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Baiern und Romanen

2019
978-3-7720-5659-8
A. Francke Verlag 
Peter Wiesinger
Albrecht Greule

Immer wieder wird versucht, die im 6. Jahrhundert auftretenden Baiern auf romanische Herkunft zurückzuführen, obwohl ihre Sprache und Dialekte germanischen Ursprungs sind. Als angebliche Zeugnisse dienen meistens die eingedeutschten Gewässer- und Ortsnamen antik-romanischer Herkunft. In dem bis 488 n. Chr. römischen Voralpenraum südlich der Donau vom Lech bis zur Enns in Bayern, Salzburg und Oberösterreich wurden gegenüber der Vielzahl rein deutscher Namen nur relativ wenige Namen antik-romanischen Ursprungs ins Bairisch-Althochdeutsche tradiert. Diese geringen Zeugnisse werden nach Etymologie und Eindeutschungszeit mit linguistischen Methoden analysiert und danach beurteilt, wann sie von den ersten germanisch-römischen Kontakten im 1./2. Jahrhundert an bis in die althochdeutsche Zeit längstens um die Mitte des 11. Jahrhunderts ins Althochdeutsche eingegliedert wurden. Daraus kann man schließen, dass das Romanische im Voralpenraum durchschnittlich und nur inselhaft bis ins beginnende 9. Jahrhundert und nur vereinzelt wie um die Stadt Salzburg auch noch bis gegen die Mitte des 11. Jahrhunderts fortlebte. Die Annahme angeblicher romanischer Herkunft der Baiern lässt sich weder mit Hilfe der Sprache noch der Namen erweisen und ist aufzugeben.

ISBN 978-3-7720-8659-5 Immer wieder wird versucht, die im 6. Jahrhundert auftretenden Baiern auf romanische Herkunft zurückzuführen, obwohl ihre Sprache und Dialekte germanischen Ursprungs sind. Als angebliche Zeugnisse dienen meistens die eingedeutschten Gewässer- und Ortsnamen antik-romanischer Herkunft. In dem bis 488 n. Chr. römischen Voralpenraum südlich der Donau vom Lech bis zur Enns in Bayern, Salzburg und Oberösterreich wurden gegenüber der Vielzahl rein deutscher Namen nur relativ wenige Namen antik-romanischen Ursprungs ins Bairisch- Althochdeutsche tradiert. Diese geringen Zeugnisse werden nach Etymologie und Eindeutschungszeit mit linguistischen Methoden analysiert und danach beurteilt, wann sie von den ersten germanisch-römischen Kontakten im 1./ 2. Jahrhundert an bis in die althochdeutsche Zeit längstens um die Mitte des 11. Jahrhunderts ins Althochdeutsche eingegliedert wurden. Daraus kann man schließen, dass das Romanische im Voralpenraum durchschnittlich und nur inselhaft bis ins beginnende 9. Jahrhundert und nur vereinzelt wie um die Stadt Salzburg auch noch bis gegen die Mitte des 11. Jahrhunderts fortlebte. Die Annahme angeblicher romanischer Herkunft der Baiern lässt sich weder mit Hilfe der Sprache noch der Namen erweisen und ist aufzugeben. Wiesinger / Greule Baiern und Romanen Baiern und Romanen Peter Wiesinger / Albrecht Greule Zum Verhältnis der frühmittelalterlichen Ethnien aus der Sicht der Sprachwissenschaft und Namenforschung 38659_Wiesinger_Greule_170_240.indd Alle Seiten 11.09.2019 09: 59: 58 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 2 11.09.2019 09: 46: 46 Peter Wiesinger / Albrecht Greule Baiern und Romanen Zum Verhältnis der frühmittelalterlichen Ethnien aus der Sicht der Sprachwissenschaft und Namenforschung Kartographie: Michael Schefbäck 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 3 11.09.2019 09: 46: 46 Umschlagabbildung: Ausschnitt aus der Tabula Peutingeriana. Wikimedia Commons, https: / / commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Abusina_TabPeut.jpg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-7720-8659-5 (Print) ISBN 978-3-7720-5659-8 (ePDF) ISBN 978-3-7720-0212-0 (ePub) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 4 11.09.2019 09: 46: 46 Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 A. Probleme um Baiern und Romanen im frühmittelalterlichen Donau- und Voralpenraum zwischen Lech und Enns (von Peter Wiesinger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Die Baiern der Frühzeit und ihre Erforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1. Der Name der Baiern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.2. Theorien zur Herkunft der Baiern vom 19. bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.3. Die Herkunft der Baiern nach dem Forschungsstand der 1980er Jahre . . . . . . . . . 14 1.4. Die Stellung des Bairischen innerhalb der germanischen Sprachen . . . . . . . . . . . . 17 1.5. Herkunft und Identitätsbildung der Baiern in neuer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.5.1. Die Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.5.2. Die Ansichten der Archäologen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.5.3. Die schon früher vorgetragene, doch widerlegte „Romanentheorie“ über die Herkunft der Baiern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1.5.4. Romanische und biblische Personennamen im bairischen Raum . . . . . . . . . . 27 1.5.5. Neueste Theorien zur Herkunft der Baiern und der Bedeutung ihres Namens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.6. Zusammenfassung des neueren Forschungsstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch- Althochdeutsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2.1. Allgemeine linguistische Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2.2. Die Bedeutung der Dialektaussprachen von Namen und die bairischen Dialekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.3. Die Namenschichten im bairischen Dialektraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.3.1. Nichtindogermanische Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.3.2. Indogermanisch-voreinzelsprachliche Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.3.3. Keltische Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2.3.4. Lateinische und romanische Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.3.5. Germanische Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2.3.6. Bairisch-deutsche Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.3.7. Slawische Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2.3.8. Ungarische Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.3.9. Slowenische, tschechische und kroatische Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.3.10. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.4. Vulgärlateinische und romanische Lautentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2.4.1. Die inlautenden Fortisplosive lat. t - p - c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2.4.2. Der an- und inlautende lat. Fortisplosiv c [k] vor Palatalvokalen . . . . . . . . . . 56 2.4.3. Die Lautfolge lat. -tivor Vokal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 5 11.09.2019 09: 46: 46 6 Inhaltsverzeichnis 2.4.4. Die Lautfolge lat. -pivor Vokal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2.4.5. Intervokalisches lat. g vor i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2.4.6. Lat. v und b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2.5. Germanische, bairisch-althochdeutsche und bairisch-frühmittelhochdeutsche Lautentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.5.1. Zur Periodisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.5.2. Letzte gemeingermanische Lautentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2.5.3. Der älterer i -Umlaut von germ. e und der a -Umlaut von germ. u als nordisch-westgermanische Lautentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2.5.4. Bairisch-Althochdeutsche Lautentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Die romanisch-deutschen Mischnamen und weitere auf Romanen Bezug nehmende deutsche Siedlungsnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3.1. Die romanisch-deutschen Mischnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.1.1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.1.2. Typen romanisch-deutscher Mischnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.1.3. Zur Datierung der romanisch-deutschen Mischnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3.1.4. Zur Verbreitung der romanisch-deutschen Mischnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3.2. Die Walchen -Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.3. Die Parschalken -Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 4. Die Integrierung der antik-romanischen Gewässer- und Siedlungsnamen im Donau- und Voralpenraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4.1. Allgemeine Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4.2. Methodisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4.3. Zum anfänglichen Siedlungsraum im Donau- und Voralpenraum . . . . . . . . . . . . . 83 4.4. Germanen und Romanen im bayerischen Nordwesten um Altmühl und Donau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.5. Baiern und Romanen in der bayerischen Mitte um Freising . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4.6. Baiern und Romanen im Salzburger Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4.7. Baiern und Romanen im südlichen Oberbayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 5. Baiern und Romanen - ein abschließendes Essay . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 B. Antik-romanische Namentraditionen im Donau- und Voralpenraum zwischen Lech und Enns (von Peter Wiesinger und Albrecht Greule) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1.2. Oberösterreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1.3. Salzburg (Stadt, Flachgau und Tennengau) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2.2. Oberösterreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2.2.1. Siedlungsnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2.2.2. Waldname . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2.3.1. Siedlungsnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 6 11.09.2019 09: 46: 47 Inhaltsverzeichnis 7 2.3.2. Alm-, Berg- und Flurnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3. Romanisch-deutsche Mischnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3.2. Oberösterreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 3.3. Salzburg (Stadt, Flachgau) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 4. Walchen -Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 4.1. Bayern (Oberbayern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 4.2. Oberösterreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 4.3. Salzburg (Stadt, Flachgau) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 5. Parschalken -Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 5.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 5.2. Oberösterreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 C. Auszuscheidende angeblich antik-romanische Gewässernamen und romanischdeutsche Mischnamen in Altbayern (von Albrecht Greule) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 D. Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 E. Verzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 3. Alphabetisches Verzeichnis der Gewässer-, Siedlungs-, Alp-, Berg-, Flur und Waldnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 7 11.09.2019 09: 46: 47 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 8 11.09.2019 09: 46: 47 Vorwort Seit 15 Jahren werden die seit dem Frühmittelalter Deutsch redenden Baiern von den Archäologen zu Romanen erklärt. Als Beweis dafür dienen ihnen die aus der Spätantike ins Frühmittelalter tradierten und ins Bairisch-Althochdeutsche jener Zeit integrierten wenigen Gewässer- und Siedlungsnamen sowie deutsch gebildete romanisch-deutsche Mischnamen mit einem romanischen oder biblischen Personennamen und einem deutschen Grundwort. Ferner werden zum Beweis die wenigen deutschen, auf Romanen verweisenden Walchen - Namen und die aus einer bestimmten romanischen Rechtsordnung kommenden deutschen Parschalken -Namen herangezogen. In Bezug auf Herkunft, Bildung, Bedeutung und Lautentwicklung lassen sich jedoch besonders aus der Sicht der germanistischen Sprachwissenschaft, die sowohl die deutschen und die ins Deutsche integrierten fremdsprachigen Gewässer- und Siedlungsnamen erforscht als auch die Herkunft, Struktur und Entwicklung der deutschen Sprache und hier besonders des Bairischen untersucht, solche merkwürdigen Anschauungen in keinerlei Weise bestätigen. Ebenso wenig hält eine versuchte Herleitung des Namens der Baiern aus dem Lateinischen sprachwissenschaftlicher Prüfung stand. Es ist daher die Aufgabe der germanistischen Sprachwissenschaft und Namenkunde, das aus der Spätantike aus dem Lateinischen und seiner Weiterentwicklung zum Romanischen stammende Namengut im bairischen Sprachraum, der von 13 v. Chr. bis 476 n. Chr. die Provinzen Raetia secunda und Noricum des römischen Weltreiches bildete, zusammenzustellen und mit den angemessenen sprachwissenschaftlichen Methoden kritisch zu untersuchen. Das geschieht vor allem im Hinblick auf die Zeit, wann die einzelnen Gewässer- und Siedlungsnamen in das Bairisch-Althochdeutsche vom 6. bis zur Mitte des 11. Jhs. und inselhaft auch noch in das sich anschließende Bairisch-Frühmittelhochdeutsche der 1. Hälfte des 12. Jhs. eingegliedert wurden. Daraus lässt sich schließen, wie lange an den betreffenden Orten das Romanische ungefähr weiterlebte, ehe es schließlich ganz dem Deutschen wich. Da das Bairische nicht auf Altbayern mit Ober- und Niederbayern und der Oberpfalz beschränkt ist, sondern auch in Österreich von Tirol im Westen bis ins Burgenland im Osten sowie in Südtirol in Italien gesprochen wird und bis 1945/ 46 auch noch in der damaligen Tschechoslowakei das Egerland sowie Südböhmen und Südmähren einschloss, wird in der Wissenschaft dieser staatenübergreifende sprachliche Großraum Baiern mit ai geschrieben und so auch hier. Der anfängliche Siedlungs- und Sprachraum der Baiern im Frühmittelalter beschränkte sich aber auf das Donau- und Voralpenland zwischen dem Lech im Westen und der Enns im Osten und reichte bis zur Südgrenze Bayerns als natürlicher Grenze am Alpenrand und schloss noch den Salzburger Flachgau mit Inseln im südlich anschließenden Salzachtal bis zum Paß Lueg ein. Wir beschränken unsere Untersuchung daher auf diesen anfänglichen bairischen Siedlungsraum. Obwohl die Baiern von ihren Anfängen in der 2. Hälfte des 6. Jhs. an auch bis ins Tiroler Pustertal vorstießen, steht ihr dortiges frühes inselhaftes Auftreten hier nicht zur Debatte. Das Buch ist ein Gemeinschaftswerk der germanistischen Sprachwissenschaftler und Namenforscher Albrecht Greule, Universität Regensburg, und Peter Wiesinger, Universität 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 9 11.09.2019 09: 46: 47 10 Vorwort Wien. Die von den beiden Autoren jeweils verfassten und gekennzeichneten Kapitel wurden zwar wechselseitig gelesen, diskutiert und abgestimmt, doch verantwortet jeder Autor seinen Beitrag. Besonders zu danken haben wir dem Verleger, Herrn Dr. Gunter Narr, der sich spontan bereit erklärt hat, das Buch in sein Verlagsprogramm aufzunehmen, als er von dessen Entstehung erfahren hat. Ebenso gilt unser Dank Frau Dr. Valeska Lembke für die sorgfältige editorische Betreuung. Verschiedene Auskünfte zu einzelnen Siedlungsnamen und Orten verdanken wir Johann Auer, Dünzling; Josef Egginger, Winhöring; und Johann Schober, Adelkofen. Vor allem aber danken wir für zahlreiche urkundliche Siedlungsnamenbelege und Auskünfte Dr. Wolfgang Janka, Kommission für Bayerische Landesgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Unser aufrichtiger Dank gilt ferner Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Metzelton, Wien, der sich, als er vom Buch hörte, spontan bereit erklärte, es aus romanistischer Sicht zu lesen, und uns entsprechende, auch berücksichtigte Hinweise gab. Technische Hilfe verdanken wir Dipl. Ing. Dr. Michael Wiesinger, Graz. Die Zeichnung der Karten 1-5 besorgte im kartographischen Standard nach den Entwürfen beider Autoren Mag. Michael Schefbäck, Wien, dem wir nicht nur für die mustergültige Ausführung, sondern auch für viel Geduld herzlich danken. Möge das Buch viele interessierte Leser erreichen und den Baiern beider beteiligten Länder vermitteln, wie die germanistische sprachwissenschaftliche und namenkundliche Fachwelt das wenige ins Deutsche übernommene antik-romanische Namenerbe beurteilt und interpretiert. Regensburg und Wien, Albrecht Greule im Dezember 2018 Peter Wiesinger 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 10 11.09.2019 09: 46: 47 A. Probleme um Baiern und Romanen im frühmittelalterlichen Donau- und Voralpenraum zwischen Lech und Enns Von Peter Wiesinger 1. Die Baiern der Frühzeit und ihre Erforschung 1.1. Der Name der Baiern Im Gegensatz zu den Namen germanischer Stämme, die später zu Deutschen wurden, wie der Alemannen, Franken, Hessen, Thüringer und Sachsen, die bereits den Römern bekannt waren und in ihrem Schrifttum seit dem 1. Jh. n. Chr. überliefert sind, tritt der Name der Baiern 1 erst zwei Generationen nach dem Untergang des römischen Weltreiches erstmals 551 in der Gotengeschichte „De origine actibusque Getarum“ des Jordanes auf. Da das Werk des Jordanes auf der verlorenen Gotengeschichte des Cassiodor basiert, der Kanzler des Gotenkönigs Theoderich (475-526) war, wird bereits dort um 525 die Nennung erfolgt sein. Obwohl Jordanes eine Kriegssituation von Theoderichs Vater Theudimir in Pannonien von 469/ 70 beschreibt, schildert er jedoch das Lageverhältnis der Stämme, wie es zu seiner Zeit im heutigen deutschen Süden und in der Mitte bestand. So heißt es (280, 9 ff.) 2 : Nam regio illa Suavorum ab oriente Baiovaros habet, ab occidente Francos, a meridie Burgundiones, a septemtrione Thoringos. Jenes Land der Suawen hat nämlich im Osten die Baiowaren, im Westen die Franken, im Süden die Burgundionen, im Norden die Thüringer zu Nachbarn. Da das Werk des Jordanes erst in Handschriften des 8.-12. Jhs. überliefert ist, schwanken die lateinischen Nennungen des Baiernnamens als Baibari , Baiobari , Baiovari , Baioarii , von denen Baiovari der zugrundeliegenden germanischen Namenform am nächsten kommt. Erst eineinhalb Jahrzehnte nach Jordanes erfolgt 565 die nächste Nennung der Baiern. Sie bringt der Dichter und spätere Bischof von Poitiers Venantius Fortunatus in dem um 576 verfassten Vorwort zur Edition seiner Gedichte. Er brach im Spätsommer 565 von Ravenna aus 1 Da sich sowohl der historische Stamm als auch der Dialektverband über die Länder Bayern, Österreich, Südtirol und bis 1945 auch über Teile der Tschechoslowakei erstreckte, wird im Anschluss an den Usus der Sprachwissenschaft unabhängig von staatlichen Gebieten Baiern mit ai geschrieben. 2 Zitiert nach der Edition von Giunta / Grillone (1991), S. 116 und der Übersetzung von Martens (1913), S. 95. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 11 11.09.2019 09: 46: 47 12 1. Die Baiern der Frühzeit und ihre Erforschung über die Alpen zu einer Wallfahrt zum Grab des hl. Martin nach Tours in Gallien (Frankreich) auf und schreibt dazu (Pr. 4) 3 : praesertim quod ego impos de Ravenna progrediens Padum, Atesim, Brintam, Plavem, Liquentiam Teliamentumque tranans, per Alpem Iuliam pendulus montanis anfractibus, Drauum Norico, Oenum Breonis, Liccam Baiuaria, Danuuium Alamania, Rhenum Germania transiens zumal ich Dilettant, von Ravenna aufbrechend, den Po, die Etsch, die Brenta, den Piave, die Livenza und den Tagliamento durchschwamm, durch die Julischen Alpen auf schwankendem Steg, die Drau in Noricum, den Inn bei den Breonen, den Lech in Baiern, die Donau in Alemannien, den Rhein in Germanien durchschritt. Als Variante zum Ländernamen Baiuaria (lies Baiwaria ) ist auch Bauuaria (lies Bawaria ) überliefert. Im 4. Buch seines 575/ 76 gedichteten Versepos „De virtutibus Martini Turonensis“, der Vita des hl. Martin von Tours, nennt Venantius Fortunatus dann die umgekehrte Abfolge der Reiseroute (IV, 640 ff.) mit dem Volksnamen: Si tibi barbaricos conceditur ire per amnes, Ut placide Rhenum transcendere passis et Histrum, Pergis ad Augustam, quam Virdo et Licca fluentant. Illic ossa sacrae venerabere martyris Afrae. Si vacat ire viam, necque te Boioarius obstat, Qua vicina sedent Breonium loca, perge per Alpem, Ingrediens rapido qua gurgite volvitur Oenus. Wenn du die Möglichkeit hast, die barbarischen Ströme zu queren, also den Rhein und die Donau in Ruhe durchschreiten zu können, machst du nach Augsburg dich auf, wo Wertach und Lech sich ergießen. Dort verehr die Gebein der heiligen Blutzeugin Afra. Steht es dir frei, von da weiterzuziehen, und stört dich kein Baier, geh durch die Alpen, wo nah die Orte des Breonenstammes liegen. und betritt sie, wo der Inn sich mit reißendem Gischt wälzt. Der in lateinischen Varianten überlieferte Name der Baiern, im Nominativ Singular in antiker Tradition Boioarius bei Venantius Fortunatus und im Nominativ Plural variabel überliefert als 3 Zitiert nach den Editionen von Krusch (1885) und Leo (1881) und der Übersetzung von Fels (2006), S. 4 und 401. Fels bringt jedoch an beiden Stellen statt des Namens der Breonen die Ortsangaben S. 4 „in der Nähe des Brenners“ und S. 401 „wo nah die Orte des Brennerstammes liegen“. Diesen Übersetzungen, die hier zugunsten des überlieferten Namens ausgetauscht sind, liegt die Annahme zugrunde, dass sich der Name des Brenners, an dessen beiden Seiten allerdings tatsächlich Breonen gesiedelt haben, von diesen herleite. Dabei beruft man sich auf ein antikes Scholion zu Horaz, in dem die Breuni als Brenni (Verschreibung? ) bezeichnet werden, vgl. Anreiter (1997), S. 11. Nach Finsterwalder (1962/ 1990), S. 231ff. hieß der Ödgürtel um den Brenner-Pass zunächst im 12. Jh. Wibetwald nach Vipitenum / Wipptal , ehe 1337 eine curia Prennerius de Mittenwalde auftritt, also ein Hofbesitz eines Brandroders im Mittenwald - der nächste Gegendname. Schließlich löst sich der Name Prenner von dem eines Besitzers und wird zur neuen Gegendbezeichnung. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 12 11.09.2019 09: 46: 47 1.2. Theorien zur Herkunft der Baiern vom 19. bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts 13 Baibari , Baiobari , Baiovari , Baioarii bei Jordanes, basiert in der Zeit um 500 westgermanisch auf dem Singular * Baiawari aus (ur)germ. * Baiowarjaz und dem Plural * Baiawarja aus (ur)germ. *Baiowarjōz . Die gotischen Entsprechungen dieser Zeit wären * Baiawarjis und *Baiawarjōs. 4 Es ist ein Determinativkompositum, dessen Grundwort sich zum Verbum (ur)germ. * warjan in got. warjan , altnord. verja ; altsächs. und altengl. werian und ahd. wer(r)en in der Bedeutung ‚wehren, schützen, abhalten, verteidigen‘ stellt und als entsprechendes Substantiv (ur)germ. * warjaz in got. wair , altnord. ver ; altsächs., altengl. und ahd. wer ‚Mann‘ lautet. Sein eigentlicher Sinn ist ‚Wehrmann, Schützer, Verteidiger‘, der Land und Leute vor Feinden schützt und Angreifer abwehrt. Das Bestimmungswort geht auf den Namen der keltischen Boier zurück, deren Siedlungsgebiet um Chr. Geb. Boiohaemum war, das 29/ 30 n. Chr. Velleius Paterculus in seiner „Römischen Geschichte“ (2, 109) festhält. 98 n. Chr. nennt Tacitus in seiner „Germania“ das Land dann Boihaemum (XXVIII Genitiv Boihaemi nomen ). Der Name ist germanischer Herkunft und basiert auf germ. * Bai(o)haima , wobei sich der germanische Lautwandel von älterem o zu gemeingermanischem a um Chr. Geb. vollzog. Dabei ging betontes o einem unbetontem o voraus, das bald synkopiert wurde, was die beiden ältesten Überlieferungen spiegeln. Dieser Gebietsname lebt in Böhmen weiter, das bair.-mhd. Pēheim heißt und die ahd. Monophthongierung von germ. ai zu frühahd. ē vor h des 7./ 8. Jhs. aufweist. Dagegen ist im Stammesnamen der Diphthong bewahrt, so dass ihm kein ebenfalls Monophthongierung auslösendes w unmittelbar gefolgt sein kann. Es war vielmehr, wie die bei Jordanes überlieferten Varianten zeigen, mit dem Bindevokal o verschmolzen, so dass * Baioar entstand, dass dann im 8. Jh. der Lautverschiebung von B zu P unterlag und bair.-ahd. Peiar , Plural Peiara und abgeschwächt Peier , Peigir ergab. Insgesamt bedeutet der Baiernname also unmittelbar ‚Wehrmänner von/ aus Baia‘, was immer unter Baia zu verstehen ist. Doch wird ihm in Verbindung mit Boiohaemum als angenommene Klammerform * Bai(o)[haim]warjōz kurzerhand die Bedeutung „Männer aus Böhmen“ beigelegt. Wenn auch jüngere lateinische Nennungen am o von Boi festhalten, so handelt es sich um Schreibtradition des festverwurzelten Namens des keltischen Stammes, der den Römern als Eindringlingen in ihr Land seit dem 3. Jh. v. Chr. bekannt war. So heißt es z. B. nach Aussage des gegen 645 entstandenen 2. Teiles der „Vita Columbani“ des Jonas von Bobbio, als Eustasius († 618) sein Missionswerk bei den Baiern beginnen wollte, er zog ad Boias, qui nunc Baioarii vocantur (II, 8). So nennt die Baiern auch die frühestens Ende des 6. Jhs. entstandene Fränkische Völkertafel. 1.2. Theorien zur Herkunft der Baiern vom 19. bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts Als der Sprachwissenschaftler und insbesondere Keltologe Kaspar Zeuß 1837 in seinem Buch „Die Deutschen und die Nachbarstämme“ erstmals den Namen der Baiern nach den Lautgesetzen der germanischen Sprachen richtig etymologisiert hatte, 5 was bis heute linguistisch 4 Vgl. zum Folgenden wie überhaupt zu den nächsten Abschnitten Wiesinger (2016), wo auch weitere Literaturangaben genannt werden. Vgl. ferner Reindel (1967) und Reindel (1981) und zur Etymologie des Namens auch Heinrich Beck: Bajuwaren. I. Philologisches, in Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 1, Berlin/ NewYork 1973, S. 601 f. 5 Vgl. Zeuß (1837), S. 372 ff. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 13 11.09.2019 09: 46: 47 14 1. Die Baiern der Frühzeit und ihre Erforschung gegen so manche anderen Versuche allein zutreffend ist, stand für ihn fest, dass der Name der keltischen Boier auf die ihnen nachfolgenden Germanen übertragen worden ist und dass die Baiern aus Böhmen in ihre neuen Wohnsitze zu beiden Seiten der Donau eingewandert sind. In seinem folgenden Buch von 1839 „Die Herkunft der Baiern von den Markomannen gegen bisherige Mutmaßungen bewiesen“ wollte Zeuß gegenüber herrschenden anderen Meinungen seiner Zeit nachweisen, dass es die im böhmischen Becken siedelnden Markomannen waren, die um 500 nach Südwesten abzogen und in ihrem neuen Gebiet zu Baiern wurden. Damit war die sogenannte „Markomannentheorie“ geboren. Sie erwies sich allerdings, wie jüngere Forschungen zeigten, historisch als unhaltbar, denn die Markomannen waren um 80 n. Chr. den Quaden nach Südosten gefolgt und siedelten im 2. Jh. im heutigen Südmähren und nördlichen Niederösterreich, ehe sie 396 als römische Föderaten in Pannonien Wohnsitze erhielten und dann im 5. Jh. aus der Geschichte verschwanden. Aus der „Markomannentheorie“ aber entwickelte sich die sogenannte „Einwanderungs-“ oder „Landnahmetheorie“, die mit einem germanischen Einwanderungsstrom in ein so gut wie siedlungsleeres Land nach dem Abzug der romanischen Bevölkerung rechnete. Sie lebte bis über die Mitte des 20. Jhs. fort, wobei ein Herkunftsgebiet Baia in unterschiedlichen Gegenden außerhalb Böhmens über Pannonien bis ans Schwarze Meer festzumachen versucht wurde. 6 Diese Ansichten können hier aber übergangen werden, weil sie für den Forschungsstand der 1980er Jahre bedeutungslos geworden waren. Daneben aber bestand die nun modifizierte Ansicht einer Einwanderung von Elbgermanen aus Böhmen fort. 1.3. Die Herkunft der Baiern nach dem Forschungsstand der 1980er Jahre Über die Frage der Ethnogenese der Baiern - der neue Terminus statt Stammesbildung - wurde in den 1980er Jahren von den beteiligten Disziplinen der germanistischen sprachwissenschaftlichen Namenkunde, der Archäologie und der Geschichtswissenschaft ein weitgehender Kompromiss erzielt. Die Ergebnisse wurden im Jubiläumsjahr 1988 in der großen Doppelausstellung des österreichischen Bundeslandes Salzburg und des Freistaates Bayern in Mattsee und Rosenheim „Die Bajuwaren“ mit dem auf den wesentlichen Zeitraum hinweisenden Untertitel „Von Severin bis Tassilo 488-788“ präsentiert und im Ausstellungskatalog zusammengefasst. Diese äußerst erfolgreiche Doppelausstellung sahen rund 270.000 Besucher, nicht weniger als 64.000 Kataloge wurden verkauft 7 und die Medien Rundfunk, Fernsehen, Zeitungen und Journale vermittelten einer breiten Öffentlichkeit die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Gegenüber verschiedenen, immer wieder aufkommenden, jedoch linguistisch unhaltbaren, weil die lautgesetzlichen Entwicklungen des Germanischen nicht beachtenden Erklärungen des Baiernnamens 8 ging man weiterhin von der linguistisch einzig richtigen, oben dargelegten Erklärung des Baiernnamens aus und verband sie mit der Bedeutung „Männer aus Böhmen“. Aber gegenüber der älteren „Landnahmetheorie“ änderte sich die Auffassung über die Ethno- 6 Einen Überblick über die ältere Forschung geben Reindel (1967), S. 77 ff. und ausführlich Menke (1990). 7 Vgl. Berndt (2013), S. 624. 8 Vgl. zu neueren solchen Volksetymologien Reitzenstein (2005/ 06). 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 14 11.09.2019 09: 46: 47 1.3. Die Herkunft der Baiern nach dem Forschungsstand der 1980er Jahre 15 genese. So hatte der Erlanger germanistische Sprachwissenschaftler Ernst Schwarz 1969 in seiner Abhandlung „Die Naristenfrage in namenkundlicher Sicht“ gezeigt, dass im anfänglichen bairischen Raum von Ober- und Niederbayern, Salzburg und Oberösterreich eine größere Anzahl von Gewässernamen und eine geringere von Ortsnamen indogermanisch-voreinzelsprachlicher oder keltischer Herkunft auftritt. Im selben Sinn einer romanischen Namenkontinuität ließ Schwarz ein Jahr später die Studie „Baiern und Walchen“ folgen. Die Tradierung all dieser Namen von den Römern und Romanen zu den Baiern war nur dann möglich, wenn Siedlungskontinuität und damit der Fortbestand zumindest einer geringen romanischen Bevölkerung in die bairische Frühzeit gegeben war, worauf auch noch die auf Romanen Bezug nehmenden romanisch-deutschen Mischnamen mit einem romanischen Personennamen sowie die wenigen deutschen Walchen- und Parschalken -Namen hinweisen. Es können also nicht, wie es aus der Vita Severini hervorgeht, wegen ständiger barbarischer Überfälle und Bedrängnisse nach dem Tod des Mönches Severin († 482) 488 alle Romanen nach Italien abgezogen sein, sondern es muss eine romanische Restbevölkerung geblieben sein. Zu ähnlichen und weitergehenden Auffassungen gelangte auch die Archäologie. Besonders aussagekräftig erwiesen sich hier die neu entdeckten, zum Teil kontinuierlichen, vom 4. bis 7. Jh. belegten Gräberfelder im Bereich des Donaulimes von Neuburg über Regensburg bis Passau, wobei die zahlreichen Gräberfelder in Straubing mit dem nördlich davon gelegenen Friedenhain besonders aufschlussreiches Material lieferten. Hier zeigte sich nicht nur, dass bereits zur Römerzeit seit dem 4. Jh. Germanen als Föderaten angesiedelt wurden, sondern es gelang auch der archäologische Nachweis einer Verbindung mit Böhmen, wie sie dem Baiernnamen schon lange beigelegt worden war. Bereits 1963 hatte der tschechische Archäologe Bedřich Svoboda in seiner Studie „Zum Verhältnis frühgeschichtlicher Funde des 4. und 5. Jhs. aus Bayern und Böhmen“ auf archäologische Fundzusammenhänge aufmerksam gemacht. Nun verwiesen besonders Rainer Christlein († 1983) und dann Thomas Fischer anhand von Funden im Altmühl- und Donauraum auf eine Feinkeramik vom Typus Přešt’ovice ‒ Friedenhain, benannt nach den Hauptfundorten Přešt’ovice bei Pisek in Südböhmen und Friedenhain bei Straubing. 9 Dabei handelt es sich um handgeformte dünnwandige Essschalen mit einer charakteristischen Verzierung in Form von Schrägriefen und Dellen auf dem Umbruch. Auf diese Weise konnte die langjährige Annahme einer Einwanderung von „Männern aus Böhmen“ nun archäologisch erhärtet werden. Dass diese Leute zwar namengebend, aber nur ein Teil der an der bairischen Ethnogenese beteiligten weiteren germanischen Gruppen waren, zeigten Untersuchungen weiterer Gräberfelder, besonders jener von Altenerding und München-Aubing mit Bestattungen seit der 2. Hälfte des 5. Jhs. Dort folgen in der Zeit um 500 „Gräber von Leuten verschiedenster Herkunft: Alamannen, Ostgoten, Leute aus Mitteldeutschland bzw. Böhmen und Germanen von der mittleren Donau (Langobarden)“. 10 Diese zugewanderten Menschen unterschiedlicher Herkunft verschmelzen mit der verbliebenen romanischen Restbevölkerung schließlich zum Neustamm der Baiern, so dass sich die bairi- 9 Der schwer erkrankte Rainer Christlein verwies in seinen letzten Arbeiten mehrfach auf diese Fundzusammenhänge zwischen Südböhmen und dem Donauraum, so etwa noch Christlein (1982), S. 244 f., konnte sie aber nicht mehr ausarbeiten. Sie wurden weiter verfolgt von Thomas Fischer, vgl. die knappen Überblicke von Fischer / Geisler (1988) und Fischer (1988a) sowie ausführlich Fischer (1988), S. 33 f. und 47-59. 10 Vgl. Fischer / Geisler (1988), S. 67. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 15 11.09.2019 09: 46: 47 16 1. Die Baiern der Frühzeit und ihre Erforschung sche Ethnogenese bodenständig im Voralpenraum südlich der Donau vollzog. Wie man sich diese Amalgamierung vorstellen kann, illustrierten in der Ausstellung von Mattsee gezeigte drei Abbildungen als Kreise, die man allerdings dem Ausstellungskatalog nicht beifügte. Der 1. Kreis zeigte für die Raetia secunda und Noricum in der 1. Hälfte des 5. Jhs. eine provinzialrömische Bevölkerung aus Romanen und Germanen als Föderaten und als dicker eindringender Pfeil den Einzug von namengebenden „Männern aus Böhmen“. Der 2. Kreis für das späte 5. und frühe 6. Jh. vermittelte in Segmenten die verschiedenen, um diese Zeit zugewanderten germanischen Bevölkerungsgruppen. Es waren zu den ca. 5 % verbliebenen Romanen ca. 25 % Alemannen, ca. 25 % Ostgoten, ca. 25 % Langobarden, ca. 10 % ostgermanische Gepiden, Heruler und Rugier und ca. 10 % Thüringer. Im 3. Kreis für das spätere 6. Jh. waren dann diese verschiedenen Gruppen zum Neustamm der Baiern verschmolzen. In der Geschichtswissenschaft bildeten sich 1985/ 86 zwei unterschiedliche Standpunke. So sah 1985 der Wiener Historiker Herwig Wolfram in spekulativer Weise das Aufkommen des Baiernstammes bereits zur Zeit der Herrschaft des Königs der Ostgoten Theoderich im 1. Viertel des 6. Jhs. in Italien. 