evangelien könnte es sich ungeachtet des praktischen Erweises der Tragfähigkeit des Klinghardt’schen Modells im exegetischen Fachdiskurs als fruchtbar erweisen, bei Bezügen zum Lukasevangelium auch die Abweichungen des kanonischen Lukasevangeliums zum für Marcion bezeugten anonymen Evangelium zu berücksichtigen und unter Anwendung der These Klinghardts zur Bearbeitungsrichtung von Mcn zu Lk als heuristisches Modell neue Perspektiven und Möglichkeiten zu gewinnen. Bevor die Stelle aber im Vergleich zu den Synoptikern zu analysieren ist, sollen die beiden Varianten im Horizont ihres unmittelbaren Kontextes und des ganzen Johannesevangeliums untersucht werden. Die Familienmetaphorik beginnt schon in Joh 1,12. Diejenigen, die das Wort Gottes aufnehmen, werden zu Kindern Gottes. Sie sind aus ihm geboren (Joh 1,13). Erst darauf wird von der Fleischwerdung des Wortes geredet und dass dieser Fleischgewordene der „Eingeborene“ ist (Joh 1,14). Die Reihenfolge der Prädikationen ist ebenfalls beachtenswert. Jesus ist das Wort Gottes (Joh 1,1), das Licht (Joh 1,8f), der Eingeborene (Joh 1,14), der Eingeborene, der Gott ist (Joh 1,18), das Lamm Gottes (Joh 1,29), der Erwählte bzw. Sohn Gottes (Joh 1,34), das Lamm Gottes (Joh 1,36), der Rabbi (Joh 1,38), der Messias (Joh 1,41), der Sohn Josefs (Joh 1,45), der Rabbi, der Sohn Gottes und der König von Israel (Joh 1,49). Aus dieser Reihenfolge lässt sich zwar kein sicherer Schluss ziehen, da Jesus als Eingeborener, Lamm Gottes und Rabbi zweimal benannt wird und Jesus schon vor dem Bekenntnis des Nathanael (Joh 1,49) als Sohn Gottes bezeichnet werden könnte, es ergibt sich aber sowohl in narrativer als auch in traditionsgeschichtlicher Hinsicht durchaus ein stringentes Erzähl- 27 Vgl. Haenchen, JohEv, 169 (Beeinflussung von Schreibern durch Jes 42,1 LXX); Thyen, Joh, 125f. (Argumentation auf der Grundlage von „inneren“ Kriterien). Vgl. schon der Hinweis bei Harnack, Textkritik, 554, der ο εκλεκτος als lectio difficilior interpretiert und der die Entstehung von ο εκλεκτος aus ο υιος für nicht erklärbar hält, worin ihm z. B. Ehrman, Corruption, 81f, folgt. 28 Diesbezüglich ist Thyen, Joh, 125, in seiner Argumentation u. a. gegen Jeremias, Art. παι ῀ς θεου῀ , 687, Recht zu geben. 154 Jan Heilmann, Peter Wick konzept, liest man in 1,34 „der Auserwählte“: Wie das Wort (Joh 1,1) θεο´ ς ist, so ist dies auch der Eingeborene. Wenn in Joh 1,34 nicht „Sohn“ steht, dann wird Jesus in 1,45 als Sohn des Josefs eingeführt, um dann in einer Steigerung als Sohn Gottes bekannt zu werden (Joh 1,49). In narrativer Hinsicht ist zudem interessant, dass sich die Figurenkonstellation je nach Lesart leicht ändert: Wenn in Joh 1,34 „der Erwählte“ steht, würde der Täufer erst in seinem letzten Zeugnis (Joh 3,35f) bezeugen, dass Jesus der Sohn Gottes ist. In traditionsgeschichtlicher Hinsicht ist interessant, dass die Gottesknechtstradition mit dem Erwählungsmotiv verknüpft wird. Dies zeigt sich z. B. in Jes 42,1 (LXX: ο῾ ε᾽ κλεκτο´ ς μου ); 45,4; 49,7. Dies würde ein neues Licht auf die schwierige Frage nach dem traditionsgeschichtlichen Hintergrund von Joh 1,29 werfen. Auch wenn es sicher nicht der einzige Traditionsbezug ist, der durch die Lamm- Motivik in V. 29 hergestellt wird und hier bewusst verschiedene Traditionslinien überblendet werden, 29 so ist ein traditionsgeschichtlicher Bezug auf die Gottesknechtstradition (vgl. insb. Jes 53,6f) nicht auszuschließen, der durch eine Verknüpfung mit dem Erwählungsmotiv in Joh 1,34 zusätzliche Plausibilität bekäme. Liest man also in Joh 1,34 „der Auserwählte“, wird die Klammer zwischen Joh 1,29 und 1,34 durch einen gemeinsamen traditionsgeschichtlichen Hintergrund verstärkt. Die Lesart „der Erwählte“ passt also stringenter in die narrative Entfaltung des Christuszeugnisses zu Beginn des Johannesevangeliums. Aufschlussreich ist der Blick in die synoptische Tradition. In den synoptischen Evangelien wird Jesus kaum als ε᾽ κλεκτο´ ς bezeichnet. In Mt 12,18 ist Jesus der von Gott erwählte Knecht ( ο῾ παι ῀ς μου ο῝ ν ͺ η῾ ρε´ τισα ). Bei der Verklärung spricht Gott: ου῟ το´ ς ε᾽ στιν ο῾ υι῾ο´ ς μου ο῾ ε᾽ κλελεγμε´ νος . Dieser ist mein Sohn, den ich erwählt habe. Dieser ist mein erwählter Sohn (Lk 9,35). Die Vulgata übersetzt an dieser Stelle filius electus analog zur Lesart, die (a) ff 2c sa in Joh 1,34 bieten. Es ist auffällig, dass das anonyme Evangelium, das für Marcion bezeugt ist, an dieser Stelle ο῾ υι῾ο´ ς μου ο῾ α᾽ γαπητο´ ς („Dieser ist mein geliebter Sohn/ mein Sohn, der Geliebte, *9,35) liest, wie Tertullian und Adamantius übereinstimmend bezeugen. Zudem weisen einige Handschriften des kanonischen Lukasevangeliums (u. a. A C* W f 13 33 it sy p.h ) ebenfalls diese Lesart auf, sodass Klinghardt im Rahmen seines Erklärungsmodells zu dem Schluss kommt, dass Marcion mit dieser Veränderung überhaupt nichts zu tun hatte, sondern dass hier der „geliebte“ Sohn des älteren anonymen Evangeliums von der lukanischen Redaktion durch den „erwählten“ Sohn ersetzt wurde. 30 Das Adjektiv ε᾽ κλεκτο´ ς wird ebenfalls nur bei Lukas einmal auf Jesus bezogen. Die Obersten des Volkes verhöhnen Jesus und fordern von ihm, dass er 29 Vgl. dazu mit weiteren Verweisen auf die Literatur Nielsen, Lamb; Nielsen, Dimension, 140-159. 30 Vgl. dazu Klinghardt, Evangelium, 660-662.665. 155 Varianten in der Textüberlieferung des Johannesevangeliums demonstriere, dass er der Christus Gottes, der Auserwählte sei (Lk 23,35). Entgegen des Rekonstruktionsvorschlags von Klinghardt müsste ο῾ ε᾽ κλεκτο´ ς im Rahmen seines methodischen Ansatzes auch schon in *23,35 gestanden haben. 31 Der Titel des Auserwählten ist für den kanonischen Lukas ein besonderer messianischer Titel. Die ε᾽ κλεκτοι´ bezeichnen bei den Synoptikern, die von Gott erwählten Menschen, die zu Jesus Christus gehören (Mt 22,14; 24.22.24.31; Mk 13,20.22.27; Lk 18,7; 23,35). Im Johannesevangelium steht ε᾽ κλεκτο´ ς hingegen nur in den entsprechenden Varianten zu Joh 1,34. Jesus ist im Johannesevangelium derjenige, der erwählt ( ε᾽ κλε´ γομαι ). Er hat die Zwölf erwählt (Joh 6,70: ου᾽ κ ε᾽ γω` υ῾ μα῀ ς του` ς δω´ δεκα ε᾽ ξελεξα´ μην ). Spannungsvoll zu dieser Aussage sagt der johanneische Jesus bei seinem letzten Mahl mit seinen Jüngern, dass nicht alle zwölf von ihm erwählt sind, sondern er weiß, welche er erwählt hat (Joh 13,18). In Joh 15,16 und 15,19 spricht er seinen Jüngern nochmals zu, dass er sie erwählt hat. Im Johannesevangelium liegt eine voll entfaltete Sohn-Gottes-Christologie vor. Jesus ist der Sohn Gottes und Gott wird wiederholt als sein Vater bezeichnet. In den Synoptikern wird Jesus vom Satan und dann von den Dämonen als Sohn Gottes angesprochen. Der Hohepriester beschwört Jesus, zu sagen, ob er der Christus, der Sohn Gottes ist. Von den Spöttern unter dem Kreuz wird er als Christus und Sohn Gottes herausgefordert, sich selbst zu helfen (Mt 27,40.43). Es gibt wenige Stellen, in denen unbefangen positiv von Jesus als Sohn Gottes gesprochen wird (Mt 14,33; 16,16; 27,54). Beim Lobpreis des Vaters in Mt 11,25-27 spricht Jesus Gott als seinen Vater an, dessen „exklusiver“ Sohn er ist. Bei der Taufe und bei der Verklärung wird Jesus von Gott als Sohn genannt (Mt 3,17; 17,5; Mk 1,11; 9,7; Lk 3,22; 9,35). Das Markusevangelium ist sehr zurückhaltend, obwohl Jesus gleich zu Beginn als Christus und Sohn Gottes vorgestellt wird (Mk 1,1), wobei auch hier in einigen, z. T. im obigen Sinne auffälligen Zeugen ( a * Θ 28. l 2211 pc sa ms syr pal arm; Or Asterius CyrJ usw.) υι῾ου῀ θεου῀ fehlt - eine Variante, die u. E. am ehesten redaktionell zu deuten ist. 32 31 Klinghardt rekonstruiert den Text an dieser Stelle lediglich auf der Basis der handschriftlichen Bezeugung - und macht dies auch kenntlich. Er interpretiert den stark abweichenden Text im Codex Bezae ( ε῎σωσας · σεαυτο` ν σω῀ σον , ει᾽ υι῾ο` ς ει ῏ του῀ θεου῀ , ει᾽ Χριστο` ς ει ῏ ), der vermutlich auch durch den Codex Colbertinus (c) bezeugt wird, als Lesart des anonymen Evangeliums, das für Marcion bezeugt ist. Dabei übersieht er, dass ο῾ ε᾽ κλεκτο´ ς sowohl im Codex Bezae als auch im Colbertinus steht und es keinerlei Hinweise gibt, von einem Fehlen in Mcn auszugehen. 32 Gegen Metzger, Commentary, 73, der das Fehlen auf einen Kopierfehler zurückführt: „The absence of υι῾ου῀ θεου῀ [ … ] may be due to an oversight in copying, occasioned by the similarity of the endings of the nomina sacra.” U. E. ist diese Erklärung angesichts der zahlreichen, hier diskutierten analogen Phänomene mit Bezug auf das Sohnschaftsmotiv in den synoptischen Evangelien eine Verlegenheitslösung. Auch die andere Möglichkeit, 156 Jan Heilmann, Peter Wick Jesus ist in den synoptischen Evangelien der Sohn, vor allem der Sohn des Menschen, doch der Titel Sohn Gottes scheint im positiven Sinn nicht der Tenor, sondern eher Höhepunkt der Christologie zu sein. Am deutlichsten ist eine Sohn-Gottes-Theologie bei Lukas entfaltet. Jesus wird hier häufiger als Sohn Gottes bezeichnet. Er ist der Sohn des Höchsten (Lk 1,32) und damit Sohn Gottes (Lk 1,35). Bei der Taufe und bei der Verklärung nennt Gott ihn, wie bei den anderen Synoptikern, „mein Sohn,“ (Lk 3,22; 9,35). Der Satan und die Dämonen sprechen ihn als Sohn Gottes oder als Sohn des Höchsten an (Lk 4,3.9; 4,41; 8,28). Wie bei Mt betont der Lobpreis des Vaters bei Lk die Einheit des Vaters und des Sohnes in einem beinahe johanneischen Sinn (Lk 10,21f). Im Gleichnis von den bösen Weinbergspächtern hat Jesus wie in Mt 21,37 die Rolle des Sohnes inne (Lk 20,13). Nur bei Lukas fragt der Hohe Rat Jesus, ob er der Sohn Gottes sei. Jesus unterstellt ihnen in seiner Erwiderung, dass sie das mit der Frage bekannt haben: „Ihr sagt es, dass ich es bin,“ (Lk 22,70). Betrachtet man diesen Befund vor dem Hintergrund der Ergebnisse Klinghardts zum anonymen Evangelium, das für Marcion bezeugt ist, zeigt sich, dass bis auf wenige Ausnahmen (*4,41 [sicher durch Tertullian bezeugt] 33 ; *8,28 [mit großer Wahrscheinlichkeit enthalten] 34 und der oben diskutierte Vers *9,35) die anderen genannten Stellen fehlten und in einem Modell der Lukas-Sekundarität durch eine Redaktion im 2. Jh. ergänzt worden sein müssen. Lk 1,32.35 ist eindeutig als fehlend bezeugt durch die Häresiologen. 35 Auch Lk 4,3.9 hat im für Marcion bezeugten Evangelium gefehlt: „Der gesamte Text von 3,1b-4,13 hat in Mcn eindeutig gefehlt, also die komplette Überlieferung von Johannes d. Täufer mit seiner Verkündigung, der Taufe Jesu mit der Geistbegabung“ 36 usw. In *10,22 hat neben „und des Himmels“ das Pronomen „mein“ sowie die Anrede „Vater“ gefehlt. Das Sohnschaftsmotiv wurde also hier redaktionell verstärkt. 37 Das gesamte Gleichnis von den die er ins Feld führt (“On the other hand, however, there was always a temptation [to which copyists often succumbed] to expand titles and quasi-titles of books” [73]), ist einseitig schreiberfokussiert und verkennt Zusammengänge zwischen den allem Anschein nach spezifisch motivierten Eingriffen in die Texte, die in bestimmten Zeugen(gruppen) evangelienübergreifend gehäuft vorkommen. Oder anders formuliert: Die relative Einheitlichkeit im Textbefund spricht eher gegen ein Erklärungsmodell, das alle Varianten auf die kontingente Arbeit zahlreicher anonym bleibender und historisch schwer modellierbarer Schreiber zurückführt. Vgl. zum Zusammenhang zwischen den Varianten in den Handschriften der synoptischen Evangelien in Bezug auf das Sohnschaftsmotiv die Überlegungen von Christine Hoffmann in ihrer gerade entstehenden Dissertationschrift zu den synoptischen Täufertraditionen vor dem Hintergrund der These der Priorität des für Marcion bezeugten Evangeliums. 33 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 475. 34 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 617. 35 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 457. 36 Klinghardt, Evangelium, 463. 37 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 701.704ff. 157 Varianten in der Textüberlieferung des Johannesevangeliums Weingärtnern (Lk 20,9-18) - und damit auch V. 13 - hat im für Marcion bezeugten Evangelium, wie Epiphanius belegt, sicher gefehlt. In *22,70 hat der Nebensatz „das ich es bin“ gefehlt. 38 Das Sohnschaftsmotiv kommt also im für Marcion bezeugten Evangelium nicht besonders häufig vor. Setzt man die Lukas-Sekundarität als heuristisches Modell voraus, ist dagegen in diachroner Hinsicht eine deutliche Tendenz feststellbar, die Sohnschaft im Lukas-Evangelium zu verstärken. Nimmt man hingegen die Priorität des Lukasevangeliums gegenüber dem für Marcion bezeugten Evangelium an, müsste man diese Stellen alle als Streichungen durch Marcion erklären, der dann an zwei Stellen zu streichen vergessen hätte. Zudem müsste man erklären, wie diese für Marcion bezeugten Lesarten, also die Lesarten eines Häretikertextes, ihren Weg in die neutestamentlichen Hss. genommen hätten. Blickt man vor dem Hintergrund dieses Befundes zurück in das Johannesevangelium, so wird deutlich, dass die Sohn-Gottes-Theologie bei Johannes viel ausgeprägter ist als bei den Synoptikern. Doch die synoptische Erzählung von der Taufe Jesu lässt Gott Jesus seinen Sohn nennen. Der johanneische Täufer tauft im Gegensatz zu den Synoptikern Jesus nicht, sondern bezeugt nur, dass er den Heiligen Geist auf Jesus herabfahren sah (Joh 1,33). Aus dem Himmel ertönen die Worte „Du bist mein geliebter Sohn“ nicht (vgl. aber Mt 3,17; Mk 1,11; Lk 3,22) und es zeigt sich auch keine Taube. Der Täufer kommt aufgrund des Geschauten, das ihm von Gott im Voraus gedeutet worden ist, zum Schluss: Dieser ist der Erwählte oder der Sohn Gottes (Joh 1,34). Es liegt nahe, diesen Text als Parallelerzählung zur Taufe Jesu bei den Synoptikern zu verstehen. Doch gerade die Textfassung mit dem „Erwählten“ bildet eine deutliche Spannung zu den synoptischen Tauferzählungen, woraus durchaus ein Harmonisierungsbedürfnis entstanden sein könnte. Nimmt man an, dass die Zusammenstellung von Einzeltexten zu Sammlungseinheiten im 2. Jahrhundert ein durchaus plausibler Ort ist, an dem redaktionell in die Texte eingegriffen worden ist, ließe sich folgendes Szenario zur Erklärung der Varianten in Joh 1,34 plausibilisieren: Vor der Integration in eine („kanonische“ bzw. „kanonisch gewordene“) Vierevangeliensammlung stand in *Joh ο εκλεκτος , das im Rahmen der kreativen Rezeption synoptischer Traditionen - inspiriert durch *23,35 und vielleicht auch durch die Tradition eines erwählten Gottesknechts (s. o.) - in die Komposition des Johannesevangeliums aufgenommen worden ist. Bei der Integration des Johannesevangeliums in eine Vierevangeliensammlung ist ο εκλεκτος in Angleichung an die synoptischen Parallelen durch ο υιος ersetzt worden, um eine stärkere Kohärenz innerhalb der Sammlung 38 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 963.1055.1057f. 158 Jan Heilmann, Peter Wick zu erzeugen. 39 Dieses Szenario erhält zusätzliche Plausibilität, geht man mit Klinghardt davon aus, dass auf der Ebene eines solchen Redaktionsschrittes auch das Sohnschaftsmotiv im Lukasevangelium (s. o.) deutlich verstärkt worden ist. Dagegen spricht auch nicht, dass im Rahmen dieses Redaktionsschrittes ο῾ α᾽ γαπητο´ ς in *9,35 zu ο῾ ε᾽ κλελεγμε´ νος in Lk 9,35 verändert worden ist. 40 Damit lässt sich dann auch der textkritische Befund plausibel erklären. „Der Sohn“ ( ο υιος ) ist die Lesart des Ausgangstextes (initial text) und stand also am Anfang der Handschriftentransmission, die mit einer edierten und in einem Kodex zusammengestellten Evangeliensammlung beginnt ( 4 Joh). Darauf werden wir unten noch grundsätzlicher eingehen. „Der Auserwählte“ ( ο εκλεκτος ) ist die ältere Lesart aus einem „vorkanonischen“ und hss. nicht erhaltenen Johannestext (*Joh), die durch das Phänomen der Kontamination in die kanonische Handschriftentransmission eingesickert ist. 3 Joh 13,27 und der Verräter In Joh 13,27 findet sich eine Lesart, die in der exegetischen Forschung nur selten betrachtet wird 41 und eigentlich unverdächtig aussieht. Der textkritische Befund gestaltet sich wie folgt: 39 Es müsste weiterführend überlegt werden, ob auch die Varianten in Joh 1,18 ( μονογενης θεος oder ο μ . υιος ) mit diesem Modell erklärbar wären. Diese Stelle ist forschungsgeschichtlich insofern interessant, als etwa Metzger wie viele andere υιος als Resultat von „scribal assimilation to Jn 3: 16, 18; 1 Jn 4: 9“ (Metzger, Commentary, 198) sehen, während Ehrman, Corruption, 78-82, der auf die frühe Entstehung der Varianten hinweist, die Lesart μονογενης θεος für eine orthodox corruption hält, die vielleicht weniger auf das Konto eines anonymen Schreibers geht, wie er annimmt, als vielleich vielmehr in antimarcionitischer Ausrichtung einem redaktionellen Schritt bei der Integration des JohEv in eine Vierevangeliensammlung zuzuornden ist. Für die Ursprünglichkeit von ο μ . υιος haben davor auch schon andere plädiert. Vgl. z. B. Bultmann, Joh, 55f. Wie die Diskussion bei Thyen, Joh, 105f, u. E. deutlich macht, bleiben alle bisherigen Lösungsmodelle unbefriedigend, da sie die angenommenen Eingriffe durch anonyme Schreiber nicht plausibel mit der hss. Bezeugungslage in Deckung bringen. 40 Diese Veränderung erklärt sich innerhalb des redaktionellen Konzept, das im Klinghardt’schen Modell der Erweiterung von Mcn zu Lk zugrundegelegen hat, und korrespondiert z. B. mit der Hinzufügung der Geburtsgeschichten zu Mcn und der damit verbundenen Davidssohnschaft (vgl. David als Erwählter in Ps 89,20f). Vgl. im Übrigen die Erklärungen bei Wolter, Lk, 354, dessen Ausführungen in Bezug auf den redaktionellen Schritt von Mk 9,7 zu Lk 9,35 analog gelten. 41 Die Lesart ist z. B. im GNT nicht aufgeführt, sodass sie z. B. auch bei Metzger, Commentary, nicht diskutiert wird. 159 Varianten in der Textüberlieferung des Johannesevangeliums και` μετα` το` ψωμι´ον το´ τε ει᾽ση῀λθεν ει᾽ ς ε᾽ κει ῀νον ο῾ σατανα῀ ς NA 27/ 28 (Mehrheitstext) και` ει᾽ση῀λθεν ει᾽ ς ε᾽ κει ῀νον ο῾ σατανα῀ ς D d Et statim intravit in eum satanas et tunc introiuit in illu satanas *[ και` ει᾽ση῀λθεν το´ τε ει᾽ ς ε᾽ κει ῀νον ο῾ σατανα῀ ς ] e gat bo ms (= Γ ) και` μετα` το` ψωμι´ον ει᾽ση῀λθεν ει᾽ ς ε᾽ κει ῀νον ο῾ σατανα῀ ς a L 565. 579 pc ff 2 vg cl sy s sa ac 2 mf pbo bo pt ; Did et ut accepit panem intrauit in eum satanas a b c (r 1 ) et ut accepit panem Tunc intrauit in eum satanas q (vgl. für panem/ [ αρτον ? ] auch bo mss ) et post panem acceptu tunc intrabit in eum satanas f et post acceptam bucellam tunc introibit in illum satanas δ Cod. Foss. Cod. Sang. 51 Der rekonstruierte Text im NA 27/ 28 sowie die meisten griechischen Handschriften weisen eine gewisse syntaktische Redundanz auf, da mit μετα` το` ψωμι´ον und το´ τε zwei temporale Bestimmungen vorkommen. Im Codex Bezae (D05) fehlen beide temporalen Bestimmungen. Der Codex Palatinus (e) und der Codex Gatianus (gat) belegen zusammen mit einer bohairischen Inschrift (Horner Γ ) eine Lesart nur mit dem Adverb. Das Fehlen nur des Adverbs ist u. a. bezeugt im Sinaiticus, in der Majuskel L, in einigen Minuskeln, im Codex Corbeiensis (ff 2 ), im Sinai-Syrer, in zahlreichen koptischen Hss. und bei Didymos von Alexandria. Am Rande interessant sind einige weitere Varianten, die im NA nicht verzeichnet sind, da sie nur in den Versionen erhalten sind. Sowohl in einigen altlateinischen als auch bohairischen Hss. wird der „Bissen“ durch „Brot“ ersetzt. Interessant ist zudem die Einfügung des Verbes accepit, die in einigen Altlateinern und Vulgatahandschriften bezeugt ist. Wie ist dieser textkritische Befund zu erklären? Haben die verschiedenen Varianten eine Relevanz im Hinblick auf das narrative Konzept der johanneischen Verratsszene? 26 a Jesus antwortete: b Jener ist es, dem ich den Bissen eintauchen und geben werde. c Er tauchte also den Bissen ein, [nahm und] gab ihn Judas, dem Sohn des Simon Iskariot/ von Kariot. 27 a und nach dem Bissen/ dann fuhr in jenen der Satan. (D: und es fuhr … ) b Da sprach Jesus zu ihm: c Was du tust, tu es schnell! 28 a Dies aber verstand niemand der Liegenden b wozu er es ihm sagte. 160 Jan Heilmann, Peter Wick 29 … 30 a Er nahm also jenen Bissen, b und ging sofort hinaus. c Es war aber Nacht. Schon bei der ersten Erwähnung der zwölf Jünger betont Jesus, dass einer dieser von ihm Erwählten ein Teufel ist. Jesus weiß es und hat trotzdem diese Zwölf erwählt (Joh 6,70f). Er ist Herr des Geschehens und hat die Kontrolle. Dies gilt im Johannesevangelium für alles, besonders für seine Passion. Gerade auch in Bezug auf Judas wird die Souveränität Jesu hervorgehoben. Jesus sitzt am Steuer des Geschehens und ist ihm nicht einfach ausgeliefert. „Habe nicht ich euch, die Zwölf, erwählt? Und von euch ist einer ein Teufel ( δια´ βολος ),“ (Joh 6,70). Die Erzählung betont die Souveränität Jesu dermaßen, dass sie in Kauf nimmt, dass Jesus einen Teufel in seinen Kreis aufgenommen hat. Daraufhin wendet sich der Erzähler direkt an seine Leser und erklärt, dass dieser Teufel der Judas, der Sohn des Simon Iskariot sei, der Jesus überliefern wird (Joh 6,71). In Joh 12,4-6 disqualifiziert der Erzähler mit einem weiteren Kommentar Judas als geldgierig. Judas ist ein Teufel und so für das Wirken des Teufels besonders empfänglich. Dieser hat ihm schon vor dem letzten Deipnon (Abendmahl) von Jesus mit seinen Jüngern ins Herz gegeben, dass er Jesus überliefere (Joh 13,2). Judas ist ein Werkzeug des Satans. Dennoch wäscht Jesus dem Judas die Füße (Joh 13,5). Beim Mahl wurde Jesus im Geist erschüttert und bezeugte und sprach, dass einer der Zwölf ihn überliefern werde. Die Jünger wollten wissen, von wem er redet (Joh 13,21-25). „Jesus antwortete, jener ist es, dem ich den Bissen eintauchen und ihm geben werde. Nachdem er den Bissen eingetaucht hatte, gab er ihn dem Judas, dem Sohn des Simon Iskarioth,“ (Joh 13,26). Bis hier ist der eingetauchte Bissen, den Jesus dem Judas gibt, ein Zeichen. Dieser bezeichnet in der narrativen Konzeption des Evangeliums den geldgierigen Judas, der sich vom Teufel beeinflussen lässt, als Verräter. Macht es einen Unterschied, ob in Joh 13,27 die Worte „nach dem Bissen“ fehlen oder nicht? Und wenn ja, was für einen? Wenn diese Worte hier stehen, dann hat Judas den Bissen bereits gegessen, als der Satan in ihn gefahren ist. Fehlen diese Worte aber, isst er ihn erst danach in Joh 13,30. Der Satan fährt bei dieser Lesart in Judas, während Jesus noch den Bissen in der Hand hält. Judas isst als Besessener. Fragt man danach, inwiefern die Rolle Jesu als Souverän des Geschehens erscheint, so verkompliziert sich die Situation dadurch, dass auch das Adverb το´ τε in die Überlegungen miteinbezogen werden muss: Die Leseart nur mit der Konjunktion „und“ (D) verknüpft die Einfahrung des Satans sehr unbestimmt mit der vorangehenden Handlung und den Worten Jesu. Die Worte „und dann 161 Varianten in der Textüberlieferung des Johannesevangeliums fuhr in jenen der Satan“ (e gat bo ms ) mit der Verstärkung des „und“ durch „dann“ binden die beiden Handlungen näher und kausaler zusammen. Wenn aber vor das „dann“ die Worte „und nach dem Bissen“ stehen (Mehrheitstext), sind beide Handlungen wieder mehr voneinander abgesetzt: „und nach dem Bissen, dann fuhr in jenen der Satan“. Steht aber kein „dann“, sondern nur „und nach dem Bissen fuhr in jenen der Satan“ ( a L 565. 579 pc ff 2 vg cl sy s sa ac 2 mf pbo bo pt ; Did), wird die Verbindung und damit Jesu Verantwortung für das Wirken des Satans eher verstärkt. Möglicherweise steht im Hintergrund der Variantenentstehung ein Ringen um das richtige Verständnis der Stelle, die im Hinblick auf christliche Mahlrituale gelesen wurde: Ist es möglich, dass Jesus wissend einem von Satan Besessenen das Mahl gibt? Ist es nicht plausibler, dass einer, der unwürdig das von Jesus gegebene Mahl zu sich nimmt, sich dem Satan öffnet? Erstere Lesart ist nicht nur die lectio brevior, sondern scheint in inhaltlicher Hinsicht älter zu sein. Unter der Annahme, dass redaktionelle Varianten bei der Zusammenstellung der einzelnen Evangelien zur Vierevangeliensammlung entstanden sein könnten, wäre im Rahmen des Modells einer Unterscheidung zwischen *Joh und 4 Joh folgendes Szenario zur Erklärung des textkritischen Befundes in Joh 13,27 zumindest als Grundlage für weitere Diskussionen möglich: Geht man von der in e gat und einer bohairischen Handschrift bezeugten, zeitlich unbestimmten und daher schwierigeren Lesart και` το´ τε ει᾽ση῀λθεν ει᾽ ς ε᾽ κει ῀νον ο῾ σατανα῀ ς als Text von *Joh aus, der bei einer redaktionellen Überarbeitung durch die temporale Präzisierung μετα` το` ψωμι´ον ersetzt wurde, erklärt sich die Lesart mit beiden temporalen Bestimmungen als Konflation von „vorkanonischer“ und „kanonischer“ Lesart. 42 Die Lesart in D ist in diesem Fall wegen des Fehlens beider temporaler Bestimmungen zwar kein direkter Zeuge für die Textfassung von *Joh, könnte jedoch mit einem ähnlichen Ziel entstanden sein, und zwar die lectio difficilior durch einen minimalen Eingriff am Text zu beseitigen. Damit hätte der Text von *Joh zumindest eine indirekte Spur in D hinterlassen. 4 Der Beiname von Judas im Johannesevangelium als Beleg für die besondere Relevanz des Textes in D Dass der Johannestext von D eine besondere Rolle spielt für die Identifizierung von Spuren eines möglichen „vorkanonischen“ Johannesevangeliums, belegt eine Variante, die mit dem Modell der Unterscheidung zweier Ausgaben viel 42 Die Mehrheitstextlesart als Konflation von zwei älteren Lesarten zu verstehen, ist u. E. plausibler, als eine vermeintliche Streichung auf die womöglich als störend empfundene Verdoppelung des Verzehrs des Bissens in V. 27 und V. 30 zurückzuführen. 162 Jan Heilmann, Peter Wick besser erklärt werden kann, als dies traditionelle Modelle vermögen. Und zwar bietet D in Joh 13,26 den Beinamen von Judas in der griechischen Form απο Καρυωτου statt des bekannten, transliterierten Iskariot. 43 Nun ist es äußerst auffällig, dass dieses textkritische Phänomen zwar an allen Stellen zu finden ist, an denen der Beiname im Johannesevangelium auftaucht (Joh 6,71, 12,4; 13,2; 14,22) - an zwei dieser Stellen sogar noch in weiteren (für Kontamination anfälligen) Handschriften (Joh 6,71: a * D K f 1 565 pc; 13,2 D e) -, das Phänomen dagegen an den synoptischen Parallelstellen allerdings überhaupt nicht belegt ist; D in den synoptischen Evangelien im Unterschied zum Johannesevangelium also in Übereinstimmung mit der gesamten griechischen Handschriftentradition ausnahmslos „Iskariot“ liest. 44 Dieser Befund ist auffällig und macht die Erklärung, dass diese Variante auf einen copyist’s error zurückgehe, 45 unplausibel. Viel einfacher ließe sich der Befund dadurch erklären, dass die griechische Namensform απο Καρυωτου auf *Joh zurückgeht und im Rahmen der Redaktion bei der Integration in die Vierevangeliensammlung in Angleichung an die synoptischen Parallelstellen gleichsam re-semitisiert worden ist. Dafür, απο Καρυωτου als Text von *Joh zu lesen, spricht, dass im Johannesevangelium auch sonst eine von den Synoptikern abweichende Tendenz zur Übersetzung hebräischer und aramäischer Fremdwörter zu finden ist (vgl. z. B. Joh 1,38.41.42; 4,25; 9,7 u. ö.); außerdem die ebenfalls feststellbare Tendenz, Begriffe mit dem Adverb ῾Εβραι ¨στι´ zu erklären (Joh 5,2; 19,13.17). 5 Mahl und Nachfolge in Joh 21 − die Relevanz von α᾽ κολουθου῀ντα in Vers 20 Eine ebenfalls selten beachtete Variante in Kapitel 21, das Fehlen des Partizips α᾽ κολουθου῀ντα in a * W ff 2 pbo, hat aus narratologischer Sicht gewichtigen Einfluss darauf, wie man das Ende der Szenerie in Joh 21,9-23 zu lesen hat. Bevor wir dazu kommen, sind allerdings einige Bemerkungen zur textkritischen Bezeugung der Varianten in V. 20 notwendig, da diese aus dem Apparat der kritischen Ausgaben nicht vollständig zu erschließen sind: 43 Vgl. ausführlich zur Frage des Beinamens Taylor, Name. 44 Es ist bezeichnend, dass Metzger, Commentary, 215, keine Erklärung für diese traditionellerweise als „westlich“ zu interpretierende Lesart hat und das Fehlen dieses Phänomens in den entsprechenden Hss. der synoptischen Evangelien nicht registriert. 45 So aber Taylor, Name, 373. Die Varianten in der Textüberlieferung des JohEv reflektieren einen klaren redaktionellen Eingriff in den Text, der nur schwer auf den kontingenten Akt eines einzelnen Abschreibers zurückzuführen ist. 163 Varianten in der Textüberlieferung des Johannesevangeliums ΕΠΙΣΤΡΑΦΕΙΣ ΔΕ Ο ΠΕΤΡΟΣ ΒΛΕΠΕΙ ΤΟΝ ΜΑΘΗΤΗΝ ΟΝ ΗΓΑΠΑ Ο ΙΣ K ΑΙ ΑΝΕΠΕΣΕΝ ΕΝ ΤΩ ΔΕΙΠΝΩ ΕΠΙ ΤΟ ΣΤΗΘ- ΟΣ ΑΥΤΟΥ ΚΑΙ ΛΕΓΕΙ ΚΕ ΤΙΣ ΕΣΤΙΝ Ο ΠΑΡΑΔΙΔΟΥΣ ΣΕ ; a * bo A B* … ΟΝ ΗΓΑΠΑ Ο ΙΣ ΑΚΟΛΟΥΘΟΥΝΤΑ ΟΣ K ΑΙ ΑΝΕΠΕΣΕΝ ΕΝ ΤΩ ΔΕΙΠΝΩ ΕΠΙ ΤΟ ΣΤΗΘΟΣ ΑΥΤΟΥ ΚΑΙ ΕΙΠΕΝ … a 1/ 2 … ΟΝ ΗΓΑΠΑ Ο ΙΣ ΟΣ K ΑΙ ΑΝΕΠΕΣΕΝ ΕΝ ΤΩ ΔΙΠΝΩ ΕΠΙ ΤΟ ΣΤΗΘΟΣ ΑΥΤΟΥ ΚΑΙ ΕΙΠΕΝ W Et conuersus petrus uidit illum discipulum quem diligebat ihs et qui [Korr. andere Hand: sequente] recubuerat in cenam super pectus eius et dixerat dne quis est qui tradet te ff 2 ⲁϥⲫⲟⲛϩϥ ⲇⲉ ⲛϫⲉⲡⲉⲧⲣⲟⲥ ⲁϥⲛⲁⲩ ⲉⲡⲓⲙⲁⲑⲏⲧⲏⲥ ϕ ⲏ ⲉⲛ˙ⲁϥⲣⲟⲧⲉⲃ ϧⲉⲛⲡⲓⲇⲓⲡⲛⲟⲛ ⲉϫⲉⲛⲧⲉϥⲙⲉⲥⲧϩⲏⲧ … „den Jesus liebte, nachfolgen“ fehlt! pbo (= P. Bodm. III) Im Gegensatz zu den Angaben im kritischen Apparat im NA 27/ 28 (das GNT verzeichnet die Lesart nicht) zeigen griechischen Hss. und die hss. Überlieferung der Versionen, dass es nicht nur um die Frage des Fehlens des Partizips α᾽ κολουθου῀ντα geht, sondern dass auch das Pronomen ο῝ ς in die textkritischen Überlegungen miteinbezogen werden muss. Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die Beobachtung, dass im unkorrigierten Sinaiticus ( a *) sowohl das Partizip als auch das Pronomen fehlen. Ersteres ist vermutlich noch durch den gleichen Schreiber später am Rand ergänzt worden ( a 1 ), das Pronomen ist erst von einer späteren Hand auch noch hinzugefügt worden ( a 2 ). Dass hier nicht einfach ein Fehler des Schreibers vorliegt, sondern der Schreiber diesen Text in seiner Vorlage vorgefunden hat, wird dadurch wahrscheinlich, dass es Parallelen in der koptischen Handschriftentradition gibt. Zudem liegt in Joh 21,25 ein Parallelphänomen vor: Dass Joh 21,25 in Minuskel 63 eindeutig fehlt, bestätigt, dass das ursprüngliche Fehlen dieses Verses im Sinaiticus nicht auf einen Fehler zurückzuführen ist, sondern dass der Vers in dessen Vorlage gefehlt hat und vermutlich an Hand eines anderen Manuskriptes ergänzt worden ist. 46 Der unkorrigierte Text im Sinaiticus ist aber alles andere als ein unkorrekter griechischer Satz. Angesichts des Fehlens von Satzzeichen in der scriptio continua der Majuskel beginnt nach dem Nomen Sacrum ( ΙΣ ) ein neuer Hauptsatz, der mit και´ eingeleitet wird: 46 Vgl. dazu Klinghardt, Evangelium, 337f. 164 Jan Heilmann, Peter Wick Joh 20,20 ( a *) Joh 21,20 (NA 27/ 28 ) 20 a ᾽Επιστραφει` ς δε ο῾ Πε´ τρος 20 a ᾽Επιστραφει` ς T ο῾ Πε´ τρος b βλε´ πει το` ν μαθητη` ν b βλε´ πει το` ν μαθητη` ν c ο῝ ν η᾽ γα´ πα ο῾ ᾽Ιησου῀ς . c ο῝ ν η᾽ γα´ πα ο῾ ᾽Ιησου῀ς ° α᾽ κολουθου῀ντα , d K αι` α᾽ νε´ πεσεν ε᾽ ν τ ͺ ω῀ δει´πν ͺ ω ε᾽ πι` το` στη῀θος αυ᾽ του῀ d ο῝ ς και` α᾽ νε´ πεσεν ε᾽ ν τ ͺ ω῀ δει´πν ͺ ω ε᾽ πι` το` στη῀θος αυ᾽ του῀ e και` ει ῏πεν e και` ει ῏πεν · f κυ´ ριε , τι´ς ε᾽ στιν ο῾ παραδιδου´ ς σε ; f κυ´ ριε , τι´ς ε᾽ στιν ο῾ παραδιδου´ ς σε ; Damit ist noch nicht entschieden, ob man das Fehlen des Partizips α᾽ κολουθου῀ντα in einigen Handschriften auf einen Streichungsakt zurückführt - so die Interpretation, die den kritischen Editionen zugrunde liegt, - oder ob man α᾽ κολουθου῀ντα , dann zusammen mit ο῞ ς , als Ergänzung der Textfassung interpretiert, die durch den Sinaiticus und einige koptische Zeugen belegt ist. Allein auf der Grundlage der textkritischen Kriterien lässt sich dies nicht entscheiden. Hinzu kommt, dass das Fehlen von α᾽ κολουθου῀ντα in W und ff 2 , in denen jedoch das Pronomen bezeugt ist, auf das Phänomen der Interferenz zurückgehen könnte und damit eine sekundäre Lesart darstellte: Ein Schreiber war mit beiden Textfassungen konfrontiert und hat α᾽ κολουθου῀ντα gestrichen, weil er es in einer Handschrift als fehlend bezeugt gefunden hat; die Nebensatzkonstruktion hat er dabei jedoch stehengelassen. Möglich ist aber auch, dass der in W, ff 2 und einigen koptischen Handschriften bezeugte Zusatz von ο῝ ς unhabhängig von dem Problem einer Tilgung/ oder Hinzufügung des Partizips entstanden ist und als Versuch einer stilistischen Verbesserung allein in Relation zu der für die Vorlage des Sinaiticus bezeugten Lesart enstanden sein könnte. Die dem Sinaiticus zugrundeliegende Textfassung ist zwar vom Kontext her völlig eindeutig, grammatisch ist das Subjekt von α᾽ νε´ πεσεν (21,20d a *) allerdings nicht deutlich hervorgehoben, da ein Bezug auf ο῾ ᾽Ιησου῀ς zumindest theoretisch möglich wäre. Zusätzlich verkompliziert sich die Situation, wenn man noch das Fehlen von „den Jesus liebte nachfolgen“ in P.Bodm. III (pbo) erklären möchte. Aus Gründen der Komplexitätsreduktion muss es an dieser Stelle jedoch bei einer kurzen Problemanzeige bleiben. Es gibt für diese Lesart zwar keine weiteren Anhaltspunkte in der Handschriftenüberlieferung, angesichts der Kontingenz des Handschriftenbefundes und weil die pbo Übersetzung an anderen Stellen hohe Übereinstimmung mit Lesarten aufweist, die von Klinghardt als „vorkanonische“ Spuren gedeutet werden, sollte diese Lesart aber nicht vorschnell als Eigenart der koptischen Überlieferung abgewertet werden. Allzu tragfähige Hypothesen lassen sich darauf allerdings auch nicht ohne weitere Anhaltspunkte bauen. Im Folgenden sind nun lediglich die Implikationen der Varianten in der griechischen Überlieferung für die Interpretation der Perikope zu diskutieren. 165 Varianten in der Textüberlieferung des Johannesevangeliums Während das Verb α᾽ κολουθε´ ω bei den Synoptikern ein Hauptbegriff ist, um das Verhältnis der Jünger zu Jesus zu beschreiben, wird es im Johannesevangelium nur zwölfmal im Sinne der Nachfolge Jesu verwendet (Joh 1,37.38.40.43; 6,2; 8,12; 10,4.27; 12,26; 13,36f; 18,15; 21,19). Nur einmal ruft Jesus jemanden in die Nachfolge (Joh 1,43). Allerdings kommt Nachfolgen auch in diesem Evangelium eine Schlüsselfunktion zu. Wer dem Licht der Welt nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln (Joh 8,12). Die Schafe folgen dem guten Hirten nach (Joh 10,4.27). Wer Jesus nachfolgt, muss zum Diener werden und riskiert sein Leben (12,26; vgl. V. 25). Beim letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern erklärt Jesus dem Petrus, dass er ihm jetzt auf seinem Weg nicht nachfolgen kann, aber später nachfolgen wird (Joh 13,36). Petrus akzeptiert nicht, dass er Jesus nicht nachfolgen kann. Sogar sein Leben würde er für ihn einsetzen (Joh 13,37). Tatsächlich folgt Petrus dem gefangenen Jesus bis zum Haus des Hohenpriesters nach (Joh 18,15), doch dort scheitert er und verleugnet Jesus (Joh 18,25-27). In Joh 21 beauftragt Jesus den Petrus dreimal, seine Schafe zu weiden. Synchron gelesen wird Petrus als Schaf des guten Hirten nun selbst zum Hirten. Schafe des guten Hirten zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihm nachfolgen. Dies schwingt bei Petrus im Evangelium mit. Nach dem Empfang des Hirtenauftrags sagt ihm Jesus voraus, dass er auch eines gewaltsamen Todes sterben werde, mit dem er Gott verherrlichen werde. Da Jesu Tod die Verherrlichung schlechthin war, schwingen nicht nur beim Hirtenauftrag sondern auch bei der unmittelbar darauffolgenden Todesansage implizite Nachfolgemotive mit. Die Beauftragung des Petrus findet ihren Abschluss mit den Worten: α᾽ κολου´ θει μοι (Joh 21,15-19; hier 19). So wird Petrus die Würde des Nachfolgers zugesprochen. Es liegt nahe, in der Erzählperspektive des Evangeliums von nun an über die berichtete Zeit hinaus Petrus als den Nachfolger schlechthin zu verstehen und ihm ein Primat der Nachfolge zuzugestehen. Wie sich Jesus ganz zu Beginn des Evangeliums umgewandt und gesehen hat, wie ihm zwei Jünger des Täufers nachfolgen ( στραφει` ς δε` ο῾ ᾽Ιησου῀ς και` θεασα´ μενος αυ᾽ του` ς α᾽ κολουθου῀ντας (Joh 1,38), so wendet sich nun Petrus um, und sieht in V. 20 den Jünger, den Jesus liebte ( ᾽Επιστραφει` ς ο῾ Πε´ τρος βλε´ πει το` ν μαθητη` ν ο῝ ν η᾽ γα´ πα ο῾ ᾽Ιησου῀ς α᾽ κολουθου῀ντα ). Mit dem Partizip α᾽ κολουθου῀ντα wird die Parallele sehr eng, trotz der Differenz beim Verb des Sehens. Jesus sagt dem Petrus, dass der Weg des Lieblingsjüngers ihn nichts angeht. Dieser Weg ist unabhängig von seinem. Der Lieblingsjünger hat einen anderen Auftrag über den er auch als Hirte der Schafe Jesu nicht verfügt (Joh 21,20-23). Der Text ohne Partizip unterstreicht den ganz anderen Weg des Lieblingsjüngers. Allerdings kommt die Ehre des Primats der Nachfolge allein Petrus zu. Das Partizip macht Petrus diese Ehre streitig. Der Lieblingsjünger ist nicht nur ebenfalls ein Nachfolger, sondern im Gegensatz zu Petrus, der noch einen Im- 166 Jan Heilmann, Peter Wick perativ zur Nachfolge braucht, ist er bereits am Nachfolgen (Partizip). So unterstreicht der Text ohne Partizip die Differenz zwischen Petrus und dem Lieblingsjünger, der Text mit Partizip aber lässt den Lieblingsjünger deutlich über Petrus stehen. Narrativ hat Jesus in Joh 21,12 ein Frühstück mit seinen Jüngern eröffnet. Dieses wird durch die Beauftragung des Petrus nicht unterbrochen. In dieser Frühstücksszene lässt sich die bereits geschehende Nachfolge nicht integrieren, schließlich wird durch den Mahlkontext suggeriert, dass alle auf dem Boden liegen, speisen und sich unterhalten. Wenn Jesus und Petrus sich unterhalten, wird beim Leser die Vorstellung hervorgerufen, dass sie sich zugewandt sind. Offensichtlich liegt der Lieblingsjünger nicht an der Brust von Jesus und auch nicht hinter ihm, denn sonst müsste sich Petrus nicht zu ihm umwenden. Auf jeden Fall ist das Partizip nicht in diese Mahlszene zu integrieren, außer der Erzähler würde sich hier direkter mit einem „Erzählerkommentar“ einschalten und suggerieren, dass Petrus das Nachfolgen als Qualität des Lieblingsjüngers erkannt hat. Es ist nicht ausgeschlossen, dass in der Erzählung ein nicht erzählter Wechsel der Szenerie vorausgesetzt ist und das Mahl in der Zwischenzeit abgebrochen worden ist. Allerdings liegt das nicht nahe, denn diese Gespräche können gerade als typische Bestandteile eines Mahlverlaufs verstanden werden. Das Fehlen von α᾽ κολουθου῀ντα in a * W ff 2 (die Beurteilung des pbo Textes ist noch einmal eine andere Frage) lässt sich textkritisch weder aus der äußeren Bezeugung noch aus inneren Erwägungen eindeutig beurteilen. Im Rahmen des hier diskutierten Modells wäre es durchaus vorstellbar, dass mit dem Fehlen eine ältere Lesart in *Joh bezeugt ist, die dann bei der Zusammenstellung der vier Evangelien ( 4 Joh) zur Kohärenzerzeugung innerhalb des JohEv und zu den Synoptikern (großer Stellenwert des Nachfolgenmotivs) eingefügt wurde. 6 Schlussüberlegungen In diesem Beitrag wurde versucht, die methodischen Implikationen und das heuristische Potential des Modellansatzes Klinghardts zur Untersuchung von Varianten in der neutestamentlichen Textüberlieferung zu erkunden, indem es auf vier Teststellen angewandt wurde, an denen der Text des Johannesevangeliums redaktionelle Varianten aufweist. Rückblickend sei der experimentellexplorierende Charakter des Vorgehens, das u. a. zum Ziel hat, die Diskussion zu einer stärkeren Variantensensitivität in der Exegese anzustoßen, noch einmal betont. Die Untersuchung weist aber deutlich darauf hin, dass es a) methodologisch, aber auch b) historisch problematisch sein könnte, bei synchron orientierten Fragestellungen der Johannesexegese auf die diachrone Perspektive zu ver- 167 Varianten in der Textüberlieferung des Johannesevangeliums zichten und ohne Reflexion der Variantenentstehung dem rekonstruierten eklektischen Ausgangstext der kritischen Ausgaben zu folgen. So steht die Johannesexegese a) methodologisch vor einer Herausforderung vor allem an solchen Stellen, an denen eindeutige textkritische Entscheidungen schwierig sind und die alternativen Textformen potentiell große Auswirkungen auf das narrative Gesamtgefüge haben können. Das dahinterliegende methodologische Problem ist jedoch dem streng binär orientierten Ansatz der Textkritik geschuldet und zuletzt von E. J. Epp treffend zusammengefasst worden: „That is, textual decisions are treated as binary - in or out - and once rejected, variants are relegated to the netherworld at the foot of the pages in a critical edition, where they become, at best, second-class citizens, mostly overlooked and often without a further life.“ 47 Als Nebenbemerkung ist in diesem Zusammenhang auf das Problem hinzuweisen, dass Lexembelege in Varianten, die in den Apparat verbannt worden sind, z. B. weder in Konkordanzen verzeichnet werden noch durch die normale Suchfunktion in den gängigen Bibelprogrammen gefunden werden können, wodurch potentiell wichtige Forschungsdaten nur unzureichend erschlossen sind. In historischer Hinsicht stellt sich b) die Frage, wo die Textform des „Ausgangstextes“, die in den kritischen Ausgaben rekonstruiert wird, historisch zu verorten ist bzw. wie nah die Textform des „Ausgangstextes“ dem zumeist als Text der johanneischen Gemeinde gedeuteten Evangeliums kommt. Denn per definitionem handelt es sich beim Ziel der neutestamentlichen textkritischen Arbeit, „dem Ausgangstext“, um die Textform, von der die Hss.-Transmission ausgeht und nicht um die Textform des Autographons. 48 Die Annahme, dass es sich beim rekonstruierten „Ausgangstext“ um die bestmögliche Annäherung an den „ursprünglichen“ Text (ist das Autographon gemeint oder die letzte Redaktionsstufe [? ]) handelt, 49 bleibt in einigen textkritischen Beiträgen ein Postulat bzw. definitorisch unterbestimmt. 50 Aufschlussreich sind in dieser Hinsicht die 47 Epp, Refined Definitions, 424f. 48 „The initial text is a hypothetical, reconstructed text, as it presumably existed, according to the hypothesis, before the beginning of its copying. [ … ] The initial text is not identical with the original, the text of the author. Between the autograph and the initial text considerable changes may have taken place which may not have left a single trace in the surviving textual tradition. Even if this is not the case, differences between the original and the initial text must be taken in to account,“ (Mink, Problems, 25). 49 Vgl. Aland, Münsteraner Arbeit, 69. Vgl. aber auch Holmes, Original Text, 659, der als Bsp. für den initial text des Römerbriefes auf das materielle Objekt verweist, das nach Rom geschickt wurde, womit er a) den Unterschied zum als alt markierten Paradigma des original text wieder völlig verwischt und b) textkritische Phänomene, wie etwa den Römerbriefschluss, aber etwa auch das Problem von pseudepigraphen Briefen, übergeht. 50 Vgl. v. a. die kritischen Ausführungen z. B. bei Parker, „Initial Text“, dessen Modell eines 168 Jan Heilmann, Peter Wick Beobachtungen, die B. Aland schon 1989 in einem Aufsatz gemacht hat, und die Ausführungen von H. Strutwolf. „Das führt schließlich zur letzten Frage: Welcher neutestamentliche Text kann überhaupt rekonstruiert werden? [ … ] Die hier besprochenen, durchaus vorläufigen Beobachtungen und Überlegungen weisen m. E. deutlich darauf hin, daß unsere Handschriften auf eine sehr frühe Ausgabe oder autorisierte Abschrift o. ä. (der Terminus muß offen bleiben) zurückgehen.“ 51 “I therefore opt for the view that, in most cases, we can get back to the beginning of our manuscript tradition, which according to David Trobisch’s theory would bring us as far back as the middle of the second century, as long as we have no reliable data that lead us behind the canonical redaction of the New Testament. However, as long as we have no evidence that suggests a radical break in the textual transmission between the author’s text and the initial text of our tradition, the best hypothesis concerning the original text still remains the reconstructed archetype to which our manuscript tradition and the evidence of early translations and the citations point.” 52 Diese kurze Skizze weist auf das drängende Problem hin, dass die textkritische Rekonstruktion des neutestamentlichen Textes a) auf ein valides überlieferungsgeschichtliches Modell angewiesen ist, 53 b) unablösbar mit der Frage der Entstehung von Sammlungen neutestamentlicher Schriften (also traditionell gesprochen: mit Fragen der „Kanongeschichte“) verknüpft ist, und c) die strenge Unterscheidung zwischen Text- und Redaktionskritik letztendlich nicht durchgehalten werden kann (aber zu analytischen Zwecken freilich sinnvoll ist). Damit verbunden verweisen die Beobachtungen zur johanneischen Textüberlieferung auf das Desiderat eines kohärenten und historisch fundierten Modells, das die Entstehung von (redaktionellen bzw. intentional gesteuerten) Varianten konzeptualisiert, und diese nicht einfach nur auf das Wirken anonymer „Schreiber“ zurückführt. Bisherige Ansätze, wie etwa der von B. Ehrman, besprechen lediglich solche Lesarten, die theologisch bedeutsam sind und sich in die theologiegeschichtlichen Debatten der frühen Kirche einordnen lassen, 54 wobei jedoch living texts allerdings dem hss. Befund auch nicht gerecht wird, und Epp, Refined Definitions. 51 Aland, Münsteraner Arbeit, 68. 52 Strutwolf, Original, 41. 53 Vgl. dazu jetzt die Ausführungen von Lembke, Besonderheiten, dessen Kritik am Überlieferungsmodell, das der kohärenzbasierte genealogische Methode zugrundeliegt, nicht nur in Bezug auf die „Besonderheiten der griechischen Überlieferung der Offenbarung“ reduktionistisch ist, sondern diese Kritik in Teilen auch für die Überlieferungsgeschichte der vier Evangelien gelten könnte, sollten sich wirklich „vorkanonische“ Varianten, den „Ausgangstext“ (in der Diktion Klinghardts: der „kanonischen“ Text) kontaminiert haben und von einer Interferrenz verschiedener Ausgaben in der Handschriftentransmission auszugehen ist. 54 Vgl. Ehrman, Corruption. 169 Varianten in der Textüberlieferung des Johannesevangeliums theologisch „unverdächtige“ Varianten (z. B. das unter Punkt 3 diskutierte Phänomen) außer Acht gelassen werden, die aber wegen der hss. Bezeugungslage zwingend in ein Erklärungsmodell zu integrieren wären. Der Ansatz Klinghardts impliziert nun die Möglichkeit einer präzisen Unterscheidung zwischen „Ausgangstext“ (initial text) und einem älteren Text 55 (original text), deren heuristisches Potential an den in diesem Beitrag diskutierten Varianten durchaus deutlich wurde, wodurch o. g. Binarität des textkritischen Arbeitens zugunsten einer mindestens dreistelligen Unterscheidung aufgebrochen würde. Beim „Ausgangstext“ handelte es sich um den Text einer frühen Ausgabe (B. Aland), die man nicht zwingend, wie Klinghardt, als „Kanonische Ausgabe“ aller 27 Schriften konzeptualisieren muss, sondern im Falle der Evangelien reicht die Vierevangeliensammlung aus, die relativ sicher ins 2. Jh. datiert werden kann. 56 Der ältere Text wäre dann hingegen nicht der Text, von dem die Hss-Transmission abhängig ist, sondern derjenige, der durch einen Redaktionsschritt bei der Zusammenstellung zu Sammlungseinheiten vom Ausgangstext unterschieden ist. Dass eine solche Unterscheidung durchaus methodisch notwendig sein könnte, wird auch innerhalb des vorherrschenden texttheoretische Ansatzes durchaus in Betracht gezogen. 57 Aufgrund der fragmentarischen Überlieferungslage bzw. kontingenten Kontamination des „Ausgangstextes“ durch „vorkanonische“ Lesarten wäre dieser jedoch auch nicht mehr vollständig rekonstruierbar. Daneben existiert dann freilich noch der Großteil in Relation zum „Ausgangstext“ eindeutig sekundärer Lesarten, die durch Konflation, Fehler im Überlieferungsprozess oder spätere intentionale Eingriffe in den Text entstanden sein müssen. Erweist sich dieser Ansatz als historisch und bezüglich der Beurteilung des textkritischen Befundes als tragfähig, steht die erste Aland’sche Grundregel, „nur eine Lesart kann die ursprüngliche sein“ 58 zur Disposition bzw. muss differenziert werden. Denn im Rahmen des Modells wird die historisch begründete Unterscheidung zwischen Lesarten, die zum Ausgangstext gehören, und älteren Lesarten möglich. Eine genaue Kriteriologie zur Unterscheidung von solchen Lesarten, die zum Ausgangstext gehören (in der Diktion Klinghardts „kanonisch) und in Relation dazu älteren Lesarten (in der Diktion Klinghardts „vor- 55 Auf die Verwendung des Begriffes „Urtext“ wird hier verzichtet, da leicht Missverständnisse aufkommen könnten. 56 Vgl. dazu mit Verweis auf die entsprechenden Quellen Heckel, Evangelium, insb. 266ff. 57 G. Mink, der Vater der Kohärenzbasierten Genealogischen Methode, weist explizit auf die Möglichkeit eines redaktionellen Eingriffs zwischen dem initial text und dem original text hin. Vgl. Mink, Problems, 26. Allerdings wird u. W. im Rahmen dieser Methode nicht mit der Möglichkeit gerechnet, dass ältere Varianten des original texts die Hss-Transmission kontaminiert haben. 58 Aland/ Aland, Text, 284 [Hervorhebung im Original]. 170 Jan Heilmann, Peter Wick kanonisch“) steht jedoch insbesondere im Hinblick auf das Problem des sog. „westlichen“ Textes noch aus. Insbesondere wäre zu klären, wie man sich die Kontamination des „Ausgangstextes“ durch „vorkanonische“ Lesarten sozialgeschichtlich genau vorstellen muss. Hier wäre denkbar, dass es in der Geschichte der Transmission des neutestamentlichen Textes bereits abgeschriebene Hss. an Hand von für älter gehaltenen Manuskripten korrigiert wurden und die Varianten sogar durch die konkrete Arbeit am Text während der Redaktion bei der Zusammenstellung zu Sammlungen als korrigierte Textvarianten in den Hss. stehen geblieben sind. Um diese Möglichkeit zu plausibilisieren, bedarf es allerdings einer genaueren Untersuchung der antiken und frühchristlichen Editions- und Publikationspraxis. Dies bedeutet zusammenfassend für die Johannesexegese: Wenn sich herausstellen sollte, dass der textkritische Befund tatsächlich dahingehend zu interpretieren wäre, dass die handschriftliche Überlieferung des Johannesevangeliums in seiner „Endgestalt“ auf eine Redaktion in das 2. Jahrhundert zurückginge 59 und der „vorkanonische“ Text nur selektiv rekonstruierbar wäre, hätte dies gravierende Implikationen für die Johannesforschung. Der Text des Johannesevangeliums ist ein Text des 2. Jahrhunderts, über die Entstehung des Werkes selbst ist damit freilich nichts gesagt. 60 59 Aus Gründen der Komplexitätsreduktion ausgelassen wurden in diesem Beitrag sowohl alle Fragen des Verhältnisses von Johannes zu den Synoptikern, das im Rahmen des Klinghardt’schen Modell noch einmal neu zu betrachten wäre, als auch insbesondere die forschungsgeschichtlich sehr alte These, dass das Johannesevangelium im Zusammenhang mit der Vierevangeliensammlung gestanden hätte (vgl. dazu Heckel, Evangelium, 192ff) bzw. mit einer protokanonischen Sammlung von Evangelien (vgl. dazu die hypothetischen Überlegungen bei Klinghardt, Evangelium, 366-371). 60 An dieser Stelle ist zu betonen, dass das überlieferungsgeschichtliche Modell Klinghardts abgesehen von der Datierung der konkret als redaktionelle Zusätze interpretierten Varianten keine definitiven Implikationen für die Datierung der Evangelien enthält. Vgl. dazu Klinghardt, Evangelium, 374-380. The Gospel According to John in the Light of Marcion’s Gospelbook David Trobisch At the end of the second century, Tertullian promoted the opinion that Marcion redacted the Canonical Edition of the New Testament by taking out whole writings and removing sections of text. 1 This view has often been challenged, however, and several recent studies firmly insist that Marcion’s publication preceded the canonical Gospel According to Luke. 2 The central observation that discredits Tertullian’s assessment is that Marcion’s book includes passages that contradict the theology that Marcion was supposedly trying to promote. Why would Marcion not have deleted them? And I believe that Marcion on purpose did not want to delete some material from his Gospel which contradicted him. He left it in the text although he could have deleted it, either so that one could not say that he deleted anything, or that one could say that he deleted material for good reason. (Adv. Marc. 4.43.7) Et Marcion quaedam contraria sibi illa, credo industria, eradere de evangelio suo noluit, ut ex his quae eradere potuit nec erasit, illa quae erasit aut negetur erasisse aut merito erasisse dicatur. 3 Tertullian also reports that Marcion denied redacting the canonical version and accused his opponents of adding to his gospel as they created the Gospel According to Luke. 4 1 For the term “Canonical Edition” see Trobisch, First Edition, 8-9. 2 Scholars in support of the priority of Marcion are Campenhausen, Knox, Hoffmann, Tyson, Klinghardt (see Bibliography; cf. also Klinghardt, Evangelium, 117-141). The position of Marcion editing the Canonical Edition has recently been re-stated by Moll (Moll, The Arch-Heretic). Harnack’s position is not always consistent; see Klinghardt, Evangelium, 119-132. 3 The Latin Text is from Evans, Tertullian. The English is quoted from Roberts/ Donaldson/ Coxe, Ante-Nicene Fathers: Tertullian, 349. 4 Cf. Adv. Marc. 4.4.4: “For if the Gospel, said to be Luke’s which is current amongst us … is the very one which, as Marcion argues in his Antitheses, was interpolated by the defenders of Judaism … ” 172 David Trobisch I affirm that Marcion’s Gospel is adulterated; Marcion, that mine is. (Adv. Marc. 4.4.1) Ego meum dico verum, Marcion suum; ego Marcionis affirmo adulteratum, Marcion suum. So the pertinent question is, who edited whom? Tertullian proposes to settle the question by insisting that the version that was written first is the original one. Now what could possibly settle the question between us better than the argument of time? Authenticity should lie with that which is found to be earlier and that which is found to be later should be considered flawed. (Adv. Marc. 4.4.1, author’s translation) Quis inter nos determinabit, nisi temporis ratio, ei praescribens auctoritatem, quot antiquius reperietur; et ei praejudicans vitiationem, quod posterius revincetur? Tertullian assumes that if editors assign a writing to an author from the first century that the writing must have been written in the first century. The editorial narrative of the Canonical Edition suggests that Luke who finished the book of Acts while Paul was still alive (Acts 28: 30-31) is the author of the third gospel. 5 Creative writers, however, may choose to tell a story through the voice of a character, and therefore the narrative details of when and where a story was written down may or may not be historical. In the following, I will assume that Marcion’s book is older than the Gospel According to Luke, and that the editors of the Canonical Edition of the New Testament were familiar with it and used it. They also knew that their readers would encounter the Gospel According to John as the fourth gospel in their Four-Gospel-Book. It is therefore reasonable to try to understand John (a) on a literary level as an integral part of the Four-Gospel-Book, and (b) from a historical perspective in the context of Marcion’s publication. 1 Literary-Critical Assessment: The Gospel According to John as an Edited Version of the Manuscript of the Beloved Disciple Readers who appreciate the final form of the Gospel According to John and read it at face value will pick up reading instructions from the editors. Immediately before the concluding sentence of the Gospel the editors address the readers of the book (Jn 21: 24). This is the disciple who is testifying to these things and has written them, and we know that his testimony is true. 5 Trobisch, First Edition, 49-52. 173 The Gospel According to John in the Light of Marcion’s Gospelbook As readers we are told that the editors used a manuscript written by “this disciple” as the basis of their publication. They explicitly endorse the manuscript by insisting that the “testimony is true”. But they also refer to themselves in the first person plural “we” and expect the readers to make a distinction between the authorial voice of the manuscript and the voice of its editors. 6 Clearly, the editors would have had other possibilities. They could have used the authorial voice and write: “I, the disciple whom Jesus loved wrote these things down and I testify that everything I wrote is true”. This is, for example, the perspective chosen in the Gospel According to Luke. It is introduced to the readers of the Four-Gospel-Book, “Dear Theophilus, I publish this story so you know that the teachings you received are reliable” (Lk 1: 1.3.4). 7 But the fourth gospel lives up to what the title suggests, this is not the “Gospel of John” it is the Gospel “According to John”. The editors do not hide their voice, they invite the readers to distinguish between their editorial work and the manuscript of the “beloved disciple”. How should the readers distinguish between editor and author? The editors give two clues. Firstly, they differentiate between their own voice (“we”) and the voice of the author (“disciple”), secondly they provide signals between the exact reference point in the manuscript of the beloved disciple and their comments, very much like footnotes in modern scholarly publications. A graphic representation of Jn 21: 20-24 that uses notes in the margin, a common feature found in ancient manuscripts, could look like this: Peter turned and saw the disciple whom Jesus loved* following them. When Peter saw him, he said to Jesus, “Lord, what about him? ” Jesus said to him, “If it is my will that he remain until I come, what is that to you? Follow me! ”** * He was the one who had reclined next to Jesus at the supper and had said, “Lord, who is it that is going to betray you? ” **So the rumor spread in the community that this disciple would not die. Yet Jesus did not say to him that he would not die, but, “If it is my will that he remain until I come, what is that to you? ” This is the disciple who is testifying to these things and has written them, and we know that his testimony is true. 6 For Jn 21: 24 cf. Thyen, Joh, 1-5, 793-796. Traditional view advocating Jn 21 as an appendix see Wengst, Joh, Bd. 1, 30f., Bd. 2: 327f. For summary text observations indicating the beloved disciple as an implied author, narrator, authentic witness, and “exegete of Jesus” (Jn 1: 18; 13: 23; 15: 27; 19: 25-27) cf. Thyen, Joh, 596. 7 Cf. Thyen, Joh, 2. 174 David Trobisch In the first instance (*), the editors reference a passage in the manuscript and for lack of other indicators, like our modern chapters and verses, they provide a quote that allows readers to identify the passage as Jn 13: 23-25. One of his disciples—the one whom Jesus loved—was reclining next to him; Simon Peter therefore motioned to him to ask Jesus of whom he was speaking. So while reclining next to Jesus, he asked him, “Lord, who is it? ” The editors’ objective is to identify the “disciple whom Jesus loved” as one of the characters mentioned earlier in the manuscript they are editing. The second editorial remark (**) also references the exact passage by providing a direct quote, “If it is my will that he remain until I come, what is that to you? ” If one assumes the scenario that the author of the manuscript had already died at the time the editors are preparing it for publication, this comment feels helpful. A paraphrase could be: “Dear reader, read the passage carefully! Jesus did not say that John would still be alive! ” Adding a note instead of simply changing the wording demonstrates to the readers the respect the editors have for the manuscript of the beloved disciple. Other editorial remarks in the Gospel According to John also cross-reference characters of the story, reminding readers that they are mentioned in other places of the book, for example Jn 11: 1-3. Now a certain man was ill, Lazarus of Bethany, the village of Mary and her sister Martha.* So the sisters sent a message to Jesus, “Lord, he whom you love is ill.” * Mary was the one who anointed the Lord with perfume and wiped his feet with her hair; her brother Lazarus was ill. Here the editors reference a story that the readers have not yet read. It will be told in the following chapter (Jn 12: 1-2). There they gave a dinner for him. Martha served, and Lazarus was one of those at the table with him. Mary took a pound of costly perfume made of pure nard, anointed Jesus’ feet, and wiped them with her hair. The house was filled with the fragrance of the perfume. Or when Caiaphas makes an appearance in Jn 18: 13, readers are reminded that he was mentioned a few chapters earlier. First they took him to Annas, who was the father-in-law of Caiaphas, the high priest that year.* * Caiaphas was the one who had advised the Jews that it was better to have one person die for the people. The cross-reference is to Jn 11: 49-50. 175 The Gospel According to John in the Light of Marcion’s Gospelbook But one of them, Caiaphas, who was high priest that year, said to them, “You know nothing at all! You do not understand that it is better for you to have one man die for the people than to have the whole nation destroyed.” Judas is another person who is cross-referenced (Jn 6: 68-71). Simon Peter answered him, “Lord, to whom can we go? You have the words of eternal life. We have come to believe and know that you are the Holy One of God.” Jesus answered them, “Did I not choose you, the twelve? Yet one of you is a devil.”* * He was speaking of Judas son of Simon Iscariot, for he, though one of the twelve, was going to betray him. The reference is to Jn 18: 2-3. Now Judas, who betrayed him, also knew the place, because Jesus often met there with his disciples. So Judas brought a detachment of soldiers together with police from the chief priests and the Pharisees, and they came there with lanterns and torches and weapons. In the examples above, the cross-referencing of passages concentrates on characters in the story: the beloved disciple, Mary, Caiaphas, and Judas. And once readers recognize the pattern, they should appreciate that the editors did not interfere with the wording of their source but preferred to amend it through distinct commentary. 8 Clearly the editors expect their audience to be a reading audience. The idea of an old manuscript written by an eyewitness, long lost and now brought to public attention, caters to book lovers. Familiarity with competing books is implied in the first lines of the Gospel According to Luke which inform readers that many others have already published accounts of what Jesus did (Lk 1: 1). The opening sentences of the Gospel According to John assume a familiarity with the beginning of the Greek Pentateuch, another publication editors assume readers will know. 1 In the beginning was the Word, and the Word was with God, and the Word was God. 2 He was in the beginning with God. 3 All things came into being through him, and without him not one thing came into being. What has come into being 4 in him was life, and the life was the light of all people. 5 The light shines in the darkness, and the darkness did not overcome it. 1 In the beginning when God created the heavens and the earth, … 3 Then God said, »Let there be light«; and there was light. 4 And God saw that the light was good; and God separated the light from the darkness. 8 The editorial remarks are not limited to cross-referencing characters. Cf. Hedrick, Authorial Presence, 74-93. 176 David Trobisch The Gospel According to John is the fourth gospel of the canonical Four-Gospel- Book. Readers encounter it in the context of three other gospels. And as they engage in reading the fourth gospel, it becomes apparent that the editors expect them to be familiar with the storyline and characters of the first three gospels (Jn 1: 6-8). There was a man sent from God, whose name was John. He came as a witness to testify to the light, so that all might believe through him. He himself was not the light, but he came to testify to the light. The only John mentioned to the readers of the Gospel According to John at this point was the John referred to in the title. But this man is a different one, and from his description as “not being the light but testifying to the light” readers familiar with the three preceding gospels are expected to recognize the reference to John the Baptist. As the text continues, readers familiar with the story will try to find parallels (Jn 1: 9-11). The true light, which enlightens everyone, was coming into the world. He was in the world, and the world came into being through him; yet the world did not know him. He came to what was his own, and his own people did not accept him. “Coming into the world” may refer to the story of Jesus’ birth. And for readers of the preceding three gospels the phrase “his own people did not accept him” references Jesus’ rejection in Nazareth (Mt 13: 53-58; Mk 6: 1-6, Lk 4: 16-30). However, only the Gospels According to Luke and According to Matthew have a birth narrative, and only Luke mentions the rejection in Nazareth at the very beginning of Jesus’ ministry. The suspicion, therefore, arises that the editors may specifically point to the Gospel According to Luke, which immediately precedes the Gospel According to John. This suspicion is corroborated by a number of references to stories contained exclusively in the Gospel According to Luke. When Lazarus is introduced to the readers, he is introduced with language that assumes familiarity with his sisters Mary and Martha (Jn 11: 1). 9 Now a certain man was ill, Lazarus of Bethany, the village of Mary and her sister Martha. However, Mary and Martha are not mentioned before in the Gospel According to John, nor are they mentioned in Matthew or Mark. The Gospel According to Luke is the only one that mentions the sisters (Lk 10: 38-39). 9 Thyen, Erzählung. 177 The Gospel According to John in the Light of Marcion’s Gospelbook Now as they went on their way, he entered a certain village, where a woman named Martha welcomed him into her home. She had a sister named Mary, who sat at the Lord’s feet and listened to what he was saying. The Gospel According to John assumes that the readers are familiar with the Gospel According to Luke. The readers are supposed to remember the sisters. The story of the woman anointing Jesus’ feet and the story of the miraculous catch of fish are both stories that are found in the Gospel According to Luke but not in Matthew and Mark, and they are referenced in the Fourth Gospel. As readers compare the versions they may recognize that the Gospel According to John does not simply repeat these stories, but uses the authority of the manuscript of the Beloved Disciple to correct important details. Luke 7: 36-38 John 12: 1-3 One of the Pharisees asked Jesus to eat with him, and he went into the Pharisee’s house* and took his place at the table. And a woman in the city, who was a sinner**, having learned that he was eating in the Pharisee’s house, brought an alabaster jar of ointment. She stood behind him at his feet, weeping, and began to bathe his feet with her tears and to dry them with her hair. Then she continued kissing his feet and anointing them with the ointment. Six days before the Passover Jesus came to Bethany, the home of Lazarus*, whom he had raised from the dead. There they gave a dinner for him. Martha served, and Lazarus was one of those at the table with him. Mary** took a pound of costly perfume made of pure nard, anointed Jesus’ feet, and wiped them with her hair. The house was filled with the fragrance of the perfume. Whereas the story happens according to Luke during the Galilean period of Jesus’ ministry, according to the Beloved Disciple it happened six days before Jesus’ death. And his “testimonial” also declares that the place was not the home of a Pharisee in Galilee but the home of Lazarus in Bethany, a village just outside of Jerusalem. Most strikingly, the woman who anointed Jesus was not “a woman in the city who was a sinner” but it was Mary, the sister of Lazarus and Martha. These corrections strike at the trustworthiness of Luke’s sources. According to the manuscript of the Beloved Disciple, Luke’s report of the miraculous catch of fish also misrepresents important details. Luke 5: 1-3.9-10 John 21: 1-2.14 Once while Jesus was standing beside the lake of Gennesaret, and the crowd was pressing in on him to hear the word of God, he saw two boats there at the shore of the lake; the fishermen had gone out of them and were washing their nets. He got After these things Jesus showed himself again to the disciples by the Sea of Tiberias; and he showed himself in this way. Gathered there together were Simon Peter, Thomas called the Twin, Nathanael of Cana in Galilee, the sons of Zebedee, and two 178 David Trobisch into one of the boats, the one belonging to Simon*, and asked him to put out a little way from the shore. … For he and all who were with him were amazed at the catch of fish that they had taken; and so also were James and John, sons of Zebedee*, who were partners with Simon. others of his disciples*. … This was now the third time that Jesus appeared to the disciples after he was raised from the dead. First of all, the timing is wrong. The event did not take place early in Jesus’ ministry in Galilee but it happened when Jesus “showed himself again” after his resurrection, or as the narrative states at the end of the story, “this was now the third time that Jesus appeared to the disciples after he was raised from the dead” (Jn 21: 14). Present at the scene were not only Simon, James and John (the sons of Zebedee), but in addition to these, four more eyewitnesses are cited, “Thomas called the Twin, Nathanael of Cana in Galilee, and two others of his disciples”. Again, Luke’s account is harshly corrected. In the Gospel According to Luke Jesus does not return to Galilee but shows himself on Easter Sunday in Jerusalem and ascends to heaven the same evening (Lk 24). The editors of the Gospel According to John disagree; Jesus appeared in Galilee as well. To sum up the new reading instruction of the editors of John: Read Luke first, look for points of reference, we are not going to repeat where we agree, Luke provides the structure of the narrative, but we will point out where we have additional information and we will prove our point to you by quoting the manuscript of the Beloved Disciple. 2 Redactional-Critical Assessment: Gospel According to John in the light of Marcion’s Gospel But why would the editors of the Gospel According to John assume that their readers are familiar with Luke’s narrative and at the same time question its historical accuracy? An answer might lie in the observation that all three stories mentioned above are attested for Marcion. 10 It appears that the editors of the third and the fourth gospels were sharing the intent to discredit Marcion. From a historical point of view, the editors of the Canonical Edition, and some of their implied readers, would have been familiar with the book on Jesus and with the collection of Paul’s letters that Marcion had published. 11 In the context of 10 Based on Matthias Klinghardt’s critical edition of Marcion’s gospel: Luke 7: 36-38 (588-600); Lk 10: 38-39 (722-724); 5: 1-3.9-10 (480-486). 11 For Marcion’s collection of Paul’s letters cf. Schmid, Marcion und sein Apostolos. 179 The Gospel According to John in the Light of Marcion’s Gospelbook this essay, the interest is on better understanding the editorial concept expressed in the Gospel According to John than to understand Marcion’s work. In Marcion’s book the disciple John is one of the twelve (Lk 6: 14), and yet little more than a side character. He is in the background when Peter is called (Lk 5: 10), he silently witnesses the resurrection of the little girl (Lk 8: 51), 12 he is present at the transfiguration scene (Lk 9: 28), and he is sent with Peter to prepare the last Passover meal (Lk 22: 7). His character only has two lines of speech, the first saying, “Master, we saw someone casting out demons in your name, and we tried to stop him, because he does not follow with us” (9: 49). The other line John gets, he speaks in unison with his brother James, “Lord, do you want us to command fire to come down from heaven and consume them [= the Samaritans]? ” (Lk 9: 54). Readers of the New Testament may find that the scenes from Marcion’s book featuring John are greatly elaborated in the Gospel According to John and numerous details are corrected. Narrating the calling of Peter, the Gospel According to John shifts the location from Galilee to a place on the Jordan closer to Jerusalem, and Peter is not the first disciple to become a follower of Jesus but the third one (Jn 5: 35-43). The scene in Samaria is reflected in the encounter between Jesus and the Samaritan woman (Jn 4: 1-42). The information in Marcion’s book that Peter and John prepared the last Passover in the light of the Gospel According to John is questionable because according to John Jesus dies in the afternoon before the Passover meal. It therefore seems unlikely that Jesus would send out disciples to prepare an event that Jesus knew he would not attend. All these corrections undermine Marcion’s authority to report accurately. In Marcion’s edition of Paul’s letters, John is marginal as well. John, the disciple, is only mentioned once by name (Gal 2: 7-9). And when James and Cephas and John, who were acknowledged pillars, recognized the grace that had been given to me, they gave to Barnabas and me the right hand of fellowship, agreeing that we should go to the Gentiles and they to the circumcised. When the editors of the Canonical Edition introduced readers to the seven Catholic Letters, however, John was represented with three writings. Readers of the Canonical Edition know that Paul had seen Christ in a vision (2Cor 12: 1-10). But John’s credibility, in contrast to Paul’s, is based on more than visionary experiences. The book of Revelation of John vividly documents John’s 12 The story of the healing of Jairus’ daughter is not directly attested for Marcion through Tertullian or other sources. However, this does not necessarily prove that it was missing in Marcion’s edition, see Klinghardt, Evangelium, 624-630. Either way, John is silently present. 180 David Trobisch visions. But in addition, John presents himself to readers as Jesus’ beloved disciple and a reliable witness to historical events in Jesus’ life (1Jn 1: 1). We declare to you what was from the beginning, what we have heard, what we have seen with our eyes, what we have looked at and touched with our hands. It is with this authority that John in his letters counterbalances canonical Paul. Paul only knows Christ spiritually. John experienced both: the man Jesus and the resurrected Christ. In Marcion’s publication, John is a colorless side character both in Marcion’s gospelbook and in his edition of Paul’s writings. The editors of the Canonical Edition, however, lift John from obscurity and make him a prominent voice in the New Testament. 13 Next to Paul with fourteen writings, John is the author of five writings, followed by Peter and Luke with two writings each. 14 The remaining four authors, Matthew, Mark, and Jesus’ brothers James and Jude each only have one writing to their name. Taking a side character and making him or her an authoritative voice is a welldocumented literary strategy in extra-canonical gospels. 15 It fits the genre. Summary The editors of the Gospel According to Luke clearly stated their intention in the introduction (Lk 1: 1-4): They are presenting to the readers the critical work of the first century author Luke. Luke had had access to the earliest publications and to eyewitnesses. Luke’s work is older than Marcion’s. The Gospel According to John may have been published with the same objective. By referencing and correcting passages that were first published by Marcion, it follows the lead of the Gospel According to Luke, which immediately precedes it in the Canonical Edition. The editors express at the end (Jn 21: 24) that there are many other books that could be published about Jesus, but because they 13 Peter of Alexandria, who died in 311, writes that the autograph of the Gospel According to John was still on display in the church of Ephesus (Migne, PG 18, 517). With this assessment, he captures very well what readers of the Canonical Edition can glean from information provided by the editors: John is associated with Ephesus and the Gospel According to John is based on an autograph. 14 In the Greek manuscript tradition, Hebrews is transmitted as a letter of Paul, placed between 2Thessalonians and 1Timothy in almost all early witnesses. A literary approach assesses the implied narrator only, allowing for the possibility of fictional voices. For a full discussion of the manuscript evidence see Trobisch, Paulusbriefsammlung. 15 Gospel of James, Mary, Judas, and Thomas (brother of Jesus) come to mind. It is also the strategy for the most successful extra-canonical Christian letter collection, the 6th century corpus assigned to Dionysius Areopagita (cf. Heil/ Ritter, Corpus Dionysiacum, 151-210). 181 The Gospel According to John in the Light of Marcion’s Gospelbook discovered a manuscript written by an eyewitness, Jesus’ beloved disciple John, they imply that their gospel is better than Marcion’s book. They repeat the argument of canonical Luke and Tertullian: the older version is more trustworthy. If the Gospel According to John reacts to Marcion, its historical value lies in its description of what editors, publishers, and, possibly, their audience believed concerning Christ a century after Jesus’ death. This makes the Gospel According to John an excellent source to illustrate theological convictions of the developing catholic Christian movement as their leaders struggle to articulate their beliefs by narrating what Jesus did and taught in the context of Marcionite, Gnostic, Jewish, and other faith communities with ties to the Jesus tradition. Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel (Mcn) The Example of the Lord’s Prayer Markus Vinzent The Lord’s Prayer is a classic example to show how the methodological assumptions impacted on both the reconstruction of Marcion’s Gospel (Mcn 1 ) and its (non-)reception in scholarship, 2 as it is the only text of Mcn on which we have not only the older and the more recent reconstruction attempts, but also several articles that try to argue for a specific reconstruction of it. When I speak of ‘methodological assumptions’, the plural pertains to two main trajectories. Only the first one of these is usually reflected upon in scholarly works, namely the question of the sources for the reconstruction, their reliability and the issue of dealing with them. The second trajectory, however, which is not less important and to some extent even precedes the first one, is the place one gives to Mcn within the Synoptics. With the exception of two scholars, all older and the more recent reconstruction attempts build on the commonly held solution to the Synoptic Problem, namely Markan Priority combined with the Two-Sources Hypothesis. And of the two scholars who deviate from this, Jason David BeDuhn and Matthias Klinghardt, only the latter reflects upon the question how the altered synoptic framework (including John) impacts on the reconstruction work. 3 I take from these two trajectories that we need to look first not at the nature and quality of the sources (although this remains an important topic), but at the 1 The abbreviation Mcn is adopted from Klinghardt, Evangelium. 2 The most recent edited volume of the year 2016 by Wilk, Vaterunser, shows that scholars who explicitly set ‘the Lord’s Prayer in its antique context’ (so the title of this book that commemorises Eduard Lohse [19. Februar 1924; † 23. Juni 2015]), and approach it from the below mentioned first trajectory of the Two-Sources Hypothesis only refer to the three extant versions of Matthew 6: 5-8, Luke 11: 1-2 and the Didache (Did. 8,2-3), but ignore that of Marcion (and that of Q, only touched upon by Wilk, Vaterunser, 87); so also Schattner- Rieser, Das Aramäische, 94. 3 Particularly detailed in Klinghardt, Evangelium, Volume 1. 184 Markus Vinzent framework given to the Synoptic Problem, hence our focus on the second trajectory and its impact on the weighing of the different sources as basis for the reconstruction of Mcn. 4 1 The first Trajectory ‒ or Markan/ Q Priority, the Two-Sources Hypothesis and the Posteriority of Mcn 1.1 Markan/ Q Priority and the Two-Sources Hypothesis The argument for the priority of Mark, developed ‘at the end of the eighteenth century’ and further elaborated ‘to its classical formulation in Streeter’s “Fundamental Solution” (1924)’, 5 was for a long time referred to ‘as “the one assured result” of synoptic criticism’. 6 According to the ‘Two-Sources’ or ‘Two-Documents Hypothesis’, 7 the two sources Mark and Q (= Quelle; sayings’ source) have been used independently by Matthew and Luke. This hypothesis was proposed by Christian Hermann Weisse in 1838, and further developed by Christian Gottlob Wilke (1838) and Heinrich Julius Holtzmann (1863), who criticized Wilke for his recourse to Matthew’s dependence on Luke. 8 Here follows the basic design as one still finds it in most of our NT introductions today: 4 On the relation between the Synoptic Problem and Marcion’s Gospel, see Vinzent, Dating. 5 Farmer, Developments, 276. 6 Styler, Priority, 285. 7 On this hypothesis see the first of the ‘three major position papers’, in: Dungan, Interrelations, 3-124; Jarosˇ/ Victor, Synoptische Tradition, 13 have pointed out that the first scholar to come up with the idea of a two-sources hypothesis, Carl Lachmann, De ordine, assumed that Matthew and Luke only adopted the same order of the material of Mark, but that these authors did not have direct access to Mark’s text. 8 Weisse, Geschichte; Wilke, Urevangelist; Holtzmann, Evangelien; Holtzmann, Entstehung; see on the relation between Wilke and Holtzmann Neirynck, Minor Agreements, 12-13. 185 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel The ‘Two-Documents Hypothesis’ was ‘consolidated under the influence of scholars such as B. Weiss … , P. Wernle’ 9 and broadened by Burnett Hillman Streeter [1924], who added ‘M’ = material peculiar to Matthew, and ‘L’ = material peculiar to Luke, 10 and over the past decades a vast amount of literature has been developed on the reconstruction and nature of the sayings’ source Q. 11 Some scholars think that Matthew and Luke are not independent, but that: 1st Matthew utilized Luke, 12 others that 2nd Luke utilized Matthew 13 or that 3rd Matthew and Luke have used a slightly revised Gospel text, as attested by D, syc s (or the Caesarean text 14 ), hence an earlier text than that of Mark, 15 4th or they used an edition or editions of Mark, 16 for example, a version ‘edited at a time when the Hebrew original of the gospel still exercised influence’. 17 In a study of the relationship between Mark and Q, Harry T. Fleddermann, contrary to earlier positions by A. D. Jacobson and others, 18 tried to show that ‘Mark knew and used final Q’. 19 According to Fleddermann: ‘Q stands at the beginning of the synoptic tradition as the first example of the gospel genre.’ 20 Frans Neirynck, who has - not without detailed criticism - recommended Fled- 9 Head, Christology, 1. 10 Streeter, Gospels, first published in 1924. 11 See the ‘history of the Q hypothesis’, in: Fleddermann, Q; Kirk, Composition; Tuckett, Q; Piper, Quest; Neirynck, Recent Developments, 74-75: ‘It becomes more and more clear that this consensus [regarding the Q hypothesis] covers a great deal of diversity of opinion, especially in the study of the Q redaction. Some critics give a reconstruction of the Q text, propose a tradition-historical analysis of the sayings and practically disregard all problems of Q redaction. For others, the Q redaction involves the reinterpretation of traditional sayings and the formation of new sayings. The more common approach describes the redaction as mainly compositional. … The Q document is first of all a literary-critical hypothesis, and it has been shown to be a workable hypothesis for the interpretation of Matthew and Luke. There is much more uncertainty when we speak of the Q redaction (and, consequently, of the relation between Q and Mark or the pre-Markan tradition) and of pre-Q collections of sayings. The debate is not closed.’ See also Kloppenborg, Q; on Q and the Lord’s Prayer see Q 11: 2b-4, ed. Carruth/ Garsky. 12 Wilke, Urevangelist, 685-692; Bauer, Kritik, I xii-xiii; Huggins, Posteriority. 13 Simon, Evangelist; Gundry, Matthew, 608; see the next note. 14 Or, according to Brown, Revision, not D, but the Caesarean text, esp. fam. 13. 15 Wernle, Frage, 56-57; West, Version, 94: ‘Primitive Luke’; this position comes close to Klinghardt, Evangelium and the assumption that Marcion used an Ur-Gospel = Mcn. 16 See, for example, Schramm, Markus-Stoff. 17 Abbott, Corrections, 53-54; Stanton, Gospels; Fuchs, Untersuchungen; both solutions were heavily criticized by Turner, Study, 43. 18 Jacobson, Gospel; more lit. in Neirynck, Mark and Q, 263f. 19 Fleddermann, Q, 215. 20 Fleddermann, Q, 215. 186 Markus Vinzent dermann’s work, has refined the latter’s suggestion. And although Neirynck concludes that ‘Fleddermann’s monograph on the overlap texts is the most complete study on the Mark-Q parallels that is available at the moment’, he sees the need for ‘further reflection’ on the ‘methodological issue’. 21 1.2 The Markan/ Q Priority, the Two-Sources Hypothesis and the Posteriority of Mcn as Framework for its Reconstruction How has the reconstruction work of Mcn been impacted by this framework? To mention the salient issue first. If one approaches the reconstruction work from the common assumption of Markan/ Q Priority and the Two-Sources Hypothesis, Mcn is been seen - based on the claim first made by Irenaeus and followed by scholars from Tertullian to Adolf von Harnack and Dieter T. Roth - as a reworking or an abbreviation, a mutilation of Luke. 22 Because of Mcn’s posteriority compared to Luke and with Luke being later than Mark and Q, and the independency between Luke and Matthew, neither Q, nor Mark, nor Matthew can contribute to the reconstruction of Mcn. The same is true for John as Markan/ Q Priority and the Two-Sources Hypothesis work on the further assumption of a first century dating of all the canonical Gospels, including John. From this perspective, even Luke is only helpful to some extant for reconstructing Mcn. When Epiphanius states that Mcn is but a mirror of Luke, he adds that the text is full of holes like clothes befallen by moths. 23 Consequently, following this image he gives us the text in his scholia and commentaries as fragments with the deviations from Luke. Indeed, in a similar moth rotten style, later scholars like Theodor Zahn, Adolf von Harnack and Dieter T. Roth present a line or list of fragments, by restricting themselves to giving the deviations from Luke without providing a readable Gospel narrative. The judgement of the close resemblance between Luke and its abbreviator Marcion is supported by Tertullian’s few explicit remarks and more often implicit silence. As a result, within this framework, we are left with only three major sources from which to ‘reconstruct’ or rather indicate the varying readings of Mcn: 24 First 21 Neirynck, Mark and Q, 300-303 (with further lit.). 22 On this with sources and commentary see Vinzent, Dating. 23 Epiph., Pan. 42,11,3. 24 See Roth, Text, 5; for more moderate numbers Roth, Towards, 40: ‘It must be admitted that no new source texts for the reconstruction of Marcion’s Gospel have come to light since Harnack’s tome on Marcion. The most important sources remain Tertullian’s Adversus Marcionem, especially book four; the Panarion (Adversus haereses) of Epiphanius, especially section forty-two and the seventy-eight σχολι´α and ε῎λεγχοι concerning Marcion’s Gospel; and the Pseudo-Origen Adamantius Dialogue, especially books one and two where Adamantius debates the Marcionites Megethius and Marcus. Apart from these sources, Harnack rightly noted, “Die Ausbeute, welche die Angaben anderer Zeugen gewähren 187 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel Tertullian, predominantly his fourth book ‘Against Marcion’ (Adversus Marcionem), who, according to Roth’s calculation references 438 verses of Mcn, second comes Epiphanius with his ‘Panarion’, especially section forty-two and the seventy-eight σχολι´α and ε῎λεγχοι concerning Mcn, where 114 verses in 78 scholia with commentaries are referenced, and finally Pseudo-Origen’s ‘Adamantius Dialogue’ where we find 75 verses dealt with; from ten other sources Roth finds references to 33 verses, but he quotes Harnack: ‘The output resulting from indication of other witnesses (from Hippolytus and Origen to the Armenian Eznik), is small’. 25 On the basis of these sources, in 1823, August Hahn made the very first attempt at reconstructing Mcn and delivered a continuous Greek text with textcritical remarks. 26 Based on the closeness between Luke and Mcn, his principles were: (1) The best he can give as text of Mcn is the one we have in canonical Luke, unless one of the sources explicitly or implicitly contradict it and give an alternative version, and (2) passages of Luke over which our sources, especially Tertullian and Epiphanius in their continuous discussion of the text, pass in silence, he considered as either present or absent in Marcion’s text, based on the question whether Marcion would have excised or retained the passage. 27 Although criticized by some, he was also praised by others for his basic principles. 28 The next critical reconstruction of Mcn, done by Adolf Hilgenfeld in 1850, was another attempt to substantiate Luke’s priority to Marcion, which had a big impact at the time, but on which I will not elaborate, as his recension was soon superseded by those of Theodor Zahn and Adolf von Harnack. 29 These two scholars were radically more cautious in their reconstructive approach, gave up the idea of a continuous Greek text, and only provided the reader with a moth-hole patchwork of fragments, only quoting the altered verses and indicating Marcion’s omissions. 30 As a result of their fragmentary text, the reader looses any sense of literary coherence, potential lines of arguments and theological profile, and one is left with a counter-orthodox, if not a heresiological text. When in his 1982 MA thesis at the the University of Georgia entitled ‘Marcion’s Gospel: Reconsidered’, David S. Williams looked at Mcn, he pushed this approach with its source base to the limits and ruled out any potential sense of (von Hippolyt und Origenes an bis zum Armenier Esnik), ist nicht groß”’, see Harnack, Marcion, 177*. 25 Harnack, Marcion, 177* (see end of note before). 26 Hahn, in Thilo, Codex, 1: 401-486. 27 Roth, Towards, 8 does not give an entirely accurate description of the two principles. 28 See the criticisms in Schulz, Review, 591; Franck, Evangelium, 299; Harnack, Marcion, 177*-178* and Roth, Towards, 8; positive however was Ritschl, Evangelium, 42. 29 Hilgenfeld, Untersuchungen, 398-442. 30 See Zahn, Geschichte, 470-472 (On the Lord’s Prayer). 