11 Theoderich war es gelungen, seine Herrschaft über die Alpen in die Raetia secunda und nach Noricum auszudehnen, und er versuchte, sich gegen die von Westen andrängenden expansiven Franken und gegen die Thüringer im Norden durch Verträge abzusichern. Dabei ging es um das von ihm übernommene Machtvakuum und in der Raetia secunda und in Noricum, wo sich seit 488 nach dem Teilabzug der Romanen eine germanische Bevölkerung angesiedelt hatte. Sie erhielt nun den Namen Baiern , der wahrscheinlich in der um 525 entstandenen, doch verlorenen Gotengeschichte von Theoderichs Kanzler Cassiodor erstmals festgehalten wurde, aus der ihn dann 551 Jordanes in seine „Getica“ übernahm. So erscheinen die Baiern als „Findelkinder der Völkerwanderung“ im Rahmen der Gebietssicherungen gegenüber den nördlichen Thüringern, mit denen Theoderich 510 in engen Kontakt trat, indem er zu deren Bindung an ihn dem Thüringerkönig Hermanafrid seine Nichte Amalaberga zur Frau gab. 12 Dagegen vertrat der Gießener Historiker Jörg Jarnut 1986 in seiner Studie „Die Agilolfinger und die Ethnogenese der Bayern“ einen positivistischen Standpunkt. Er geht davon aus, dass nach dem Tod Theodrichs 526 schon unter seiner Nachfolgerin Amalasvintha und erst recht nach ihrem Tod 535 die Gotenherrschaft zu schwächeln begann, so dass die expansive Politik der fränkischen Merowinger, die Theoderich noch einzudämmen verstand, neuerlich einsetzte. So gelang es ihnen, 531 das Reich der Thüringer zu stürzen und dann der Raetia secunda den ihnen nahestehenden Agilolfinger Garibald als Herzog aufzuzwingen. Obwohl Garibald erst um 555 bezeugt ist, sprechen Indizien bereits für einen viel früheren Beginn seiner Regentschaft. Das aber führte nicht nur zu einer Stammeswerdung der Baiern und Bildung eines eigenen Stammesherzogtums, sondern auch zum Aufgreifen des in den eigenen Reihen vorhandenen Namens. So korrespondieren zeitlich die Entstehung des Herzogtums und die Erstüberlieferung des Stammesnamens. Durch das Zusammenwirken von Namenforschung, Archäologie und Geschichtswissenschaft wurde also in den 1980er Jahren eine schlüssige Erklärung der bairischen Stammesbildung und Frühgeschichte bis ins 6. Jh. erzielt. Diese Forschungsergebnisse hatten rund zwei Jahrzehnte Bestand. 11 Vgl. Wolfram (1985), S. 105 ff. 12 Vgl. Wolfram (1979), S. 395 f. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 16 11.09.2019 09: 46: 47 1.4. Die Stellung des Bairischen innerhalb der germanischen Sprachen 17 1.4. Die Stellung des Bairischen innerhalb der germanischen Sprachen Obwohl es sinnvoll gewesen wäre, im Rahmen der zum Forschungsstand der 1980er Jahre führenden Diskussion ergänzend die germanistische Sprachwissenschaft und die von Ernst Schwarz zuvor angesprochene Namenkunde einzubeziehen, war das nicht geschehen. Grund dafür war wahrscheinlich, dass die Diskussion über die Gliederung der germanischen Sprachen und die Stellung der deutschen Großraumdialekte bereits in den 1940er und 1950er Jahren stattgefunden und sich die Ergebnisse seither etabliert hatten. Wenn diese teilweise divergenten Diskussionen sich in erster Linie auch auf die stammesgeschichtlichen und sprachlichen Verhältnisse der germanischen Frühzeit bezogen und nicht unmittelbar das Bairische betrafen, so wurde es dennoch als ein wesentlicher Dialekt des Althochdeutschen mitberücksichtigt. Die Untersuchungen eröffnete 1942 Friedrich Maurer in Freiburg im Breisgau mit seinem Buch „Nordgermanen und Alemannen“ mit dem spezifizierenden Untertitel „Studien zur germanischen und frühdeutschen Sprachgeschichte, Stammes- und Volkskunde“, das seine endgültige Fassung 1952 in der weitergeführten 3. Auflage erhielt. Auf Maurer folgte 1948 in Leipzig Theodor Frings mit seiner „Grundlegung einer Geschichte der deutschen Sprache“, die 1957 in erweiterter 3. Auflage erschien. Stimmten Maurer und Frings in der Beurteilung des Deutschen bezüglich seiner stammesgeschichtlichen und stammessprachlichen Grundlagen im Wesentlichen überein, so beurteilte der schon genannte Erlanger Germanist Ernst Schwarz in seinem Buch „Goten, Nordgermanen, Angelsachsen“ von 1951 als „Studien zur Ausgliederung der germanischen Sprachen“ die frühzeitliche Gliederung der Germanen und ihre sprachlichen Beziehungen als auch die Stellungen der Sprachen und ihrer Dialekte teilweise anders. Schließlich zog der Kieler Germanist Hans Kuhn 1955/ 56 in seiner Abhandlung „Zur Gliederung der germanischen Sprachen“ gewissermaßen ein Resümee. Er sah die frühzeitlichen germanischen Verhältnisse ähnlich wie Schwarz und wandte sich vehement gegen die Ansichten von Frings. Da es zu weit führen würde, die jeweiligen Standpunkte und Ergebnisse im Einzelnen auszuführen und sich in der Folgezeit in der deutschen Germanistik die Beurteilungen von Maurer durchgesetzt haben und bis heute gelten, beschränken wir uns auf sie. Maurer geht, wie die Tabelle zeigt, zunächst historisch vor, indem er für das 1. Jh. n. Chr. die von Tacitus überlieferten Kultverbände der Ingwäonen, Istwäonen und Irminonen als kontinentale westgermanische Stammesverbände der Nordseegermanen, Weser-Rhein-Germanen und Elbgermanen versteht, denen er die Illewionen als Nordgermanen in Skandinavien anschließt. Von den kontinentalen westgermanischen Gruppen dehnten sich während der Römerzeit die Weser-Rhein-Germanen bis nach Nordfrankreich und an den Atlantik nach Westen und die Elbgermanen bis an den süddeutschen römischen Limes nach Süden aus, während um die Mitte des 5. Jhs. die zunächst auf der jütischen Halbinsel siedelnden Angeln, ein Teil der Sachsen und die Jüten nach England abwanderten und dort das Angelsächsische (oder Altenglische) entstand. Von den skandinavischen Nordgermanen war ein Teil bereits um die Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. über die Ostsee in das gegenüber liegende Gebiet an der unteren Weichsel abgewandert, der die sogenannten älteren Oder-Weichsel-Germanen bildete, aus denen die Bastarnen und die Skiren hervorgingen, die dann um die Mitte des 3. Jhs. v. Chr. nach Südosten ans Schwarze Meer zogen. Ihnen folgten als weitere nordgermanische Abwanderer die von der Ostsee bis Schlesien siedelnden Rugier, Burgunden und Wandalen, ehe 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 17 11.09.2019 09: 46: 47 18 1. Die Baiern der Frühzeit und ihre Erforschung Germanen Ingwäonen Istwäonen Irminonen Illewionen? Nordseegermanen Weser-Rhein-Germanen ältere jüngere Elbgermanen Oder-Weichsel-Germanen Nordgermanen Bastarnen, Rugier, Goten Urnordisch Skiren Burgunden, Wandalen Angeln Friesen Sachsen Franken Hessen Thüringer Alemannen Baiern Langobarden Gotisch Skandinavische Sprachen Englisch Friesisch Sächsisch Niederfr. Mittelfr. Rheinfr. Ostfr. Alemannisch Bairisch Langobardisch Altniederdeutsch Althochdeutsch Gliederung der germanischen Stämme und Sprachen (nach F. Maurer) Gliederung der germanischen Stämme und Sprachen (nach F. Maurer) 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 18 11.09.2019 09: 46: 47 1.4. Die Stellung des Bairischen innerhalb der germanischen Sprachen 19 sich um Chr. Geb. an der unteren Weichsel die Goten niederließen, die insgesamt als jüngere Oder-Weichsel-Germanen zusammengefasst werden. Sie alle bildeten den eigenen Sprachzweig des Ostgermanischen. Während der Völkerwanderung drangen diese Stämme vom 3. bis 6. Jh. in die antike Welt ein und errichteten vorübergehende Reiche, die ebenso untergingen wie ihre Sprachen verschwanden. Lediglich das Gotische ist in der Bibelübersetzung des Bischofs Wulfila vom Ende des 4. Jhs. in einer Abschrift des 6. Jhs. aus dem Ostgotenreich in Italien als einziges ostgermanisches und zugleich überhaupt ältestes germanisches Textzeugnis in einem eigenen Alphabet überliefert. Aus den westgermanischen Stammesverbänden, die sich nach Westen und Süden ausgebreitet hatten, gingen schließlich jene Stämme hervor, die die Träger der seit dem 8. Jh. überlieferten Sprachen und ihrer Dialekte wurden. Zu den Nordseegermanen gehören die Angelsachsen, Friesen und Sachsen mit Angelsächsisch (oder Altenglisch), Friesisch und Altsächsisch (oder Altniederdeutsch). Aus den Weser-Rhein-Germanen entstanden die verschiedenen Gruppen der Franken und die Hessen. Von ihren Dialekten ging das Westfränkische im Französischen auf und sind die einzelnen fränkischen Dialekte unterschiedlich überliefert, während vom Hessischen Textzeugnisse fehlen. Im Einzelnen steht das Niederfränkische in Kontakt mit dem Altsächsischen, teilte sich das Mittelfränkische später in das nördliche Ripuarische und das südliche Moselfränkische, dem nach Süden das Rheinfränkische und nach Osten das Ostfränkische folgt. Das jüngere Hessische wurde lange als nördliches Rheinfränkisch verstanden, ehe erkannt wurde, dass der Zentralraum mit dem Moselfränkischen korrespondiert. 13 Am weitesten nach Süden drangen die Elbgermanen vor, die schließlich zu Alemannen im Südwesten und zu Baiern im Südosten wurden. Zu ihnen gehören auch die bis ins 6. Jh. selbständigen Thüringer, deren Herrschaftsgebiet 531 von den Franken erobert und aufgelöst wurde, sowie die über Südmähren und Pannonien 568 nach Italien gezogenen Langobarden, die dort bis 774 residierten. Letztere hinterließen keine Textzeugnisse, und ihre Sprache ging in den verschiedenen romanischen Idiomen auf. Die sprachlichen Beziehungen und Entwicklungen erlauben es, die auf die Weser-Rhein-Germanen und die Elbgermanen zurückgehenden Dialekte vom 8. bis zur Mitte des 11. Jhs. als Althochdeutsch zusammenzufassen. Über das Mittelhochdeutsche des 12. und 13. Jhs. bildeten sich durch Weiterentwicklungen die neuhochdeutschen Dialekte des Westmitteldeutschen mit Rheinfränkisch, Hessisch, Moselfränkisch und Ripuarisch und des Oberdeutschen mit Alemannisch, Bairisch und Ostfränkisch. Altsächsisch und das eine Zwischenstellung einnehmende Niederfränkische können zwar als Altniederdeutsch bezeichnet werden, doch ist man davon insofern abgekommen, als aus dem Niederfränkischen in Belgien und den Niederlanden das Niederländische als eigene Sprache hervorgegangen ist. Dazu gehörte auch das textlose, nur aus Orts- und Personennamen bekannte Westfränkische in der belgischen Wallonie und in Nordfrankreich, das in den altfranzösischen Idiomen jener Gebiete aufging. Das Bairische ist also im Kreis der westgermanischen Sprachen und Dialekte elbgermanischer Herkunft und daher eng verwandt mit dem Alemannischen, wobei sich beide Dialekte seit althochdeutscher Zeit immer stärker auseinander entwickelt haben. 14 Wenn das Bairische mit dem Alemannischen einige quasi „nordgermanische“ Erscheinungen teilt, so gehen diese 13 Vgl. Wiesinger (1980b). 14 Zu den Übereinstimmungen und Unterschieden des Althochdeutsch-Bairischen und -Alemannischen vgl. Bergmann/ Götz (1998), zur Verbreitung des Bairischen, seiner Dialektgliederung und seinen Charakteristika vgl. u. a. Wiesinger (1983), S. 836-842. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 19 11.09.2019 09: 46: 47 20 1. Die Baiern der Frühzeit und ihre Erforschung auf frühe elbgermanisch-ostgermanische Kontakte im Odergebiet vor der Südbzw. Südostwanderung der einzelnen Stämme zurück. Sie werden, da nur die ostgermanische Sprache der Goten überliefert ist, vereinfachend, doch missverständlich als „elbgermanisch-gotische Kontakte“ bezeichnet. Tatsächlich bairisch-gotische Sprachkontakte ergaben sich, als die Ostgoten nach 490 unter Theoderich von Italien aus die Herrschaft über die Raetia secunda und Noricum übernahmen, wovon einige gotische Lehnwörter im Bairischen zeugen, wie die Wochentagsnamen Ergetag für Dienstag, Pfinztag für Donnerstag und das ahd. pherintag für Freitag. 15 Im Gegensatz zu der in den 1980er Jahren fälschlich behaupteten, doch widerlegten angeblichen romanischen Prägung des Bairischen, worauf noch zurückzukommen sein wird, ist dieses von Anfang an eine völlig germanisch geprägte Sprache ohne jegliche konstitutive romanische Elemente. Wenn im Südbairischen des Alpenraumes von Tirol und Kärnten besonders im Wortschatz romanische Elemente auftreten, so sind sie das Ergebnis von Sprachkontakten einerseits als Substrate des ausgestorbenen Romanischen und andererseits als Lehnwörter aus den südlich angrenzenden alpenromanischen (ladinischen) Dialekten und dem Italienischen. 16 Im Hinblick auf die bairische Ethnogenese ist aus sprachwissenschaftlicher Sicht jedenfalls festzuhalten, dass das Bairische elbgermanisch geprägt ist. Daraus ist zu folgern, dass der prägende Bevölkerungsanteil aus Elbgermanen bestand und daher gegenüber den anderen beteiligten Germanengruppen und den Restromanen den überwiegenden Teil ausgemacht haben muss. Wahrscheinlich war er wesentlich höher als jene gerade 60 %, die sich aus den obgenannten vermuteten Anteilen von ca. 25 % Alemannen, 25 % Langobarden und 10 % Thüringern ergeben, sonst hätte sich das Elbgermanische nicht zum Bairischen entwickelt und durchgesetzt. 1.5. Herkunft und Identitätsbildung der Baiern in neuer Sicht 1.5.1. Die Situation Da in der Forschung wissenschaftliche Erkenntnisse und Standpunkte stets hinterfragt werden und vor allem eine nachrückende jüngere Generation gegenüber ihren Vorgängern nach trefflicheren Einsichten strebt, ja seit den gesellschaftlichen Umbrüchen von 1968 auch in der Wissenschaft Traditionen bewusst abgebrochen und neue Gegenpositionen aufgebaut werden, ist das dargestellte Bild von Herkunft, Name und Ethnogenese der Baiern nach der Jahrtausendwende sukzessive, besonders aber von Archäologen, doch teilweise auch von Historikern und Sprachwissenschaftlern abgebaut worden. Den neuen, noch heterogenen Forschungsstand von über 20 Jahren nach der Baiernausstellung von 1988 versuchen der Freiburger Archäologe Hubert Fehr und die Münchener Historikerin Irmtraut Heitmeier auf der Basis einer 2010 in Benediktbeuern veranstalteten Tagung in dem 2012 erschienenen umfänglichen Sammelband „Die Anfänge Bayerns“ mit dem spezifizierenden Untertitel „Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria“ darzustellen. Das nach wie vor große Interesse an diesen Fragen bewirkte 2014 dessen 2. Auflage. Die meisten neuen Thesen, die keinen Stein auf dem anderen lassen, wurden aber schon vorher vorgetragen. 15 Zu den frühen Kontakten der Elbgermanen mit den Ostgermanen im Odergebiet sowie zu gotischen Entlehnungen im Bairischen vgl. Wiesinger (1985a). 16 Vgl. dazu besonders Schneider (1963), Wiesinger (2003); Wiesinger (2005a), S. 1116-1119 und Wiesinger (2017d), S. 107-110. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 20 11.09.2019 09: 46: 47 1.5. Herkunft und Identitätsbildung der Baiern in neuer Sicht 21 1.5.2. Die Ansichten der Archäologen Die Neuansätze eröffnete 2002 der Münchener Archäologe Arno Rettner mit seiner noch zurückhaltenden, doch deutlich fragenden Studie „402, 431, 476 - und dann? “ mit dem Untertitel „Archäologische Hinweise zum Fortleben romanischer Bevölkerung im frühmittelalterlichen Südbayern“. Neue Gräberfunde des 5. Jhs. einer sicher povinzialrömischen Bevölkerung ‒ kurz Romanen genannt ‒ führten dazu, bisher angenommene Anhaltspunkte für einen Rückzug von Romanen zeitlich immer mehr hinaufzuschieben. Damit bezog man sich freilich zunächst auf die Reduktion des römischen Militärs und der Verwaltung, indem man mit Truppenabzug 401/ 02 unter Stilicho und nach den Juthungenkämpfen des Aetius 429/ 31 rechnete, während man mit dem Ende des weströmischen Reiches 476 und damit dem Zusammenbruch der römischen Herrschaft überhaupt einen großen Weggang der Romanen annahm. Rettner aber zeigt, dass in den neu entdeckten Gräberfeldern von St. Ulrich und Afra in Augsburg, am Lorenzberg in Epfach am Lech - beide im alemannisch-schwäbischen Gebiet - sowie im bairischen Altenerding die romanische Bestattungsweise mit geringen Beigaben dominiert und germanisches Totenbrauchtum mit Waffenbeigaben bei Männern und etwa mit Amulettgehängen und als „Vierfibeltracht“ bei Frauen stark zurücktreten oder überhaupt fehlen. So stellt sich die Frage, ob es angemessen ist, von „Restromanen“ angesichts der Ethnogenese der Baiern zu reden. Bereits zwei Jahre später 2004 trug Arno Rettner seine neuen Ansichten über die Ethnogenese der Baiern unter dem provokanten Titel „Bauaria romana“ als „Neues zu den Anfängen Bayerns aus archäologischer und namenkundlicher Sicht“ vor und stellte damit die geltenden Ansichten auf beiden Gebieten in Frage. Archäologisch konstatiert Rettner in den Reihengräbern starke Unterschiede in Grabbeigaben im bayerischen Donauraum nördlich und südlich des römischen Limes in der Merowingerzeit besonders nach dem Tod Severins 482 und dem Rückzug der Romanen nach Italien 488 in Noricum. So fehlt etwa in Männergräbern südlich der Donau die nördliche Mitbestattung von Reitzubehör und Pferden und in Frauengräbern vielfach die nördliche Beigabe von Webschwertern, und in beiden Fällen sind Speisebeigaben im Süden geringer als im Norden. Daraus wird die unterschiedliche Nachwirkung romanischer bzw. germanischer Bestattungssitten und damit das Bestehen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen, vor allem ein hoher fortbestehender Anteil an Romanen im ehemals römischen Gebiet der Raetia secunda, gefolgert. Deshalb sucht Rettner nach weiteren Argumenten für romanische Kontinuitäten der Baiern in ihrem Siedlungsraum südlich der Donau. Dazu zieht er, obwohl kein Sprachwissenschaftler, die eingedeutschten Ortsnamen romanischer Herkunft als tradierte echte antik-romanische Bildungen und als romanisch-deutsche Mischnamen, das sind neue deutsche Bildungen mit romanischen Personennamen, heran. Bei Letzteren wird angenommen, dass die anfängliche Bewohnerschaft romanisch war und auch romanisch sprach und sich schließlich das deutsche Idiom der hinzugetretenen und zunehmenden deutschen Bewohnerschaft durchsetzte. Da Rettner dabei auf verschiedene ältere Arbeiten zurückgreift, nennt er auch solche Ortsnamen, für die eine früher versuchte romanische Etymologie sich nicht mehr halten lässt. Ebenso bedient sich Rettner der noch zu besprechenden, in den 1980er Jahren vom Klagenfurter Allgemeinen Sprachwissenschaftler und Romanisten Willi Mayerthaler vorgetragenen These, wonach das Bairische eine Kreolsprache mit romanischer Grundlage und germanisierter alemannischer Überformung sei, ohne aber die von der Germanistik bereits damals vorgetragene Kritik und Widerlegungen auch nur mit einem Wort zu erwähnen. So werden für Rettner die Baiern des 6. Jhs. zu „einer 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 21 11.09.2019 09: 46: 47 22 1. Die Baiern der Frühzeit und ihre Erforschung romanisch-germanischen Mischbevölkerung zwischen Alpen und Donau, die sich eben durch dieses Spezifikum … von den benachbarten Alamannen, Langobarden oder Franken abhob“. 17 Mit der Zurückweisung der anhand der Keramik des Typus Přešt’ovice ‒ Friedenhain aufgezeigten archäologischen Zusammenhänge von Südböhmen und Bayern bezweifelt Rettner schließlich auch die germanische Etymologie des Baiernnamens und sucht nach einer romanischen. Er glaubt, sie in lautähnlichem lat. baiulare ‚Lasten tragen, schleppen‘ und lat. baiulus ‚Lastenträger‘ gefunden zu haben, und versteht die Baiern als Lastenträger von Waren aus Italien über die Alpen durch Bayern nach Germanien, wobei das anfängliche inlautende l dann verloren gegangen sei. Den Anlass zu dieser Etymologie bietet Rettner die Vita Severini, 29, 18 ff., wo es heißt 18 : … conductis plurimis comitibus, qui collo suo vestes captivis et pauperibus profuturas, quas Noricorum religiosa collatio profligaverat, baiularent . Er hatte viele Kameraden geworben, die auf ihrem Nacken Kleidungsstücke schleppten , welche für Gefangene und Arme bestimmt und durch fromme Sammlung der Noriker aufgebracht worden waren. Eine wohl als Nachdruck verleihende hinzugefügte jüngere bildliche Wiedergabe dieser Legende mit warenschleppenden Baiuli ‚Lastenträgern‘ findet sich auf dem Predellenbild des Polyptichons aus der Kirche SS. Severino e Sossio in Neapel von 1470 des Meisters von San Severino, das jetzt im Schloss Berchtesgaden aufbewahrt wird. Zu seiner romanischen Etymologie befragte Rettner eine Anzahl germanistischer Sprachwissenschaftler, die jedoch eine solche lautgesetzlich nicht mögliche Bildung mit Recht ablehnte. 19 So müsste im 5./ 6. Jh. eine romanische Entlehnung im Nominativ Plural germ. * Baiolowarjā und lat. * Baiolovarii bzw. mit Assimilierung * Baioloarjā bzw. * Baioloarii lauten, denn ein inlautendes l schwindet einfach nicht. Dagegen hält der Altphilologe und verdiente bayerische Namenforscher Wolf-Armin Frhr. von Reitzenstein in seiner Behandlung von diesbezüglichen Volksetymologien „Neue Etymologien des Baiern-Namens“ von 2005/ 06 eine romanische Herkunft des Baiernnamens für wahrscheinlich und bietet, angeregt durch Rettners Etymologie, eine daran anknüpfende eigene Version. 20 Dabei geht er von der lateinischen Lesart Baibari bei Jordanes aus, die er unter den überlieferten Varianten für die ursprüngliche gotische Form des Namens hält, und sieht im Erstglied dieses Kompositums lat. baium ‚Last‘ 21 und im Zweitglied germ. bar von bëran ‚tragen‘ wie z. B. in ahd. eimbar ‚Eimer‘ als Lehnwort aus lat. amphora , das seinerseits aus gr. ἀμφορέος entlehnt ist und lat. ferō / gr. φέρω ‚tragen‘ enthält. Die ‚Lastträger‘ bedeutende Volksbezeichnung, die nichts mit den Boiern und Boi(o)haemum zu tun habe, sei als rom./ germ. Mischbildung im Kauderwelsch des römischen Heeres mit Angehörigen aus vielen Sprachen entstanden und könnte anfänglich eine Spottbezeichnung gewesen sein. Bei romanischer Weiterentwicklung zu Baivari sei 17 Vgl. Rettner (2004), S. 273. 18 Vgl. Noll (1963), S. 94/ 95. 19 Vgl. Rettner (2004), S. 278. 20 Vgl. Reitzenstein (2005/ 06), S. 10 ff. 21 Wenn ich recht sehe, handelt es sich bei diesem baium um ein erschlossenes Substantiv, denn es ist weder bei Du Cange: Glossarium mediae et infimae Latinitatis, Bd. 1 (1883) noch im Thesaurus linguae latinae, Bd. 1 (1892) nachgewiesen. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 22 11.09.2019 09: 46: 47 1.5. Herkunft und Identitätsbildung der Baiern in neuer Sicht 23 das Zweitglied dann wegen lautlicher Ähnlichkeit mit germ. * warja ‚Bewohner‘ zusammengefallen und so der überlieferte Baiernname entstanden. Auch diese Herleitung, die den Anschauungen der Archäologen folgt und den Zusammenhang des Baiernnamens mit den Boii und Boi(o)haemum beseitigen möchte, ist wie die anderen von Reitzenstein behandelten neuen Etymologien des Baiernnamens eine volksetymologische Konstruktion, die Bestandteile aus verschiedenen Sprachen miteinander verbindet und von deren Teilen wieder einen durch ein anderes Wort ersetzt, angebliche Vorgänge, die nicht nur im Ablauf unrealistisch erscheinen, sondern wofür es auch in der Lehnwortforschung keine Entsprechungen gibt. Außerdem widerspricht diese Konstruktion lautgesetzlichen Entwicklungen. Ein gotisches * Baiwarjos und ein spätwestgerm. * Baiwarjā des 5./ 6. Jhs. würde in der 2. Hälfte des 8. Jhs. zu bair.-ahd. * Bēore mit Monophthongierung von ai vor w zu ē führen. Reitzenstein hält an seiner nicht möglichen Etymologie weiterhin fest und wiederholt sie 2014 und 2017. 22 Doch zurück zu Rettner, der in seinem Beitrag zum Sammelband von 2012 dann zwar einräumt, dass ab dem späten 5. Jh. mit verstärkter germanischer Zuwanderung in die Gebiete südlich der Donau zu rechnen ist, 23 aber weiterhin an der Romanenthese festhält. Im Anhang korrigiert bzw. ergänzt Rettner auf Grund von Hinweisen und mehrfacher Kritik seine bisherigen Listen von Ortsnamen romanischer Herkunft und von romanisch-deutschen Mischnamen. Auf dem von Rettner vorgezeichneten Weg schließen sich weitere Studien von Archäologen an. So beschäftigt sich 2012 der Münchener Archäologe Jürgen Haberstroh mit der Frage „Der Fall Friedenhain ‒ Přešt’ovice - ein Beitrag zur Ethnogenese der Baiovaren? “ Gerade diese an beiden Orten gefundene und übereinstimmende Feinkeramik schien ja die These einer Einwanderung zumindest eines Teiles der Baiern zu bestätigen. Sie wird aber nicht nur dadurch in Frage gestellt, dass diese Feinkeramik nur an wenigen südböhmischen Fundplätzen vorkommt, was die Einwanderung größerer Volksgruppen fraglich macht, sondern sie tritt in Variation sowohl im Barbaricum des 3.-6. Jhs. als auch überhaupt in ganz Süddeutschland auf und ist nicht an germanischen, sondern an römischen Mustern orientiert. Es lässt sich daher keinerlei Herkunftsthese an diese Feinkeramik knüpfen. Allerdings räumt Haberstroh ein, dass die Variationen sowohl im barbarischen als auch im römischen Gebiet auf Werkstattunterschiede zurückgehen. Dabei gelte es, einerseits die Spezifik der Keramik des Typus Přešt’ovice ‒ Friedenhain herauszuarbeiten und andererseits die Werkstattunterschiede im römischen wie im germanischen Gebiet festzustellen und gegeneinander abzugrenzen. Aber diesen langwierigen Untersuchungen scheinen sich die Archäologen gar nicht unterziehen zu müssen, denn die Einwanderungsthese der Baiern wird noch mit weiteren Argumenten abgelehnt. Radikaler und polemischer verfährt der in Freiburg im Breisgau lehrende Archäologe Hubert Fehr. Er trug seine Kritik in dem ausführlichen Beitrag „Am Anfang war das Volk? Die Entstehung der bajuwarischen Identität als archäologisches und interdisziplinäres Problem“ auf der 2006 in Wien veranstalteten Internationalen Konferenz „Archäologie der Identität“ vor, deren Ergebnisse 2010 veröffentlicht wurden. Dabei löst der Terminus Identität bisheriges Ethnogenese 22 Vgl. Reitzenstein in seiner Rezension zum Beitrag von Ludwig Rübekeil in Fehr / Heitmeier (2012/ 14) in Blätter für oberdeutsche Namenforschung 51 (2014), S. 222 und Leserbrief „Ein lateinisch-germanischer Name: Die Baiern heißen Lastträger“ in Bayerische Archäologie 2017/ 4, S. 7 und 47. 23 Vgl. Rettner (2012/ 14), S. 289: „Dass mit verstärkter Zuwanderung ab dem späteren 5. Jahrhundert zu rechnen ist, steht außer Frage, denn anders lässt sich die Bevölkerungsexplosion kaum erklären, die an der steigenden Zahl von Körpergräberfeldern zwischen der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts (ca. 50 Funde) und der Zeit um 600 (mehrere hundert Funde) in Südbayern abzulesen ist“. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 23 11.09.2019 09: 46: 47 24 1. Die Baiern der Frühzeit und ihre Erforschung und älteres Stammesbildung ab. Fehr sieht als Ausgangspunkt und Basis der bisherigen archäologischen Suche nach der Herkunft der Baiern die kaum jemals hinterfragte Annahme der Sprachwissenschaft, dass der Baiernname „Männer aus Böhmen“ bedeute und die Baiern daher aus Böhmen eingewandert seien. Das aber stellt Fehr von seinem positivistischen Standpunkt aus entschieden in Abrede, weil es dazu weder historische Nachrichten über eine germanische Einwanderung aus Böhmen in den Donauraum der Raetia secunda und von Noricum gebe, noch überhaupt über germanische Einwanderungen in ehemals römisches Gebiet. Mangels derartiger schriftlicher Quellen besitzen daher einzig und allein die archäologischen Funde als materielle Zeugnisse Quellenwert, so dass nur aus ihnen verbindliche Erkenntnisse gewonnen werden können. Aber der bislang angestellte Nachweis bairischer Einwanderung mit Hilfe der Keramik vom Typus Přešt’ovice ‒ Friedenhain versagt insofern, als es einerseits bloß geringe innerböhmische Fundplätze gibt und andererseits diesseits und jenseits des römischen Limes unterschiedliche Begräbnissitten gepflegt wurden. Während nämlich nördlich germanische Brandbestattung üblich war, herrschte auf römischem Boden seit der Mitte des 5. Jhs. Körperbestattung in Reihengräbern. Sie aber waren keine mitgebrachte Sitte, sondern eine Neuerung. Ebensowenig sind die Beigaben von Waffen und Fibeln ein bairisches Charakteristikum, sondern sie waren in weit größerem Umfang verbreitet und begegnen auch in alemannischen Reihengräbern in Württemberg und am Rhein sowie im westfränkischen Nordgallien. Deshalb dürfen sie nicht als Indiz für nördliche germanische Zuwanderung nach Bayern bewertet werden, sondern sind vielmehr als Angleichung an fränkisch-merowingische Bestattungssitten zu verstehen. 24 Überhaupt möchte Fehr die Entstehung einer bairischen Identität im Anschluss an die obgenannte positivistische Ansicht des Historikers Jörg Jarnut erst im Zusammenhang mit der Bildung eines bairischen Herzogtums und der Einsetzung der Agilolfinger als Herzöge nach 536/ 37 sehen, nachdem 535 die Gotenregentin Amalasvintha ermordet worden war. Das aber korrespondiert mit der Erstnennung der Baiern in den historischen Quellen um 550/ 60. Somit betrachtet Fehr in seinem Beitrag „Friedhöfe der frühen Merowingerzeit in Baiern - Belege für die Einwanderung der Baiovaren und anderer Gemeinschaften? “ von 2012 die Einwanderungsthese polemisch als „Meistererzählung“, um nicht zu sagen als ein hübsch erfundenes Märchen. 25 Zusammenfassend steht für die Archäologen trotz Unterschieden im Einzelnen viererlei fest: ▶ Eine schon lange postulierte Einwanderung der Baiern aus Böhmen in den bairischen Raum der Raetia secunda und von Noricum beruht auf der sprachwissenschaftlichen Interpretation des Baiernnamens als „Männer aus Böhmen“; doch gibt es weder für eine solche Einwanderung noch überhaupt für Einwanderungen von Germanen in ehemals römische Gebiete schriftliche Zeugnisse. 24 Bereits in seiner Freiburger Dissertation von 2003, die inzwischen als Fehr (2010a) veröffentlicht ist, und im zunächst daraus gewonnenen Beitrag Fehr (2008) wird gezeigt, dass Reihengräber mit Körperbestattungen in Nordgallien kein mitgebrachter germanischer Brauch sind. Sie sind vielmehr deutlich erkennbar als Innovation um die Mitte des 5. Jhs. im römischen Milieu des römischen Hinterlandes und der Grenzzone zum germanischen Gebiet entwickelt worden, doch ist „ein bedeutender Anteil der eigentlichen Germania jenseits der Grenzzone dagegen kaum nachzuweisen“ (S. 101). 25 Der von Jaurosch / Sabrow (2002) eingeführte Begriff „Meistererzählung“ wird seit Rexroth (2007) für historische Angaben im früh- und hochmittelalterlichen Schrifttum verwendet, die sagenhaft anmuten und keinen wahrscheinlichen Realitätsbezug haben, und auch für ältere Geschichtsauffassungen, die nun als unwahrscheinlich betrachtet werden, so dass die Bezeichnung „Meistererzählung“ ironisierenden und polemischen Charakter hat. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 24 11.09.2019 09: 46: 47 1.5. Herkunft und Identitätsbildung der Baiern in neuer Sicht 25 ▶ Auch archäologisch lässt sich keine Einwanderung von Germanen aus Böhmen wie überhaupt aus Gebieten nördlich der Donau nachweisen, denn der dafür besonders herangezogene Beweis einer Feinkeramik des Typus Přešt’ovice ‒ Friedenhain stellt kein bairisches Charakteristikum dar und kommt seit dem 5. Jh. auch in weiteren merowingischen Gebieten vor, wenn es auch Werkstattunterschiede gibt. Ferner zeigen die als weiterer Beweis herangezogenen Beigabensitten in ihrer Verbreitung diesseits und jenseits des römischen Limes deutliche Unterschiede. 26 ▶ Der Neustamm der Baiern hat sich erst nach dem Tod der Gotenregentin Amalasvintha 535 und dem zerfallenden Gotenreich mit der Einsetzung des den fränkischen Merowingern nahestehenden Herzogs Garibald gebildet, wobei zeitliche Korrespondenz mit dem Auftreten des Baiernnamens seit 551 besteht. ▶ Die Entstehung des Neustammes der Baiern vollzog sich auf ehemals provinzialrömischem Gebiet südlich des Donaulimes mit der dort ansässigen romanischen Bevölkerung, was sich aus den dort auftretenden Ortsnamen romanischer Herkunft und aus den Mischnamen mit einem romanischen Personennamen ergibt. Es liegt auf der Hand, dass diese teilweise mit Absolutheitsanspruch vorgetragenen Konzepte der Archäologie fachbegrenzt und daher einseitig sind, obwohl die anstehenden Fragen nur interdisziplinär gelöst werden können. So wird aus der Sicht der Sprachwissenschaft nicht gefragt, wie ohne angebliche germanische Zuwanderung und ohne Beteiligung einer ein germanisches Idiom sprechenden Bevölkerung sich dann ein Sprachwechsel vom Romanischen zum Germanischen vollzogen hat, wie die antik-romanischen Gewässer- und Ortsnamen in das sich entwickelnde Althochdeutsche integriert worden sind und wie sich romanisch-deutsche Mischnamen gebildet haben. 1.5.3. Die schon früher vorgetragene, doch widerlegte „Romanentheorie“ über die Herkunft der Baiern Die besonders vom Archäologen Arno Rettner favorisierte Ansicht einer bairischen Ethnogenese bzw. Identitätsbildung auf provinzialrömischem Boden der Raetia secunda unter maßgeblicher Beteiligung der ansässigen romanischen Bevölkerung kann man als „Romanentheorie“ bezeichnen. Sie ist keineswegs neu, und ihr Vortrag vor mehr als 35 Jahren wurde von der germanistischen Sprachwissenschaft längst überzeugend widerlegt und zurückgewiesen. Dennoch muss sie vor allem im Hinblick auf eine zur Unterstützung herangezogene neue, gerade aus der Germanistik kommende, doch andere Intentionen verfolgende Studie von Wolfgang Haubrichs zu den vom 8. bis 10. Jh. aus dem bairischen Sprachraum überlieferten romanischen und biblischen Personennamen und mit solchen gebildeten deutschen Ortsnamen als romanisch-deutsche Mischnamen eingegangen werden. Schon 1971 trug der Münchener Historiker Karl Bosl in seiner „Geschichte Bayerns“ die bis zur 7. und letzten Auflage 1990 unverändert beibehaltene „Romanentheorie“ zur Herkunft der 26 Diese neuen Ansichten der jüngeren Archäologen wenden sich gegen die bis 1988 vor allem von Thomas Fischer vorgetragenen Forschungsergebnisse. Nachdem Fischer 1992 als Professor für die Archäologie der römischen Provinzen an die Universität Köln berufen worden war, gab er jedoch keinerlei Stellungnahmen mehr zur bayerischen Archäologie ab. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 25 11.09.2019 09: 46: 47 26 1. Die Baiern der Frühzeit und ihre Erforschung Baiern vor. 27 Danach gehen die Baiern auf die bodenständigen Keltoromanen zurück, die seit der Mitte des 6. Jhs. nach der Konstituierung des Neustammes der Baiern von Franken und Alemannen germanisiert wurden. 28 Diese These unterstützten in den 1980er Jahren der Salzburger Slawist Otto Kronsteiner und der Klagenfurter Allgemeine Sprachwissenschaftler und Romanist Willi Mayerthaler in einer Reihe von Studien. Nachdem Kronsteiner 1981 an die Universität Salzburg berufen worden war, veröffentlichte er zunächst in Zeitungsartikeln die These, der Name der Baiern gehe als romanische Bildung auf den antik-romanischen Namen Ivaro der Salzach zurück, und die Stadt Salzburg sei der Mittelpunkt des Entstehungsraumes der Baiern gewesen, so dass der Stammesname der Baiern als Gaubezeichnung romanisch * Pago Ivaro gelautet habe, der über * Pagivaro bald zu * Paiovaro kontrahiert worden sei. Erst 1984, nachdem bereits auf Tagungen die Diskussion darüber aufgenommen worden war, äußerte sich Kronsteiner mit „Der altladinische P ag ( o ) ivaro als Kernzelle der bairischen Ethnogenese“ in einem wissenschaftlichen Organ dazu. Seiner Auffassung schloss sich 1983/ 84 Mayerthaler mit seinem ausholenden Beitrag „Woher stammt der Name der ‚Baiern‘? “ an. 29 Außerdem erklärte Mayerthaler das Bairische zu einer romanisch-germanischen Kreolsprache, einer Mischsprache auf romanischer Grundlage mit germanisch-alemannischer Überformung, deren romanische Elemente bis in die gegenwärtigen Dialekte weiterbestünden und deutlich greifbar wären. Beide Protagonisten verteidigten ihre Theorien mit Vehemenz, Polemiken und Angriffen auf die Methodik der germanistischen Sprachwissenschaft, doch wurden ihre Auffassungen mehrfach widerlegt, was hier alles nicht näher ausgeführt werden muss. Von Entgegnungen seien u. a. besonders angeführt Ingo Reiffenstein 1986 „Baiern und der Pagus Iobaocensium“ und 1987 „Stammesbildung und Sprachgeschichte“ sowie 1987 Hellmut Rosenfeld „ Die Völkernamen Baiern und Böhmen, die althochdeutsche Lautverschiebung und W. Mayerthalers These ‚Baiern = Salzburger Rätoromanen‘“. Bereits 1981 hatten Ludwig Eichinger und Robert Hinderling mit „Die Herkunft der Baiern im Lichte der Ortsnamen“ Karl Bosls „Romanentheorie“ eine Absage erteilt. Trotzdem lieferten Eva und Willi Mayerthaler verspätet 1990 in gleichem Sinn die Studie „Aspects of Bavarian Syntax or ‚Every Language Has at Least Two Parents‘“ nach. Lange unbeachtet findet sie jüngst im Zusammenhang mit der erneut von Arno Rettner vorgetragenen „Romanentheorie“ Beachtung durch den Leiter des Bayerischen Wörterbuches in München, Anthony Rowley, in seiner widerlegenden Auseinandersetzung „Bavaria germanica oder Romania submersa“ von 2017. 30 Darin zeigt Rowley, dass Mayerthalers These, die Syntax des Bairischen sei völlig romanisch geprägt, sich nicht aufrecht erhalten lässt, denn die weit über ein Dutzend angesprochenen syntaktischen Phänomene weisen im Deutschen eine weit über das Bairische hinausgehende Verbreitung auf und sind unabhängig voneinander sowohl im Romanischen wie im Germanischen polygenetisch entstanden, was das Bairische fälschlich als ein germanisches Idiom auf quasi romanischer Basis erscheinen lasse. 27 Vgl. Bosl (1971), S. 22 ff. 28 Diese ausführlich argumentierte Auffassung Bosls fand keinen Eingang in die bayerische Geschichtsforschung und blieb isoliert. Die gängige Ansicht trägt u. a. Kraus (1983/ 2013), S. 13 ff. vor. 29 Obwohl Mayerthalers umfängliche Studie erst 1984 erschien, schickte er ihr 1983 in der Österreichischen Namenforschung 12 (1981-83) eine Kurzfassung voraus. 30 Obwohl erst 2017 publiziert, trug Rowley seinen Beitrag bereits 2013 auf der 12. Bayerisch-Österreichischen Dialektologentagung in Wien vor. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 26 11.09.2019 09: 46: 47 1.5. Herkunft und Identitätsbildung der Baiern in neuer Sicht 27 Es ist daher von der „Romanentheorie“, wonach die Baiern germanisierte Romanen und das Bairische auf romanischer Sprachbasis entstanden sei und von Anfang an entsprechende romanische Strukturen und Substrate aufweise, zur Gänze abzulassen. 31 1.5.4. Romanische und biblische Personennamen im bairischen Raum Wenn seitens der Archäologie die „Romanentheorie“ erneut aufgegriffen wird, so spielt dabei besonders für Hubert Fehr die Abhandlung des Saarbrücker germanistischen Sprachwissenschaftlers Wolfgang Haubrichs „Baiern, Romanen und andere“ als „Sprachen, Namen, Gruppen südlich der Donau und in den östlichen Alpen während des frühen Mittelalters“ von 2006 eine maßgebliche Rolle, noch dazu wo im Titel Baiern und Romanen gemeinsam exponiert aufscheinen. Aber nichts liegt Haubrichs ferner, als eine romanische Herkunft der Baiern anzunehmen. Vielmehr arbeitet er sehr deutlich und unmissverständlich heraus, dass Bairisch, Alemannisch, Langobardisch und, soweit man dies aus den wenigen überlieferten Personennamen erschließen kann, auch das Thüringische elbgermanischer Herkunft mit vielen sprachlichen Gemeinsamkeiten sind. Innerhalb dieses elbgermanischen Sprachverbandes, der nach den Anfangsbuchstaben als BLA(T) -Gruppe zusammengefasst werden kann, aber weist gerade das althochdeutsche Bairische in gewissen Wortschatzbereichen wie etwa dem Rechtswortschatz Eigenständigkeit auf und unterscheidet sich so vom engverwandten althochdeutschen Alemannischen. Dennoch ist es Haubrichs ein besonderes Anliegen, anhand der klösterlichen Quellen des 8.-10. Jhs. die überlieferten romanischen und biblischen Personennamen und die mit ihnen gebildeten Ortsnamen zusammenzustellen und auf das Miteinander von Romanen und Baiern in der frühmittelalterlichen Zeit nachdrücklich hinzuweisen. Dabei kann Haubrichs auf seine Erkenntnisse in den westmitteldeutschen Kontakträumen von Romanen und Franken insbesondere in Lothringen und im Moselland zurückgreifen. Am Namenmaterial des bairischen Raumes zeigt sich, dass die romanischen Personennamen die romanischen Lautentwicklungen des 6./ 7. Jhs. aufweisen wie im Konsonantismus die intervokalische Inlautlenierung von lat. t - p - k zu stimmhaftem d - v - g , z. B. Senator > Senadur , Lupo > Luvo , Jacobo > Jago(b ), und die Palatalisierung von ti - / di vor Vokal zu < z , ci > / [tßi -/ dsi -], z. B. Antiocho > Anciogo , Constantio > Custanzo , Laurentia > Laurenza , Claudia > Clauza , sowie im Vokalismus die Monophthongierung von au > o , z. B. Aurelian(o) > Orilan , Paulo > Polo . Umgekehrt weisen romanische Personennamen bairisch-althochdeutsche Lautentwicklungen des 8. Jhs. auf. So vollziehen sie etwa im Konsonantismus die jüngeren Akte der Zweiten Lautverschiebung von rom. d - b - g zu bair.-ahd. t - p - k mit, z. B. Duro > Turo , Indo > Into , Beronician(o) > Peronzan , Habentio > Hapizo , Gaio > Keio , und im Vokalismus den i -Umlaut von a > e vor i oder Palatalkonsonanten der Folgesilbe, z. B. David > Tevid , Daniel > Tenil , Aletio > Elizo , Tapetio > Tepizo , und die Assimilierung von ai > ei , z. B. Maiol(o) > Meiol , Maioran(o) > Meioran , Gaio > Keio . 32 Gerade hier aber fragt sich, ob angesichts solcher bairisch-althochdeutscher Laut- 31 Das betrifft nicht den auch im Bairischen vorhandenen gesamtdeutschen, auf germanisch-römische Kontakte in den antiken Grenzgebieten zurückgehenden lateinischen Lehnwortschatz sowie nicht den im Südbairischen von Tirol und Kärnten als deutsch-romanische Kontaktgebiete bzw. in Tirol als lange romanisch gebliebenes Siedlungsgebiet auftretenden romanischen Lehnwortschatz. Vgl. oben Abschnitt 1.4 und Anm. 16. 32 Es ist darauf hinzuweisen, dass sowohl romanische wie bairisch-althochdeutsche Lautentwicklungen nicht in allen davon betroffenen Personennamen schriftlich festgehalten sind. So wäre z. B. * Cloza und nicht Clauza zu erwarten. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 27 11.09.2019 09: 46: 47 28 1. Die Baiern der Frühzeit und ihre Erforschung entwicklungen Träger solcher romanischer Personennamen noch als echte Romanen und damit auch als Sprecher des Romanischen betrachtet werden können, oder ob sie sprachlich mit ihren bereits bairisch lautenden Namen romanischer Herkunft nicht schon zum Bairisch-Althochdeutschen übergegangen sind. Eine verbindliche Entscheidung lässt sich diesbezüglich nicht treffen, und Haubrichs ist vorsichtig genug, dies auch klar zu verstehen zu geben. Ähnlich liegen die Probleme bei den mit einem romanischen PN und einem deutschen Grundwort oder einer deutschen Ableitung gebildeten Ortsnamen, den sogenannten „Mischnamen“, wie z. B. Marzling bei Freising mit Marcello (804-07 Marzilinga ) und mit Vidal < Vitalis gebildetem Figlsdorf bei Nagelstadt (850 Fitalesdorf ). Stillschweigend wird hier angenommen, dass die Träger romanischer Personennamen automatisch auch Sprecher des Romanischen waren und solche Ortsnamen bei Hervorhebung des romanischen Elements trotz deutscher Bildung als „romanische Ortsnamen“ betrachtet werden. Trotz erst jüngerer urkundlicher Erstüberlieferungen kann zwar bei einigen Mischnamen anhand lautlicher Merkmale eine frühe Bildungszeit festgestellt werden, aber es bleibt dabei offen, ob der Personenname damals noch romanisch war oder, wie die Personennamenüberlieferungen zeigen, bereits ins Bairisch-Althochdeutsche integriert war. Diese Problematik erhöht sich, wenn statt „Mischname“ in neuerer Terminologie von „Hybridname“ bzw. „Hybridbildung“ gesprochen wird. Hier wird nämlich vorausgesetzt, dass zunächst eine genuine romanische Namenbildung vorliegt, die dann später deutsch überformt wurde, so dass die überlieferten deutschen Ortsnamen nicht primäre Bildungen, sondern erst sekundäre, eben hybride Neubildungen sind. Es mag solche Fälle gegeben haben. So lässt z. B. der Name Abersee für den Wolfgangsee in Oberösterreich mit dem rom. Personennamen Abriano in seiner ältesten lateinischen Überlieferung von 788 Abriani lacum vermuten, dass dieser lateinischen Form eine romanische Form zugrunde liegt, aber bereits 829 heißt der See in integrierter Weise bair.-ahd. Aparinesseo . Trotz der lateinischen Kontexte weisen jedoch die Überlieferungen der Mischnamen seit dem 8. Jh. eindeutig bairisch-althochdeutsche Bildungen auf, z. B. Aising (Stadtteil von Rosenheim) 778/ 83 Agusing mit dem PN Agusius und Königsdorf bei Bad Tölz 776-88 Chumitzdorf mit dem PN Comitius . Auf ein bei Mischnamen bis jetzt nicht beachtetes Problem macht Albrecht Greule aufmerksam. Bei den einfach als „romanisch“ bezeichneten Personennamen handelt es sich nämlich zum größeren Teil um biblische Namen und um Heiligennamen (Hagionyme), wobei die Romanen (im Gegensatz zu den Baiern) von Anfang an getaufte Christen waren. In solchen Fällen könnten zumindest einzelne Personennamen nicht unmittelbar auf „Romanische Ortsgründer“ als deren Träger zurückgehen, sondern auch auf Kapellen oder kleine Kirchen, die solchen Heiligen geweiht waren. Eine solche Möglichkeit könnte z. B. die Orte Jailing , Jaibling , Jasberg , † Jausberg mit Jacobus als Apostelname oder die zahlreichen Orte mit Irs -/ Irsch betreffen, denen Ursus zugrunde liegt, wobei der hl. Ursus ein Angehöriger der Thebaischen Legion war und um 303 in Solothurn in der Schweiz das Martyrium erlitt. Auch ein Namenwechsel von einem germanischen zu einem biblischen oder Heiligennamen wäre möglich, denn im christlichen Irland und England erhielten des öfteren Geistliche neue solche Namen, ein Brauch, den irische und angelsächsische Missionare des 7. und 8. Jhs. mitgebracht haben könnten. Nach solchen umbenannten Geistlichen und Mönchen könnten diesen oder ihrem Kloster gehörende Orte mit Mischnamen benannt worden sein. Immerhin tragen von den 50 im bairischen Raum hier behandelten Mischnamen nicht weniger als 31 biblische Namen oder Heiligennamen, was nicht weniger als 62 % ausmacht. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 28 11.09.2019 09: 46: 47 1.5. Herkunft und Identitätsbildung der Baiern in neuer Sicht 29 1.5.5. Neueste Theorien zur Herkunft der Baiern und der Bedeutung ihres Namens Vor allem die Neuansätze der Archäologen zur Klärung von Herkunft und Name der Baiern veranlassten auch die germanische Altertumskunde und die auffallend zurückhaltenden Historiker sich mit den neu aufgeworfenen Meinungen jeweils aus ihrer Sicht zu befassen. Es sind dies der Zürcher Altgermanist und germanische Altertumsforscher Ludwig Rübekeil und die Münchener Historikerin Irmtraut Heitmeier. 1.5.5.1. Die Baiern aus Sicht der gegenwärtigen germanischen Altertumskunde Nicht im Hinblick auf die Herkunft der Baiern, sondern die sprachliche Bildung des auch diesen Namen betreffenden germanischen Namentypus und seine Bedeutung untersuchte Ludwig Rübekeil 2002 in seinem Buch „Diachrone Studien zur Kontaktzone zwischen Kelten und Germanen“. Es ist der schon oben erläuterte Namentypus germ. *warjōz / lat. varii ‚Wehrmänner, wehrhafte Mannschaft, Schützer, Verteidiger‘. Überliefert wird eine Reihe solcher Namen für germanische Gruppen vom 1. bis zum Beginn des 8. Jhs. von römischen Schriftstellern und in frühmittelalterlichen Quellen, wobei Velleius Paterculus und Tacitus am Beginn stehen. Die meisten dieser als Komposita gebildeten Namen weisen als Bestimmungswörter einen Landschafts-, Fluss- oder Ortsnamen auf wie Am(p)sivarii (Tacitus, Annalen 13, 55 u. ö.) den Flussnamen Ems , lat. Amisia (Tacitus, Annalen 1, 6 u. ö.), die zwischen Rhein und Ems siedeln, wo zur Zeit Kaiser Justinians im 6. Jh. Stephanos Byzantios noch eine gleichnamige Stadt Ἂμισ(σ)α kennt; oder Angrivarii (Tacitus, Germania 33; Annalen 2, 8) mit germ. * angraz in altsächs. und ahd. angar ‚Grasland, Wiese, Anger‘, wonach die Landschaft Engern beiderseits der Weser in Westfalen benannt ist. Wie diese beiden Namen so betreffen auch alle weiteren Namen Germanengruppen in Grenzgebieten gegen die Römer von den Angrivaren am Rhein im Westen bis zu den Baioaren an der Donau im Osten, wobei sie im Westen gehäuft auftreten und frühe Verteidiger der germanischen Gebiete gegen die expansiven Römer waren, die schon um die Zeitenwende versuchten, die Gebiete östlich des Rheins zu erobern und die Weser zur Nordostgrenze ihres Imperiums zu machen. Für die Baioarii ergibt sich in diesen Zusammenhängen überzeugend ebenfalls ein Landschaftsname als Bestimmungswort. 33 Er entspricht, wie gleichfalls schon oben ausgeführt, dem von Tacitus überlieferten Landschaftsnamen lat. Boi(o)haemum / germ. * Bai(o)haima , der im Stammesnamen durchaus zu Baia verkürzt sein kann, denn nur in diesem Sinn reiht sich dieser in die germanische Gruppe der varii -Namen ein. Bezüglich der Bedeutung liegt auf der Hand, dass sich das Bestimmungswort nicht auf Böhmen in seinem heutigen Umfang beziehen kann, denn die germanischen Namenträger können dort angesichts der Entfernung von der Donau als römischer Grenze keine Verteidiger ihres Landes gegen die Römer gewesen sein. Als Lösung bietet sich für Rübekeil an, dass der Landschaftsname vom böhmischen Kerngebiet bis gegen die Donau insbesondere nach Westen bis gegen die Raetia secunda ausgedehnt war, so dass die Bewohner der Gebiete nördlich der Donau „Wehrmänner“ gegen die Römer sein konnten. Man kann dann weiters annehmen, dass nach dem Zusammenbruch der Römerherrschaft der Name mit dem verstärkten Eindringen der Germanen aus dem Vorland 33 Vgl. Rübekeil (2002), S. 327 ff. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 29 11.09.2019 09: 46: 47 30 1. Die Baiern der Frühzeit und ihre Erforschung über die Donau in die ehemaligen römischen Provinzgebiete sich schließlich dort etablierte und zum Namen des Neustammes der Baiern wurde. 1.5.5.2. War Bayern ein ursprüngliches „Boierland? “ Unter dem Einfluss der mit Nachdruck vorgetragenen Thesen der Archäologen, die Baiern seien aus ansässigen Romanen der Raetia secunda hervorgegangen und auch ihr Name habe, wie Arno Rettner linguistisch allerdings unhaltbar meint, eine lateinische Grundlage, versucht nun Ludwig Rübekeil in seinem Beitrag „Der Name Boiovarii und seine typologische Nachbarschaft“ zum Sammelband von 2012 sich soweit wie möglich den Ansichten der Archäologen anzuschließen. Was er als germanistischer Sprachwissenschaftler freilich nicht aufgeben kann und unverändert beibehält, ist die lautgesetzlich unumstößliche germanische Etymologie des Baiernnamens. So setzt Rübekeil nun beim Bestimmungswort des Kompositums an und räumt ein, dass damit auch wie im Ausnahmefall der Chattuarii ein Einwohnername gemeint sein könnte. In diesem Sinn rechnet er nun gemeinsam mit den Archäologen damit, dass bei der Identitätsbildung der Baiern im ehemals provinzialrömischen Raum der Raetia secunda südlich der Donau als Bestimmungswort von Baioarii unmittelbar der Name der Boier herangezogen wurde. Als Grundlage dafür gelten ihm die Namen der Römerkastelle Boiodurum und Boitro in Passau sowie ein in Manching bei Ingolstadt überliefertes boios , das er als Personenname auffasst. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass der heutige nieder- und oberbayerische Raum der Raetia secunda jemals mit dem Namen der Boier verbunden war, wofür es auch keine unmittelbaren Zeugnisse gibt. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die angezogenen Römerorte an der Peripherie sowohl des Römerreiches von Süden aus als auch vom Boierland Böhmen von Norden her lagen. Die Halbinsel von Passau, gebildet von Inn und Donau mit der von Norden in die Donau mündenden Ilz, war seit der Mitte des 5. Jhs. v. Chr. von Kelten besiedelt und ein Kreuzungspunkt der Handelswege in alle vier Himmelsrichtungen, die sich in römischer Zeit fortsetzten. Auf ihr lag ein keltisches Oppidum, dessen Name Ptolomaios um die Mitte des 2. Jhs. v. Chr. als Βοιόδουρον bezeugt und dessen Name dann die Römer nach dem Itinerarium Antonini als Boiodurum auf das von ihnen am Ende des 1. Jhs. n. Chr. auf dem rechten Innufer errichtete Kastell und einen sich anschließenden Vicus übertrugen und das bis ins 3. Jh. bestand, ehe es zerstört wurde. 34 Während der Ort für die Kelten wohl ein Handelszentrum war und Brückenfunktion für den Warentransport hauptsächlich vom Süden in das Landesinnere in Böhmen im Norden hatte, diente das Kastell den Römern zur Bewachung und Sicherung der Limesstraße an der Donau gegen die Germanen. Die Notitia dignitatum überliefert dann für die 2. Hälfte des 3. Jhs. neben Batavis / Passau ein neuerrichtetes kleines Kastell Boiodoro stromaufwärts ebenfalls am rechten Innufer. Die Vita Severini von 511 nennt es dann Boi(o)tro , und in seinen Mauern hatte Severin um 470 ein kleines Kloster errichtet. Sein Name lebt im Ortsnamen Beiderwies und im dort vorbei fließenden Beiderwiesbach weiter. Was das auf einem Scherben einer bauchigen Flasche aus dem keltischen Oppidum von Manching bei Ingolststadt des 1. Jhs. v. Chr. eingravierte boios betrifft, so ist es mehrdeutig und nicht, wie Rübekeil annimmt, als Personenname gesichert. 35 34 Zu Boiodurum und Boitro vgl. Gassner / Pülz (2015), S. 128 ff. und im Internet https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Kastell_Boiodurum und Kastell_Boiotro, 10.8.2018. 35 Vgl. Bammesberger (1995). 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 30 11.09.2019 09: 46: 48 1.5. Herkunft und Identitätsbildung der Baiern in neuer Sicht 31 Obwohl nicht bekannt ist, welche keltischen Stämme zur Zeit der römischen Eroberungen im Alpenvorland um die Zeitenwende westlich des Inns siedelten, während sich östlich des Inns das keltische Königreich Noricum befand, spricht nichts dafür, dass es die keltischen Boier gewesen wären. Hätte das heutige Nieder- und Oberbayern damals einen mit dem Namen der Boier verbundenen Gebietsnamen getragen oder wären dort die Boier beheimatet gewesen, so hätten ihn die Römer gewiss wie jenen des benachbarten Noricum übernommen, was jedoch nicht geschah. Auf die offenbar namenlose Gegend dehnten sie daher vom Bodensee her den Namen der Räter nach Nordosten bis zur Donau aus. Das keltische Boioduron/ Passau war zweifellos ein unterhaltener südlicher Außenposten der Boier als Handelsort. Wenn seinen Namen die Römer fortsetzten, kann dies ebensowenig wie die Gravur von Manching als Beweis für ein einstiges „Boierland“ Bayern dienen. 36 Während Rübekeils Erkenntnis, der germanische Baiernname gehört zu einer germanischen Namengruppe im germanisch/ römischen Grenzland und bezeichnet germanische Wehrmänner, die das germanische Land vor Übergriffen der Römer schützen und verteidigen und die daher im germanischen Gebiet nördlich des Römerreiches und des Donaulimes beheimatet waren, weiterführt, geht Rübekeils Versuch, sich der Meinung der Archäologen anzuschließen, in die Irre. 1.5.5.3. Die Baiern in neuer historischer Sicht Auffallend reserviert verhalten sich die Mittelalterhistoriker gegenüber den neuen Ansichten zur Identitätsbildung der Baiern. So nennt der Erlanger Frühmittelalterforscher Guido M. Berndt in seiner Besprechung des Sammelbandes „Die Anfänge Bayerns“ von Fehr/ Heitmeier bloß die Themen der einzelnen Beiträge, wenn er hinsichtlich der Romanentheorie der Archäologen zur Herkunft der Baiern auch gewisse Auffassungsunterschiede zwischen ihren Vertretern Arno Rettner, Hubert Fehr und Jürgen Haberstroh erkennen möchte. 37 Ausführlich befasst sich zwar der Wiener Mittelalterhistoriker Herwig Wolfram in seinem Rezensionsaufsatz „Die Anfänge Bayerns im Zwielicht“ mit einzelnen Beiträgen, geht aber mit keinem Wort weder auf die Romanentheorie der Archäologen noch auf die noch vorzustellende Norikertheorie der Historikerin Irmtraut Heitmeier ein. Dass für Wolfram aber der Name der Baiern mit den Boiern und Böhmen zu tun hat, wird deutlich an der mit brieflicher Unterstützung von Wolfgang Haubrichs (Saarbrücken) und Hermann Reichert (Wien) ausführlich dargelegten Analyse der Slawenbezeichnung Beovinidi in der „Historia Langobardorum Codicis Gothani“. Diese entstand 807/ 10 in Oberitalien im Zusammenhang mit dem Frankenkönig Pippin von Italien, nachdem dieser 806/ 07 die Mauren von Korsika vertrieben und zuvor 798 an einem verwüstenden Feldzug gegen die böhmischen Slawen teilgenommen hatte. In den gegen 860 abgeschlossenen sogenannten „Annales Xantenses“, die Gerward, der ehemalige Pfalzbibliothekar Ludwigs des Frommen in den Jahren 814-30, anlegte, werden sie Beuwinitha geschrieben. Dieses ist niederfränkisch und entspricht der Herkunft Gerwards vom Niederrhein oder aus Friesland, wo germ. ai zu ē monophthongiert und der stimmhafte Spirant germ. đ als th beibehalten wird. Das aber bestätigt das Erstglied des Baiernnamens germ. * Baiowarjōz , der in Verbindung mit den Beovinidi auf Böhmen bezogen werden kann und somit als Klammerform * Baio[haima]warjōz zu verstehen ist, so dass der Name der Baiern „ursprünglich tatsächlich 36 Ablehnend auch Wolf-Armin Fhr. von Reitzenstein in seiner Besprechung des Sammelbandes von Fehr / Heitmeier in Blätter für oberdeutsche Namenforschung 51 (2014), S. 321-326, hier S. 322. 37 Vgl. Berndt (2013), S. 625. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 31 11.09.2019 09: 46: 48 32 1. Die Baiern der Frühzeit und ihre Erforschung ‚Leute aus Böhmen’ bedeutet“. 38 Wenn die Schreibung Beovinidi auch im Codex Gothanus auftritt, so ist zu bedenken, dass er dem fränkischen Umkreis König Pippins angehört und in diesem Namen wohl auch dort fränkisches ē für germ. ai galt. 39 Damit hält Wolfram an der von der Sprachwissenschaft vorgetragenen Erklärung des Baiernnamens fest und erteilt somit indirekt sowohl der Romanentheorie als auch der Norikertheorie eine Absage. Wenn ich recht sehe, haben die verschiedenen Beiträge von Arno Rettner und Hubert Fehr zur Herkunft der Baiern auch sonst bei Historikern kein Echo ausgelöst. Dafür beschreitet nun Irmtraut Heitmeier in ihrem umfänglichen Beitrag zum Sammelband „Die spätantiken Wurzeln der bairischen Noricum-Tradition“ als „Überlegungen zur Genese des Herzogtums“ völlig neue, kühne Wege. Heitmeier betont, dass man hinsichtlich der Entstehung des Herzogtums und der Herkunft der Baiern immer nur aus gegenwärtiger Sicht Bayern und damit bezüglich der Frühzeit bloß die westliche Raetia secunda im Blick habe, jedoch das zugehörige, östlich gelegene Noricum ausblendet. Es gibt aber vom Frühmittelalter bis ins 12. Jh. eine Tradition, die Bayern mit Noricum in Zusammenhang bringt. Ihr geht Heitmeier nach, um daraus neue Einblicke sowohl in die Frage nach der Herkunft der Baiern als auch der Entstehung des Herzogtums zu gewinnen. Schon um 790 erzählt Paulus Diaconus in seiner „Langobardengeschichte“ nach einer Quelle aus der Zeit um 600, dass der Langobardenkönig Authari nach heimlicher Brautschau „von den Grenzen der Noriker“ ( de Noricorum finibus ) nach Italien zurückgekehrt sei, und erklärt deren Gebiet folgendermaßen (III, 30): Noricorum siquidem provincia, quam Baiovariorum populus inhabitat, habet ab oriente Pannoniam, ab occidente Suaviam, a meridie Italiam, ab aquilonis vero parte Danuvii fluenta Die Provinz der Noriker freilich, die das Volk der Baiovaren bewohnt, grenzt im Osten an Pannonien, im Westen an Suavien, im Süden an Italien, im Norden aber an einen Teil des Donauflusses. An jüngeren derartigen Gleichsetzungen von Baiern mit Noricum sei die gleichlautende Promulgation zweier Freisinger Traditionen von 825 und 846 genannt, die mit den Worten beginnt (Tr. Freis., Nr. 521, 678): Notum cunctis fidelibus in Noricana provincia … Bekannt gemacht sei allen Getreuen in der norischen Provinz … Beide Traditionen betreffen Besitzübertragungen im Umkreis von Mainburg rund 25 km nördlich von Freising und somit mitten im Herzen Bayerns bzw. in der einstigen Raetia secunda. Solche westliche Ausweitungen der Territorialbezeichnung Noricum überraschen, wenn man bedenkt, dass seit der mittleren römischen Kaiserzeit der Inn nicht nur die Provinzgrenze der Raetia secunda und von Noricum bildete, sondern zugleich auch Zollgrenze zwischen dem westlichen Gallischen und dem östlichen Illyrischen Zollbezirk war. Obwohl die Reichsteilung von 395 in eine Westhälfte mit Rom und eine Osthälfte mit Konstantinopel/ Byzanz zeitweise aufgehoben wurde, wirkte die westliche Zuweisung der Raetia secunda zu Italien 38 Vgl. Wolfram (2014), S. 86. 39 Zur Schreibung e für germ. ai im Fränkisch-Althochdeutschen vgl. Braune / Reiffenstein (2004), S. 45 ff. Echt langobardische PN schreibt der Gothanus in langobardischer Weise mit ai : Gaidulfo , Aistulfus . Zu germ. ai im Langobardischen vgl. Bruckner (1895), S. 98 ff. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 32 11.09.2019 09: 46: 48 1.5. Herkunft und Identitätsbildung der Baiern in neuer Sicht 33 und die östliche von Noricum und Pannonien zu Konstantinopel/ Byzanz dennoch nach. Sie kam 476 nach der Absetzung des letzten weströmischen Kaisers Romulus August(ul)us insofern zum Tragen, als der oströmische Kaiser Zenon I. (476-491) sich nicht nur als Kaiser des Gesamtreiches betrachtete, sondern besonderes Interesse haben musste, an der Westflanke seines unmittelbar östlichen Herrschaftsbereiches in Noricum nach dem Zusammenbruch der weströmischen Herrschaft durch ständige Germaneneinfälle und dann durch den Abzug der romanischen Bevölkerung nach Italien wieder Ordnung und militärische Absicherung herzustellen. Wenn man bedenkt, dass sich die an der Reichsgrenze auftretenden Germanengruppen mit dem Grundwort warjōz / varii ‚Wehrmänner, Schützer, Verteidiger‘, nämlich ihres eigenen Grenzgebietes, bezeichnen und sich im Baiernnamen Baiowarjōz / Baiovarii das Erstglied auf Böhmen bezieht, dann lässt sich folgender Schluss ziehen. Unter Berücksichtigung des militärischen Aspektes dieser Bezeichnung kann man annehmen, dass solche germanischen Verbände zur Verteidigung eines Gebietes eingesetzt wurden. Dabei mussten die germanischen Soldaten weder in das römische Heer eingegliedert werden, noch als Föderaten Aufnahme finden, sondern diese Gruppen übten in einem vertraglich festgelegten Gebiet selbst Befehlsgewalt aus, so dass sie faktisch im Besitz des Territoriums waren. Im Fall von Ufernoricum wäre vorstellbar, dass ein Teilverband der aus Böhmen abziehenden Elbgermanen, die später im Osten unter dem Namen der Langobarden in Mähren und dem östlichen Niederösterreich und dann in Pannonien reüssierten, sich nach Südwesten orientierte, die Donau überschritt und vom oströmischen Kaiser auf dem Reichsboden von Ufernoricum unter Vertrag genommen wurde, um diesen byzantinischen Grenzraum abzusichern. Damit aber war Ufernoricum fest in germanischer Hand und haftete der Name Baiowarjōz / Baiovarii somit auf dem Gebiet östlich des Inns, das heute das voralpine Ober-und Niederösterreich ausmacht. Als nach dem Tod der Gotin Amalasvintha 535 die Langobarden in Pannonien mit Byzanz im Osten und den expansiven fränkischen Merowingern im Westen politisch zusammenwirkten, behielten die Baiern in Ufernoricum die Oberhand, und der von den Franken eingesetzte neue Herzog „Garibald muss es gewesen sein, dem es gelang, die Gebiete westlich und östlich des Inns im Sinne des späteren bairischen Herzogtums zu verbinden“. 40 Damit aber kam es, was Heitmeier nicht mehr weiter verfolgt, sichtlich auch zur Ausweitung des germanischen Baiernnamens vom stärkeren östlichen Gebietsteil auf den schwächeren westlichen, so dass mit der Raetia secunda ein bairisches Gesamtgebiet als neues Herzogtum entstand. Dabei wurde in Fortsetzung der antiken Namentradition das westliche Gebiet teilweise auch mit dem östlichen lateinischen Namen Noricum bezeichnet. 41 Dieser zweifellos spekulative kombinierende Gedankenbau wird wahrscheinlich bei positivistisch ausgerichteten, vorwiegend mit überlieferten Fakten arbeitenden Historikern wenig 40 Vgl. Heitmeier (2012/ 14), S. 502. 41 Eine frühe bair.-ahd. Integrierung des Namens Noricum als 923 Nurihtal / ca. 955-75, 993-1000, 1002-04 Norica valle mit Hebung von o zu u vor i der Folgesilbe und früher Zweiter Lautverschiebung von < c >/ [ k ] zu < h >/ [ χ ] betrifft das Südtiroler Eisacktal. Das Eisacktal gehörte nie zu Binnennoricum, sondern zur Raetia secunda. Aber es wird angenommen, dass angesichts der Bedrängung der Romanen durch die im Pustertal nach Westen vordringenden Slawen, was 592 östlich von Innichen zu schweren verlustreichen Kämpfen der Baiern mit den Slawen führte, Romanen dieser Gebiete nach Westen flohen und sich im Eisacktal ansiedelten und mit dem Namen ihres Herkunftsgebietes bezeichnet wurden. Ansonsten ist keine bair.-ahd. integrierte Namenform von Noricum bekannt. Vgl. Kühebacher II (1995), S. 61 f. und ANB II (2014), S. 798. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 33 11.09.2019 09: 46: 48 34 1. Die Baiern der Frühzeit und ihre Erforschung Anklang finden. Trotzdem lässt sich eine solch mögliche östliche Herkunft der Baiern aus Ufernoricum, die man als Norikertheorie bezeichnen kann, mit namenkundlichen Argumenten stützen, die Heitmeier jedoch nicht in Betracht zieht. Sie betrifft Niederösterreich und damit das östliche Gebiet von Ufernoricum östlich der Enns, während Oberösterreich westlich dieses Flusses und der Salzburger Flachgau allgemein als altbairisches Land gelten. Im niederösterreichischen Alpenvorland zwischen dem Wienerwald im Osten als alter Grenze von Noricum und Pannonien und der Enns im Westen, die sich um 700 als Grenze der westlichen deutschen Baiern gegenüber den im Osten auf Grund der Herkunft der Ortsnamen dominierenden Slawen herausgebildet hat, gibt es sowohl Gewässernamen antik-romanischer Herkunft, deren Integrierung ins Bair.-Ahd. mit den frühen, bis längstens 650 wirksamen älteren Akten der Zweiten Lautverschiebung erfolgt ist, was bei den integrierten Gewässer- und Ortsnamen slawischer Herkunft gänzlich fehlt, als auch solche Gewässernamen, deren Lauterscheinungen ebenfalls ohne slawische Vermittlung unmittelbar ins Bair.-Ahd. übernommen und weiterentwickelt worden sind. Ohne dass dies hier näher ausgeführt werden kann, handelt es sich bei der ersten Gruppe um die folgenden antik-romanischen Gewässernamen 42 : Erlauf , rechter Nebenfluss der Donau bei Pöchlarn D: 'ɒlɒf U: antik Arlape , classis Arlapensis , fälschlich Arelate ; 832, 853 Erlafa / Erlaffa , 979 Erlaffa . E: Die antike Benennung Arlapa ist ein Kompositum mit dem im deutschen Süden seltenen Grundwort idg. * apā ‚Wasser‘ und als Bestimmungswort einer Ableitung von idg. * er -/ or - (uridg. * h 3 er -) 43 ‚in Bewegung setzen‘ in gr. ὄρνυμι ‚antreiben, losstürzen‘ als l -Ableitung * orlo / lā (uridg. * h 3 r lo , fem. * h 3 r lā ) ‚losstürzend‘, so dass der GewN „losstürzendes Wasser“ bedeutet. Wie es zu bair.-ahd. Ërlaffa mit bair.-ahd. ë kam, ist bisher nicht überzeugend geklärt worden, hängt jedenfalls nicht mit bair.-ahd. erila ‚Erle‘ mit Primärumlautse zusammen. 44 Zehnbach , sehr kleines rechtes Seitenbächlein und Ort südlich von Pöggstall am Oberlauf der Erlauf D: 'dsenֽ bǭx U: 1363, 1367, 1375 Zenpach E: Bair.-ahd. * Zennepah wird zurückgeführt auf lat./ rom. * Tania , wohl idg.-vspr. * Tanā zu idg. * tā -/ tǝ - (uridg. * teh 2 -, Präsens * t--h 2 - ‚benetze, tauche etwas ein‘). 45 42 Alle diese Gewässernamen werden behandelt bei Wiesinger (1985), S. 385 ff., im ANB und von Schuster I-III (1989-94). Teilweise andere Etymologien bringt Greule (2014). 