188 Markus Vinzent reconstructing Mcn: As a result, he even questioned that Marcion used Luke at all as the text base for his Gospel, 31 disregarded Adamantius and any other sources, ‘because of the doubts which surround the Dialogue and our need to use only the surest readings possible’, 32 and stated that ‘our reliance on Tertullian and Epiphanius … render an exclusive dependence on either hazardous’. He, therefore, suggested ‘to limit study to what’ he calls ‘correlated readings’, namely solely those passages that are cited both by Tertullian and Epiphanius. 33 Despite such minimalism, in 1992 Kenji Tsutsui came up with the first full reconstruction of Mcn since Harnack. 34 Tsutsui’s text differs in several places from that of Harnack and he displayed it in three rows: Tertullian’s Latin text, references of Epiphanius and Adamantius, and text-critical comments. Yet, he was criticised for paying too little attention to the nature of his sources and specifically for not taking into account Tertullian’s habit of quoting and referencing Scriptures in his other works. 35 More cautiously and sophisticated than Tsutsui, yet less reluctant than Williams, and guided by the work of Ulrich Schmid on Marcion’s Apostolos (where Schmid provided a moth-hole text of Marcion’s version of the Pauline Letters) and his methodological remarks on the Gospel reconstruction, 36 Dieter T. Roth in his 2009 PhD thesis (Edinburgh) Towards a New Reconstruction of the Text of Marcion’s Gospel: History of Research, Sources, Methodology, and the Testimony of Tertullian, now published, places himself in the Harnack-tradition of providing us with an overview of holes and potential holes, when he lists in tables verses which are attested in one of two ways: (1) the verse is attested as present or (2) the verse is attested as absent. The latter phenomenon appears almost exclusively in the testimony of Epiphanius; however, in numerous instances, Epiphanius’s explicit indication of an omission in Marcion’s text corresponds with the silence of Tertullian. Thus, the Tertullian column of table two contains references in brackets with the indication “tacitus” in order to indicate those instances when Tertullian silently passes over verses that Epiphanius states were missing. The third table lists the “unattested” verses, in other words, the verses on which all sources are silent. 37 Although in his critique of Harnack Roth points to the need of utilizing ‘all available data in the manuscript tradition’ of the New Testament writings, he 31 Williams, Marcion’s Gospel, 24; Williams, Reconsidering, 478. 32 Williams, Marcion’s Gospel, 16. 33 Williams, Reconsidering, 481. 34 Tsutsui, Evangelium. 35 See Schmid, Marcion, 24-5; Moreschini, 29-30; Klinghardt, Markion vs. Lukas, 492 n. 32. 36 See Schmid, How, 142-4. 37 Roth, Towards, 46. 189 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel does not make use of Codex Bezae which has been considered by Harnack (as by Hahn and Zahn before him) as an important witness for Mcn, which has always been the view of specialists on this peculiar Codex. 38 Nor does Roth include any other manuscript material of NT writings, a neglect which, at least tacitly, seems to be caused by the influence of the Markan/ Q Priority and the Two-Sources Hypothesis. 39 The importance of this framework cannot, therefore, be underestimated, as it has shaped the mainstream of older and contemporary reconstruction attempts, be it, as shown, the ones by August Hahn in 1832, 40 Adolf Hilgenfeld in 1850, 41 Theodor Zahn in 1888, 42 Adolf Harnack in 1921 and 1923, Kenji Tsutsui in 1992 and finally the ones by Dieter Roth in 2009 and 2015, 43 while none of the scholars who started from the different framework of Marcion’s priority had ventured to produce a reconstructed Gospeltext of Marcion until very recently. 2 The Priority of Mcn in the Synoptics The importance of the framework of the Synoptic trajectory becomes evident in the opening of Matthias Klinghardt’s recently published two volumes on the reconstruction of Mcn which deals with the two separate discourses in the past - on the one hand the discourse on the Synoptic Question, and on the other the one about the relation between Luke and Mcn. Especially the latter, so Klinghardt’s view, has almost entirely disappeared from the horizon of NT scholarship and almost no author of a commentary on Luke over the past decades has found it necessary to read the very first commentary of the church fathers that survived on the Lukan text, perhaps because it was not a commentary on Luke but rather directed against what Tertullian thought was Marcion’s version of it. I don’t want to roll up the history in detail of how Mcn became seen as being prior to Luke, but I will recall a few names and positions which will prove that while the previous framework always worked on the assumption of Mcn being 38 See for example for earlier scholarship Vogels, Evangelium; Vogels, Evangelien; Vogels, Harmonistik; Vogels, Einfluss; for more recent works see Epp, Tendency; Parker, Codex Bezae; Parker/ Amphoux (ed.), Codex Bezae; Parker/ Amphoux, Manuscript. 39 See, for example, Hahn, in: Thilo, Codex, 407; Harnack, Marcion, 186*. 40 Hahn was the first to reconstruct a continuous Greek text of Marcion’s Gospel, see in Thilo, Codex; an English translation based on this text was made by Hill, Gospel, the only English version available on the web. 41 See above. 42 Cf. http: / / www.marcionite-scripture.info/ Marcionite Bible.htm; http: / / www.gnosis.org/ library / marcionsection.htm; https: / / sites.google.com/ site/ inglisonmarcion/ Home/ mar cion/ marcion-s-gospel-compared-verse-by-verse-with-luke (16.5.2012). 43 See Tsutsui, Evangelium. 190 Markus Vinzent late and, on the basis of this assumption, excluded this text from any innersynoptic comparison and consideration, the present, second framework right from the beginning interlinked research into Mcn with that of Luke and the other Gospels. In the late 17 th century scholars started doubting the judgement by Irenaeus and Tertullian that Marcion rescinded an existing Luke and took this as rhetorical polemics. Already in 1689 Richard Simon noticed that a number of textual deviations that were credited to Marcion are found also as variae lectiones of New Testament manuscripts. 44 He was followed in 1773, by Johann Salomo Semler 45 and in 1792 by Heinrich Corrodi who suggested that Mcn was one of the sources for Luke. 46 Soon, however, in 1788 with Josias Friedrich Christian Löffler the idea was introduced that Marcion, though not using Luke, did rely on an older unknown Gospel. 47 Some of the points he made, are still maintained by more recent scholars, as we will see below. He believes: 1st Marcion presented his own anonymous Gospel; 2nd Marcion rejected not only three, but all four catholic Gospels and preferred his own which he credited to Christ himself and Paul as authors; 3rd the Fathers were only conjecturing Marcion’s interpolation of Luke, and their reasoning that, for example, there could be no more than four Gospels, sounds ridiculous; 4th the similarity between Luke and Mcn does not force us to assume they were the same book; 5th it would be most improbable that Marcion adulterated a Gospel to make it his own as it shows too many inconsistencies to be a systematic adulteration. 48 In this, Löffler was probably the first to reckon with Marcion as author of this gospel, although he saw this text based on an older one. In 1796 Johann E. C. Schmidt proposed that Mcn and Luke were two different recensions of one and the same Gospel, 49 while a few years later, in 1824, he withdrew from this position and suggested that both Mcn and Luke were only redactionally related, or that Mcn was based on Matthew. 50 Methodologically self-reflected, Johann Gottfried Eichhorn, in his famous ‘Introduction’ of 1804, does not begin with heresiologists’ opinions, 51 but with a 44 Simon, History, I 104-12, 111. 45 Semler, III 321 (own trans.); see Semler, Paraphrasis, 9-13; Semler, Vorrede, s.p. 46 Corrodi, Versuch, II 158-72. 47 Löffler, Pauli epistolas, in: Velthusen, Commentationes, I 205; see also Velthusen, Commentationes I 211. 48 Velthusen, Commentationes I, 218; see also Bolton, Bericht, xxix-xxxvii. 49 Schmidt, Evangelium. 50 Schmidt, Handbuch, I 383. 51 Schmidt, Handbuch, I 41. 191 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel systematic comparison between Marcion’s text and that of Luke to conclude that the latter is a revised version of the former and the former an early reworking of an even older Gospel. Following him, in the year 1813, Leonhard Bertholdt rejects the idea of an older Gospel-source of Marcion, but believes his Gospel to be an earlier Greek translation and elaboration of a, or rather, the Proto-Gospel, 52 and that Luke derived from Mcn as one of its sources. 53 Even Friedrich Schleiermacher was not convinced by Hahn and questioned that Marcion had recourse to Luke, but instead saw Marcion’s text to be the work of one single hand. 54 The most important voice in favour of Luke’s posteriority however, was that of Ferdinand Christian Baur, who had extensively studied the letters of Paul, the Synoptic Gospels and specifically the relationship between Marcion and Luke. 55 He may have been influenced by F. C. Albert Schwegler 56 who believed that ‘the theory that Marcion had edited Luke based on his theological proclivities was entirely untenable, and therefore the traditional view finds itself entangled in “multiple, irresolvable contradictions and difficulties”’. 57 Schwegler found support in the famous Albrecht Ritschl, who in his 1846 monograph stated: ‘Marcion’s Gospel is not a mutilation of the Gospel of Luke, but rather its basic root.’ 58 Ritschl exposed the outstanding Paulinism of Mcn, and the characteristics typical of Marcion’s theology, 59 such as the Gospel’s criticism of the twelve Apostles, 60 its antithesis against a Judaized Christianity and the denial of the validity of the Law and the Prophets up to John. 61 While after Ritschl and Baur with the voices of Gustav Volckmar and Adolf Hilgenfeld - Hilgenfeld, as mentioned, provided his own reconstruction of the text of Mcn 62 - the debate in Germany came to an end (until it was resurrected by Matthias Klinghardt) 63 and carried on only in the English language. In the States it was John Knox Sr. (1901-1990) who in the first half of the 20 th century with his ‘Marcion and the New Testament’ (1942) underscored the priority of Marcion over Luke. Trained by Knox, Joseph B. Tyson, now Professor Emeritus of Religious Studies at Southern Methodist University, Dal- 52 Bertholdt, Einleitung, 1294. 53 Bertholdt, Einleitung, 1294-5. 54 Schleiermacher, Werke, 334. 55 Robinson, Redating, 3-4. 56 Roth, Marcion’s Gospel and Luke, 514. 57 Roth, Marcion’s Gospel and Luke, 514-5; Schwegler, Review, 590. 58 Schwegler, Review, v (trans. by Roth, Marcion’s Gospel and Luke, 515). 59 See Ritschl, Evangelium, 178-180, see following him Baur, Untersuchungen, 435. 60 Ritschl, Evangelium, 184-192, see following him Baur, Untersuchungen, 435-40. 467-472. 61 Ritschl, Evangelium, 178, see following him Baur, Untersuchungen, 441f. 62 Hilgenfeld, Untersuchungen. 63 Volckmar, Lucas-Evangelium; Hilgenfeld, Untersuchungen; Couchoud, Marcion’s Gospel, 267 calls their conclusions ‘arbitrary’. 192 Markus Vinzent las, Texas, published a number of books on Luke-Acts and recently summarized his views, developed over a lifetime, in his ‘Marcion and Luke-Acts’ (2006), where he sees Luke-Acts as a response to Marcion. 64 With explicit reference to Knox, by pointing out the missed interconnection between the discourse on the Synoptic Problem and the relation between Marcion and Luke, and by adding David Trobisch’s hypothesis of an endredaction of the NT, 65 Matthias Klinghardt has developed his own position which I don’t need to present in detail in this volume. The outline of his hypothesis encompasses: Mcn preserves the oldest form of this type of gospel that we can grasp, pre-canonical, not redacted, but only used by Marcion as by many others. I like to draw our attention to the knock-on effect Klinghardt’s position has on the selection and weighing of the sources. Although not fully focussed on the question of authorship, Klinghardt concludes from his assumptions to check specifically the value of pre-canonical readings for Mcn, particularly those in the manuscript and papyri tradition of Luke, often to be found in our Nestle-Aland apparatus to Luke, 66 yet often also in other Gospel witnesses present or missing in Nestle-Aland’s apparatus. In 2013 Jason BeDuhn published his reconstruction of Marcion’s New Testament, including the Gospel. 67 A year earlier, in an article of 2012, he set out his views on the relation between Mcn and Luke. 68 Because of the many harmonised readings in Mcn compared to the Synoptics, he does not see it as dependent on Luke, but with Luke going back to an earlier Gospel: Marcion did not, in fact, produce a definitive edition of his gospel, but rather took up a gospel already in circulation in multiple copies that had seen varying degrees of harmonization to other gospels in their transmission … a text already substantially in the shape in which he disseminated it. 69 As BeDuhn does not see any way in establishing the wording of the text, but only its outline content, he abstains from giving us a Greek or Latin text, but presents an English translation with extensive notes. 70 He clearly sets out his key considerations in establishing the translation whereby in addition to previous mothhole texts he also takes into account ‘connective content necessary for the directly attested material to have coherent meaning’ - hence he wants to reconstruct a narrative, and not only offer a swiss cheese of fragments. 71 And yet, his 64 On Tyson’s position see Townsend, Date, 58. 65 Trobisch, Endredaktion. 66 Klinghardt uses NA 27 . 67 BeDuhn, First New Testament, 99-200 (the text reconstruction with notes). 68 BeDuhn, Myth. 69 BeDuhn, Myth, 34. 36. 70 See BeDuhn, First New Testament, 53. 71 BeDuhn, First New Testament, 55. 193 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel restriction only to quote those elements of a pericope that are explicitly mentioned leads to exactly this - a product like a big Emmental cheese wheel which, admittedly, is less visible in his reconstruction of the Lord’s Prayer: 11 1 … When he was in a certain place invoking, when he stopped, a certain one of his pupils said to him, ‘Teach us to invoke, Master, just as John also taught his pupils.’ 2 Then he said to them, ‘Whenever you may invoke, say, “Father, let your sacred spirit come upon us … . Let your realm come. 3 Give us your sustaining bread day by day. 4 And dismiss for us our misdeeds. And do not permit us to be brought to a trial”. 72 Although I had started reconstructing Marcion’s Gospel independently from BeDuhn and Klinghardt on a very similar basis as the latter, taking into account the entire tradition of Gospel material, not only in their canonical forms (whatever this is), but also of the variants, I noticed when scrutinizing Klinghardt’s reconstruction that, in detail, I had sometimes preferred readings of D (or d) over and above some other NT traditions and at places valued Tertullian and Epiphanius higher against these than Klinghardt did. Such weighing, however, had also to do with the targeted reconstruct, as I was interested in reconstructing the copy of Marcion’s Gospel that Tertullian held in his hands while Klinghardt’s aim is to hand us back the ‘Ur-Gospel’ (Mcn) that Marcion had only made his own without any attempt of appropriation. The higher value of manuscript readings over and against Tertullian and the neglect of a number of potentially valuable readings featuring in D (and d) are certainly due to the dating of this ‘Urtext’ to sometime after 70 CE. 3 Which text of the Lord’s Prayer? Different frameworks and their results In order to see the two trajectories’ effects on the selection of sources and their weighing for the reconstruction of Mcn, we will use the small passage of the Lord’s Prayer, transmitted twice in the canonical Gospels, Matthew (Matth. 6: 9-13) and Luke (Luke 11: 1-4), and in the extracanonical tradition found in Mcn, and in the so-called Didache (Did. 8,2-3). We will also compare the hypothetical source Q. How all these writings have to be dated and are potentially related depends on answering the Synoptic question and the position of Mcn in it. 72 BeDuhn, First New Testament, 109. 194 Markus Vinzent 3.1 The Lord’s Prayer in Mcn following the Markan/ Q Priority and the Two- Sources Hypothesis Let us start with the early reconstructions of the Lord’s Prayer in Mcn by Zahn and Harnack: Theodor Zahn 73 Adolf von Harnack 74 XI, 1.2. C. XI, 1-4 1. ( … ε᾽ ν τ ͺ ω῀ ει ῏ναι αυ᾽ το` ν ) ε᾽ ν το´ π ͺ ω τινι` προσευχο´ μενον … ( ει ῏πε´ ν ) τις τω῀ ν μαθητω῀ ν ( προ` ς αυ᾽ το´ ν ), Κυ´ ριε , δι´δαξον η῾ μα῀ ς προσευ´ χεσθαι , καθω` ς και` ᾽Ιωα´ ννης του` ς μαθητα` ς αυ᾽ του῀ ε᾽ δι´δαξεν . 2. … Πα´ τερ , 2. … Πα´ τερ , ε᾽ λθα´ τω το` α῞ γιον πνευ῀μα´ ( ε᾽ λθα´ τω ) το` α῞ γιον πνευ῀μα´ σου ε᾽ ϕ ’ η῾ μα῀ ς και` καθαρισα´ τω η῾ μα῀ ς (? ). ( σου ε᾽ ϕ ’ η῾ μα῀ ς και` καθαρισα´ τω η῾ μα῀ ς ) · ε᾽ λθε´ τω η῾ βασιλει´α σου· ε᾽ λθα´ τω η῾ βασιλει´α σου· 3. το` ν α῎ ρτον σου το` ν ε᾽ πιου´ σιον δι´δου η῾ μι ῀ν καθ ’ η῾ με´ ραν , 3. το` ν α῎ ρτον σου το` ν ε᾽ πιου´ σιον δι´δου η῾ μι ῀ν καθ ’ η῾ με´ ραν , 4. (? ) και` α῎ ϕες η῾ μι ῀ν τα` ς α῾ μαρτι´ας η῾ μω῀ ν … 4. ( και` ) α῎ ϕες η῾ μι ῀ν τα` ς α῾ μαρτι´ας ( η῾ μω῀ ν ) … και` μη` α῎ φες η῾ μα῀ ς ει᾽σενεχθη῀ναι ει᾽ ς πειρασμο´ ν . και` μη` α῎ φες η῾ μα῀ ς ει᾽σενεχθη῀ναι ει᾽ ς πειρασμο´ ν . 5-9 5-8 Except for the fact that Harnack includes parts of the framework of verses 1 and 2 which were left out in Zahn (indicating with the given numbers that he reckoned with the Lukan text being present in Mcn), he closely reprints the textual reconstruction that Zahn had produced before him with only slight changes and being a bit more cautious than Zahn. He sets in brackets some terms which he was not sure of them being present in Mcn: ( ε᾽ λθε´ τω ), ( ε᾽ λθα´ τω ), ( σου ε᾽ ϕ ’ η῾ μα῀ ς και` καθαρισα´ τω η῾ μα῀ ς ), ( και` ), ( η῾ μω῀ ν ), ( και` ), and also altered one single word form (Zahn: ε᾽ λθε´ τω ; Harnack: ε᾽ λθα´ τω ). Over the past years, an intensive debate has emerged amongst scholars who all subscribed to the Markan Priority hypothesis, by challenging this Zahn-Harnack reconstruction and suggesting a smaller redactional impact of Marcion: 73 See Zahn, Geschichte, 449-529, 470-2 (On the Lord’s Prayer). 74 Harnack, Marcion, 207*. 195 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel Harnack Amphoux 75 Delobel 76 Roth 77 *) 11: 1 ( … ε᾽ ν τ ͺ ω῀ ει ῏ναι αυ᾽ το` ν ) ε᾽ ν το´ π ͺ ω τινι` προσευχο´ μενον … 11: 1 … ε᾽ ν τ ͺ ω῀ ει ῏ναι … { ε᾽ ν το´ π ͺ ω τινι` } προσευχο´ μενον … ( ει ῏πε´ ν ) τις τω῀ ν μαθητω῀ ν ( προ` ς αυ᾽ το´ ν ), Κυ´ ριε , δι´δαξον η῾ μα῀ ς προσευ´ χεσθαι , καθω` ς ( ει ῏πεν ) τις τω῀ ν μαθητω῀ ν ( προ` ς αυ᾽ το´ ν ) · κυ´ ριε , δι´δαξον η῾ μα῀ς προσευ´ χεσθαι , καθω` ς και` [ και` may have been present] ᾽Ιωα´ ννης του` ς μαθητα` ς αυ᾽ του῀ ε᾽ δι´δαξεν . ᾽Ιωα´ ννης ε᾽ δι´δαξεν του` ς μαθητα` ς αυ᾽ του῀ . 2. … Πα´ τερ , 2. … Πα´ τερ , 2. … Πα´ τερ , 2. Πα´ τερ [ η῾ μω῀ ν ο῾ ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς may not have been present] ( ε᾽ λθα´ τω ) α῾ γιασθη´ τω ( ε᾽ λθε´ τω ? ) … το` α῞ γιον πνευ῀μα´ ( σου το` πνευ῀μα´ σου 78 το` α῞ γιον πνευ῀μα· το` α῞ γιον πνευ῀μα [no further wording is clearly attested] ε᾽ ϕ ’ η῾ μα῀ ς και` καθαρισα´ τω η῾ μα῀ ς ) · ε᾽ λθα´ τω η῾ βασιλει´α σου· ε᾽ λθε´ τω η῾ βασιλει´α σου· ε᾽ λθα´ τω η῾ βασιλει´α σου· ε᾽ λθε´ τω η῾ βασιλει´α σου · 3. το` ν α῎ ρτον σου το` ν ε᾽ πιου´ σιον δι´δου 3. το` ν α῎ ρτο´ ν σου το` ν ε᾽ πιου´ σιον δι´δου 3. το` ν α῎ ρτον σου το` ν ε᾽ πιου´ σιον δι´δου 3. το` ν α῎ρτον σου το` ν ε᾽πιου´ σιον δι´δου η῾ μι ῀ν καθ ’ η῾ με´ ραν , η῾ μι ῀ν το` καθ ’ η῾ με´ ραν , η῾ μι ῀ν καθ ’ η῾ με´ ραν , η῾ μι ῀ν το` καθ ’ η῾ με´ ραν , 4. ( και` ) α῎ ϕες η῾ μι ῀ν τα` ς α῾ μαρτι´ας ( η῾ μω῀ ν ) … 4. και` α῎ ϕες η῾ μι ῀ν τα` ς α῾ μαρτι´ας η῾ μω῀ ν 4. ( και` ) α῎ ϕες η῾ μι ῀ν τα` ς α῾ μαρτι´ας ( η῾ μω῀ ν ) … 4. … α῎ ϕες η῾ μι ῀ν τα` ς α῾ μαρτι´ας ( και` γα` ρ αυ᾽ τοι` α᾽ ϕι´ομεν παντι` ο᾽ ϕει´λοντι η῾ μι ῀ν· ) και` μη` α῎ φες η῾ μα῀ ς και` μη` α῎ ϕες η῾ μα῀ ς και` μη` α῎ ϕες η῾ μα῀ ς … μη` α῎ ϕες η῾ μα῀ ς 75 Amphoux, Revision. 76 Delobel, Lord’s Prayer. 77 Roth, Lord’s Prayer. 78 Already Weiss, Markus und Lukas, 461 n.: ‘ … von Markion an die Stelle der so stark alttestamentlich klingenden 1. Bitte gerückt.’ 196 Markus Vinzent ει᾽σενεχθη῀ναι ει᾽ ς πειρασμο´ ν . ει᾽ ς πειρασμο´ ν . ει᾽σενεχθη῀ναι ει᾽ ς πειρασμο´ ν . ει᾽σενεχθη῀ναι ει᾽ ς πειρασμο´ ν [ μη` α῎ φες η῾ μα῀ ς ει᾽σενεχθη῀ναι is attested, but it is uncertain whether this was the reading in Marcion’s text] *) In Roth’s reconstruction he makes the distinction between seven levels of confidence placed ‘in a specific reading’ (on this see Roth, Text, 410-412), while Klinghardt works with nine different markers. To allow for a quick reference, here the comparison. Reconstructed readings of Mcn are in: D. T. Roth M. Klinghardt secure literally attested by heresiologists very likely contentwise or approximatively attested by heresiologists probable unattested by heresiologists, but probable possible (precise wording not attested) { word order uncertain} [unattested] 〈 ¿unattested, decision impossible? 〉 [unattested, presumably absent] ⟦marked as absent by heresiologists, certainly absent⟧ different word order in Mcn vs. Luke † contradicting evidence in Tert., Epiph., Adam. † ∼ slightly different word order The first thing to note from this comparison is the absence of the framework and setting of the scene in Amphoux and Delobel (just like in Zahn before) which is at least partially present in Harnack and Roth, yet, in principle all later scholars clearly follow the Zahn-Harnack Vorlage as can be seen on many identical suspension marks there and here. On the framework, I will say more below. With regards the prayer itself, the ‘Father’ had no further attribute, though Roth formulates with caution: ‘ η῾ μω῀ ν ο῾ ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς may not have been present’. The next clause provides considerable problems for the reconstruction. None of the four scholars agree and Roth, again, is the one with the most minimalist suggestion that beyond το` α῞ γιον πνευ῀μα ‘no further wording is clearly attested’. In contrast, the next two clauses are almost unanimously rendered, except for the small difference between ε᾽ λθα´ τω and ε᾽ λθε´ τω in the first clause and the το` left out by Harnack and Delobel in the second. Similarly, in the next clause there is great similarity. For this clause in v. 11: 4 Harnack doubted the initial και` 197 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel and the closing η῾ μω῀ ν , and so did Delobel, while, again, Roth is the most scrupulous who leaves both words entirely out. Only Amphoux ventured the idea of including και` γα` ρ αυ᾽ τοι` α᾽ ϕι´ομεν παντι` ο᾽ ϕει´λοντι η῾ μι ῀ν . Solely Roth skips the opening και` of the next clause. In that clause, Amphoux alone thought to take out ει᾽σενεχθη῀ναι whereas Roth holds that ‘ μη` α῎ φες η῾ μα῀ ς ει᾽σενεχθη῀ναι is attested’, but he thinks ‘it is uncertain whether this was the reading in Marcion’s text’. Without commenting this state of research of the reconstruction of Mcn’s version of the Lord’s Prayer here any further, I’d like to move to presenting the reconstruction on the basis of Mcn Priority in the Synoptics. 3.2 The Lord’s Prayer in Mcn based on the Priority of Mcn in the Synoptics As a major difference to the previous framework we find an altered source basis that is used for the reconstruction of Mcn. If Mcn is placed prior to the Synoptics, then the manuscript witnesses for Luke, but also those for Matthew, Mark and John are potential witnesses for Mcn too, if one accepts the suggested literary dependency of both Luke and the other canonical gospels on Mcn. Moreover, if Mcn is, as suggested by Klinghardt, ‘the oldest gospel’, one even needs to compare the rest of the gospel-tradition with Mcn as potentially influenced by it. And, indeed, as one has known for a long time already, particularly the so-called ‘Western’-text of Luke (with its main representatives D it sy, but also copt and aeth) shows a significant reflection of Mcn, let alone the many early Christian writers who reflect remnants of the variant readings of Mcn. 79 Klinghardt has collected the parallels between the Lukan text in these manuscripts and Mcn, as given by the witnesses Tertullian, Epiphanius and Adamantius in his Appendix III and compared it to the textus receptus of Luke as found in NA 27 . He counts 528 variants, of which 329 (= 62%) have a correspondance in one or more manuscripts of the so-called ‘Western’-text. Further 67 variants (= 13%) have parallels in Greek, oriental (particularly Coptic and Ethiopic) manuscripts, and only 132 Mcn variants (= 25%) have no correspondance in the canonical tradition. 80 Already Harnack, as quoted by Klinghardt, drew the conclusion that Mcn (both Greek and Latin) was a ‘purely’ Western text. 81 Hence, when we look at the Lord’s Prayer, we will find the following witnesses and variants for the following sections: 82 79 See the various works, for example by Vogels, although this is a disputed topic, as can be seen by Bauer, Markion. 80 Klinghardt, Evangelium, 73. His Appendix III ibid. 1211-1279. 81 Harnack, Marcion, 242*; Klinghardt, Evangelium, 73. 82 These sections are only introduced here to make the list readable. I am grateful to my colleague Annette Weissenrieder for sharing with me her handout of a guest seminar at the Max Weber Centre for Advanced Cultural and Social Studies, Erfurt, in 2014/ 2015, where 198 Markus Vinzent Section 1: Mcn 83 Mcn Πα´ τερ om. om. Luke NA 27 P 75 a B f 1 700 1342 sy s Or Πα´ τερ vg aur pater L pc Πα´ τερ η῾ μω῀ ν A C D Q Q Y f 13 33 vid 892 1006 1506 M it sy c.p.h co Πα´ τερ η῾ μω῀ ν ο῾ ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς e(2) b(4) l(11) pater noster qui es in caelis c(6) i(17) pater sancte qui in caelis es ff 2 Cypr pater sancte qui in caelis est q(13) d(5) pater noster qui in caelis es Matthew NA 27 Πα´ τερ η῾ μω῀ ν ο῾ ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς Section 2: Mcn Mcn om. om. om. Luke NA 27 α῾ γιασθη´ τω το` ο῎ νομα´ σου vg aur e(2) c(6) b(4) ff 2 i(17) sanctificetur nomen tuum D α῾ γιασθη´ τω om. ο῎ νομα´ σου ε᾽ φ ’ η῾ μα` ς r 1 (14) q(13) l(11) a(3) d(5) om. om. Matthew NA 27 α῾ γιασθη´ τω το` ο῎ νομα´ σου she provided the audience with the multiple variant readings of the Lord’s Prayer as they can be found, particularly in the old latin witnesses which she has gathered as part of the Vetus Latina Project. The following list is an adapted version of this handout; on parallels between the Lord’s Prayer and pagan prayers see now Feldmeier, “Geheiligt werde dein Name”. 83 The reference reconstruction here and below is taken from Klinghardt, Evangelium (On alterations to it, see below). Note that M here stands for the entire manuscripts, while in NA 27 it means the majority text. 199 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel Section 3: Mcn 84 Mcn om. om. om. om. om. om. Luke NA 27 ε᾽ λθε´ τω η῾ βασιλει´α σου D ε᾽ λθε´ τω σου η῾ βασιλει´α Min. 700 85 ε᾽ λθε´ τω το` πνευ῀μα σου το` α῞ γιον ε᾽ φ ’ η῾ μα` ς και` καθαρισα´ τω η῾ μα῀ ς Min. 162 86 ε᾽ λθε´ τω σου το` πνευ῀μα το` α῞ γιον και` καθαρισα´ τω η῾ μα῀ ς GrNy 87 ε᾽ λθε´ τω το` πνευ῀μα σου το` α῞ γιον ε᾽ φ ’ η῾ μα` ς και` καθαρισα´ τω η῾ μα῀ ς Max- Conf 88 ε᾽ λθε´ τω σου το` πνευ῀μα το` α῞ γιον και` καθαρισα´ τω η῾ μα῀ ς Matthew NA 27 ε᾽ λθε´ τω η῾ βασιλει´α σου Section 4: Mcn Mcn om. om. om. Luke NA 27 P 75 B L f 1 1342 pc vg sy s.c Or om. om. om. a * A C D W Q Y f 1 3 33 vid. 892 1006 1506 M sy p.h. bo it vg s γενηθη´ τω το` θε´ λημα´ σου Matthew NA 27 γενηθη´ τω το` θε´ λημα´ σου 84 Already Weiss, Evangelien, 465 Anm.: ‘ … an Stelle der 1. Bitte’; Zahn, Geschichte, 472 sees in this a ‘tendency towards a spiritual interpretation’ (‘Neigung spiritualistischer Umdeutung’). 85 Brit. Mus. cod. Egerton 2610, s. XI, see Hoskier, Account. 86 Vaticanus Barberinus graec. 449, Rome, from the year 1153. 87 Gregory of Nyssa, De orat. domin. 3,5 (GNO VII/ 2, 39,18f.). 88 Maximus Confessor, Expos. orat. domin. 350 (PG 90, 894B). 200 Markus Vinzent Section 5: Mcn Mcn om. om. om. om. Luke NA 27 om. om. om. om. a * A C D W Q Y f 1 3 33 vid. 892 1006 1506 M sy p.h. bo it vg s ω῾ ς ε᾽ ν ου᾽ ραν ͺ ω῀ και` ε᾽ πι` γη῀ς a * A C D W D Q 69 788 892 al ω῾ ς ε᾽ ν ου᾽ ραν ͺ ω῀ και` ε᾽ πι` τη῀ς γη῀ς Matthew NA 27 D* a b c k bo mss Cl Tert Cyp ω῾ ς ε᾽ ν ου᾽ ραν ͺ ω῀ και` ε᾽ πι` γη῀ς D L K Q f 1 3 892 1006 1342 1506 M ω῾ ς ε᾽ ν ου᾽ ραν ͺ ω῀ και` ε᾽ πι` τη῀ς γη῀ς further readings in B W Z D f 1 pc Section 6: Mcn Mcn το` ν α῎ ρτον sou το` ν ε᾽ πιου´ σιον δο` ς η῾ μι ῀ν ση´ μερον Luke NA 27 pc sy s.c. το` ν α῎ ρτον η῾ μω῀ ν το` ν ε᾽ πιου´ σιον δι´δου η῾ μι ῀ν το` καθ ’ η῾ με´ ραν a * pc το` ν α῎ ρτον η῾ μω῀ ν το` ν ε᾽ πιου´ σιον δο` ς η῾ μι ῀ν το` καθ ’ η῾ με´ ραν D 2506 2542 pc it vg cl bo mss Or pt το` ν α῎ ρτον η῾ μω῀ ν το` ν ε᾽ πιου´ σιον δο` ς η῾ μι ῀ν ση´ μερον Matthew NA 27 το` ν α῎ ρτον η῾ μω῀ ν το` ν ε᾽ πιου´ σιον δο` ς η῾ μι ῀ν ση´ μερον it vg mss panem nostrum cottidianum da nobis hodie vg panem nostrum supersubstantialem da nobis hodie 201 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel sy c panem nostrum perpetuum da nobis hodie sy p.h panem nostrum necessarium da nobis hodie sa panem nostrum venientem da nobis hodie mae bo panem nostrum crastinum da nobis hodie Section 7: Mcn Mcn και` α῎ φες η῾ μι ῀ν τα` ο᾽ φειλη´ ματα η῾ μω῀ ν Luke NA 27 και` α῎ φες η῾ μι ῀ν τα` ς α῾ μαρτι´ας η῾ μω῀ ν D b c ff 2 vg mss και` α῎ φες η῾ μι ῀ν τα` ο᾽ φειλη´ ματα η῾ μω῀ ν f 1 205 και` α῎ φες η῾ μι ῀ν τα` α῾ μαρτη´ ματα η῾ μω῀ ν Matthew NA 27 Didache (CA) και` α῎ φες η῾ μι ῀ν τα` ο᾽ φειλη´ ματα η῾ μω῀ ν Or και` α῎ φες η῾ μι ῀ν τα` παραπτω´ ματα η῾ μω῀ ν Didache (H) και` α῎ φες η῾ μι ῀ν τη` ν ο᾽ φειλη´ ν η῾ μω῀ ν Section 8: Mcn 89 Mcn και` γα` ρ αυ᾽ τοι` α᾽ φι´ομεν παντι` ο᾽ φει´λοντι η῾ μι ῀ν Luke NA 27 P 75 a 1 A B C E G H W D Y f 1.13 579 al και` γα` ρ αυ᾽ τοι` α᾽ φι´ομεν παντι` ο᾽ φει´λοντι η῾ μι ῀ν L Q X 33 892 1006 1342 1506 M και` γα` ρ αυ᾽ τοι` α᾽ φι´εμεν παντι` ο᾽ φει´λοντι η῾ μι ῀ν sy p.h και` γα` ρ αυ᾽ τοι` α᾽ φη´ καμεν παντι` ο᾽ φει´λοντι η῾ μι ῀ν 89 Why Klinghardt, Evangelium, 725 brackets this sentence indicating that neither its presence nor its absence can be decided is unclear, given that Tertullian bases an argument on its presence in Tert., Adv. Marc. IV 26,4: Quis mihi delicta dimittet? qui ea non iudicando non retinet, an ‘qui, si non dimiserit, retinebit ut iudicet? ’ (‘Who is it will forgive my sins? He who by not judging does not retain them, or he who, if he does not forgive, will retain, that he may judge? ’ trans. Evans). 202 Markus Vinzent a * lat ω῾ ς και` αυ᾽ τοι` α᾽ φι´εμεν παντι` ο᾽ φει´λοντι η῾ μι ῀ν sy s.c. ω῾ ς και` η῾ μει ῀ς α᾽ φι´ομεν παντι` ο᾽ φει´λοντι η῾ μι ῀ν D 2542 it bo pt ω῾ ς και` η῾ μει ῀ς α᾽ φι´ομεν τα` ο᾽ φειλη´ ματα η῾ μω῀ ν Matthew NA 27 a * B Z f 1 pc vg st sy p.h GrNy pt και` γα` ρ αυ᾽ τοι` α᾽ φη´ καμεν τοι ῀ς ο᾽ φειλε´ ταις η῾ μω῀ ν D E (L) W D Q 565 pc sy c ? co? και` γα` ρ αυ᾽ τοι` α᾽ φι´ομεν τοι ῀ς ο᾽ φειλε´ ταις η῾ μω῀ ν a 1 f 13 1006 1342 1506 M sy c ? co? Cl και` γα` ρ αυ᾽ τοι` α᾽ φι´εμεν τοι ῀ς ο᾽ φειλε´ ταις η῾ μω῀ ν Section 9: Mcn Mcn και` μη` ει᾽σενε´ γκ ͺ ης η῾ μα῀ ς ει᾽ ς πειρασμο´ ν Luke NA 27 P 75 a * .2 B L f 1 700 pc vg sy s sa bo pt Or και` μη` ει᾽σενε´ γκ ͺ ης η῾ μα῀ ς ει᾽ ς πειρασμο´ ν Matthew NA 27 a B D Z 0170 f 1 205 pc bo pt και` μη` ει᾽σενε´ γκ ͺ ης η῾ μα῀ ς ει᾽ ς πειρασμο´ ν Section 10: Mcn Mcn om. om. om. Luke NA 27 P 75 a * .2 B L f 1 700 pc vg sy s sa bo pt Tert Or om. om. om. ( a 1 ) A C D W Q Y f 13 33 892 1006 1506 M it vg mss sy c.p.h bo pt α᾽ λλα` ρ῾ υ῀σαι η῾ μα῀ ς α᾽ πο` του῀ πονηρου῀ 203 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel Matthew NA 27 a B D Z 0170 f 1 205 pc bo pt α᾽ λλα` ρ῾ υ῀σαι η῾ μα῀ ς α᾽ πο` του῀ πονηρου῀ 17 vg cl α᾽ λλα` ρ῾ υ῀σαι η῾ μα῀ ς α᾽ πο` του῀ πονηρου῀ α᾽ μη´ ν L W Q f 13 33 892 1006 1342 1506 M sy sa bo pt α᾽ λλα` ρ῾ υ῀σαι η῾ μα῀ ς α᾽ πο` του῀ πονηρου῀ + ο῞ τι σου῀ ε᾽ στιν η῾ βασιλει ῀α και` η῾ δυ´ ναμις και` η῾ δο´ ξα ει ῏ς του` ς αι᾽ω῀ νας , α᾽ μη´ ν 1342 sa α᾽ λλα` ρ῾ υ῀σαι η῾ μα῀ ς α᾽ πο` του῀ πονηρου῀ + ο῞ τι σου῀ ε᾽ στιν η῾ δυ´ ναμις και` η῾ δο´ ξα ει ῏ς του` ς αι᾽ω῀ νας , α᾽ μη´ ν sy c α᾽ λλα` ρ῾ υ῀σαι η῾ μα῀ ς α᾽ πο` του῀ πονηρου῀ + ο῞ τι σου῀ ε᾽ στιν η῾ βασιλει ῀α και` η῾ δο´ ξα ει ῏ς του` ς αι᾽ω῀ νας , α᾽ μη´ ν 2148 pc sa ms α᾽ λλα` ρ῾ υ῀σαι η῾ μα῀ ς α᾽ πο` του῀ πονηρου῀ + ο῞ τι σου῀ ε᾽ στιν η῾ βασιλει ῀α και` η῾ δυ´ ναμις και` η῾ δο´ ξα ει ῏ς του` ς αι᾽ω῀ νας τω῀ ν αι᾽ω´ νων , α᾽ μη´ ν sy p α᾽ λλα` ρ῾ υ῀σαι η῾ μα῀ ς α᾽ πο` του῀ πονηρου῀ + ο῞ τι σου῀ ε᾽ στιν η῾ βασιλει ῀α και` η῾ δυ´ ναμις και` η῾ δο´ ξα ει ῏ς του` ς αι᾽ω῀ νας 1253 (pc) α᾽ λλα` ρ῾ υ῀σαι η῾ μα῀ ς α᾽ πο` του῀ πονηρου῀ + ο῞ τι σου῀ ε᾽ στιν η῾ βασιλει ῀α του῀ πατρο` ς και` του῀ και` του῀ α῾ γι´οθ πνευ´ ματος ει ῏ς του` ς αι᾽ω῀ νας , α᾽ μη´ ν In order to see to which significantly different reconstructions of Mcn one is directed by re-evaluating the manuscript evidence already for Luke and to some extent for Matthew (where further work is needed, let alone for the rest of the tradition), let me contrast the two results by the latest representatives from the first framework of the posteriority of Mcn (D. T. Roth) and the second framework of the priority of Mcn (M. Klinghardt): Posteriority of Mcn: D.T. Roth Priority of Mcn: M. Klinghardt 11: 1 … ε᾽ ν τ ͺ ω῀ ει ῏ναι … { ε᾽ ν το´ π ͺ ω τινι` } προσευχο´ μενον … ( ει ῏πεν ) τις τω῀ ν μαθητω῀ ν ( προ` ς αυ᾽ το´ ν ) · κυ´ ριε , δι´δαξον η῾ μα῀ς προσευ´ χεσθαι , καθω` ς [ και` may have been present] 11: 1 Και` ε᾽ γε´ νετο ε᾽ ν τ ͺ ω῀ ει ῏ναι αυ᾽ το` ν ε᾽ ν το´ π ͺ ω τινι` προσευχο´ μενον , ω῾ ς ε᾽ παυ´ σατο , ει ῏πε´ ν τις τω῀ ν μαθητω῀ ν αυ᾽ του῀ προ` ς αυ᾽ το´ ν , Κυ´ ριε , δι´δαξον η῾ μα῀ς προσευ´ χεσθαι , καθω` ς και` 204 Markus Vinzent ᾽Ιωα´ ννης ε᾽ δι´δαξεν του` ς μαθητα` ς αυ᾽ του῀ . ᾽Ιωα´ ννης ε᾽ δι´δαξεν του` ς μαθητα` ς αυ᾽ του῀ . 11: 2 ει ῏πεν δε` αυ᾽ τοι ῀ς , ῞Οταν προσευ´ χησθε λε´ γετε , 2. Πα´ τερ , [ η῾ μω῀ ν ο῾ ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς may not have been present] Πα´ τερ , ⟦ α῾ γιασθη´ τω το` ο῎ νομα´ σου· ⟧ … το` α῞ γιον πνευ῀μα [no further wording is clearly attested] { ε᾽ λθε´ το το` πνευ῀μα´ ( σου ) το` α῞ γιον ( ε᾽ ϕ ’ η῾ μα῀ ς ) ( και` καθαρισα´ τω η῾ μα῀ ς )} ε᾽ λθε´ τω η῾ βασιλει´α σου · [ ε᾽ λθε´ τω η῾ βασιλει´α σου· ] ⟦ γενηθη´ τω το` θε´ λημα´ σου , ω῾ ς ε᾽ ν ου᾽ ραν ͺ ω῀ και` ε᾽ πι` γη῀ς .⟧ 3. το` ν α῎ρτον σου το` ν ε᾽πιου´ σιον δι´δου η῾ μι ῀ν το` καθ ’ η῾ με´ ραν , 11: 3 το` ν α῎ρτον σου το` ν ε᾽πιου´ σιον δο` ς η῾ μι ῀ν ση´ μερον 4. … α῎ ϕες η῾ μι ῀ν τα` ς α῾ μαρτι´ας 11: 4 και` α῎ϕες η῾ μι ῀ν τα` ο᾽ ϕειλη´ ματα 〈 ¿ η῾ μω῀ ν ? 〉 , 〈 ¿ και` γα` ρ αυ᾽ τοι` α᾽ ϕι´ομεν παντι` ο᾽ ϕει´λοντι η῾ μι ῀ν· ? 〉 … μη` α῎ ϕες η῾ μα῀ ς ει᾽σενεχθη῀ναι ει᾽ ς πειρασμο´ ν [ μη` α῎ φες η῾ μα῀ ς ει᾽σενεχθη῀ναι is attested, but it is uncertain whether this was the reading in Marcion’s text] και` μη` ει᾽σενε´ γκ ͺ ης η῾ μα῀ς ει᾽ς πειρασμο´ ν . Both reconstruction attempts start from the same framework that is known from Luke, although Roth states that ‘the reading of Marcion’s text in the opening of Luke 11: 1 cannot be constructed from Tertullian’s allusion’ and Klinghardt admits that the wording of v. 11: 1a is unclear. 90 Yet, for the rest of this verse, Roth is more optimistic: ‘Apart from the word order most of the verse is relatively unproblematic.’ 91 Even more sharply than seen before, it becomes apparent that despite his optimistic view on the verse, Roth follows the Zahn-Harnack tradition in not providing a reconstruction of the narrative of Mcn, but only gives the attested text elements (indicating the various levels of certainty of them), so that the reader is left with tesserae and grammatically unrelated fragments rather than with a semantic mosaic which, even if only given in outline, could allow for an understanding of its content. That the reader is not left with doubts about the 90 Roth, Text, 137; Klinghardt, Evangelium, 737. 91 Roth, Text, 138. 205 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel ambiguities related to any reconstruction work that is necessary, in order to make sense of what is left of this ancient Gospel, is, however, a major benefit of this (even on Zahn-Harnack’s terms) minimalistic design. According to Roth, Mcn only survived in a state as left by Marcion’s main contenders, the heresiologists Tertullian, Epiphanius and Adamantius. In contrast, Klinghardt who assumes an enormous reception of Mcn, the foundation of the canonical Gospels, still tangible in variant readings of various Gospel manuscripts, particularly the so-called Western tradition (D it sy), and also of Patristic authors, weighs those manuscript witnesses in places as more important than the heresiologists’ evidence. While with regards the frame of the Lord’s Prayer the two scholars start with the same text in v. 11: 1 - except for the ellipseis in Roth, and the one additional αυ᾽ του῀ in Klinghardt -, in v. 11: 2 Roth shortens, without indicating an ellipsis, and lets the Lord recite the prayer without further introduction. In contrast, Klinghardt follows Luke, certainly guided by Epiphanius’ observation, mentioned before, that Mcn closely mirrored Luke where no conscious alteration had occured. 92 While in the wording of the address ( Πα´ τερ without the added η῾ μω῀ ν ο῾ ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς ) Klinghardt clearly based his text on the bare ‘Father’ in Tertullian, 93 although he does not give any text critical explanation, Roth is more cautious, pointing out that we cannot make a judgement whether the attribute and the relative sentence was or was not present. In his commentary, he slightly leans towards the same bare ‘Father’ as Klinghardt. 94 Both, Roth and Klinghardt, leave out the petition α῾ γιασθη´ τω το` ο῎ νομα´ σου , as Tertullian is silent about this phrase, although one wonders, why Roth, following his own paradigm, did not opt for marking this absence by an ellipsis. In my view, the question of presence and absence needs further discussion. 95 On the supplication with the Holy Spirit the opinions are divided, as seen before. Roth mentions as evidence that Tertullian ‘appears to preserve the original verb’, the postulem could ‘hypothetical(ly)’ stand for ε᾽ λθε´ τω . 96 Roth (with Delobel) is questionable with his view that ‘in all the other witnesses, this phrase [i.e. the supplication for the Spirit] replaces the second petition (“thy kingdom come”) and not the first petition’, 97 as Klinghardt has shown, so that the latter goes (with a small uncertainty about the σου ) 92 Epiph., Haer. XLII 10,5: α῎ λλα δε` φυ´ σει ω῾ ς ε῎χει και` το` ευ᾽ αγγε´ λιον και` ο῾ α᾽ πο´ στολος , μη` α᾽ λλαγε´ ντα υ῾ π ’ αυ᾽ του῀ (other passages were of the same material both the Gospel and Apostle, not changed by him [i.e. Marcion], own trans.). 93 Tert., Adv. Marc. IV 26,3: ‘Cui dicam, Pater? ’ (Whom shall I address as Father? ). 94 Roth, Text, 138: ‘ … lend credence to Marcion’s text reading simply πα´ τερ , with P 75 , a and B’. 95 On this passage see Feldmeier, “Geheiligt werde dein Name”, 74-81. 96 Roth, Text, 139. 97 Roth, Text, 139; Klinghardt, Evangelium, 727-731. 206 Markus Vinzent with the reading in Min. 700 and Gregory of Nyssa. 98 How important such variant readings in Gospel manuscripts and also in the Patristic tradition are for Klinghardt can be seen even more prominently with his next text critical decision. Against Tertullian’s ‘reference to both βασιλει´α and the verb ε῎ρχομαι ’ 99 Klinghardt takes the next petition of ε᾽ λθε´ τω η῾ βασιλει´α σου off Mcn as he saw that in several witnesses the petition for the spirit was a replacement for the petition for the kingdom. 100 These witnesses, however, have to carry a lot of weight against such a clear attestation in Tertullian. It is one of the few cases where Klinghardt is more reluctant than Roth in including text. While the next clause ( γενηθη´ τω το` θε´ λημα´ σου , ω῾ ς ε᾽ ν ου᾽ ραν ͺ ω῀ και` ε᾽ πι` γη῀ς ) is left out by both Roth and Klinghardt, it is astonishing that Roth does not indicate the ellipsis, given the fact that we have no attestation that this part was present or absent in Mcn, unless, like Klinghardt, one has recourse to the manuscripts where the part of this clause is absent (see above Section 4: P 75 B L f 1 1342 pc vg sy s.c Or and compare with Section 5). Unanimity exists for the first part of v. 11: 3 and the petition for the bread. With regard the second part, Roth follows Tertullian more closely (cottidianum = το` καθ ’ η῾ με´ ραν ), although the italicizing of it indicates some hesitation, whereas Klinghardt highlights that the Latin does not help in the decision between δι´δου and δο` ς and in this and the decision between το` καθ ’ η῾ με´ ραν and ση´ μερον he goes with the ‘Western’ tradition D 2506 2542 pc it vg cl bo mss Or pt (see Section 6). In v. 11: 4 we find the expected pattern of Roth leaving out the opening και` , while Klinghardt replaces the Lukan τα` ς α῾ μαρτι´ας by τα` ο᾽ ϕειλη´ ματα which he finds in D b c ff 2 vg mss (see Section 7), but is also present in the Didache (CA, in the singular H). Klinghardt, then adds και` γα` ρ αυ᾽ τοι` α᾽ ϕι´ομεν παντι` ο᾽ ϕει´λοντι η῾ μι ῀ν with P 75 a 1 A B C E G H W D Y f 1.13 579 al (see Section 8), 101 and, on the basis of Roth’s commentary that the phrase ‘is unattested and further speculation is unadvisable’, 102 one would have expected for him to set an ellipsis in his text. On the last part, Roth notes that ‘Tertullian … attests πειρασμο´ ς and a passive form of the verb ει᾽σφε´ ρω ’ and the pronoun nos, but with reference to Ulrich Schmid questions Harnack’s reconstruction ( και` μη` α῎ φες η῾ μα῀ ς ει᾽σενεχθη῀ναι ει᾽ ς πειρασμο´ ν ), yet tentatively puts a similar phrasing into the text with commentary. 103 Kling- 98 On this topic see again Carruth/ Garsky, Q 11: 2b-4, 4-18. As documented here (4-5), Harnack, Über einige Worte, reckons with the readings in Min. 700 and Gregory of Nyssa being those of the original in Luke. 99 Roth, Text 140. 100 Klinghardt, Evangelium, 728f., so in Min. 162, Min. 700, in Gregory of Nyssa and Maximus Confessor, while the petition is missing in Min. 179* georg, and in others it is differently worded than in D d. 101 Harnack, Marcion, 207* played with the idea to also include this part into the text, but did not do so. 102 Roth, Text, 141. 103 Roth, Text, 141; Schmid, How, 143-144. 207 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel hardt follows P 75 a * .2 B L f 1 700 pc vg sy s sa bo pt Or. Surprisingly none of them deal with the variants that are present for the closing of the prayer (see Section 10). We can take from this comparison that, although Roth is not always following his principles in displaying his textual decisions, in most cases they both stick to their hermeneutical frameworks and their weighing of witnesses. 3.3 The Lord’s Prayer in Mcn based on the Priority of Mcn and Mcn being written by Marcion In this next step, I’d like to outline first, how my own reconstruction differs from that of Klinghardt, although it is based on the same principle approach of highly valuing the manuscript readings of Luke and other Synoptic Gospels, taking also into account the major witnesses of Tertullian, Epiphanius and Adamantius and our other sources. Yet, because I consider with Klinghardt that Tertullian’s Mcn was a text which Tertullian either deliberately read and interpreted as having been fabricated and authored by Marcion - irrespective of whether one has to assume an earlier Gospel, on which Marcion relied, as Klinghardt suggests, but of which Tertullian and no other Patristic source ever speak, except that they apologetically claimed Marcion was dependent on Luke -, or, as I rather think, that Marcion was, indeed, relying not on written, but at best on oral sources, I take Tertullian’s readings as slightly more reliable than Klinghardt. In addition, as I will show below, there are passages in other witnesses, particularly D, that seem more plausibly part of Mcn, if one takes into account the consistency of the entire text of Mcn, as far as we are able to read it. As a result, not as a condition for its reconstruction, the text will transpire its Marcionite theology and character. Here the two versions of Klinghardt’s and my reconstruction: Mcn as adopted by Marcion: Klinghardt Mcn as authored by Marcion: Vinzent 11: 1 Και` ε᾽ γε´ νετο ε᾽ ν τ ͺ ω῀ ει ῏ναι αυ᾽ το` ν ε᾽ ν το´ π ͺ ω τινι` προσευχο´ μενον , ω῾ ς ε᾽ παυ´ σατο , ει ῏πε´ ν τις τω῀ ν μαθητω῀ ν αυ᾽ του῀ προ` ς αυ᾽ το´ ν , 11: 1 Και` ε᾽ γε´ νετο ε᾽ ν τ ͺ ω῀ ει ῏ναι αυ᾽ το` ν ε᾽ ν το´ π ͺ ω τινι` προσευχο´ μενον , και` ω῾ ς ε᾽ παυ´ σατο , ει ῏πε´ ν τις τω῀ ν μαθητω῀ ν αυ᾽ του῀ προ` ς αυ᾽ το´ ν , Κυ´ ριε , δι´δαξον η῾ μα῀ς προσευ´ χεσθαι , καθω` ς και` ᾽Ιωα´ ννης ε᾽ δι´δαξεν του` ς μαθητα` ς αυ᾽ του῀ . Κυ´ ριε , δι´δαξον η῾ μα῀ς προσευ´ χεσθαι , καθω` ς και` ᾽Ιωα´ ννης ε᾽ δι´δαξεν του` ς μαθητα` ς αυ᾽ του῀ . 