43 Die germanistische Namenforschung hat bis gegen 2000 mit idg. Ansätzen nach dem Indogermanischen Wörterbuch von Julius Pokorny, Bern 1959 gearbeitet, doch hat sich seither die Laryngaltheorie durchgesetzt, so dass nun nach dem Wörterbuch der indogermanischen Verben von Helmut Rix, 2. Aufl., Wiesbaden 2001 ( LIV ) und den Nomina im indogermanischen Lexikon von Dagmar Wodtke u. a., Heidelberg 2008 (NIL) Laryngalansätze getroffen werden, die zum Teil zu anderen Ergebnissen und Bedeutungen führen. Als Kompromiss geben wir die Ansätze und Bedeutungen der älteren Forschung mit „idg.“ und die neuen Laryngalansätze in Klammern mit „uridg.“ an. 44 Einem ahd. erila ‚Erle‘ mit Primärumlautse widerspricht die Dialektaussprache mit offenem  aus ahd./ mhd. ë . Mhd. e vor r würde zu īɒ führen, wofür es weder schriftliche noch mündliche Zeugnisse gibt. 45 Trotz der mhd. Schreibung mit einfachem n und der heutigen Schreibung als volksetymologische Anlehnung an ‚zehn‘ bestätigt das erhaltene n der Dialektaussprache die ahd. Gemination. Vgl. auch Greule (2014), S. 612, Zenn. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 34 11.09.2019 09: 46: 48 1.5. Herkunft und Identitätsbildung der Baiern in neuer Sicht 35 ē Loich , rechter Seitenbach am Oberlauf der Pielach und Ort D: lōįx U: 1307, 1317 Levch ; 1380, 1419, 1432 Leuch . E: Ursprünglich wohl der keltische Name der dann slaw. benannten Pielach (831 Belaa , 811 Bielaha , 1072 Pielaha , 1130 Piela ; slaw. Běla ‚die Weiße‘) als lat./ rom. * Leuca , kelt. * Leukā (vgl. gr. λευκός ‚weiß‘). Zur zweiten Gruppe gehören: Url , großer linker Nebenfluss der Ybbs bei Amstetten und kleiner rechter bei Waidhofen D: 'ūɒ-l U: 863 Hurulam ; 903, 906 Urulam ; 984, 10. JhII, 1094-1100 Urula E: Bair.-ahd. Urula aus lat./ rom. * Urla wird einerseits auf Grund des gekrümmten Laufes erklärt als idg.-vspr. * Urlā (vgl. osk. uruvú ‚Krümmung, Biegung‘, lat. urvum ‚gekrümmte Pflugschar‘) und andererseits gestellt zu uridg. * h 2 er - ‚feucht sein‘ jeweils mit l -Erweiterung. Integriert als bair.-ahd. Urula mit anlautendem U - und Stützvokal u -, was bei slaw. Vermittlung * Wurula aus slaw. * Vъr(ъ)la und heute * Wurl ergeben hätte. Traisen , rechter Nebenfluss der Donau bei Traismauer D: drǭɒsn U: antik Tragisam(um) ; 828 Dreisma , 895 Treismae , 10. JhII Traisma . E: Kelt. * Tragisamā mit kelt. trag zu uridg. d h re/ g h - ‚schleppen, ziehen‘ (vgl. gall. vertragus ‚schnellfüßiger Hund‘) als s -Stamm * trages - und Superlativsuffix *-is-ṃmā im Sinne von „sehr schnell fließender Fluss“ mit rom. Kontraktion von agi zu ai -, das bei slaw. Vermittlung durch a substituiert worden wäre und heute * Trasen ergeben würde. Ferner kann hier trotz seiner nicht eindeutigen Integrierung der Bergname Kollmitzberg angeschlossen werden: ? Kollmitzberg , von Westen her weithin sichtbarer Berg rechts an der Donau bei Amstetten, der sich rund 200 m über die Ebene erhebt. D: 'khōįmɒsֽ bęɒg U: 1135 Chalmunze , 1151 Chalmŏnze E: Lat./ rom. * Calamontia , wohl idg.-vspr. * Kalamontā mit idg. * kel -/ kol - (uridg. * kelH- ) ‚aufragen, hochragen‘ und * m-t -/ mnio - ‚Berg, Gebirge‘ im Sinne von „hoch aufragender Berg“, was dem Erscheinungsbild entspricht. Wenn die Lautfolge tia bereits assibiliert war, so erfolgte bei früher spätgerm. Übernahme Substituierung von [ tsa ] durch [ ta ] und dann frühe Zweite Lautverschiebung zu z -. Im Zweitglied wurde o vor nt zu u gehoben und dann in der 2. Hälfte des 8. Jhs. zu [ ü ] umgelautet und anlautendes K zu Ch lautverschoben. Was mögliche frühe bair.-ahd. Siedlungsnamen betrifft, 46 gelten die ing - und die heim -Namen als die ältesten, auch stark verbreiteten Bildungstypen. Während sich die heim -Namen, von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, auf den oberösterreichischen Raum beschränken, sind die ing -Namen im niederösterreichischen Alpenvorland bis um Wien im Osten stark verbreitet. Werden die ing -Namen als „Pioniernamen“ betrachtet, indem von den darin genann- 46 Vgl. zum Folgenden Wiesinger (1985), S. 352 ff. Fehler 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 35 11.09.2019 09: 46: 48 36 1. Die Baiern der Frühzeit und ihre Erforschung ten Personen angenommen wird, dass sie mit ihren Leuten den Grund und Boden in Besitz nahmen, so werden die heim -Namen als jünger angesehen, indem sie bereits den Ansitz und damit eine gewisse Beheimatung im Neuland ausdrücken. Unter diesen Aspekten stellte sich in der Forschung um 1980 die Frage, wie die divergenten Ansichten einer bairischen Besiedlung Niederösterreichs seitens der Geschichtswissenschaft, der Archäologie und der Sprachwissenschaft in Einklang gebracht werden können. Vor allem die Archäologie rechnete wegen einer bairischen Fundleere im 6. und 7. Jh. mit einer sukzessiven bairischen Besiedlung erst ab 976, als die Markgrafschaft Österreich der Babenberger errichtet worden war. Dem aber widersprachen die Ergebnisse der Sprachwissenschaft mit der Integrierung der Gewässernamen mit den ältesten Akten der Lautverschiebung bis spätestens gegen 650 und weiterer Integrierungen, auch von Gewässer- und Ortsnamen slawischer Herkunft in der 2. Hälfte des 8. Jhs. und im 9. Jh. So wurde ein Kompromiss dahingehend gefunden, dass schon spätestens seit dem 7. Jh. frühe bairische Verkehrskontakte in den Osten bestanden, zumal die Ennsgrenze gegen die Slavia sich erst um 700 ausbildete, was nicht nur frühe, sondern auch spätere Integrierungen von Gewässernamen ermöglichte, zumal Gewässer mit ihrem festen Verlauf Orientierungshilfen in der Landschaft boten und dies besonders im 7. Jh. bei geringer Besiedlung. Eine breite bairische Besiedlung setzte erst ab 976 ein, die im rund letzten Dreivierteljahrhundert der ahd. Zeit die damals noch aktiven zahlreichen ing -Namen als Ausdruck der Inbesitznahme des neuen Territoriums im allerdings von Slawen bewohnten Land mit sich brachte. Die damals ebenfalls noch aktiven heim -Namen fanden aber unter solchen Gegebenheiten keinen rechten Platz. Erst im 11. Jh. folgten dann als Ausbausiedlung die vielen dorf -Namen. Gegenüber diesen Auffassungen lassen sich jedoch anhand ihres Lautstandes 3 ing -Namen im westlichen Niederösterreich wegen ihres, durch das i- des Suffixes ausgelösten Primärumlautes von a zu e näher datieren. Sie müssen bereits vor der 2. Hälfte des 8. Jhs. entstanden sein, denn in dieser Zeit war der Primärumlaut wirksam. Es handelt sich um folgende Orte: Empfing , Dorf, Gem. Stephanshart, PB Amstetten D: 'empfiŋ U: 1260-86 Emphinge , 1368 Empfing , 1411 Empfing in Steffensharter pharr E: Mit dem bair.-ahd. PN Ampho L: Wiesinger (1985), S. 355; Ernst (1989), S. 143; Schuster I (1989), S. 581. Sölling , Dorf, Gem. Purgstall a. d. Erlauf, PB Scheibbs D: 'söliŋ U: 1108-16 predium … Selingin dictum , 1375 Sêling , 1392 Soling , 1402 Sling E: Mit bair.-ahd. PN Salo 47 L: Wiesinger (1985), S. 355; Ernst (1989), S. 180; Schuster III (1994), S. 2911. Hösing , Weiler, Gem. Hürm, PB Melk D: 'hēsiŋ 47 Wenn Ernst und Schuster daneben auch mit der umgelauteten PN-Variante Selo aus den flektierten Kasus Selin rechnen, so ist diese Namenlautung zwar im Alemannischen und Fränkischen, nicht aber im Bairischen belegt. In den Passauer und Freisinger Traditionen tritt nur nicht umgelautetes Sal(l)o auf (Tr. Pass., Nr. 43 [785-805], 230 [1110-20]; Tr. Freis., Nr. 706 [849]). 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 36 11.09.2019 09: 46: 48 1.5. Herkunft und Identitätsbildung der Baiern in neuer Sicht 37 U: 1319 Hesyng in Chulber pharr , 1425 Hossing ; 1430, 1455 Hesing E: Mit dem bair.-ahd. PN Haso L: Wiesinger (1985), S. 355; Ernst (1989), S. 156; Schuster II (1990), S. 308. 48 Da in Niederösterreich Baiern aus dem Westen vorgedrungen sind, besteht bei Orten mit ing -Namen auch die Möglichkeit der Namenübertragung aus dem Altsiedelland. Das wäre hier nur möglich bei Empfing als Dorf bei Traunstein, Oberbayern (1178-82 Otto filius Ottonis de Amphingen , 12. JhII Otto de Emphingen ) 49 sowie bei Sölling als Dorf in Büchlberg nördlich Passau, und als Einzelhof bei Waldkirchen, Lkr. Freyung-Grafenau, Niederbayern (1308 Vlreich von Selling , 1310 Jacob der Amman von Selling ), 50 Selling als Weiler von Cham, Oberpfalz (ca. 1180 Hiltebrandus de Sellingen , 12. JhII Hilprandi de Sellingen , 1393 zu Selling ), Sölling als Zerstreute Häuser bei Steinerkirchen a. d. Traun, PB Wels-Land, Oberösterreich (1299 Selling , 1467 Seelling ) und bei Sölling als Weiler von Oberlebing bei Allerheiligen i. Mühlkreis, PB Perg, Oberösterreich (13. JhE datz Seling ; 1421, 1512, 1559 Selling ). Da aber das niederösterreichische Sölling unmittelbar an der Erlauf gegenüber von Zehnbach und Empfing vor dem Kollmitzberg liegt, ist angesichts von deren früher bair.-ahd. Integrierung autochthone Entstehung und Benennung dieser beiden Orte sehr wahrscheinlich. Hösing , das keine Entsprechung im Altsiedelland hat, liegt westlich der Pielach, die ursprünglich Loich hieß, und damit ebenfalls in der Nähe eines früh aufgegriffenen Flussnamens. Somit legen diese drei Orte nahe, dass es spätestens vor der Mitte des 8. Jhs. in Niederösterreich neben zahlreichen slawischen Siedlungen zumindest vereinzelt auch bairisch-deutsche Niederlassungen gab und nicht nur Gewässernamen frühe bairische Zeugnisse darstellen. Die Annahme von Irmtraut Heitmeier, die Identitätsbildung der Baiern sei im ausgehenden 5. Jh. als militärische Schutztruppe unter oströmisch-byzantinischer Oberhoheit in Noricum von einer elbgermanischen, von den südostwärts ziehenden Langobarden sich abspaltenden Gruppe ausgegangen, kann also aus der Sicht der Namenkunde anhand der Gegebenheiten in Niederösterreich Unterstützung erfahren. Umgekehrt könnte mit Hilfe einer solchen von den Langobarden abzweigenden elbgermanischen Gruppe die frühe Integrierung lautverschobener antiker und einiger anderer Gewässernamen erklärt werden, denn auch bei den Langobarden gibt es die älteren Akte der Zweiten Lautverschiebung, die bei germ. t seit ihrem Auftreten in Italien am ausgeprägtesten vorhanden ist. 51 Einer solchen neuen Auffassung von der Ethnogenese der Baiern schließt sich jedoch nicht die weitere Geschichtswissenschaft (Herwig Wolfram) und auch nicht die Archäologie an. Letztere kann weiterhin keinerlei lan- 48 Ernst (1989), S. 11 und 178 f. nennt noch den Hof Schröding in Abetzberg, Gem. Aschbach-Markt, PB Amstetten, dessen Erstbelege jedoch 1396 Schrting und 1424 Schrêtin g geschrieben werden. Beide Vokalgraphien drücken den Sekundärumlaut mhd. ä aus, so dass dieser Name nicht zu den wenigen ON mit Primärumlaut gestellt werden kann. 49 Die Zuordnungen der urkundlichen Überlieferungen sind hier besonders schwierig, weil es neben umgelautetem Empfing auch nichtumgelautetes Ampfing , Lkr. Mühldorf a. Inn, gibt und wahrscheinlich Vermischungen der Schreibungen erfolgt sind. Die jeweiligen Zuordnungen werden daher von den Historikern auf Grund der jeweils genannten Orte der Umgebung vollzogen. Hier handelt es sich um die Nennungen Tr. Herrenchiemsee, Nr. 181a und Salzburg II, Nr. 416a sowie Tr. Berchtesgaden, Nr. 162. Freundliche Auskunft von Wolfgang Janka, München, mit e-mail vom 28. September 2018. 50 Auch hier sind die Zuordnungen der beiden Belege wegen der Nähe der beiden Orte schwierig, doch dürfte sich nach Wolfgang Janka (vgl. Anm. 49) der jüngere Beleg wegen der Funktion seines Trägers auf Sölling bei Büchelberg beziehen. 51 Vgl. Bruckner (1895), S. 164 ff. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 37 11.09.2019 09: 46: 48 38 1. Die Baiern der Frühzeit und ihre Erforschung gobardisch geprägte Funde im niederösterreichischen Donauraum westlich des Wienerwaldes, von Einzelstücken bei St. Pölten und Krems abgesehen, feststellen. Solche treten vielmehr zahlreich im Osten nördlich der Donau im Weinviertel und Marchfeld und südlich des Flusses im Umkreis der Leitha und im nördlichen Burgenland auf, wo sich ja die Langobarden um 500 niedergelassen hatten, ehe sie nach Pannonien weiterzogen. 52 1.6. Zusammenfassung des neueren Forschungsstandes Der aktuelle Forschungsstand zur Herkunft und zum Namen der Baiern seitens der daran beteiligten Disziplinen der Archäologie, der Sprachwissenschaft und der Geschichtswissenschaft bietet ein heterogenes Bild, wobei man vor allem eine gegenseitige Berücksichtigung der Fachmeinungen und eine echte Diskussion vermisst. Dabei wird das in den 1970-80er Jahren erzielte, weitgehend übereinstimmende Bild, wie es 1988 die Baiernausstellung in Mattsee und Rosenheim zusammenfassend darlegte, großteils, wenn auch nicht von allen Disziplinen und ihren einzelnen Forschern, in Frage gestellt und werden neue Ansichten vorgetragen. Im Einzelnen ist festzuhalten: ▶ Die Archäologie stellt eine Einwanderung elbgermanischer Gruppen in die Raetia secunda, das heutige Bayern, was in erster Linie anhand des übereinstimmenden Keramiktypus von Přešt’ovice - Friedenhain nachzuweisen versucht worden war, völlig in Frage, weil diese Keramik, wenn auch in Variation überall verbreitet sei. Während man damals in den Reihengräbern zu beiden Seiten des Limes trotz nördlicher Brandbestattung und südlicher Körperbestattung Übereinstimmungen in den Beigabensitten erkannte, wird nun die Verschiedenheit hervorgehoben. ▶ Daraus wird nun seitens der Archäologie der Schluss gezogen, die Identitätsbildung der Baiern - der neue Terminus statt bisherigem Ethnogenese - sei auf dem römischen Boden der Raetia secunda durch die bodenständige romanische Bevölkerung und ohne zugewanderte germanische Gruppen von jenseits des Limes erfolgt, wofür es auch keinerlei schriftliche Zeugnisse gibt. Die Frage, wieso sich dann nicht das Romanische etabliert, sondern die germanisch-deutsche Sprache durchgesetzt hat, wird weder gestellt noch erwogen. ▶ Eine Bestätigung dieser „Romanentheorie“ von der Herkunft der Baiern sieht die Archäologie einerseits in der Tradierung und Integrierung antik-romanischer Gewässer- und insbesondere Siedlungsnamen in der Raetia secunda und andererseits in den auf das Fortleben von Romanen verweisenden deutschen Walchen - und Parschalken -Namen als auch in den zahlreichen deutsch gebildeten Mischnamen mit einem romanischen Personennamen und einer deutschen Ableitung oder häufiger als Kompositum mit einem deutschen Grundwort. ▶ Seitens eines Teils der Vertreter der Namenkunde wird dargelegt, dass vor allem im voralpinen Raum der Raetia secunda des heutigen Ober- und Niederbayerns im Gegensatz zu Ufernoricum des heutigen Ober- und Niederösterreichs, von der Umgebung Salzburgs abgesehen, die Romanen über das Ende des weströmischen Reiches 476 hinaus zahlreich weiterlebten, was aus den vom 8.-10. Jh. überlieferten romanischen Personennamen gefolgert wird, wenn sich an diesen auch zunehmend bair.-ahd. Lauterscheinungen als Aus- 52 Für freundliche Auskünfte per e-mail vom 23. September 2018 sei dem Wiener Archäologen em. Univ.- Prof. Dr. Herwig Friesinger herzlich gedankt. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 38 11.09.2019 09: 46: 48 1.6. Zusammenfassung des neueren Forschungsstandes 39 druck ihrer Integrierung abzeichnen. Das lässt allerdings bezweifeln, ob die Träger solcher angepasster Personennamen romanischer Herkunft noch wirklich Romanen waren und romanisch sprachen. ▶ Beides - archäologische Beurteilungen sowie tradierte antik-romanische Gewässer- und Siedlungsnamen und romanische Personennamen - führt dazu, dass seitens der Archäologie und im Anschluss vereinzelt auch von einem Namenforscher versucht wird, den Namen der Baiern aus dem Romanischen abzuleiten. Das aber scheitert an der Nichtberücksichtigung der von der germanistischen Sprachwissenschaft längst erkannten gesetzlichen und nicht willkürlichen Wortbildung und ebensolchen Lautentwicklungen, so dass sich derartige konstruierte Herleitungen als unwissenschaftliche Volksetymologien erweisen. ▶ Die germanistische Sprachwissenschaft sieht keine andere Möglichkeit als an der schon im 19. Jh. richtig vorgetragenen lautgesetzlichen Etymologie des Baiernnamens als (ur)germ. Sg. * Baiowarjaz / Pl. * Baiowarjōz (lat. Baiovarius / Baiovarii ), zu Beginn des 6. Jhs. westgerm. * Baiawari / * Baiawarja festzuhalten, wenn das Bestimmungswort Bai- dieses gereihten Kompositums teilweise auch anders zu interpretieren versucht wurde als vom größeren Teil der Linguisten und Historiker in Verbindung mit dem auf die Boier zurückgehenden Namen Böhmens als lat. Boi(o)haemum / germ. * Baihaim / bair.-ahd. und mhd. Pēheim . Davon leitet sich die „Böhmentheorie“ der Herkunft der Baiern aus Böhmen - freilich nicht im Sinn der Grenzen des ehemaligen Königreiches Böhmen bzw. des heutigen Tschechiens - ab. ▶ Unter Beibehaltung der germanistischen Herleitung des Baiernnamens von Böhmen wird seitens der Geschichtswissenschaft nun zur Erklärung der Herkunft der Baiern die zu beobachtende teilweise Bezeichnung von Bayern und damit der einstigen Raetia secunda als Noricum vom 8.-12. Jh. eingebracht. Daraus wird gefolgert, dass die Ethnogenese der Baiern in Ufernoricum, dem heutigen Nieder- und Oberösterreich, erfolgt ist, indem eine elbgermanische, von den südostwärts ziehenden Langobarden abzweigende Gruppe angesichts der Zughörigkeit von Noricum zur oströmisch-byzantinischen Reichshälfte nach der Auflösung Westroms 476 vom oströmischen Kaiser unter Vertrag genommen wurde, um die Westflanke seines Reiches als Wehrmänner gegen die ständigen Germaneneinfälle abzusichern. Diese Wehrmänner wurden mit dem Namen ihres Herkunftsgebietes als germ. * Baiowarjōz / lat. Baiovarii bezeichnet. Mit der Bildung des bairischen Herzogtums und der Einsetzung von Herzog Garibald nach 535 von Westen her durch die Franken war es seine Aufgabe, beide Gebietsteile zu vereinigen, und damit dehnte sich der Baiernname und mit ihm die Gebietsbezeichnung Noricum nach Westen in die ehemalige Raetia secunda aus. ▶ Bezüglich der Herkunft des Baiernnamens und der Identitätsbildung der Baiern stehen sich die „Böhmen-“, die „Romanen-“ und die „Norikertheorie“ gegenüber, die in allen drei beteiligten Disziplinen, der Sprachwissenschaft, der Archäologie und der Geschichtswissenschaft, jeweils Vertreter haben. Angesichts der heutigen Hervorhebung, ja Überbetonung des zweifellos über das Ende des Römerreiches 476 hinaus gebietsweise unterschiedlich langen Weiterlebens von Romanen im Alpenvorland der Raetia secunda und im westlichen Noricum vom oberbayerischen Lech bis zur oberösterreichischen Enns als des Entstehungsraumes der Baiern und ihres frühmittelalterlichen Herzogtums halten wir es für angebracht, die als Beweis für die Kontinuität herangezogenen Gewässer- und Siedlungsnamen antik-romanischer Herkunft systematisch zusammenzustellen und ebenso auf Stichhaltigkeit zu überprüfen wie die deutsch gebildeten 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 39 11.09.2019 09: 46: 48 40 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche Mischnamen mit einem als romanisch angesehenen Personennamen. Wann der Großteil dieser Gewässer- und Siedlungsnamen antik-romanischer Herkunft und Etymologie spätestens ins Bairisch-Althochdeutsche oder sogar erst ins Mittelhochdeutsche integriert wurde, lässt sich größtenteils mit Hilfe der Chronologie der zeitlich unterschiedlich eingetretenen und verschieden lange wirksamen germanischen, bairisch-alt- und mittelhochdeutschen Lautwandlungen und Lautsubstitutionen von den ersten Jahrhunderten n. Chr. bis ins 12. Jh. datieren. Spätestens ab dem Beginn eines einschlägigen Lautwandels muss ein davon betroffener Name integriert worden sein. Auf diese Weise wird sich ein annäherndes Bild ergeben, wann in welchen Kleinräumen die Baiern auftraten und die antik-romanischen Namen in ihre Sprache aufnahmen und sie sich dann in dieser fortentwickelten. Um nicht den Eindruck zu erwecken, die germanistische Sprachwissenschaft arbeite quasi mit Zaubermitteln, die vor allem Fachfremde meist nicht nachzuvollziehen vermögen, werden die angewandten sprachhistorischen Kriterien und die ungefähren Datierungen wenigstens in Umrissen einführend dargelegt. Obwohl es bis jetzt zwar derartige gebietsweise Untersuchungen gibt, behandeln wir zum ersten Mal den gesamten anstehenden Raum systematisch und zusammenhängend, wodurch wir ein geschlossenes Raumbild vermitteln, das wir auch auf entsprechenden Karten mit der Angabe der Datierungskriterien visualisieren. 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche 2.1. Allgemeine linguistische Voraussetzungen Da nur wenige Gewässer- und Siedlungsnamen in antiken Geschichtswerken, Geographien, Landkarten, Ortsverzeichnissen und Inschriften überliefert sind, aber wesentlich mehr Namen nur mündlich tradiert wurden, ist es die Aufgabe der sprachwissenschaftlichen Namenkunde, mit Hilfe der historischen Grammatik und insbesondere der historischen Lautlehre des Germanischen und des Deutschen aus den jüngeren schriftlichen Erstnennungen vor allem in Urkunden, Traditionsbüchern, Urbaren, Chroniken und Heiligenviten von der althochdeutschen bis in die spätmittelhochdeutsche Zeit des 8. bis 14. Jhs. und auch unter Beiziehung der Ausgangssprachen Lateinisch und Romanisch die zugrunde liegenden Namensformen und ihre lautlichen Entwicklungen zu rekonstruieren. Da sich die Lautentwicklungen mündlich vollziehen, aber sich in der schriftlichen Überlieferung der Namen oftmals Schreibtraditionen gegen die herrschende Aussprache eingestellt haben, müssen bei der Rekonstruktion auch die geradlinig entwickelten örtlichen Dialektaussprachen der Namen miteinbezogen werden. Die angewandte Methodik basiert auf den von der historischen Sprachwissenschaft der Ausgangs- und der Entlehnsprache ermittelten regulären Lautgesetzen, nach denen sich die Lautentwicklungen gerichtet und nicht willkürlich vollziehen. Treten zwei Gruppen mit verschiedenen Sprachen miteinander in Kontakt, so werden Wörter als Bezeichnungen von Sachen und Namen von einer Sprache in die andere entlehnt. Das geschieht in der Weise, dass bei gleichem Lautinventar beider beteiligten Sprachen eine Gleichsetzung von Vokalen und Konsonanten erfolgt. Verfügt aber die Entlehnsprache nicht 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 40 11.09.2019 09: 46: 48 2.1. Allgemeine linguistische Voraussetzungen 41 über Laute der Ausgangssprache, so tritt Lautsubstitution mit dem nächstähnlichen Laut ein. Hinsichtlich der Flexion werden die entlehnten Wörter und Namen dem morphologischen System der Entlehnsprache angepasst. Ebenso können unterschiedliche Akzentuierungen angeglichen werden wie im Fall des Lateinischen und Romanischen mit Paenultimabetonung gegenüber dem Germanischen und Althochdeutschen mit Initialakzent. Mit Hilfe der an den Namen erkennbaren lautgesetzlichen Entwicklungen lässt sich auch die Zeit der Integrierung annähernd bestimmen. Annähernd deswegen, weil sich ein Lautwandel vom Eintritt bis zur festen Etablierung und dem Auslaufen seiner Produktivität über einen kürzeren oder längeren Zeitraum erstreckt und schriftlich erst festgehalten wird, wenn er eine deutlich wahrnehmbare neue Lautgestalt angenommen hat. Die Integrierungen erstreckten sich durch rund 1100 Jahre und begannen besonders an der Donau teilweise schon um Chr. Geb. und in den folgenden ersten Jahrhunderten n. Chr. ins Germanische und ab dem ausgehenden 6. Jh. in das Frühalthochdeutsche und dauerten über das Normal- und Spätalthochdeutsche des 8. bis 11. Jhs. bis ins Frühmittelhochdeutsche des 12. Jhs. Ist ein Wort oder ein Name einmal entlehnt und lautlich und formal integriert worden, so vollzieht er seine Weiterentwicklungen wie ein Erbwort. So ist heute nicht mehr erkennbar, dass z. B. Bezeichnungen wie Mauer , Ziegel , Fenster frühe Lehnwörter aus dem Lateinischen sind, die die Germanen verbunden mit den Sachen im Kontakt mit den Römern am Rhein in den ersten Jahrhunderten n. Chr. aufgegriffen haben. Da die Übernahme von Namen mündlich erfolgte, lässt sich daraus schließen, dass Romanen mindestens bis zum Zeitpunkt der Integrierung an den jeweiligen Orten oder Gewässern lebten und dort ihre Sprache gebrauchten. Hier ist allerdings insofern Vorsicht geboten, als ein integrierter Name erst jüngere Lautmerkmale aufweisen kann, so dass seine Aufnahme bereits längere Zeit zurück liegen kann, ohne dass dies an den Lautverhältnissen ablesbar wäre. Wenn z. B. die Stadtnamen Wels und Linz in Oberösterreich auf Grund ihrer Lautmerkmale bereits ins Germanische der ersten nachchristlichen Jahrhunderte entlehnt und integriert worden sind, dann ist völlig unwahrscheinlich, dass der Name des Flusses Traun , an dem die beiden Städte liegen, erst im 8. Jh. ins Althochdeutsche übernommen wurde, wie man aus dem beobachtbaren jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung schließen könnte. Man muss also die Integrierung der Namen über die linguistischen Feststellungen hinaus auch in räumlichen, zum Teil auch historischen Zusammenhängen sehen. Aus diesen einleitenden Feststellungen ist zu ersehen, dass die lautgesetzliche Rekonstruktion der Ausgangsformen antik-romanischer Namen und ihre Integrierungs- und Weiterentwicklungsprozesse nur mit Hilfe der historischen Sprachwissenschaft sowohl der Ausgangssprachen als auch der Entlehnsprache und damit bloß von der linguistischen Fachwissenschaft adäquat geklärt werden kann. Damit aber sind öfters unternommene Erklärungsversuche von Laien, die nicht über das erforderliche linguistische Fachwissen und Rüstzeug verfügen und die die lautgesetzlichen Entwicklungsprozesse nicht beachten, zum Scheitern verurteilt. Sie bleiben daher unwissenschaftliche und unverbindliche Volksetymologien, wie es anhand der oben dargelegten neuen Erklärungen des Baiernnamens zu sehen war. Zugegeben sei, dass auch von der Sprachwissenschaft durchgeführte, lautgesetzlich abgesicherte Rekonstruktionen und Erklärungen unterschiedlich ausfallen können. Sie haben ihre Ursache meist darin, dass mehrere Ansätze möglich erscheinen und die Wahrscheinlichkeit unterschiedlich beurteilt wird. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 41 11.09.2019 09: 46: 48 42 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche 2.2. Die Bedeutung der Dialektaussprachen von Namen und die bairischen Dialekte Wie oben angesprochen, kommt wegen der mündlichen Entwicklung der Namen den rezenten örtlichen Dialektaussprachen von Siedlungsnamen bei der Rekonstruktion ihrer älteren Vorstufen und der Ausgangsformen über die schriftliche Überlieferung hinaus eine nicht unwesentliche Bedeutung zu. Das gilt auch für Gewässernamen, wobei längere Flüsse oftmals mehrere Dialektgebiete durchfließen und dementsprechend auch mehrere unterschiedliche Dialektaussprachen aufweisen können. Der bairisch Dialektraum 53 erstreckte sich zur Zeit seiner größten Ausdehnung bis 1945 zum Ende des Zweiten Weltkrieges von der Salurner Klause in Südtirol im Süden bis Markneukirchen im südlichen Vogtland im Norden und vom Lech in Bayern und dem Arlberg in Österreich im Westen bis an die Ostgrenze des Burgenlandes mit einigen kleinen westungarischen Randgebieten im Osten. Nur im Westen und Nordwesten grenzt das Bairische an deutsche Dialektregionen: das Alemannische und seinen Teildialekt Schwäbisch, das Ostfränkische und das Obersächsische. Dagegen umgeben das Bairische im Süden, Osten und Nordosten die Fremdsprachen Italienisch und Ladinisch, Slowenisch, Ungarisch, Slowakisch und Tschechisch. Die Binnengliederung des Bairischen auf Grund unterschiedlicher Lautentwicklungen weist eine Süd-Nord gelagerte Dreiteilung in Süd-, Mittel- und Nordbairisch auf. Zum Südbairischen gehören Tirol ohne das Unterland, Kärnten, der Salzburger Lungau, das Mur- und älter auch noch das Mürztal der Obersteiermark und die Südsteiermark sowie die Südspitze des Burgenlandes. Das Mittelbairische umfasst Ober- und Niederbayern, den Salzburger Flachgau, Oberösterreich und Niederösterreich ohne dessen Südosten und bis 1945 Südböhmen und Südmähren. Im Westen des Süd- und des Mittelbairischen hat sich in Westtirol und am Lechrain in Oberbayern ein alemannisch-bairisches Übergangsgebiet aufgebaut. Zwischen das Süd- und das Mittelbairische schiebt sich vom Südrand Oberbayerns und dem Tiroler Unterland über das südliche Salzburg, das steirische Ennstal, jünger das Mürztal und die Oststeiermark bis in das südöstliche Niederösterreich und das Burgenland als Übergangsgebiet das Südmittelbairische. Das Nordbairische setzt bereits südlich der Donau um Vohburg - Straubing ein und erfüllt die Oberpfalz und bis 1945 das Egerland, wobei der Nürnberger Raum im Westen zum Ostfränkischen überleitet. Im Osten hat sich im Bayerischen Wald und bis 1945 im westlichen Böhmerwald das Übergangsgebiet des Nordmittelbairischen gebildet. Da wir unseren Untersuchungsraum auf den Bereich zwischen dem Lech im Westen und der Enns im Osten mit Ober- und Niederbayern, dem Salzburger Flach- und Tennengau bis zum Paß Lueg und der Donau als Nordgrenze beschränken und damit den frühen Siedlungsraum der Baiern erfassen, ergeben sich bezüglich der Dialektlautungen der Siedlungs- und Gewässernamen folgende Verhältnisse. Ihr größter Teil gehört dem Mittelbairischen mit allerdings verschiedenen Kleinräumen an. Südmittelbairisches findet sich am Südrand von Oberbayern und im Salzburger Tennengau. Nordbairisches tritt ab Vohburg - Straubing bis zur Donau auf. Es muss aber eingeräumt werden, dass vom heutigen Rückgang der alten bodenständigen Dialekte zugunsten der von der Schriftsprache abhängigen Umgangssprache auch die Namen betroffen sind, indem ihre Dialektaussprachen in Bayern mehr als in Österreich durch um- 53 Vgl. u. a. Wiesinger (1983), S. 836-842; Wiesinger (1990a) und Rowley (1990). 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 42 11.09.2019 09: 46: 48 2.2. Die Bedeutung der Dialektaussprachen von Namen und die bairischen Dialekte 43 gangssprachliche, an den amtlichen Schreibungen orientierte Lautungen ersetzt werden. Wir geben soweit wie mögliche die alten „echten“ Dialektaussprachen wieder und vermerken, wo jene nicht mehr vorhanden sind, die geneuerten umgangssprachlichen Lautungen. Die in den Namenartikeln unter D gebotenen Transkriptionen der Dialektaussprachen erfolgen in dem an der Schriftsprache orientierten, in der Dialektologie häufig angewandten, etwas modifizierten sogenannten „Teuthonista-System“. Im Vokalismus werden in der Vertikalen geschlossene und mit untergesetztem Häkchen bezeichnete offene Vokale in den dreigliedrigen Hoch- und Mittelzungenvokalreihen unterschieden. Der Tiefzungenvokalbereich umfasst vorderes helles a und hinteres dunkles å („bayerisches“ a ). So ergibt sich folgendes Vokalviereck: palatal palatal velar ungerundet gerundet gerundet i ü u į  ų e ö o ę  ǫ a å Auf zentralisierte velopalatale Aussprache vorderer und palatovelare hinterer Vokale wird zwar hingewiesen, sie bleiben aber unbezeichnet. Nasalierte Vokale werden bei Nasalschwund mit hochgestelltem n wiedergegeben. Die Vokallänge drückt ein übergesetzter Strich aus. Der abgeschwächte a -Laut in unbetonten Silben und in fallenden Diphthongen wird mit ɒ bezeichnet. Steigende Diphthonge sind ei - öü - ou , ęi - ü - ǫu , aį - a/ ǫi - aų ; fallende iɒ - uɒ , įɒ - ųɒ , eɒ - oɒ , ęɒ - ǫɒ . Gehören zwei aufeinander treffende Vokale zwei Silben an, so trennt sie ein Bindestrich -. Im Konsonantismus werden bei Plosiven und Frikativen stimmlose Lenes und stimmlose Fortes unterschieden. Ihren drei Artikulationsbereichen dental, labial und velar sind auch die Nasale zugeordnet. Die palatoalveolaren Frikative werden mit š und  bezeichnet. Der Hauchlaut (Spirant) ist h . Anlautendes k wird vor Vokalen als kh aspiriert, im Südmittelbairischen auch vor Konsonant. Halbvokale sind stimmhaftes j und labiodentales oder leicht bilabiales stimmhaftes w . Der Liquid l weist nicht nur anlautend vor Vokalen, sondern auch vor Konsonanten unterschiedliche Artikulationen auf, was unbezeichnet bleibt. Vor Konsonanten und im Auslaut ist er nur im Südmittelbairischen noch teilweise erhalten, wird aber ansonsten vokalisiert. Der Liquid r wird im Anlaut vor Vokalen und mit vorangehendem Konsonant meistens als leicht gerolltes vorderes Zungenspitzenr , teilweise und besonders bei der jüngeren Generation aber auch als hinteres Zäpfchenr gebildet. Für die Plosive, Frikative und Nasale ergibt sich folgendes System, wobei die Lenes stimmlos sind: 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 43 11.09.2019 09: 46: 48 44 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche dental labial velar Plosive Lenes d b g Fortes t p k Frikative Lenes s, š v x Fortes ß ,  f χ Nasale n m ŋ 2.3. Die Namenschichten im bairischen Dialektraum Im oben beschriebenen bairischen Dialektraum treten nach Herkunft, Alter und Sprache insgesamt 8 Schichten von Gewässer- und Siedlungsnamen auf. Zu ihnen kommen als 9. Kleingruppe jüngere slowenische, tschechische und kroatische Namen hinzu. Es sind dies: 1. Nichtindogermanische Namen 2. Indogermanisch-voreinzelsprachliche Namen 3. Keltische Namen 4. Lateinische und romanische Namen 5. Germanische Namen 6. Bairisch-deutsche Namen 7. Slawische Namen 8. Ungarische Namen 9. Slowenische, tschechische und kroatische Namen Die Namen der Schichten 1-4 können als Antik-romanische Namen zusammengefasst werden, denn sie gingen mit der Einverleibung von Raetien und Noricum als Provinzen in das Imperium romanum 15 v. Chr. schließlich in das Lateinische und das daraus weiterentwickelte Romanische ein und wurden aus diesem entweder schon früh ins Germanische oder erst später ins Bairisch-Frühalthochdeutsche integriert. Wegen des heute gleichzeitigen Nebeneinanders von Gewässer- und Siedlungsnamen aus verschiedenen Sprachen und zeitlichen Perioden geben wir jeweils kurze Übersichten über alle Namenschichten. Dabei steht das mit Ortsnamenbüchern systematisch aufgearbeitete Österreich gegenüber dem nur teilweise erforschten Bayern im Vordergrund. 54 Die Verbreitung von Siedlungsnamen antik-romanischer Herkunft in Österreich - für Bayern gibt es leider keine Karten - zeigt Karte 6. 2.3.1. Nichtindogermanische Namen In Tirol gibt es sehr wenige indogermanisch nicht erklärbare Siedlungsnamen wie die bereits antik bezeugten Vipitenum - Wipp tal und Veldidena - Wilten und das erst 930/ 31 erstmals genannte Sûates - Schwaz . Sie könnten vielleicht rätischer Herkunft sein, zumal aus dem Inn- 54 Vgl. als Übersichten für ganz Österreich Wiesinger (1994), für Oberösterreich Wiesinger (1980) und für Niederösterreich Wiesinger (1985). 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 44 11.09.2019 09: 46: 48 2.3. Die Namenschichten im bairischen Dialektraum 45 und dem Etschtal rätische Inschriften stammen. Sowohl die Herkunft der Räter als auch ihre Sprache sind nicht geklärt. Feststeht jedoch, dass die rätische mit der etruskischen Sprache verwandt ist und diese mit der Sprache frühantiker Inschriften der Kleinasien vorgelagerten griechischen Insel Lesbos korrespondiert. Wahrscheinlich sind die wohl aus Lydien in Kleinasien kommenden Etrusker um 1000 v. Chr. in Mittelitalien eingewandert, deren Kultur von 800-50 v. Chr. blühte, ehe sie in der römischen Kultur aufging. Ob die Räter ein selbständiges oder ein von den Etruskern abgezweigtes Volk waren, ist ebenfalls strittig. Im Anschluss an antike Quellen wird teilweise vermutet, dass nordetruskische Stämme im 5. Jh. v. Chr. aus der Poebene in die Alpen flohen und sich dort ansiedelten, als die Kelten in die Poebene eindrangen. Infolge der römischen Alpenfeldzüge von Drusus und Tiberius 15-13 v. Chr. wurden auch Raetien und die Räter dem Römerreich eingegliedert und wich das Rätische allmählich dem Lateinischen. 2.3.2. Indogermanisch-voreinzelsprachliche Namen Die älteste greifbare Namenschicht in Europa sind die Indogermanisch-voreinzelsprachlichen Namen. Sie sind hauptsächlich von Frankreich über Mitteleuropa, Skandinavien, die baltischen Länder, den Balkan und Russland bis gegen den Ural verbreitet und geringer in England und den Mittelmeerländern Spanien, Italien und Griechenland. Als Gewässernamentypen weisen sie wiederkehrende bestimmte Lexeme und Morpheme auf und wurden von Hans Krahe als „Alteuropäische Hydronymie“ zusammengefasst und beschrieben. 55 Ihre Entstehung liegt zeitlich vor der Ausbildung der idg. Einzelsprachen wahrscheinlich in der Zeit von ca. 4000-1500 v. Chr., als sich die Indogermanen wahrscheinlich von ihrem anfänglichen Siedlungsbereich zwischen Schwarzem Meer, Kaspischem Meer und südlichem Ural allmählich nach Westen ausbreiteten. Da aber nicht alle feststellbaren Gewässernamen idg. Herkunft sich dem Typus der „Alteuropäischen Hydronymie“ einordnen und es außerdem Siedlungsnamen idg. Herkunft gibt, empfiehlt sich als umfänglichere Bezeichnung „indogermanisch-voreinzelsprachlich“ (abgekürzt idg.-vspr.). Im bairischen Raum gehören zu dieser überall auftretenden Namenschicht im Bereich des Nordtiroler Inntales Gewässer- und Siedlungsnamen, die auf die dort namentlich bekannten Stämme der Breonen, Genaunen und Fokunaten zurückgehen. Sie nennt das Tropaeum Alpium in La Turbie über Monaco in Südfrankreich, das 7/ 6 v. Chr. als Siegesdenkmal errichtet wurde, nachdem 15-13 v. Chr. Drusus und Tiberius 46 Alpenstämme besiegt und ihre Gebiete in Raetien und Noricum dem Imperium romanum bis zur Donau als neue Provinzen einverleibt hatten. Dass ihre idg. Sprache um Chr. Geb. bereits etwas unterschiedliche lautliche und vom rekonstruierten Indogermanischen abweichende, weiterentwickelte Merkmale aufwies, liegt auf der Hand und lässt sich an den Namen aufzeigen. 56 Im Einzelnen aber kann man nicht bestimmen, wann die der idg.-vspr. Schicht angehörigen Namen entstanden sind. Sie waren aber im bairischen Raum zumindest vor dem 5. Jh. v. Chr. vorhanden, als die nächstjüngere Namenschicht aufkam. Ebenso schwierig ist die Beantwortung der Frage, wie lange sich idg.vspr. Idiome und ihre Namen erhalten haben. Teilweise lässt sich zeigen, dass diese Namen zunächst in das nachfolgende Keltische integriert wurden, ehe sie während der 500jährigen 55 Eine zusammenfassende Übersicht gibt Krahe (1964). 56 Vgl. Anreiter (1997). 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 45 11.09.2019 09: 46: 48 46 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche Römerzeit ins Lateinische aufgenommen und über ihre Weiterentwicklung im Romanischen ins Bairisch-Althochdeutsche gelangten. Wenn sich der Romane Quartinus aus dem Südtiroler Eisacktal 827/ 28 anlässlich von Schenkungen an das Kloster Innichen als Angehöriger der nationis Noricorum et Pregnariorum nennt, dann handelt es sich gewiss nicht mehr um das Fortleben der indogermanischen Sprache der Breonen und der keltischen der Noriker, sondern um ein tradiertes Bewusstsein ehemaliger Zugehörigkeiten. 57 In der bayerischen und österreichischen Namensforschung wurden bis gegen 2000 die idg.vspr. Namen mit Hilfe jener Form des Indogermanischen bestimmt und rekonstruiert, wie sie jahrzehntelang praktiziert und im „Indogermanischen etymologischen Wörterbuch“ (IEW) von Julius Pokorny 1959 dargestellt wurde. Aber in der Indogermanistik hat sich die von Ferdinand de Saussure schon 1879 vermutete und zunächst anhand des Hethitischen nachgewiesene Laryngaltheorie immer mehr behauptet und nun durchgesetzt. Sie zeigt gewissermaßen ein Urindogermanisch auf, doch kann man nicht unmittelbar sagen, dass die bisher angenommene Form mit bereits weiter entwickelten Lautungen ohne Laryngale ein allgemeiner jüngerer Zustand gewesen wäre. Da die Forschungen im Fluss sind, werden bei den hier behandelten idg.-vspr. Namen als Kompromiss teilweise die bisherigen Etymologien und Ansätze geboten und die laryngalen Ansätze nach dem LIV von 2001 und dem NIL von 2008 in Klammern als „uridg.“ hinzugefügt oder bereits nur die laryngalen Formen angegeben. 2.3.3. Keltische Namen In archäologischer Sicht wird die ältere eisenzeitliche Hallstattkultur von ca. 800-450 v. Chr., die sich von Ostfrankreich über die Schweiz, Süddeutschland, Böhmen, Österreich, die Westslowakei und Ungarn bis Slowenien erstreckte, von einem Teil der Forscher ebenso als keltisch betrachtet, wie die sich anschließende jüngere eisenzeitliche Blütezeit der La Tène-Kultur bzw. jüngeren Hallstattkultur von ca. 450-50 v. Chr. Jedenfalls erfolgte um 450 v. Chr. in den bayerischen und österreichischen Raum eine starke westliche Zuwanderung aus Ostfrankreich und Südwestdeutschland, die zur raschen Assimilierung der älteren hallstattzeitlichen Bevölkerung führte. Zwar ist die ethnische und sprachliche Zugehörigkeit der älteren Hallstattkultur umstritten, doch wird mehrheitlich angenommen, dass es sich dabei um jene idg. Sprachträger handelt, auf die die idg.-vspr. Namen zurückgehen, und dass erst die Träger der La Ténebzw. jüngeren Hallstattkultur Kelten waren. Das Festlandkeltische ist von sehr wenigen Inschriften abgesehen in erster Linie durch Gewässer- und Siedlungsnamen und antik überlieferte Personennamen bekannt, die im Vergleich zum fortlebenden und weiterentwickelten Inselkeltischen in England, Schottland und Irland bestimmte frühe Gemeinsamkeiten aufweisen und sich dadurch als eigene westidg. Sprache zu erkennen geben. Dazu gehören u. a. die Monophthongierung von idg. ei zu ē (* reinos > gall. Rēnos , lat. Rēnus ‚Rhein‘), die Vokalisierung der silbischen Liquide  und  vor Plosiven zu ri und li (* bhgh - > brig ‚Berg‘ in Brigantia ‚Bregenz‘) und der Schwund von anlautendem p - (* pen -/ pon -/ p- ‚Schlamm, Sumpf, Wasser‘ > gall. anam , lat. Anisa , us , is ‚Enns‘). Die Rekonstruktion keltischer Namen erfolgt unter Mitberücksichtigung von aus Gallien überlieferten einzelnen Wörtern (gall.) und der Einbeziehung der inselkeltischen Sprachen und 57 Vgl. Kühebacher II (1995), S. 62. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 46 11.09.2019 09: 46: 48 2.3. Die Namenschichten im bairischen Dialektraum 47 da besonders ihrer überlieferten älteren Sprachstufen. Wenn aber Namen nicht eindeutige keltische Lauterscheinungen aufweisen, bleibt fraglich, ob sie keltischer oder schon idg.-vspr. Herkunft sind. Das lässt sich auch dann nicht sicher erschließen, wenn das zugrundeliegende idg. Lexem neben anderen idg. Sprachen auch im Keltischen vorkommt. Da die Kelten eine nachrückende Bevölkerung waren, haben sie die Vorbevölkerung und deren idg.-vspr. Namen zum Teil abgedrängt. Das lässt sich an einzelnen Gewässernamen in Niederösterreich zeigen, wo die Oberläufe von Flüssen im Bergland einen älteren idg.-vspr. Namen tragen, während die Unterläufe in der Ebene keltisch benannt sind, z. B. Naters (slawisiert < * Natirā ) - Loich (< * Leukā , heute slaw. Pielach ), Dürnitz (slawisiert < * Durinā ) - Traisen (< * Tragisamā ). Die Kelten haben aber neben Neubenennungen auch angetroffene idg.-vspr. Namen, insbesondere Gewässernamen aufgegriffen und in ihre Sprache integriert. Das wird wahrscheinlich beim Inn (gr. Ἔνος ) als eines großen und langen rechten Nebenflusses der Donau bei Passau der Fall gewesen sein. Zwar gibt es mir. en ‚Wasser‘, doch ist seine Herkunft fraglich und nahe liegender, idg.-vspr. Bildung mit idg. * pen - ‚Schlamm, Sumpf, Wasser‘ und p -Verlust bei Keltisierung anzunehmen. Da die keltische Kultur in Raetien und Noricum rasch nach der Einverleibung dieser Gebiete als Provinzen ins Imperium romanum 15. v. Chr. der römischen Kultur wich, gingen die keltischen Namen wie die zum Teil keltisierten idg.-vspr. Namen ins Lateinische über und entwickelten sich teilweise ins Romanische weiter, ehe sie ins Bairisch-Althochdeutsche integriert wurden. 2.3.4. Lateinische und romanische Namen Nachdem Julius Caesar im Gallischen Krieg 58-51 v. Chr. im Nordwesten die römische Herrschaft auf Gallien und die linksrheinischen Gebiete ausgedehnt hatte, setzten Drusus und Tiberius die nördliche Ausweitung des Imperium romanum fort, indem sie im Nordosten 15-13 v. Chr. die Kelten von Raetien und Noricum unterwarfen und anschließend 12-9 v. Chr. Pannonien dem Römerreich einverleibten. Neben der Stationierung römischen Militärs siedelte sich allmählich römische Bevölkerung an und fasste die römische Kultur Fuß. Damit setzte sich auch die lateinische Sprache durch und verdrängte sowohl das Keltische wie auch weitere noch existente Reste der vorangegangenen Sprachen. Einerseits übernahmen die Römer das bisherige Namengut wie etwa keltisches Lentia ‚Linz‘ und wohl keltisiertes idg.-vspr. Ovilavis ‚Wels‘ und gaben neuen Orten lateinische Namen wie Batava ‚Passau‘. Erst recht gründeten die nach dem Zusammenbruch des Römerreiches fortlebenden Romanen neue Orte und benannten sie mit romanischen Namen, wie der Salzburger Raum deutlich zeigt, so etwa Vicone ‚Vigaun‘, Monticolo ‚Muntigl‘ oder Plagina / Plaina ‚Plain‘. Zwar war die lateinische Schriftsprache seit dem 1. Jh. v. Chr. und besonders der augusteischen Zeit von ihren Schriftstellern und Dichtern wie Cicero, Sallust, Livius, Vergil, Horaz und Ovid geprägt, aber daneben gab es nicht nur landschaftliche Varietäten, sondern es entwickelte sich gleichzeitig auch das von der Schriftsprache abweichende mündliche Vulgärlatein, wie etwa Inschriften aus Pompei zeigen. In der rund 500jährigen Römerzeit bis zum Ende des weströmischen Reiches 476 entwickelte sich das Vulgärlatein zum Romanischen weiter. Zwar lassen sich anhand der verschiedenen romanischen Sprachen die gebietsweise unterschiedlichen Weiterentwicklungen aufzeigen, aber trotz der Verwilderung der Schriftsprache vom 6.-8. Jh. ist es schwierig und dies besonders für den anstehenden Raum der Romania submersa 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 47 11.09.2019 09: 46: 48 48 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche von Raetien, Noricum und Pannonien, anhand des am Südrand noch fortlebenden alpenromanischen Rätoromanischen, Ladinischen und Friulanischen festzustellen, wann sich die einzelnen Weiterentwicklungen vollzogen haben. Beobachtungen und Datierungen etwa in den Zentralräumen Italien und Frankreich lassen sich nicht unmittelbar auf die nördlichen Randgebiete übertragen. Aber anhand der ins Germanische und dann ins Bairisch-Althochdeutsche integrierten Namen von den ersten nachchristlichen Jahrhunderten bis ins beginnende 12. Jh. kann man vor allem bei unterschiedlichem Lautstand und den zeitlich verschiedenartigen Lautsubstitutionen Einsichten in die romanischen Entwicklungsabläufe gewinnen und sie datieren. So zeigt sich, dass z. B. Kuchl bei Hallein in Salzburg als 930 ad Chuchulam mit inlautendem < ch >/ [ χ ] den älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung von lat. Cuculle , wie es im 4. Jh. die Tabula Peutingeriana und als Cucullis 511 die Vita Severini überliefern, vollzogen hat. Auf derselben Form beruht hier aber auch der Almname Gugelan aus rom. Cugulanu mit romanischer Inlautlenierung von lat. < c >/ [ k ] zu rom. [ g ]. Da die Lautverschiebung bis längstens 650 produktiv war, kann die Inlautlenierung erst danach frühestens ab etwa 625 eingetreten sein. Das aber widerspricht der romanistischen Datierung der Inlautlenierung vom 4.-6. Jh. Sie hat sich also im Alpenraum als nördliches romanisches Randgebiet sichtlich erst viel später vollzogen als in den Zentralräumen und lässt sich anhand der Ortsnamenintegrate datieren. Wie diese beiden Beispiele zeigen, profitieren nicht nur die beiden beteiligten linguistischen Disziplinen der Romanistik und der Germanistik aus den sprachlichen Kontaktphänomenen für die Erhellung ihrer Sprachgeschichten, sondern es ist anhand der Datierungen auch möglich, zu ermitteln, in welchen Gebieten und bis ungefähr in welche Zeiten das Romanische dort erhalten blieb. Das aber soll erst später ausführlich behandelt werden. Auch die im Süden des Voralpenraumes auftretenden deutschen Walchen - und Parschalken- Namen spiegeln das dichtere Fortleben von Romanen in der bairischen Umgebung der Frühzeit. Ähnlich verhält es sich mit den mit einem romanischen Personennamen deutsch gebildeten Mischnamen, wo man besonders bei früher urkundlicher Bezeugung annehmen kann, dass ein Romane der Ortsgründer war, doch die deutschsprachigen Baiern die Romanen an Zahl übertroffen haben werden. Unter den verschieden gebildeten lateinischen und romanischen Siedlungsnamen treten die Praediennamen auf lat. ācum hervor, die als Typus 15 % der gesamten tradierten lat./ rom. Siedlungsnamen ausmachen. 2.3.5. Germanische Namen Die ersten kriegerischen Begegnungen zwischen Römern und Germanen ereigneten sich im Gallischen Krieg von Julius Caesar 58-51 v. Chr. am Niederrhein. Immer wieder versuchten die Römer die germanischen Gebiete bis zur Elbe zu erobern, doch mussten sie diese Absicht nach der vernichtenden und sehr verlustreichen Varus-Schlacht 9 n. Chr. zurückstellen. Aber es gelang ihnen, zu den linksrheinischen Gebieten am Oberrhein die rechtsrheinischen Bereiche hinzuzugewinnen und im heutigen Südwestdeutschland die Provinz Germania superior zu errichten und sie mit dem Germanisch-Rätischen Limes von Rheinbrohl bis Lorch/ Rems und in Fortsetzung bis Eining/ Donau gegen das freie Germanien zu begrenzen und mit Kastellen abzusichern. Entlang der Donau folgte dann der Norische oder Donaulimes bis Vindobona/ Wien und in Fortsetzung ebenfalls entlang des Flusses der Pannonische Limes. Während der 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 48 11.09.2019 09: 46: 48 2.3. Die Namenschichten im bairischen Dialektraum 49 Germanisch-Rätische Limes als feste Grenzsicherung zu Beginn des 2. Jhs. n. Chr. entstand, errichtete man an der Donau schon um die Mitte des 1. Jhs. erste Kastelle, vertraute aber weitgehend der natürlichen Begrenzung durch den mächtigen Fluss, bis 167 n. Chr. die plündernden und brandschatzenden Markomannen einfielen und es 172 unter Kaiser Marc Aurel zu den Markomannenkriegen kam. Sein Sohn und Nachfolger Commodus (180-192 n. Chr.) begann den Wiederaufbau der zerstörten Grenzsicherungen, die dann verstärkt, ausgebaut und erweitert wurden. Obwohl der Bayerische Wald und die Wälder des oberösterreichischen Mühl- und des niederösterreichischen Waldviertels den elbgermanischen Stämmen wenig Siedlungsmöglichkeiten boten, gab es Durchzugsstraßen, auf denen Warentransporte in beiden Richtungen erfolgten. So erhielten einige Flüsse nördlich der Donau in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten germanische Namen wie die Mühl bäche im Mühlviertel, während solche Gewässernamen im niederösterreichischen Wald- und Weinviertel wie Thaya , Pulkau und Zaya erst über slawische Vermittlung ins Deutsche gelangten. Obwohl im 5. Jh. im niederösterreichischen Weinviertel bis um Krems/ Donau die ostgermanischen Rugier die Nachbarn der Römer waren, lassen sich ihnen weder Gewässernoch Siedlungsnamen zuordnen. 2.3.6. Bairisch-deutsche Namen Wie im 1. Teil dieser Untersuchung zu ersehen war, treten die Baiern als eigener spätgermanischer Stamm zwar im 6. Jh. auf, aber Siedlungsnamen sind in ihren Wohngebieten erst seit der 2. Hälfte des 8. Jhs. urkundlich überliefert. In ihrer Frühzeit haben die Baiern jedoch schon antik-romanische Gewässer- und Siedlungsnamen übernommen, wie aus den Lautungen der Integrate mit den älteren Akten der Zweiten Lautverschiebung zu ersehen ist, die bis längstens 650 wirksam waren. In positivistischer Weise hat Gertrud Diepolder die im bairischen Herzogtum bis zum Ende des 8. Jhs. urkundlich überlieferten Siedlungsnamen der Agilolfingerzeit von Augsburg am Lech bis Linz an der Donau einschließlich von ganz Salzburg und von Tirol zusammengestellt, um einen Überblick über die anfänglichen Siedlungen der Baiern zu gewinnen. 58 Sie belaufen sich auf rund 580 Namen, die nur einen Bruchteil der anzunehmenden tatsächlichen Siedlungen und ihrer Namen ausmachen. Aber bei Kartographierung ergeben sich bereits deutlich die anfänglichen Siedlungsräume, die in etwa auch mit den bislang erfassten Reihengräberfeldern korrespondieren. 59 Sie liegen im Norden an der Donau von Regensburg bis Passau, um die Kleine Laber von Mallersdorf bis Straubing sowie an der unteren Isar und Vils von Dingolfing und Reisbach bis zur Donau. Im Westen zeichnet sich ein großes Areal vom Staffelsee im Süden über Landsberg - München bis Pfaffenhofen, Freising und Mainburg im Norden ab. Im Süden von Oberbayern setzt sich diese Siedlungszone nach Osten bis Ebersberg und Rosenheim sowie ins Tiroler Unterinntal fort. Eine nördlich folgende Zone tritt von Erding ostwärts bis Mühldorf und Altötting am Inn auf, wo sich die Gebiete am unteren Inn und an der Rott anschließen. Ein dichter südöstlicher Bereich erstreckt sich von Traunstein - Trostberg - Burghausen an der Salzach bis in den Salzburger Flachgau, das Gebiet um die Stadt Salzburg und in das Salzachtal bis zum Paß Lueg. Dagegen ist das Vorkommen von früh urkundlich bezeugten Ortsnamen in Oberösterreich am Inn und im Innviertel sowie entlang 58 Vgl. Diepolder (1957). 59 Vgl. die Karte bei Menke (1988), S. 71. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 49 11.09.2019 09: 46: 48 50 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche der alten Römerstraße von Linz über Wels und Vöcklabruck im Traun- und Hausruckviertel bis Salzburg gering. Von den rund 580 Namen sind zwar jene rund 50 Namen romanischer Herkunft und die rund 10 romanisch-deutschen Mischnamen sowie jene rund 20 Namen im Alpenraum abzuziehen, aber es verbleiben dann immer noch rund 500 deutsche Namen. Unter ihnen treten jene hervor, die während der althochdeutschen Zeit bis zum Ende des 10. Jhs. produktive Siedlungsnamentypen bilden. Es sind dies 110 ing -, 52 bach -, 44 dorf -, 29 hausen -, 18 aha -, 14 berg (-), 10 heim -, 7 stat -/ stetten - und 4 hofen -Namen. Während für Bayern leider sowohl systematische Zusammenstellungen aller dieser Namentypen und ihrer Kartographierung fehlen, gibt es sie für Österreich und insbesondere für Oberösterreich als den östlichen Teil des altbairischen Siedlungsraumes. Sie seien nach Bildung, Alter und Verbreitung unter Einbeziehung des Salzburger Flachgaues im Folgenden kurz charakterisiert. 60 Als ältester und häufigster Siedlungsnamentypus der ahd. Zeit erweisen sich die aus dem Germanischen ererbten ing -Namen. Sie sind allergrößtenteils von Personennamen abgeleitet und drücken Zugehörigkeit im Sinne von „die zu … gehörigen Leute“ aus, so dass die genannte Person als Ortsgründer und Grundherr anzusehen ist und der meist im lokativischen Dativ Plural festgewordene ahd. Siedlungsname auf ingun , das über mhd. ingen zu nhd. ing wird, „bei den Leuten des …“ bedeutet. Da die echten ing - Namen 61 bis um die Jahrtausendwende produktiv waren, wird anhand ihrer urkundlichen Erstüberlieferung eine ungefähre Trennung in eine ältere anfängliche Schicht und eine jüngere der ersten Welle der Ausbausiedlung des 9. und 10. Jhs. versucht. Das trifft wahrscheinlich insofern zu, als zu den Besitznamen mit einem Personen- oder Standesnamen der älteren Gruppe bei der jüngeren auch Lagenamen mit einer appellativischen Lageangabe hinzu treten. Die Verbreitung der älteren und jüngeren Siedlungsnamen auf ing in Österreich - für Bayern gibt es leider keine Übersichten - zeigt Karte 8. In Oberösterreich und Salzburg erstrecken sich die ing -Namen von der Donau im Norden einschließlich der geographisch zum Süden gehörigen Ebenen des Ottensheimer Beckens und des Machlandes bis vor das Bergland vor der Stadt Salzburg und bis zur Nordspitze der Salzkammergutseen. Im Osten reichen sie bis etwa zur Krems als Westgrenze des slawischen Siedlungsgebietes. Ausgespart bleiben im Innviertel der Weilhart und der Kobernaußerwald im Süden und der Esternberg im Norden und im Hausruckviertel das Bergland des Hausrucks. So siedelten die Baiern in den fruchtbaren ebenen Gunstlandschaften. Alle weiteren ahd. Namentypen sind Komposita als Besitznamen mit einem im Genitiv gefügten Personen- oder Standesnamen, Lagenamen mit einem gereihten Appellativ und Artnamen mit einem gefügten oder gereihten Adjektiv. 62 60 Vgl. für Österreich Wiesinger (1994), S. 72 ff. und für Oberösterreich im Besonderen Wiesinger (1980), S. 162 ff. und die dazugehörigen entsprechenden Karten. Die Personennamen der mit ing und heim gebildeten Besitznamen in Oberösterreich werden außerdem aufgelistet bei Wiesinger (1977), S. 105 ff. und 111 f., sind jetzt aber teilweise nach dem „Ortsnamenbuch des Landes Oberösterreich“ (1989 ff.) zu ergänzen. 61 Neben den hier beschriebenen echten ing -Namen gibt es auch jüngere unechte ing -Namen, bei denen das häufige ing -Suffix analog an die Stelle lautlich ähnlicher Suffixe trat, wie z. B. en und slaw. ika . 62 Die Bezeichnungen Besitz-, Lage- und Artname sind in der österreichischen Namenforschung üblich, ihre Bildungsweisen werden aber hier nur nach dem häufigsten Auftreten kurz beschrieben. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 50 11.09.2019 09: 46: 48 2.3. Die Namenschichten im bairischen Dialektraum 51 Fast ebenso häufig wie die echten ing -Namen sind in Oberösterreich und Salzburg die heim -Namen, die ebenfalls germanisches Erbe verkörpern, aber gegen die Ränder weniger weit reichen als jene. Ihre Produktivität ist jünger, und sie gehören größeren Teils der ersten Welle der Ausbausiedlung des 9. und 10. Jhs. an. Sind die ing -Namen „Pioniernamen“, die die Besitzergreifung ausdrücken, was am Ende des 10. Jhs. in Niederösterreich nach der Errichtung der Babenberger Markgrafschaft und der deutschen Besiedlung der slawischen Gebiete besonders deutlich wird, so bedeutet das Grundwort heim ‚Heim, Ansitz‘, so dass der Name in einem Gebiet gewählt wird, in dem man sich bereits beheimatet fühlt, was in Niederösterreich nicht der Fall ist, so dass dort die heim -Namen so gut wie fehlen und nur vereinzelt vorkommen. 63 Zwar weisen auch sie als Bestimmungswort mehrheitlich einen Personen- oder Standesnamen auf, aber häufig gibt es bereits Lage- und Artnamen. Die Verbreitung der heim -Namen in Österreich - für Bayern gibt es leider keine Übersicht - zeigt Karte 9. Mit den heim -Namen korrespondieren die hausen -Namen, die ahd. hūs ‚Haus‘ im lokativischen Plural verwenden und wieder als Besitz- und geringer als Lage- und Artnamen begegnen. Gegenüber den heim -Namen kehren sie zwar die Gebäude hervor, beinhalten im übertragenen Sinn aber auch die Abstammung (vgl. z. B. das Herzogshaus , Haus Habsburg ), so dass sie im räumlichen Sinn ähnlich den heim -Namen auch den Ansitz im beheimateten Gebiet ausdrücken. Daher kommen in Oberösterreich und Salzburg die hausen -Namen dort gehäuft vor, wo die heim -Namen zurücktreten wie im südlichen Innviertel und anschließenden nördlichen Flachgau. Von den weiteren Siedlungsnamentypen der ahd. Zeit begegnen die stat -/ stetten -Namen und die hofen -Namen nur geringfügig. Ursprüngliche Flurnamen waren die wang -Namen für abschüssiges trockenes Gelände, die dann in mhd. Zeit von gleichbedeutendem līte - Leite abgelöst wurden. Die anfängliche bair.-ahd. Bezeichnung für Fließgewässer war aha - Ache , zu dem Bach in Konkurrenz trat und es ablöste, so dass es auf das anfängliche bairische Siedelland von Oberösterreich und Salzburg beschränkt bleibt. Wenn aber in der bayerischen Statistik die bach -Namen sehr zahlreich auftreten, so muss man bedenken, dass sie in erster Linie Fließgewässer an sich bezeichnen, die wegen ihrer Nutzung als Fischgewässer im Besitz von Grundherren waren und an denen erst allmählich Siedlungen entstanden. Ähnliches gilt für die Bezeichnung von Anhöhen mit Berg . Als Siedlungsnamen wurden beide Namentypen erst gegen Ende des 10. Jhs. in der 2. Welle der Ausbausiedlung produktiv, als das Ackerbaugelände weitgehend genutzt und besiedelt war und es notwendig wurde, trockene Stellen auf Anhöhen und an Bächen zu wählen. Produktiver Haupttypus der 2. Welle der Ausbausiedlung aber sind die dorf -Namen, obwohl es sie bereits in der Frühzeit gibt. Da ahd. dorf anfänglich ‚eingefriedetes Landstück mit Gehöft‘ bedeutete, entwickelte sich daraus bald ‚Ansiedlung mit mehrerer Gehöften‘, eben ‚Dorf ‘. Die dorf -Namen lösten ab der 2. Hälfte des 10. Jhs. die ing -Namen ab und werden wie diese fast ausschließlich mit einem Personen- oder Standesnamen gefügt. Mit ihnen wurden neu angelegte Kleinsiedlungen auf noch freiem Gelände in den Gunstlandschaften benannt. Gehört bereits die 2. Welle der Ausbauzeit zum größeren Teil in das 11./ 12. Jh. und damit sprachlich in die spätahd./ frühmhd. Zeit, so sei hier die 3. Welle der Ausbausiedlung des 12. und 13. Jhs. und damit sprachlich der mhd. Zeit nur der Vollständigkeit halber genannt. Sie 63 Vgl. besonders Wiesinger (1985), S. 352 ff. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 51 11.09.2019 09: 46: 48 52 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche ist angesichts der ständig zunehmenden Bevölkerung geprägt durch die Rodungen von Waldgelände zur Gewinnung neuen Siedelbodens. Ihre Namentypen sind die nur allgemein auf Rodung verweisenden reit -Namen (mit den Varianten rad , roit , red / röd und südbairisch [-] raut ), die die Arten des Rodens bezeichnenden schlag , schwand / schwend und sang- Namen sowie im niederösterreichischen Waldviertel die elliptischen Genitivischen Ortsnamen. 2.3.7. Slawische Namen Nachdem 568 die Langobarden Pannonien geräumt hatten und nach Italien abgewandert waren, konnten aus dem Osten die zunächst den Awaren tributpflichtigen Slawen nachrücken. Sie drangen in die nach Osten offenen Täler der Drau und der Mur ins Alpengebiet bis ins Osttiroler Pustertal und in den Salzburger Lungau flussaufwärts vor und kamen über das Paltental ins obersteirische Ennstal und Ausseerland und von dort über den Pötschenpass ins südoberösterreichische Salzkammergut um Bad Ischl. Donauaufwärts besetzten sie Niederösterreich und gelangten von dort flussaufwärts ins untere Enns- und Steyrtal des oberösterreichischen Traunviertels, wo sie sich mit flussabwärts vom obersteirischen Ennstal über den Pyhrnpass vorstoßenden südlichen Slawen vermischten. Im Wein-, Wald- und Mühlviertel sowie im Bayerischen Wald nördlich der Donau können sich Slawen von südlich der Donau und von Mähren und Böhmen von Norden her begegnet sein. In der nördlichen Oberpfalz ab etwa Weiden und in Oberfranken um Bayreuth und Bamberg kamen Slawen sowohl aus Böhmen von Osten her als auch aus den sorbischen Gebieten an der Saale aus dem Norden. Verblieben in Niederösterreich, wie bereits beschrieben, geringe frühe elbgermanische oder bairische Siedlungen erhalten, was aus einigen lautverschobenen und einigen weiteren tradierten antik-romanischen Gewässernamen hervorgeht, so wurden sie zu östlichen Sprachinseln und bildete sich gegen 700 an der Enns die Ostgrenze des geschlossenen bairischen Siedlungsraumes gegen die Slawen. Im alpinen Pustertal kam es 591 zu heftigen, sehr verlustreichen Kämpfen zwischen Baiern und Slawen, und es gelang dort den Baiern, ein weiteres Vordringen der Slawen nach Westen aufzuhalten, so dass Assling westlich von Lienz der äußerste Ort slawischer Ansiedlung mit einem slawischen Namen wurde. Die Verbreitung der Siedlungsnamen slawischer Herkunft in Österreich zeigt Karte 7. Die Sprach- und Namenkontakte der Baiern und Slawen begannen erst, als die älteren Akte der Zweiten Lautverschiebung spätestens gegen 650 abgeschlossen waren, denn ins Bairisch-Althochdeutsche integrierte slawische Namen zeigen in den Grenzbereichen erst bair.-ahd. Lauterscheinungen ab dem beginnenden 8. Jh. wie die damals einsetzende jüngere Lautverschiebung von d zu t . Umgekehrt weisen slawische Namenformen noch urslawische Lautverhältnisse auf, wie Palten aus urslaw. * baltā ‚Sumpf ‘ ohne die erst um 800 einsetzende slawische Liquidenmetathese zu slaw. blato , was dann bei Integrierung ins Bair.-Ahd. im 9. Jh. zu Vlat führt. Die mit dem stetigen Vordringen der Baiern in die slawischen Gebiete verbundene Integrierung der slaw. Gewässer- und Siedlungsnamen erfolgte im Donauraum von der 2. Hälfte des 8. Jhs. bis ins 11. Jh. und damit früher als im Alpenraum, wo sie sich hauptsächlich vom 10. bis 12. Jh. mit Restgebieten bis ins 14. Jh. vollzog. Während das rekonstruierte Slawische im 9. und 10. Jh. den Zustand des Altkirchenslawischen zeigt, beginnen sich ab etwa der Jahrtausendwende die jüngeren, zu den slawischen Einzelsprachen führenden Entwick- 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 52 11.09.2019 09: 46: 48 2.3. Die Namenschichten im bairischen Dialektraum 53 lungen anzubahnen. In Südkärnten hat sich das Slowenische und mit ihm ein Nebeneinander slowenisch/ deutscher Doppelformen der Ortsnamen bis heute erhalten. Was den Sprachwechsel der Slawen zum Deutschen betrifft, wird angenommen, dass er sich im Gefolge der Integrierung der slawischen Gewässer- und Siedlungsnamen vollzog. Aus namenkundlicher Sicht erfolgte starke bairische Einsiedlung in den niederösterreichischen Donauraum im auslaufenden 10. Jh. noch mit ing -Namen, nachdem 976 die Markgrafschaft der Babenberger errichtet worden war. Im gesamten slawischen Bereich treten in großem und dichtem Vorkommen die jünger produktiven dorf -Namen als Besitznamen auf. Zwar dominieren dabei deutsche Personennamen, doch kommen als Mischnamen auch slawische vor, so dass es nicht nur deutsche, sondern auch slawische Ortsgründer gab und mit ihnen noch die slawische Sprache teilweise lebendig gewesen sein wird. 2.3.8. Ungarische Namen Das Ungarische (oder Magyarische) gehört mit dem Finnischen zu der aus Sibirien kommenden finnisch-ugrischen, nichtindogermanischen Sprachfamilie. Ungarische (oder magyarische) Namen finden sich im Burgenland, das nach dem Ersten Weltkrieg 1921 als das südöstlichste Bundesland zu Österreich gelangte, weil es ein mehrheitlich von Deutschen neben Kroaten und Ungarn bewohntes westliches Randgebiet des Königreiches Ungarn war. Die Ungarn (oder Magyaren) des Frühmittelalters waren zunächst nomadische Reiterstämme wahrscheinlich aus dem nördlichen Uralgebiet, die sich im 9. Jh. im Karpathenbecken und um 900 in Pannonien aufhielten, von wo aus sie im 9. und 10. Jh. plündernd und raubend Mitteleuropa überzogen, ehe sie 955 auf dem Lechfeld bei Augsburg empfindlich geschlagen und unter Annahme des Christentums endgültig in Pannonien sesshaft wurden. Die Leitha als ungarische Westgrenze bildete sich erst im 12. Jh. mit dem Vorrücken der Babenberger ins Wiener Becken, während im Süden die Lafnitz die Ostgrenze der Karantanischen Mark seit der Karolingerzeit war. Die deutsche Einsiedlung in die nur dünn besiedelten westungarischen Grenzgebiete begann im 11. Jh. und erfolgte hauptsächlich im 12. und 13. Jh. von Niederösterreich und der Steiermark her und führte zur Integrierung der wenigen ungarischen Gewässer- und Siedlungsnamen ins Mittelhochdeutsche. Eine ehemalige ungarische Grenzwächtersiedlung erhielt sich bis heute als ungarische Sprachinsel im Mittelburgenland in der Warth mit den Orten Ober- und Unterwarth und Siget. 2.3.9. Slowenische, tschechische und kroatische Namen Im Slowenisch gebliebenen zweisprachigen Gebiet Südkärntens gibt es nicht nur Siedlungsnamen, die in die slawische Frühzeit zurückgehen, sondern auch einzelne erst später, zum Teil bis ins 19. Jh. entstandene bereits slowenische Namen. In einer Reihe von Orten gelten heute amtlich zweisprachige deutsch/ slowenische Namen, doch weichen die Dialektformen teilweise von den Schreibformen ab. Sie werden allerdings meist im Zusammenhang mit den slawischen Namen mitbehandelt. Ebenso behandelt werden die wenigen Siedlungsnamen bereits alttschechischer Herkunft im oberösterreichischen Mühlviertel, die im Rahmen des hochmittelalterlichen Siedlungsausbaues entstanden sind, der sich vor allem in den deutschen Rodungsnamen abzeichnet. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 53 11.09.2019 09: 46: 48 54 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche Schließlich bilden eine besondere Namengruppe die kroatischen Siedlungsnamen im Burgenland und im südlichen niederösterreichischen Marchfeld nördlich der Donau. Sie gehen zurück auf Kroaten besonders von den Adriainseln, die nach dem Türkenkrieg von 1529 von der Mitte des 16. bis gegen die Mitte des 18. Jhs. von ungarischen Magnaten und österreichischen Adeligen angeworben und in den entvölkerten Landstrichen angesiedelt wurden. Nicht nur hat sich im Burgenland die kroatische Sprache bei der zweisprachigen Bevölkerung bis heute erhalten, sondern es bestehen auch amtliche zweisprachige Ortsbenennungen. 2.3.10. Zusammenfassung Der Übersichtlichkeit halber haben wir im Hinblick auf die Gegenwart mit dem gleichzeitigen Nebeneinander von Gewässer- und Siedlungsnamen aus verschiedenen Sprachen und zeitlich sehr unterschiedlichen Perioden im bairischen Sprachraum insbesondere von Österreich, wo gegenüber Bayern eine systematische Aufarbeitung der Siedlungsnamen vor allem in Ortsnamenbüchern für die einzelnen Bundesländer erfolgt ist, alle auftretenden 9 Namenschichten kurz dargestellt. Für die hier vorliegende spezielle Untersuchung kommen davon aber nur die ersten 4 Namenschichten der nichtindogermanischen, der indogermanisch-voreinzelsprachlichen, der keltischen und der lateinischen und romanischen Namen in Betracht, die als antik-romanische Namen zusammengefasst werden können, weil sie letztlich, gegendweise verschieden, vom Lateinischen an über das daraus weiterentwickelte Romanische von den ersten nachchristlichen Jahrhunderten bis in den Beginn des 12. Jhs. ins Bairisch-Althochdeutsche bzw. Mittelhochdeutsche integriert worden sind. Das wird im Folgenden auszuführen sein, wobei im zu behandelnden Voralpenraum vom Lech bis zur Enns keine, die allerälteste Schicht bildenden nichtindogermanischen Namen vorhanden sind. Was die Verbreitung der Siedlungsnamen antik-romanischer und slawischer Herkunft im Verhältnis zum Auftreten der bairisch-deutschen ing - und heim -Namen als den beiden ältesten deutschen Siedlungsnamentypen betrifft, so zeigen diese für Österreich - für Bayern gibt es leider keine Aufarbeitung - die Karten 6-9. 64 Danach erfüllen die Siedlungsnamen antik-romanischer Herkunft in dichtem Vorkommen Nord-, Süd- und Osttirol und die Insel um die Stadt Salzburg und treten wesentlich geringer noch im Salzburger Pinzgau und Pongau sowie im südlichen Oberösterreich auf (Karte 6). Ihnen stehen gegenüber die Siedlungsnamen slawischer Herkunft (Karte 7). Sie sind verbreitet in Osttirol, dem Salzburger Lungau und Ennspongau und im südlichen und östlichen Oberösterreich mit dem Salzkammergut um Bad Goisern und Bad Ischl sowie dem östliche Traunviertel um die Steyr und untere Enns als den einstigen westlichen slawischen Grenzräumen. Östlich davon gehören ganz Kärnten, die Steiermark, das Burgenland und Niederösterreich zum früheren slawischen Siedlungsraum. Im Vergleich zu den Siedlungsnamen antik-romanischer Herkunft erweist sich Osttirol als ein Überschneidungsgebiet von älteren romanischen und jüngeren slawischen Siedlungsnamen, wobei Assling im Pustertal den westlichsten Grenzpunkt slawischen Vordringens markiert. Im Vergleich zur Verbreitung der romanischen und slawischen Siedlungsnamen zeigt Karte 9 64 Die Karten 6-9 sind entnommen Wiesinger (1994). Sie basieren auf den Forschungsergebnissen der 1950er und 1960er Jahre und sind in einer Reihe von Einzelfällen auf Grund der neueren Forschungen zwar zu verbessern, doch ändert dies nichts an den gleichbleibenden großräumigen Verbreitungsverhältnissen der einzelnen Namentypen. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 54 11.09.2019 09: 46: 48 2.4. Vulgärlateinische und romanische Lautentwicklungen 55 mit den bairisch-deutschen heim -Namen das ursprüngliche germanisch-deutsche Siedlungsgebiet. Es umfasst den Salzburger Flachgau nördlich der Stadt Salzburg und Oberösterreich südlich der Donau, doch mit dem Ottensheimer Becken und dem Machland unmittelbar nördlich des Flusses sowie ohne den einst slawischen Südosten, Osten und Norden des Landes. Gegenüber den heim -Namen sind die ing -Namen, wie Karte 8 zeigt, in Oberösterreich etwas weiter gegen die Ränder verbreitet und erfüllen vor allem das niederösterreichische Alpenvorland von der Enns bis Wien. Diese Verbreitungsunterschiede gehen auf die unterschiedlichen Nameninhalte zurück. Während die heim -Namen den Ansitz als Heimstatt ausdrücken, spiegeln die ing -Namen die Besitzergreifung von Siedlungsboden. Als „Pioniernamen“ wurden sie daher nach der Errichtung der babenbergischen Markgrafschaft an der Donau in Niederösterreich 976 im letzten Viertel des 10. Jhs. von den nach Osten ziehenden bairischen Siedlern vergeben. Diese Eigenschaft zeigen die ing -Namen auch in Oberösterreich, indem sie in den Randgebieten als der ältere Namentyp weiter reichen als die jüngeren heim -Namen. 2.4. Vulgärlateinische und romanische Lautentwicklungen Während, wie schon oben bemerkt, das schriftliche Latein bis ins 5. Jh. weitestgehend die klassische Form beibehielt und erst nach dem Ende des weströmischen Reiches zu „verwildern“ begann, indem es sich teilweise der herrschenden vulgärlateinischen Sprechweise anzupassen anfing, gab es daneben schon immer das davon abweichende, sich weiterentwickelnde mündliche Vulgärlatein, aus dem schließlich die gebietsweise unterschiedlichen romanischen Sprachen hervorgingen. Obwohl schriftliche Quellen des 2. - 6. Jhs. einzelne antik-romanische Gewässer- und Siedlungsnamen des Donau- und Voralpenraumes überliefern, fehlen solche für den größeren Teil. Sie lassen sich aber anhand der zunächst teilweise schon ins Germanische der ersten nachchristlichen Jahrhunderte und dann ab dem 7. Jh. ins Bair.-(Früh)ahd. integrierten Namenformen mit Hilfe sowohl der vulgärlat. und rom. als auch der germ.-ahd. Lautgesetze rekonstruieren. Daran aber kann man einzelne, in der Romania submersa des Voralpen- und Donauraumes einst herrschende charakteristische Lautverhältnisse feststellen. 65 Sie betreffen in deutlicher Weise den Konsonantismus. 2.4.1. Die inlautenden Fortisplosive lat. t - p - c Die inlautenden intervokalischen lat. Fortisplosive t - p - c [ k ], Letzteres vor Velarvokalen, behielten die Fortisaussprache bis längstens 650 und unterlagen erst ab dieser Zeit der rom. Inlautlenierung zu zunächst stimmlosen Lenisplosiven d - b - g , wie aus zahlreichen Namen hervorgeht. So setzen die bair.-ahd. Integrierungen mit den bis längstens 650 wirksamen älteren Akten der Zweiten Lautverschiebung lat./ rom. Fortisplosive voraus. Als Beispiel seien genannt (149) 4. Jh. Cuculle > 930 ad Chuchulam - Kuchl bei Hallein in Salzburg gegenüber 65 Es ist nicht möglich, die anhand der wesentlich später ins Bair.-Ahd. und Mhd. integrierten antik-rom. Namen in Tirol von Finsterwalder (1966/ 1990) festgestellten rom. Lautentwicklungen und annähernden Datierungen unmittelbar auf die Verhältnisse im Voralpen- und Donauraum zu übertragen. Zur historischen Grammatik des Romanischen in den folgenden Abschnitten vgl. u. a. Lausberg I, II, III (1967-1972); Kramer (1976) und Gartner (1883/ 1973). 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 55 11.09.2019 09: 46: 49 56 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche (169) 1808 Gugelan - Gugelan -Alm bei Hallein sowie (164) 798 ad Figûn - Vigáun bei Hallein < rom. * Vigōne zu lat. vicus ‚Dorf ‘. 2.4.2. Der an- und inlautende lat. Fortisplosiv c [k] vor Palatalvokalen Der an- und inlautende lat. Fortisplosiv c [ k ] vor Palatalvokalen behielt zunächst wie vor Velarvokalen seine Aussprache als Fortisplosiv, wie (8) 4. Jh. Celeusa - 844 Chelasgaue - Kelsgau um Kelheim, Niederbayern und (81) 790 iuxta lacum Chieminge < * Cēmiānum - Chieming am Chiemsee, Oberbayern zeigen. Da an der Donau die Namen bereits früh ins Germanische integriert wurden, kann Kelsgau erst nach seiner Integrierung den in der 2. Hälfte des 8. Jhs. wirksamen jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung als Affrizierung von lat. c [ k ] zu bair.-ahd. < ch> / [ kχ ] vollzogen haben. Sicherlich erst später geschah die Integrierung des oberbayerischen Chieming , doch lässt sich nicht feststellen, wann dies erfolgte und damit auch nicht, wie lange die lat./ rom. Plosivaussprache erhalten blieb, bevor die sonst im Romanischen geltende rom. Assibilierung zu alveolarem [ ts ] mit Weiterentwicklung zu alveolopalatalem [ tś ] und palatoalveolarem [ tš ] eintrat. Sie weisen allerdings (108) 994 Prezzun - Pretzen als Stadtteil von Erding, Oberbayern und (85) 899 Jorcin - Gerzen an der Vils bei Vilsbiburg, Niederbayern auf, die auf rom. * brac(c)iu zu lat. bracchium ‚Oberarm, Arm‘ (vgl. ital. braccio , franz. bras ) im Sinne von „Straßenverzweigung“ und auf lat. Iorciānum vom lat. PN Iorcius zurückgeführt werden. Die Assibilierung muss spätestens vor der Mitte des 8. Jhs. eingetreten sein, denn wie Chieming weist auch Pretzen einen der jüngeren Akte der 2. Lautverschiebung der 2. Hälfte des 8. Jhs. auf. Der Unterschied in der Wiedergabe von lat. c als älteres [ k ] und jüngeres rom. [ ts ] wird wahrscheinlich ähnlich wie die Inlautlenierung ab etwa der 2. Hälfte des 7. Jhs. eingetreten sein. Diese Datierung gewinnt insofern an Wahrscheinlichkeit, als in nicht zu weiter Entfernung von Chieming am Inn die beiden (106) Pfunzen liegen, die als 925 Phunzina auf rom. * Pontina ‚Brückenort‘ zu lat. pons , tis ‚Brücke‘ basieren und mit dem bis längstens 650 wirksamen älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung ins Bair.-Ahd. integriert wurden. Wahrscheinlich wurde Chiemin g etwa zur selben Zeit übernommen, während Pretzen und Gerzen noch länger romanisch blieben. 2.4.3. Die Lautfolge lat. -tivor Vokal Die hier nur inlautend auftretende Lautfolge lat. ti vor Vokal wurde bereits im Vulgärlateinischen über palatalisiertes [ tj ] zu < ci >/ [ tßi ] assibiliert. Da das Germanische keine unmittelbar entsprechende Lautfolge kannte und im Bair.-Ahd. erst durch die älteren Akte der Zweiten Lautverschiebung bis längstens gegen 650 eine Affrikata < z >/ [ tß ] entstand, ist anzunehmen, dass die vulgärlat./ rom. Lautfolge bei früher Integrierung ins Germanische im römisch-germanischen Kontaktraum an der Donau mit germ. tja substituiert wurde und erst diese dann der Zweiten Lautverschiebung unterlag, wie dies (122) 425 Lentiae - 799 Linzę - Linz zeigt. Dabei weist die Integrierung als jō -Stamm Linzę darauf hin, dass zur Zeit der Übernahme der vulgärlat. Halbvokal noch gesprochen wurde. Erst bei jüngerer Integrierung konnte die rom. Lautfolge mit der neuentstandenen Affrikata gleichgesetzt werden. Das ist anzunehmen bei (90) * Cal(a)montia - 1435 Cholminczer - Kollmünz in Marktl bei Altötting, Oberbayern. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 56 11.09.2019 09: 46: 49 2.4. Vulgärlateinische und romanische Lautentwicklungen 57 Im Salzburger Raum tritt die vulgärlat./ rom. Lautfolge einerseits als [ tß ] und andererseits als [ t] auf, die entsprechend als < tz > und < tsch > verschriftlicht werden. So heißt es z. B. (153) Morzg - 798 Marciago von lat. * Mortiācum mit dem PN * Mortius , aber (107) * Planitia - 1454 Planitsch - Planítsch in Berchtesgaden, Oberbayern und (159) 1459 Planitzer , 1721 Planitschen - Planítschen in Kuchl bei Hallein jeweils von lat. planitiā ‚ebenes Gelände‘. Daraus ist zu schließen, dass die rom. Lautfolge zunächst auch hier als alveolares [ tß ] integriert wurde, sich aber bei fortbestehender Romanität über alveolopalatales [ t] zu palatoalveolarem [ t] weiterentwickelte. Da in den letzteren Fällen der lat. Paenultimaakzent beibehalten ist, erfolgten diese Integrierungen erst in der frühmhd. Zeit ab der 2. Hälfte des 11. Jhs., als auch im Bair.- Frühmhd. diese Lautfolge entstand. Die rom. Weiterentwicklung vollzog sich wohl im 9./ 10. Jh. 2.4.4. Die Lautfolge lat. -pivor Vokal Anders als die dentale Lautfolge wurde die labiale pi vor Vokalen teilweise schon im Vulgärlateinischen zu ppi geminiert. Das gilt auch im Donauraum. So basieren die beiden (51, 52) Ipf bäche bei Enns in Oberösterreich auf kelt./ lat. * Epiā zu kelt. * epos ‚Ross‘, das zu vulgärlat./ rom. * Eppia geminiert und schon früh als germ. * Ippia integriert wurde und dann Zweite Lautverschiebung zu bair.-ahd. 791 duo fluminas … Iphhas erfuhr. Dagegen ist der Name (54) Marlupp für den heutigen St. Veiter Bach in St. Veit im Innkreis bei Altheim, Oberösterreich als 748 Marhluppa mit bair.-ahd. marh ‚Ross‘ von lat. * Lupiā mit idg. * l-p - ‚Schmutz, beschmutzen‘ als vulgärlat./ rom. * Luppia erst nach 650 ins Bair.-Ahd. integriert worden, als die älteren Akte der Zweiten Lautverschiebung nicht mehr wirksam waren. 2.4.5. Intervokalisches lat. g vor i Der intervokalische Plosiv lat. g vor i wurde über stimmhaftes g zum stimmhaften Lenisfrikativ ǥ, der teilweise schon im Vulgärlateinischen schwand, so dass die beiden Vokale zum Diphthong oder Monophthong verschmolzen. So entstand aus * Plagina mehrfaches * Plaina zu mittellat. plagia ‚Feld, Abhang‘ von lat. plaga ‚Fläche, Gefilde‘, z. B. (157) 1108 Blainn - Plain in Großgmain, Salzburg und (124) 1363 Plain - Plain in Pöndorf bei Vöcklabruck, Oberösterreich. Auch in (109) 1777 de Prien - Prien am Chiemsee, Oberbayern und (109a) 748 Preonpah - Prienbach am Inn bei Simbach, Niederbayern liegt Kontraktion vor, nachdem vulgärlat. i nach r zu rom. e gesenkt worden war, bei Prien von lat. * Brigena zu kelt. brig - ‚Berg‘ über rom. * Bregena zu rom. * Brēna und bei Prienbach von lat. * Brigona über rom. * Bregona zu rom. * Breona , die als bair.-ahd. Prēna / Priena und Preona / Priona noch dem späten Akt der Zweiten Lautverschiebung der 2. Hälfte des 8. Jhs. unterlagen. 2.4.6. Lat. v und b Lat. v war zunächst ein bilabialer gerundeter Halbvokal [] und wandelte sich zum stimmhaften bilabialen ungerundeten Frikativ [ β ]. 66 Solange v gerundeter Halbvokal verblieb, war das sich ebenfalls zum bilabialen ungerundeten Frikativ [ β ] entwickelnde intervokalische 66 In diesem Abschnitt werden für die labialen Laute die in der Romanistik und in der Altgermanistik üblichen Zeichen gebraucht, denen ansonsten andere Lautwerte entsprechen. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 57 11.09.2019 09: 46: 49 58 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche b davon getrennt, doch mit der Aufgabe der Rundung von v fielen dann beide Laute zusammen und wandelten sich schließlich gemeinsam zum stimmhaften labiodentalen Frikativ [ v ]. Der Wandel von anlautendem v [] zu [ β ] und der Zusammenfall von inlautendem v und b in [ β ] erfolgte zwar nach allgemeiner Ansicht bereits im 1. Jh. n. Chr., aber die Integrierung antik-rom. Namen im Alpen- und Donaugebiet zeigt ein teilweise anderes Verhalten. Da aber die Klärung unter Einbeziehung der Verhältnisse in Tirol bereits geschehen ist, beschränken wir uns auf die erarbeiteten Ergebnisse. 67 Es zeigt sich, dass im Anlaut lat. v bei frühen Integrierungen bis Ende des 7. Jhs. mit germ./ bair.-frühahd. halbvokalischem bis bilabialem w/ [] wiedergegeben wird, so in (128) Ovilavis - Wels (776 Uueles ) im oberösterreichischen Traunviertel, (37) Würm und Würmsee (Starnbergersee) in Oberbayern (772 Uuirma , 9. Jh. Uuirmseo ) aus * Vermia und mit jüngerer Lautverschiebung von d zu t der 1. Hälfte des 8. Jhs. in (64, 65) Witraun (1110 Witerun ) im oberösterreichischen Innviertel aus * Vidrōna . Davon unterschieden ist die Integrierung von anlautendem lat./ rom. b mit zunächst gleichlautendem Plosiv germ./ bair.-frühahd. b , das dann in der 2. Hälfte des 8. Jhs. mit dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung zu p verhärtet wurde, z. B. (103) 511 Batavis - 764 Pazzawa / Passau, (80) 425 Boiodoro - 1067 Peutra / Beiderwiesbach, Niederbayern. Zieht man Wattens im Tiroler Unterinntal (930-31 loco Vuattanes aus lat. * ad Vattanōs mit kelt./ lat. PN Vattos / us ) mit unterbliebenem älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung von tt hinzu, dann zeigt sich, dass anlautendes rom. v noch nach 650 zumindest in der 2. Hälfte des 7. Jhs. seine halbvokalische bis bilabiale Aussprache [/ β ] bewahrt hat. Aber (127) Vitta im nördlichen oberösterreichischen Hausruckviertel (1342 in Vitter aus * Vitira zu kelt. * vidu - ‚Baum, Holz, Wald‘ als antik-rom. * Vidura ) und der rom.-dt. Mischname (11) Figlsdorf bei Freising in Oberbayern (850 Fitalesdorf mit dem lat. PN Vitalis als rom. Vidal ) weisen wie Vintl im Südtiroler Pustertal (994 Uintulla aus rom. * Vendolio mit kelt. PN * Vindos + ialo - ‚Lichtung, Feld, Einöde‘) einerseits anlautendes labiodentales stimmhaftes bair.-ahd. v / [ v ] seit dem endenden 8. Jh. und andererseits mit t aus d den jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung der 1. Hälfte des 8. Jhs. auf, so dass sie spätestens gegen 700 integriert bzw. gebildet worden sind. Diese zeitliche Diskrepanz lässt sich damit erklären, dass das anlautende rom. v sich um diese Zeit vom stimmhaften bilabialen [ β ] zum stimmhaften labiodentalen [ v ] gewandelt hat, wofür aber im Bair.-Frühahd. mit dem stimmlosen Lenisplosiv [ b ] und weiterhin halbvokalischem bis bilabialem [] keine unmittelbare Lautentsprechung zur Verfügung stand. Daher erfolgte Substitution mit dem nächstähnlichen stimmlosen labiodentalen Lenisfrikativ [ f ], der dann gegen Ende des 8. Jhs. als bair.-ahd. labiodentales [ v ] Stimmhaftigkeit erlangte. Ab dieser Zeit konnten dann im Anlaut rom. v und bair.-ahd. v gleichgesetzt werden. Im intervokalischen Inlaut fallen lat./ rom. v und b , wie aus den Integrierungen hervorgeht, zwar von Anfang an zusammen, zeigen aber in zeitlicher Stufung jeweils verschiedene Lautungen, indem älter bair.-ahd. p und jünger bair.-ahd. v gilt. So geht der Name des (129) Kobernaußer Waldes im Süden des oberösterreichischen Innviertels zurück auf bair.-ahd. * Chapernūsa , das auf mittellat. Cavernōsa via , silva ‚Hohlweg, Wald mit Hohlwegen‘ basiert und sich von lat. caverna ‚Höhle‘ ableitet. Dem rom.-dt. Mischnamen (68) Eugendorf in Salzburg als 788 Iubindorf und 930 Iupindorf liegt der PN lat. Iovīnus zugrunde, verkürzt als bair.-ahd. Iupo . Zahlreicher sind die Beispiele, in denen lat./ rom. b als bair.-ahd. p auftritt, z. B. (76) * Albica - 808 Alpicha 67 Vgl. Wiesinger (2011), S. 192 ff. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 58 11.09.2019 09: 46: 49 2.5. Germanische, bairisch-althochdeutsche und bairisch-frühmittelhochdeutsche Lautentwicklungen 59 / Albaching, (1) 425 Abusina - 847 Apansa / Abens, (24) * Noba - 883 Napa / Naab in Bayern. Mit bair.-ahd. v integriert wurden u. a. Terfens im Tiroler Inntal (1085 Teruanes von rom.* Dervan zu idg. * derā ‚Eiche‘) sowie die rom.-dt. Mischnamen (44) Großprüfening (1000 Bruueningun , 1120 Bruueningen ) bei Regensburg, Oberpfalz und (72) Liefering (790 Liueringa ) bei Salzburg jeweils als ing -Ableitungen von den lat. PN Probīnus und Libērius oder Libōrius . Wie Albicha / Albaching mit dem älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung von lat. c zu bair.-frühahd. hh zeigt, galt der Zusammenfall von lat. v - und b bereits zur Zeit dieser um 600. Der rom. Lautwert muss stimmhaftes bilabiales leicht frikativisches [ ß ] gewesen sein, denn bei der spätgerm./ frühahd. Integrierung konnte dieses mit dem gleichlautenden spätgerm./ frühahd. stimmhaften -ᵬ/ b- gleichgesetzt werden. Dieses wandelte sich um 700 zum stimmlosen Lenisplosiv b - und unterlag in der 2. Hälfte des 8. Jhs. dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung, wie die integrierten Beispiele mit bair.-ahd. p zeigen. Wenn als jüngere Aussprache ab dem 9. Jh. labiodentales stimmhaftes bair.-ahd. [ v ] gilt, dann geht dieses wie ab dieser Zeit geltendes anlautendes rom. v auf älteres labiodentales stimmloses [ f ] als Substitutionslaut zurück, so dass sich auch inlautendes rom. bilabiales [ ß ] um 700 zu labiodentalem stimmhaftem [ v ] wandelte und dafür als nächstähnlicher bair.-frühahd. Laut der stimmlose Lenisfrikativ [ f ] eintrat, welcher dann gegen Ende des 8. Jhs. Stimmhaftigkeit zu bair.-ahd. [ v ] erlangte. So ergibt sich aus den lat./ rom. Grundlagen und den bair.-ahd. Integrierungen für lat. v und lat. b im Romanischen folgende Entwicklungschronologie: Im Anlaut werden lat. v und b bis um etwa 650 als halbvokalisches bis bilabiales [] und stimmhafter bilabialer Lenisplosiv [ b ] und von etwa 650-700 als stimmhafter bilabialer Lenisfrikativ [ ß ] und stimmhafter bilabialer Lenisplosiv [ b ] und ab etwa 700 als stimmhafter labiodentaler Lenisfrikativ [ v ] und stimmhafter bilabialer Lenisplosiv [ b ] unterschieden. Im Inlaut fallen lat. v und lat. b von Anfang an in den stimmhaften bilabialen Lenisfrikativ [ ß ] zusammen, der sich um etwa 700 zum stimmhaften labiodentalen Lenisfrikativ [ v ] wandelt. 2.5. Germanische, bairisch-althochdeutsche und bairischfrühmittelhochdeutsche Lautentwicklungen 2.5.1. Zur Periodisierung Auf Grund ihres Lautstandes vollzog sich die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen im bairischen Donau- und Voralpenraum zwischen Lech und Enns zu verschiedenen Zeitpunkten im langen Zeitraum von rund 1200 Jahren von den ersten nachchristlichen Jahrhunderten an und mit letzten Ausläufern bis in den Beginn des 12. Jhs. Aber obwohl erst in der 2. Hälfte des 8. Jhs. schriftliche Textquellen einsetzen, ist es der Sprachgeschichtsforschung gelungen, vor allem mit Hilfe verstreut überlieferter einzelner Personen-, Gewässer- und Siedlungsnamen im antiken und frühmittelalterlichen Schrifttum, der nordischen und kontinentalen Runeninschriften sowie mit Hilfe historischer Ereignisse die verschiedenen Lautwandlungen annähernd zu datieren und damit nicht nur eine innersprachliche, sondern auch durch äußere Daten gestützte Lautchronologie zu gewinnen. Dabei erhebt sich in Bezug auf die relativ räumliche Weite und die zeitliche Kürze die Frage, ob sich ein Lautwandel von einem Zentrum aus horizontal durch Nachahmung ausbreitet, oder ob es auf Grund verwand- 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 59 11.09.2019 09: 46: 49 60 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche ter Grundlagen vertikale Entfaltung gibt, so dass unabhängig vom Raum überall gleichzeitig dieselbe Lautentwicklung erfolgt („Wellentheorie“ und „Entfaltungstheorie“). 68 Einen wesentlichen Einschnitt innerhalb dieses knapp 1200jährigen Zeitraumes bildet die in dessen Mitte gegen 600 einsetzende und bis gegen 650 wirksame Hochdeutsche oder Zweite Lautverschiebung mit den älteren Akten der Verschiebung der Fortisplosive t - p - k zu Frikativgeminaten bzw. von t - p zu Affrikaten. Mit ihr beginnt das Althochdeutsche. In den ersten 6 Jahrhunderten n. Chr. gilt das Germanische. Während man bis um Chr. Geb. das Gemeingermanische ansetzt, in dem alle germanischen Sprachen noch die gleichen Entwicklungen vollziehen, bildet die erste Hälfte der folgenden Zeit bis ins 4. Jh. nach neuerer Forschungsansicht das Nordisch-Westgermanische. Es ist jene Periode, in der das kontinentale Westgermanische und das skandinavische Nordgermanische noch gemeinsame Entwicklungen vollziehen, während um Chr. Geb. die Goten aus Skandinavien an die Weichselmündung abwanderten und sich schließlich ihr Zug bis Italien und Spanien anschloss, so dass sich ein eigener Sprachzweig Ostgermanisch herausbildete. Wenn trotz der weiteren aus Skandinavien abgewanderten, ebenfalls sprachlich zum Ostgermanischen zählenden Stämme der Rugier, Burgunden und Wandalen sowie der sich erst jünger zusammenschließenden Gepiden und Heruler die Goten besonders hervorgehoben werden, so deshalb, weil von ihnen als umfängliches Sprachzeugnis die Wulfilabibel aus dem letzten Viertel des 4. Jhs. stammt und damit nur die gotische Sprache ausführlich bezeugt ist. Die kontinentale Sprachperiode vom 4. bis 6. Jh. bildet das Westgermanische, in der sich die einzelnen späteren Sprachgruppen auszuformen beginnen. Sie basieren auf den Germanenverbänden der Nordseegermanen, der Weser-Rhein-Germanen und der Elbgermanen, wie sie Friedrich Maurer einteilte (vgl. Kapitel 1.4.). Während aus den Nordseegermanen die Angelsachsen, Friesen und Sachsen und aus den Weser-Rhein-Germanen die verschiedenen Gruppen der Franken hervorgingen, gehören zu den Elbgermanen die Alemannen, Baiern, Langobarden und Thüringer, wobei von jenen nur die althochdeutsche Sprache der Alemannen und Baiern in Texten seit der 2. Hälfte des 8. Jhs. überliefert ist. Das Althochdeutsche wird in drei Perioden unterteilt, wobei zusätzlich die landschaftlich dialektale Aufgliederung in Alemannisch, Bairisch und die fränkischen Dialekte mitberücksichtigt wird. Das Frühalthochdeutsche datiert man vom 6. Jh. bis um 800, wobei die ältesten Texte als Glossen der 2. Hälfte des 8. Jhs. die in dieser Zeit wirksamen Lautwandlungen aufweisen, die dann das im 9. und in der ersten Hälfte des 10. Jhs. geltende sogenannte Normalalthochdeutsche bestimmen. Die letzten rund 100 Jahre von etwa 950-1050 bilden das Spätalthochdeutsche, in dem bereits die Abschwächung der vollen Vokale der unbetonten Silben, insbesondere der Flexive einsetzt. Sie führt zu dem von rund 1050-1350 angesetzten Mittelhochdeutschen. Dieses bildet weder zeitlich noch räumlich eine Einheit, wie es die auf den Werken der Epiker Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg und dem Nibelungendichter beruhende normalisierte Sprachform Karl Lachmanns und das daraus abgeleitete Handbuch der „Mittelhochdeutschen Grammatik“ von Hermann Paul suggeriert. 69 Nicht nur dass das Reimverhalten dieser Dichter individuell ist und landschaftliche Sprachunterschiede spiegelt, sondern auch die Schreibsprachen des Alemannischen, des Bairischen und der fränkischen Dialekte unterscheiden sich deutlich. Zeitlich lässt sich das Mittelhochdeutsche in das Früh- 68 Vgl. Höfler (1955, 1956). 69 Vgl. Paul / Klein (2007). 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 60 11.09.2019 09: 46: 49 2.5. Germanische, bairisch-althochdeutsche und bairisch-frühmittelhochdeutsche Lautentwicklungen 61 mittelhochdeutsche der Zeit von etwa 1050-1150, das sogenannte Normalmittelhochdeutsche von etwa 1150-1230 und das Spätmittelhochdeutsche ab etwa 1230 gliedern. Ab dieser Zeit beginnen bereits einzelne jüngere dialektale Entwicklungen, die allerdings nur gering in Texten sichtbar werden, so dass sich die mündliche Sprache sichtlich von der traditionsbestimmten schriftlichen Sprache deutlich unterschied. Es ist also nicht nur gerechtfertigt, von Bairisch-Althochdeutsch, sondern auch von Bairisch-Mittelhochdeutsch zu sprechen. Auf diesem Hintergrund behandeln wir die in den integrierten bairischen Gewässer- und Siedlungsnamen antik-romanischer Herkunft auftretenden Lauterscheinungen und datieren sie annähernd. 70 2.5.2. Letzte gemeingermanische Lautentwicklungen Zu den frühesten germanischen Lautwandlungen unseres Gebiets gehört in Gewässernamen die Senkung von idg. o zu germ. a in (24) Naab und die Hebung bzw. Verdumpfung von idg. ā zu germ. ō in (22) Donau . Die gemeingerm. Senkung von idg. o zu germ. a hat sich wohl spätestens um Chr. Geb. vollzogen, denn es sind keinerlei Namen mit o in betonter Silbe überliefert. Tacitus nennt in den „Annalen“ um 100 n. Chr. den Führer der Bataver Chariovalda (zu germ.* harja in got. harjis , ahd. heri ‚Heer‘. vgl. gr. κοίρανος < * κόριανος ‚Befehlshaber, Herrscher‘). Länger bleibt der unbetonte Bindevokal o erhalten, der sich in Marcomanni schon 58-51 v. Chr. in Caesars „Gallischem Krieg“ (I, 51) findet und traditionell fortgeschrieben wird, so dann bei Velleius Paterculus in seiner „Römischen Geschichte“ 29/ 30 n. Chr. usw. Den Wandel von idg. o zu germ. a zeigt, wie gesagt, der Gewässername Naab als nördlicher Nebenfluss der Donau bei Regensburg, den die Germanen in römischer Nachbarschaft schon sichtlich bald nach der Einverleibung der Raetia secunda in das Römerrreich 15-13 v. Chr. aufgriffen und der sich als idg. * nobhā ‚wo es feucht ist‘ zu idg. * nebh - ‚feucht werden, bewölkt werden‘ stellt. Den Namen der Donau lernte Julius Caesar während des „Gallischen Krieges“ 58-51 v. Chr. als Dānubius (VI, 25) kennen und ebenso den Bācenis silva ‚Buchenwald‘ (VI, 10), womit wahrscheinlich der Thüringerwald gemeint ist. Wenn der Grieche Diodoros ebenfalls im 1. Jh. v. Chr. Δανούβιος und auch Sallust um 30 v. Chr. in den „Historien“ Dānubius (III, 9) schreiben, dann haben sowohl die Kelten wie die Germanen damals sicher noch langes ā gesprochen. So wie viele Namen bedeutender Flüsse und Städte in der einmal festgelegten Schreibung tradiert wurden, so geschah dies auch das ganze Mittelalter hindurch mit Danubius / Danuvius . Wenn aber im letzten Viertel des 4. Jhs. in der gotischen Bibelübersetzung bedeutungsmäßig abgeleitetes bōka ‚Buchstabe‘ und in den Althochdeutschen Glossen des ausgehenden 8. Jhs. pōhha ‚Buche‘ auftreten und erstmals für 700 (cop. 12. Jh.) Tonahgaoe ‚Donaugau‘ geschrieben wird, dann war der Lautwandel von ā zu ō Jahrhunderte früher spätestens im 1. Jh. n. Chr. vollzogen worden. 70 Zu den folgenden Abschnitten vgl. an grundlegender Literatur Krahe / Meid (1969), Penzl (1969), Penzl (1975) und Schweikle (1996). 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 61 11.09.2019 09: 46: 49 62 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche 2.5.3. Der älterer i-Umlaut von germ. e und der a-Umlaut von germ. u als nordisch-westgermanische Lautentwicklungen Eine bereits jüngere assimilatorische Vokalentwicklung betrifft im Nord- und Westgermanischen die Hebung von germ. e zu i vor i , j , u der Folgesilbe und vor Nasal + Konsonant, die unter den Bezeichnungen älterer i - Umlaut oder Tonerhöhung erfasst wird. Der umgekehrte Vorgang einer Senkung von germ. i und u zu e und o vor a , o , e wird a - Umlaut oder Brechung genannt. Vor Nasal + Konsonant bleibt u erhalten und wird andererseits o vor Nasal + Konsonant zu u erhöht. Das germ. e ist vor i im 1. Jh. n. Chr. noch erhalten. So heißt der Cheruskerfürst in der „Geographie“ des Strabon († 23 n. Chr.) Σεγίμηρος , den auch Tacitus am Beginn des 2. Jhs. 105-109 n. Chr. in den „Annalen“ (I, 71) als Segimerus überliefert. Auch einen weiteren Cheruskerfürsten nennt Tacitus Segimundus (I, 57), den Strabon ungenau als Σεγιμοῦντος bezeichnet. Dagegen begegnet in der „Römischen Geschichte“ des Velleius Paterculus 29/ 30 n. Chr. singuläres Sigimerus (II, 18). Auch die Finnen nennt Tacitus in der 98 n. Chr. entstandenen „Germania“ Fenni , während sie bei Ptolemaios im 2. Jh. als Φίννοι überliefert sind. Es wird daher, sofern überhaupt Datierungen gegeben werden, damit gerechnet, dass sich der ältere i -Umlaut etwa ab dem 2. Jh. n. Chr. vollzog und dass er etwa um 600 abgeschlossen war, denn die nordischen Runeninschriften des 7. Jhs. zeigen bereits Umlautung. Von diesen beiden assimilatorischen Vokalentwicklungen sind auch früh integrierte antikromanische Gewässer- und Ortsnamen unseres Untersuchungsraumes betroffen. So zeigen den älteren i -Umlaut von e vor i und j (Halbvokal ), das noch Konsonantengemination auslösen konnte, (51) * Eppia > 791 duas Ipphas ‚Ipf ‘, (100) * Steniānum > 1086 Stinno ‚Oberstimm‘, (96) * Medica > 1065 Mittich ‚Mittich‘, (37) * Vermia > 772 Uuirma ‚Würm‘. Vor u begegnet der ältere i -Umlaut in (13) 2. Jh. Ἔνος > * Inu , 780 Igne ‚Inn‘ und vor nt und Halbvokal  in (122) 425 Lentiae > 799 Linzę ‚Linz‘. Dass auch Hebung von e > i vor langem ū eintritt, findet sich in (50) Innbach < *Inūne < * Enōne . Von diesen Beispielen wurden mindestens (51) Ipf , (96) Mittich und (122) Linz auf Grund der älteren Akte der Zweiten Lautverschiebung bis spätestens 650 ins Bair.-Ahd. integriert. Der a -Umlaut wird zur selben Zeit wie der ältere i -Umlaut angesetzt. Er tritt auf in (22) 565 Lic(c)a > 790 Lecha , (128) 3. Jh. Ovilavis > 776 Uueles , (32) * Sulanta > 900 Solanza ‚Sulz‘. Dass lat./ rom. o vor nt zu u gehoben wird, zeigen (105) Pfünz und (106) Pfunzen als * Pontina > 829 Phuncina und 925 Phunzina sowie (90) * Cal(a)montia > 1435 Cholminczer ‚Kollmünz‘. Alle diese Beispiele weisen die älteren Akte der Zweiten Lautverschiebung auf, so dass sie spätestens bis 650 ins Bair.-Frühahd. integriert wurden. Gegenüber diesen frühen Beispielen, die auf Grund der älteren Akte der Zweiten Lautverschiebung bis längstens 650 übernommen wurden, gibt es jedoch auch weitere und darunter solche, die mit den jüngeren Akten der Zweiten Lautverschiebung des 8. Jhs. integriert wurden. So betrifft die Hebung von o > u vor i (35) Türken(bach) (790 ad Turtin ), gleichgültig ob rom. * Dordinu < lat. * Dordinus oder rom. * Dordianu < lat. * Dordiānum zugrunde liegt. Dieser Name wurde mit dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von d > t spätestens in der 1. Hälfte des 8. Jhs. ins Bair.-Ahd. integriert. Ferner ist noch (154, 155) Muntigl zu nennen (963 ad Muntegilin ), das auf rom. * Montig(u)lu (lat. monticulus ) basiert und bei Hebung von o > u vor Nasal + Konsonant in der 2. Hälfte des 8. Jhs. mit dem jüngsten Akt der Zweiten Lautverschiebung von g > < c >/ [ k ] ins Bair.-Ahd. aufgenommen wurde. Dagegen unterbleibt 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 62 11.09.2019 09: 46: 49 2.5. Germanische, bairisch-althochdeutsche und bairisch-frühmittelhochdeutsche Lautentwicklungen 63 der i -Umlaut von e > i in (53) Krems (791 Chremisa ), das aber den jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von < c >/ [ k ] > < ch >/ [ kχ ] der 2. Hälfte des 8. Jhs. aufweist. Umgekehrt tritt kein a -Umlaut ein in (M 11) Figlsdorf (850 Fitalesdorf ) mit dem rom. PN * Vidal(e) < lat. Vitalis , das wieder mit dem Jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von d > t spätestens in der 1. Hälfte des 8. Jhs. gebildet wurde. Auch (33) Sur (790 Surâ ) bleibt unverändert erhalten. Mit Ausnahme von Muntigl zeigen die relevanten Lauterscheinungen an, dass spätestens in der 1. Hälfte des 8. Jhs., doch wahrscheinlicher schon vor 700, wie man an Figlsdorf ablesen kann, die Umlautungsvorgänge zu wirken aufhörten. So wird die Wirksamkeit des älteren i -Umlautes und des a -Umlautes spätestens gegen Ende des 7. Jhs. ausgelaufen sein. Die Hebung von o > u vor Nasal + Konsonant in Muntigl wird daher bereits jüngerer Lautersatz auf Grund der ahd. Phonotaktik sein, wie er noch lange bis in die mhd. Zeit fortlebt, als z. B. im 13. Jh. franz. ronde als mhd. runde ( table ronde > tavelrunde ‚Tafelrunde‘) übernommen wurde. 