11: 2 ει ῏πεν δε` αυ᾽ τοι ῀ς , 11: 2 ο῾ δε` ει ῏πεν , ῞Οταν προσευ´ χησθε , ῞Οταν προσευ´ χησθε , μη` βατταλογει ῀τε ω῾ ς οι῾ λοιποι´ · δοκου῀σιν γα´ ρ τινες ο῞ τι ε᾽ ν τ ͺ η῀ πολυλογει´ ͺ α αυ᾽ τω῀ ν ει᾽σακουσθη´ σονται· α᾽ λλα` προσευχο´ μενοι , λε´ γετε , λε´ γετε , Πα´ τερ , Πα´ τερ , η῾ μω῀ ν , 208 Markus Vinzent ο῾ ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς ⟦ α῾ γιασθη´ τω το` ο῎ νομα´ σου ⟧ ⟦ α῾ γιασθη´ τω το` ο῎ νομα´ σου ⟧ { ε᾽ λθε´ το το` πνευ῀μα´ ( σου ) το` α῞ γιον ( ε᾽ ϕ ’ η῾ μα῀ ς ) ( και` καθαρισα´ τω η῾ μα῀ ς )} { ε᾽ λθε´ το το` πνευ῀μα´ ( σου ) το` α῞ γιον ( ε᾽ ϕ ’ η῾ μα῀ ς ) ( και` καθαρισα´ τω η῾ μα῀ ς )} [ ε᾽ λθε´ τω σου η῾ βασιλει´α ] ε᾽ λθε´ τω σου η῾ βασιλει´α ⟦ γενηθη´ τω το` θε´ λημα´ σου , ω῾ ς ε᾽ ν ου᾽ ραν ͺ ω῀ και` ε᾽ πι` γη῀ς .⟧ ⟦ γενηθη´ τω το` θε´ λημα´ σου , ω῾ ς ε᾽ ν ου᾽ ραν ͺ ω῀ και` ε᾽ πι` γη῀ς .⟧ 11: 3 το` ν α῎ρτον σου το` ν ε᾽πιου´ σιον δο` ς η῾ μι ῀ν ση´ μερον 11: 3 το` ν α῎ρτον σου το` ν ε᾽πιου´ σιον δο` ς η῾ μι ῀ν ση´ μερον 11: 4 και` α῎ϕες η῾ μι ῀ν τα` ο᾽ ϕειλη´ ματα 〈 ¿ η῾ μω῀ ν ? 〉 , 〈 ¿ και` γα` ρ αυ᾽ τοι` α᾽ ϕι´ομεν παντι` ο᾽ ϕει´λοντι η῾ μι ῀ν· ? 〉 και` μη` ει᾽σενε´ γκ ͺ ης η῾ μα῀ς ει᾽ς πειρασμο´ ν . 11: 4 και` α῎ϕες η῾ μι ῀ν τα` ο᾽ ϕειλη´ ματα 〈 ¿ η῾ μω῀ ν ? 〉 , 〈 ¿ και` γα` ρ αυ᾽ τοι` α᾽ ϕι´ομεν παντι` ο᾽ ϕει´λοντι η῾ μι ῀ν· ? 〉 και` μη` ει᾽σενε´ γκ ͺ ης η῾ μα῀ς ει᾽ς πειρασμο´ ν . I am approaching Mcn from the hypothesis, based on Tertullian’s view that ‘every sentence, indeed the whole structure, is arising from Marcion’s impiety and profanity’. 104 This, however, does not lead to deploying Marcion’s theology in order to reconstruct his Gospel, because, as widely shown by Roth and Schmid, such a hermeneutical approach would necessarily produce a circular reasoning - one would reconstruct a Gospel according to an assumed theology and, then, interpret a thus constructed text in extracting the theology of Marcion which one has set into the text. To avoid such circularity, particularly as I am suggesting Marcion as the author of this Gospel, I start from the same principle framework as Klinghardt who does not think that Marcion had written this Gospel. Hence, fundamental for my reconstruction, as for his and all others mentioned before, are the main heresiological witnesses (Tertullian, Epiphanius, Adamantius). Different from the scholars of the first framework of the posteriority of Mcn, I maintain with Klinghardt that variant readings in the Gospel-tradition and in Patristic works have a great weight, particularly the variants (though not all) of the so-called Western tradition (D it sy). On the basis of my position which I have substantiated in earlier studies, that Marcion seems to have produced at least two versions of Mcn, one unpublished and non-authorized by him which, however, had left his classroom and was copied and altered to produce the later canonical Gospels, and the other version of Mcn which Marcion in reaction to the fact that plagiarism (aemulatio) 105 had occurred, published with a warning preface, the ‘Antitheses’, and the supporting collection of ten Pauline Letters, it is well possible that readings from both versions are not only preserved in those canonical 104 Tert., Adv. Marc. IV 1,1: ‘Omnem sententiam et omnem paraturam impii atque sacrilegi Marcionis.’ 105 Tert., Adv. Marc. IV 4,2. 209 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel Gospels, but also elsewhere. The copy that Tertullian had access to, however, is the one that I would like to reconstruct, hence, I am putting more weight on his witness than Klinghardt would do when there are conflicting readings between those Tertullian is suggesting compared to those of the textual tradition and reception of the Gospels. In this, I come closer to the scholars of the posteriority framework. As one will see, however, most of the (rather few, but not unimportant) corrections of Klinghardt’s reconstruction that I am suggesting, simply follow Klinghardt’s own approach which in a number of places he will easily accept. The frame of the pericope: Unfortunately, the framing v. 11: 1 and the related opening of v. 11: 2 have not found the attention of Klinghardt, 106 as he does not give any deviating readings in his critical apparatus. Nevertheless, there are variants in the Gospel tradition. D and many other witnesses (M 27 71 1012 1365 1458 l950 e a b c d ff 2 i l q r 1 OS) add in v. 11: 1 και` before ω῾ ς ε᾽ παυ´ σατο which emphasises that the Lord is pausing in his praying and underlines the importance of this interruption and of what is going to be narrated. On the basis of Klinghardt’s weighing of such textual deviations, particularly as it is present in the so-called Western tradition, I opt for the inclusion of this και` . Likewise, we find in the opening of v. 11: 2 in D d e the different wording ο῾ δε` ει ῏πεν which is not simply the provision of an alternative word order, but adds two nuances to the narrative, a clear reference to the Lord as speaker and through the omission of the object αυ᾽ τοι ῀ς in D d the broadening of the addressees that are no longer limited to the circle of Jesus’ disciples, but also include those of John and all the other readers of Mcn. Then, προσευ´ χησθε is followed by a longer insertion in D d: μη` βατταλογει ῀τε ω῾ ς οι῾ λοιποι´ ·δοκου῀σιν γα´ ρ τινες ο῞ τι ε᾽ ν τ ͺ η῀ πολυλογει´ ͺ α αυ᾽ τω῀ ν ει᾽σακουσθη´ σονται· α᾽ λλα` προσευχο´ μενοι . Too quickly does Klinghardt follow the opinio communis and reject this reading as a Matthean - a rather rare instance - replacement of the mentioning of John through an exhortation that Christian praying should be different from pagan babbling in Matthew’s parenetic narrative. 107 One has to compare the two framework settings of this text in D and in Matthew: 106 Klinghardt, Evangelium, 725; it is also rarely discussed in the previous literature on Luke; in contrast, Wolter, Das Vaterunser, now deals with it in detail, but without taking into account the version of Luke in Codex Bezae (= D). 107 Klinghardt, Evangelium, 737; see before him scholars who reckon with Luke’s dependence on Q: Wolter, Lukasevangelium; Bovon, Lukas, II 124 (‘durch Mat 6,7 angeregt’). 210 Markus Vinzent D Matth. 11: 1 Και` ε᾽ γε´ νετο ε᾽ ν τ ͺ ω῀ ει ῏ναι αυ᾽ το` ν ε᾽ ν το´ π ͺ ω τινι` προσευχο´ μενον , και` ω῾ ς ε᾽ παυ´ σατο , ει ῏πε´ ν τις τω῀ ν μαθητω῀ ν αυ᾽ του῀ προ` ς 6: 1 Προσε´ χετε [ δε` ] τη` ν δικαιοσυ´ νην υ῾ μω῀ ν μη` ποιει ῀ν ε῎μπροσθεν τω῀ ν α᾽ νθρω´ πων προ` ς το` θεαθη῀ναι αυ᾽ τοι ῀ς : ει᾽ δε` μη´ αυ᾽ το´ ν , Κε , δι´δαξον η῾ μα῀ ς προσευ´ χεσθαι , καθω` ς και` ᾽Ιωα´ νης ε᾽ δι´δαξεν του` ς μαθητα` ς αυ᾽ του῀ . 11: 2 ο῾ δε` ει ῏πεν γε , μισθο` ν ου᾽ κ ε῎χετε παρα` τ ͺ ω῀ πατρι` υ῾ μω῀ ν τ ͺ ω῀ ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς . 6: 2 ῞Οταν ου῏ ν ποι ͺ η῀ς ε᾽ λεημοσυ´ νην , μη` σαλπι´σ ͺ ης ε῎μπροσθε´ ν σου , ω῞ σπερ οι῾ υ῾ ποκριται` ποιου῀σιν ε᾽ ν ται ῀ς συναγωγαι ῀ς και` ε᾽ ν ται ῀ς ρ῾ υ´ μαις , ο῞ πως δοξασθω῀ σιν υ῾ πο` τω῀ ν α᾽ νθρω´ πων : α᾽ μη` ν λε´ γω υ῾ μι ῀ν , α᾽ πε´ χουσιν το` ν μισθο` ν αυ᾽ τω῀ ν . 6: 3 σου῀ δε` ποιου῀ντος ε᾽ λεημοσυ´ νην μη` γνω´ τω η῾ α᾽ ριστερα´ σου τι´ ποιει ῀ η῾ δεξια´ σου , 6: 4 ο῞ πως ͺ η῏ σου η῾ ε᾽ λεημοσυ´ νη ε᾽ ν τ ͺ ω῀ κρυπτ ͺ ω῀ : και` ο῾ πατη´ ρ σου ο῾ βλε´ πων ε᾽ ν τ ͺ ω῀ κρυπτ ͺ ω῀ α᾽ ποδω´ σει σοι . ῝Οταν προσευ´ χησθε , 6: 5 Και` ο῞ ταν προσευ´ χησθε , ου᾽ κ ε῎σεσθε ω῾ ς οι῾ υ῾ ποκριται´ : ο῞ τι φιλου῀σιν ε᾽ ν ται ῀ς συναγωγαι ῀ς και` ε᾽ ν ται ῀ς γωνι´αις τω῀ ν πλατειω῀ ν ε῾ στω῀ τες προσευ´ χεσθαι , ο῞ πως φανω῀ σιν τοι ῀ς α᾽ νθρω´ ποις : α᾽ μη` ν λε´ γω υ῾ μι ῀ν , α᾽ πε´ χουσιν το` ν μισθο` ν αυ᾽ τω῀ ν . 6: 6 συ` δε` ο῞ ταν προσευ´ χ ͺ η , ει ῎σελθε ει᾽ ς το` ταμει ῀ο´ ν σου και` κλει´σας τη` ν θυ´ ραν σου προ´ σευξαι τ ͺ ω῀ πατρι´ σου τ ͺ ω῀ ε᾽ ν τ ͺ ω῀ κρυπτ ͺ ω῀ : και` ο῾ πατη´ ρ σου ο῾ βλε´ πων ε᾽ ν τ ͺ ω῀ κρυπτ ͺ ω῀ α᾽ ποδω´ σει σοι . μη` βατταλογει ῀τε 108 ω῾ ς οι῾ λοιποι´ · 6: 7 Προσευχο´ μενοι δε` μη` βατταλογη´ σητε ω῞ σπερ οι῾ ε᾽ θνικοι´ , δοκου῀σιν γα´ ρ τινες ο῞ τι ε᾽ ν τ ͺ η῀ πολυλογει´ ͺ α αυ᾽ τω῀ ν ει᾽σακουσθη´ σονται· δοκου῀σιν γα` ρ ο῞ τι ε᾽ ν τ ͺ η῀ πολυλογι´ ͺ α αυ᾽ τω῀ ν ει᾽σακουσθη´ σονται . 6: 8 μη` ου῏ ν ο῾ μοιωθη῀τε αυ᾽ τοι ῀ς , οι ῏δεν γα` ρ ο῾ πατη` ρ υ῾ μω῀ ν ω῟ ν χρει´αν ε῎χετε προ` του῀ υ῾ μα῀ ς αι᾽ τη῀σαι αυ᾽ το´ ν . α᾽ λλα` προσευχο´ μενοι λε´ γετε … 6: 9 Ου῞ τως ου῏ ν προσευ´ χεσθε υ῾ μει ῀ς … Bovon notices the differences between Luke and Matthew in their opening of the frame for the Lord’s Prayer, Luke starts with a narrative, Matthew with an im- 108 Moultan/ Milligan, Vocabulary, 107 misread this as βλαττολογει ῀ν , but in βαττολογει ῀ν they see either a connection with the nickname of the orator Demosthenes, Βα´ τταλος , who stammered when he was young, or it being derived from Aramaic battaˆl or ba¯t ˙ e¯l = ‘empty, worthless’; one could also think with the Suida of Herodotus 4.155 where he mentions King Βα´ ττος who, because of his speech impediment was called the ‘Stammerer’, see France, Matthew, 240; Davies/ Allison, Matthew, 587f. 211 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel perative, 109 although the latter has its place in the greater narrative of Matthew’s sermon on the mountain. 110 Yet, there are some interesting connections and parallels between the two, too. First is the literally identical opening ο῞ ταν προσευ´ χησθε with which the critical note on the babbling is introduced in Luke (D), which we also find in Matth. 6: 5, although with a warning, not to be like the hypocrites who ‘love to pray while standing in synagogues and on street corners so that people can see them’. Although not explicitly stated, this text reminds of Luke 11: 1 and the reference to the one disciple who had asked the Lord: ‘Lord, teach us to pray, just like also John taught his disciples’. Although some scholars have taken the ‘just like also’ ( καθω` ς και` ) in the sense that the student asked for being taught the same or a similar prayer as the one that John taught, 111 others have insisted that this should be understood as a distinction between the Jewish prayer within the circle of John and the new prayer that is ‘exclusive’ to Jesus and his disciples. 112 If one wants to read this passage as a criticism of John’s Jewish praying practice, Matthew is certainly more sharply distinguishing the practice of praying by the disciples of Jesus from hypocrites in synagoges and streets. After this criticism, Matthew v. 6: 7 picks up the introductory formula ο῞ ταν προσευ´ χησθε from before in his προσευχο´ μενοι δε` with which the direct parallel to D starts. Strangely enough, after Matthew having criticised people in the synagogue and streets before, he now sets a different distinction, namely that between Jesus’ disciples and ε᾽ θνικοι´ . Although two manuscripts (B sy c ) here read υ῾ ποκριται´ again, B. Weiss has already observed in the 19 th c. (and he remained not alone 113 ) that the turn to the pagans had nothing to do with the previous narrative and its criticism of Jewish practices and, therefore, took it as being out of context. 114 More strongly is Luz’ view who sees in this passage a self-standing unity whose author can ‘hardly be the evangelist’, as it does not connect to what follows. 115 If so and if previous scholarship were right that D is a harmonisation with this passage in Matthew, one wonders why the redactor of D had altered precisely the small lexem ε᾽ θνικοι´ to turn the text back to a Jewish addressee. It looks more likely that Matthew knew of the text of D and removed the direct criticism against John by speaking more generally first against hypocrites in 109 Bovon, Lukas, II 120. 110 Wolter, Lukasevangelium, 403. 111 See Elliott, Did the Lord’s Prayer Originate with John the Baptist, 215, Müller, Das Vater-Unser, 182f.; Taylor, Immerser, 151-153; Rothschild, Traditions; Chase, Early Church, 11. 112 So Wolter, Lukasevangelium, 404; Allison, Jesus, 213. 113 See Luz, Matthäus, I 418f. 114 Weiss, Matthäus-Evangelium, 129. 115 Luz, Matthäus, I, 430; Lachs, Rabbinic, 116 reckons that ε᾽ θνικοι´ are not pagans, but Jews from the ‘am ha-arez’, a position, rejected by Fiedler, Matthäusevangelium, 164. 212 Markus Vinzent synagogues and streets and then, using the precise wording of Luke (D), altered the λοιποι´ in ε᾽ θνικοι´ . Because βαττολογει ῀ν needed being explained by πολυλογι´α , while both are hapax legomena, Holtzmann believed that they reflect the old stratum of the text. 116 To summarize: The comparison shows that Klinghardt’s view of Matthew being dependent on Mcn fits with the position taken here that the text of D in this passage represents best what Matthew was reading in Mcn. Matthew has not only considerably expanded the setting of the Lord’s Prayer, but also sharpened the criticism against the synagogue and paganism, while at the same time he obscured and removed the criticism of John and his disciples in D. Importantly, such criticism of John and his disciples in D/ Mcn is a typical feature of this Gospel through which it differs clearly from Luke. When one looks back in Mcn how John and his disciples were introduced earlier, one comes across the crucial passage of Mcn 7: 16-23. For v. 7: 16 Tertullian tells us, 117 that the pericope starts with a strong statement that John ‘was scandalized’ (Mcn 7: 17) when he had heard that Jesus was called ‘a great prophet’ (Mcn 7: 16, par. Luke). This statement about John being scandalized is missing in Luke and its textual tradition. Hence, when at the end of the pericope Jesus utters the makarismos ‘blessed is the one who is not scandalized by me’, the verdict against John in Mcn is clear, while through the absence of the scandal in v. 7: 16 in Luke the makarismos has no anchor and is somehow hanging in the air, or, as Grundmann states, it ‘sets the Baptist free to make his own choice’. 118 Yet Stählin still saw the sharp edge of it, namely that ‘ σκανδαλι´ζεσθαι ε᾽ ν αυ᾽ τ ͺ ω῀ could mean the contrary of πιστευ῀σαι ει᾽ ς αυ᾽ το´ ν ’. 119 In Mcn, John is not only the last representative of the old prophets up to whom the law and the prophets last (Mcn 16: 16, par. Luke), whereas Jesus is the one who is accused of dissolving the law and the prophets (Mcn 23: 2), John is also the example of a prophet who does not believe in the Lord. Given this constellation in Mcn, the D text not only fits the framework of the Lord’s Prayer in Mcn, it also sharpens the antithetical character of the praying practices of John’s disciples and of Jesus’ disciples and of the prayer that follows to that of John. Now, it becomes clear, why in Mcn the opening in 11: 2 is better preserved in D, too, as the ο῾ δε` ει ῏πεν clearly refers to the Lord and distinguishes him from John, the master of the other disciples to which the following οι῾ λοιποι´ refers. These are accused of making empty and overly long prayers, whereas Jesus advices not only his disciples, but also them and every reader to only use the short prayer that is then quoted. 116 Holtzmann, Synoptiker, 63. 117 Tert., Adv. Marc. IV 18,4: ‘Sed scandalizatur Ioannes auditis virtutibus Christi, ut alterius’. 118 Grundmann, Lukas, 164. 119 Stählin, Art. σκανδαλι´ζειν , 348. 213 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel Moving from the frame to the prayer itself, there are a few more changes to the reconstruction of Klinghardt’s text, which I would like to suggest. Section 1: η῾ μω῀ ν ο῾ ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς With regard to Section 1, I add the η῾ μω῀ ν ο῾ ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς . Although Klinghardt 120 deduces that Mcn only provided πατη´ ρ and in this text critical decision follows the Zahn-Harnack model, it seems to me that the variants in the canonical tradition of Luke, including the obvious D it sy: A C D Q Q Y f 13 33 vid 892 1006 1506 M it sy c.p.h co and e(2) b(4) l(11), speak for including the passage, as this reading is also slightly supported by Tertullian’s ‘orasset ad patrem illum superiorem’. Marcion, therefore, either had added to Πα´ τερ the attribute η῾ μω῀ ν or both this attribute and the relative sentence ο῾ ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς , particularly, as Klinghardt ponders whether in Mcn 18: 19 the text should not have read ο῾ πατη` ρ ( ο῾ ) ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς . 121 Already in Mcn 10: 21 Jesus had prayed to the ‘Lord of the heaven’ ( κυ´ ριος του῀ ου᾽ ρανου῀ ), to which the Lukan redaction has introduced πατη´ ρ before κυ´ ριος . 122 Similarly, the acclamation in Mcn 19: 38 { Ευ᾽ λογημε´ νος ο῾ βασιλευ´ ς } · ει᾽ρη´ νη ε᾽ ν ου᾽ ραν ͺ ω῀ και` δο´ ξα ε᾽ ν υ῾ ψι´στοις stresses the heavenly character of the divine king. 123 The heavenly place is also mentioned for the names of the followers (Mcn 10: 20), ‘in heaven’ is the treasure that cannot be stolen (Mcn 11: 33; see also 18: 22), and there will be joy ‘in heaven’ about the finding of the one lost sheep (Mcn 15: 7). In contrast, it seems, the Lukan redaction preferred the bare ‘Father’. Thrice he uses it in the Prodigal Son, absent in Mcn (15: 12,18,21), and in Luke 10: 21, again absent from Mcn. Already Goulder saw this as a typical feature of Luke’s language. 124 Section 3: the additional ε᾽ λθε´ τω σου η῾ βασιλει´α According to Klinghardt, 125 in the gospel that Marcion had used, this second ε᾽ λθε´ τω had not been present, although he admits that Tertullian’s copy of Mcn did provide it. As we are interested in presenting Mcn in the published version that Tertullian had in hands, we include the petition for the coming of the kingdom. It may well have been, that Marcion’s pre-published version of Mcn has lacked the supplication, and that Marcion altered the text after having read Matthew and Luke. 120 Klinghardt, Evangelium, 725-727. 121 Klinghardt, Evangelium, 918. 122 Klinghardt, Evangelium, 701. 123 See Klinghardt, Evangelium, 947-949. 124 Goulder, Luke, 496. 125 Klinghardt, Evangelium, 728. 214 Markus Vinzent On the basis of the text of Mcn, as established here solely on the basis of textual witnesses and inner consistency of the text itself, I would like to add some interpretative remarks, before I outline my hypothesis of the reception process. Tertullian almost cryptically starts his reading of this passage of Mcn: ‘He had been praying in a certain place, to that higher-class father, looking up with eyes above measure presumptuous and audacious towards the heaven of that Creator by whose sternness and savagery he could easily have been struck down by lightning and hail’. 126 With this glamorous description, our heresiologist does not only want to ridicule Marcion’s Gospel which in its opening is not too different from Luke, he particularly stresses the intention of Marcion which he thought to have grasped. Jesus’ prayer was not a dialogue with the God of Israel, but a vision where the viewer and the viewed could hardly been distinguished and Jesus as a visionary was likened to Paul in his heavenly rapture. As seen before, this commentary presumes that in the following address the ‘Father’ had been called a ‘Father … in heaven’, as this is the direction towards which the Lord was praying. That Tertullian calls him a ‘higher-class father’ which he in the same chapter calls Marcion’s ‘different god’ who, therefore, needed a ‘different’ prayer, 127 proves that our rhetor had a good grasp of both text and content. The Lord’s Prayer was meant to be an alternative prayer to that of John and it was directed to a different god than to the god of John. The novel character was not only marked by the shorter text, it was also recognisable by Marcion addressing the ‘Father’ as the Father of his community, not the Creator of this earth, but the higher God of the heavens: ‘Our Father who is in heaven’. The opening of the pericope, hence, was meant to distance Jesus from John, his disciples from those others of John ( οι῾ λοιποι´ ), this other, previously unknown god who was made public by Christ, from the one of John. Tertullian retorts, that contrary to Marcion’s reading, one should understand this passage - and he certainly thinks like some modern scholars have done too, as shown above - that the καθω` ς και` ᾽Ιωα´ ννης refers to a disciple asking the Lord for teaching him a Johannine prayer to address the God of John. 128 He concedes, however, and acknowledges, as he does in his De oratione, that the Lord’s Prayer is a new form of worship in which God is praised differently. 129 No surprise, therefore, that Tertullian only mentions the term ‘Fat- 126 Tert., Adv. Marc. IV 26,1: ‘Cum in quodam loco orasset ad patrem illum superiorem, satis impudentibus et temerariis oculis suspiciens ad caelum creatoris, a quo tam aspero et saevo et grandine et fulmine potuisset elidi’. 127 Tert., Adv. Marc. IV 26,1: ‘quia alium deum aliter existimaret orandum’. 128 Tert., Adv. Marc. IV 26,2: ‘scito illum in creatorem formam orationis postulasse, in quem etiam discipuli Ioannis orabant’ (‘take it from me that what he asked for was a form of prayer to that Creator to whom also John’s disciples addressed their prayers’). 129 See Vinzent, Tertullian’s Preface. 215 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel her’ to stress the familiarity with him as the God ‘who by making me and fashioning me became my begetter’. 130 The short form (which, indeed, is given in Luke) helps to reject Marcion’s position, based on his text here. Another reason for Tertullian being silent about η῾ μω῀ ν , ο῾ ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς , could have been the presence of the same wording in Tertullian’s preferred Gospel, namely Matthew (6: 9). Also, Tertullian’s criticism of the first petition helps us to understand Marcion’s reading: ‘Whom shall I ask for the Holy Spirit? Him by whom not even mundane spirit is conveyed to me? ’ 131 As in his opening criticism, according to Tertullian Marcion wanted to state with this text that Christ was in such spiritual union with this heavenly father that also the Holy Spirit that came ‘upon us’ to purify the chosen ones was that same heavenly power, a power of the realm of the ‘higher-class’, to establish the ‘kingdom’ of ‘the king of glory’ 132 the advent of which was to be prayed for in the next petition. Another expression that underpinned the heavenly character of this non-worldly god was the petition for the beyond-being heavenly bread in the now and the further one petition that for taking away of debts without judgement. And finally, it is a god who can be asked not to lead into temptation who himself cannot be confronted and scared by the devil, Tertullian’s reference to the temptation passage which was not present in Mcn. Tertullian summarises that the prayer thus understood is directing supplications ‘to another god, and not the Creator’. 133 As it turns out, Tertullian was an attentive reader of Mcn and he clearly understood, highlighted and criticised the Marcionite character of this prayer. 3.4 Early reception of the Lord’s Prayer In order to see, how other people dealt with Marcion’s text of the Lord’s Prayer, let us undertake a final comparison of those witnesses that we know of: 130 Tert., Adv. Marc. IV 26,3: ‘qui me faciundo et instruendo generavit’. 131 Tert., Adv. Marc. IV 26,4: ‘A quo spiritum sanctum postulem? a quo nec mundialis spiritus praestatur? ’ 132 Tert., Adv. Marc. IV 26,4: ‘ … regem gloriae’. 133 Tert., Adv. Marc. IV 26,5: ‘alii deo supplicat et non creatori’. 216 Markus Vinzent Mcn 11: 1-4 Luke 11: 1-4 Matth. 6: 5-13 Didache 8,2-3 Q 11: 2b-4 134 11: 1 Και` ε᾽ γε´ νετο ε᾽ ν τ ͺ ω῀ ει ῏ναι αυ᾽ το` ν ε᾽ ν το´ π ͺ ω τινι` προσευχο´ μενον , και` ω῾ ς ε᾽ παυ´ σατο , 11: 1 Και` ε᾽ γε´ νετο ε᾽ ν τ ͺ ω῀ ει ῏ναι αυ᾽ το` ν ε᾽ ν το´ π ͺ ω τινι` προσευχο´ μενον , ω῾ ς ε᾽ παυ´ σατο , ει ῏πε´ ντις τω῀ ν μαθητω῀ ν αυ᾽ του῀ προ` ς αυ᾽ το´ ν , Κυ´ ριε , δι´δαξον η῾ μα῀ς προσευ´ χεσθαι , καθω` ς και` ᾽Ιωα´ ννης ε᾽ δι´δαξεν του` ς μαθητα` ς αυ᾽ του῀ . ει ῏πε´ ν τις τω῀ ν μαθητω῀ ν αυ᾽ του῀ προ` ς αυ᾽ το´ ν , Κυ´ ριε , δι´δαξον η῾ μα῀ ς προσευ´ χεσθαι , καθω` ς και` ᾽Ιωα´ ννης ε᾽ δι´δαξεν του` ς μαθητα` ς αυ᾽ του῀ . 11: 2 ο῾ δε` ει ῏πεν , 11: 2 ει ῏πεν δε` 6: 5 Και` αυ᾽ τοι ῀ς , ῞Οταν προσευ´ χησθε ῞Οταν προσευ´ χησθε , ο῞ ταν προσευ´ χησθε , CA: ο῞ ταν δε` προσευ´ χησθε , 11: 2b⟦( ῞Οταν )⟧ προσευ´ χ ⟦ η ⟧ σθε ου᾽ κ ε῎σεσθε ω῾ ς οι῾ υ῾ ποκριται´ : μη` γι´νεσθε ω῞ σπερ οι῾ υ῾ ποκριται´ 135 ο῞ τι φιλου῀σιν ε᾽ ν ται ῀ς συναγωγαι ῀ς και` ε᾽ ν ται ῀ς γωνι´αις τω῀ ν πλατειω῀ ν ε῾ στω῀ τες προσευ´ χεσθαι , ο῞ πως φανω῀ σιν τοι ῀ς α᾽ νθρω´ ποις : α᾽ μη` ν λε´ γω υ῾ μι ῀ν , α᾽ πε´ χουσιν το` ν μισθο` ν αυ᾽ τω῀ ν . 6: 6 συ` δε` ο῞ ταν προσευ´ χ ͺ η , ει ῎σελθε 134 The Text here given according to Carruth/ Garsky, Q 11: 2b-4, 3, checked against Heil, Spruchquelle, 60 and Robinson/ Hoffmann/ Kloppenborg, Edition, 206-210. 135 HÄ: μηδε` προσευ´ χεσθε ω῾ ς οι῾ υ῾ ποκριται´ . 217 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel ει᾽ ς το` ταμει ῀ο´ ν σου και` κλει´σας τη` ν θυ´ ραν σου προ´ σευξαι τ ͺ ω῀ πατρι´ σου τ ͺ ω῀ ε᾽ ν τ ͺ ω῀ κρυπτ ͺ ω῀ : και` ο῾ πατη´ ρ σου ο῾ βλε´ πων ε᾽ ν τ ͺ ω῀ κρυπτ ͺ ω῀ α᾽ ποδω´ σει σοι . 6: 7 Προσευχο´ μενοι δε` μη` βατταλογει ῀τε ω῾ ς οι῾ λοιποι´ · μη` βατταλογη´ σητε ω῞ σπερ οι῾ ε᾽ θνικοι´ , δοκου῀σιν γα´ ρ τινες ο῞ τι ε᾽ ν τ ͺ η῀ πολυλογει´ ͺ α αυ᾽ τω῀ ν ει᾽σακουσθη´ σονται δοκου῀σιν γα` ρ ο῞ τι ε᾽ ν τ ͺ η῀ πολυλογι´ ͺ α αυ᾽ τω῀ ν ει᾽σακουσθη´ σονται . 6: 8 μη` ου῏ ν ο῾ μοιωθη῀τε αυ᾽ τοι ῀ς , οι ῏δεν γα` ρ ο῾ πατη` ρ υ῾ μω῀ ν ω῟ ν χρει´αν ε῎χετε προ` του῀ υ῾ μα῀ ς αι᾽ τη῀σαι αυ᾽ το´ ν . α᾽ λλα` HÄ: α᾽ λλ ’ ω῾ ς ε᾽ κε´ λευσεν ο῾ κυ´ ριος ε᾽ ν τ ͺ ω῀ ευ᾽ αγγελι´ ͺ ω αυ᾽ του῀ . 136 προσευχο´ μενοι , 6: 9 Ου῞ τως ου῏ ν προσευ´ χεσθε υ῾ μει ῀ς : Η : o υ῞ τως προσευ´ χεσθε υ῾ μει ῀ς : λε´ γετε , λε´ γετε , ⟦ λε´ γετε ⟧, Πα´ τερ , η῾ μω῀ ν , Πα´ τερ , Πα´ τερ η῾ μω῀ ν Πα´ τερ η῾ μω῀ ν Πα´ τερ , ο῾ ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς ο῾ ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς , ο῾ ε᾽ ν τ ͺ ω῀ ου᾽ ραν ͺ ω῀ 137 136 CA: α᾽ λλ ’ ω῾ ς ο῾ κυ´ ριος η῾ μι ῀ν ε᾽ ν τ ͺ ω῀ ευ᾽ αγγελι´ ͺ ω διετα´ ξατο . Here Ä stops and only sets in again with Did. 11,3. 137 CA: τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς , α῾ γιασθη´ τω το` ο῎ νομα´ σου , ε᾽ λθε´ τω η῾ βασιλει´α σου , γεννηθη´ τω . 218 Markus Vinzent ⟦ α῾ γιασθη´ τω το` ο῎ νομα´ σου· ⟧ α῾ γιασθη´ τω το` ο῎ νομα´ σου : α῾ γιασθη´ τω το` ο῎ νομα´ σου , α῾ γιασθη´ τω το` ο῎ νομα´ σου , α῾ γιασθη´ τω το` ο῎ νομα´ σου { ε᾽ λθε´ το το` πνευ῀μα´ ( σου ) το` α῞ γιον ( ε᾽ ϕ ’ η῾ μα῀ ς ) ( και` καθαρισα´ τω η῾ μα῀ ς )} ε᾽ λθε´ τω σου ε᾽ λθε´ τω 6: 10 ε᾽ λθε´ τω H: ε᾽ λθε´ τω ε᾽ λθε´ το η῾ βασιλει´α η῾ βασιλει´α σου : η῾ βασιλει´α σου , η῾ βασιλει´α σου η῾ βασιλει´α σου . ⟦ γενηθη´ τω το` θε´ λημα´ σου , ω῾ ς ε᾽ ν ου᾽ ραν ͺ ω῀ και` ε᾽ πι` γη῀ς .⟧ γενηθη´ τω το` θε´ λημα´ σου , ω῾ ς ε᾽ ν ου᾽ ραν ͺ ω῀ και` ε᾽ πι` (KDQ: τη῀ς ) γη῀ς . (CA: γενηθη´ τω ) το` θε´ λημα´ σου , ω῾ ς ε᾽ ν ου᾽ ραν ͺ ω῀ και` ε᾽ πι` (CA: τη῀ς ) γη῀ς . 11: 3 το` ν α῎ρτον 11: 3 το` ν α῎ ρτον 6: 11 Το` ν α῎ ρτον Το` ν α῎ ρτον το` ν α῎ ρτον σου το` ν η῾ μω῀ ν το` ν η῾ μω῀ ν το` ν η῾ μω῀ ν το` ν η῾ μω῀ ν το` ν ε᾽πιου´ σιον δο` ς ε᾽ πιου´ σιον δι´δου ε᾽ πιου´ σιον δο` ς ε᾽ πιου´ σιον δο` ς ε᾽ πιου´ σιον δο` ς η῾ μι ῀ν η῾ μι ῀ν η῾ μι ῀ν η῾ μι ῀ν η῾ μι ῀ν ση´ μερον το` καθ ’ η῾ με´ ραν : ση´ μερον : ση´ μερον : ση´ μερον . 11: 4 και` α῎ϕες 11: 4 και` α῎ φες 6: 12 και` α῎ φες και` α῎ φες και` α῎ ϕες η῾ μι ῀ν η῾ μι ῀ν η῾ μι ῀ν η῾ μι ῀ν η῾ μι ῀ν τα` ο᾽ ϕειλη´ ματα 〈 ¿ η῾ μω῀ ν ? 〉 , τα` ς α῾ μαρτι´ας τα` ο᾽ φειλη´ ματα τη` ν ο᾽ φειλη´ ν 138 τα` ( ο᾽ ϕειλη´ ματα ) η῾ μω῀ ν , η῾ μω῀ ν , η῾ μω῀ ν , 〈 ¿ και` γα` ρ αυ᾽ τοι` α᾽ ϕι´ομεν και` γα` ρ αυ᾽ τοι` α᾽ φι´ομεν ω῾ ς και` η῾ μει ῀ς α᾽ φη´ καμεν ω῾ ς και` η῾ μει ῀ς α᾽ φη´ καμεν ω῾ ς ) και` η῾ μει ῀ς α᾽ φ ( η´ κα ) μεν παντι` παντι` τοι ῀ς τοι ῀ς ( τοι ῀ς ) ο᾽ ϕει´λοντι ο᾽ φει´λοντι ο᾽ φειλε´ ταις ο᾽ φειλε´ ταις ο᾽ φειλε´ ταις η῾ μι ῀ν· ? 〉 η῾ μι ῀ν : η῾ μω῀ ν : η῾ μω῀ ν : η῾ μω῀ ν : και` μη` και` μη` 6: 13 και` μη` και` μη` και` μη` ει᾽σενε´ γκ ͺ ης ει᾽σενε´ γκ ͺ ης ει᾽σενε´ γκ ͺ ης ει᾽σενε´ γκ ͺ ης ει᾽σενε´ γκ ͺ ης η῾ μα῀ς ει᾽ς η῾ μα῀ ς ει᾽ ς η῾ μα῀ ς ει᾽ ς η῾ μα῀ ς ει᾽ ς η῾ μα῀ ς ει᾽ ς πειρασμο´ ν . πειρασμο´ ν . πειρασμο´ ν , πειρασμο´ ν , πειρασμο´ ν . α᾽ λλα` ρ῾ υ῀σαι α᾽ λλα` ρ῾ υ῀σαι η῾ μα῀ ς α᾽ πο` του῀ πονηρου῀ . η῾ μα῀ ς α᾽ πο` του῀ πονηρου῀ . 138 CA: τα` ο᾽ φειλη´ ματα . 219 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel ο῞ τι σου῀ ε᾽ στιν 139 η῾ δυ´ ναμις και` η῾ δο´ ξα ει᾽ ς του` ς αι᾽ω῀ νας . If Mcn was the basis for the other traditions in Luke, Matthew and the Didache, then the alterations should show the readers’ struggle with Marcion’s strong criticism of John. It would explain, why Mark and John have not inserted the Lord’s Prayer, while the Baptist plays an important role in both gospels. Mark starts with John’s preaching of repentance and him baptizing Jesus (Mk. 1: 2-11), and so does John in a lengthy passage following the prologue (John 1: 15-34). 140 And, indeed, Matthew who is so keen in linking Jesus’ message with the tradition of Israel and, like Luke, starts with the birth and youth stories of Jesus to mark that link, replaced Marcion’s criticism by a narrative against hypocrites. Similarly, the Didache in its two traditions seems dependent on Matthew and has retained a fraction of this Matthean frame, the one tradition (HÄ) less than the other (CA). 141 Interestingly, both, Luke and Matthew keep rather close to the wording of Mcn, but, as Klinghardt suggested, Matthew alters Mcn 142 where he adopts his text, while Luke is more often literally dependent on Mcn, as in the opening frame, but cuts out precarious passages like the attributes of the ‘Father’ ( η῾ μω῀ ν , ο῾ ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς ), to reduce the difference between Marcion’s god and the God of Israel. Yet, we also have the other phenomenon that Matthew, as in 6: 11, keeps the wording of Mcn ( ση´ μερον ), where Luke puts το` καθ ’ η῾ με´ ραν , or in the next petition Luke replaces the Mcn/ Matthew businesslike τα` ο᾽ φειλη´ ματα by the morally loaden τα` ς α῾ μαρτι´ας . Although Luke seems to shorten Mcn/ Matthew, he is more often closer to Mcn than to Matthew (11: 1 the frame; 11: 2 λε´ γετε ; 11: 4 α᾽ φι´ομεν ), yet can also adopt Matthew, so with the first petition ( α῾ γιασθη´ τω το` ο῎ νομα´ σου ) which already in Matthew replaced Mcn’s first petition [{ ε᾽ λθε´ το το` πνευ῀μα´ ( σου ) το` α῞ γιον ( ε᾽ ϕ ’ η῾ μα῀ ς ) ( και` καθαρισα´ τω η῾ μα῀ ς )} ]. Q seems to be a rather mechanical retention of those texts which both Luke and Matthew have in common with Mcn or which we find either in Luke or in Matthew. Except for the attributes of ‘Father’, the editors of Q adopt the readings from Mcn/ Matthew, not from Luke. 139 CA add. η῾ βασιλει´α και` . 140 Interestingly, the question of absence of the Lord’s Prayer in early Christian literature is not even considered in Wilk (Hrsg.), Das Vaterunser. While one may argue that Mark did not know of it, it is harder to explain, why it is mentioned neither in John, nor in Paul, nor in early extra-canonical literature. 141 On the Lord’s Prayer in the Didache and the question of the source material for the reconstruction of this text see Wehnert, Ein Gebet. 142 Klinghardt, Evangelium, 249. 220 Markus Vinzent More enlightening than the comparison with Q is that with the Didache. This writing refers to its source: α᾽ λλ ’ ω῾ ς ε᾽ κε´ λευσεν ο῾ κυ´ ριος ε᾽ ν τ ͺ ω῀ ευ᾽ αγγελι´ ͺ ω αυ᾽ του῀ (HÄ), or even stronger: α᾽ λλ ’ ω῾ ς ο῾ κυ´ ριος η῾ μι ῀ν ε᾽ ν τ ͺ ω῀ ευ᾽ αγγελι´ ͺ ω διετα´ ξατο (CA). Which Gospel has the Didachist in mind, or is the redactor simply referring to an oral message of the Lord? The proximity of the Didache to Matthew or at least to Matthean traditions has been known for a long time and is almost unanimously held in scholarship. 143 We note the presence of η῾ μω῀ ν ο῾ ε᾽ ν τ ͺ ω῀ ου᾽ ραν ͺ ω῀ (H) or η῾ μω῀ ν ο῾ ε᾽ ν τοι ῀ς ου᾽ ρανοι ῀ς (CA), and α῾ γιασθη´ τω το` ο῎ νομα´ σου both (almost: H) as in Matthew, the latter clause missing in Mcn, but also the Matthean (CA: γενηθη´ τω ) το` θε´ λημα´ σου , ω῾ ς ε᾽ ν ου᾽ ραν ͺ ω῀ και` ε᾽ πι` (K D Θ : τη῀ς ) γη῀ς , missing both in Mcn and Luke. With the γενηθη´ τω and the τη῀ς only preserved in the CA tradition of the Didache, it is possible that this tradition was even more particularly related to Matthew’s K D Θ tradition. The proximity to Matthew is confirmed by the ending, where the Didache has with Matthew α᾽ λλα` ρ῾ υ῀σαι η῾ μα῀ ς α᾽ πο` του῀ πονηρου῀ to which it even adds a liturgical doxology. 144 As the Didache has incorporated other texts like the two-way admonition and has been gradually gospelized, it seems to me that this text, whenever it was written, followed Matthew and referred to this text when it references ‘the gospel’. As our source texts from which scholars have reconstructed the Didache are, however, late - the earliest date from the end of the fourth century (P. Oxyr. 1782) and the text as given by the Ms. Hierosolymitanus 54 transmits the text together with, amongst others, the heavily gospelized longer version of the Ignatians, there is little trust in these witnesses conveying an early version of the Didache, particularly with regards its references to Scripture, like here. 4 The Lord’s Prayer in Mcn What, then, was the content of the Lord’s Prayer in Mcn? 145 We have to start with the frame: First, Mcn had recounted the coming down of the Lord and his sudden and unexpected appearance in Capharnaum, then he introduces Jesus with his many titles: ‘the medic’ (Mcn 4: 23 ᾽Ιατρο´ ς ), ‘the Holy of God’ (Mcn 4: 34 ο῾ α῞ γιος του῀ θεου῀ ), the ‘Prophet’ (Mcn 4: 24 προφη´ της ), ‘the Son of God’ (Mcn 4: 41 ο῾ υι῾ο` ς του῀ θεου῀ ), ‘the Christ’ (Mcn 4: 41 ο῾ Χριστο´ ς ), ‘the Α ngelic Messanger for the kingdom of God’ (Mcn 4: 43 α᾽ παγγελι´σασθαι τη` ν βασιλει´αν του῀ θεου῀ ), ‘the Preacher’ (Mcn 4: 44 κηρυ´ σσων ), ‘the Teacher’ (Mcn 5: 5 διδα´ σκαλος ), ‘the Groom’ (Mcn 5: 34 ο῾ νυμφιο´ ς ), somebody who prays (Mcn 6: 12), one who sees, who is perfect 143 Tuckett, Didache; Kelhoffer, Gospel; Aune, Gospels; Koester, Überlieferung, 203. 144 On the doxology, see Chase, Early Church, 168-176. 145 A study of this topic from a different perspective can be found in Vinzent, Kontinuitäten und Diskontinuitäten (forthcoming). 221 Methodological Assumptions in the Reconstruction of Marcion’s Gospel just like his own teacher (Mcn 6: 39f.), ‘the Son of Man’ (Mcn 9: 18), ‘the Master of David’ (Mcn 20: 41-44, not David’s son), ‘the Son’ (Mcn 9: 20), the ‘beloved Son’ who is to be followed instead of following Mose (or the Torah) and Elija (or the Prophets) (Mcn 9: 28-36). When he is introduced as ‘the Great Prophet’ (Mcn 7: 16 Με´ γας προφη´ της ), a message that has made its way everywhere into Judaea and to John the Baptist, the reaction of John is made plain: ‘When he heard of his deads, he was scandalized’ (Mcn 7: 18). As stated before, this statement was cut out by Luke, yet John’s rejection of Jesus sets the tone for the pericopes that follow. In these, Marcion explains what kind of a Great Prophet Jesus is: The Lord is not one like John who claimed to prepare the way for the Lord (Mcn 7: 27), he is not a prophet who shrinks away from sinners and women. Instead Jesus is the one who teaches and commands the powers of this earth (Mcn 8: 25), who works wonders and who himself is the sole revelator (Mcn 10: 22). The frame of the Lord’s Prayer, therefore, is picking up on the previous passage on John and the contrast set between John and Jesus. The Lord’s Prayer in Mcn, therefore, developes further the newness of Jesus’ message and introduces this text as a novel prayer 146 which in its conciseness contrasts with the long prayers attributed to John, although the antithesis relates less to the content of the prayer, but rather to its performance. It is more about the ‘how’, less about the ‘what’. While the Didache had left the question open who the hypocrites are that are criticised, Matthew was more to the point, when the hypocrites are identified with those who prefer long prayers in synagogues and streets, in order to be admired by people. In Mcn, however, it is John and his disciples who are the targets. This antithesis fits, as we have shown, the distinction that Marcion introduced between John and Jesus, and on which he insisted in his preface (Antitheses) between ‘Christ who in the time of Tiberius was revealed by a god formerly unknown, for the salvation of all the nations, and another Christ who is destined by God the Creator to come at some time still future for the reestablishment of the Jewish kingdom’, ‘between justice and kindness, between law and gospel, between Judaism and Christianity’, hence, between old and new. 147 The performance of the Lord’s Prayer, then, becomes the new practice of Jesus and his followers who believe in their transcendant Father of the heaven who comes onto them, 146 This does not mean that the Lord’s Prayer is not a Jewish prayer, as Marcion seems to have been of Jewish background, too, see my Marcion the Jew; on recent attempts at reconstruction an Aramaic form of the Lord’s Prayer see Schattner-Rieser, Das Aramäische, 106f. 147 Tert., Adv. Marc. IV 4,6: ‘alium esse Christum qui Tiberianis temporibus a deo quondam ignoto revelatus sit in salutem omnium gentium, alium qui a deo creatore in restitutionem Iudaici status sit destinatus quandoque venturus. Inter hos magnam et omnem differentiam scindit, quantam inter iustum et bonum, quantam inter legem et evangelium, quantam inter Iudaismum et Christianismum’ (trans. Evans). 222 Markus Vinzent purifies them, establishes his kingdom, offers his heavenly bread, removes debts and bewares from temptation. One may wonder how the performance of such a short prayer creates a contrast to John. Unfortunately, we do not know of a specific prayer of John. 148 Marcion’s ‘Father’ reminds of the Jewish title ‘Father’ which was not a cosmological term, but expressed the belief in God being Father of Israel, 149 although this epitheton is not too common in Jewish literature. 150 And yet we find the title in Philo related to God’s creation, in Qumran (within the book of Tobit), and even in Rabbinic literature we read the ‘Father in heaven’. 151 Tertullian explains, as shown, that Marcion understood this expression, however, to distinguish his god as the entirely transcendant, unknown god from the Creator, the God of Israel. 152 Already Luke must have been reluctant and might, therefore, has skipped the ‘our’ and ‘in heaven’. Instead of an all forgiving god of Marcion, as expressed in this prayer, Luke 3: 1-9 and Matth. 3: 1-10 (see also Mark 1: 2-6) had earlier introduced John the Baptist who preached repentance. 153 Purification does not come from above, as in Mcn, but is mediated by the Baptist, even to Jesus, hence we are faced in Luke and Matthew with radical corrections not only of Mcn, but of its author Marcion. This is not the place to give a synoptic reading and interpretation of all these texts, instead, I wanted to show, how assumptions on the synoptic relation between them impacted on the qualification of the relevant source material and the subsequent use of it for the reconstruction of Mcn. Reconstructing (and interpreting) Mcn is, therefore, not primarily a matter of available sources, but rather of a methodological decision. 148 Cf. Frey, Das Vaterunser, 5f. The contrast in length points to a Johannine prayer that might have been similar to the rather long Schemone Esre; parallels between this (and also the Qaddisch) to the Lord’s Prayer could indicate that Marcion has used a Jewish prayer which he attributed to John and in a shortened and revised form put into the mouth of Jesus; on the potential relation between these Jewish prayers see Frey, Das Vaterunser, 5-10. 149 Goshen-Gottstein, God, 475. 150 Cf. Goshen-Gottstein, God, with further bibliographial references. 151 Cf. Schattner-Rieser, Das Aramäische, 100-106; Frey, Das Vaterunser, 10-16; Goshen- Gottstein, God, 477. 152 Cf. Tert., Adv. Marc. II 13,5: ‘Usque adeo iustitia etiam plenitudo est divinitatis ipsius, exhibens deum perfectum et patrem et dominum, patrem clementia, dominum disciplina, patrem potestate blanda, dominum severa, patrem diligendum pie, dominum timendum necessarie, diligendum quia malit misericordiam quam sacrificium, et timendum quia nolit peccatum, diligendum quia malit paenitentiam peccatoris quam mortem, et timendum quia nolit peccatores sui iam non paenitentes. Ideo lex utrumque definit: Diliges deum, et, Timebis deum’. 153 Although Osten-Sacken, Das Vaterunser, deals with forgiveness in the Lord’s Prayer, he does not mention the link to John, the Baptist (only touched upon ibid. 119), or the enormous debate about Marcion’s all-forgiving, non-judgemental God, as present, for example, in Tertullian. Abraham als Element der Kanonischen Redaktion Matthias Klinghardt 1 Abraham in der Marcionitischen und in der Kanonischen Ausgabe Die nachstehenden Überlegungen gehen von der doppelten methodischen Hypothese aus, die einigen der Beiträge dieses Bandes zugrunde liegt: Die Sammlung von elf Schriften (ein Evangelium und zehn Paulusbriefe), deren Nutzung durch Marcion für die Zeit um 144 n.Chr. bezeugt ist (und die daher im Folgenden als Marcionitische Ausgabe bezeichnet wird), ist die älteste eindeutig bezeugte Sammlung frühchristlicher Schriften. 1 Die davon zu unterscheidende Sammlung von 27 Schriften, für die wir eine bis zum Anfang des 3. Jh. zurückreichende handschriftliche Bezeugung besitzen, ist dagegen das Resultat einer einheitlichen und vereinheitlichenden Redaktion (etwa in der Mitte des 2. Jh.); diese größere Ausgabe hat sich unter dem Titel „Neues Testament“ durchgesetzt und kanonische Geltung erlangt, sie wird deshalb hier als Kanonische Ausgabe bezeichnet. 2 Die Redaktion, die diese beiden Ausgaben miteinander verbindet (bzw. voneinander trennt), hat die Texte der älteren, marcionitischen Ausgabe bearbeitet und sie um weitere Texte ergänzt; weil diese Bearbeitung das NT in der uns bekannten, kanonisch gewordenen Form geschaffen hat, soll sie hier als Kanonische Redaktion bezeichnet werden. Die Differenzierung zwischen diesen beiden Ausgaben mit der sie verbindenden Redaktion hat Konsequenzen für die textkritische Beurteilung zahlreicher Varianten in den nt.lichen Handschriften sowie für die Überlieferungs- und Redaktionsgeschichte einzelner Schriften. Aber die Implikationen dieser Annahme reichen noch weiter. Denn der redaktionelle Schritt, der die von Marcion benutzte Elf-Schriften-Ausgabe und die kanonisch gewordene 27-Schriften-Ausgabe des Neuen Testaments miteinander verbindet, sollte ein kohärentes redaktionelles Konzept aufweisen. 3 Anders gesagt: Die Differenz zwischen den beiden Ausgaben macht in besonderer Weise 1 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 374ff. 2 Zur Kanonischen Ausgabe vgl. Trobisch, Endredaktion. Zur Notwendigkeit der Differenzierung verschiedener Ausgaben und ihrer textkritischen Bedeutung vgl. Trobisch, Need; Klinghardt, Schrift. 3 Zum redaktionellen Konzept vgl. Klinghardt, Evangelium, 117ff, zu den methodischen Erfordernissen 139ff. 224 Matthias Klinghardt das redaktionelle Konzept des Neuen Testaments sichtbar, das dann nicht als Sammlung von Einzeltexten verstanden werden kann, die mehr oder weniger (oder auch gar nicht) miteinander verbunden sind. Vielmehr ist vorausgesetzt, dass das NT ein integraler Text ist, dessen einzelne Teile immer aufeinander bezogen sind. Weil dieser integrale Text durch eine redaktionelle Bearbeitung entstanden ist, müssen sich die Hauptaussagen und die implizierte Lesestrategie als Teile eines kohärenten redaktionellen Konzepts erweisen lassen. Zu dessen Identifizierung sind einige methodische Gesichtspunkte zu beachten. Der erste bezieht sich auf die konsequente Durchführung der redaktionellen Bearbeitung, also auf die Kohärenz der einzelnen Elemente des redaktionellen Konzepts. Man wird zwar ohne Weiteres zugestehen, dass nicht jede Bearbeitung immer konsequent durchgeführt ist und dass in vielen Fällen Nachlässigkeiten und Inkonsequenzen auftreten. 4 Aber da solche Inkonsequenzen naturgemäß kontingent sind, muss eine historische Rekonstruktion darauf verzichten, sie in Rechnung zu stellen: Sie ist auf Regelhaftigkeit angewiesen. Sodann stellt die Annahme, dass die Differenzen zwischen den beiden genannten Ausgaben durch eine einzige Bearbeitung entstanden sind, möglicherweise eine Vereinfachung dar: Es ist denkbar, dass die historischen Vorgänge zwischen diesen Ausgaben komplexer waren, als es die modellhafte Annahme eines einzigen Redaktionsschrittes nahelegt. Aber solange es keine Hinweise gibt, die ein differenzierteres Bild nahelegen oder gar erfordern, gebietet der als „Ockham’s Razor“ bekannte Zwang zur Sparsamkeit bei der Erstellung ungeschützter Annahmen, zunächst nur mit einer einfachen Redaktion zu rechnen. Die letzte Überlegung bezieht sich auf die Zusätze, die der Marcionitischen Ausgabe durch die Kanonische Redaktion hinzugefügt wurden. Neben den redaktionellen Erweiterungen der schon in der Marcionitischen Ausgabe vorhandenen Einzeltexte sind dies ja insgesamt 16 zusätzliche Schriften. 5 Da diese 16 Schriften zum größten Teil auf andere Verfasser zurückgehen und von dem (oder den) Herausgeber(n) nur in die neue Ausgabe integriert wurden, kann man nicht von vornherein mit einer widerspruchsfreien Kohärenz dieser Texte rechnen. Gleichwohl wird man erwarten können, dass nur solche Schriften ergänzt wurden, die nicht in krassem Gegensatz zum redaktionellen Konzept stehen. Um die Tragfähigkeit dieser These eines kohärenten redaktionellen Konzepts zu erkunden, sollen im Folgenden die Aussagen über Abraham in den beiden genannten Ausgaben untersucht werden. „Abraham“ bietet sich für eine solche 4 Das Phänomen der „redaktionellen Erschöpfung“ ist ja im Zusammenhang der Überlieferungs- und Redaktionsgeschichte der Evangelien hinlänglich bekannt, vgl. Goodacre, Fatigue, passim. 5 Nämlich: Drei Evangelien (Mk; Mt; Joh); vier Paulusbriefe (Hebr; 1-2Tim; Tit); Act und sieben Kath. Briefe (Jak; 1-2Pe; 1-3Joh; Jud); Apc. 225 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion Erkundung aus mehreren Gründen an. Die alttestamentliche und hellenistischjüdische Abrahamüberlieferung 6 bietet eine ganze Reihe von theologisch wichtigen Anknüpfungspunkten, die ein jeweils eigenes traditionsgeschichtliches Profil ausgebildet haben und daher unterscheidbar bleiben. Das frühe Christentum hat sich einige dieser Abrahamtraditionen sehr beherzt angeeignet und weitergeführt. Dazu gehören zunächst Erwählungsaussagen, die das Problem der „Vaterschaft“ Abrahams bzw. die Zugehörigkeit zu seinem „Samen“ thematisieren. Wichtig sind außerdem Aussagen über Abrahams Glauben(sstärke); sie begegnen vor allem im Zusammenhang seiner Konversion und ihrer Bewährung oder aber im Zusammenhang des Festhaltens an der unwahrscheinlichen Verheißung von Nachkommen. Daneben ist Abraham wichtig im Zusammenhang eschatologischer Vorstellungen, insbesondere in der Rede vom endzeitlichen Mahl mit den Patriarchen oder in der Metapher vom Ruhen in Abrahams Schoß. Dominant sind schließlich noch die Aussagen über Abrahams Gerechtigkeit und über seine Funktion für die Heidenvölker. 7 Da sich eruieren lässt, an welchen Stellen und mit welchem traditionsgeschichtlichen Profil Abraham in der Marcionitischen Ausgabe, also im Evangelium und in den zehn Briefen der marcionitischen Apostolossammlung, vorkam, lassen sich durch einen Vergleich mit der Kanonischen Ausgabe Ausmaß und Profil der Differenzen zwischen beiden Ausgaben bestimmen. Der hier zugrunde gelegten heuristischen Annahme zufolge gehen diese Differenzen auf das Konto der Kanonischen Redaktion. 8 1.1 Abraham in der marcionitischen Ausgabe Im ältesten Evangelium in der Marcionitischen Ausgabe kam Abraham mit großer Wahrscheinlichkeit überhaupt nur in zwei Zusammenhängen vor. Dies ist zunächst das Lazarusgleichnis (*16,19-31), das komplett im ältesten Evangelium 9 enthalten war: Lazarus ruht „in Abrahams Schoß“, 10 und der Reiche (der in dieser vorkanonischen Fassung einen Namen hatte) unterhält sich über den großen Graben hinweg mit Abraham und bittet ihn um Erleichterung seiner postmor- 6 Vgl. dazu vor allem Berger, Art. Abraham; Calvert-Koyzis, Paul; McFarland, Abraham; Mühling, Abraham; Oeming, Glaube; Schliesser, Abraham’s Faith, und andere. 7 Zu den unterschiedlichen Bereichen vgl. Wieser, Abrahamvorstellungen. 8 Um die vorkanonischen von den kanonischen Texten unterscheiden zu können, wird ihnen (an den Stellen, an denen der Bezug unklar ist) ein Asterisk * vorangestellt: „*Gal“ bezeichnet demnach den Galaterbrief der vorkanonischen Elf-Schriften-Sammlung im Unterscheid zum „Gal“ der 27-Schriften-Ausgabe des kanonisch gewordenen NT usw. 9 Vgl. die Rekonstruktion in Klinghardt, Evangelium, 876-883. 10 Oder „an seinem Busen“. In jedem Fall ist mit dieser Lokalisierung die Situation eines Gastmahles angedeutet: ε᾽ ν τοι ῀ς κο´ λποις (*16,23) bezeichnet die besonders ehrenvolle Position auf der Kline „unterhalb“ des wichtigsten Mahlteilnehmers (vgl. Joh 13,23). 226 Matthias Klinghardt talen Qualen. Hier ist also ein Hinweis auf die endzeitliche Funktion Abrahams mit einer Abwägung seiner interzessorischen Möglichkeiten enthalten. Diese Funktion ist auch außerchristlich belegt. 11 Der zweite Kontext ist die Erzählung von der Heilung einer „Tochter Abrahams“ an einem Sabbat in der Synagoge, die 18 Jahre lang krank war (*13,10-17): Gegen den Vorwurf der Sabbatarbeit, den der Synagogenvorsteher erhebt, argumentiert Jesus mit dem bekannten Schluss a minore ad maius: An einem Sabbat bindet man ja auch ein Tier los, um es zur Tränke zu führen, um wieviel mehr müsse die Fessel einer Tochter Abrahams gelöst werden. Hier ist also die Abstammung der Frau von Abraham, mithin ihre Abrahamskindschaft, der so deutlich höhere Wert, mit dem Jesus diese Auseinandersetzung für sich entscheidet und den Synagogenvorsteher beschämt. Ein weiterer Beleg ist leider nicht ganz eindeutig, aber wohl auszuschließen: Die Zachäuserzählung (*19,1-10) war im ältesten, vorkanonischen Evangelium enthalten. Fraglich ist allerdings, ob auch die Qualifizierung des Zachäus als „Sohn Abrahams“ (Lk 19,9b) bereits in dieser Fassung vorhanden war. Zwei Argumente sprechen dafür, dass Lk 19,9b im vorkanonischen Evangelium fehlte und erst von der Kanonischen Redaktion ergänzt wurde. (1) In seinem Referat aus dem marcionitischen Evangelium bezeichnet Tertullian Zachäus als allophylus, 12 und es kostet ihn einige argumentative Anstrengung, für diesen „fremdstämmigen“ Zachäus Kenntnis des AT nachzuweisen. 13 Wenn Tertullian den Hinweis auf Zachäus’ Abrahamssohnschaft in Mcn gelesen hätte, wäre seine Ausführung nicht nur überflüssig, sondern würde seinem Argumentationsziel zuwiderlaufen. (2) Auch wenn die genaue Gestalt der Perikope im vorkanonischen Evangelium nicht ganz deutlich ist (an der Existenz von V. 7 gibt es begründete Zweifel), 14 fällt die Doppelung der kausalen Anschlüsse in V. 9b.10 auf: Dass „diesem Haus Heil widerfährt“ wird einmal mit dem (für Mcn unbezeugten) 11 Die Tradition von Abraham als Fürsprecher geht zurück auf Gen 18,17-32; 20,7. Vgl. außerdem: Philo, MigrAbr 122f; Mut 228; Sacr 122; Congr 109; ApcZeph 9,4f; 11,1-6; äthHen 39,4f; GenR 35; außerdem TanhB IV.2 § 6-8; IV.4, § 16. - Zur Unmöglichkeit einer wirksamen Interzession vgl. syrBar 85,12; slavHen 53,1f; 4Esr 7,102-115; 8,31-36.47f: Hier wird die Notwendigkeit eigener Gerechtigkeit betont. - Zu „Abrahams Schoß“ vgl. Apc- Sedr 14,6; Bill. 2, 225-227. - Zur Rolle der Erzväter im Eschaton vgl. äthHen 70,4; 4Makk 16,25; 18,23. S. insgesamt Wieser, Abrahamvorstellungen, 176 und Balentine, Prophet. Zum Endzeitmahl mit den Patriarchen vgl. Bill. 4,1163-1165; syrBar 57,2. 12 ᾽Αλλο´ φυλοι ist in LXX das häufigste Übersetzungswort für p l w t i Õ (Vg: Philistim/ Philistei). 13 Tert. 4.37.1: „Zachäus nämlich, auch wenn er ein allophylus war, hatte sich vielleicht durch den Handel mit Juden eine gewisse Kenntnis der Schriften erworben oder, was mehr ist, er hatte ohne Jesaja zu kennen, seine Vorschriften erfüllt.“ Obwohl Tertullian die zugrundeliegende Argumentationsfigur auch sonst häufiger verwendet, hätte er sich diesen komplizierten Umweg sparen können, wenn er Lk 19,9b mit dem Hinweis auf die Abrahamssohnschaft des Zachäus im marcionitischen Evangelium gelesen hätte. 14 Vgl. die Rekonstruktion Klinghardt, Evangelium, II 936ff. 227 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion Hinweis auf die Abrahamssohnschaft des Zachäus begründet, das andere Mal mit der (gut bezeugten) Aussage, dass der Menschensohn gekommen sei, das Verlorene zu retten (V. *10). 15 Beide Begründungen passen, stricto sensu, nicht zusammen. Denn nach V. 9 besagt der kausale Anschluss in V. *10, dass Zachäus gerettet wird, obwohl er ein Abrahamssohn ist. Der angenommene Bruch zwischen V. 9a und 9b ist auch am unglücklichen Wechsel der Personen zu sehen: Obwohl es zunächst heißt, dass Jesus προ` ς αυ᾽ το´ ν spricht, redet er dann über ihn. 16 Auch wenn es methodisch misslich ist, semantische Brüche literarkritisch zu erklären, ist eine einheitliche Entstehung beider Begründungen schwieriger als die Annahme einer sekundären Bearbeitung: Solche Inkonsistenz ist eine typische Folge von „redactional fatigue“: Zachäus’ Abrahamssohnschaft ist ein Element erst der Kanonischen Ausgabe. In den zehn Briefen der Marcionitischen Apostolossammlung ist die Lage noch übersichtlicher. Denn nach Tertullians Zeugnis kam Abraham überhaupt nur in Gal *4,23-31 vor. Tertullian wirft hier der Bearbeitung des Apostolos durch Marcion eine Inkonsequenz vor, die es ihm erlaubt, die marcionitische Theologie auf der Grundlage der von ihm angeblich veränderten Texte zu widerlegen: „Aber so, wie irgend etwas, das Dieben aus ihrer Beute herausfällt, zu ihrer Überführung zu dienen pflegt, so glaube ich, dass auch Marcion die letzte Erwähnung Abrahams zurückgelassen hat, obwohl keine mehr hätte weggenommen werden müssen, auch wenn er sie teilweise verändert.“ 17 Wenn Tertullian Abraham im marcionitischen Apostolos nur in Gal *4,22 erwähnt fand, dann haben alle anderen mentiones Abrahae gefehlt. Das sind vor allem die beiden großen Abhandlungen über Abraham in Rm 4 und in Gal 3,6-18, aber auch weitere Hinweise auf die Verheißungen an Abraham (z. B. Rm 9,7ff). 18 15 Lk 19,9b κ α θ ο´ τ ι και` αυ᾽ το` ς υι῾ο` ς ᾽Αβραα´ μ ε᾽ στιν · 10 η῏ λθεν γα` ρ ο῾ υι῾ο` ς του῀ α᾽ νθρω´ που ζητη῀σαι και` σω῀ σαι το` α᾽ πολωλο´ ς . 16 Eine lange Auslegungstradition will die Inkongruenz dadurch lösen, dass προ` ς αυ᾽ το´ ν analog zu 20,19 προ` ς αυ᾽ του´ ς im Sinn von „über ihn“ zu verstehen sei, vgl. O’Hanlon, Story, 17 (mit Lit.). Weil die Annahme schlampiger Formulierung wenig Erklärungswert besitzt, folgert Wolter, Lk, 615: „Wir werden diese Inkohärenz darum hinnehmen müssen, ohne ihr Zustandekommen erklären zu können.“ 17 Tert., Adv Marc. 5.4.8 (sed ut furibus solet aliquid excidere de praeda in indicium, ita credo et Marcionem novissimam Abrahae mentionem dereliquisse, nulla magis auferenda, etsi ex parte convertit). Tertullian erwähnt diese novissima Abrahae mentio im Zusammenhang seiner Behandlung von Gal *4,22-26; vgl. dazu Schmid, Marcion, 107. Diese „Inkonsequenz“ ist von hoher methodischer Bedeutung: Dass die Häresiologen Marcion auf der Grundlage seines eigenen Bibeltextes widerlegen können, hebt die grundlegende Voraussetzung der Annahme auf, dass Marcion den kanonischen Bibeltext aus theologischen Gründen bearbeitet habe; zu diesem Problem vgl. Klinghardt, Evangelium, 117ff. 18 Vgl. Schmid, Marcion, z. B. 244 und 250 (zur Konsequenz, dass Rm 4 komplett gefehlt hat). Tertullian bezeugt eine längere Lücke zwischen Rm 8,12 und 10,1, ohne dass sich positiv 228 Matthias Klinghardt 1.2 Abraham in der Kanonischen Ausgabe Mit diesen Informationen lässt sich bestimmen, welche Aussagen über Abraham erstmalig für die jüngere Kanonische Ausgabe des Neuen Testaments bezeugt sind und auf die Kanonische Redaktion zurückgehen. Es handelt sich dabei zunächst um die redaktionellen Zusätze zu den Schriften, die bereits in der Marcionitischen Sammlung enthalten sind. Neben den gerade erwähnten Abrahampassagen in Rm 4, Gal 3 usw. sind dies vor allem einige redaktionelle Ergänzungen zu dem marcionitischen Evangelium (z. B. Lk 1,55.73; 3,8.34; 13,28; 20,37). 19 Dazu kommen außerdem die Abrahambelege der 16 Schriften, welche die Kanonische über die Marcionitische Ausgabe hinaus enthielt, also: Mk; Mt; Joh; Act; die Pastoralbriefe und Hebr; die Kath. Briefe; Apc. Versucht man, diese nur in der Kanonischen Ausgabe enthaltenen Belege inhaltlich zusammenzufassen, lassen sich folgende semantischen Aussagegruppen identifizieren: · Abraham als Empfänger und Träger der Verheißungen: Lk 1,55.72f; Act 3,25; 20 7,17; Rm 4,13.16; Gal 3,8.18.29; Hebr 6,13.15; 7,6; 11,17. · Jesus als Nachkomme Abrahams: Mt 1,1f.17; Lk 3,34; Gal 3,16. · Der betonte Hinweis auf den Gott „Abrahams, Isaaks und Jakobs“ (im Zusammenhang mit dem Glauben an die Auferstehung bzw. die Auferstehung Jesu): Mk 12,26; Mt 22,32; Lk 20,37; Act 3,13 (vgl. 7,32). · Endzeitmahl mit den Patriarchen, auch mit Abraham, zu dem Viele kommen, an dem die Angeredeten aber nicht teilnehmen können: Mt 8,11; Lk 13,28. · Abrahams Glaube, der auf verschiedene Weise und in unterschiedlichen Zusammenhängen unter Beweis gestellt wird: Rm 4,3.9.12f.16; Gal 3,6-9.14; Hebr 6,15 ( μακροθυμη´ σας ); Hebr 11,8.17; Jak 2,23. · Abrahams Gerechtigkeit: Hebr 6,15; (7,1f); 11,17; Jak 2,21.23. begründen ließe, dass beispielsweise Rm 9 komplett gefehlt hat; Tert., Adv. Marc. 5.14.6: „Ich überspringe hier einen sehr weiten Abgrund, der durch die Verstümmelung der Schrift entstanden ist (salio et hic amplissimum abruptum intercisae scripturae); aber ich nehme das Zeugnis zur Kenntnis, das der Apostel für Israel ablegt, dass sie den Eifer für Gott haben, natürlich für ihren eigenen, wenn auch ohne Kenntnis“ (s. Rm 10,2). Schmid, Marcion, 244, erwägt, dass „in Kapitel 9 … mindestens die Vv. 4-33 und in den Kapiteln 10 und 11 mindestens 10,5-21; 11,1-32 (11,33 ist wieder belegt) gefehlt“ hätten. Diese Annahmen sind jedoch unsicher, und es könnte sein, dass vor allem die Schriftzitate gefehlt haben. 19 Dass das Benedictus lk Redaktion (und nicht Tradition) ist, hat zuletzt Lang, Abraham, vertreten. Vgl. dazu und zu den anderen Belegen Klinghardt, Evangelium Bd. II (jeweils z. St.). 20 Zum Rekurs auf die Bundesverheißung in Lk 1,72f und Act 3,25 vgl. van den Eynde, Children. 229 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion · Abrahamskindschaft: Mt 3,9; Lk 3,8; Joh 8,33.37.39; Act 3,25; 13,26; Rm 4,1-3.9.12f.16; 9,7; Gal 3,16.18.29; Hebr 2,16; 7,5f. 21 Diese Auswahl ist nicht vollständig, und die Gruppierung ist traditionsgeschichtlich auch nicht hinreichend trennscharf, weil sie Kontext, Textpragmatik und dergleichen vernachlässigt; außerdem gehen die Kategorien natürlich ineinander über: Das ist ein Kennzeichen der frühchristlichen Abrahamrezeption. Aber die Übersicht gibt trotz dieser Unschärfen ohne weiteres zu erkennen, dass mit den Stichworten „Abrahamskindschaft“ und „Glaube/ Gerechtigkeit Abrahams“ zwei thematische Schwerpunkte benannt sind, an denen sich die These der Kohärenz der Kanonischen Redaktion überprüfen lässt, weil die Belege in ausreichender Breite über das NT verteilt sind. 2 Abrahamskindschaft 2.1 Abrahamskindschaft in der marcionitischen Ausgabe Die Marcionitische Ausgabe enthielt an zwei Stellen Bezugnahmen auf die traditionelle Vorstellung, dass die Verheißungen an Abraham sich an seinen Nachfahren realisieren. Im marcionitischen Evangelium wird die verkrüppelte Frau geheilt, weil sie eine θυγα´ τηρ ᾽Αβραα´ μ ist (*13,16). Der zugrundeliegende Gedanke ist aus der Erzvätertradition gut bekannt: Um der Erzväter und ihrer Erwählung willen bewirkt Gott das Heil auch an ihren Nachfahren. 22 Es ist charakteristisch, dass der Grund der Erwählung (Gerechtigkeit; Glaube; Bund usw.) gar nicht erwähnt wird, weswegen auch nicht zwischen den Vätern und ihrer unterschiedlichen Nachkommenschaft unterschieden wird: Die Nachfahren, denen das Heil um der Väter bzw. um Abrahams willen zuteilwird, sind immer das Volk Israel. Dass die Frau eine Tochter Abrahams ist, besagt hier also nichts anderes, als dass sie eine Israelitin ist. 23 21 Es ist unsicher, ob Paulus’ eigener Abstammungshinweis Rm 11,1 ( … ε᾽ κ σπε´ ρματος ᾽Αβραα´ μ ) in das amplissimum abruptum gefallen ist und in der marcionitischen Ausgabe gefehlt hat. Jedenfalls spricht einiges dafür, dass die parallele Aussage 2Kor 11,22 ( σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ ει᾽σιν ; κα᾽ γω´ ) vermutlich enthalten war: Tertullian bezeugt Kenntnis von 2Kor 11,14; 12,2 (Tert. 5.12.7f), notiert aber keine Lücke dazwischen. Allerdings wird Tertullian diese Selbstbezeichnungen des Paulus als σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ kaum unter die inkriminierten Abrahampassagen gerechnet haben: Es handelt sich eher um mentiones Pauli als um mentiones Abrahae. Ich gehe davon aus, dass 2Kor 11,22 (und ggf. Rm 11,1) in der Marcionitischen Ausgabe enthalten waren und den Sprachgebrauch des (historischen) Paulus spiegeln. 22 Vgl. LAB 30,7: „Der Herr wird sich eurer erbarmen non propter vos, sed propter testamentum suum.“ 23 Die Abstammung von Abraham ist Ausweis von Adel ( ευ᾽ γε´ νεια ) und daher Grund zum Rühmen, vgl. Philo, Virt. 187. 197; Jos 216; so auch in 2Kor *11,22. Der Israel-Bezug wird für Lk *13,16 nie in Frage gestellt, auch wenn dieser Zusammenhang sich nicht aus der Aus- 230 Matthias Klinghardt Im Unterschied dazu schränkt Paulus in Gal *4,21-31 allerdings den Geltungsbereich ein, in dem sich die Abrahamskindschaft soteriologisch auswirkt. Im Zusammenhang der Argumentation gegenüber den galatischen Beschneidungswünschen differenziert Paulus innerhalb der Nachkommenschaft Abrahams: Zwar hatte Abraham zwei Söhne, einen von der Sklavin und einen von der Freien (Gal *4,22), aber die Verheißungen werden sich nur an dem Sohn der Freien realisieren. Der Gedankengang ist einigermaßen kompliziert, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass sich das Beispiel nicht gerade für den argumentativen Zweck anbietet, den Paulus verfolgt. Denn er will unbedingt die unbeschnittenen Galater als (freie) Kinder Abrahams erweisen, bezieht sich dabei aber auf Abrahams Söhne, die beide beschnitten sind. Aus diesem Grund muss er die Differenzierung innerhalb der Nachkommenschaft Abrahams an den beiden Müttern demonstrieren (Gal *4,22): Die Söhne der Sklavin sind ebenfalls unfrei, die der Freien sind frei. Weil nur der Sohn der Freien der Sohn δι ’ ε᾽ παγγελι´ας ist (*4,23), folgert Paulus für die Galater: Ihr seid Kinder gemäß der Verheißung Isaaks (*4,29). Den entscheidenden Schritt seiner Argumentation macht Paulus nicht explizit: Dass die heidnischen Galater dem Sohn der Freien darin entsprechen, dass sie als Söhne δι ’ ε᾽ παγγελι´ας zu verstehen sind, liegt daran, dass sie nicht (wie der Sohn der Sklavin) κατα` σα´ ρκα gezeugt wurden, weil sie Heiden sind. 24 Erstaunlicherweise argumentiert Paulus an dieser Stelle nicht mit der Überlegung, die sich von Rm 4 her nahelegen würde: Dass nämlich der Glaube der Galater sie zu vollgültigen Söhnen und Erbberechtigten macht (Rm 4,13f). Zwar geht auch der vorkanonische Galaterbrief davon aus, dass die Galater den Geist, der ihre Sohnschaft begründet (Gal *4,6), aufgrund ihrer πι´στις erhalten haben (Gal *3,1-5); aber mit dem Glauben argumentiert Paulus hier gerade nicht. Die Frage, warum Paulus für den Nachweis der Abrahamskindschaft der Galater auf eine derart komplizierte und letztlich nicht wirklich befriedigende Argumentation zurückgegriffen hat, anstatt den sehr viel näher liegenden Hinweis auf Abraham, den „Vater vieler (Heiden-)Völker“ (Gen 17,5 ) zu nutzen, lässt sich naturgemäß nicht wirklich beantworten. Aber es ist deutlich, dass er das Konzept einer Abrahamskindschaft, die sich auch von Unbeschnittenen aussagen lässt, nicht an den leiblichen (und beschnittenen! ) Söhnen vorbei denken kann, sondern nur über sie hinaus: Die Galater sind Söhne Abrahams wie Isaak, weil sie sage selbst ergibt, sondern nur auf dem Umweg über Analogien wie Lk 1,55.76 usw. Vgl. Wolter, Lk z. St.; ausführlicher Hamm, Freeing, 45f. 24 Zur Deutung vgl. vor allem Hoffmann, Frau, die zeigt, dass die gesamte Argumentation daran hängt, dass zwar die verjagte Sklavin Hagar namentlich genannt wird, die „Freie“ jedoch ohne Namen bleibt: Das ist die Voraussetzung dafür, dass sie mit dem „oberen Jerusalem“ identifiziert werden kann. 231 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion frei sind. Mit anderen Worten: Die Argumentation in Gal 4 ist eine erwählungstheologische Entfaltung der galatischen Freiheitserfahrung und hängt vollständig von deren Evidenz ab. Sieht man diese beiden Aussagen zur Abrahamskindschaft in den vorkanonischen Schriften der marcionitischen Ausgabe zusammen, dann zeigt sich: (1) Abrahamskindschaft ist ein Heilsgut an sich, weil die Verheißungen für Abraham sich an seinen Nachfahren realisieren. (2) Abrahamskindschaft ist durch die primordiale Kategorie der leiblichen Abstammung definiert: Ein Kind/ Sohn Abrahams ist, wer der Abstammung nach zum Gottesvolk Israel gehört. Das heißt: (3) Heiden sind keine Abrahamskinder, und nach den Schriften der vorkanonischen Ausgabe werden sie auch nicht dazu. Heiden können aufgrund ihres Glaubens zwar die Sohnschaft erlangen (Gal *4,5: υι῾οθεσι´α ) und zu Söhnen Gottes werden, 25 aber sie werden nicht zu Söhnen Abrahams. (4) Allerdings entsprechen solcherart durch Glauben und Geist zur Sohnschaft qualifizierte Heiden dem Abrahamssohn Isaak hinsichtlich seiner Freiheit und der darin begründeten Fähigkeit zur Erbschaft (Gen 21,10; Gal *4,30). Paulus bezeichnet diese Bezugnahme auf Abraham und seine Söhne explizit als „allegorisch“ 26 und macht damit deutlich, dass er keine direkte Typologie, sondern - nur - eine Entsprechung annimmt: Die galatischen Heidenchristen sind keine Söhne Abrahams, sondern sie gleichen dem „Sohn der Freien“ darin, dass sie Kinder gemäß der Isaak-Verheißung (*4,28) sind, weil sie wie er δι ’ ε᾽ παγγελι´ας und nicht κατα` σα´ ρκα gezeugt und frei sind. 2.2 Abrahamskindschaft in der Kanonischen Ausgabe Gegenüber dem grundlegenden Verständnis von Abrahamskindschaft als ethnische Zugehörigkeit zum Volk Israel bringt die Kanonische Ausgabe zwei wesentliche Differenzierungen zur Geltung: (a) Die erste ist bereits im vorkanonischen *Gal angelegt und besitzt zahlreiche traditionsgeschichtliche Seitenstücke, nämlich die Differenzierung innerhalb der Nachkommenschaft Abrahams: Nicht alle Nachkommen Abrahams sind seine Kinder im Sinn der soteriologisch wirksamen Abrahamskindschaft, sondern nur diejenigen, die sich dieser Abstammung würdig erwiesen haben. Aus dieser Differenzierung folgt dann die Einsicht: (b) Wenn nur die je eigene Würdigkeit Abrahamskindschaft mit ihrer soteriologischen Wirkung konstituiert, ist Abrahamskindschaft nur mehr eine Chiffre für diese Würdigkeit: Wer immer sie besitzt, erweist sich dadurch als ein Abrahamskind. 25 So auch Gal 3,26-28, sofern diese Verse bereits im vorkanonischen *Gal enthalten waren. 26 Gal 4,24: α᾽ λληγορου´ μενα . 232 Matthias Klinghardt a. Nutzlosigkeit der Abrahamskindschaft ohne Ausweis der Würdigkeit Die erste Differenzierung, die in Gal *4 nur α᾽ λληγορου´ μενα ausgesagt wird, erscheint in Mt 3,9 als direkte Typologie, und zwar vermutlich zum ersten Mal. 27 Der mt Täufer begründet gegenüber den taufwilligen Pharisäern und Sadduzäern die Forderung, ihre Umkehr durch Fruchtbringen zu bestätigen (3,8: ποιη´ σατε ου῏ ν καρπο` ν α῎ ξιον τη῀ς μετανοι´ας ), mit der Warnung, dass eine Berufung auf ihre Abrahamskindschaft nutzlos sei. Das verwendete Bild der Erweckung aus Steinen ist traditionell 28 und verweist auf die Erwählung Abrahams: So, wie Gott Abraham „aus einem Stein“ hat erstehen lassen, kann er auch aus anderen Steinen Abrahamskinder erstehen lassen. Vor diesem traditionsgeschichtlichen Hintergrund wird auch die Verbindung zwischen der Forderung nach der „Frucht, die der Bekehrung würdig ist“ (Mt 3,8) und der Erwählungsaussage (Entstehung aus einem Stein) verständlich, denn auch Abraham hat seine Erwählung durch seinen Glauben bewährt. 29 Diese erste wichtige Differenzierung bestreitet den Nutzen der Abrahamskindschaft, sofern nicht ein entsprechendes Verhalten hinzu tritt, das sich als „Fruchtbringen“ erweist. Die zugrundeliegende Denkfigur besagt, dass die Abstammung von den Erzvätern nichts nützt, wenn man ihnen nicht ähnelt. 30 Die 27 Genauer müsste es heißen: in Mt *3,9, weil diese Aussage bereits im vorkanonischen Mt enthalten war. Im Rahmen der Zwei-Quellentheorie gehört diese Aussage zur „Q“-Überlieferung. Vorausgesetzt ist hier die überlieferungsgeschichtliche Rekonstruktion aus Klinghardt, Evangelium, 181-347, bes. 233-271. 28 Nach LAB 23,4 hat Gott Abraham (zusammen mit seinem Bruder Nahor) aus einem Stein herausgeschnitten: una petra erat, unde effodi patrem vestrum. et genuit incisio petre illius duos viros, quorum nomina sunt Abraham et Nachor (zu den textlichen Problemen vgl. Jacobson, Commentary, 714). Während LAB 4 die aus Gen 11 bekannte Genealogie mit der Aussage über Abrahams Zeugung bietet (LAB 4,15 = Gen 11,26: et vixit Thara LXX annos et genuit Abram, Nachor et Aran), ist der Hinweis auf Abrahams Entstehung aus einem Felsen als Erwählungsaussage zu verstehen: Sie ist Teil einer Rede Josuas, in der er zur Erneuerung des Bundes aufruft und dazu auch auf den Bund mit Abraham rekurriert, der seinen Grund in eben dieser Erwählung Abrahams hat. In LAB 23,4 steht neben der Entstehung Abrahams (und Nachors), dass ihre Frauen aus der Aushöhlung hervorgegangen seien: et de dolatura loci illius nate sund due mulieres quarum nomina sunt sara et Melcha. Diese Vorstellung, die möglicherweise eine sexuelle Anspielung enthält (Jacobson, ibid.), hat sich auch in Jes 51,1f erhalten; hier findet sich der Vergleich Abrahams mit einem „Felsen, aus dem ihr gehauen seid“ sowie Saras mit dem „Schacht, aus dem ihr herausgebohrt wurdet“. 29 LAB 23,5: „Und als die Bewohner der Erde verführt wurden, jeder einzelne hinter seinen Erwartungen her, da glaubte Abraham mir und wurde nicht zusammen mit ihnen verführt (creditit Abraham mihi et non est seductus cum eis).“ 30 LAB 33,5: „Hofft nicht auf eure Väter. Sie werden euch nämlich nicht nützen, wenn ihr ihnen nicht ähnlich erfunden werdet (nisi similes inveniamini eis).“ Dass nur die eigene „Ähnlichkeit“ mit den Erzvätern nützt, wird verschiedentlich ausgeführt, vgl. Philo, Virt. 168 (erforderlich ist eine auf Nachahmung [ μιμει ῀σθαι ] beruhende „Verähnlichung“ [ ε᾽ ξο- 233 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion Höherschätzung des erworbenen Adels vor dem ererbten ist ein geläufiger Topos stoischer Ethik: „Niemand hat mehr Adel als ein anderer, es sei denn, er besitzt einen aufrichtigeren Geist und ist fähiger zu guten Taten.“ 31 Denn Adel beruht nicht auf einer langen Reihe adliger Vorfahren, sondern auf dem eigenen Geist. 32 Vor allem Philo hat die Abstammung von den Erzvätern in der Kategorie der adligen Abstammung verstanden und im letzten Teil seiner Schrift über die Tugenden (Virt. 187ff) ausführlich gezeigt, dass die bloße Abkunft nichts nützt: Man soll sich daher nicht mit der Zugehörigkeit zu großen Geschlechtern brüsten, wenn man keine eigene καλοκα᾽ γαθι´α besitzt (Virt. 206). Im Kontext der Kanonischen Ausgabe ist der Hinweis auf die Abrahamssohnschaft des Zachäus (Lk 19,9) in genau diesem Sinn zu verstehen: Die Almosen für die Armen (immerhin die Hälfte seines Vermögens) und die mehr als großzügige Rückerstattung des Abgepressten (19,8) erweisen Zachäus’ eigene Gerechtigkeit und darum ihn selbst als Abrahamssohn. 33 Was Zachäus hier tut, entspricht den Forderungen des Täufers in der „Standespredigt“ 34 und belegt, dass Zachäus zu Recht darauf verweisen könnte, dass er „Abraham zum Vater“ hat (3,7). Wenn nur eigene Tugend adelt und „nützt“, impliziert dies die erwählungstheologische Nutzlosigkeit eines Geburtsadels. In Mt 3,9 dient der entsprechende Hinweis der paränetischen Motivation („Fruchtbringen“), und tatsächlich teilen die meisten jüdischen Belege diese paränetische Abzweckung. Allerdings deutet schon Philo an, dass Abrahamskindschaft eine verlierbare Qualität ist: Denn von Abrahams „vielen Söhnen wurde nur ein einziger zum Erben der väterlichen Güter erklärt, alle anderen aber, die von der gesunden Meinung abgewichen waren und nichts Gutes von ihrem Vater angenommen hatten, wurden (des Hauses) verwiesen und aus dem so berühmt gewordenen Adel ausgeschlossen“ (Virt. 207). 35 Hier kommen also die erwählungstheologischen Konsequenzen der μοι´ωσις ]); TestAbr B 9 (Abraham „und alle, die dir ähnlich sind“, werden gerettet werden; vgl. auch syrBar 2,1f) usw. 31 Seneca, Benef. 3,28,1: nemo altero nobilior, nisi cui rectius ingenium et artibus bonis aptius. 32 Seneca, Epist. 44,5: non facit nobilem atrium plenum fumoeis imaginibus … animus facit nobilem. 33 Dies verändert die Perspektive gegenüber denjenigen Auslegungen, die das Logion V. 9 auf eine bleibende und nicht auflösbare Zugehörigkeit beziehen, vgl. Marshall, Lk, 698 („The point of the saying is that a Jew, even though he has become ‘a lost sheep of the house of Israel’, is still part of Israel“). 34 Und zwar in allen drei Einzelanweisungen: Lk 3,11 lässt sich verstehen als Forderung zum Verzicht auf die Hälfte ( ο῾ ε῎χων δυ´ ο χιτω῀ νας μεταδο´ τω τ ͺ ω῀ μη` ε῎χοντι ), 3,13 fordert die Einhaltung der Steuertarife und 3,14 den Verzicht auf Erpressung (mit derselben Formulierung συκοφαντει ῀ν wie Lk 19,8). Da die „Standespredigt“ zusammen mit der restlichen Täuferüberlieferung (einschließlich Lk 3,7! ) im vorkanonischen Evangelium sicher gefehlt hat, lassen sich die Entsprechungen als Elemente der Kanonischen Redaktion verstehen. 35 Philo, Virt. 206. 234 Matthias Klinghardt Ethisierung in den Blick, wenigstens für Abrahams Nachfahren jenseits der Linie Isaak - Jakob/ Israel: Die auf Jakob/ Israel zielende Erwählungslinie, die in der Pentateucherzählung durch die jeweils enger gefassten Partner der Bundesschlüsse (Gen 9; 17; Ex 24) konstituiert ist, lässt sich mit Blick auf den weit gefassten Erbadel der Abrahamskindschaft nur als sukzessive Verlustgeschichte verstehen. b. Verlierbarkeit der Abrahamskindschaft Die Schlussfolgerung, dass auch Jakob/ Israel, der eine Träger der Verheißung, dieses Geburtsrecht tatsächlich verliert, ziehen allerdings weder Mt 3 noch Philo. Aber sie liegt auf der Hand. Denn wenn die Zugehörigkeit zur Nachkommenschaft eines Stammvaters durch das Tun konstituiert wird, dann hat dies zwei Konsequenzen. Zum einen verlieren die Kinder die ererbte Zugehörigkeit zu ihrem Stammvater, wenn sie ihm „nicht ähnlich erfunden“ werden: Zugehörigkeit ist prinzipiell verlierbar. Zum anderen gilt: Wenn die Vorstellung der Abkommenschaft so radikal und konsequent ethisiert wird, dass nur das Tun eine mit leiblicher Abkunft vergleichbare „Ähnlichkeit“ mit dem Stammvater konstituiert, dann wird solche Zugehörigkeit durch Tun erworben. Es liegt in der Konsequenz dieses Gedankens, dass die als „Zugehörigkeit“ verstandene Nachkommenschaft nicht durch den Stammvater, sondern durch die Nachkommen definiert wird. Diese Konsequenz ist bekanntlich in Joh 8 36 gezogen: Die Juden, die Jesus töten wollen, sind nicht nur keine Kinder Abrahams, sondern Kinder des Teufels. Der gesamte Abschnitt Joh 8,30-47 thematisiert sehr differenziert das komplexe Verhältnis zwischen einer durch leibliche Abstammung ererbten und einer durch eigenes Tun erworbenen Kindschaft. Dazu dienen folgende Schritte: 1. Wären die Juden, die an Jesus geglaubt hatten, in seinem Wort geblieben ( μει ῀ναι ε᾽ ν τ ͺ ω῀ λο´ γ ͺ ω ), wären sie wirklich seine Jünger (8,31). 37 Das „Bleiben“ (nach dem Zum-Glauben-Kommen) ist die Bedingung für die Zugehörigkeit und daher (wie im Beispiel Abrahams) als Bewährung der Bekehrung zu verstehen; diese Bewährungsprobe haben die gläubig gewordenen Juden nicht bestanden. 2. Weil Jesus sagt, was er bei dem (seinem) 38 Vater sieht (8,38, vgl. 8,25f), nämlich die Wahrheit von Gott (8,40), ist er aufgrund seines Verhaltens Sohn des Vaters. 36 Hier ist die mutmaßliche Entwicklung der (vorkanonischen) Evangelienüberlieferung vorausgesetzt, die an anderer Stelle ausführlich begründet ist (Klinghardt, Evangelium, 181-347). 37 Zur Begründung der Vorzeitigkeit von πεπιστευκο´ τας (als Plusquamperfekt) und dem Verständnis von με´ νειν als Irrealis der Vergangenheit vgl. Swetnam, Meaning, 107. 38 Zur textkritischen Rekonstruktion s. gleich. 235 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion 3. Weil die Juden Jesus töten wollen (8,37), handeln sie anders als Abraham gehandelt hätte (8,40). 4. Der Dissens zwischen Jesus und den Juden hat seinen Ursprung im Prinzip „Sohnschaft aufgrund von Verhalten“: So, wie Jesus tut, was er bei seinem Vater sieht, tun die Juden, was sie von ihrem Vater gehört haben (8,38) - sie können also nicht denselben Vater haben. 5. Dagegen verweisen die Juden auf ihre (in der älteren Lesart: mit Jesus gemeinsame) Abkunft von Abraham (8,39a). Sie dokumentieren damit, dass sie dieselbe Voraussetzung haben wie Jesus: Abraham handelt Gott entsprechend. 6. Der Gegensatz zwischen Jesus und den Juden muss also einen tieferen Grund haben: Die Juden sind in Wahrheit gar keine Kinder Abrahams. Deswegen haben sie auch nicht Gott zum Vater, sondern den Teufel, diesen „Mörder von Anfang an“, weil sie „tun wollen, wonach es ihn verlangt“ (8,44). Das Prinzip „Kindschaft/ Nachkommenschaft wird durch Verhalten konstituiert“ ist hier also in mehrfachem Bezug zu einer der für Joh so charakteristischen Missverständnisszenen verwoben. Da die leibliche Abkunft gegenüber der durch das konkrete Tun erwiesenen Zugehörigkeit irrelevant ist, könnte man sagen: Es sind die Nachfahren, die sich durch ihr Verhalten ihren Vorvater und ihre „Abstammung“ erwählen. Dies ist hier die Pointe, die in Bezug auf die Juden und den Teufel sehr kunstvoll und überlegt entwickelt wird; man darf davon ausgehen, dass sie hier zum ersten Mal eingesetzt wird. Drei Aspekte sind an diesem Gespräch auffällig: Zum einen verweisen nicht nur die Juden (wie die Pharisäer und Sadduzäer in Mt *3) auf ihre Abrahamskindschaft (8,33: σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ ε᾽ σμεν ); vielmehr bestätigt auch Jesus genau diesen Anspruch (8,37: οι ῏δα ο῞ τι σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ ε᾽ στε ), obwohl er gerade im Begriff ist, ihnen abzusprechen, τε´ κνα του῀ ᾽Αβραα´ μ (8,39) zu sein. Will man keine Nachlässigkeit annehmen (was bei diesem dicht gewobenen Zusammenhang ganz unwahrscheinlich wäre), dann differenziert Joh auch terminologisch zwischen den beiden hier verhandelten Weisen von Abkunft: Der nutzlosen leiblichen Abstammung ( σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ ) steht die wahre, durch das Tun erwiesene Zugehörigkeit der „Kinder“ ( τε´ κνα του῀ ᾽Αβραα´ μ , 8,39) zu ihrem „Vater“ ( πατη´ ρ , 8,41.44) gegenüber. Diese Differenzierung könnte Joh schon bei Paulus vorgefunden haben, der mit dem Terminus σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ (2Kor *11,22, ggf. auch Rm *11,1) auf seine leibliche Abstammung von Abraham und die ethnische Zugehörigkeit zu Israel verweist. Zugleich macht Paulus im Kontext der „Narrenrede“ deutlich, dass diese Prädikate des Geburtsadels im Vergleich zu den persönlichen Leistungen irrelevant sind: Die Peristasen (2Kor 11,23-33) sind seine ε῎ργα , die er als δια´ κονος δικαιοσυ´ νης zu erbringen hat und die ihn von den Überaposteln unter- 236 Matthias Klinghardt scheiden (11,15); wie der folgende Kontext in 2Kor 12 zeigt, lassen sich diese Peristasenε῎ργα als Folge und Bestätigung der mit der Entrückung verbundenen Erwählung zum Heidenapostel verstehen. Auffällig ist zweitens, dass sich der Dialog über die wahre Abkunft der Juden an der Alternative Sklaverei/ Freiheit entzündet: Als die Juden die von Jesus in Aussicht gestellte Befreiung (8,31f) ablehnen, weil dies ihre Unfreiheit impliziere, sie sich jedoch aufgrund ihres abrahamitischen Adels schon immer frei wähnten (8,33), argumentiert Jesus, dass jeder, der „die Sünde tut, ein Sklave“ sei (8,34) und deswegen der Befreiung bedürfe. 39 Während die Thematisierung der „Sünde“ der Juden hier erwartbar ist, weil Jesus ihren Tötungswunsch mit ihrer gottfeindlichen Zugehörigkeit zum Teufel in Verbindung bringt, überrascht die Zuspitzung auf den Gegensatz von Freien und Sklaven, 40 noch dazu in Verbindung mit der Pointe, dass der Sklave nicht für immer im Haus bleibt ( με´ νειν ), der Sohn dagegen schon (8,35). Diese Pointe interpretiert Gen 21 und setzt die Juden mit dem Kind der Sklavin Hagar gleich, die Abraham „wegschickte“ (Gen, 21,24: και` α᾽ πε´ στειλεν αυ᾽ τη´ ν ). Dieser Bezug von Joh 8 auf Gen 21 lässt sich jedoch nicht unmittelbar erweisen. Einige Ausleger verweisen aus diesem Grund auf die rabbinische Auslegung von Gen 21,9f (LXX), wo davon die Rede ist, dass Sara den Sohn Hagars mit ihrem Sohn Isaak spielen sah und daraufhin Abraham aufforderte, die Sklavin und ihren Sohn „hinauszuwerfen“ (21,10: ε῎κβαλε ). In einigen rabbinischen Texten wird dieses „Spielen“ u. a. auf Verführung zur Sünde gedeutet, in anderen als Ausdruck von Gewalttätigkeit, die dann die Verbindung zum Tötungswunsch der Juden als Kinder ihres Vaters verständlich mache. 41 Will man den Bezug von Joh 8 auf Gen 21 ohne diesen Umweg (der im Sinnhorizont des Joh ja durch nichts angedeutet ist) herstellen, ist man auf den Umweg über Gal *4,21ff angewiesen. Denn der Hinweis auf das Bleiben des Sohnes und das Nicht-Bleiben des Sklaven (Joh 8,35) wird vor dem Hintergrund der Sara-Hagar-Allegorese 39 Zum Text s. gleich. 40 Die Lexeme ε᾽ λευθερο´ ω und ε᾽ λευ´ θερος finden sich bei Joh nur in diesem Abschnitt 8,32-36, wie Thyen, Joh, 437, zu Recht notiert, aber keine weiteren Schlussfolgerungen daraus zieht. 41 LXX: παι´ζοντα μετα` Ισαακ του῀ υι῾ου῀ αυ᾽ τη῀ς (MT: m c x q ; im MT ist also nicht davon die Rede, dass er „mit ihrem Sohn Isaak“ spielte). Die Deutung auf Verführung zum Götzendienst findet sich in den Targumen (Tg. Neofiti; Tg. Ps.-J.) zu Gen 21,9; die Deutung auf den versuchten Mord an Isaak beispielsweise in tSota 6,6 (304) (ähnlich auch GenR. 53 [34a]), aber auch schon Jos. Ant. I 215: Sara wollte nicht, dass Ismael mit Isaak zusammen aufgezogen würde „weil er älter war und fähig, ihm ein Übel zuzufügen ( κακουργει ῀ν δυνα´ μενον ), wenn ihr Vater gestorben ist.“ Vgl. insgesamt Bowker, Targums, 224ff; Neyrey, Jesus. Das „Spielen“ von Gen 21 ist also alles andere als ein Sandkastenspiel. παι´ζειν trägt im Griech. den Aspekt des Ausgelassen-Seins, das sowohl für Tändelei und Tanzen stehen kann, aber auch für Übermut; die hier genannten rabbinischen Deutungen (auf Verführung zum Götzendienst und auf die Gewalttat) liegen da nicht weit entfernt. 237 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion aus Gal *4 verständlich. Es ist m. E. leichter zu erklären, dass Joh den vorkanonischen *Gal kannte (und die Leser auf diese Interpretationsspur schickt), als dass er das intendierte Verständnis von der Kenntnis der rabbinischen Tradition über Ismael als Mörder abhängig sein lässt (und bei seinen Lesern dieselben Vorstellungen und Kenntnisse voraussetzt). 42 Eine dritte Auffälligkeit erschließt sich auf der Ebene der kritischen Herstellung des Textes. Denn in diesem Abschnitt liegen etliche der für Joh so auffälligen textkritischen Varianten vor, die einer sorgfältigen Interpretation erhebliche Schwierigkeiten bereiten, sich aber anhand der hier zugrunde gelegten überlieferungsgeschichtlichen Rekonstruktion einigermaßen sinnvoll erklären lassen. 43 Die hier zu besprechenden Änderungen und Ergänzungen sind am ehesten als redaktionelle Eingriffe zur Präzisierung und Vereindeutigung des Sinnes auf der Ebene der Kanonischen Redaktion zu verstehen. 44 Ich nenne folgende Beispiele: Auf den Einwand der Juden, sie bedürften der Befreiung nicht, weil sie als σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ niemandes Sklaven seien (8,33), lautet die Entgegnung Jesu in der übergroßen Mehrheit der Hss: πα῀ ς ο῾ ποιω῀ ν τη` ν α῾ μαρτι´αν δου῀λο´ ς ε᾽ στιν { τη῀ς α῾ μαρτι´ας } (8,34). Die letzten beiden Worte fehlen in einigen wenigen Zeugen (D b d sy s bo mss Clemens Alex.). Die längere Lesart repliziert exakt auf den Einwand „wir waren noch niemals jemandem als Sklaven unterworfen“ ( ου᾽ δενι` δεδουλευ´ καμεν πω´ ποτε ) und ist in der Sache völlig korrekt, nimmt aber, wie schon Bultmann gesehen hatte, die Pointe vorweg und zerstört so den kunstvollen Aufbau. 45 Denn das Ziel der Aussage besteht ja darin zu zeigen, dass die Juden trotz ihrer Abstammung von Abraham δου῀λοι sind, und zwar weil sie sündigen: Diese Einsicht sollte sich jedoch erst von 8,40-47 her erschließen. Die Präzisierung, dass ein Sklave der Sünde ist, wer sündigt, nimmt diese Einsicht vorweg und zerstört die Pointe: Die längere Mehrheitslesart ist eine Präzisierung auf der Ebene der Kanonischen Redaktion, die kurze Lesart zeigt den Text der vorkanonischen Fassung des *Joh. Ganz ähnlich sind in 8,38 an zwei Stellen die Possessivpronomina nur in einem Teil der hss Überlieferung enthalten: α῝ ε᾽ γω` ε῾ ω´ ρακα παρα` τ ͺ ω῀ πατρι` { μου } 46 λαλω῀ · και` υ῾ μει ῀ς ου῏ ν α῝ η᾽ κου´ σατε παρα` του῀ πατρο` ς { υ῾ μω῀ ν } 47 ποιει ῀τε . Auch in diesem Fall handelt es sich 42 Anders Dozeman, Sperma Abraam, der das Rhema Sklaverei/ Freiheit im Kontext der Abrahamthematik auf eine hypothetische Rekonstruktion der „johanneischen Gemeinde“ und ihrer Situation zurückführt: „Gesetzesfreie johanneische Christen“ hätten die gesetzestreuen Gemeindeglieder als σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ bezeichnet und ihnen vorgeworfen, unfrei zu sein. 43 Vgl. dazu den Beitrag Heilmann/ Wick, Varianten, in diesem Band. 44 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 311-347. 45 Bultmann, Joh, 335 Anm. 7; er hielt τη῀ς α῾ μαρτι´ας daher zu Recht für eine spätere Glosse („in der Tat ein ganz sekundärer Zusatz“). 46 Das Possessivum findet sich (in unterschiedlicher Formulierung) in a D (W) Θ Ψ 0250 33 892 f 1.13 it vg sy und fehlt nur in P 66.75 B C L 070 pc l vg. 47 Das Possessivum fehlt in P 66.75 B L W 070 pc Orig, ist aber im gesamten Rest der Überlieferung enthalten. 238 Matthias Klinghardt sehr wahrscheinlich um spätere Ergänzungen, die zwar dem Sinn der ganzen Einheit entsprechen, aber zugleich die kunstvolle Struktur der schrittweisen Aufklärung des Missverständnisses, dem die Juden unterworfen sind, zerstören: Dass der Vater, von dem Jesus spricht, nur sein Vater, aber nicht auch der der Juden ist, ist die Pointe, die sich erst von 8,44 her erschließen sollte, wenn nämlich deutlich wird, dass die Juden „den Teufel zum Vater“ haben (8,44), weil sie tun, was sie „von dem Vater gehört“ haben. Erst hier wird sichtbar, dass die Abrahamskindschaft, auf die sich die Juden zunächst berufen, obsolet ist, weil sie zwar Same Abrahams sind, aber den Teufel zum Vater haben. Diese Verschlimmbesserung ist, wie schon längst erkannt ist, 48 die Folge einer sekundären Präzisierung. Die kritischen Ausgaben haben sie daher in den Apparat verbannt, allerdings kaum zu Recht, denn die Annahme einer „Kanonischen Redaktion“ auch des Joh erklärt die Verteilung der Bezeugung sehr plausibel. 49 Die Lesart mit dem Pronomen ist zwar sekundär gegenüber dem vorkanonischen *Joh, im kanonischen Joh aber ursprünglich und gehört deswegen in den Text des NT. Ganz analog dazu fehlt am Ende der Einheit in einigen wenigen Hss (D G 579 d sy s ) der letzte Halbsatz: { ο῞ τι ε᾽ κ του῀ θεου῀ ου᾽ κ ε᾽ στε´ } (8,47) Auch hier liegt der Verdacht nahe, dass diese Begründung ein sekundärer Nachtrag auf der Ebene der Kanonischen Ausgabe ist. Diese Begründung ist im Kontext redundant, denn die Grundlagen sind zuvor ja ausführlich entfaltet: (1) das konkrete Verhalten konstituiert Kindschaft; (2) dieses Verhalten ist dadurch bestimmt, dass man tut, was man von seinem Vater erfährt (hört/ sieht); (3) die Juden haben trotz ihrer (leiblichen) Abstammung von Abraham den Teufel zum Vater. Die Begründung „denn ihr seid nicht aus Gott“ begründet daher genau genommen die vorangehende Schlussfolgerung aus der Feststellung, dass die Worte Gottes nur hört, wer aus Gott ist: „Wer aus Gott ist, hört die Worte Gottes: Deshalb hört ihr sie nicht.“ Die Pointe in der ursprünglichen Fassung des Dialogs zielte darauf, dass die Juden gar nicht in der Lage sind, die von Jesus weitergegebenen ρ῾ η´ ματα του῀ θεου῀ überhaupt zu hören; es ging also nicht um die Entlarvung der wahren Abstammung der Juden vom Teufel, sondern um ihre Unfähigkeit, dem λο´ γος Jesu Glauben zu schenken - weil sie nicht in seinem λο´ γος bleiben, sind sie nicht seine Jünger (8,31) und können weder seine befreiende Wahrheit erkennen (8,32) noch verstehen, dass dieses Wort von Gott stammt (8,38). Die Kanonische Redaktion hat den Fokus verschoben. Er heißt nicht mehr: „Die Juden können die Worte Gottes nicht hören“, sondern: „Die Juden haben den Teufel zum Vater.“ Während Mt 3 die Vorstellung der Ethisierung der Abrahamskindschaft als paränetische Motivation in Anspruch nimmt, um den adressierten Pharisäern und Sadduzäern die ihrer Umkehr entsprechende Frucht abzufordern, geht Joh 8 darüber hinaus und erklärt, dass die Juden zwar σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ seien, nicht aber seine τε´ κνα : Weil sie nicht Abraham, sondern den Teufel zum Vater haben, sind sie außerstande, die Worte Gottes überhaupt zu hören. Eine deutlichere Fest- 48 Vgl. als Beispiel für viele Thyen, Joh, 439. 49 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 329ff. 239 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion stellung, dass die soteriologische Wirkung der Abstammung von Abraham verlierbar ist, lässt sich kaum denken. c. Erworbene Abrahamskindschaft Wenn Abrahamskindschaft nur durch das eigene Verhalten konstituiert wird, so dass leibliche Nachfahren Abrahams ihre Abstammung verlieren, wenn sie dieses Kriterium nicht erfüllen, dann liegt die komplementäre Entsprechung nahe: Auch solche, die keine leiblichen Nachkommen Abrahams sind, können durch ihr Verhalten Abrahamskindschaft erwerben. In klassischer Terminologie: Auch Heiden können erwählt sein. Das dynamische Erwählungsmodell liegt sehr anschaulich in der Beispielerzählung vom Barmherzigen Samaritaner vor (Lk 10,29-36), die von der Kanonischen Redaktion an die Frage nach dem größten Gebot angefügt wurde. 50 Die Pointe dieser Perikope liegt in der Inversion der Antwort gegenüber der Frage des Gesetzeslehrers: Die Ausgangsfrage „Wer ist mein Nächster? “ ist sehr deutlich an der statisch gedachten Grenze der Zugehörigkeit zu Israel interessiert, wie die Akteure des Gleichnisses - Priester, Levit, Samaritaner - zeigen. Anstatt aber die Reichweite des Gebots der Nächstenliebe (10,27b) zu diskutieren, hebt Jesus mit der abschließenden Gegenfrage die implizierte Grenze schlicht auf: „Wer ist dem unter die Räuber Gefallenen zum Nächsten geworden? “ 51 Man kann also durch den Erweis von Barmherzigkeit (10,37: ο῾ ποιη´ σας το` ε῎λεος ) zum Nächsten werden (10,36: πλησι´ον … γεγονε´ ναι ). Damit ist nicht einfach die Herstellung einer sozialen Beziehung gemeint, sondern sehr pointiert auf die Beziehung unter Israeliten verwiesen. 