2.5.4. Bairisch-Althochdeutsche Lautentwicklungen 2.5.4.1. Die Zweite Lautverschiebung Am Beginn des Althochdeutschen steht die es zur eigenen Sprachgruppe des Westgermanischen formende, frühestens nach 565, doch wahrscheinlich erst um 600 einsetzende Hochdeutsche oder Zweite Lautverschiebung. Sie ist insgesamt ein in 4 Phasen ablaufender Prozess während rund 200 Jahren von etwa 600 bis vor 800 und zeigt im Bairischen und Alemannischen gegenüber dem Fränkischen die stärkste Ausprägung. 71 Die erste und älteste Phase betrifft die Verschiebung der germanischen Fortisplosive t - p- - k im intervokalischen Inlaut zu den Frikativgeminaten < zz >/ [ ßß ] - < ff >/ [ ff ] - < hh , ch >/ [ χχ ] und von t - p im Anlaut, in der Gemination und nach Konsonant zu den Affrikaten < z >/ [ tß ] - < ph , pf> / [ pf ]. Diese erste Phase beginnt im Bairischen frühestens nach 565, doch wahrscheinlich erst ungefähr um 600 und findet ihren Abschluss spätestens um 650, so dass es sich um einen relativ rasch ablaufenden Vorgang handelt. Obwohl vielfach angenommen wird, dass die drei Plosive nicht gleichzeitig, sondern nacheinander verschoben werden, lässt sich eine solche zeitliche Stufung im Bairischen nicht beobachten. 72 t > < zz >/ [ ßß ]: (103) 425 Batavis > 754 Bazzauua ‚Passau‘, (104) * Bīt(i)ānum > 1130 Pizze ‚Peiß‘. t > < z, cz, c >/ [ tß ]: (3) * Altusia > 815 Alezussa, Alzissa ‚Alz‘; (32) * Sulanta > 900 Solanza ‚Sulz‘, (57, 58) * Balsantia > 991 Palasenza ‚Polsenz‘, (86) * Iurtanum > 1138 Iorze ‚Jarzt‘, (90) * Cal(a) montia > 1435 Cholminczer ‚Kollmünz‘, (92) 3. Jh. Quintanis > 1002 Quincina ‚Künzig‘, (94) 71 Zum Folgenden vgl. Wiesinger (2011). 72 Robert Nedoma, Wiener Skandinavist und Runologe, weist in seinem Referat auf der Bayerisch-Österreichischen Namenforschertagung in Linz am 5. Oktober 2018 darauf hin, dass immer mehr alemannische und bairiche Runeninschriften aus der Zeit um 600 gefunden werden, die Erkenntnisse zum Beginn der Zweiten Lautverschiebung bieten, wenn auch die einschlägigen Beispiele sehr gering sind und sich derzeit auf den alemannischen Raum beschränken. So findet sich dort der älteste verschobene Beleg mit dem PN Dorih auf der Speerspitze von Wurmlingen. Zur selben Zeit noch unverschoben sind die Runen von Pforzen II mit wraet (3. Pers. Sing. Prät.) und von Pforzen I mit gasokun (3. Pers. Plur. Prät.). Auch hier scheint keine zeitliche Stufung vorzuliegen. Vgl. auch Nedoma (2006), S. 141 f. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 63 11.09.2019 09: 46: 49 64 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche * Mortulu > 1173 Morzul , ‚Marzill‘, (105) * Pontina > 889 Phuncina ‚Pfünz‘, (106) * Pontina > 925 Phunzina ‚Pfunzen‘, 425 Lentiae > 799 Linzę ‚Linz‘. p > < ph , pf> / [ pf ]: (27) * Patriācum > 755 Pfetarahha ‚Pfetrach‘, (51, 52) * Eppia > 791 duo fluminas Ipphas ‚Ipf ‘, (82) 2. Jh. Ἀβουδίακον > 1148 Ephach ‚Epfach‘, * Pontina > 889 Phuncina ‚Pfünz‘, (106) * Pontina > 925 Phunzina ‚Pfunzen‘. k > < hh , ch >/ [ χχ ]: (22) 2. Jh. Λικίος , 565 Licca > 790 Lecha ‚Lech‘; (76) * Albica > 808 Alpicha ‚Albaching‘, (77) * Alācum > 863 Alaha , (113) ? * Dac(i)ānum > 987 Tachinga ‚Taching‘, (123) 3. Jh. Lauriaco > 791 Lorahha ‚Lorch‘, (146) * Gradica > 930 Gretticha ‚Grödig‘, (149) 4. Jh. Cuculle > 930 Chuchula ‚Kuchl‘. Die 2. und 3. Phase der Zweiten Lautverschiebung betrifft den dentalen und labialen Lenislaut. Das Germanische verfügte nach der Ersten (germanischen) Lautverschiebung über leicht frikativisches stimmhaftes đ und ƀ , die im Anlaut und im Inlaut nach Nasal zu stimmhaften Lenisplosiven d und b wurden. Im Westgermanischen wandelte sich das im intervokalischen Inlaut und im Auslaut verbliebene đ bald zum stimmhaften Lenisplosiv d , der dann in der 2. Hälfte des 7. Jhs. allmählich seine Stimmhaftigkeit verlor. Dagegen bestand das leicht frikativische stimmhafte ƀ im intervokalischen Inlaut und im Auslaut das ganze 7. Jh. fort und wurde erst in der 1. Hälfte des 8. Jhs. zum zunächst stimmhaften Lenisplosiv b , dessen Stimmhaftigkeit dann mit der Zeit schwand. Der Zeitunterschied von rund einem halben Jahrhundert in der parallelen Entwicklung beider Laute führte in der 1. Hälfte des 8. Jhs. zur 2. Phase der Zweiten Lautverschiebung des stimmlosen Lenisplosivs d zum Fortisplosiv t in allen Positionen. Dagegen vollzog sich von ungefähr 740 bis 780 als 3. Phase die Verschiebung des stimmlosen Lenisplosivs b zum Fortisplosiv p ebenfalls in allen Positionen. Vereinzelte frühe < b >-Schreibungen spiegeln noch den späteren Eintritt wie (103) 754 Bazzauua ‚Passau‘, (1) 759 Abunsna ‚Abens‘, während es keine < d >-Schreibungen mehr gibt. d > t : (5) * Adula > 808 Atulla ‚Attel‘, (9) 58-51 v. Chr. Dānubius > 700 Tonahgaoe ‚Donau‘, (31) * Samida > 788 Samitun ‚Sempt‘, (34, 63) * Drūna > 790 Trun ‚Traun‘, (35, 36) * Dordinu oder * Dordiānum > 790 Turtin ‚Türken‘, (42) * Andes(a)na > 788 Antesna ‚Andiesen‘, (43) * Andalanga > 776 Antalanga ‚Antlang‘, (44) * Ad(a)ra > 748 Atargauui ‚Attersee‘, (47) * Audena > 13. Jh. Otnisch ‚Etnisch‘, (55) * Maduca > 736 Matuhgouui ‚Mattig‘, (56) * Ogada > 1023 Ogata ‚Oichten‘, (64, 65) * Vidrōna > 1110 Witerune ‚Witraun‘, (96) * Medica > 1065 Mittich ‚Mittich‘, (113) * Dac(i)ānum > 987 Tachinga ‚Taching‘, (114) * Duriācum oder * Durico > 1147 Tŏrigi ‚Türk‘, (127) * Vidura > 1342 Viter ‚Vitta‘, (103) * Adanade > 708 Atanate ‚Adnet‘, (146) * Gradica > 930 Gretticha , 1007 Cretich ‚Grödig‘. b > p : (1) 425 Abusina > 759 Abunsna, 847 Apansa ‚Abens‘; (4) 3. Jh. Ambre > 823 Ampre ‚Amper‘, (6, 7) * Bogna > 790 Pogana ‚Bogen‘, (17-20) * Labara > 790 Lapara ‚Laaber‘, (24) * Noba/ Naba > 883 Napa ‚Naab‘, (25, 26) * Barros > 11. Jh. Parra ‚Paar‘, (41) * Albana > 992 Alpana ‚Alm‘, (45) * Bragodisa > 13. Jh. Praitsahe ‚Breitsach‘, (57, 58) * Balsantia > 991 Palasenza ‚Polsenz‘, (60) * Rūriba > 1110 Rurippe ‚Raab‘, (76) * Albica > 808 Alpicha ‚Albaching‘, (80) 425 Boiodoro > 1067 Peutra ‚Beiderwies‘, (101) * Bovile > 960 Poule ‚Pähl‘, (103) 425 Batavis > 764 Pazzauua ‚Passau‘, (104) * Bīt(i)ānum > 1130 Pizze ‚Peiß‘, (109) * Brigena > 1177 Priene ‚Prien‘, (109a) * Brigona > 748 Preonpah ‚Prienbach‘, (110) * Burdina > 1135 Purten ‚Pürten‘. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 64 11.09.2019 09: 46: 49 2.5. Germanische, bairisch-althochdeutsche und bairisch-frühmittelhochdeutsche Lautentwicklungen 65 Nachdem bereits in der 1. Phase der Zweiten Lautverschiebung der dentale Fortisplosiv t und der labiale p zu den Affrikaten z und pf verschoben worden waren, erfolgte nur im Bairischen und Alemannischen etwa gleichzeitig mit der Verschiebung von b in der 3. Phase rund 150 Jahre später in der 2. Hälfte des 8. Jhs. ungefähr von 740 bis 780 die die Reihe vervollständigende Affrizierung des bis dahin isolierten Fortisplosivs k zur Affrikata < ch >/ [ kχ ] im Anlaut, in der Gemination und nach Nasal. Sie tritt in den Gewässer- und Siedlungsnamen aber nur im Anlaut auf. k > < ch >/ [ kχ ]: (53) * Cremisa > 791 Chremisa ‚Krems‘, (81) * Cēminiānum > 790 Chieminingen , (87) * Carrīna > 1150 Chærinnne ‚Kareth‘, (88) * Carsiānum > 1147 Charse , ‚Kasing‘, (89) * Cassiānum > 1148 Chassen ‚Kasten‘, (90) * Cal(a)montia > 1435 Cholminczer ‚Kollmünz‘, (91) * Crōniācum > 1284 Chrœnich ‚Krönig‘, (92) 3. Jh. Quintanis > 1250 Chuentzen ‚Künzig‘, (129) * Cavernōsa ( silva ) > * Chapernūsa , 1414 Kobernaus ‚Kobernaußerwald‘, (149) 4. Jh. Cuculle > 798 Chuchula ‚Kuchl‘. Ähnlich wie mit der verspäteten Affrizierung von k verhält es sich nach der Verschiebung der Lenisplosive d und b in der 2. und 3. Phase der Zweiten Lautverschiebung mit dem letzten noch unverschobenen Lenisplosiv g . Auch der velare Laut war bis ins ausgehende 7. Jh. zumindest intervokalisch und im Auslaut nach Vokal ein leicht frikativisches stimmhaftes ǥ , während im Anlaut wohl schon der stimmhafte Plosiv g gesprochen wurde, wozu sich das ǥ in den anderen Positionen ebenfalls bald wandelte und seine Stimmhaftigkeit verlor. Nachdem die Verschiebung von d und b zu t und p erfolgt war, wurde schließlich die Lücke im System in einer 4. und letzten Phase von etwa 760 bis vor 800 durch die Verschiebung von g zum Fortisplosiv k und damit zur Reihe t - p - k vervollständigt. Allerdings gibt es unter den Namen nur 3 Beispiele, in denen die Verschiebung als Entwicklung erfolgt ist bzw. nachgewiesen werden kann. Dafür erhält das neue k , das < c > geschrieben wird, besonders ab dem 9. Jh. Zuwachs durch die Integrierung sowohl romanischer wie slawischer Namen, in denen rom. c und slaw. k mit dem neuen bair.-ahd. k gleichgesetzt wird, obwohl im 9. Jh. dafür öfters g geschrieben wird. Aber erst in der 2. Hälfte des 9. Jhs. wird das neue k im Inlaut tatsächlich wieder zu g geschwächt, dem dann im 10. Jh. der Anlaut folgt. g > k : (146) * Gradica > 930 Gretticha ‚ 1007 Cretich ‚Grödig‘; (152) lat. * Leuca , rom. * Leuga > * Leuka , * Liuka , 1147 Levge ‚Loig‘; (154, 155) lat. * Monticulus , rom. * Montig(u)lu > * Muntikulo , 963 Muntegilin Lat./ rom. c = bair.-ahd. k : (48) * Cortina > 763 Curtana ‚Gurtenbach‘, (119) * Campariu > 770 Campara , Camparon ‚Gampern‘, (132) 930 Campanauam † ‚Campanif ‘, (135) 788 Campus > 1090 Campa ‚Gamp‘, (138) * Cucino > * Cutzino , 1298 Gütsen ‚Gitzen‘, (142-144) * Collis , 1060 Collis , 1151 Golse . Zusammenfassend ergibt sich für die Hochdeutsche oder Zweite Lautverschiebung im Bairischen ein rund 200jähriger Verlauf von ungefähr 600-800 in 4 Phasen: 1. Phase: ca. 600-650 Verschiebung der Fortisplosive t - p - k zu Frikativgeminaten < zz >/ [ ßß ] - < ff >/ [ ff ] - < hh , ch >/ [ χχ ] im intervokalischen Inlaut und von t - p zu den Affrikaten < z >/ [ tß ] - < ph , pf> / [ pf ] im Anlaut, in der Gemination und nach Nasal 2. Phase: ca. 700-760 Verschiebung des Lensiplosivs d zum Fortsiplosiv t in allen Positionen 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 65 11.09.2019 09: 46: 49 66 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche 3. Phase: ca. 740-780 unabhängig von einander Verschiebung des Lenisplosivs b zum Fortisplosiv p in allen Positionen sowie Verschiebung des Fortisplosivs k zur Affrikata < ch >/ [ kχ ] im Anlaut, in der Gemination und nach Nasal 4. Phase: ca. 760-800 Verschiebung des Lenisplosivs g zum Fortisplosiv k in allen Positionen. 2.5.4.2. Die althochdeutsche Monophthongierung und Diphthongierung Schon im ausgehenden 7. Jh. begann im Fränkischen die Monophthongierung von germ. ai vor h , r und w sowie von germ. au vor allen Dentalen ( d , t , s , z ), h , dem Nasal n und den Liquiden l und r zu offenem [] - [ ǭ ]. Da im Bairisch-Althochdeutschen bereits vor der Mitte des 8. Jhs. alle Personennamen und dann in der 2. Hälfte des 8. Jhs. alle Texte die Monophthongierung aufweisen, ist sie in der 1. Hälfte des 8. Jhs. eingetreten. Die schriftliche Wiedergabe ist im 8. Jh. vorwiegend < ae > - < ao > mit den Varianten ( ę , , e ) und ( o ), ehe sich dann im 9. Jh. < e > - < o > durchsetzen. An integrierten Namen finden sich bloß in Oberösterreich der Siedlungsname (137) Lorch und der ehemalige Gewässername (47) Etnisch . Bei lat. Lauriāco , rom. * Lauraco blieb der lat./ rom. Diphthong nach dem bis spätestens gegen 650 vollzogenen älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung zu * Laurahha erhalten, so dass dann in der 1. Hälfte des 8. Jhs. die bair.ahd. Monophthongierung zu 791 Lorahha eintreten konnte. Das erst mhd. als 13. Jh. Otnisch und 1347 Ötnüsch bezeugte Etnisch ist ein elliptischer adjektivischer Gewässername, der auf bair.-ahd. * Ōtinisca mit Umlaut zurückgeht und auf antikem idg.-vspr. * Audena basiert, doch lässt sich nur feststellen, dass sich sowohl die Monophthongierung als auch der jüngere Akt der Zweiten Lautverschieung von d zu t in der 1. Hälfte des 8. Jhs. vollzogen hat. Die fallende Diphthongierung von frühahd. ē 2 - ō über ea - oa zu ahd. ie - uo wird als Folge der Monophthongierung gesehen, indem die neuen offenen Monophthonge [] - [ ǭ ] Schubwirkung auf die geschlossenen Monophthonge [ ē ] - [ ō ] ausübten, so dass diese durch fallende Diphthongierung zu [ eɒ ] - [ oɒ ] auswichen und dann zu [ iə ] - [ uə ] gehoben wurden. Im Bairisch-Althochdeutschen treten mit Ausnahme der Freisinger Urkunden sowohl in Personennamen wie in Texten des 8. Jhs. < e > - < o > auf, die noch in der 1. Häflte des 9. Jhs. neben < ea > - < oa > vorherrschen, ehe dann ab 850 der Übergang zu < ie > - < uo > erfolgt. In den Freisinger Urkunden des 8. Jhs wird zwar < e > geschrieben, dem aber mehrheitliches < oa > neben ( o ) gegenübersteht, wozu bereits in der 1. Hälfte des 9. Jhs. ( ie ) - ( uo ) hinzutreten. Sollte das Freisinger Verhalten die gesprochene Sprache widerspiegeln, dann wird man den Eintritt der Diphthongierung bereits in der 2. Hälfte des 8. Jhs. annehmen dürfen und in den sonstigen monographischen Schreibungen zumindest in der 1. Hälfte des 9. Jhs. eine ältere Schreibtradition zu erblicken haben. Als sicherer Siedlungsname kann nur (81) Chieming in Oberbayern gelten, das auf lat. * Cēminiānum zurückgeht. Aber kopiale Überlieferungen des 12. Jhs. schreiben für 790 Chiminsaeo, iuxta lacum Chieming und auch für 804 Chiemingen , die nicht dem Usus um 800, aber dem des 12. Jhs. entsprechen. Sollte (109) Prien am Chiemsee auf rom. * Brēna aus * Brigena zurückgehen, dann erfuhr es, wie 1177 de Priene zeigt, zwar Diphthongierung, aber ihr Verlauf lässt sich ebenfalls nicht verfolgen. Ein sicheres Beispiel für den Velar bietet der Name der (8) Donau als 700 Tonahgaoe und 1070 Tůnowen . Da jedoch der größte Teil der Überlieferung den lateinischen Namen tradiert, lassen diese sporadischen ahd. Belege den Entwicklungsgang ebenfalls nicht erkennen. Schließt man sich der Ansicht von Albrecht Greule an, dann 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 66 11.09.2019 09: 46: 49 2.5. Germanische, bairisch-althochdeutsche und bairisch-frühmittelhochdeutsche Lautentwicklungen 67 ist der Name von (147) Großgmain nicht antik-rom. Ursprungs, sondern bair.-ahd., indem er sich zu anord. mœna ‚emporragen‘ stellt, so dass 788 Mona und 931 ad Muonam erwartbare Schreibungen sind, während 798 Muen dem Kopisten des 12. Jhs. angehört. 2.5.4.3. Die ahd. Wiedergabe von lat./ rom. ē - ō Die ahd. und frühmhd. Wiedergabe von lat./ rom. ē - ō ist ī - ū wie in den jüngeren Lehnwörtern rom. sēta / sēda > ahd. sīda ‚Seide‘ und ( terra ) crēta / crēda > ahd. krīda ‚Kreide‘ und in den Suffixen lat./ rom. ōna und rom. ōne als bair.-ahd. ūna und lat./ rom. ōsa als bair.-ahd. ūsa . Das Suffix ōna enthalten die integrierten Gewässernamen (50) * Enōna ‚Innbach‘ als bair.-ahd. * Inūna , (64, 65) lat. * Vidrōna oder rom. * Vedrona als bair.-ahd. Witarūna ‚Witraun’ und eventuell (62) Suben , falls dieses auf lat. * Supōna oder * Subōna zurückgehen sollte. Das Augmentativsuffix rom. ōne steht in den Siedlungsnamen (151) * Lidōne ‚Lidáun’ und (164) * Vigōne ‚Vigáun‘. Auf lat./ rom. ōsa als bair.-ahd. ūsa beruhen die integrierten Gewässernamen (21) lat. * Lutōsa / rom. * Lodosa als bair.-ahd. * Ladūsa ‚Larosbach‘ und (74) lat. * Rigōsa als bair.-ahd. * Rigūsa ‚Rigáusbach‘ sowie der Waldname (129) * Cavernōsa ( silva ) ‚Kobernaußen‘. Von diesen Namen wurden * Enōna , * Vidrōna / * Vedrona , * Supōna / * Subōna und * Cavernōsa früh integriert, während * Ladōsa und * Rigōsa sowie * Lidōne und *Vigōne erst spät übernommen wurden. Da bei der ersten Gruppe keine Gleichsetzung mit spätwestgerm./ frühahd. ē 2 - ō erfolgt, sondern eben Substitution mit ī - ū , hat man geschlossen, dass jene zunächst offene Laute waren, die erst im Zuge der ahd. Monophthongierung von frühahd. ai - au zu offenem  - ǭ zu geschlossenem ē 2 - ō gehoben wurden und somit durch phonologischen Schub auswichen. Die Substitution wird in den früh integrierten Namen daher im 6./ 7. Jh. erfolgt sein, so dass in * Vidrōna / * Vedrona lat./ rom. V noch mit bair.-frühahd. W wiedergegeben werden und in * Cavernōsa in der 2. Hälfte des 8. Jhs. noch Lautverschiebung eintreten konnte. Dagegen behielten * Rigōsa , * Lidōne und * Vigōne den lat./ rom. Paenultimakakzent bei und wurde ihr substituiertes ū zu au diphhongiert, so dass ihre Integrierung in die 2. Hälfte des 11. Jhs. fällt. Wahrscheinlich wurde der Bachname * Ladūsa / Laros früher ebenfalls endbetont, doch ist bei ihm im Gegensatz zu Rigáus , Lidáun und Vigáun die Dipthongierung von ū unterblieben, so dass er erst nach dem am Beginn des 12. Jhs. einsetzenden Lautwandel integriert wurde. Aber auch im 11./ 12. Jh. verfügte das Bair.-Ahd. über kein dem Romanischen entsprechendes geschlossenes [ ō ], denn bair.-ahd./ mhd. < ō > war offenes [ ǭ ] und das frühahd. < ō > war ja zu < oa / uo > fallend diphthongiert worden und lautete nun mhd. [ uǝ ]. Daher wurde rom. ō auch im 11./ 12. Jh. durch frühmhd. ū substituiert. 2.5.4.4. Der althochdeutsche jüngere i -Umlaut Der althochdeutsche jüngere i -Umlaut zeigt sich in dreifacher Weise: 1. als Primärumlaut oder Vollumlaut durch Hebung von betontem frühahd. a zu ahd. geschlossenem [ e ] vor j , i , ī der unbetonten Folgesilbe außer vor bestimmten Konsonanten und Konsonantenverbindungen, der als < e > verschriftlicht wird. 2. als Sekundärumlaut oder verminderter Umlaut von frühahd. a zu ahd. überoffenem [ ä ] vor j , i , ī der unbetonten Folgesilbe, vor allem wenn dieser in der betonten Silbe die Konsonanten und Konsonatenfolgen h , ht , hs , hh (aus germ. k ), r + Konsonant und l + Konsonant vorangehen, sowie vor einer Drittsilbe mit i , ī . Während der Sekundärumlaut im 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 67 11.09.2019 09: 46: 49 68 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche Ahd. unbezeichnet bleibt, wird er erst im Mhd. und das nicht immer als < ä > mit Varianten bezeichnet. 3. als Umlaut, auch Restumlaut genannt, der weiteren velaren kurzen und langen Monophthonge frühahd. u , o , ū , ō und der Diphthonge ou , uo , iu vor j , i , ī der Folgesilbe zu gerundeten palatalen ahd. [ ü , ö , ǖ , ȫ , öü , üe , iü ] und von ā zu [ ǟ ], die im Ahd. unbezeichnet bleiben und erst im Mhd. und das nicht immer als < ü , ö , iu , öü , üe > und < æ > bezeichnet werden, wobei die ahd. Umlaute von ū und iu in mhd. < iu >/ [ ǖ ] zusammenfallen, z. B. ahd. hūsir ‚Häuser‘, liuti ‚Leute‘ in mhd. hiuser = liute . Hinzuweisen ist darauf, dass Sekundärumlaut und Restumlaut zusammen auftreten und dass sie im Bairischen, wie die Dialekte zeigen, häufig vor Labialen und Velaren und vor jeglichen Konsonantenverbindungen unterbleiben, wobei oft gleich strukturierte Wörter und Namen mit und ohne Umlaut auftreten können. So wird z. B. zugrundeliegendes * Phunzina im Fall von (105) Pfünz umgelautet, nicht aber in (106) Pfunzen . Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Sekundärumlaut in einigen Namen erst im Lauf der ahd. Zeit von einem i ausgelöst wird, das in einer unbetonten Nebensilbe durch Abschwächung eines Vollvokals entstanden ist, so in (5) 808 Atulla > 885 Atilla > 1137 Aetila ‚Attel‘, (55) 796 Matucha > 1014 Matihgowe > 1195 Maeticha ‚Mattig‘. Da es sich beim i -Umlaut um eine regressive Annäherung des vorangehenden betonten tieferen Vokals an den unbetonten höheren Vokal der Folgesilbe handelt, wobei der Abstand zwischen dem Tiefzungenvokal a und dem Hochzungenvokal i am größten ist, gibt es für den Primärumlaut und den Sekundärbzw. Restumlaut zwei Erklärungstheorien: die psychologische Antizipationstheorie und die artikulatorische Mouillierungstheorie. Nach der Antizipationstheorie wird das i der Nebensilbe psychologisch im zum e gehobenen a der vorangehenden Hauptsilbe „vorweggenommen“. Da dann der Sekundärumlaut ungeklärt bleibt, wird teilweise argumentiert, dass der Eintritt beider Umlaute von a zwar gleichzeitig erfolgt, aber gewisse Laute die volle Durchführung behindern und damit der Sekundärumlaut auf einer niedrigeren Stufe stehen bleibt. Die Antizipation führt beim Restumlaut zur Vorverlagerung der gerundeten Velarvokale zu gerundeten palatalen Vokalen. Dagegen geht die im 19. Jh. zur Zeit von noch wenig phonetischen Kenntnissen entwickelte Moullierungstheorie als artikulatorische Palatalisierungstheorie davon aus, dass besonders das geschwundene j als Halbvokal [], aber auch i und ī die Palatalisierung des vorgehenden Konsonanten bewirkt haben, der seinerseits wieder den Tiefzungenvokal a palatalisierend beeinflusst, so dass er in Angleichung zu e gehoben wird. Da aber der Kehllaut h nicht palatalisiert werden kann und sich dieser sowohl als solcher als auch in den Verbindungen ht und hs zum velaren Frikativ [ x ] gewandelt hat, wird dieser erst später und deshalb auch geringer palatalisiert, so dass auch der Vokal weniger palatalisiert und nur zu [ ä ] gehoben wird. Dieselben konsonantischen Palatalisierungsvorgänge vollziehen sich auch beim Restumlaut, so dass die Velarvokale zu gerundeten Palatalvokalen vorverlagert werden. Zur Stützung der Moullierungstheorie wird seitens der Namenforschung auf die Intergrierung der slawischen Gewässer- und Siedlungsnamen ins Alt- und zum Teil erst ins Mittelhochdeutsche bis ins 13. Jh. verwiesen, wo es durch j der Folgesilbe palatalisierte Konsonanten gibt, die die Hebung bzw. Rundung des vorangehenden Vokals als Sekundärbzw. Restumlaut auslösen, als die Aktivität dieser Umlautungen ansonsten nicht mehr wirksam ist. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 68 11.09.2019 09: 46: 49 2.5. Germanische, bairisch-althochdeutsche und bairisch-frühmittelhochdeutsche Lautentwicklungen 69 Zeitlich tritt der i -Umlaut im Bairisch-Althochdeutschen gleichzeitig mit den jüngeren Akten der Zweiten Lautverschiebung von b zu p und der Affrizierung von k zu [ kχ ] in der 2. Hälfte des 8. Jhs. ein. Während in den ältesten Teilen der Salzburger Urkunden um 750 und in den Freisinger Glossen zu dieser Zeit noch a geschrieben wird, beginnt bald nach der Jahrhundertmitte in den Personennamen der Passauer Urkunden eine etwa gleiche Verteilung von a und e und überwiegt in den Freisinger Urkunden schon e . Zwar lassen sich anhand der Schreibüberlieferung der unbezeichnete Sekundärumlaut und der Restumlaut nicht datieren, aber es zeigt sich anhand der Integrierung der Ortsnamen insbesondere jener slawischer Herkunft, dass ab dem Ende des 8. Jhs. Sekundärumlaut eintritt. Er bleibt im Gegensatz zu dem um 790 endenden Primärumlaut, wie integrierte romanische Ortsnamen mit Beibehaltung des Paenultimaakzents zeigen, über die gesamte ahd. Zeit bis ins Frühmittelhochdeutsche des 12. Jhs. aktiv, wie z. B. aus (159, 160) Planítschen bei Hallein in Salzburg hervorgeht. Es basiert auf rom. * Planícia von lat. plānitia ‚Ebene‘ und wurde mit Beibehaltung des rom. Paenultimaakzents und der erst in der 2. Hälfte des 11. Jhs. entwickelten frühmhd. Lautfolge tsch als * Plänítschen mit Sekundärumlaut integriert. Der Primärumlaut von a > e tritt in folgenden Gewässer- und Siedlungsnamen antik-rom. Herkunft auf: (27, 28) * Patriācum > 790 Phetarah ‚Pfettrach‘, (31) * Samida > 811 Semita *‚Sempt‘, (46) 375 Anisus > 783 ad Ensiam ‚Enns‘- (82) 375 Abodiaco > 1148 Ephach ‚Epfach‘, (108) * Bracchium / * Bracciu > 1000 Prezza ‚Pretzen‘, (146) * Gradica > 788 Crethica ‚Grödig‘. Sekundärumlaut, der erst mhd. und nur zum Teil ä , æ , ae , e geschrieben wird, weisen auf: (5) * Adula > 885 Atilla / 1137 Aetila ‚Attel‘; (38) * Agira oder * Agria > 810 Agira / 1139 Eger ‚Ager‘, (41) * Albana > 791 Albina ‚Alm‘, (55) * Maduca > 796 Matucha , 1014 Matihgouwe / 1195 Maeticha ‚Mattig‘; (70) * Glasia > 798 Clasâ / 1144 Glæse ‚Glasbach‘ - (87) * Carrīna > 1150 Chærrine ‚Kareth‘, (88) * Carsiānum > 1147 Charse / 1162 Kerrse ‚Kasig‘, (107) * Plānitia / Planicia- > 1454 Planítsch , ‚Planítsch‘, (113) ? * Dac(i)ānum > 997 Tachinga / 1132 Taeching ‚Taching‘, (134) * Vallacia > 1350 Flatschaer , 1393 Flätzner ‚Flatschergut‘, (159, 160) * Plānitia / Planicia > 1459 Planitzer ‚Planítschen‘. Der Umlaut weiterer Vokale - Restumlaut - tritt auf in: (36) * Dordinus oder * Dordiānum- > 790 Turtin / 1180 Turtinaha / 13. Jh. Tŏrtin ‚Türkenbach‘, ‚Obertürken‘; (47) * Ōtiniska > 13. Jh. Otnisch , 1347 Ötnüsch ‚Etnisch‘; (85) * Iorciānum > 889 Jorcin / 1187 Gerzen ‚Gerzen‘; (90) * Cal(a)montia > 1435 Cholminzer ‚Kollmünz‘, (91) * Crōniācum > 13. Jh. Kronich , 1284 Chroenich ‚Krönig‘, (92) 3. Jh. Quintanis > 1004 Cunzina / 1250 Chuentzen ‚Künzig‘, (101) * Bovile > 960 Poule / 1096 Boile ‚Pähl‘, (105) * Pontina > 889 Pfuncina / 1180 Phnze ‚Pfünz‘, (110) * Burdina > 1050 Burtina / 1260 Pürten ‚Pürten‘, (114) * Duriācum oder * Duria > 1025 Duringa / 1147 Tŏrigi ‚Türk‘, (138) * Cucino > bair.-ahd. * Kutzina / 1298 Gützen ‚Gitzen‘, (150) * Ludīna > bair.-ahd. * Ludina / bair.-mhd. * Lüden ‚Latein‘, (168) * Cucino > bair.-frühmhd. * Gütschen ‚Gischenwand‘, (170) * Coccinu > bair.-frühmhd. * Götschen ‘, 1449 Götschen ‚Hoher Götschen‘. 2.5.4.5. Die Integrierung der Lautfolgen lat. ti-, te- / rom. ci-, cevor Vokalen Die lat. Lautfolgen ti -, te vor Vokalen wurden im Vulgärlateinischen zu [ tsi -], [ tse -] schon früh, doch sicherlich nicht überall gleichzeitig sibiliert und entwickelten sich zunächst zu alveolopalatalen Affrikaten [ tśi -], [ tśe -] weiter. Bei frühen noch germ. Integrierungen wie z. B. Lentiae > Linz mit älterem i -Umlaut vor Nasal + Konsonant kann man annehmen, dass die rom. Affrikata mangels einer Entsprechung im Germanischen mit [ t ] substituiert wurde und 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 69 11.09.2019 09: 46: 49 70 2. Die Integrierung antik-romanischer Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche dieses dann der Zweiten Lautverschiebung zur erst frühahd. Affrikata [ tß ] unterlag. Als es aber diese im Bair.-Ahd. gab, konnte die rom. Affrikata mit ihr gleichgesetzt weren. Dies ist der Fall in Salzburg in (138) Hochgitzen , (139) Berggitzen , (173) Zifanken , (175) Zisterberg und im oberbayerischen (95) Marzóll . Als aber am Beginn des Frühmittelhochdeutschen ab 1050 die palatoalveolare Affrikata [ t] entstand, 73 war es möglich, mit dieser die entsprechend weiterentwickelte rom. Affrikata gleichzusetzen. So tritt [ t] auf im oberbayerischen (107) Planítsch sowie im salzburgischen (159, 160) Planítschen , (134) Flatschergut , (168) Gitschenwand und (170) Hoher Götschen . 2.5.4.6. Der Akzent der integrierten Gewässer- und Siedlungsnamen Während dem Germanischen und seinen Weiterentwicklungen zum Alt-, Mittel- und Neuhochdeutschen bei Mehrsilbigkeit von Wörtern, von initialen Adverbialpartikeln abgesehen, stets Initialakzent auf der 1. Silbe eignet, weist das Lateinische Paenultimaakzent auf der vorletzten Silbe auf, der sich trotz Schwund von unbetonten Mittelsilben im Vulgärlateinischen ins Romanische fortsetzt. Da der Initialakzent im Althochdeutschen fest war, wurden ihm auch die anders akzentuierten integrierten lat./ rom. Gewässer- und Siedlungsnamen angeglichen. So wandelte sich z. B. das auf der 2. Silbe betonte lat. Dānúvius zu auf der 1. Silbe betontem bair.-ahd. Tnouwa ‚Donau‘. Diese Akzentregel behielt während der ganzen ahd. Zeit bis zur Mitte des 11. Jhs. ihre Gültigkeit und betraf alle bis dahin integrierten lat./ rom. Namen. Erst um die Mitte des 11. Jhs. mit dem Übergang vom Ahd. zum Frühmhd. und Mhd. verlor sie rasch ihre Wirksamkeit, so dass erst ab dieser Zeit übernommene Namen ihren angestammten rom. Akzent behielten. 74 Der Akzent zeigt daher, abgesehen von Lautentwicklungen, an, ob ein mehrsilbiger Name schon ins Bair.-Ahd. oder erst spät ins Bair.-Frühmhd. oder Bair.-Mhd. aufgenommen wurde. So lässt sich z. B. die Übernahmezeit von rom. (164) Vigne bei Salzburg als bair. Vigne ‚Vigáun‘ mit Beibehaltung des rom. Akzents auf das halbe Jahrhundert von rund 1050 bis zum Beginn der „neuhochdeutschen“ Diphthongierung von bair.-frühmhd. ū > bair. mhd. ou / au nach 1100 eingrenzen. 2.5.4.7. Die sogenannte „Neuhochdeutsche“ Diphthongierung von mhd. ī - ū - iu Es ist wenig bekannt, dass das Bairische bereits ab dem 2. Viertel des 12. Jhs., ausgehend vom mittelbairischen Donauraum, die steigende Diphthongierung von mhd. ī - ū - iu zu ei - ou - öü mit sich anschließender kontinuierlicher Senkung zu aį - aų - a vollzog. So finden sich nach Ingo Reiffenstein (2000) im österreichischen „Altdeutschen Namenbuch“, Bd. 1, folgende, eine Diphthongaussprache anzeigende Schreibungen: 1120-30 Lieza - Dürnleis, PB Hollabrunn, NÖ; 1137-38 Pielstain , 1142-47 Bielstein , Peilstein, PB Melk, NÖ; 12. Jh. Vreiling - Freiling, Gem. Oftering, PB Linz-Umgebung, OÖ; 1125 Prŏnŏge - Braunau am Inn, OÖ; 1130 Ŏrolfismunistiure - Aurolzmünster, PB Ried im Innkreis, OÖ; 1140 de Trŏne - Traun, Stadt, PB Linz-Umgebung, OÖ; 1140 Hŏzingen - Hauzing, Gem. Rainbach im Innkreis, PB Schärding, OÖ; 1144 Toutendorf - Tautendorf, Gem. Gars am Kamp, PB Horn, NÖ - 1120-30 Mŏzlich - Meisling, Gem. Gföhl, PB Krems, NÖ; 1140-60 Pŏirbach - Peuerbach, PB Grieskir- 73 Vgl. Kranzmayer (1956), S. 111: „Erst seitdem im Bair. älteres śk zu  geworden war, ugf. seit 1050, war zugleich mit dem - Laut auch das t heimisch geworden.“ 74 Vgl. Kranzmayer (1957/ 1997), S. 6/ 357: „Etliche welsche Namen … bewahren im Deutschen die fremde Endbetonung und damit einen Akzent, wie er im Deutschen vor 1050 noch nicht möglich gewesen wäre.“ 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 70 11.09.2019 09: 46: 49 2.5. Germanische, bairisch-althochdeutsche und bairisch-frühmittelhochdeutsche Lautentwicklungen 71 chen, OÖ; 1142-47 Pŏren - Michaelbeuren, Gem. Dorfbeuren, PB Salzburg-Umgebung; 1146 Mwerlingen - Meidling, Wien, 12. Bez. Sie beginnt also in dem auch sonst aktiven mittelbairischen Donauraum von Ober- und Niederösterreich und nicht, wie teilweise angenommen wird, im konservativen südbairischen Alpenraum Südtirols. 75 Wenn man in Handbüchern erst von „Neuhochdeutscher“ Diphthongierung spricht, so beruft man sich darauf, dass diese Diphthongierung in deutlichen Schreibungen mehrheitlich erst ab dem endenden 13. Jh. auftritt und somit schriftlich erst für das Frühneuhochdeutsche charakteristisch wird, während in mhd. Zeit eben die monographischen Schreibungen < i > - < u > - < iu > üblich sind. Es verwundert daher nicht, dass in den integrierten antik-romanischen Gewässer- und Siedlungsnamen ebenfalls die „Neuhochdeutsche“ Diphthongierung gilt, so in (150) Latéin , (104) Peiß , (61) Steyr - (129) Kobernaußen , (93) Laus , (151) Lidáun , (74) Rigáusbach , (34, 63) Traun , (164) Vigáun , (64) Witraun . Sie gilt ferner in den romanisch-deutschen Mischnamen (M 9) Eisendorf , (M 10) Eugenbach , (M 68) Eugendorf , (M 45) Rumeltshausen . Es überrascht aber, dass sie in (161) Rif und (M 69) Flurnsbach unterblieben ist. Im abgelegenen Rif mag sich durchaus eine romanische Restbevökerung bis in die ersten Jahrzehnte des 12. Jhs. gehalten haben. Flurnsbach ist ein romanisch-deutscher Mischname, woraus zu schließen ist, dass er von der deutschsprachigen Bevölkerung der Umgebung gegeben worden ist. Das aber spricht dafür, dass in der heute noch nur aus zwei Häusern bestehenden kleinen Einschicht, die abseitig im Hügelland liegt und die bloß auf Karrenwegen von Berndorf und von Mangelberg aus erreichbar ist, sich lange romanische Bewohner gehalten haben, falls der ON nicht mit der jüngeren Dialektform Flurl identifiziert wurde, wie den Namen der eine Schreiber in seiner Abschrift der 2. Hälfte des 13. Jhs. als Flurelspach auffasst. Ferner ist die Diphthongierung unterblieben im unbewohnten Tal des (21) Larosbaches im Berchtesgadener Land. 3. Die romanisch-deutschen Mischnamen und weitere auf Romanen Bezug nehmende deutsche Siedlungsnamen Bevor wir uns den Fragen nach der Dauer der Romanität und den siedlungsgeschichtlichen romanischen Kontinuitäten im bairischen Donau- und Voralpenraum zuwenden, sei zunächst die besondere Gruppe der romanisch-deutschen Mischnamen näher betrachtet, weil ihnen in der aktuellen Diskussion große Aufmerksamkeit als weiteren Zeugen von Romanitität geschenkt wird. Angeschlossen werden ferner die ebenfalls auf Romanen Bezug nehmenden deutschen Walchen - und Parschalken -Namen. 75 So nimmt Kranzmayer (1956), S. 48 an: „Innerhalb des Bairischen tauchen die ältesten urkundlichen Zwielautschreibungen ei und ou ganz vereinzelt schon um 1100 auf, und zwar in Südtirol“, wofür keine urkundlichen Belege vorliegen und was nicht länger zu halten ist. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 71 11.09.2019 09: 46: 49 72 3. Auf Romanen Bezug nehmende deutsche Siedlungsnamen 3.1. Die romanisch-deutschen Mischnamen 3.1.1. Grundsätzliches Die rom.-dt. Mischnamen sind nach Bildung und Form - und das muss mit Nachdruck betont werden - rein deutsche Siedlungsnamen. Dabei handelt es sich um auch sonst im Bair.-Ahd. und Mhd. bis um 1100 als Ableitungen mit bestimmten Suffixen bzw. als Komposita mit bestimmten Grundwörtern gebildete Siedlungsnamentypen auf ing bzw. auf heim , hausen , hofen , stetten , kirchen , felden und aha sowie auf dorf , bach und berg , wie sie auch sonst bis um 1100 üblich sind, 76 nur dass die Basis bzw. das Bestimmungswort kein deutscher, sondern ein romanischer oder biblischer Personenname ist. Dieser tritt aber in Lautung und Form als ein ins Bair.-Ahd. integrierter Personenname auf, so dass in der Namenbildung völlige Identität mit den bair.-ahd. Siedlungsnamen besteht. Wenn wir die Bezeichnung „rom.-dt. Mischname“ gebrauchen, so deshalb, weil wir der Überzeugung sind, dass sie als deutsche Namenbildungen nicht nur gänzlich den bair.