52 „Der Nächste“ ist nicht irgendein „Nächster“, sondern der Mit-Israelit. Wie der Samaritaner kann man also Israelit (und ein Glied des erwählten Gottesvolkes) werden, ohne dies schon immer aufgrund der Abstammung gewesen zu sein - ohne Beschneidung, sondern nur aufgrund des Erweises von Barmherzigkeit. Auch wenn das erwählungstheologische Konzept deutlich ist: Die Formulierung, dass Heiden zu Abrahamskindern werden (können), begegnet hier nicht. Explizit wird diese Konsequenz jedoch bekanntlich in Gal 3 gezogen: Dass Gott (jetzt) die Heiden aus Glauben gerecht macht, ist die Erfüllung der Abrahamverheißung Gen 12,3: In dir sollen alle Völker Segen erlangen, „so dass die aus 50 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 710ff. 51 Vgl. Klinghardt, Gesetz, 136-155. 52 Klinghardt, Gesetz, 151f. ο῾ πλησι´ον bezeichnet traditionell die reziproke Beziehung zwischen einem „Mann und seinem Nächsten“ ( a w r y h u ). Wenn Lk den Gesetzeslehrer auf die Frage von V. 36 nicht antworten lässt „Der Samaritaner“, sondern diesen über sein Tun qualifiziert (10,37: ο῾ ποιη´ σας το` ε῎λεος μετ ’ αυ᾽ του῀ ), wird die erwählungstheologische Ausgangsfrage, wer denn genau zu Israel gehört, sehr präzise beantwortet. 240 Matthias Klinghardt Glauben zusammen mit dem glaubenden Abraham gesegnet werden“ (Gal 3,8f). Das ist die geläufige Vorstellung von der Auswirkung der Abrahamverheißung an seinen Nachkommen. Der Freikauf durch Christus hat daher das Ziel, dass „der Segen Abrahams in Christus zu den Heiden käme“ (3,14a). Die Metapher des Freikaufs setzt die in Joh 8 entfaltete Entgegensetzung von Sklaven und Freien voraus: Nicht Sklaven, sondern nur Freie können Nachkommen Abrahams sein. Allerdings begründet hier nicht die Sünde die (überwundene) Unfreiheit der Adressaten, sondern der „Fluch des Gesetzes“. Das letzte Element des Gedankens, dass nämlich die solcherart Befreiten nicht nur einfach in den Genuss der an Abraham ergangenen Verheißungen kommen, sondern dass sie direkte Nachkommen Abrahams sind, ist dann in Gal 3,29 gezogen: Die zu Christus gehören, sind ᾽Αβραα` μ σπε´ ρμα und Erben gemäß der Verheißung. Alle hier genannten Elemente gehören wahrscheinlich auf dieselbe Überlieferungsebene wie Lk 10,29-36: Es ist schon deutlich geworden (s. o. bei Anm. 17), dass nach dem Zeugnis Tertullians in den marcionitischen Paulusbriefen alle Erwähnungen Abrahams außer Gal *4 fehlten. Für Gal 3 sieht die Situation folgendermaßen aus: Gal 3,6-9 ist ausdrücklich als fehlend bezeugt, 53 wogegen der Abschnitt *3,10-13.14b durch Referate von Tertullian und Epiphanius bezeugt ist. 54 Von den folgenden Ausführungen ist nur die Wendung υι῾οι´ ε᾽ στε δια` τη῀ς πι´στεως durch Tertullian (5.3.11) gesichert, die auf Gal *3,26 referiert (und Gottes-, nicht Abrahamssohnschaft impliziert). Der Abschnitt 3,15-18 hat daher sicher gefehlt, ebenso 3,29: Die Entscheidung für 3,19-28 ist schwierig, kann hier aber auf sich beruhen. Unter der Voraussetzung, dass diese Passagen dem *Gal der Marcionitischen Ausgabe erst durch die Kanonische Redaktion hinzugefügt wurden, ergeben sich einige wichtige Einsichten. Zunächst ist deutlich: Anders als in Lk 10 sind es nicht die Taten der Barmherzigkeit, durch die Heiden zu Israeliten werden können. Gal 3 begründet die Würdigkeit zur Abrahamskindschaft mit der Freiheit, die durch Glauben erworben wird. Das liegt nahe, weil das Stichwort πι´στις im nächsten Kontext des vorkanonischen *Gal sehr prominent (und noch dazu im Gegensatz zu den ε῎ργα νο´ μου ) als Grund der Gerechtigkeit genannt wird (*2,16.20). Gleichwohl kannte die Kanonische Redaktion, die für die Einfügung dieser Abrahampassagen verantwortlich war, die Begründung der Abrahamskindschaft durch die Taten, wie 53 Hieronymus zitiert Gal 3,6 und führt dazu aus: „ab hoc loco usque ad eum, ubi scribitur: ‘qui ex fide sunt, benedicentur cum fideli Abraham’ (Gal 3,9), Marcion de suo apostolo erasit” (Hieron., Comm. in Gal, PL 26 [1845] 352A, 2-4). 54 Zu den Nachweisen im Einzelnen vgl. Schmid, Marcion, 316 mit Anm. 14-17. Wenn alle mentiones Abrahae außer Gal 4 im marcionitischen Apostolos gefehlt haben, dann gehört dazu auch Gal 3,14a. Das ist gut denkbar: Dann hätte *3,14b (bezeugt durch Tert. 5.3.11) ursprünglich direkt an *3,13 angeschlossen. Durch die redaktionelle Erweiterung um V. 14a in der kanonischen Fassung stoßen die beiden ι ῞να -Sätze in 3,14a.b sehr hart zusammen. 241 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion der bereits angesprochene Rekurs auf das Thema Freiheit/ Sklaverei aus Joh 8 deutlich macht, das ja sehr pointiert das Tun ( ποιει ῀ν ) als entscheidendes Kriterium herausstellt. 55 Wenn das barmherzige Tun des Samaritaners ( ο῾ ποιη´ σας το` ε῎λεος , Lk 10,37) oder die Taten der Juden aus Joh 8 das entscheidende Kriterium darstellen, das über die Abrahamskindschaft entscheidet, dann muss der πι´στις - Begriff der Kanonischen Redaktion diese Tataspekte miteingeschlossen haben; darauf ist gleich noch zurückzukommen. Die wichtigste Einsicht ergibt sich jedoch für die Interpretation von Gal 3. Denn wenn man einmal mit der Möglichkeit rechnet, dass der kanonische Gal die redaktionelle Überarbeitung des älteren *Gal aus der marcionitischen Ausgabe ist, dann werden auch die inhaltlichen Spuren dieser Redaktion sichtbar. Für Gal 3 sind sie besonders deutlich. Es beginnt in 3,6 mit der unvermittelten Einführung Abrahams in den Kontext: Sie ist „ganz unvorbereitet und gleichsam überfallartig“ 56 und auch grammatisch nicht unproblematisch 57 - ein flüssiger Text sieht anders aus. Vor allem ist der argumentative Duktus einigermaßen unklar und enthält eine Reihe von Unausgewogenheiten, die die Interpretation schon lange vor erhebliche Probleme stellen: Ist das Heil der Galater durch die auf „Glaubende“ übertragene Verheißung Abrahams begründet (3,6-9) oder durch Christus, „der uns vom Fluch des Gesetzes freigekauft“ hat (*3,14)? 58 Zielt die Argumentation auf den Nachweis, dass die Adressaten Söhne Abrahams (3,7: υι῾οι` ᾽Αβραα´ μ ) oder dass sie Söhne Gottes ( υι῾οι` θεου῀ , *3,26; vgl. *4,6) sind? Und: Ist σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ kollektiv zu verstehen (3,29) oder individuell (*3,16)? Angesichts dieser Ungereimtheiten kann man schon einmal fragen: „Wie kommt Abraham in den Galaterbrief? “ 59 Die überlieferungsgeschichtliche Antwort heißt: Durch eine sekundäre Redaktion, deren Ergänzungen nicht immer nahtlos in den vorgegebenen Kontext eingepasst wurden. 55 Joh 8,34 ( ποιει ῀ν τη` ν α῾ μαρτι´αν ); 8,38 ( ποιει ῀ν ); 8,39 ( τα` ε῎ργα του῀ ᾽Αβραα` μ ποιει ῀ν ); 8,40 ( του῀το ᾽Αβραα` μ ου᾽ κ ε᾽ ποι´ησεν ); 8,41 ( ποιει ῀τε τα` ε῎ργα του῀ πατρο´ ς ); 8,44 ( ποιει ῀ν ). 56 Wischmeyer, Abraham, 121. 57 Der elliptische Einsatz mit καθω` ς ᾽Αβραα` μ ε᾽ πι´στευσεν τ ͺ ω῀ θε ͺ ω῀ … findet keine Entsprechung. Als Lösungen werden geboten: Das einleitende καθω´ ς ist kausal zu verstehen (was theoretisch möglich ist: BDR § 453.2) und begründet 3,5 (so Mussner, Gal, 213; vgl. Martyn, Gal, 296f). Oder: καθω´ ς ist nicht auf 3,5 zurück zu beziehen, sondern der Anfang eines Vergleichs, der „formal unterbrochen, aber von der Sache her fortgesetzt“ wird (Vouga, Gal, 71). Oder: καθω´ ς ist (wie es einige wenige HSS ergänzen) im Sinn von καθω` ς γε´ γραπται zu verstehen und eröffnet einen Schriftbeweis (Betz, Gal, 256; Wischmeyer, Abraham, 134). 58 So schon Berger, Abraham, 47: „Die Bindung der Erfüllung der Abrahamsverheißung einerseits an den Glauben, andererseits an die Person Jesu Christi ist das theologische Kernproblem von Gal 3.“ 59 So der Titel von Wischmeyer, Abraham. 242 Matthias Klinghardt Diese Einsicht in das Zustandekommen des kanonischen Textes erklärt zwar noch nicht, wie seine argumentativen Brüche angemessen zu verstehen sind, aber sie liefert doch Gesichtspunkte für die Lösung dieser Interpretationsaufgabe, von denen ich nur zwei nenne. Zum einen lässt sich die aus einem konsequenten „mirror-reading“ gewonnene Ansicht widerlegen, dass das Thema Abraham/ Abrahamskindschaft von den judaistischen Gegnern in die Debatte eingeführt worden sei („Wer nicht beschnitten ist, ist kein Kind Abrahams und hat keinen Anteil an seiner Verheißung“). 60 Der sekundäre Charakter der Abrahampassagen zeigt (einmal mehr! ), 61 dass der Rückschluss von Literatur auf Geschichte so schlicht nicht funktioniert. In diesem Fall verdankt sich das Interesse an Abraham nicht den Gegnern des Paulus im 1. Jh., sondern dem Gestaltungswillen der Kanonischen Redaktion im 2. Jh. Worin dieser bestanden hat, lässt sich nur im Zusammenhang mit den anderen Ausführungen über Abraham in der Kanonischen Ausgabe bestimmen, aber ein Aspekt wird sicherlich in der Schriftkonformität zu sehen sein: Die Aussagen über Abraham bieten eine Möglichkeit, die inhaltliche Kohärenz der einen Bibel aus Altem und Neuem Testament herauszustellen. Ein zweiter Aspekt ist eher formaler Art und bezieht sich auf die Erwartung, in den paulinischen Briefen schlüssige Argumentationen zu finden. Auch wenn Gedankensprünge und inkohärente Argumentation selbstverständlich vorkommen (können), muss die auf Regelhaftigkeit angewiesene historische Exegese sich immer um eine bruchlose Interpretation bemühen; die Forschungsliteratur zu Gal 3 zeigt ja durchaus das Bemühen, die genannten Probleme in eine kohärente Auslegung zu integrieren. In der Methodenkritik hat dieses Erfordernis zu Recht eine wichtige Rolle bei der Beurteilung literarkritischer Annahmen aufgrund von „Brüchen“ usw. gespielt. Hier allerdings geht es nicht darum, anhand von Spannungen auf die Verarbeitung von Quellen zu schließen. Stattdessen führt umgekehrt das Wissen um die redaktionelle Bearbeitung zur Wahrnehmung von Spannungen und Widersprüchen - die in diesem Fall nicht in einer komplexen Gesamtdeutung interpretatorisch beseitigt werden müssen: Sie sind ein Element des Textes. d. Zusammenfassung Die hier zugrunde gelegte Annahme, dass das kanonische Neue Testament die redaktionelle Beareitung der älteren Marcionitischen Ausgabe darstellt, erlaubt 60 Vgl. Barclay, Mirror-Reading; Hansen, Abraham; Fee, True Children; Konradt, Glauben; Longenecker, Triumph; Martyn, Issues; Wischmeyer, Abraham, und viele andere mehr. 61 Schon lange bevor das „Mirror-Reading“ (nicht nur in der englischsprachigen Forschung) breit etabliert wurde, hatte Klaus Berger den entsprechenden Ansatz einer grundlegenden methodischen Kritik unterzogen (Berger, Gegner). 243 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion es, den Motivkomplex „Abrahamskindschaft“ historisch zu differenzieren. Die meisten der genannten Ausformungen dieses Motivs haben Analogien in der frühjüdischen Abrahamtradition, denen sie traditionsgeschichtlich zugewiesen werden können. Jetzt wird darüber hinaus die schrittweise Entwicklung dieses Motivs innerhalb der einzelnen Stadien der Entstehungsgeschichte des NT durchsichtig. Diese Entwicklung lässt sich auch an der semantischen Verschiebung der Wendung σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ nachverfolgen. (a) In der ältesten Schicht ist Abrahamskindschaft ganz schlicht die ethnische Zugehörigkeit zum Volk Israel, die durch die leibliche Abstammung von anderen Israeliten konstituiert wird. In diesem Sinn wird die Frau mit dem verkrümmten Rücken in Lk *13,10-17 als θυγα´ τηρ ᾽Αβραα´ μ bezeichnet. (Der historische) Paulus bezeichnet diese leibliche Abkunft als σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ : Dass er selbst „Same Abrahams“ ist, bedeutet nichts anderes, als das er Hebräer und Israelit ist (2Kor *11,22; Rm *11,1). Charakteristischerweise beinhaltet der Begriff σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ gerade keine Differenzierung von größerer oder geringer Würde innerhalb der Nachkommenschaft Abrahams: Dies bewirken erst die individuell unterschiedlichen Leistungen, die Paulus im Peristasenkatalog 2Kor *11,23-29 aufzählt. (b) Die (überlieferungsgeschichtlich) erste Differenzierung dieses Sprachgebrauchs findet sich in Mt *3: Ohne Ausweis der Würdigkeit durch Taten nützt es nichts, zur physischen Nachkomenschaft Abrahams zu gehören ( πατε´ ρα ε῎χομεν το` ν ᾽Αβραα´ μ ); denn so wie Gott schon Abraham aus einem Stein erwählte, kann er auch seine Kinder ( τε´ κνα ) aus Steinen erwählen. Der Ausdruck σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ kommt hier nicht vor; möglicherweise deutet sich darin bereits eine sprachliche Differenzierung zwischen der physischen und der durch Würdigkeit erwiesenen Abrahamskindschaft an. (c) Dieser Schritt wird dann in Joh *8 explizit vollzogen: Die Juden, die leiblichen Nachfahren Abrahams, sind σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ (*8,33), was auch Jesus anerkennt (*8,37). Aber für ihn ist nicht die leibliche Abkunft relevant, sondern nur die durch die Taten ( ε῎ργα ) konstituierte Relation zwischen den τε´ κνα του῀ ᾽Αβραα´ μ (*8,39) und ihrem πατη´ ρ (*8,41.44): Obwohl die Juden zweifellos σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ sind, stehen sie außerhalb dieser πατη´ ρ τε´ κνα -Beziehung. (d) Die Konsequenz, dass Heiden die Abrahamskindschaft erlangen können, wird dann in (der kanonischen Fassung von) Gal 3 gezogen: Die Glaubenden sind υι῾οι` ᾽Αβραα´ μ , und zwar ausdrücklich auch (oder etwa: nur? ) die Glaubenden aus den ε῎θνη (Gal 3,7f). Auf dieser letzten Überlieferungsebene bezeichnet der „Paulus“ des kanonischen Galaterbriefs diese heidnischen Söhne Abrahams dann als σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ (Gal 3,29). Damit ist der innerhalb des NT älteste Sprachgebrauch (beim historischen Paulus: 2Kor *11) auf den Kopf gestellt. Dieser letzte Schritt der semantischen Verschiebung ist eine Geste entschiedener Aneignung, die tatsächlich nur als Substitution zu verstehen ist: Die (gläubigen) Heiden sind die leiblichen Nachkommen Abrahams. 244 Matthias Klinghardt 3 Abrahams Glaube und seine Werke der Gerechtigkeit Es ist bereits deutlich geworden, dass Abrahamskindschaft auf der Ebene der Kanonischen Ausgabe sowohl durch den Glauben (Gal 3) als auch durch die Taten (Mt 3; Joh 8 usw.) erworben werden kann. Vor dem Hintergrund der frühjüdischen Abrahamüberlieferung ist dieses Nebeneinander von πι´στις und ε῎ργα , wie schon lange bekannt ist, überhaupt kein Gegensatz. 62 Denn in dieser Tradition stellt Abraham seinen Glauben durch die Bewährung in den Versuchungen unter Beweis; die größte dieser Versuchungen ist traditionell die Aqedah. 63 Bedeutung gewinnt diese Tradition, weil Abrahams Glaube erst durch die Bewährung - also durch die Tat - seine Gerechtigkeit konstituiert. 3.1 Zum Verhältnis von Jakobus und Paulus Was hier wie zwei Seiten einer Medaille zusammengehört, erscheint bekanntlich aus der Perspektive des NT als Alternative: So eindeutig, wie Rm 4 Abrahams Glaube - und gerade nicht seine Werke! - als Grund seiner Gerechtigkeit hervorhebt (Rm 4,2-5), so eindeutig insistiert Jak 2,21-26 auf dem Synergismus von Glaube und Werken und postuliert: „Der Mensch wird aufgrund seiner Werke gerecht“ (2,24). Diese Aussagen haben seit jeher die Debatte um das Verhältnis zwischen Jakobus und Paulus bestimmt. Verschiedene Modelle wurden diskutiert: 1. Jak setzt die Paulusbriefe (wenigstens Rm und Gal) voraus und bekämpft die darin vertretene Ansicht von der Rettung allein aus Glauben; allerdings richtet sich Jak nicht gegen Paulus direkt, sondern gegen einen missverstandenen oder lasch gewordenen Paulinismus. 64 2. Jak setzt die Paulusbriefe voraus und hat sie auch tatsächlich richtig verstanden, aber grenzt sich mit polemischer Kritik davon ab. 65 62 Vgl. vor allem Berger, Art. Abraham, 373-376; Calvert-Koyzis, Paul; Konradt, Glauben; Mühling, Abraham; Wischmeyer, Unser Vater, und andere. 63 Z. B. 1Makk 2,52; LAB 18,5; 32,1-4; Jub 19,9; Jud 8,23 (Vg.); Hippolyt, In Dan. II 37,5 (GCS 1, 114), hier mit den Stichworten „niemals schwankend im Glauben“ ( μη´ ποτε τ ͺ η῀ πι´στει βαμβαι´νων ) und „Versuchung“ ( πειρα´ ζω ). 64 Am prägnantesten bei Dibelius, Jak, 163ff. Jak wolle nicht das paulinische Verständnis von Glaube „korrigieren; seine Ansicht ist nicht dogmatisch, sondern praktisch gerichtet: er will die Christen ermahnen, ihren Glauben, d. h. ihr Christentum durch Werke zu betätigen“ (167). Tatsächlich richte sich die Kritik des Jakobus „ja gar nicht gegen das Erlebnis des Paulus, weil ihm dessen Tiefe verschlossen war“ (168). 65 Hengel, Jakobusbrief, 526: Die „antipaulinische Tendenz von 2,14-26 … sollte man nicht mehr bestreiten, denn der Konflikt bzw. Gegensatz zwischen ,Glauben und Werken‘ im Hinblick auf das Heil ist ein paulinisches Grundproblem, das sich vor Paulus nirgendwo nachweisen lässt.“ Hengel, der sich den Herrenbruder Jakobus als Verfasser denkt, listet (weit über Jak 2 hinaus) eine lange Reihe von Bezügen auf Paulus auf. Vgl. auch Lindemann, Paulus, 250ff. 245 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion 3. Jak ist nicht literarisch von den Paulusbriefen abhängig: Er setzt sie nicht direkt voraus, hat aber durch mündliche Überlieferung Kenntnis von ihnen und reagiert darauf. Diese mündlich vermittelten Kenntnisse über die paulinische Theologie können dann natürlich mehr oder weniger zutreffend sein. 66 4. Jak und die Paulusbriefe sind nicht literarisch voneinander abhängig, sondern beziehen sich auf dieselben hellenistisch-jüdischen Traditionen, auch wenn sie daraus unterschiedliche Schlussfolgerungen ziehen. 67 Dieser Ansatz versucht, Jak als eigenständige theologische Stimme zu hören und ihn aus der Fessel zu befreien, die ein enger Bezug auf Paulus für die Interpretation darstellt. Diese Positionen stellen sich noch einmal sehr unterschiedlich dar, je nachdem, ob man Jak als dokumentarischen Brief des historischen Jakobus 68 oder als pseudepigraphes Schreiben versteht. Denn dadurch verändern sich jeweils die Möglichkeiten, ob und wie ein Bezug des Jak auf Paulus oder seine Briefe denkbar ist. Die Forschung der vergangenen Jahrzehnte hat fast durchgängig eine pseudepigraphe Abfassung vertreten. 69 Zugleich lehnt ein Großteil der Interpreten einen Bezug auf Paulus ab, versteht die gemeinsamen Themen (zu denen an prominenter Stelle der Rekurs auf Abraham gehört) als Ausdruck gemeinsamer hellenistisch-jüdischer Tradition und notiert dann vor allem die Inkongruenzen gerade zwischen Rm 3f und Gal 3 auf der einen Seite und Jak 2 auf der anderen, die einen Rückgriff ausschlössen. Die Kombination dieser beiden Op- 66 Z. B. Mussner, Gal, 14-21: „Unmöglich polemisiert Paulus direkt gegen Jakobus, noch polemisiert umgekehrt Jakobus direkt gegen Paulus. Es wäre eine Polemik, die weithin praeter rem redete“ (18). Lindemann, Paulus, 247, hält neben direkter Bezugnahme durch Jak „auch einen gewissen Parole-Charakter“ für möglich. 67 Z. B. Konradt, Existenz, 241ff (244: die Auseinandersetzung des Jak „mit aus paulinischer Tradition stammenden Rechtfertigungsaussagen lässt sich aber nicht nur nicht zwingend begründen, sondern muss darüber hinaus auch als unwahrscheinlich gelten“); Bauckham, James, 127ff: „Die beste Erklärung ist, dass beide abhängig sind von einer jüdischen Tradition der Diskussion über Abraham [ … ] dies erklärt die Parallelen und Unterschiede zwischen ihnen befriedigender als die Forderung einer direkten Beziehung zwischen ihnen“ (131f). 68 Erwogen z. B. von Martin Hengel: Der Jak könne „vielleicht doch von Jakobus dem Gerechten, dem Bruder Jesu stammen … und als Rundschreiben an die außerhalb des jüdischen Palästinas liegenden, schon überwiegend heidenchristlichen Gemeinden einige Zeit nach der Verhaftung des Paulus bzw. seiner Überführung als Angeklagter nach Rom zwischen 58 und 62 verfasst“ worden sein (Hengel, Jakobusbrief, 523). Welche phantasievollen Weiterungen dieser Ansatz zu produzieren in der Lage ist, hat Hengel selbst vorgeführt (Hengel, Jakobus). 69 Vgl. nur die Belege bei Konradt, Existenz, 334 Anm. 112; Konradt, Jakobus, 575f, Anm. 3 usw. 246 Matthias Klinghardt tionen - Jak als Pseudepigraph und Unabhängigkeit von Paulus - ist allerdings mit einer schweren methodischen Hypothek belastet: Sie macht den Jak historisch ortlos. 70 Denn auf der einen Seite bestreitet sie ihm einen historischen Rahmen, der sich für ein dokumentarisches Schreiben durch die Beziehung zum historischen Paulus ergeben würde (wenn auch nicht ohne zahlreiche Zusatzannahmen); auf der anderen Seite verzichtet sie auf den literarischen Kontext, der für ein pseudepigraphes Schreiben durch einen Bezug (zumindest) auf die Paulusbriefe konstituiert wäre. Der Preis für diese Dekontextualisierung ist hoch. Er besteht einerseits im Verzicht auf eine Konkretisierung der Beziehungen zwischen Jak und den anderen neutestamentlichen Texten und andererseits in der Gefahr, den Jak durch ungeschützte Eintragungen dann doch irgendwie zu profilieren. Da Jak m. E. zu Recht kaum noch für ein „authentisches“ Schreiben des historischen Jakobus gehalten wird, steht vor allem die Pseudepigraphiethese unter diesem Verdacht. Denn gerade die Annahme von Pseudepigraphie setzt zwingend voraus, dass sich Jak in einen bereits bestehenden literarischen Kontext einschreibt. Nur so lässt sich beispielsweise die fingierte Verfasserangabe „Jakobus“ entschlüsseln (welcher andere Jakobus käme denn ernsthaft in Frage, wenn nicht der „Herrenbruder“? ); nur so ergeben etwa die zahlreichen Entsprechungen zur Jesusüberlieferung Sinn; und nur so lassen sich dann auch die polemischen Bemerkungen in Jak 2 verstehen, für die das Abrahambeispiel wichtig ist. Tatsächlich inferieren die Vertreter der Pseudepigraphiethese die meisten dieser Beziehungen und haben beispielsweise keine Schwierigkeiten, etwa die Verfasserfiktion zu durchschauen 71 oder die Entsprechungen zu den Evangelien für die Interpretation nutzbar zu machen. Irritierenderweise stützt sich die neuere Forschung zur Begründung und Interpretation diese Befundes (wenn ich recht sehe: durchweg) auf indirekte Beobachtungen: Sachliche und sprachliche Analogien zu anderen nt.lichen Texten (wie etwa der Bezug zwischen Jak 1,2f; 1Pe 1,6f; 5,3-5; aber auch natürlich die Entsprechung von Rm 3f und Jak 2), 72 traditionsgeschichtliche Analogien (die Rolle der ε᾽ πιθυμι´α als Grundübel) 73 und sogar noch weiter entfernte historische Konstruktionen, wie die Ekklesiologie des Jak oder die (für historisch gehaltene) Beteiligung des Jakobus an der Verabschiedung des 70 Als Problem ist dies lange erkannt, vgl. etwa Baasland, Form, 3647: „Die geschichtliche Einordnung des Jak ist wohl schwieriger als bei irgendeiner anderen Schrift des Neuen Testaments.“ 71 Als Beispiele für viele andere: Konradt, Jakobus; Theissen, Intention, der das Problem der Dekontextualiserung genau erkennt, dann aber die Beziehungen zu anderen nt.lichen Texten als Partizipation an „einem gemeinsamen Sprach- und Traditionsschatz“ (55) erklärt. 72 Zuletzt und detailliert Mitchell, Letter. 73 Z. B. Konnradt, Existenz, 85-92. 247 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion Aposteldekrets nach Act 15, die beide nicht mit dem historischen Jakobus vereinbar seien usw. All diese sekundären und tertiären Beobachtungen bleiben für das Verständnis seines pseudepigraphen Charakters solange unerheblich, als nicht die primäre Beobachtung zur Beziehung zwischen Jak und anderen nt.lichen Schriften eine Erklärung findet: Dass nämlich Jak handschriftlich ausschließlich als Teil des NT existiert und bezeugt ist. Viele ausgezeichnete Beobachtungen (und ein großer Teil der scharfen Überlegungen zu ihrer Erklärung) sind historisch nicht belastbar, weil sie zwar Beziehungen zwischen Jak und den anderen nt.lichen Schriften notieren, aber keine Erklärung dafür anbieten, wie die Sammlung entstanden ist, die den Jak unmittelbar neben den anderen nt.lichen Schriften enthält: Die Integration des Jak in die Kanonische Ausgabe des NT ist die Grundlage zur Erklärung der Entsprechungen. Weil es nicht den geringsten Hinweis darauf gibt, dass Jak jemals unabhängig von der Kanonischen Ausgabe als selbständiges Schreiben existiert hat, geht es nicht an, ihn unabhängig von diesem Rahmen zu interpretieren. Anders gesagt: Weil Jak überhaupt nur als Teil dieser Kanonischen Ausgabe existiert (und, soweit wir wissen, auch nie anders existiert hat), entfaltet er sein Sinnpotential nur in diesem Rahmen: Jak ist ein „kanonisches Pseudepigraph“ und für diese Ausgabe konzipiert. 74 Die hier zugrunde gelegte Differenzierung zwischen der Marcionitischen und der Kanonischen Ausgabe liefert dann nicht nur ein einfaches Modell für die Integration des Jak in das NT (nämlich durch die Kanonische Redaktion), sondern erlaubt auch eine differenzierte Beschreibung des redaktionellen Verfahrens. Denn im Unterschied zu einer langen Auslegungstradition ist die Position des Jak nicht einfach als Antipaulinismus oder als theologische Korrektur an Paulus zu verstehen: Das wäre anders vermutlich einfacher zu haben gewesen und erklärt auch nicht, dass Jak in der Kanonischen Ausgabe neben Rm und Gal steht. Margaret Mitchell hatte daher zuletzt den Jak als ein „document of Paulinism“ verstanden und anhand einer Reihe von Entsprechungen gezeigt: Jak „breathes the same air as Pauline Christianity, and this ,air‘ constitutes a Pauline literary culture.“ 75 Allerdings ist diese „Pauline literary culture“ ein komplexeres Gebilde, als Mitchell annimmt. Denn wesentliche Komponenten dieser gemein- 74 An dieser Stelle ist methodologische Genauigkeit wünschenswert. Denn angesichts dieser Bezeugungslage setzt die These, dass Jak für die Kanonische Ausgabe konzipiert ist, weniger ungeschützte Annahmen voraus als die verbreitete Lösung, den Jak unabhängig von diesem Rahmen zu interpretieren. Auch wenn diese These wegen des Mangels an Konkretion den Anschein erweckt, „vorsichtiger“ oder „weniger spekulativ“ zu sein, impliziert sie nicht nur eine zusätzliche, sondern auch eine unbegründbare Voraussetzung: Dass nämlich Jak einmal unabhängig von der Kanonischen Ausgabe existiert habe. Diese Annahme ist daher wissenschaftlich weniger valide und aus methodologischen Gründen auszuschließen. 75 Mitchell, Letter, 83 und passim. 248 Matthias Klinghardt samen „Kultur“ finden sich zwar in den Paulusbriefen, gehören aber derselben redaktionellen Schicht an wie Jak: Rm 4, Gal 3 und Jak 2 atmen nicht nur denselben „Paulinismus“, sondern stammen vermutlich von derselben Hand der Kanonischen Redaktion. So wenig, wie Jak 2 zu erkennen gibt, was der historische Jakobus über Abraham oder über Rechtfertigung dachte, so wenig geben Rm 4 oder Gal 3 die Ansicht des (historischen) Paulus zur Rechtfertigung oder zu Abraham wieder. 3.2 Unpaulinisches bei Paulus: Glaube und Werke Wenn nach dem Zeugnis Tertullians die mentiones Abrahae in Rm 4 und Gal 3 in der marcionitischen Apostolosausgabe gefehlt haben und mit Jak 2 auf derselben überlieferungsgeschichtlichen Ebene der Kanonischen Redaktion zusammengehören, dann sind zunächst einmal als Folge der Bearbeitung durch die Kanonische Redaktion „literarkritische Spannungen“ innerhalb der Paulusbriefe zu erwarten. Tatsächlich lassen sich solche Redaktionsspuren identifizieren: Das Wissen um die redaktionelle Erweiterung schärft den Blick für die Inkohärenzen. Ich nenne nur wenige Beispiele. Eine erste Beobachtung bezieht sich auf die argumentative Funktion von Rm 4 innerhalb des Rm. Im Unterschied zu Gal 3,6 bereitet die Einführung des Abrahamthemas in Rm 4,1 den Exegeten keine Schwierigkeiten: Viele der semantisch zentralen und die Argumentation von Rm 3 strukturierenden Begriffe werden im Abrahamkapitel Rm 4 wieder aufgegriffen. Beide Texte sind schon auf der lexematischen Ebene so eng miteinander verflochten, 76 dass keine Zweifel an der argumentativen Stringenz aufkommen. Da außerdem die Verbindung von Abraham mit Gen 15,6 aus dem mutmaßlich älteren Gal vorausgesetzt wird (Gal 3,6) und „sich das Abraham-Thema aufgrund der heilsgeschichtlichen Bedeutung Abrahams“ im Licht des erwählungstheologischen Leitthemas von Rm 1,16f geradezu aufdränge, kann man folgern: „Früher oder später musste sich darum geradezu zwangsläufig die Frage nach Abraham stellen.“ 77 Abgesehen davon, dass die „Zwangsläufigkeit“ sich vor allem der Retrospektive verdankt, ist dies eher später als früher geschehen: Erst die Kanonische Redaktion hat Abraham thematisiert - rund 100 Jahre nach Paulus. Trotzdem ist die Beobachtung richtig, dass unter den genannten Voraussetzungen Rm 4 keine überraschende Wende im Aufbau des Rm darstellt. Weniger klar ist allerdings die Funktion dieses Kapitels 76 Vgl. πι´στις / πιστευ´ ειν (3,22.25.26.27.28.30.31 - 4,3.5.9.11.12.13.14.16.17.18.19.20.24); δικαιοσυ´ νη (3,20.21.22.24.25.26.28.30 - 4,2.3.5.6.9.11.13.22.25); ε῎ργα / ε῎ργα νο´ μου / νο´ μος (3,19.20.27.28.31 - 4,2.4.5.6.13.14.15.16); χωρι` ς ε῎ργων / χωρι` ς νο´ μου (3,21.28 - 4,6); χα´ ρις (3,24 - 4,4.16); καυ´ χησις / καυ´ χημα (3,27 - 4,2); ᾽Ιουδαι ῀οι / ε῎θνη bzw. περιτομη´ / α᾽ κροβυστι´α (3,29.30 - 4,9.10.11.12) usw. 77 Wolter, Rm, 277. 249 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion im Kontext. Denn ein Schriftbeweis, der die zuvor entwickelte These von der Rechtfertigung aus Glauben mit Belegen aus der Schrift begründet, ist Rm 4 streng genommen nicht: Weder Abraham noch die Schrift (hier also Gen 15,6) haben hier eine begründende Funktion. Die wenigen kausalen oder konsekutiven Elemente 78 dieser umfangreichen Abhandlung sollen nicht beweisen, dass den Heiden ihr Glaube deswegen als Gerechtigkeit zugerechnet wird, weil dies schon von Abraham so berichtet wird. Vielmehr erweisen diese Elemente umgekehrt die Konformität von Abraham und der Schrift mit der zuvor entwickelten These der Glaubensgerechtigkeit: Wenn Rm 4 überhaupt mehr leisten will als die Entfaltung einer Analogie und eine Begründung intendiert, dann richtet sich diese nicht auf die Glaubensgerechtigkeit von Heiden, sondern auf die Zuverlässigkeit der Schrift. Rm 4,23f erweckt den Eindruck, als sei sich der Verfasser dieser Begründungsrichtung plötzlich bewusst geworden und hätte sie korrigieren wollen. Wenn Rm 4, dem intendierten Anschein zum Trotz, im Kern ein Wahrheitsbeweis für die Schrift ist, dann passt dies ausgezeichnet zu der Konzeption der Kanonischen Ausgabe. Sie enthält auch an anderen Stellen entsprechende Begründungselemente, 79 deren Funktion ganz wesentlich in der Entsprechung der Verheißung mit der Erfüllung bzw. im Erweis der Kohärenz zwischen Altem und Neuem Testament besteht: Dies ist in der Tat ein nachweisbarer Schwerpunkt des redaktionellen Konzepts. Eine zweite Beobachtung bezieht sich auf den Glaubensbegriff. Denn unbeschadet der Begründungsrichtung muss man feststellen, dass die auf Gen 15,6 basierende Argumentation mit dem Glauben Abrahams nicht wirklich zur These der Glaubensgerechtigkeit aus Rm *3 passt. Hier liegt dasselbe Grundproblem vor, das bereits zu Gal 3 aufgefallen war. Denn die gnadenweise Rechtfertigung hat ihren Grund in der Erlösung durch Christus Jesus (Rm *3,24: δια` τη῀ς α᾽ πολυτρω´ σεως τη῀ς ε᾽ ν Χριστ ͺ ω῀ ᾽Ιησου῀ ), nicht aber im Glauben Abrahams. Das Ostinato von Rm 4 („Abraham aber glaubte Gott … “) bezieht sich zurück auf die vorangehende Sequenz Rm *3,27-31 mit der pointierten Hervorhebung der πι´στις (fünfmal in den fünf Versen). Aber trotz der Allgemeingültigkeit heischenden Formulierung von *3,28, die mit dem generalisierenden Appellativum „Mensch“ die heilsgeschichtliche Gleichheit von Juden und Heiden vorbereitet, bleibt der rechtfertigende Glaube in Rm *3 christologisch bestimmt. Es spielt dabei übrigens keine Rolle, ob man πι´στις subjektiv als den Glauben Jesu Christi oder objektiv als den Glauben der Glaubenden an Christus versteht oder eine vermittelnde Lösung bevorzugt, also etwa ein qualitatives Verständnis (Christusglaube, „Chris- 78 Γα´ ρ (vor allem in 4,13.14.15); δια` του῀το (4,16); διο´ (4,22). 79 Klinghardt, Evangelium, 169ff.197ff (sowie die entsprechenden Textrekonstruktionen in Bd. II). 250 Matthias Klinghardt tic faith“). 80 In jedem Fall ist der Glaube von Rm *3,27-31, auf den Rm 4 rekurriert, durch Rm *3,25 δια` ( τη῀ς ) πι´στεως ε᾽ ν τ ͺ ω῀ αυ᾽ του῀ αι ῞ματι bestimmt: Es ist entweder der Glaube an den sühnenden Tod Jesu, mit dem Glaubende sich die soteriologische Wirkung dieses Todes aneignen, oder es ist der Glaube Jesu, den er durch sein Blut unter Beweis gestellt hat, der die Erlösung in Kraft setzt. In jedem Fall basiert die α᾽ πολυ´ τρωσις auf der spezifischen Tat Jesu Christi, nicht aber auf einer davon prinzipiell auch zu lösenden, allgemeinen Haltung gegenüber Gott, zu der dann sowohl Abraham als auch die Glaubenden fähig wären. Der gravierende Mangel an Kohärenz zwischen Rm *3 und Rm 4 lässt sich auch an Rm 4,16 zeigen. Nach Rm 4,16 ist die Abrahamverheißung für Abrahams gesamte Nachkommenschaft in Kraft. Allerdings wird πα῀ ν το` σπε´ ρμα dann differenziert in το` ε᾽ κ του῀ νο´ μου und το` ε᾽ κ πι´στεως ᾽Αβραα´ μ . Wer ist damit gemeint? Da Rm 4,11f die Nachkommen Abrahams anhand des Kriteriums der Beschneidung differenziert, könnte 4,16 die Juden und Judenchristen (als beschnittene Nachkommen ε᾽ κ του῀ νο´ μου ) auf der einen Seite den Heidenchristen (als den unbeschnittenen Nachkommen ε᾽ κ πι´στεως ᾽Αβραα´ μ ) auf der anderen gegenüberstellen. Allerdings werden nach Rm *3,30 περιτομη´ und α᾽ κροβυστι´α gleichermaßen ausschließlich durch den Glauben gerechtfertigt, wie ja auch Rm 4,12 darauf insistiert, dass οι῾ ε᾽ κ περιτομη῀ς dem Beispiel folgen, das Abraham mit seinem Glauben gab, als er noch unbeschnitten war - dies spricht dagegen, dass das σπε´ ρμα το` ε᾽ κ του῀ νο´ μου (4,16) Judenchristen bezeichnet. 81 Die Unklarheit ist unübersehbar. Noch schwieriger ist indes die Inkongruenz des Glaubensbegriffs. Während Rm 4 großes Gewicht auf den Nachweis der inhaltlichen und funktionalen Analogie zwischen dem Glauben Abrahams und dem der christlichen Adressaten legt, gilt dies mit Blick auf den Glauben Jesu (oder den Glauben an Jesus oder den jesusmäßigen Glauben) gerade nicht: In Rm 4 dreht sich alles um οι῾ ε᾽ κ πι´στεως ᾽Αβραα´ μ (4,16), wogegen οι῾ ε᾽ κ πι´στεως ᾽Ιησου῀ (*3,26) noch nicht einmal ansatzweise vorkommen - die Adressaten „glauben wie Abraham“, aber nicht „wie Christus“. Tatsächlich sind die Ausführungen zu Jesus und zu Abraham „in einem solchen Maße unterschiedlich, dass man fragen kann, ob es überhaupt eine Nötigung oder doch wenigstens eine Legitimation dafür gibt, πι´στις ᾽Ιησου῀ und πι´σστις ᾽Αβραα´ μ zu vergleichen.“ 82 Nur auf den ersten Blick könnte diese Spannung als Argument für das traditionelle (anthropologische) πι´στις -Verständnis 80 Zu der πι´στις Χριστου῀ -Debatte (in der das letzte Wort wohl noch nicht gesprochen ist) vgl. Ulrichs, Christusglaube (passim, mit Lit.); insbesondere zum Verhältnis zwischen Rm 3 und 4 Ulrichs, Christusglaube, 203-218. 81 Zu den Problemen und den unterschiedlichen Lösungen vgl. die Komm. z. St. (zuletzt Wolter, Rm, 299ff mit Lit.). 82 Ulrichs, Christusglaube, 206; vgl. auch Achtemeier, Faith, 89. 251 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion dienen. Denn der Glaube Abrahams wie der der christlichen Adressaten ist der Glaube an „Gott, der die Toten lebendig macht und das Nichtseiende ins Dasein ruft“ (4,17). Für Abraham ist dies der Glaube an die Möglichkeit zur Fortpflanzung, obwohl „sein Leib und auch Saras Mutterschoß erstorben waren“ (4,18), für die Christen ist es der Glaube an die Auferweckung Jesu als Bedingung ihrer eigenen Gerechtmachung (4,24b.25b). Aber der Glaube an Gottes Auferweckungsmacht, der in Rm 4 Abraham und die Glaubenden miteinander verbindet, ist für die Argumentation in Rm *3 völlig irrelevant - und zwar gleichgültig, ob man das Syntagma πι´στις ᾽Ιησου῀ subjektiv oder objektiv oder qualitativ versteht. Schließlich: Wenn man einmal die semantischen Spannungen zwischen den (ursprünglich) paulinischen Aussagen und den redaktionellen Ergänzungen wahrgenommen hat, fällt es nicht schwer, weitere Inkongruenzen zu identifizieren. Zwei letzte kleine Beobachtungen führen zurück zum Jak. Die erste bezieht sich auf den Glaubensbegriff in Rm 4,18-20: Das auf die Zukunft sich richtende Element des Verheißungsglaubens παρ ’ ε᾽ λπι´δα ε᾽ π ’ ε᾽ λπι´δι (Rm 4,18) ist für Paulus ansonsten genauso wenig belegt wie das Verständnis des Glaubens als nichtzweifelndes Vertrauen (4,20). Beide Elemente begegnen dagegen in der Definition von Hebr 11,1: Glaube ist das feste Stehen zu dem Erhofften ( ε᾽ λπιζομε´ νων υ῾ πο´ στασις ) und der Beweis für die Dinge, die man nicht sieht ( πραγμα´ των ε῎λεγχος ου᾽ βλεπομε´ νων ). In der folgenden Zeugenliste mit den Glaubenshelden des Alten Testaments werden diese beiden grundlegenden Elemente dann auch anhand von Abraham illustriert: Er zog aus seinem Vaterland aus, ohne zu wissen, wohin er käme (11,8); er hielt an der Verheißung der Nachkommenschaft fest und erhielt „durch den Glauben die Kraft zur Zeugung“ (11,11), obwohl er bereits „erstorben“ war ( νενεκρωμε´ νου , 11,12); und er brachte den Isaak dar, weil er bedachte, dass „Gott sogar von den Toten aufzuerwecken die Macht hat“ ( ε᾽ κ νεκρω῀ ν ε᾽ γει´ρειν δυνατο` ς ο῾ θεο´ ς ; 11,17-19). 83 Die sachlichen Analogien zu Abrahams Glauben zwischen Hebr 11 und Rm 4 liegen auf der Hand (werden allerdings nicht immer gesehen): Der Glaube an die Verheißung von Nachkommen 83 Bockmuehl, Abraham’s Faith, 372f, teilt einen interessanten Aspekt aus der patristischen Auslegung von Hebr 11,19 mit, demzufolge der letzte Halbsatz ( ο῞ θεν αυ᾽ το` ν και` ε᾽ ν παραβολ ͺ η῀ ε᾽ κομι´σατο ) nicht als christologische Referenz zu verstehen sei, also: „deshalb erhielt er ihn auch zurück als ein Sinnbild“, i. e. des gewaltsamen Todes und der Auferweckung Christi (so schon Bauer, Wörterbuch, 1238 [1]). Bei Clemens, Origenes und Theodoret finde sich dagegen eine Auslegung, die παραβολη´ (wie in Hebr 9,9) als prophezeiende „Vorabschattung“ und als Hinweis auf die Auferstehung versteht: „He considered that God was able even to raise him from the dead from which, in a foreshadowing ( ε᾽ ν παραβολ ͺ η῀ ), he did receive him back.“ Der Glaube Abrahams ist dann (trotz der πρα´ γματα … ου᾽ βλεπο´ μενα , 11,1) alles andere als blind, sondern kann die Opferung deswegen ins Auge fassen, weil er um die Auferweckung Isaaks weiß. 252 Matthias Klinghardt trotz der bereits „erstorbenen“ Körper (Hebr 11,12; Rm 4,19) 84 sowie die inhaltliche Bestimmung des Glaubens, dass Gott Totes lebendig macht (Rm 4,17; Hebr 11,19). Diese engen Entsprechungen zwischen Rm 4 und Hebr sind deswegen so wichtig, weil Hebr ein kanonisches Pseudepigraph ist 85 und sich auf die in der älteren Marcionitischen Ausgabe vorhandenen Paulusbriefe bezieht - darin gleicht er dem Jak, mit dem ihn ja noch Anderes verbindet. 86 Ein letzter Unterschied zwischen Rm *3 und 4 ist schon lange bekannt: Für (den historischen) Paulus liegt der alles entscheidende erwählungstheologische Unterschied zwischen dem Glauben auf der einen Seite und den Werken des Gesetzes auf der anderen. Wie immer man die ε῎ργα νο´ μου interpretiert (subjektiv, objektiv, qualitativ), 87 es sind immer die Werke des Gesetzes, und nur als solche haben sie für Paulus erwählungstheologische Bedeutung im Zusammenhang der sog. Rechtfertigungslehre. An irgendwelchen anderen Werken oder Taten ist Paulus nicht interessiert. Die Ansicht, dass Paulus ε῎ργα auch als Kurzform für ε῎ργα νο´ μου verwendet und beides unterschiedslos nebeneinanderstehe, beruht vor allem auf dem distinkt anderen Sprachgebrauch der Kanonischen Redaktion: In Rm 4 tauchen die ε῎ργα in lexematischen Kombinationen auf, in denen sonst die ε῎ργα νο´ μου verwendet werden: Der Irrealis von Rm 4,2a überlegt die Möglichkeit, dass Abraham ε᾽ ξ ε῎ργων gerecht gemacht worden wäre, was ja gar nicht der Fall ist, weil Gott ihm die Gerechtigkeit χωρι` ς ε῎ργων zugerechnet hat (4,6). Diese beiden Möglichkeiten sind auch in Rm 4,4f auf einer allgemeinen Ebene diskutiert, und auch hier ist „werken, Werke tun“ ( ε᾽ ργα´ ζομαι ) objektlos verwendet. Ebenfalls ohne Objekt tauchen die Werke in der charakteristischen Entgegensetzung „Gerechtigkeit ε᾽ κ πι´στεως / ε᾽ ξ ε῎ργων “ auch in Rm 9,31f auf, ebenso in Rm 11,5f die Rede der „Erwählung aus Gnade, nicht mehr aufgrund von 84 Rm 4,19: το` ε῾ αυτου῀ σω῀ μα [ η῎ δη ] νενεκρωμε´ νον ; Hebr 11,12: και` ταυ῀τα νενεκρωμε´ νου . Weitere Entsprechungen: (1) Das modale τ ͺ η῀ πι´στει , das die Handlung qualifiziert und das die einzelnen Listeneinträge markiert (zu Rm 4,19 vgl. Hebr 11,3.4.5.7.8.9.11.17.20.21.22.23. 24.28.30.31). (2) Sowohl in Rm 4,19 als auch in Hebr 11,12 wird Sara neben Abraham genannt. (3) In beiden Texten kommt das Element des gläubigen Räsonierens vor (Rm 4,19: τ ͺ η῀ πι´στει κατενο´ ησεν … ; Hebr 11,19: λογισα´ μενος ο῞ τι … ). (4) Beide Texte zitieren Gen 15,5 (Rm 4,19; Hebr 11,13); Rothschild, Guide, 542-544, hat diese Entsprechung als gezielte Bezugnahme interpretiert: Da Hebr 11,13 feststellt, dass die Nachkommen Abrahams, die „so zahlreich sind wie die Sterne des Himmels“ (Gen 15,5), allesamt „im Glauben gestorben sind“, sei es möglich, dass Hebr auf einen Einwand gegen Paulus’ Behauptung reagiere, dass der Gerechte aus Glauben „leben“ werde. 85 Rothschild, Hebrews. 86 Die Abhängigkeit des Jak von der Abrahamüberlieferung in Hebr 11 hatte schon vor mehr als 100 Jahren Bacon, Doctrine, 16.19, vertreten, der im Übrigen auf die engen Beziehungen zwischen Jak und Herm hinweist und daher einen römischen Ursprung für wahrscheinlich hält („as least as likely a place for its origin and preservation as any other“, 15). 87 Vgl. dazu Rapa, Meaning. 253 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion Werken“. Es wurde oben (s. Anm. 18) schon deutlich, dass die Ursprünglichkeit dieser Passagen auch aus anderen Gründen verdächtig ist; vermutlich haben sie in der Marcionitischen Ausgabe gefehlt und stammen von der Kanonischen Redaktion. Dieser Sprachgebrauch, der aus den erwählungstheologisch präzise definierten ε῎ργα νο´ μου der vorkanonischen Briefe (Rm *3,20.27f; Gal *2,16) kurzerhand irgendwelche unbestimmten ε῎ργα macht, begegnet bekanntlich auch in Jak 2: Der Abschnitt, der sich auf Paulus zu beziehen scheint, enthält gleich mehrfach die Opposition „Glaube - Werke“, die Entsprechung „Glaube - ohne (die) Werke“ sowie die Wendung „gerechtfertigt werden ohne Werke“. 88 An keiner Stelle sind die ε῎ργα als ε῎ργα νο´ μου näher qualifiziert: Dies ist nicht der Sprachgebrauch des historischen Paulus, sondern der der Kanonischen Redaktion. Mit Blick auf die diversen Auseinandersetzungen um die „guten Werke“ im Luthertum muss man sagen: Diese sprachliche Verunklarung der Kanonischen Redaktion hat für ein erhebliches Maß an (produktiven) Missverständnissen gesorgt. Deswegen ist abschließend noch nach ihrem ursprünglichen Sinn zu fragen. 3.3 Glaube und Werke bei Jakobus und Paulus: Ein inszeniertes Missverständnis Mit diesen Informationen zum Verhältnis „Jakobus und Paulus“ sowie zu den redaktionellen Ergänzungen innerhalb der Paulusbriefe lassen sich dann die Bedeutung und Funktion der Abrahamüberlieferung in Jak 2 relativ genau beschreiben. Denn eine Aussage wie Jak 2,24, dass ein „Mensch 89 aus Werken gerecht gemacht wird und nicht aus Glauben allein“, konstituiert einen klaren Widerspruch zu der These von Rm 4,5, dass dem sein „Glaube als Gerechtigkeit angerechnet wird, der keine Werke tut, sondern an den glaubt, der den Gottlosen gerecht macht.“ Jede synchrone Lektüre beider Texte muss auf diesen Gegensatz aufmerksam werden. Dies gilt umso mehr, als diese beiden Aussagen sich nicht unterschiedlichen Personen oder Situationen oder Überlieferungsschichten zuweisen lassen: Nach unserer Rekonstruktion gehören beide Aussagen auf der Ebene der Kanonischen Ausgabe direkt zusammen und verdanken sich auch derselben redaktionellen Hand. Das heißt: Auch wenn die doppelte und gegensätzlich erscheinende Inanspruchnahme Abrahams als Beleg einmal für die Rechtfertigung aus Glauben (Rm 4,22 usw.) und das andere Mal für die Recht- 88 Πι´στις - ε῎ργα : Jak 2,14.18. πι´στις - χωρι` ς τω῀ ν ε῎ργων : Jak 2,18.20.26. ε᾽ ξ ε῎ργων δικαιου῀σθαι : 2,21.24.25. 89 Die Verwendung des artikellosen Appellativums α῎ νθρωπος in Jak 2,24 ( ε᾽ ξ ε῎ργων δικαιου῀ται α῎ νθρωπος και` ου᾽ κ ε᾽ κ πι´στεως μο´ νον ) zielt direkt auf Rm 3,28 ( λογιζο´ μεθα γα` ρ δικαιου῀σθαι πι´στει α῎ νθρωπον χωρι` ς ε῎ργων νο´ μου ) und impliziert dieselbe Generalisierung: Die Leser sollen diese Aussagen aufeinander beziehen! 254 Matthias Klinghardt fertigung aufgrund seiner Werke (Jak 2,21) von der frühjüdischen Traditionsgeschichte gedeckt ist, müssen die Leser der Kanonischen Ausgabe in der Lage sein, diesen Widerspruch aufzulösen. Denn das (exegetische) Wissen, dass Abrahams Gerechtigkeit traditionell sowohl auf seinem Glauben als auch auf seinen Werken beruht, mit denen er diesen Glauben unter Beweis stellt, hilft nichts, wenn die apostolischen Autoritäten diese zusammengehörigen Aspekte nur als exklusive Alternativen zur Sprache bringen. Das Mittel zur Auflösung dieses Widerspruchs ist die Beobachtung, dass die These „Glaube ohne Werke ist tot“ (Jak 2,26) bzw. „Glaube wird nur durch Werke vollendet“ (Jak 2,22) keinen Widerspruch zu den erwählungstheologischen Aussagen im *Rm der Marcionitischen Sammlung konstituiert. Denn hier redet (der historische) Paulus ja nicht von unbestimmten Werken, sondern von den Werken des Gesetzes. Mit anderen Worten: Erst, indem die Kanonische Redaktion die präzise erwählungstheologische Alternative „Glaube - Werke des Gesetzes“ aus Rm *3 durch die semantisch unterschiedlich konnotierte Alternative „Glaube - Werke“ weiterführt und interpretiert, entsteht der direkte Gegensatz zu Jak 2: Der Widerspruch zwischen Rm 3f und Jak 2 ist von der Kanonischen Redaktion intendiert und inszeniert. Es gehört zu den von der Kanonischen Ausgabe erwarteten Leseleistungen, dass er wahrgenommen wird. Die Inszenierung ist raffiniert und muss komplexe Anforderungen erfüllen, die sich am leichtesten aus der Perspektive der implizierten Erstleser der (Kanonischen Ausgabe! ) ergeben. Denn wenn Jak ein kanonisches Pseudepigraph ist und sein Sinnpotential nur im Kontext der Kanonischen Ausgabe entfaltet, dann reicht es nicht, den Brief des Herrenbruders Jakobus einfach neben die Paulusbriefe zu stellen, um auf diese Weise die Stimmen der ersten Apostelgeneration zu komplettieren. Denn alle Leser haben die invektiven Beleidigungen vor Augen, mit denen Paulus die Jerusalemer - und auch Jakobus - überzogen hat und die das Bild apostolischer Eintracht erheblich stören. Jak trägt diesem Problem Rechnung, indem er den Streit zwischen Paulus und den Jerusalemern - und zwar auch in seiner Schärfe! 90 - plausibilisiert, zugleich aber erkennen lässt, dass er auf Missverständnissen beruhte. Beides leistet die Entgegensetzung von πι´στις und ε῎ργα in Rm 3f und Jak 2. 90 Den Erstlesern wird nicht entgangen sein, dass Gal 5,12 („Sie sollen sich ihn doch gleich ganz abschneiden! “) nur auf die Jerusalemer bezogen werden kann. Gal 2,12 identifiziert Jakobus als deren Haupttäter. Diese Zuweisung der Verantwortung für die Auseinandersetzung in Antiochia hat auch Act gesehen - und prompt dementiert (Act 15,24). Die Funktion dieses Dementis erschließt sich allerdings nur einer „kanonischen“ Lektüre des gesamten NT, bleibt aber innerhalb des Sinnhorizonts nur von Act funktionslos und unverständlich (vgl. Klinghardt, Aposteldekret, 97f). 255 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion Auf der einen Seite kann Paulus keine Position akzeptieren, die seine exklusive erwählungstheologische Alternative zwischen πι´στις und ε῎ργα νο´ μου aufweichen würde: Das hieße ja, dass Christus umsonst gestorben wäre (Gal 2,14), und erdordert den äußersten Protest, den Paulus ja für genau diesen Fall sogar einem „Engel aus dem Himmel“ androht (Gal 1,8). Für einen Apostelkollegen, selbst wenn er der Bruder Jesu ist, gilt dies noch mehr: Jeder Leser versteht, dass Paulus diese Position aufs Allerschärfste kritisieren musste. Wenn in der Kanonischen Ausgabe in Rm 4 die ursprüngliche Alternative πι´στις - ε῎ργα νο´ μου nur mehr in der allgemeinen Form πι´στις - ε῎ργα erscheint, und wenn gleichzeitig Jak 2 genau diese Alternative durch den Synergismus von Glaube und Werken bestreitet, dann erscheint die paulinische Invektive als berechtigt und wohl begründet: Weil Rm 4 den Eindruck erweckt, als seien unspezifische ε῎ργα dasselbe wie ε῎ργα νο´ μου , lässt sich die Forderung des Jak nach ε῎ργα auch als Forderung nach ε῎ργα νο´ μου interpretieren - und muss verurteilt werden. Auf der anderen Seite kann man sich der Haltung von Jak 2 mit der Forderung nach einem Synergismus von Glaube und Werken kaum verschließen. Ein untätiger Glaube wäre ja auch für Paulus inakzeptabel, weil der „Glaube in der Liebe wirksam“ wird (Gal 5,6) und auf diese Weise auch die Forderung des Gesetzes erfüllt (Gal 5,14). Die sublime Verschiebung von den „Werken des Gesetzes“ hin zu den „guten“ Werken der christlichen Existenz setzt daher sowohl Paulus als auch Jakobus ins Recht - und passt darüber hinaus die paulinische Theologie an die Bedürfnisse des 2. Jh. an. Denn es ist kaum vorstellbar, dass die Beschneidungsforderung, die der historische Jakobus erhoben hatte (Gal 2,12), für die heidenchristlichen Leser der Kanonischen Ausgabe im 2. Jh. noch ein Problem darstellte, wie umgekehrt der erwählungstheologische Rigorismus des Paulus bestenfalls ein akademisches Interesse gefunden haben dürfte. Indem die „Werke des Gesetzes“ als „Werke“ interpretiert werden, wird das Gesetz zum „vollkommenen Gesetz der Freiheit“ (Jak 1,25; 2,12) bzw. zum „königlichen Gesetz“ (2,8). Die „Werke“, die Jak 2 fordert, setzen keineswegs eine spezifische Toraobservanz voraus: Respekt vor Armen, Nächstenliebe, Verzicht auf Ehebruch und Mord, Barmherzigkeit - solches Verhalten ist normale, christliche Wohlanständigkeit. Das vollkommene Gesetz der Freiheit und sogar das königliche Gesetz, das sich aus der „Schrift“ ergibt (2,8), unterscheiden sich in materialer Hinsicht nicht von dem normalen christlichen Ethos einer städtischen Gemeinde im 2. Jh. Jak begründet daher auch nicht ein bestimmtes Verhalten damit, dass das Gesetz es so fordert; vielmehr zeigt er umgekehrt, dass das Gesetz nichts verlangt, was Christen nicht ohnehin tun. 91 Weil die ε῎ργα , die den christlichen Glau- 91 Auch darin entspricht die „Ethik“ des Jak den Vorstellungen von Act, wie insbesondere an den Forderungen des Aposteldekrets sichtbar wird: Was das Aposteldekret von den „Brü- 256 Matthias Klinghardt ben vollenden, kongruent sind mit dem, was der νο´ μος βασιλικο´ ς gemäß der Schrift fordert, verschmelzen beide Größen zum vollkommenen Gesetz der Freiheit, dem gegenüber die Unterscheidung „jüdisch oder christlich“ deshalb unangemessen ist, weil es den umfassenden Willen Gottes repräsentiert. Die Kanonische Redaktion hat in der Abrahamüberlieferung ein ideales Beispiel gefunden, um daran zu illustrieren: dass und warum Paulus und Jakobus sich heftig gestritten haben; dass die invektive Schärfe, die Paulus an den Tag legt, gerechtfertigt und nachvollziehbar ist; dass aber der Streit auf einem Missverständnis beruhte, weil Jak an keiner Stelle Toraboservanz oder gar Beschneidung forderte; dass die Alternative „Glaube oder Gesetz“ ohnehin obsolet ist, weil beide zum selben Tun anhalten; dass diese Auseinandersetzung sich nicht nur um ein spezifisches (und aus Sicht der Kanonischen Ausgabe und ihrer Leser: längst erledigtes) erwählungstheologisches Problem drehte, sondern aktuelle Fragen der christlichen Existenz behandelte, weil schon bei Abraham zum Glauben dessen tätige Bewährung dazugehörte; und natürlich: dass die beiden Teile der Schrift sich gegenseitig interpretieren und zum richtigen Verständnis aufeinander angewiesen sind. All diese Erkenntnisse sind für die Leser der Kanonischen Ausgabe völlig unproblematisch. Denn sie wissen aus der Erzählung Act 15,4ff, dass der Streit um die Beschneidungsforderung, der das Zerwürfnis in Antiochia zwischen Paulus und Jakobus ausmachte, schließlich (einträchtig und in sachlicher Diskussion, wie es sich für Apostelkollegen gehört) beigelegt wurde. Und deshalb verstehen sie die Bereitwilligkeit, mit der Paulus auf den Vorschlag des Jakobus einging (Act 21,26), als Beleg für die erfolgreiche Versöhnung. 4 Einige Ergebnisse Die vorstehenden Überlegungen sind nicht mehr als eine Skizze, die andeuten soll, welches Potential die These der Kanonischen Ausgabe für die Interpretation des NT bereithält. Abgesehen von vielen Einzelheiten sind vor allem zwei Einsichten wichtig und möglicherweise von Bedeutung für weiterführende Fragen. a. Abraham im Neuen Testament Die erste bezieht sich auf die Bedeutung der Abrahamüberlieferung im Neuen Testament. Auch wenn hier nur ein schmaler Ausschnitt der sehr viel umfangreicheren Tradition angesprochen wurde, ist deutlich geworden, dass zentrale dern aus den Völkern“ (Act 15,23) verlangt, ist kein Verhalten, das irgendeine Rücksichtnahme auf jüdische Lebensart erkennen lässt. Aber das Dekret wird mit der universalen Geltung der Tora begründet (15,21), und seine Verabschiedung wird mit gewaltigem Aufwand inszeniert. Zu diesem (nur scheinbaren) Missverhältnis vgl. Klinghardt, Aposteldekret, 101ff. 257 Abraham als Element der Kanonischen Redaktion Aussagen nicht schon bei (dem historischen) Paulus am Beginn der Überlieferung des Neuen Testaments stehen, sondern sich erst in späteren Stadien entwickelt haben. Die neutestamentlichen Aussagen zu Abraham lassen sich also nicht nur traditionsgeschichtlich als Rezeption der reichhaltigen hellenistischjüdischen Abrahamüberlieferung verstehen, sondern können einzelnen überlieferungsgeschichtlichen Stadien der Vorgeschichte des Neuen Testaments zugewiesen werden. Auf diese Weise wird ein differenzierter Blick auf die Theologiegeschichte des frühesten (vorneutestamentlichen) Christentums möglich. So haben die semantischen Veränderungen, die das Syntagma σπε´ ρμα ᾽Αβραα´ μ dabei durchlaufen hat, eine Entwicklung erkennen lassen, die von „leiblicher Abkunft“ im Sinn der ethnischen Zugehörigkeit zu Israel (2Kor *11,22) hin zu einem Verständnis führt, das nur supersessionistisch interpretiert werden kann (Gal 3,29), weil hier die Glaubenden an die Stelle der leiblichen Nachfahren Abrahams treten. Beide Bedeutungsaspekte sind auf der Ebene der Kanonischen Ausgabe innerhalb der Paulusbriefe nebeneinander belegt. Das Wissen um die begriffsgeschichtliche Entwicklung sollte allerdings davor warnen, diese Differenz in Richtung des paulinischen Sprachgebrauchs aufzulösen und den theologisch problematischen Aspekt zu unterschlagen. Angesichts der verschiedenen unterscheidbaren Überlieferungsstufen und der Bedeutung der Abrahamtradition für den „Endtext“ der Kanonischen Ausgabe ist deutlich: Die Vorstellung von Abraham als dem „Vater der Glaubenden“ ist nicht einfach ein religiöses Konzept neben anderen, das (zufällig) in verschiedener Ausprägung in mehreren Einzeltexten des Neuen Testaments belegt ist. Das Abrahamthema besitzt für die Kanonische Ausgabe vielmehr eine grundlegende theologische Bedeutung. Hier wird, deutlicher als bei manchen anderen Themen, ein zentrales Element der Theologie des Neuen Testaments sichtbar. Denn die hier behandelten Aspekte der Abrahamüberlieferung (Abrahamskindschaft; Gerechtigkeit Abrahams) haben ihre entscheidenden Ausprägungen erst auf der letzten Ebene der Überlieferungsgeschichte, der Ebene der Kanonischen Redaktion, erfahren. b. Textualität und Selbstreferentialität der Überlieferung Eine zweite - und durchaus überraschende - Einsicht bezieht sich auf den Charakter dieser Überlieferungsgeschichte. Für denselben Motivkomplex der Abrahamskindschaft hat sich eine doppelte Beeinflussung nahegelegt: Auf der einen Seite scheint das Thema „Freiheit - Versklavtsein (durch die Sünde)“ in Joh 8 von Gal *4,21-31 beeinflusst worden zu sein. Umgekehrt hat Joh 8 die späteren Weiterführungen auf der Ebene der Kanonischen Redaktion angeregt: So setzt die Metapher des Freikaufs (Gal 3,13) die Entgegensetzung von Sklaven und Freien mit dem Thema „Befreiung“ aus Joh 8 voraus; daneben wird die Betonung des 258 Matthias Klinghardt Tuns und der Werke (sechsmal ποιει ῀ν bzw. τα` ε῎ργα ποιει ῀ν in Joh 8,34-44) auf der letzten Stufe der Überlieferungsgeschichte, der Kanonischen Redaktion, in der besonderen Rolle der ε῎ργα in Rm 4 oder Jak 2 erkennbar. Dieses Verfahren lässt für die Art der theologischen Theoriebildung zwei wichtige Charakteristika erkennen. Zum einen ist dieser Prozess durch ein hohes Maß an Textualität geprägt: Bereits vor der Entstehung des Neuen Testaments wird Theologie durch die Rezeption, Redaktion und Produktion von Texten generiert. Zum anderen zeigt das genannte Beispiel von Joh 8, dass der Gang der Überlieferung sehr „eng gestrickt“ war. Die einzelnen Stadien der Überlieferungsgeschichte sind nicht einfach durch Wachstum und Ergänzung gekennzeichnet, sondern auch durch einen bleibenden Rückbezug auf die Anfänge der Überlieferung und durch redaktionelle Eingriffe in den jeweils älteren Bestand, mit denen die inhaltliche Kohärenz erhöht wird. Man mag einwenden, dass das hier erwähnte Beispiel die Beweislast für diese weitreichenden Schlussfolgerungen nicht tragen kann. Aber dieses Beispiel trägt die Einsichten nicht allein, sondern konvergiert mit anderen Beobachtungen. Denn zu dieser Art der Rückbezüglichkeit der Überlieferung auf ihre Anfänge und zu der Textualität der Überlieferung gehören auch die Phänomene, die Margaret Mitchell mit Blick auf die pseudepigraphen Briefe als „Pauline literary culture“ 92 bezeichnet hat. Da die Paulusbriefe in der Marcionitischen Ausgabe den einen, wesentlichen Grundstock der Überlieferung bilden, ist dies eine angemessene Beschreibung. Allerdings ist auch die Fortschreibung des anderen Teils dieser Sammlung durch dieselben Merkmale geprägt: Der Prozess der Evangelienüberlieferung vom ältesten, vorkanonischen Evangelium bis zum kanonischen Vier-Evangelienbuch ist durch ein hohes Maß an Textualität und den bleibenden Bezug der Überlieferung auf seine Wurzeln charakterisiert. 93 Die Behauptung, dass dies dann auch für die Abrahamüberlieferung gilt, die diese beiden Überlieferungsbereiche miteinander (und mit den Katholischen Briefen) verbindet, ist dann nicht zu weit hergeholt: Die früheste Ausbildung von Theologie geschieht durchweg im Rahmen einer „New Testament literary culture“. 92 Mitchell, Letter, 83. 93 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 363ff. Die dort gezogene Schlussfolgerung, dass in dem durch Textualität geprägten Prozess der Evangelienüberlieferung kein Raum für Oralität als traditionsprägendes Element ist (364f), würde ich für die hier genannten Bereiche aufrechterhalten. Kanonische Ausgabe und neutestamentliche Theologie Mögliche Konsequenzen einer textgeschichtlichen These Günter Röhser Meine Aufgabe ist es im Folgenden, über mögliche Konsequenzen der These einer Kanonischen Ausgabe des Neuen Testaments nachzudenken. „Möglich“ heißt: für den Fall, dass sie zutrifft. Ich werde also über die Konsequenzen einer These nachdenken, von deren Richtigkeit ich erst noch überzeugt werden will. Aber dies macht das Gedankenexperiment umso spannender. Der Begriff „neutestamentliche Theologie“ ist dabei bewusst gewählt. Denn innerhalb der möglichen Konsequenzen für die neutestamentliche Wissenschaft kann man zwischen exegetisch-historischen und theologisch-hermeneutischen (jeweils im engeren Sinne) unterscheiden - und natürlich auch nach deren innerem Zusammenhang (Hermeneutik im weiteren Sinne) fragen. Ich möchte mit zwei eher exegetischen Aspekten des Themas beginnen, die mir von zentraler Bedeutung zu sein scheinen, und mich von da aus auf die weiterreichenden Konsequenzen und Implikationen der These sowie die eigentlichen theologischhermeneutischen Fragen konzentrieren. 1 Zum Profil der textgeschichtlichen These Der Diskussionsstand, von dem die folgenden Überlegungen ausgehen und der als weitgehend bekannt vorausgesetzt wird, findet sich zum einen in den vorausgehenden Beiträgen des vorliegenden Sammelbandes, zum anderen ist er dokumentiert in dem forschungsgeschichtlichen Meilenstein, den David Trobisch mit seiner Untersuchung aus dem Jahre 1996 gesetzt hat, 1 sowie in der darauf aufbauenden, sachlich jedoch nicht davon abhängigen Untersuchung und Rekonstruktion des marcionitischen Evangeliums und der Entstehungsgeschichte der kanonischen Evangelien, wie sie Matthias Klinghardt jüngst vorgelegt hat 2 - 1 Trobisch, Endredaktion. 2 Klinghardt, Evangelium. 260 Günter Röhser verbunden mit einem bereits 2013 erschienenen Aufsatz desselben, in dem bereits grundlegende systematische Fragen zumindest angesprochen werden. 3 Die Linien, die in diesen Arbeiten angelegt werden, sind im Folgenden auszuziehen und theologisch weiter zu bedenken. Dabei wird sich zeigen, dass wir es hier nicht (nur) mit historischen und dogmatischen Spezialfragen, sondern durchaus mit grundsätzlichen Perspektiven auf das Neue Testament und seine Wissenschaft zu tun haben. 4 In zweifacher Hinsicht verschiebt sich das Koordinatensystem der neutestamentlichen Wissenschaft in den genannten Arbeiten in einem solchen Ausmaß, dass man von einem Paradigmenwechsel sprechen kann: 1) Sog. randständige Texte geraten ins Zentrum des Interesses, weil sie für das Verständnis des Ganzen („Neues Testament“) Schlüsselbedeutung besitzen. Das gilt für den pseudepigraphischen 2. Timotheusbrief mit seinem möglichen versteckten Hinweis auf den Herausgeber der Kanonischen Ausgabe (4,13: Karpos = Polykarp von Smyrna) 5 und den pseudepigraphischen 2. Petrusbrief mit seiner kanonischen Leitvorstellung (1,20f: Die gesamte Schriftprophetie geht auf Gottes heiligen Geist zurück und muss auch so verstanden werden; vgl. 2Tim 3,16) - beide positioniert und inszeniert als testamentarisches Vermächtnis des jeweiligen „Apostelfürsten“ - ebenso wie für scheinbar sekundäre Randbemerkungen wie Joh 21,25, wo - ungewöhnlich genug für die Evangelien (vgl. noch Lk 1,3) - Ich-Rede vorliegt und nach der Identität des Redenden fragen lässt, 6 oder die 3 Klinghardt, Inspiration. 4 Dasjenige von den deutschsprachigen Einleitungswerken, das sich am weitesten der These von der Kanonischen Ausgabe geöffnet hat, ist die „Einleitung in das Neue Testament“ von Ebner/ Schreiber. Der dortige, besonders spannend geschriebene Beitrag zum Thema (Ebner, Kanon) sei deshalb als allgemeine Einführung in die hier verhandelten Fragestellungen nachdrücklich empfohlen. 5 S. dazu Trobisch, Who Published, 33. 6 Das Verhältnis zwischen dem „Ich“ in Lk 1,3 und Joh 21,25 ist eine spannende Frage. M. E. liegen sie nicht ganz auf derselben Ebene, wie Klinghardt, Evangelium, 338 (vgl. 151f. 193) suggerieren könnte. Beide mögen sie zwar auf die Kanonische Redaktion zurückgehen. Aber in Lk 1,3 handelt es sich um den pseudepigraphischen Verfasser des lukanischen Doppelwerkes, der hier sprechen soll; hingegen mag das „Ich“ von Joh 21,25 zwar den damaligen Lesern bestens bekannt sein (so Trobisch, Who Published, 32; Trobisch, Endredaktion, 151; vgl. oben bei Anm. 5), es handelt sich jedoch nicht um dasselbe Ich wie in Lk 1,3 (so auch Trobisch, Endredaktion, 125 Anm. 2) und auch nicht um den in Joh 21,24 genannten pseudepigraphischen Verfasser (Lieblingsjünger). Dieser Unterschied verschwindet auch bei einer kanonischen Lektüre nicht - es sei denn, man wollte das „Ich“ von Joh 21,25 als dasjenige des „Lukas“ verstehen (welches ja auch unmittelbar anschließend - in Apg 1,1 - wieder das Wort ergreift). Jedenfalls hat das doppelte „Ich“ zur Folge, dass man weder vom kanonischen LkEv noch von der Kanonischen Ausgabe als Ganzer sagen kann, dass sie „anonym“ erschienen seien (weiter dazu: Droge, Did ,Luke‘ Write Anonymously? ). 261 Kanonische Ausgabe und neutestamentliche Theologie Verfasserangaben der neutestamentlichen Schriften (einschl. der Gesamtüberschriften „Das Alte Testament“ und „Das Neue Testament“). Dies bedeutet nicht, dass andere Aussagen jetzt weniger wichtig oder gar bisher völlig falsch verstanden worden wären; es bedeutet aber sehr wohl, a) dass die genannten Texte und Textelemente unentbehrliche Hinweise auf die Entstehung und Abzweckung der Kanonischen Ausgabe liefern; b) dass dadurch das gesamte Neue Testament unter einer neuen Perspektive erscheint: Einzelaussagen und -schriften sind Teil eines größeren Ganzen und müssen als solche ausgelegt, und d. h. in einen inhaltlichen und in einen Ereignis- oder Geschehenszusammenhang miteinander gebracht werden. Letzteres bedeutet auch, dass sie dem Leser bei aufmerksamer Lektüre eine Gesamtvorstellung von der Entstehung der einzelnen Schriften und dem Ablauf dessen, was sie erzählen oder berichten, vermitteln. Es müsste also zu einer entsprechenden (Neu-)Ausrichtung der exegetischen Bemühungen kommen. Und zwar nicht aufgrund der theologisch-hermeneutischen Entscheidung eines heutigen Auslegers, sondern weil die streng historisch verstandenen Texte und Textelemente - insbesondere die vermeintlich randständigen - dies fordern. Von besonderem Interesse ist zudem das lukanische Doppelwerk, das nach der Hypothese in engstem Zusammenhang mit der Kanonischen Ausgabe entstanden ist, und - von dessen Konzeption von „Heilsgeschichte“ ausgehend - die Frage nach der Gestalt des griechischen „Alten Testaments“, welches Teil der Kanonischen Ausgabe war (es ist uns nicht erhalten, dürfte aber den späteren, maßgeblichen altkirchlichen LXX-Handschriften sehr nahestehen). 2) Methodologisch kommt es zu einer neuen Verhältnisbestimmung von Text- und Überlieferungsgeschichte oder von Text- und Literarkritik. 7 In der Exegese sind wir es gewohnt, zunächst den Wortlaut eines Textes kritisch zu sichern und ihn dann ggf. einer literarkritischen Analyse zu unterziehen. Allenfalls überzeugte Anhänger der Urkundenhypothese in der Pentateuchkritik machen es noch umgekehrt: Sie weisen einen Text einer der großen Pentateuchquellen zu und bearbeiten ihn dann textkritisch. Aber auch sie vollziehen die beiden Arbeitsschritte nacheinander. Anders im vorliegenden Fall: Die literarkritische Entscheidung über die Zugehörigkeit von Textstücken fällt auf textkritischem Wege - durch die Untersuchung von Vorstufen (Marcions Evangelium und Apostolos) oder Varianten des kanonischen Textes. Anders gesagt: Erst durch die Rekonstruktion der Überlieferungsgeschichte ergeben sich vorkanonische und kanonische Textgestalt(en), z. B. ursprünglicher bzw. ältester erreichbarer Wortlaut des Markus-, Matthäus-, Johannesevangeliums (die auf dieser Stufe aller- 7 S. dazu Klinghardt, Evangelium, 188f. 371ff. 262 Günter Röhser dings noch nicht so hießen) einerseits sowie Endtext des Vier-Evangelien-Buches und Gesamttext der Kanonischen Ausgabe andererseits. 8 Die vorherrschende wissenschaftliche Arbeit am Neuen Testament verfährt aber ausschließlich textkritisch, d. h. sie sucht nach der mutmaßlich ältesten Textgestalt, und sie tut dies auf Einzelschriften statt auf den Gesamttext bezogen. Für unsere kritischen Standardausgaben des griechischen Neuen Testaments bedeutet dies aber nichts anderes als dass sie weder den ältesten erreichbaren Wortlaut der Einzelschriften noch denjenigen des kanonischen Textes bieten. In einer beträchtlichen Zahl von Fällen steht der kritisch zu sichernde kanonische Wortlaut nicht im Haupttext, in den übrigen Fällen steht der vorkanonische, älteste Wortlaut nicht im Haupttext. 9 Für das LkEv spricht Klinghardt sogar von „ungezählten textkritischen Entscheidungen“, in denen der NA-Text nicht den kanonischen Text, sondern Lesarten des „ältesten vorkanonischen Evangeliums“ enthält. 10 Andererseits muss der Wortlaut dieses „ältesten Evangeliums“, also des marcionitischen Evangeliums, 11 erst in einer aufwändigen Rekonstruktion hergestellt werden. Sollten sich diese Befunde bestätigen, so muss man von einer veritablen Grundlagenkrise der neutestamentlichen Wissenschaft sprechen. 12 Nun ist es prinzipiell nichts Neues, dass der griechische Text der biblischen Schriften erst durch kritische Arbeit gewonnen werden muss. Septuaginta und Neues Testament sind bekanntlich eklektisch hergestellte Texte und fußen nicht wie der masoretische Text der hebräischen Bibel auf einer bestimmten einzelnen 8 In einem methodologisch vergleichbaren Forschungsprojekt zu zwei verschiedenen Ausgaben des Ezechielbuches bezeichnet Ingrid A. Lilly (Two Books) diese Vorgehensweise als „coherence approach“. - Für das marcionitische Evangelium als Vorstufe des kanonischen LkEv s. besonders Klinghardt, Evangelium, Anhang I. 9 Von den bei Klinghardt, Evangelium, 313-338 besprochenen Fällen von Bearbeitungsspuren der Kanonischen Redaktion finden sich nach meiner Zählung beim MkEv 11 im NA-Haupttext (davon 3 in eckigen Klammern) und 5 nicht im Haupttext, beim MtEv 11 im Haupttext (davon 1 in Klammern) und 2 nicht im Haupttext, beim JohEv 11 im Haupttext (davon 1 in Klammern) und 3 nicht im Haupttext. Aufs Ganze gesehen aber gilt: Der kanonische Text findet sich eher im Textus Receptus als in den kritischen Ausgaben (Klinghardt, Evangelium, 112). 10 Klinghardt, Evangelium, 22. 11 Die These von der Priorität des Marcion-Evangeliums gegenüber dem LkEv und allen anderen Evangelien vertritt jetzt auch - unabhängig von Klinghardt - Markus Vinzent (Vinzent, Dating). 12 Näher dazu Klinghardt, Evangelium, 108-112. - Die den gegenwärtigen Konsens wiedergebende Feststellung von Hermann von Lips: „Die Diskrepanzen zwischen kanonischer Endgestalt und literarkritisch-traditionsgeschichtlichen Vorstufen sind für das Neue Testament nicht so gravierend, dass sich hier das Erfordernis einer kanonischen Exegese ergibt“ (Was bedeutet uns der Kanon? , 55), wäre in ihr Gegenteil zu verkehren: Die Diskrepanzen sind so erheblich, dass sich das Erfordernis einer kanonischen Exegese (nämlich auf der Ebene der Kanonischen Ausgabe) zwingend ergibt! 263 Kanonische Ausgabe und neutestamentliche Theologie Handschrift (welche eine „diplomatische“ Textausgabe ermöglicht). Natürlich bietet auch die Letztere bei weitem nicht den ältesten erreichbaren Wortlaut (wie die Qumranfunde gezeigt haben), doch ist die Unsicherheit bezüglich eines grundlegenden kirchlichen Bibeltextes von ganz anderer Art, da es im Falle des Neuen Testaments niemals einen ältesten kanonischen Wortlaut, vergleichbar dem masoretischen hebräischen, gegeben hat - oder besser gesagt: Falls es ihn gegeben hat, ist er nicht erhalten geblieben. Bis heute ist zwischen den Kirchen und Konfessionen umstritten, in welcher Sprache der Bibeltext kirchlich maßgeblich sein soll. Davon abgesehen vergrößert die Suche nach der Kanonischen Ausgabe nun noch einmal die Unsicherheit, indem sie auch den wissenschaftlich konsentierten Bibeltext (hier: der griechischen Bibel) von neuem in Frage stellt. Schrifttheologisch gesehen, bestätigt sie damit aber nur, was längst anerkannt ist: die geschichtliche Gewordenheit und Vorläufigkeit des Bibeltextes, die jede fundamentalistische oder biblizistische Inanspruchnahme der Bibel im Ansatz unmöglich macht. Wer sich auf die Bibel berufen will, muss deutlicher denn je sagen, auf welche Bibel er sich bezieht bzw. welchen Wortlaut in welcher Sprache er zugrunde legt und warum. Damit sind wir aber bereits bei den theologisch-hermeneutischen Fragen angelangt. 2 Kanonische Ausgabe und kanonische Auslegung Matthias Klinghardt hat bei seiner Charakterisierung der durch die Kanonische Ausgabe intendierten Lektüre Formulierungen gewählt, die stark an das Konzept der kanonischen oder (gesamt)biblischen Auslegung erinnern: Die „Sinnkonstitution“ erfordere, „das Neue Testament nicht als eine Sammlung von Einzeltexten zu lesen, sondern als einen Text, dessen Ursprungsdatum in der Mitte des 2. Jahrhunderts liegt. Erst die kanonische Lektüre, also eine Interpretation, welche die intratextuellen Querverweise und Kohärenzsignale ernst nimmt, kann beanspruchen, diesen Text (nämlich das gesamte Neue Testament als eine literarische Einheit) historisch adäquat zu verstehen.“ (Konsequenterweise müsste man an die gesamte Bibel denken.) Und weiter: „[D]er nur durch sehr dezente Hinweise gesteuerte Vorgang der Selbsterschließung bewirkt die unmittelbare Evidenz bei der Aneignung: Die Leser selbst sind die Urheber der von ihnen entdeckten Zusammenhänge. Aus diesem Grund ist ihre Wahrnehmung frei, zwanglos und unmittelbar.“ 13 Trotz einer gewissen begrifflichen Unschärfe bezüglich der „Urheberschaft“ von Sinn 14 ist doch klar, was gemeint ist: Der 13 Klinghardt, Inspiration, 348f. 14 Die „wesentlichen Elemente“ des Narrativs werden „nicht von einem ,Autor‘ behauptet“. - Der Herausgeber ist der „reale Autor dieses Narrativs“. - Die Leser sind selbst Autoren („Urheber der von ihnen entdeckten Zusammenhänge“, d. h. des Narrativs). - Alle Zitate Klinghardt, Inspiration, 348f. 264 Günter Röhser Herausgeber der Kanonischen Ausgabe ist nicht Autor der von ihm verknüpften Einzeltexte, sondern durch die Verknüpfungen (Querverweise, Kohärenzsignale, ggf. pseudepigraphisch verfasste Texte auch größeren Umfangs) Autor des heilsgeschichtlichen Transzendenznarrativs hinter den Texten. Da dieses ebendeshalb nicht als zusammenhängender Text greifbar ist, erschließt es sich den Lesern nur auf dem Wege „unmittelbare(r) Evidenz“ und ist deshalb „unverfügbar“. Es ist darauf angewiesen, von den Lesern „entdeckt“ und als wahr anerkannt und angeeignet zu werden; darin erweist sich zugleich seine Wirksamkeit. 15 Für die kanonische (oder biblische) Auslegung zitiere ich einige Sätze von Thomas Hieke, die denjenigen von Matthias Klinghardt am nächsten kommen: Der Kanon markiert als „literarischer Begriff“ „den ersten und privilegierten Kontext“, „in dem ein biblischer Text verstanden wird“. Vorher muss allerdings eine Entscheidung getroffen sein, „welche Kanonausprägung, also welche ,Bibel‘, der Auslegung zugrunde liegt“ (hebräische, christliche, Luther-Bibel usw.) - deswegen besser „biblische Auslegung“ genannt. „Die Sinnkonstituierung erfolgt [ … ] im Lektürevorgang, bei dem der Autor nicht anwesend ist und der Leser mit seinem jeweiligen Vorwissen zusammen mit dem Text als fester Zeichenfolge und dem jeweiligen literarischen Kontext, in dem der Text überliefert ist, ein Verständnis des Textes aufbaut.“ Bei der Textauslegung geht es „vor allem darum, die im Text selbst angelegten Strukturen und Strategien zur Leserlenkung aufzudecken, d.h. zu zeigen, welche Kriterien der Text selbst für eine angemessene und ,ökonomische‘ Lektüre aufstellt.“ 16 Die Übereinstimmungen sind deutlich: Gegenstand der Auslegung ist der neutestamentliche bzw. gesamtbiblische Text als eine literarische Einheit. Subjekte der Sinnkonstitution sind die Leserinnen und Leser, die sich dazu an Textsignalen, Strukturen oder Querverweisen im Text orientieren (die sich laut Hieke „besonders bei Übergängen und Endpositionen“ finden 17 ). Die Unterschiede sind jedoch ebenso deutlich und letztlich gewichtiger: Die biblische Auslegung achtet auf Sinneffekte, die sich allein aufgrund der Zusammenstellung der Texte im jeweiligen Kanon ergeben. Ihre Beobachtungen „notieren nicht Intentionen irgendwelcher Autoren oder Kompositoren des Kanons, sondern erfolgen deutlich auf der Ebene des Lesers, dem die christliche Bibel vor Augen steht und der offen ist für ,die gewaltige Synoptik der Bibel‘“ (Martin Buber). 18 So kann z. B. der 15 Klinghardt, Inspiration, 348f. - Einige Formulierungen und Überlegungen der folgenden Abschnitte habe ich aufgenommen und theologisch-hermeneutisch weitergeführt in: Röhser, Kanonische Schriftauslegung. 16 Hieke, Neue Horizonte, 65f. 17 Hieke, Neue Horizonte, 70. Er wählt dazu als Beispiel den „offenen Schluss“ der Apostelgeschichte (Apg 28,16-31). 18 Hieke, Neue Horizonte, 70. 265 Kanonische Ausgabe und neutestamentliche Theologie Abschnitt Offb 22,6-21 als „Schlussstein der christlichen Bibel“ interpretiert werden 19 - allein aufgrund von dessen faktischer Endposition am Schluss des Kanons und ohne dass der Autor der Johannesoffenbarung oder ein Kompositor des Kanons je daran gedacht hätten. Hingegen handelt es sich bei der kanonischen Lektüre im Sinne Klinghardts zunächst um eine streng historisch orientierte Aufgabe: Sie fragt nach dem, was die damaligen Leser der Kanonischen Ausgabe im Sinne von deren Herausgeber verstehen sollten. Deswegen betrachtet sie die Strategien zur Leserlenkung auch nicht einfach als durch die Zusammenstellung der Texte gegeben, sondern als durch die Hand des Herausgebers gezielt gesetzt und insofern rekonstruierbar. 20 Dem entspricht es, wenn Klinghardt auf die intratextuellen Verknüpfungen in der Kanonischen Ausgabe achtet, während die biblische Auslegung häufig - und zu Recht - auch als „kanonischintertextuelle Lektüre“ bezeichnet wird. Hierin kommt zutreffend zum Ausdruck, dass es sich bei der Kanonischen Ausgabe in noch viel höherem Maße um einen Entwurf aus einer Hand und um letztlich einen einzigen Text handelt als bei der gesamtbiblischen Auslegung, die einen Autor oder Herausgeber im literaturwissenschaftlichen Sinne gar nicht kennt. Theologisch kann man bei Letzterer allenfalls Gott selbst als den Urheber („Autor“) der Schrift und Garanten ihrer „Einheit“ identifizieren. Schließlich kann man die Kanonische Ausgabe noch mit dem Konzept einer (Gesamt-)„Biblischen Theologie“ vergleichen (die von der eben dargestellten „biblischen Auslegung“ durchaus zu unterscheiden ist): Hierbei handelt es sich um den Versuch späterer Ausleger oder moderner Interpreten, eine sog. „Mitte der Schrift“ zu bestimmen mit dem Ziel, eine insgesamt einheitliche Auslegung und Anwendung der Schrift sicherzustellen (z. B. „Sühne/ Versöhnung“ als biblisch-theologischer Schlüsselbegriff und inhaltliches Zentrum der ganzen Schrift bei Peter Stuhlmacher). 21 Diese „Mitte“ kann auch als „Kanon im Kanon“ bezeichnet werden - eine Bestimmung, die Klinghardt auch für sein Transzendenznarrativ gelten lässt: Es ist „[e]ine Metanorm zur Steuerung des Verständnisses der Einzeltexte“. 22 Allerdings kann diese nicht begrifflich fixiert werden 19 Hieke, Neue Horizonte, 71f. - Vgl. jetzt auch Toniste, The Ending. 20 In dieser einen Hinsicht (punktuelle Verortung einer theologischen Endredaktion) besteht Übereinstimmung mit der Hypothese von Theo K. Heckel (Vom Evangelium des Markus zum viergestaltigen Evangelium): Hier ist die Vierevangeliensammlung Gegenstand und Ziel einer profilierten redaktionell-theologischen Bearbeitung. S. dazu meinen „Buchreport“ (mit einem Vergleich von D. Trobischs Konzeption) in: ZNT 12 (2003), 77-79. 21 Vgl. Stuhlmacher, Biblische Theologie, und dazu meine ausführliche Besprechung: www.bookreviews.org/ pdf/ 5464 5758.pdf. 22 Klinghardt, Inspiration, 347. Vgl. Klinghardt, Evangelium, 345: „Auf diese Weise wird der Leser in die Lage versetzt, ein Metanarrativ der apostolischen Zeit aus den und hinter den wenigen, aber aussagekräftigen Informationen zu konstituieren.“ 266 Günter Röhser (wie „Sühne“, „Rechtfertigung“ o. ä.) und stellt auch keine Interpretationsleistung heutiger Theologen dar, sondern ein dem Text inhärentes theologisches Konzept des Herausgebers der Kanonischen Ausgabe. Auf diese historische theologische Konzeption (die zugleich eine historisch-theologische i. S. v. „heilsgeschichtlich“ ist) wäre jede heutige Bibelauslegung verwiesen und hätte sie als verbindlich zu betrachten, wenn sie sich an der mutmaßlich ältesten Gestalt des griechischen Bibelkanons orientieren will. Sie müsste es auch dann, wenn sie zeitlich später ansetzen will, denn alle späteren Bibelausgaben haben diese Konzeption der Kanonischen Ausgabe übernommen. Ihre Verbindlichkeit erhält sie gerade aufgrund der Unmittelbarkeit und Unverfügbarkeit des Narrativs, da sie ansonsten dem Streit der begrifflichen Interpretationen, Begründungen und Plausibilisierungsstrategien ausgesetzt wäre. Dies dürfte auch der entscheidende Grund dafür sein, warum die Kanonische Ausgabe als editorisches Ereignis keine Spuren in der Überlieferung hinterlassen hat: Der Herausgeber tritt nicht als autoritätsheischende Persönlichkeit auf; er tritt überhaupt nur indirekt, z. B. in pseudepigraphischer Verkleidung (wie in Lk 1,3), im Text selbst in Erscheinung. Dies ist die Voraussetzung für den langfristigen Erfolg der Kanonischen Ausgabe, die im 2. Jahrhundert eben noch lange nicht allgemein anerkannt war oder gar vermittelst zentralistischer Strukturen durchgesetzt worden wäre. 23 Dogmatisch gesehen, liegen hier die Anschlussstellen zur klassischen Lehre von der Heiligen Schrift und sichern den historischen Aufstellungen zur Kanonischen Ausgabe die systematisch-theologische Anschlussfähigkeit. Besondere Aufmerksamkeit verdienen folgende affectiones (Eigenschaften) der Heiligen Schrift nach der Lehre der altprotestantischen Orthodoxie (ohne die Unterschiede zum Konzept der Kanonischen Ausgabe zu übersehen): 24 a) auctoritas und perspicuitas: Hier sind die unverfügbare „Selbsterschließung“ des Transzendenznarrativs durch die Leser und ihre „Authentifikation der christlichen Bibel als ,Wort Gottes‘“ 25 offen für eine Deutung als Selbsterschließungs- und Selbstdurchsetzungskraft der Heiligen Schrift durch den Heiligen Geist (und insofern auch für die autoritätskritische Lehre von der Kirche als creatura verbi); b) facultas interpretandi semetipsam (in anderer Formulierung: sacra scriptura sui ipsius interpres): Auch diese Bestimmung lässt sich vor dem Hintergrund des inneren Verweissystems der Kanonischen Ausgabe (z. B. Autorenzuschreibun- 23 Dies sei deutlich gegen die Kritik von M. Hengel, G. N. Stanton u. a. gesagt (vgl. Hengel, Evangelien, 97 Anm. 282), die den Charakter des von Trobisch beschriebenen editorischen Unternehmens völlig verkennen. 24 Zum Folgenden vgl. Joest, Fundamentaltheologie, 155-158. 25 Klinghardt, Inspiration, 348f. 267 Kanonische Ausgabe und neutestamentliche Theologie gen als Kohärenzsignale) 26 neu lesen: Alles ist mit allem verbunden und kann auch von daher verstanden werden. Das Auffinden der inneren Bezüge eröffnet neues und tieferes Verstehen der Schrift. Der Entwurf einer „integrierenden“ neutestamentlichen und gesamtbiblischen Theologie wird neu zur Aufgabe theologischer Wissenschaft und überhaupt erst in neuer Weise möglich. Biblische Theologie muss mehr sein als ein chronologisch, thematisch oder nach Autoren geordnetes Nebeneinander und Vergleichen theologischer Einzelpositionen - und dies nicht erst aufgrund allgemeiner schrifttheologischer Überlegungen, sondern aufgrund der Beschaffenheit der ältesten kanonischen Urkunde, des „Neuen Testaments“, selbst. Abgesehen von der grundsätzlichen hermeneutischen Problematik (wie kann ein unmittelbares und umfassendes Verstehen der Schrift heute ermöglicht werden? ) 27 sind zwei wichtige Unterschiede zur altprotestantischen Auffassung zu beachten: Dort beziehen sich die affectiones direkt auf die verbalinspirierte Schrift (mit allen Konsequenzen, die das für die Auslegung der Texte hat), bei der Kanonischen Ausgabe sind sie durch das nicht-verbalisierte Transzendenznarrativ vermittelt und insofern offen für ein differenzierteres, an der Personalinspiration (nicht nur der realen Autoren und Herausgeber, sondern v. a. auch der Leserinnen und Leser) orientiertes Verständnis der Schrift. Bei den Orthodoxen dienen die Bestimmungen der Abwehr der Autoritäts- und Deutungsansprüche eines hierarchischen Lehramts, in der Situation des 2. Jahrhunderts dürfte dieses Thema keine Rolle gespielt haben. Allerdings ist wichtig, dass die Kanonische Ausgabe auch selbst kein Ausdruck eines hierarchischen Lehramts oder offizielles Projekt einer kirchlichen Autorität darstellt. Diese Auffassung und theologische Deutung setzt natürlich voraus, dass es - zumindest konzeptionell, nicht unbedingt physisch - ein solches „Buch“ mit dem Titel „Das Neue Testament“ tatsächlich gab, welches in der Mitte des 2. Jahrhunderts zu einem konkreten Zeitpunkt aus einem bestimmten Grund (dazu s. u.) veröffentlicht wurde. Mag man aus technischen Gründen daran zweifeln, dass diese Ausgabe am Anfang als einheitliches Buch, als ein einziger Codex existiert hat (schließlich sind aus der ersten Zeit nur Teilsammlungen belegt), 28 so wird man doch eine konzeptionelle Einheit des Ganzen - in mehreren Codices - für möglich halten. Deswegen sind auch die kritisch gemeinten Ausführungen von 26 Ausführlich dargestellt bei Trobisch, Endredaktion, 71-92. 27 Man denke nur an die heutige historisch-hermeneutische Unmöglichkeit, das Alte Testament einfach als direkte Prophetie auf Christus hin zu lesen. 28 Ebner, Kanon, 43. - Ob Tertullian mit den „vielen und umfangreichen opera atque documenta, die im Zeitalter der christlichen Religion herausgegeben“ worden seien (Adv. Marc. 4,4,2), auch auf diese Teilsammlungen anspielt? Zur Stelle vgl. auch Klinghardt, Evangelium, 37. 386. 268 Günter Röhser Jens Schröter zur Sammlung der neutestamentlichen Schriften nicht unbedingt ein Gegenargument gegen die Kanonische Ausgabe: „Die Vorstellung des ,Neuen Testaments‘ als eines Buches, in dem diese Schriften in einer autoritativen, beliebig oft in identischer Form reproduzierbaren Fassung versammelt sind, ist [ … ] erst mit der Erfindung des Buchdrucks entstanden. In den ersten Jahrhunderten des Christentums gab es keinen Codex, indem (sic! ) sich etwa die Evangelien gemeinsam mit den Paulusbriefen oder den katholischen Briefen befunden hätten.“ 29 Eine „autoritative“ und „beliebig oft in identischer Form reproduzierbare“ Ausgabe wollte „Das Neue Testament“ nicht sein, sondern eine literarische Antwort auf eine aktuelle Herausforderung. Und selbst wenn es den einen Codex nicht gegeben hat, so sind doch die von Trobisch beschriebenen Kohärenzmerkmale einer editio princeps ein starkes Argument für ein einheitlich konzipiertes und verstandenes „Buch“. Mit Schröter kann man formulieren: „Die historische und theologische Bedeutung des Kanons ist [ … ] erst dann zur Geltung gebracht, wenn der Kanon als theologiegeschichtliches Dokument gewürdigt und die in ihm befindlichen Schriften auf dieser Grundlage in ihrem kanonischen Zusammenhang ausgelegt werden.“ 30 Die differentia specifica liegt in dem unterschiedlichen Zeitpunkt, zu dem die Entstehung dieses theologiegeschichtlichen Dokuments angesetzt wird. Je näher er an die Entstehung der neutestamentlichen Schriften selbst herangerückt wird, desto dringlicher wird die Anforderung einer auch systematisch reflektierten kanonischen Theologie. 3 Kanon und historisch-kritische Hermeneutik Trotz der deutlichen Differenzen zwischen Kanonischer Ausgabe und kanonischer Auslegung besteht ein gemeinsamer Gegensatz zur herkömmlichen, auf die Auslegung biblischer Einzelschriften und -texte zielenden historisch-kritischen Hermeneutik. Deren theologisches Grundaxiom kann man mit Gerhard Barth folgendermaßen zusammenfassen: Die „Botschaft der biblischen Zeugen“ gibt es „immer nur in der Zuspitzung auf eine bestimmte geschichtliche Situation [ … ], immer nur ausgelegt und nie unausgelegt als zeitlose Wahrheiten.“ 31 Die Konsequenzen dieses Ansatzes habe ich in einem früheren Beitrag über Tendenzen der neueren Exegese einmal wie folgt formuliert: 29 Schröter, Jesus, 293. 30 Schröter, Jesus, 373 (Hervorhebung im Original). 31 Barth, Biblische Theologie, 398f. 269 Kanonische Ausgabe und neutestamentliche Theologie „Fundamentaltheologische Bedeutung als Quelle der Theologie und des Glaubens besitzt nicht der Kanon als solcher, sondern der einzelne biblische Prophet, Apostel oder Schriftsteller - angefangen von Mose und den Propheten, Psalmen- und Weisheitsdichtern bzw. deren Büchern und Büchersammlungen sowie den größeren Schriftwerken über Jesus bis hin zu den Briefverfassern und Evangelisten.“ 32 Das Hauptinteresse gilt „abgrenzbaren literarischen Einheiten [ … ], die sich einzelnen Autoren oder Autorengruppen mit profilierter Theologie zuweisen lassen.“ 33 Die gesamtbiblische oder kanonische Auslegung verzichtet demgegenüber entweder von Anfang an auf diese Fokussierung oder lässt sie auf einer bestimmten Stufe der Interpretation hinter sich, um die Texte in eine höhere Sinneinheit zu integrieren. 34 Auch bei der Kanonischen Ausgabe gilt das Interesse primär einer höheren Sinneinheit - nämlich dem Gesamttext und den Sinnbezügen, die sich innerhalb seiner Grenzen zwischen den einzelnen Schriften und Texten ergeben. Eine profilierte theologische Positionierung wird nicht nur den Einzelautoren der Schriften, sondern vor allem auch dem Herausgeber der Kanonischen Ausgabe zugesprochen, und deren Verständnis wird, da sie nur indirekt (als Hintergrundnarrativ) zum Ausdruck gebracht wird, als die primäre historisch-hermeneutische Aufgabe herausgestellt. 35 Nun ist eine kanontheologische Position natürlich nicht von vornherein und per se antihistorisch eingestellt oder gar festgelegt, und insofern kann dann das oben genannte historisch-kritische Grundaxiom auch auf die Entstehung des Kanons bzw. der Kanonischen Ausgabe und die damit verbundene „Botschaft“ angewendet werden. Ein Verständnis der Funktionsweise des Kanons und seiner einzelnen Schriften(gruppen) wird sich nämlich nicht ohne historische Rückfrage und Rekonstruktion seiner Entstehung entwickeln lassen. Bei der kanonischen Auslegung bzw. dem „Canonical Approach“ geht es dabei v. a. um text- und kanongeschichtliche Entwicklungen, wie sie von jeher auch Gegenstand der klassischen Einleitungswissenschaft gewesen sind - bei der Kanonischen Ausgabe hingegen v. a. um die einmalige und besondere historische Situation, in der sie entstanden ist. Diese ist gekennzeichnet durch die Auseinandersetzung mit Marcion und der marcionitischen Kirche und dem Versuch einer Antwort auf diese theologische Herausforderung in der Mitte des 2. Jahrhunderts. Fragt man 32 Röhser, Welt, 283f. 33 Röhser, Welt, 284. 34 Um ein neueres, etwas ungewöhnliches Beispiel zu nennen: David R. Nienhuis und Robert W. Wall (Reading the Epistles of James, Peter, John, and Jude as Scripture) interpretieren die kanonische Sammlung der Katholischen Briefe im Lichte der regula fidei nach Tertullian. 35 Insofern wären an meinen oben zitierten früheren Ausführungen gewichtige Revisionen vorzunehmen. 270 Günter Röhser nach der historischen Funktion oder Intention des Kanons, so bekommt man üblicherweise Antworten wie: Er ist Ausdruck des innerjüdischen bzw. innerkirchlichen Bemühens um Verständigung über die Grundlagen des gemeinsamen Glaubens und Lebens und somit ein Zeichen bereits vorhandener, aber immer wieder auch neu zu erreichender und möglichst zu erweiternder religiössozialer Einheit. Er dient damit der gemeinschaftlichen Identitätsbildung nach innen wie nach außen - in Konsolidierung und Abgrenzung gegenüber anderen Gemeinschaften, die sich auf abweichende (schriftliche oder nicht-schriftliche) Grundlagen beziehen. Oft wird angenommen, dass der Kanon heiliger Schriften zu liturgischen Zwecken geschaffen worden sei - das wird im Übrigen auch gerne von der Entstehung einzelner Schriften, v. a. der Evangelien, behauptet. Oder man nimmt sogar an, diese seien zu einer geradezu rituellen „Aufführung“ im Gottesdienst bestimmt gewesen (Performanzkritik). Definiert man nun „Kanon“ noch als normative und autoritative Sammlung heiliger Schriften, die in ihrem Umfang abgeschlossen und ein für alle Mal kirchlich fixiert ist, so zeigt sich gerade hier besonders die Differenz und das „Alleinstellungsmerkmal“ des neuen Ansatzes: Der Umfang der Kanonischen Ausgabe ist durch die aktuell (in der Herausforderung durch Marcion) zu vermittelnden und auszugleichenden Positionen bestimmt (für sie stehen v. a. Petrus und Paulus mit ihren Schülern sowie Jakobus und Johannes - nicht zu vergessen die Verbindung mit dem „Alten Testament“). Sie ist insofern Orientierung gebend, vielleicht sogar normativ - oder will es zumindest sein (was in den aktuellen Verhältnissen nur noch auf dem Wege pseudepigraphischer Verfasserbzw. Herausgeberschaft zu erreichen ist, um nicht in den Mahlstrom miteinander konkurrierender Interessen und Positionen zu geraten). Aber sie ist - wenn man so will - lediglich theologisch-literarisch-situativ „abgeschlossen“ (und in Codexform herausgebracht), nicht im kirchlich-dogmatisch-zeitübergreifenden Sinne - auch wenn faktisch keine weiteren Schriften mehr hinzugekommen sind und die Kanonische Ausgabe sich als abgeschlossene Sammlung heiliger Schriften in der Kirche weithin durchgesetzt hat. An dieser Stelle besteht die Gefahr terminologischer Verwirrung oder Unklarheit, insofern die Kanonische Ausgabe dem üblichen Kanonsbegriff nicht entspricht oder genügt. 36 Es empfiehlt sich daher, in modifizierter Form eine Unterscheidung heranzuziehen, die L. M. McDonald (im Anschluss an J. A. Sanders und G. T. Sheppard) vorgenommen hat: Als „canon 1“ wird bezeichnet jede „authoritative voice in written or oral form that was read and received as having 36 Zum Wesen von „Kanonisierung“ im üblichen Sinne gehört es geradezu, „jede Verankerung in der Geschichte“ zu vermeiden (Stemberger, Entstehung, 87; im Anschluss an A. Goldberg). Die Kanonische Ausgabe kommt dem immerhin insoweit entgegen, als ihr Herausgeber sich und seine konkrete geschichtliche Herausforderungssituation nicht explizit macht. 271 Kanonische Ausgabe und neutestamentliche Theologie the authority of God in it“ (norma normans). „Canon 2“ bezieht sich hingegen (als norma normata) auf „a perpetual fixation or standardization, namely, when the books of the Bible were fixed or stabilized.“ 37 Die Kanonische Ausgabe gehört in diesem Sinne wegen ihres Transzendenznarrativs und der ihm eigenen auctoritas 38 zur Kategorie “canon 1”. Zu beachten ist dabei: Sie beansprucht einstweilen nur, so etwas wie „Kanon“ zu sein (und repräsentiert auch weithin den zukünftigen „Kanon“), aber sie ist es (faktisch wie theoretisch) zum Zeitpunkt ihrer Entstehung noch nicht. Gleichwohl darf man sie aufgrund ihrer raschen Durchsetzung und „Erfolgsgeschichte“ 39 als einen „canon 1“ bezeichnen (deswegen wohl auch als „Kanonische Ausgabe“! ) 40 - wie übrigens die Schriftensammlung Marcions selbst im Blick auf seine eigene Gemeinschaft auch. Letztere konnte sich aber bei den Marcioniten nicht in gleicher Weise durchsetzen wie die Kanonische Ausgabe bei den Katholiken, sondern konnte ggf. durch weitere Schriften ergänzt werden (kein „canon 2“). 41 Vor allem aber - und dies bezeichnet den entscheidenden Unterschied zur herkömmlichen Sicht der Kanongeschichte - ist die Kanonische Ausgabe nicht Ausfluss oder Niederschlag eines sozialen oder kommunikativen Gedächtnisses oder das Ergebnis bischöflicher bzw. synodaler Entscheidungen auf einem langen, bei aller Konflikthaftigkeit aber doch gemeinsamen Weg, sondern eine im strengen Sinne individuelle theologische Leistung. Auch ist nicht erkennbar, dass diese Ausgabe für den liturgischen Gebrauch vorgesehen gewesen wäre - sie ist vielmehr ein rein literarisch-theologisches Diskursphänomen, dessen Entstehung und ursprüngliche orientierende bzw. normierende Intention nicht mit der späteren Rezeption verwechselt werden darf. Insofern beschreibt auch die Rede vom Herausgeber als dem „dritte(n) Gründer des Christentums“ ein Rezeptions- und kein Produktionsphänomen, wenn denn der „Kanon“ der Kanonischen Ausgabe tatsächlich theologisch-literarisch-situativ und nicht als „Verstetigungsphänomen“ verstanden werden soll. 42 37 McDonald, Biblical Canon, 55-58, die Zitate 55. 38 Es ist daran zu erinnern, dass es sich bei dieser „Autorität“ um die Selbsterschließungskraft des Schriftganzen und nicht um eine menschliche oder kirchliche Autorität handelt! 39 Diese lässt sich etwa an der Zahl und Qualität der Evangelien-Handschriften (Codices) im 2. und 3. Jahrhundert ablesen (s. dazu Hill, Four-Gospel Canon; zusammenfassend Schröter, Gospels, 44f). 40 So kann man der Kritik begegnen, dass man diese Textausgabe, „die bereits alle späteren neutestamentlichen Schriften enthielt [ … ] nicht ,kanonisch‘ nennen“ könne, „solange sie sich nicht allgemein durchgesetzt hat“ (von Lips, Der neutestamentliche Kanon, 67). 41 McDonald, Biblical Canon, 332f; Markschies, Haupteinleitung, 57. 42 S. dazu Klinghardt, Inspiration, 353 m. Anm. 51. - Dies schließt nicht aus, dass der normativ-theologische Anspruch der Kanonischen Ausgabe über den Tag hinausreicht und durchaus längerfristig angelegt ist. Aber erst der tatsächliche Erfolg macht sie zum „canon 1“ und schließlich auch zum „canon 2“. 272 Günter Röhser Damit ist schließlich auch über das Mündlichkeitsproblem entschieden - oder es ist zumindest in bestimmter Weise eingegrenzt -, das in der klassischen historischen Evangelienkritik eine so große Rolle gespielt hat. Es spielt für die Lösung der synoptischen und der johanneischen Frage endgültig keine Rolle mehr - auch nicht in Gestalt der sog. sekundären Mündlichkeit (second orality); es wird vielmehr eingegrenzt auf die Vor-Vorgeschichte (! ) der Evangelienschriften der Kanonischen Ausgabe und hat für deren Überlieferungsgeschichte und Verhältnisbestimmung keine Bedeutung mehr. 43 Richtig ist in der Tat: Je näher man die Entstehung der Evangelien zeitlich, räumlich und intentional zusammenrückt, 44 desto mehr nimmt die Bedeutung einer möglichen parallel weiterlaufenden mündlichen Überlieferung ab. Dabei scheint mir wichtig, dass gerade in dem uns beschäftigenden Zeitraum die Bedeutung der schriftlichen Überlieferung zunimmt und die Vorbehalte ihr gegenüber abnehmen. 45 Zwei so unterschiedliche Entwürfe zur Evangelienentstehung wie diejenigen von Armin D. Baum 46 und James D. G. Dunn 47 zeigen jedoch, dass auch darüber das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. 48 Vor allem in einer Hinsicht erscheint mir die radikale Ablehnung des „mündlichen Faktors“ (Baum) noch nicht ganz überzeugend: Klinghardt weist zu Recht darauf hin, mit der „Kategorie der Mündlichkeit“ würden „die kleinen und kleinsten Übereinstimmungen in den Formulierungen, die sich semantisch nur geringfügig oder überhaupt nicht auswirken, nicht erklärt“; 49 „stilistische Änderungen“, die „semantisch völlig unauffällig“ sind, belegten „das außerordent- 43 Klinghardts Urteil ist eindeutig und hart: „Mündlichkeit ist keine Kategorie, die legitimerweise zur Erklärung der Überlieferungsgeschichte der Evangelien postuliert werden kann“ (Klinghardt, Evangelium, 363). Die Beziehungen der Evangelien und ihrer Vorstufen zueinander sind ausschließlich schriftlich-redaktioneller Art; es gilt die „Suffizienz eines ausschließlich literarischen Erklärungsmodells für die Überlieferungsgeschichte der Evangelien“ (ebd.; vgl. die Bearbeitungsrelationen in den Diagrammen 8 bis 10 bei Klinghardt, Evangelium, 305. 311. 313). Das Modell sekundärer Mündlichkeit wird in einer Fußnote als „artifiziell“ abgetan (Klinghardt, Evangelium, 273 Anm. 2). 44 Klinghardt zeichnet das „Bild einer relativ geschlossenen und stark einheitlichen Überlieferung“ (Evangelium, 363), innerhalb derer „jedes einzelne Überlieferungsstadium alle jeweils verfügbaren älteren Texte verarbeitete“ (Evangelium, 366), und schlägt dafür „eine geographisch überschaubare Region“ (westliches Kleinasien oder Rom) vor (ebd.). 45 S. dazu Löhr, Mündlichkeit und Schriftlichkeit. 46 Rückkehr zu einer modifizierten Traditionshypothese: Alle Synoptiker schöpfen aus derselben mündlichen Quelle (Baum, Der mündliche Faktor; wichtige Ergänzung: Baum, Abschreibeverhältnis). 47 Wendung gegen eine einseitige Betonung des „literary paradigm” (Dunn, Oral Gospel). 48 Vgl. weiter Becker, Autorität; Eve, Behind the Gospels; Rodri ´guez, Oral Tradition. 49 Klinghardt, Evangelium, 9. 273 Kanonische Ausgabe und neutestamentliche Theologie lich hohe Maß der Textorientierung des redaktionellen Verfahrens“. 50 Gibt es aber nicht auch Fälle, die sich auf diese Weise nicht erklären lassen? Sollte etwa in der marcionitischen Urfassung von Lk 20,31 tatsächlich aphhe¯kan statt kate´lipon gestanden haben, 51 so könnte dies zwar das Auftreten von aphhe¯kan in Mk 12,22 und von aphhe¯ken in Mk 12,20 erklären, nicht aber die unterschiedliche Verwendung von aphhe¯ken in Mk 12,20 („er hinterließ keine Nachkommen“) und Mt 22,25 („er hinterließ seine Frau seinem Bruder“). Hier erscheint mir die Erklärung als Gedächtnisfehler im Rahmen mündlicher Überlieferung immer noch eine plausible Alternative zu sein gegenüber der Erklärung als redaktionelle Änderung des Matthäus. 52 Weitere Überlegungen und Beispiele für alternative Erklärungen zum literarischen Paradigma finden sich bei J. Dunn, die im Einzelnen geprüft werden müssten. 53 Schließlich bleibt noch der Hinweis auf Lk 1,1-4: Sicherlich sind es v. a. die schriftlichen Vorläufer, auf die „Lukas“ sich in V. 1 (und vielleicht auch V. 4) bezieht (in V. 1 ggf. auf das marcionitische Evangelium). 54 Daneben dürfte es aber immer noch die nächstliegende Erklärung sein, die „Augenzeugen und Diener des Wortes von Anfang an“ von V. 2 auch zu seinen eigenen Quellen zu rechnen, die er für seine Darstellung herangezogen haben will, und d. h. erklärtermaßen mit einem maßgeblichen, qualitativen Einfluss mündlicher Tradition auf die Abfassung des Evangeliums zu rechnen (V. 3f). Und auch die zuverlässigen „Worte“ oder „Lehren“, in denen Theophilus unterrichtet wurde (V. 4), können sich ebenso gut auf eine mündliche katechetische Unterweisung wie auf die schriftliche Evangelienüberlieferung beziehen. Die Frage nach dem prägenden Einfluss mündlicher Überlieferung auf die Gestalt der Evangelien bleibt also einstweilen offen - und damit auch die hermeneutisch interessante Frage, ob die Evangelien ursprünglich, d. h. von ihrer Entstehung her, eine größere Affinität zur Predigt (Verkündigen und Hören) oder zur Literatur (Schreiben und Lesen) hatten. Seit der These der Kanonischen Ausgabe und den diametral entgegengesetzten Ansätzen von A. Baum und M. Klinghardt wird man sich jedenfalls nicht mehr mit einem einfachen Sowohl-Als-Auch beruhigen können. Forschungsgeschichtlich erinnert bei Klinghardt manches an Walter Schmithals und seine Vorstellungen vom Ursprung der synoptischen Tradition und der 50 Klinghardt, Evangelium, 619 (die zitierten Formulierungen beziehen sich jeweils auf unterschiedliche Fälle im Rahmen von Lk 8,26-39parr). 51 So Klinghardt, Evangelium, 974f (vgl. 981 - wo in Seitenmitte zweimal „Mt 22,24“ zu „Mt 22,26“ korrigiert werden muss). 52 Das Beispiel finde ich bei Baum, Der mündliche Faktor, 69. 53 Dunn, Altering, 158-169. - Es wäre eine reizvolle Aufgabe, die hier und bei Baum (Abschreibeverhältnis) genannten Textbeispiele mit den Lösungsvorschlägen von Klinghardt zu vergleichen. 54 Vgl. Klinghardt, Evangelium, 154-159. 274 Günter Röhser Entstehung der Evangelien, ohne dass Klinghardt sich explizit mit ihm auseinandersetzt. 55 Darf man sich die Entstehung des ältesten = marcionitischen Evangeliums in etwa analog zu derjenigen der Grundschrift des MkEv nach Schmithals vorstellen? 4 Der „Sinnüberschuss“ der Einzelschriften in der Kanonischen Ausgabe Gehen wir einmal probeweise davon aus, dass der 2. Timotheus- und der 2. Petrusbrief tatsächlich erst im Zuge der Kanonischen Ausgabe entstanden sind - beide fingiert als jeweils jüngste, testamentarische Schrift des jeweiligen Apostels, als aus Rom kommend und nach Kleinasien adressiert (2Tim 1,15-18; 2Petr 3,1 i. V. m. 1Petr 1,1; 5,13) 56 -, so wird man doch sagen müssen: Selbst bei großzügiger Auslegung geht ihr konkreter Inhalt weit über dasjenige hinaus, was sich direkt auf das Konzept der Kanonischen Ausgabe und die Situation der Auseinandersetzung mit Marcion (Verhältnis Petrus-Paulus, Einbindung weiterer Evangelien und des Alten Testaments, Inspirationsaussagen) beziehen lässt. Oft sind die Ausführungen auch so unspezifisch und allgemein, dass sich ein Bezug schwer nachweisen lässt - was natürlich zu einem Teil auch eine notwendige Eigenschaft der Pseudepigraphie darstellt. Eher leuchtet da schon die heilsgeschichtliche ekklesiologische Konzeption der Apostelgeschichte samt lukanischer Vorgeschichte als in eine solche Situation gesprochen ein - wenngleich natürlich auch da, und in den Evangelien erst recht, eine Fülle von Stoffen erscheint, die sich nicht direkt darauf beziehen (lassen). Und das gilt etwa für weisheitliche und paränetische Traditionen im Neuen Testament insgesamt! Dieser Befund macht auf das grundsätzliche Problem aufmerksam, dass unter und neben dem Transzendenznarrativ die Einzelschriften und -texte des Kanons ein „Eigenleben“ führen, einen „Sinnüberschuss“ gegenüber der Metanorm besitzen 57 - ein Umstand, mit dem man auch im Rahmen der Kanonischen Ausgabe theologisch umgehen muss. Zunächst ergibt sich daraus (wie oben bereits festgestellt), dass man für ein angemessenes Verständnis des Kanons auf eine Rekonstruktion seiner Vorstufen (vorkanonische Teilsammlungen, Einzelschriften, 55 S. besonders Schmithals, Evangelien, 605. 623f. 56 Dies sind auch die beiden möglichen Brennpunkte für die Entstehung der Kanonischen Ausgabe (s. o. Anm. 44). - Die wichtige Untersuchung von Wolfgang Grünstäudl unterstützt jetzt die Spätdatierung des 2. Petrusbriefes (literarische Abhängigkeit von Justin und ApkPetr), verortet ihn aber jenseits der römisch-kleinasiatischen Verbindungen in Alexandrien (s. Grünstäudl, Petrus Alexandrinus). 57 Das ist die Umkehrung der üblichen kanontheologischen Perspektive, die von einem Mehrwert, einem Eigensinn oder einer intentio operis mit Blick auf den Kanon (und gegenüber den Einzelschriften) sprechen kann (oft auch als „Intertextualität“ beschrieben). 275 Kanonische Ausgabe und neutestamentliche Theologie ggf. mündliche Überlieferung) nicht verzichten kann - sowohl im Blick auf sein Gewordensein als solches als auch im Blick auf den Reichtum seiner Inhalte. Die schwierigste Frage von allen schließt sich hier gleich an - diejenige nach der spannungsvollen Einheit des Neuen Testaments oder gar der ganzen Bibel bzw., wie diese Frage von den Tradenten der Schriften und Sammlungen und v. a. vom Editor der Kanonischen Ausgabe gesehen wurde. Wir kennen diese Frage exemplarisch aus der Erforschung des Vier-Evangelien-Buches und der Evangelienharmonien; man kann sie prägnant so formulieren: Wurden die vier Evangelien nebeneinandergestellt, weil oder obwohl sie sich unterscheiden? Im ersten Falle handelte es sich um eine bewusste Wahrnehmung und Akzeptanz von Pluralität (vielleicht auch notgedrungen, weil sie in Teilen der Kirche bereits ein so hohes Ansehen hatten, dass man sie um der neu zu gewinnenden gemeinsamen Identität willen und der Selbstverständigung untereinander nicht mehr übergehen oder verändern konnte und wollte), im zweiten läge das Bewusstsein einer tieferen Einheit vor, die durch die Verschiedenheiten nicht beeinträchtigt wird und auf die Letztere zu beziehen sind. 58 Anders gefragt: Konnten sich Evangelienharmonien auf Dauer nicht durchsetzen (obwohl es sie bis in die Neuzeit gab 59 ), weil man an der Vielfalt der Jesusüberlieferung interessiert war (bzw. angesichts der faktischen Rezeption nicht anders konnte) oder weil man sie angesichts der erfahrenen oder unterstellten Harmonie der Evangelien schlicht nicht benötigte? M. E. kann man die Frage kaum (alternativ) beantworten. Auf der einen Seite stehen bei den Kirchenvätern die Wahrnehmung der „Widersprüche zwischen den Evangelien“ und ihr hartes Ringen um deren Beseitigung. 60 Auf der anderen Seite ergibt ihr Ringen nur einen Sinn, wenn sie von der tieferen Einheit der Evangelien und deren gegenseitigem Ergänzungsverhältnis bereits überzeugt sind. Gleichwohl halten gegnerische Stimmen die Schwierigkeiten ständig bewusst und werden zum Teil auch als sachlich berechtigt anerkannt. 61 58 Zum Problem vgl. Klinghardt, Evangelium, 367f. 59 Solche Bemühungen gibt es bis zum heutigen Tage auch in „wissenschaftlichen Kreisen“; vgl. etwa McKnight, Story of the Christ, Umschlagtext: „an account of the acts and words of Jesus that draws directly on the four biblical Gospels to form one continuous and compelling narrative“ (Hervorhebung GR). 60 S. dazu Merkel, Widersprüche; Merkel, Pluralität. 61 Eine vergleichbare Spannung gibt es bezüglich der unterschiedlichen Positionen, die in Mischna und Talmud nebeneinandergestellt werden. Auf der einen Seite sind sie bloße Entfaltung der Tora Moses vom Sinai, in der alles bereits enthalten ist (tiefere Einheit), auf der anderen Seite werden den rabbinischen Autoritäten aber durchaus auch neue Offenbarung und neue Einsichten zugetraut, die die bisherige Tradition weiterentwickeln und über sie hinausgehen (was zu bewussten und unvermeidlichen Widersprüchen führt). S. dazu meine Hinweise in: Röhser, ,Antithesen‘, 119 m. Anm. 35. 276 Günter Röhser Ein Hinweis von D. Trobisch vermag das Problem schön zu beleuchten. Er erwägt, die unterschiedliche Chronologie der Passionsereignisse in den Evangelien (Datierung der Kreuzigung Jesu auf den 14. oder 15. Nisan) mit dem sog. Osterfeststreit in Beziehung zu setzen (Todestag Jesu am jeweiligen Tag des Passaabends oder immer am Freitag vor dem Ostersonntag). 62 Das Nebeneinanderstellen von Synoptikern und Johannesevangelium in der Vier-Evangelien- Sammlung bedeutete dann ein bewusstes oder resignatives Geltenlassen unvereinbarer Positionen in dieser Frage, 63 die als solche auch wahrgenommen werden - ganz im Sinne der Aussage des Irenäus bei Euseb, Kirchengeschichte V 24,13: „Aber trotz dieser Verschiedenheit lebten all diese Christen in Frieden, und leben auch wir in Frieden. Die Verschiedenheit im Fasten erweist (griech. synhı ´ste¯mi) die Einheit im Glauben.“ Aber selbst diese Formulierung birgt noch die bleibende Spannung in sich; denn eigentlich müssten die jeweiligen zweiten Satzhälften vertauscht werden: Die Verschiedenheit im Fasten erweist (allenfalls) den friedlichen Umgang miteinander; die „Einheit im Glauben“ besteht trotz bleibender Verschiedenheit! Oder soll man verstehen: Das Zulassen der Verschiedenheit „lässt entstehen“ (oder gar: „begründet“, „bringt zustande“) die Einheit im Glauben? Für den Herausgeber der Kanonischen Ausgabe wird man dessen Positionierung im marcionitischen Streit vielleicht wie folgt rekonstruieren dürfen: Aus der Wahrnehmung einer konflikthaften Ausgangslage und der Berufung der Kontrahenten auf unterschiedliche, anscheinend gegensätzliche Schriften und Schriftensammlungen begibt er sich auf die Suche nach einer tragfähigen theologischen Lösung und Position und „entdeckt“ dabei eine tiefere Einheit in den fraglichen Zeugnissen (das Transzendenznarrativ), die ihn zur Herausgabe der Kanonischen Ausgabe sowie zu seinen Autorenzuschreibungen und sonstigen Eingriffen in die Texte motiviert und legitimiert. 64 Und diese Entdeckung kann von einer Mehrheit der Christen nachvollzogen werden und führt langfristig zur allgemeinen Durchsetzung der Kanonischen Ausgabe. In diesem Feld von Einheit und Spannung, von Harmonie und Widersprüchlichkeit bewegt sich das Verständnis von Kanonisierung in der frühen 62 Trobisch, Endredaktion, 158f; Trobisch, Who Published, 32. Vgl. ähnlich: Ebner, Kanon, 42. 63 Oder soll die redaktionelle Bemerkung Joh 21,24 doch die Überlegenheit der johanneischen Sichtweise zum Ausdruck bringen? Andererseits legitimiert der sogleich folgende Vers Joh 21,25 (vom Herausgeber der Vier-Evangelien-Sammlung bzw. der Kanonischen Ausgabe) wiederum die (begrenzte) Vielzahl der Darstellungen. 64 Dies hat zur Folge, dass die Geschichte der Konflikte in der Kanonischen Ausgabe präsent bleibt und der gefundenen Lösung gewissermaßen historische Tiefenschärfe verleiht. Dies entspricht wiederum ganz und gar der „Geschichtlichkeit“ als „Grundsignatur des kanonischen Transzendenznarrativs“ (Klinghardt, Inspiration, 352). 277 Kanonische Ausgabe und neutestamentliche Theologie Kirche. 65 Auszuschließen ist m. E. aber jegliche Hochschätzung von Unterschieden und Verschiedenheiten um dieser selbst willen (im Sinne postmoderner Vielfalt) oder die Begründung bleibender konfessioneller Trennungen oder unüberwindlicher theologischer Gegensätze mit der Uneinheitlichkeit des Kanons. 66 Dies mag nach der Auflösung der Einheit des Kanons in der Moderne und der Aufdeckung der pia fraus unseres Editors eine mögliche hermeneutische Option sein (die meinige ist es nicht! ), im Blick auf die Alte Kirche und deren Kanonverständnis (und auch dasjenige unseres „canon 1“-Editors) ist es ein absoluter Anachronismus. Der Kanon zeigt unter Umständen, wer und was alles in der einen Kirche Platz hat und Platz haben muss - aber eben in der einen Kirche, und diese ist sichtbar und auch institutionell verfasst. Und zu diesen Institutionen gehört am Ende auch das Vorhandensein eines Kanons, auch wenn er in seinem genauen Umfang, Wortlaut und der Reihenfolge der Schriften nicht immer völlig gleichbleiben muss. 67 Wie mit der Spannung von Einheit und Verschiedenheit im Kanon heute umzugehen ist, dazu hat Stefan Alkier kürzlich einen neuen Vorschlag vorgelegt, der m. E. Beachtung verdient. Im Anschluss an das Konzept der Dialogizität von Michail Bachtin entwickelt er ein Verständnis des Kanons als positionell qualifiziertem Pluralismus, das es ihm ermöglicht, sowohl seine Geschlossenheit und Verbindlichkeit als auch seine Polyphonie ernst zu nehmen. Die Schriften des Kanons „begrenzen sich [ … ] in ihren Geltungsansprüchen gegenseitig dadurch, dass sie durch ihre Einfügung in den neuen Zusammenhang des Kanons als eine neben anderen Stimmen verortet werden, die aber allesamt als Richtschnur des Glaubens gegenüber anderen, nicht kanonisierten Schriften positioniert werden.“ Aus dem Kanon könne man „lernen, nicht nur mit Diversität, sondern auch mit unaufhebbarer Differenz produktiv umzugehen.“ 68 Dieses Konzept (gegenseitige Ergänzung und Korrektur) könnte auch eine angemessene hermeneuti- 65 Markus Vinzent urteilt über die Kanonische Ausgabe im Sinne Klinghardts: Sie „lieferte Begründungen für Markioniten wie Nichtmarkioniten und formte eine Bewusstseinslage von wohldefinierten Ambiguitäten zwischen nicht nur komplementären, sondern auch widerstreitenden Schriften, die einen Kontrast bildeten zu der theologisch sehr viel eindeutigeren Version des markionitisch-paulinischen Neuen Testaments“ (Vinzent, Auferstehung Christi, 19). 66 Im Sinne des berühmten Diktums von Ernst Käsemann: „Der neutestamentliche Kanon begründet als solcher nicht die Einheit der Kirche. Er begründet als solcher [ … ] dagegen die Vielzahl der Konfessionen“ (zitiert nach: Käsemann [Hg.], Kanon, 131). 67 So hat sich z. B. der LXX-Text nach der Kanonischen Ausgabe immer wieder deutlich verändert (vgl. die großen Majuskelcodices; dazu: Tilly, Einführung, 109). 68 Alkier, Unerhörte Stimmen, 66f. - Vgl. als Anwendungsbeispiel zum Hebräerbrief und der Johannesapokalypse: Alkier, Hoffnung. - Von „kanonischer Dialogizität“ und einem „kanonisierten innerbiblischen Dialog“ sprach auch schon Erich Zenger (zitiert nach: Hossfeld [HG.], Systematik, 134. 154). 278 Günter Röhser sche Antwort auf die Entdeckung der Kanonischen Ausgabe sein - auch wenn dort das Ziel positioneller Vermittlung aufgrund des Transzendenznarrativs viel deutlicher ausgeprägt ist, als es in heutigen Entwürfen möglich zu sein scheint. 5 Kanonische Ausgabe, historischer Jesus und Altes Testament Nehmen wir noch einmal obige Feststellung zum Ausgangspunkt: Ein angemessenes Verständnis des Kanons ist ohne Kenntnis seiner Vorgeschichte nicht möglich. (Dass ein theologisches Verständnis des Kanons überhaupt als literarische Einheit und „Gesamtkunstwerk“ ohne eine solche Kenntnis möglich ist, ist damit nicht bestritten - dies will ja das Transzendenznarrativ des Editors gerade sicherstellen.) Die Rückfrage nach Jesus und der Rückbezug auf die hebräische Bibel gehören von Anfang an zu den Selbstverständlichkeiten historisch-kritischer Bibelhermeneutik. Beides gehört je auf seine Weise auch zur Vorgeschichte des Alten und des Neuen Testaments in der Kanonischen Ausgabe: Jesus als geschichtliche Person, deren Ursprungsimpuls sich der Christusglaube und damit letztlich die Entstehung des Kanons verdankt; die hebräische Bibel als Grundlage und Ausgangspunkt der griechischen Bibel (wobei die Erstere nicht unbedingt in jeder Hinsicht mit dem späteren masoretischen Text identisch sein muss). 1) Im Blick auf Jesus stellt sich in theologisch-hermeneutischer Hinsicht die Frage nach der Notwendigkeit und der erkenntnistheoretischen Möglichkeit einer historischen Erreichbarkeit der Gestalt Jesu und ihres Wirkens. In Bezug auf diese Frage ändert sich durch unsere textgeschichtliche These - nichts. Die Frage muss deshalb hier nicht weiter verfolgt werden. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass ihre Beantwortung durch die Entdeckung der Kanonischen Ausgabe nicht leichter wird. Je weiter die entscheidende Formationsphase der Evangelien und der Vier-Evangelien-Sammlung in das 2. Jahrhundert verlegt wird, desto dringlicher wird aus meiner Sicht die Frage nach der vorhergehenden mündlichen Überlieferung und ihren gestaltenden Faktoren - zumindest bis hin zum ältesten (Marcions) Evangelium. Sie kann dann aber auf dieser Basis und von diesem Ausgangspunkt her vielleicht noch einmal neu und anders gestellt werden. 69 Und es gehört auch nicht viel dazu, folgende Prognose zu wagen: Je stärker die Entstehung der vier Evangelien und des neutestamentlichen „Kanons“ als literarischer bzw. editorischer Vorgang verstanden wird, der v. a. mit der Kirchengeschichte des 2. Jahrhunderts zu tun hat, 70 desto stärker wird die 69 Entgegen der Skepsis von Klinghardt, Evangelium, 224f. 364f; auch in: Klinghardt/ BeDuhn/ Lieu, Marcion’s Gospel, 321: „The search for the ,historical Jesus‘, therefore, becomes a completely different, if not an impossible, task.” 70 Vgl. den programmatischen Aufsatztitel von D. Trobisch: Das Neue Testament im Lichte des zweiten Jahrhunderts. 279 Kanonische Ausgabe und neutestamentliche Theologie Neigung wachsen, sich theologisch wieder auf den symbolischen oder kerygmatischen oder gar den kirchlich-dogmatischen Christus zurückzuziehen, oder besser gesagt: zu konzentrieren - ungeachtet nachweisbarer Verbindungen zu den „Anfängen“. Die These von Markus Vinzent zur Entstehung des Glaubens an die Auferstehung Christi (v. a. ab dem 2. Jahrhundert) ist ja bereits ein eindrückliches Beispiel dafür, welche Freiheit theologisches Denken durch den „Verzicht“ auf vermeintlich unverrückbare „Anfänge“ und „Ursprünge“ gewinnt, 71 und der provozierende Vergleich der Apostelgeschichte mit einer Reiseerzählung von Karl May bei D. Trobisch 72 ist auch nicht gerade geeignet, die Zuversicht des historischen Forschers bezüglich der christlichen „Anfänge“ zu beflügeln. (Dass es sich bei der Apg v. a. um Theologie, nicht um Historie handelt, zeigt jetzt eine Bonner Dissertation von Nikolai Tischler - in dieser Hinsicht sind wir ebenfalls fast wieder bei der Bultmann-Schule angekommen. 73 ) Es bleiben fast nur noch die authentischen Paulusbriefe für die Rekonstruktion der Geschichte und Theologie des ältesten Christentums, und diese sind a) dafür nicht unbedingt repräsentativ (Auferstehung Christi! ), 74 und b) in ihrer mutmaßlich ältesten Textgestalt ebenfalls nicht mit dem Text unserer gängigen kritischen Ausgaben identisch. Hier muss also noch sehr viel Arbeit geleistet werden, um die Erforschung des historischen Jesus (dessen Kenntnis für jede christliche Theologie konstitutiv bleibt) und der Geschichte des Urchristentums auf eine neue Grundlage zu stellen. Insbesondere die Entwicklung des jüdisch-christlichen Verhältnisses, welche derzeit v. a. unter dem Vorzeichen des „parting of the ways“ verhandelt wird, 75 erscheint in einem völlig neuen Licht. Denn diese Beschreibung einer allmählichen Entwicklung wäre dann zunächst einmal eine Konstruktion des 2. Jahrhunderts, insbesondere der Apostelgeschichte mit ihren gegen Marcion gerichteten Integrations- und Harmonisierungsbemühungen, und nicht die Beschreibung eines tatsächlichen historischen Verlaufs. Dies wird besonders am Umgang mit dem Konflikt zwischen Paulus und den Jerusalemer Autoritäten (Gal 2,1-14) deutlich, den „Lukas“ durch seine Darstellung des sog. Apostelkonzils entschieden zu entschärfen sucht. „Unter dem Gesichtspunkt der Harmonisierung bildet die Schilderung vom Apostelkonzil den Mittelpunkt der Apostelgeschichte (Apg 15,1-29), aus Sicht der Endredaktion der Kanonischen Ausgabe bildet das Apostelkonzil vielleicht sogar den Mittel- 71 Vgl. Vinzent, Auferstehung Christi. 72 S. dazu Trobisch, Die narrative Welt der Apostelgeschichte. 73 Tischler, Diener des höchsten Gottes. 74 Auch wenn Paulus selbst auf seine Übereinstimmung mit der urchristlichen Tradition und den anderen Aposteln den größten Wert legt (1Kor 15,3.11). 75 Vgl. Dunn, Partings. 280 Günter Röhser punkt des Neuen Testamentes. Keine andere Textstelle dokumentiert die völlige Übereinstimmung der neutestamentlichen Autoren, das sind der Kreis um Paulus und der Kreis um Petrus, so wirkungsvoll wie der Bericht von dem Treffen und der Verabschiedung einer gemeinsamen Resolution.“ 76 2) Im Blick auf die hebräische Bibel stellt sich in hermeneutischer Hinsicht die Frage nach der Autorität des hebräisch-aramäischen Textes. Welcher Text ist kanonisch bzw. soll die Grundlage des Kanons sein? (Das Problem stellte sich ja nicht erst bei der Lutherübersetzung, sondern auch schon bei der Vulgata.) In Bezug auf diese Frage verschieben sich durch unsere textgeschichtliche These beträchtlich die Gewichte: Das Alte Testament der Kanonischen Ausgabe ist griechisch und diesem Text käme demnach die höchste Verbindlichkeit zu. Bedauerlich ist nur, dass wir diesen Text nicht haben und er nur näherungsweise mit den (früheren und späteren) Septuaginta-Handschriften übereinstimmen dürfte. 77 Dies ändert aber nichts daran, dass er der älteste normative Text des christlichen Alten Testaments ist bzw. war 78 - nicht das Vetus Testamentum in Novo receptum, 79 nicht die ursprüngliche „Septuaginta“ (als jüdischer Kanon) 80 und schon gar nicht der hebräische oder der lateinische Text. Als überraschendes Nebenprodukt ergibt sich die Einsicht: Die östliche Christenheit steht mit ihrer Wertschätzung, ja Kanonizität der LXX der Sache bzw. dem Ursprung am nächsten; jede Übersetzungsrevision des Alten Testaments, die am hebräischen Text orientiert ist, ginge hingegen eher in eine andere Richtung. 81 Dies mag Anlass sein zu einigen fundamentaltheologischen Feststellungen: Gegenstand einer dogmatischen Festlegung sollte in den christlichen Kirchen immer nur der Bezug auf die Heilige Schrift als solcher sein, niemals jedoch Aussagen über den genauen Umfang, Wortlaut oder die Sprache dieser Heiligen Schrift. „Letzten Endes ist die Botschaft wichtiger als der Wortlaut in der Ur- 76 Trobisch, Endredaktion, 131. 77 Möglich wäre auch, dass die Bezeichnung „Septuaginta“ und die genaue Zusammenstellung und Aufzählung ihrer Schriften überhaupt erst eine christliche Schöpfung gewesen ist (so Markschies, Haupteinleitung, 29. 37). 78 Zur Integration des Alten Testaments in die christliche Bibel als Teil der Kanonischen Redaktion s. Trobisch, Endredaktion, 98-100; Klinghardt, Evangelium, 35f. 137-139 sowie die instruktiven Schaubilder bei Ebner, Kanon, 23, und Klinghardt, Evangelium, 370; ferner Vinzent, Auferstehung Christi, 145f. 79 Dieser Ansatz ist maßgeblich mit dem Namen Hans Hübners verbunden (vgl. Hübner, Vetus Testamentum; Hübner, Biblische Theologie). 80 Zu deren Entstehung s. Aejmelaeus, Septuaginta. 81 Vgl. die instruktive Kontroverse in ZNT 26 (2010) zur Frage „Verlangen die Schriften des Neuen Testaments danach, den Kanon des Alten Testaments an der LXX auszurichten? “: Adrian Schenker, Das Neue Testament hat einen doppelten alttestamentlichen Kanon. Von der Ebenbürtigkeit des Griechischen (51-54); Stefan Schorch, Vom Vorrang des Hebräischen (55-59). 281 Kanonische Ausgabe und neutestamentliche Theologie sprache.“ 82 Wenn solche Dinge gleichwohl in einer bestimmten Konfession oder Kirche als verbindlich festgelegt werden, so ist dies Ausdruck der jeweiligen kirchlichen Identität und gehört in den Bereich der kirchlichen Ordnungen, ist aber nicht konstitutiv für das Kirche-Sein der jeweiligen Gemeinschaft und darf deswegen auch keinen kirchentrennenden Charakter besitzen. Insofern spricht auch nichts dagegen, in Theologie und Kirche dem hebräischen Text des Alten Testaments und jeder späteren Übersetzung in eine andere Sprache eine vom griechischen kanonischen Text abgeleitete Autorität zuzuerkennen. Letztlich zählen auch bei der Kanonischen Ausgabe nicht die griechische Sprache, sondern der Inhalt der Schriften und das nicht-verbalisierte Transzendenznarrativ. Dem hebräischen Text kommt als Grundlage und Ausgangspunkt des AT-Textes in der Kanonischen Ausgabe sowie aus theologischen Gründen der Verbundenheit mit dem Judentum ohnehin noch einmal eine ganz besondere Dignität zu - wenn auch kein „Vorrang“. Deswegen bleibt es dabei: Trotz der schwierigen historischen Fragen zur Entstehung und trotz der Schlüsselstellung des griechischen AT-Textes stellt die These der Kanonischen Ausgabe in hermeneutischer Hinsicht keinen Paradigmenwechsel dar. Sicherlich ist mit der Sprachenfrage ein sensibles Thema angesprochen. Es steht der Vorwurf im Raum, die besondere Beachtung des griechischen Alten Testaments gegenüber dem hebräischen Text könne Antijudaismus befördern. Allein die masoretische Textgestalt könne in der Kirche theologisch verbindlich sein. 83 Nun hindert nichts daran, in der Kirche eine solche theologische Entscheidung zugunsten der hebräischen Bibel aufgrund des besonderen Verhältnisses zum Judentum zu treffen und zu praktizieren - in Aufnahme und Neubegründung der Entscheidung, die bereits Luther in seiner Bibelübersetzung zugunsten des hebräischen Kanons getroffen hat. Dies ändert aber nichts daran, dass das griechische Alte Testament integraler Bestandteil der ältesten christlichen Bibel - also der Kanonischen Ausgabe mit ihrem Transzendenznarrativ - ist und insofern auch theologische Dignität beanspruchen darf. Gerade der „Schriftbezug“ des Neuen auf das Alte Testament erschließt sich v. a. von der Septuaginta her, die in der Zeit der Entstehung der neutestamentlichen Schriften die maßgebliche „heilige Schrift“ darstellt (in welcher Zusammenstellung und Vollständigkeit auch immer). 84 Und was den Vorwurf des Antijudaismus angeht, 82 Aejmelaeus, Septuaginta, 326. Vielmehr muss Apg 2,6.8-11 („ein jeder in seiner eigenen Sprache“) gelten. - Anders als das Tridentinum haben die Alte Kirche und die Reformationskirchen niemals eine dogmatische Lehrentscheidung über den genauen Umfang und die konkrete Textgestalt des Kanons getroffen. 83 S. exemplarisch Crüsemann, Wahrheitsraum. 84 Vgl. dazu Lk 24,44 (Mosegesetz, Propheten, Psalmen). - Im Rahmen der Kanonischen Ausgabe ist damit das ganze Alte Testament (V. 27: „alle Schriften“) gemeint. 282 Günter Röhser so kann man nur darauf hinweisen, dass die griechische Übersetzung der jüdischen Schriften für die Bedürfnisse der jüdischen Gemeinschaft selbst (in Alexandria) verfasst worden ist, 85 sowie darauf, „dass die LXX mindestens ein volles Jahrtausend lang - parallel zum Christentum - das Judentum als Heilige Schrift wesentlich bestimmt hat. Erst gegen Ende des 1. Jt. n. Chr. wurde die LXX parallel zur Ausgestaltung des masoretischen Textes in Babylon in den Hintergrund gedrängt. Die Argumente, die dabei vorgetragen wurden, waren beileibe nicht antichristlich, sondern innerjüdisch, da man inzwischen herausgefunden zu haben glaubte, dass der König Ptolemaios den Übersetzern einige Änderungen aufgezwungen haben könnte.“ 86 Ja, wenn man davon ausgeht, „dass letztlich die LXX den hebr. Textstatus des 3.-1. Jh. v. Chr. im Modus der Übersetzung konserviert hat, dann ist die christliche Entscheidung für die LXX wahrscheinlich die Entscheidung für die ältere und ursprünglichere Textform.“ 87 So kann man festhalten: „In der Entscheidung der Kirche für die jüdische LXX ist keinerlei Annektionsgebaren zu erkennen, wie umgekehrt eine Entscheidung für die hebraica veritas keinerlei projüdische Haltung impliziert.“ 88 Der Vorwurf des Antijudaismus geht also zumindest in historischer Hinsicht ins Leere, und das Achten auf mögliche antijüdische Ressentiments ist eine beständige Aufgabe theologischer Forschung und Lehre - ungeachtet einzelner historischer Ergebnisse. 6 Fazit Die These von der Kanonischen Ausgabe bedeutet tatsächlich ein neues „Altering of the Default Setting“ (so J. Dunn mit Blick auf die Oralitätshypothese) 89 - allerdings nicht so sehr in theologisch-hermeneutischer, sondern in historischer Hinsicht. Zumindest von einem Paradigmenwechsel wird man nur in letzterer Hinsicht sprechen können, insofern es um veränderte Grundlagen für die neutestamentliche Textkritik geht (Verbindung mit der schriftlichen Überlieferungs- 85 Aejmelaeus, Septuaginta, 317. 86 Fabry, Kanongeschichte, 684. - Zur Auseinandersetzung mit dem Vorwurf antijüdischer Ressentiments in der Septuaginta-Forschung und mit der Position F. Crüsemanns s. auch Kraus, Relevanz, 10-13. 87 Fabry, Kanongeschichte, 696. 88 Fabry, Kanongeschichte, 697. 89 Dunn, Altering; wieder abgedruckt in: Dunn, Oral Gospel, 41-79. 283 Kanonische Ausgabe und neutestamentliche Theologie geschichte und Etablierung eines neuen griechischen NT-Textes). In hermeneutischer Hinsicht verschieben sich die Gewichte hin zu einer auch historisch begründbaren Notwendigkeit einer kanonischen Theologie, aber die theologischen Grundfragen, die beantwortet, und die Grundentscheide, die getroffen werden müssen, bleiben dieselben (Schriftverständnis, Kanonsverständnis, Bedeutung des Alten Testaments, historischer Jesus und dogmatischer Christus); die beiden Kanonteile behalten ebenso wie die Einzelschriften ihr Eigengewicht und ihre theologische Bedeutung. Man wird nur darauf achten müssen, dass man nicht theologische Tendenzen befördert, die man vielleicht nicht befördern will: historischen Skeptizismus, eine uniformierende kanonische Schriftauslegung oder gar kirchlich-dogmatische Exegese. Die Frage nach der theologischen Bedeutung der Ursprachen wird man insgesamt relativieren müssen; das griechische AT (die Septuaginta) erfährt jedoch im Rahmen des Gesamtkanons eine Aufwertung (daneben bleibt natürlich für die Exegese der hebräische Text von grundlegender Bedeutung). Nebenbei muss man auch damit rechnen, dass aufgrund der zeitlichen und inhaltlichen Nähe zu Marcion die Gnosis- und (Anti-)Doketismus-Hypothesen zur Erklärung der neutestamentlichen Schriften (ab dem ersten Drittel des 2. Jahrhunderts? ) wieder neu aufgerollt werden (müssen). Und im Übrigen hat die katholische Kirche schon immer gewusst, dass letztlich alle Wege nach Rom führen - jetzt nun also auch die Entstehung des Neuen Testaments und des Kanons? - Um dieser naheliegenden Konsequenz zu entgehen, muss man auf zweierlei hinweisen: Rom ist nur eine Hypothese; es kommen auch andere Orte in Frage. Vor allem aber ist die Edition der Kanonischen Ausgabe nicht als eine „Leistung“ oder Lebensäußerung der katholischen „Amtskirche“, sondern als ein individueller Beitrag zu ihrer Entstehung zu bewerten. Im Übrigen unterliegt dieser Beitrag natürlich ebenfalls jener unaufhebbaren Wechselseitigkeit von Kirche und Kanon, die im ökumenischen Dialog noch weitaus besser erschlossen werden muss: Auch die Leistung des Herausgebers der Kanonischen Ausgabe verdankt sich natürlich einer vorlaufenden kirchlichen Traditionsbildung und ist nur im Raum der Kirche möglich gewesen - auch wenn natürlich zur Zeit der marcionitischen und gnostischen Krise gerade die Zugehörigkeit verschiedener christlicher Richtungen und Strömungen zu der einen Kirche strittig gewesen ist. Aber auch die Kanonische Ausgabe ist - wie ihre „Gegner“ - nicht aus dem Nichts, nicht im luftleeren Raum entstanden, sondern steht innerhalb einer geschichtlichen Entwicklung und Herausforderung, die gerade aus theologischen Gründen immer besser verstanden werden muss. Fundamentaltheologisch stehen wir hier bei dem Thema von „Schrift und Tradition“. 90 Die Frage lautet: Spricht sich in der Kanonischen Ausgabe und 90 S. dazu Joest, Fundamentaltheologie, 164-166. 284 Günter Röhser ihrem Transzendenznarrativ jene „maßgebende Grundtradition“ der Kirche aus (und sei es auch in neuer Artikulation gegenüber den „Anfängen“), „an der alle weitere zu messen ist“, 91 oder handelt es sich lediglich um fromme Phantasie oder eine unhaltbare Konstruktion? Das Glaubensbewusstsein der Kirche hat darauf in der Folge eine eindeutige Antwort gegeben, die bis heute Gewicht hat und Geltung beansprucht. 91 Ebd. 166. Literaturverzeichnis Quellen werden in den Beiträgen grundsätzlich nach den gängigen Ausgaben und Editionsreihen zitiert. Aus ökonomischen Gründen wurde auf eine Auflistung der einzelnen Quelleneditionen in einem eigenen Verzeichnis verzichtet. Die Hebräische Bibel wird zitiert nach der BHS 5 , die LXX nach Rahlfs; neutestamentliche Texte nach NA 28 ; die altlateinische Bibel nach der Beuroner VL; patristische Texte nach SC, FC, CSEL oder GCS; andere griechisch-römische Quellen nach der BSGRT. Editionen, auf die in den Beiträgen explizit verwiesen wird, sind in alphabetischer Sortierung nach dem Nachnamen der Herausgeber im folgenden Verzeichnis mit aufgelistet. Abbott, Edwin A.: The Corrections of Mark Adopted by Matthew and Luke, London 1901. Abramowski, Luise: Die „Erinnerungen der Apostel“ bei Justin, in: Stuhlmacher, P. (Hg.), Das Evangelium und die Evangelien. Vorträge vom Tübinger Symposium 1982 (WUNT 28), Tübingen 1983, 341-353. 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Homepage: https: / / enipolatio.hypotheses.org/ ueber-uns/ juan-garces Wolfgang Grünstäudl ist Akademischer Rat am Institut für Katholische Theologie der Bergischen Universität Wuppertal. Homepage: https: / / www.kath-theologie.uni-wuppertal.de/ ueber-uns/ personen/ akademische-raete/ dr-wolfgang-gruenstaeudl.html Jan Heilmann ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Evangelische Theologie der TU Dresden. Homepage: https: / / tu-dresden.de/ gsw/ phil/ iet/ das-institut/ professuren/ biblische-theologie-1/ jan-heilmann Matthias Klinghardt ist Professor für Biblische Theologie an der TU Dresden. Homepage: https: / / tu-dresden.de/ gsw/ phil/ iet/ das-institut/ professuren/ biblische-theologie-1/ matthias-klinghardt Clemens Leonhard ist Professor für Liturgiewissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Homepage: https: / / www.uni-muenster.de/ FB2/ personen/ liturgie/ leonhard.shtml Pasquale Orsini ist Staatlicher Archivar; er hat seit 2004 in verschiedenen paläographischen und kodikologischen Forschungsprojekten gearbeitet, zuletzt an der Universita` di Roma „Sapienza“. Homepage: http: / / www.paleografi-diplomatisti.org/ soci/ orsini Günter Röhser ist Professor für Neues Testament an der Universität Bonn. Homepage: https: / / www.ev-theol.uni-bonn.de/ fakultaet/ NT/ roehser; www.guenter.roehser.de 322 Die Autoren David Trobisch ist Direktor der Sammlungen des Museum of the Bible (Washington, DC). Homepage: http: / / www.trobisch.com/ david/ wb/ ; https: / / www.museumofthebible.org/ museum-collections Markus Vinzent ist Professor für Theologiegeschichte mit Schwerpunkt Patristik am King’s College London und Fellow am Max-Weber-Kolleg, Erfurt. Homepage: https: / / www.kcl.ac.uk/ artshums/ depts/ trs/ people/ staff/ academic/ vinzent/ index.aspx; https: / / www.uni-erfurt.de/ en/ max-weber-centre/ persons/ markusvinzent/ Peter Wick ist Professor für Exegese und Theologie des Neuen Testaments, Geschichte des Urchristentums an der Ruhr-Universität Bochum. Homepage: http: / / www.ev.rub.de/ nt-wick/ prof.html.de ISBN 978-3-7720-8640-3 www.francke.de T A N Z T A N Z T A N Z TEXTE UND ARBEITEN ZUM NEUTESTAMENTLICHEN ZEITALTER Das Neue Testament ist das Ergebnis einer einheitlichen Redaktion in der Mitte des 2. Jahrhunderts. Die Beiträge dieses Bandes greifen diese These von David Trobisch auf und fragen, was sie für das Neue Testament, für seinen Text und für die neutestamentliche Theologie bedeutet. Wie lässt sich die These einer Endredaktion kritisieren, differenzieren, weiterdenken? Was besagt sie für die Datierung der neutestamentlichen Texte, welchen Einfluss hat sie auf die Vorstellungen zum gottesdienstlichen Gebrauch? In welchem Verhältnis steht die Endredaktion zu der Schriftensammlung, die für Marcion bezeugt ist? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Textkritik? Wie müssen die Varianten beurteilt, wie die frühe Geschichte der Textüberlieferung verstanden werden? Welche theologischen Implikationen hat die These der Endredaktion? Die Beiträge des Bandes machen das große Potential der Endredaktionsthese deutlich und zeigen, dass die Diskussion noch ganz am Anfang steht. H e i l m a n n , K l i n g h a r d t ( H r s g . ) D a s N e u e T e s t a m e n t u n d s e i n T e x t i m 2 . J a h r h u n d e r t Jan Heilmann, Matthias Klinghardt (Hrsg.) Das Neue Testament und sein Text im 2. Jahrhundert