-ahd. und bair.-mhd. Bildungsmustern folgen, sondern weil auch ihre aus dem Romanischen stammenden bzw. biblischen Personennamen lautlich und formal wie deutsche Personennamen gebraucht werden. Es sprechen daher Bildung und Form der Mischnamen dafür, dass sie entweder von der deutschsprachigen Bevölkerung der Umgebung nach dem ihnen bekannten, dort ansässigen Grundherrn mit einem romanischen Personennamen gegeben wurden oder dass es in den betreffenden Orten neben Romanen und ihrem romanisch benannten Grundherren auch eine ansässige, vielleicht sogar mehrheitliche deutschsprachige Bevölkerung gegeben hat, auf die der rom.-dt. Mischname zurückgeht. Wie immer die Verhältnisse im Einzelnen gestaltet gewesen sein mögen, worüber es keine historischen Nachrichten gibt, so halten wir die heute oftmals in der Namenforschung für solche Mischnamen gebrauchte Fachbezeichnung „Hybridname“ für fehl am Platz. Diese besonders in der slawistischen Namenforschung gewählte Bezeichnung geht nämlich von der Annahme aus, dass hier zunächst eine fremdsprachige, in diesem Fall romanische Ortsnamenform vorliegt, die erst später mit Zunahme des sprachlichen Übergangs ins Deutsche bair.-ahd. bzw. mhd. überformt wurde und damit in Bezug auf die ursprüngliche romanische Grundform „hybrid“ ist. Da sich hier keinerlei derartige Anzeichen erkennen und finden lassen, halten wir nicht nur die These, sondern auch den Terminus „Hybridname“ für unangebracht und bleiben bei der traditionellen Bezeichnung „rom.-dt. Mischname“. 3.1.2. Typen romanisch-deutscher Mischnamen Wie schon oben erwähnt, gelten als rom.-dt. Mischnamen wie auch sonst unter den bair.-ahd. und mhd. Siedlungsnamen die Ableitungen auf ing von einem rom. oder biblischen Personennamen sowie eine Reihe von Komposita mit einem im Genitiv gefügten romanischen oder biblischen Personennamen. Gelegentlich begegnet auch ein aus dem Keltischen stammender latinisierter Personenname. Angeführt werden nur jene Siedlungsnamen, bei denen die Bil- 76 Zu den bair.ahd. und mhd. Namentypen und ihrer Verbreitung vgl. für ganz Österreich Wiesinger (1994), S. 72-131, für Oberösterreich Wiesinger (1980), S. 162-202 und für Niederösterreich Schuster I (1989), S. 105-135. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 72 11.09.2019 09: 46: 49 3.1. Die romanisch-deutschen Mischnamen 73 dung mit einem romanischen oder biblischen Personennamen als gesichert gelten kann bzw. wo unter mehreren Möglichkeiten auch eine solche besteht. Unsichere Mischnamen, oder im Übereifer als rom.-dt. Mischnamen erklärte Siedlungsnamen mit bair.-ahd. Personennamen oder Appellativen werden hier nicht behandelt und sind in Kapitel C. angeführt. 3.1.2.1. -ing-Ableitungen Im Folgenden werden die rom. Grundform und die lat. Basisform des im Siedlungsnamen enthaltenen Personennamens angegeben. Dabei weisen rom. Personennamen, die die lat. Endung ius enthalten, stets nur u(s) auf. Fragliche lat./ rom. Ableitungen erhalten ein vorgesetztes ? 20 ing -Ableitungen von lat./ rom. Personennamen: (1) Aising < Agusu < Agusius ; (3) Barbing < Barbu(s) ; ? (6) Delling < Tello < Donatellus ; (17) Irsching < Ursu(s) ; (18) Irsing < Ursu(s) ; (27) Jolling < Jollu- < Maiolus ; (29) Kösching < Cascu(s) ; (30) Marzling < Marcellu(s) ; (31) Massing < Marsu < Marsius ; (33-36) Mehring < Mauru(s) ; ? (42) Piering < Burru(s) ; ? (43) Pocking < Boccu < Boccus / Buccus ; (44) Prüfening < Provinu < Probīnus ; (47) Sanding < Samodu < kelt. Samudos ; (53) Thalmassing < Dalmatu < Dalmatius ; (56) Traubling < Draugobidu < kelt. Drougobitos ; (72) Liefering < Libōr(i)u(s) / Libēr(i)u(s) . 9 ing -Ableitungen von biblischen bzw. Heiligennamen: (2) Amering < Abram < Abraham ; (8) Deuting- < bair.-ahd. Tevit < David ; (19) Jacking < Jaco < Iacobus ; (22, 23) Jaibing < Jagobu < Iacobus ; 25 † Jaubing < bair.-ahd. Jaup < Jaǥobu < Iacobus ; 26 Jechling < Joan < Ioannes ; (50) Steffing , (51) Stefling < Stefanu- < Stephanus . 3.1.2.2. Komposita mit bair.-ahd. Grundwörtern Insgesamt ergeben sich 11 Gruppen bair.-ahd. Komposita, wobei wieder lat.-rom. Personennamen sowie biblische und Heiligennamen auftreten. 4 heim -Namen mit einem lat./ rom. Personennamen: (8) Benetsham mit Benedit < Benedictus , (12) Gufflham mit Cuffolu < Cuffulus , (15) Irschenham mit Ursu(s) , (39) Parnham mit Borru < Burrus . Wahrscheinlich nicht hieher zu stellen sind 40, 65-67 Parzham . 1 heim -Name mit einem biblischen Personennamen: (55) Tötzham mit bair.-ahd. Tevit < David . 7 hausen -Namen mit einem lat./ rom. Personennamen: ? (7) Dellnhausen mit Tello < Donatellus ; (169 Irschenhausen mit Ursu(s) ; (37) † Minginhusin mit Mingu < Dominicus ; (45) Rumeltshausen mit Rumanu < Rōmānus ; (57) Tüntenhausen mit Tintu < Tinctus ; (59) Zellnhausen mit bair.-ahd. Zello < rom. Cellu < lat. Marcellus . 1 hausen -Namen mit einem biblischen Personennamen: (49) Seppenhausen mit Seppu < Josephus . 1 inghofen -Name: (38) Mirskofen mit Marsu < Marsius . 1 stetten -Name: (69) Safferstetten mit Savaru < Savarus . 1 kirchen -Name mit einem biblischen Namen: (54) Tölzkirchen < bair.-ahd. Tenil < Daniel . 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 73 11.09.2019 09: 46: 49 74 3. Auf Romanen Bezug nehmende deutsche Siedlungsnamen 4 dorf -Namen: (11) Figlsdorf mit Vidal < Vitalis (auch Heiligenname); (28) Königsdorf mit Comitu(s) ; (68) Eugendorf mit Iubu < Iovīnus ; (71) Köstendorf mit Cassu < Cassius . 3 dorf -Namen mit einem biblischen bzw. Heiligennamen: (9) Eisenstorf mit Isak < Isaak ; (20) Jägersdorf mit Ioannes ; (21) Jahrstorf mit Ioannes. 1 felden -Name mit einem Heiligennamen: (61) Ansfelden mit Albīnus . 1 aha -Name: (5) Bina mit Bono < Bonus . 4 bach -Namen mit einem lat./ rom. Personennamen: (10) Eugenbach mit Iubu < Iovīnus ; (13) Irschenbach mit Ursus (auch Heiligenname), (48) Sandbach mit Samut < gall. * Samudos ; ? (62) Dietlbach mit Tinnulu(s) . 1 bach -Namen mit einem Heiligennamen: (69) Flurnsbach mit Flōrīnu(s) . 3 berg -Namen mit einem Heiligennamen: (14) Irschenberg , (64, 70) Irrsberg mit Ursus(s) . 3 see -Namen: (60) Abersee mit Abriānu(s) ; (63) Irrsee mit Ursu(s) ; (73) Wallersee mit Vallāria . 3.1.3. Zur Datierung der romanisch-deutschen Mischnamen Von den genannten dt.-rom. Mischnamen gehören 29 und damit mehr als die Hälfte der insgesamt 52 Mischnamen zu den ing -Namen, was 56 % ausmacht, und 5 zu den heim -Namen als den ältesten Ortsnamentypen. Mit den heim -Namen eng verwandt sind die 8 hausen -Namen. Fasst man die semantisch eng verwandten heim - und hausen -Namen zusammen, 77 so kommen sie auf 25 %, so dass die ältesten Namengruppen insgesamt 81 % und damit über Dreiviertel der Mischnamen umfassen. Das aber spricht für ihre frühe Bildung, und tatsächlich sind 15 Namen vor 800 und 10 weitere Namen bis 850, also zusammen 25 Namen vor der Mitte des 9. Jhs. überliefert, das sind 29 % bzw. 19 % und zusammen 48 % und somit fast die Hälfte der Mischnamen. Obwohl die dorf -Namen erst im letzten Viertel des 10. Jhs. begannen produktiv zu werden und die umfänglichste Namengruppe der mhd. Zeit des 11. und 12. Jhs. bilden, sind hier von den 7 dorf -Namen 3 im 8. Jh. und einer in der 1. Hälfte des 9. Jhs. überliefert, so dass sie sich den ältesten Namengruppen anschließen. Von den 4 bach - und 3berg -Namen, deren Produktivität zur selben Zeit liegt, gehören hier 2 bach -Namen und 1 berg -Name dem 9. Jh. und 1 bach -Name schon dem 8. Jh. an. Insgesamt kann man also relativ frühe Bildung der rom.-dt. Mischnamen seit der frühahd. Zeit annehmen. Betrachtet man die hier vorkommenden lat./ rom. Personennamen näher, so werden von den 52 Mischnamen 34 mit möglichen Heiligennamen und 5 mit biblischen Namen gebildet, wobei es wegen Mehrfachgebrauches eines Namens insgesamt nur 14 mögliche Heiligennamen und 4 biblische Namen sind. 78 Dabei stellt sich die Frage, ob die alttestamentlichen Namen David und Daniel wirklich als solche noch gelten können, denn sie treten auch außerhalb der Siedlungsnamen als integrierte bair.-ahd. PN Tevit und Tenil auf. Bedenkt man, dass das Christentum seit 380 römische Staatsreligion und die romanische Bevölkerung katholisch war, so 77 Vgl. dazu Wiesinger (1994), S. 83 ff. 78 Die betreffenden Personennamen können, müssen aber nicht Heiligennamen sein. Auf sie weist besonders Albrecht Greule hin, zumal ja das Christentum die Religion der Romanen war, während die meisten Namenforscher Hagionyme nicht in Betracht ziehen. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 74 11.09.2019 09: 46: 49 3.1. Die romanisch-deutschen Mischnamen 75 können Hagionyme und biblische Namen, wie sie in der Diözese Aquilea aufgekommen waren und wohl in den bairischen Bistümern übernommen wurden, nicht überraschen. Denn die Romanen waren getauft und erhielten bereits in der Taufe vielfach einen christlichen Namen, nämlich besonders einen biblischen Namen oder zunächst den Namen eines hl. Märtyrers und dann später auch eines hl. Bekenners. Genauere Zeitangaben zur Entstehung der Mischnamen lassen sich aus lautlichen Merkmalen der in ihnen enthaltenen Personennamen gewinnen. So weist (53) Thalmassing den älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung von t > zz auf, so dass seine Bildung bis spätestens 650 erfolgt ist. Den jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von d > t der 1. Hälfte des 8. Jhs. zeigen (11) Figlsdorf , (47) Sanding , (48) Sandsbach und (56) Traubling , der sich in (53) Thalmassing erst nach dessen Integrierung vollzogen hat. Wahrscheinlich mit derselben Lautverschiebung wurden die biblischen Namen David und Daniel integriert, so dass sie zunächst als * Tavit und * Tanil dann in der 2. Hälfte des 8. Jhs. Primärumlaut zu Tevit und Tenil erfuhren, wie sie auch appellativisch vorliegen. Ob die sie enthaltenden ON (8) Deuting und (55) Tötzham sowie (54) Tölzkirchen schon davor oder erst mit ihnen gebildet wurden, lässt sich allerdings nicht mehr ermitteln, weil sie erst ab dem 9. Jh. in neuer Lautform schriftlich überliefert sind. Gleichsetzung von rom. t und bair.-ahd. t und damit früheste Entstehung in der 1. Hälfte des 8. Jhs. zeigen (6) Delling und (7) Dellnhausen , falls sie mit der Kurzform von lat. Donatellus und nicht mit bair.-ahd. Talo gebildet sind, sowie (62) Dietlbach , wenn rom. Tinnulo zugrundeliegt. Mit dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von b > p der 2. Hälfte des 8. Jhs. wurden integriert (3) Barbing , (4) Benetsham , (5) Bina , (10) Eugenbach , ? (25) Jaubing , (39) Parnham , (42) Piering , (56) Traubling , (60) Abersee , (61) Ansfelden und (68) Eugendorf . Gleichsetzung von rom. p und bair.-ahd. p zeigt (44) Prüfening , so dass es frühestens in der 2. Hälfte des 8. Jhs. übernommen wurde. Die Affrizierung von rom. < c > [ k ] zu bair.-ahd. < ch >/ [ kχ ] der Zweiten Lautverschiebung tritt auf in (19) Jacking , (28) Königsdorf , (29) Kösching und (71) Köstendorf , so dass sie spätestens in der 2. Hälfte des 8. Jhs. integriert wurden. In das letzte Viertel des 8. Jhs. fällt die Gleichsetzung von rom. c [ k ] mit bair.-ahd. c [ k ] aus lautverschobenem frühahd. g in (9) Eisenstorf und (12) Gufflham . Diesbezüglich fraglich sind wegen erst jüngerer urkundlicher Überlieferung (22) Jaibing und (23) Jaibling . Weitere Datierungsmöglichkeiten ergeben sich aus der unterschiedlichen Wiedergabe von lat./ rom. v als bair.-ahd. w , b , f , v . Die früheste Integrierung zeigt (73) Wallersee aus lat. Vallāria mit noch bilabialem rom. v und seiner Gleichsetzung mit bair.-ahd. w spätestens in der 2. Hälfte des 7. Jhs. Zunächst Ersetzung des stimmhaften labiodental gewordenen rom. v mit der stimmlosen bair.-frühahd. Lenis f , die dann am Ende des 8. Jhs. zu bair.-ahd. v stimmhaft wurde, tritt auf in (11) Figlsdorf und (46) Safferstetten . Auch inlautendes rom. v aus lat. b verhält sich so in (2) Amering , (44) Prüfening und (72) Liefering . Gleich behandelt wird das stimmlose lat./ rom. f in (50) Steffing und (51, 52) Stefling , wie der urkundliche Beleg 996 Steueninga zeigt. Auf Grund seines Vokalismus wurde (69) Flurnsbach mit Ersatz von geschlossenem rom. ō mit bair.-ahd. ū erst seit dem Ende des 8. Jhs. integriert und stimmloses rom. f mit dem damals stimmhaft gewordenen bair.-ahd. v wiedergegeben. Insgesamt zeigt sich, dass die rom.-dt. Mischnamen zwar seit dem 7. Jh. und damit zur selben Zeit wie die Fülle der bair.-ahd. Siedlungsnamen entstanden, dass aber ihr größerer Teil auf Grund der Lautmerkmale erst ins 8. Jh. fällt, sollten diese nicht erst nach ihrer Bildung eingetreten sein. Die Mischnamen werden nicht nur als deutsche Namen mit densel- 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 75 11.09.2019 09: 46: 50 76 3. Auf Romanen Bezug nehmende deutsche Siedlungsnamen ben morphologischen Ableitungen und Grundwörtern gebildet, sondern die Häufigkeit der einzelnen Namentypen wie der ing -Ableitungen und der Komposita auf heim , hausen und dorf korrespondiert im Verhältnis in etwa ebenfalls mit den entsprechenden rein bair.-ahd. Namentypen. 79 3.1.4. Zur Verbreitung der romanisch-deutschen Mischnamen Wenn man Karte 4 betrachtet, dann zeigen die rom.-dt. Mischnamen, von denen ja der größere Teil Hagionyme sind, ein auffällig dichteres Vorkommen um die kirchlichen Bischofsstädte als christliche Zentren: um Regensburg im Nordwesten, um Freising in der Mitte und um Salzburg im Südosten, das als Diözese, von der 1216 herausgenommenen Diözese Chieming abgesehen, bis 1816 bis zum Inn nach Westen reichte und auch noch das Tiroler Unterinntal und Zillertal miteinschloss. Überraschend ist, dass Passau, das ebenfalls Bischofssitz ist, in seiner Umgebung, zu der auch bis 1779 das heute oberösterreichische Innviertel gehörte, so gut wie keine Mischnamen aufweist. Die Bischofssitze und Diözesen wurden in päpstlichem Auftrag 739 von Bonifatius eingerichtet, doch waren diese Städte schon vorher eine gewisse Zeit lang kirchliche Mittelpunkte. In Regensburg, das der Sitz der bairischen Herzöge war, trat gegen 650 zur Zeit Herzog Theodos (ca. 640-80) der westfränkische Wanderbischof Haimhramm/ Emmeram aus Poitiers auf, dessen Lebensbeschreibung Bischof Arbeo von Freising um 772 verfasste. In christlicher Nächstenliebe versuchte Emmeram der durch einen Beamten schwanger gewordenen Herzogstochter Ota beizustehen, indem er sich selber als den Schuldigen bezeichnete, zur Buße nach Rom zog, aber bei seiner Rückkehr in der Nähe Münchens der Rache Herzogs Lantperts verfiel, der ihn grausam martern und verstümmeln ließ. Emmerams Leichnam wurde zunächst in Aschheim beigesetzt und dann nach Regensburg überführt. Nach Emmeram gab es weitere Wanderbischöfe, und erst mit der Errichtung der Diözese 739 begann mit Gaubald die Reihe regulärer Bischöfe, die bis 975 zugleich Äbte des Klosters St. Emmeram waren. Ein westfränkischer Wanderbischof war auch Korbinian († ca. 730), der um 720 nach Freising kam, wo sich seit etwa 700 eine Burg der bairischen Herzöge befand. Da er mit dem Karolinger Pippin dem Mittleren († 714) und überhaupt mit den Franken in enger Verbindung stand, betrieb Korbinian auch eine fränkische Bindung der Kirche. So wurde dann 739 das neue Bistum mit Korbinians Nachfolger Bischof Erembert († 748) auch Mainz unterstellt, und erst 798 gelang die Loslösung und der Anschluss an die bairische Kirche mit der Bindung an Salzburg. Der Bischofssitz Salzburg geht auf den westfränkischen Wanderbischof Hrōdberht/ Rupert zurück, der gegen 696 zum bairischen Herzog nach Regensburg kam, nach Lorch weiterzog und von dort über Seekirchen am Wallersee schließlich nach Salzburg als seiner endgültigen Wirkungsstätte bis 718 gelangte. Rupert gründete in den Ruinen der römischen Stadt, die er sich vom Herzog hatte übertragen lassen, am Fuß des Mönchsberges das Kloster St. Peter und am Nonnberg, wo sich eine romanische Restsiedlung erhalten hatte, ein Frauenkloster, das er seiner Nichte Ehrentrud als Äbtissin anvertraute. Als Bonifatius 739 das Bistum gründete, wurde bis 745 ein Johannes erster Bischof. Seine Nachfolge erhielt der irische Mönch Feirgil/ Virgil der über Iona 743 mit zwei Gefährten zum Frankenkönig Pippin III. gekommen war, 79 So zählt z. B. Diepolder (1957), S. 366 f. bis 800 110 ing -, 10 heim -, 29 hausen und 44 dorf -Namen. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 76 11.09.2019 09: 46: 50 3.2. Die Walchen -Namen 77 der ihn dem bairischen Herzog Odilo empfahl. Virgil erhielt zwar erst 749 die Bischofsweihe, begann aber sofort den Bau des Domes, wohin er die Reliquien Ruperts übertragen ließ, und konnte den Bau 774 einweihen. Die missionarische Tätigkeit richtete Virgil nach Süden zu den Slawen in Karanthanien und nach Osten in Pannonien um den Plattensee. Er starb hochgeehrt 784 und wurde in seinem Dom beigesetzt. Im Umkreis und Schutz der Bischofstädte Regensburg und Freising, die beide deutsche Ortsnamen tragen, scheinen sich bei offenbar bairischer Mehrheitsbevölkerung einige Restromanen gehalten zu haben. Aber ihre Wohnorte wurden trotz der romanischen Grundherren nach diesen deutsch benannt. Vielleicht standen sie in gewisser Verbindung mit den Bischöfen als Stadtherren und erhielten Grund, denn in beiden Fällen weisen dort die integrierten, in den Mischnamen enthaltenen Personennamen lautliche Merkmale des 8. Jhs. auf, wie (56) Traubling , (47) Sanding , (3) Barbing sowie (11) Figlsdorf , (54) Tölzkirchen , (10) Eugenbach , (8) Deuting und (38) Mirskofen . Um die Stadt Salzburg ist auffällig, dass sich nur am Nordrand des Salzburger Beckens zwischen dem rom. (154) Muntigl und dem rom.-dt. Mischnamen (72) Liefering eine schmale Zone mit Ortsnamen sowohl romanischer als auch bairisch-deutscher Herkunft befindet, dass aber südlich von Liefering nur romanische Ortsnamen auftreten und dass nördlich von Muntigl im Flachgau rom.-dt. Mischnamen begegnen. Im Salzburger Becken und im anschließenden Salzachtal südwärts bis zum Paß Lueg hielt sich eine zahlenmäßig starke und räumlich dichte romanische Bevölkerung wie sonst nirgends im Voralpen- und Donauraum. Dennoch gab es dort frühe bairische Siedlungshorste seit der 1. Hälfte des 7. Jhs. wie (146) Grödig und (149) Kuchl und kam es dann im 8. Jh. zur Integrierung des rom. Übersetzungsnamens (156) Petena sowie von (114) Türk , (130) Adnet , (66) Alm , (67) Almbach , (130) Hochgitzen , (69) Glan , (152) Loig , (142, 144) Gois , (70) Glasbach und (143, 145) Gols . Die Salzburger rom.-dt. Mischnamen betreffen aber nicht nur den Flachgau auf österreichischer Seite östlich der Salzach sondern auch das ursprüngliche Salzburger Territorium links des Flusses bis zum Inn, wo ebenfalls eine Menge solcher Namen auftritt. 3.2. Die Walchen-Namen Die bair.-ahd. Bezeichnung der Romanen ist das Maskulinum im Nominativ Singular walh und mit Sprossvokal walah und im Nominativ Plural walha / walaha sowie im lokativischen Dativ Plural walhun / walahun . Der Name geht zurück auf die keltischen Volcae , die vor der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. im heutigen Mitteldeutschland siedelten und die südlichen Nachbarn der Germanen waren. Die Germanen übernahmen den Namen noch vor der Ersten (germanischen) Lautverschiebung, deren Durchführung den Singular * wolhaz ergab, welcher dann um Chr. Geb. mit dem Lautwandel germ. o > a zu * walhaz weiter entwickelt wurde. Mit der Bedeutung ‚Fremder‘ wurde er, seit die Germanen ab dem Gallischen Krieg Julius Caesars mit den Römern zusammenstießen, auf diese übertragen und entwickelte sich dann zur Bedeutung ‚Romane‘. Wie Karte 5 zeigt, liegen alle Walchen -Orte im Süden einerseits vereinzelt im oberbayerischen Westen am Ammer-, Wörth- und Walchensee, wobei das Gebiet um den Letzteren Wallgau heißt und damit überhaupt ein Siedlungsgebiet von Romanen war, und andererseits 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 77 11.09.2019 09: 46: 50 78 3. Auf Romanen Bezug nehmende deutsche Siedlungsnamen dichter im oberbayerischen Osten mit dem Nordrand von Salzburg und dem südwestlichen Oberösterreich. Im oberbayerischen Osten gibt es ein gehäuftes Auftreten um (W 5) Traunwalchen (790 Trunwalhen ) als dem ältesten und zugleich zentralen Ort, von dem aus erst jüngere Orte angelegt wurden wie (W 2) Litzlwalchen (1300 Litzlbalchen ), der Rodungsort (W 4) Roitwalchen (1300 Reutwolhen ) und das erst frühneuzeitliche (W 8) Walchenberg (1553 Wolfgang Walhenperger ). Eine junge Benennungen ist auch die Einschicht (W 7) Walchen , die zunächst Gunzenberg hieß (1107-10 Gunzeperc ) und 1495 in den Besitz von Hans Walher gelangte und schließlich nach ihm Walchen genannt wurde. Während am Nordostrand von Salzburg (W 10) Straßwalchen (799 Strazuualaha ), wie schon sein Name sagt, eine alte Romanensiedlung an der Römerstraße von Iuvavum/ Salzburg nach Ovilavis/ Wels ist, legten das benachbarte (W 17) Roidwalchen (1880 Roitwalchen ) erst Holzfäller zu Anfang des 19. Jhs. an. Im südlichen Oberösterreich sollte der östlichste Walchen -Ort (W 14) Ehwalchen (1371 Ebalhen ) angemessener einen Parschalken -Namen tragen - der (P 9) Parschallbauer liegt nicht allzuweit entfernt - und erweist sich nur (W 15) Seewalchen (1135 Sewalhin ) am Attersee als eine alte Romanensiedlung. Es ist auffällig, dass sich die Walchen an Seen zurückgezogen haben oder wahrscheinlicher von den Baiern dorthin abgedrängt worden sind, denn weitere derartige, an Seen gelegene Walchen- Orte sind (W 19) Seewalchen am Walchensee in Salzburg (1151 Sewalchen ) sowie (W 9) Walchensee am gleichnamigen See (11. Jh. Walhense ) und (W 10) Walchstadt am Wörthsee in Oberbayern (780 Walchsteti ). Jedenfalls waren die in diesem südlichen Grenzgebiet von den Baiern angetroffenen und vielleicht auch dorthin abgedrängten Romanen in der Minderzahl, so dass sie ihren jeweils wohl vorhandenen romanischen Ortsnamen nicht behalten konnten, sondern von der neuen Mehrheitsbevölkerung in ihrer deutschen Sprache einfach als fremdsprachiges Volk benannt wurden. Die Frage, wie lange sich bei den zunächst in den Walchen -Orten lebenden Restromanen die romanische Sprache gehalten hat, lässt sich nur schwer beantworten. Die in der Mehrzahl auftretenden und sie benennenden Baiern haben den Namen (11) Ammer(see) , östlich von dem (W 11) Walchstadt liegt, etwa im 1. Viertel der 2. Hälfte des 8. Jhs. und die (5) Traun , an der sich (W 5) Traunwalchen befindet, in der 1. Hälfte des 8. Jhs. übernommen. Letzteres gilt auch für den (44) Attersee , an dessen Westufer (P 8) Parschallen liegt. Die älteste Integration betrifft den (73) Wallersee mit (W 18) Seewalchen , der als rom. Vallāria bis spätestens bald nach 650 ins Bair.-Ahd. gelangte. Will man länger bestehende romanische Sprachinseln bzw. romanische Siedlungshorste im bair.-ahd. Sprach- und Siedlungsraum annehmen und mit drei Romanengenerationen in rund 100 Jahren nach der Namenintegration rechnen, so dürften dort die Romanen kaum über das ausgehende 9. Jh. hinaus, wenn überhaupt so lange, fort bestanden haben. 3.3. Die Parschalken-Namen Eine zweite deutschsprachige, auf Romanen verweisende Namengruppe bilden die Parschalken -Namen. 80 Dabei handelt es sich um den bair.-ahd. Rechtsbegriff parscalh , der sprachlich, sachlich und in seinen juridischen und historischen Dimensionen teilweise unterschiedlich erklärt wird. Da ahd. bar ‚frei‘, ahd. urbar ‚Ertrag‘ und ahd. scalh ‚Knecht‘ bedeutet, kann der 80 In der bayerisch-österreichischen Namenforschung ist es üblich, den Namen entsprechend seiner bair.ahd. Form und seinen Ortsnamenschreibungen als Parschalk zu verschriftlichen. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 78 11.09.2019 09: 46: 50 4.1. Allgemeine Überlegungen 79 Begriff einerseits als ‚freier Knecht‘, also als Mann, der in gewisser Hinsicht frei und doch untergeben ist, verstanden werden. Darauf deutet auch die urkundliche Umschreibung als lat. liberi homines ‚freie Leute‘. Wenn andererseits die Umschreibung lat. tributales Romani ‚abgabepflichtige Romanen‘ auftritt, kann das Wort auch als ‚Zinsknecht‘ gedeutet werden. Durchschnittlich nimmt man auf Grund weiterer Indizien an, dass es sich um Romanen handelt, die halbfreie, mit Königsgut in Erbbesitz belehnte, doch zinspflichtige Bauern waren, aber wie Freie Waffen tragen durften und zum Kriegsdienst verpflichtet waren. Die heute teilweise entstellten Parschalken -Namen treten einerseits als Simplizia im Singular für Einzelhöfe auf, wie (P 9) Parschallbauer (1462 Parschalh ) und (P 11) Bachschallern (1433 Parschalch ), und andererseits im Plural für Weiler wie (P 1) Parschall (1562 Parschalhen ), (P 12) Paschallen (1380 Parschalchen ) und (P 15) Pachschallen (1150 Parscalchin ), wo sich allerdings ebenfalls ein ursprünglicher Hof als Ausgangspunkt befindet. Sie sind ferner Grundwort einer ing -Ableitung wie (P 2, 3, 10) Parschalling (1267 Parscholhing ; 1170 Parscalchingin ; 1278 Parsholiching ) und Beiwort eines Kompositums wie z. B. (P 5) Parschenberg (1250 Parscalcsperg ), (P 7) Poschetsried (1254 Parschalchesride ) und (P 14) Pachersdorf (1257 Parschalichsdorff ). Im Vergleich zu den Walchen -Orten liegen die Parschalken -Orte in Oberösterreich nördlicher. Das trifft zwar an sich auch für Bayern zu, nur dass man angesichts der sehr geringen Anzahl und größeren Entfernung nicht von Zusammenhängen sprechen wird. Wenn in Oberösterreich (P 15) Parschallern (1150 Parscalhin ) an der Steyr liegt, so gibt es dort im slawischen Grenzraum auch sonst Spuren einer ehemaligen Romanität. 81 Das ist sicher nicht der Fall bei (P 7) Poschetsried im Bayerischen Wald. Dort wird es sich wahrscheinlich um einen Zugezogenen handeln, der entweder aus einer Parschalkenfamilie stammte oder angesichts der erst jüngeren Rodungssiedlung aus einem der südlicheren Parschalken -Orte Niederbayerns einschließlich des bis 1779 dazu gehörigen oberösterreichischen Innviertels kam. 4. Die Integrierung der antik-romanischen Gewässer- und Siedlungsnamen im Donau- und Voralpenraum 4.1. Allgemeine Überlegungen Da es bekanntlich keinerlei historische Nachrichten über die romanischen und bairischen Sprachverhältnisse im Donau- und Voralpenraum zwischen Lech und Enns gibt, kann wie auch die Frage, wann sich das Bairische gegenüber dem Romanischen durchgesetzt und dieses zum Aussterben gebracht hat, nur anhand der ins Bairisch-Alt- und Frühmittelhochdeutsche integrierten antik-romanischen Gewässer- und Siedlungsnamen und der romanisch-deutschen Mischnamen und die auf Romanen Bezug nehmenden deutschen Walchen - und Parschalken -Namen als Zeugen einstiger Romanität mit Hilfe linguistischer Methoden erschlossen werden. Nachdem die Römer 15-13 v. Chr. die Gebiete der Raetia secunda und von Noricum erobert und dem Imperium romanum eingegliedert hatten, wurden nicht nur am entstehenden 81 Vgl. Wiesinger (2002). 4. Die Integrierung der 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 79 11.09.2019 09: 46: 50 80 4. Die Integrierung der antik-romanischen Gewässer- und Siedlungsnamen Donaulimes römische Kastelle zur Grenzsicherung errichtet und Militär zur Verteidigung stationiert, sondern es entstanden auch römische Siedlungen und Zivilstädte mit römischer Bevölkerung. Dadurch ging während der 500jährigen Römerherrschaft die vor allem anfängliche bodenständig keltische Bevölkerung allmählich in der römischen Kultur auf und erfolgte sprachlich der Übergang zum Lateinischen und dessen Durchsetzung, gesprochen anfänglich als Vulgärlatein und mit kontinuierlicher Weiterentwicklung zum Romanischen. Neue nördliche Nachbarn der Romanen an der Donau waren schon von Anfang an aus dem Norden vorgedrungene Elbgermanen. Wurden solche als Soldaten ins römische Heer aufgenommen und allmählich ihre Angehörigen in den entstehenden römischen Zivilstädten angesiedelt, so führte die dauernde schwächere oder stärkere Migration von Germanen überhaupt zu deren Aufnahme und Niederlassung als Föderaten, was zweifellos zu einem Nebeneinandner von bodenständigem Romanisch und hinzugekommenem Germanisch führte. So ist z. B. aus Linz anhand von Skelettfunden bekannt, dass es im 3. Jh. in dieser grenznahen Stadt an der Donau bereits einen größeren germanischen Bevölkerungsanteil gab. Es mag damals durchaus auf beiden Seiten mehr oder minder zweisprachige Menschen gegeben haben, aber wie die Gegenwart lehrt, schließen sich die fremden Zuwanderer in größerem Umfang kaum der bodenständig herrschenden Sprache an, sondern nehmen, soweit es der Alltag erfordert, einen geringen Anteil von Äußerungen zur Verständigung auf, sprechen aber untereinander weiterhin ihre mitgebrachte angestammte Sprache. Man kann annehmen, dass es damals in den römischen Donauprovinzen mit dauernder Zuwanderung von Germanen nicht viel anders gewesen sein wird als heute und es bei zunehmender germanischer Einwanderung zu einem sich verstärkenden Nebeneinander von Romanisch und Germanisch gekommen sein wird. Das aber brachte es mit sich, dass auch die romanischen Gewässer- und Siedlungsnamen von den germanischen Bewohnern aufgegriffen und in ihre Sprache übernommen und lautlich und formal angepasst und integriert wurden. Wenn aber die zuwandernde Bevölkerung allmählich gegenüber der heimischen an Zahl dominiert, dann vollzieht sich in kürzerer oder längerer Zeit der Sprachwechsel zur Sprache der Mehrheitsbevölkerung und stirbt die Sprache der Minderheit aus. Wie sich ein solcher Sprachwechsel bzw. Sprachuntergang vollzieht, lehren z. B. die deutschen Sprachinseln der Gegenwart in der Romania in umgekehrter Weise. So gab es z. B. in der piemontesischen Walserkolonie Macugnaga bereits in den 1930er und 40er Jahren ein Nebeneinander einer zahlenmäßig stärkeren italienischen Bevölkerung in Stein- und Ziegelbauten und einer geringeren alemannisch-deutschsprachigen, teilweise in typischen Holzhäusern lebenden Walserbevölkerung. Um 1950/ 60 war die Elterngeneration der 25-40 Jährigen zwar Deutsch und Italienisch zweisprachig, sprach aber untereinander im Alltag das deutsche Idiom („Magganááditsch“). Sie gebrauchte jedoch mit ihren Kindern, die in die italienische Schule gingen und dort nur Italienisch sprachen, nur mehr Italienisch, wie auch der Dorfalltag mit der italienischen Bevölkerung und die Kirche nur italienisch abliefen. Die Kinder verstanden zwar noch das Walserdeutsch ihrer Eltern, Großeltern, Verwandten und Bekannten im Dorf und verfügten auch über einzelne deutsche Ausdrücke, waren aber nicht mehr in der Lage, zusammenhängend Walserdeutsch zu reden. Im Jahr 1985 trafen wir in den Walserhäusern die inzwischen 60-70jährige Elterngeneration als eine lebendige deutschsprachige Einwohnerschaft und Gemeinschaft an. Da aber keine jüngere deutschsprachige Generation mehr nachrückte, starb das Walserdeutsch mit dem Tod dieser älteren Generation allmählich aus. Bei 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 80 11.09.2019 09: 46: 50 4.2. Methodisches 81 einem neuerlichen Besuch in Macugnaga 2007 standen zwar noch die hölzernen Walserhäuser, aber es war kein einziger Sprecher des Walserdeutschen mehr anzutreffen. Die inzwischen 50-60 Jahre alt gewordene damalige Kindergeneration konnte zwar ein paar Walserausdrücke aus der Erinnerung hervorholen, aber der ohnedies schon früher eine Minderheit bildende deutsche Sprachinselort war nun völlig zu einem italienischsprachigen Ort geworden, wenn auch die Häuser und ein Walsermuseum noch an die deutsche Vergangenheit erinnerten. Was ebenfalls noch aus der deutschsprachigen Vergangenheit stammt, sind einzelne italianisierte walserdeutsche Flurnamen und Lehnwörter für tradierte ortsspezifische Sachen. 4.2. Methodisches Wenn man die Karten 1 und 2 mit der Integrierung der antik-romanischen Gewässer- und Siedlungsnamen betrachtet, dann ergeben sich durch die Heranziehung der verschiedenen einschlägigen sprachlichen Kriterien recht unterschiedliche Zeitpunkte, bis zu welchen ein Gewässer- oder Siedlungsname spätestens ins Bairisch-Althochdeutsche integriert wurde. Noch divergenter ist das Bild von Karte 3 des Salzburger Raumes trotz des dichten Auftretens von Siedlungsnamen romanischer Herkunft, wenn auch im Nordwesten Namen mit der Zweiten Lautverschiebung von g > k von 760-800 und im Süden und Osten mit Beibehaltung des romanischen Akzents nach 1050 mehrfach auftreten. Wie zur Feststellung der wahrscheinlichsten Integrierungszeit methodisch vorgegangen werden kann, sei unter Einbeziehung historischer und archäologischer Erkenntnisse im Osten des Untersuchungsraumes zwischen unterer Traun - Donau - Enns in Oberösterreich aufgezeigt. In diesem Kleinraum erstrecken sich die einzelnen spätesten sprachlichen Datierungen über einen Zeitraum von rund 650 Jahren mit der (63) Traun und ihrem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von d > t spätestens 760, von (128) Wels mit der germ. Senkung von i > e vor a sowie von (121) Linz und den (51, 52) Ipf -Bächen mit der germ. Hebung von e > i jeweils in der Zeit von etwa 150 - längstens 700, der (46) Enns mit dem Primärumlaut von a > e spätestens 790 und von (123) Lorch mit dem älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung von < c >[ k ] > < hh >/ [ χχ ] bis längstens 650. Für diesen Raum nehmen die Historiker aus verschiedenen Indizien an, dass sich die germanischen Markomannen schon seit dem 1. Jh. n. Chr. und die Alemannen im 3. Jh. hier aufgehalten haben. 82 Sicher archäologisch nachgewiesen sind germanische Skelettfunde in Linz aus dem 3. Jh. und mehrere germanische Kämme des 4. und 5. Jhs. aus diesem Raum. 83 Daraus kann man für Linz und Wels und die Ipf -Bäche folgern, dass die innerhalb von 150-600 mögliche Namensintegrierung sich, wenn schon nicht im 1./ 2. Jh., so mindestens im 3. Jh. vollzogen hat. Da beide Städte an der Traun liegen, ist wenig wahrscheinlich, dass deren Name erst in der 1. Hälfte des 8. Jhs. übernommen worden sein sollte, was sich aus dem einzigen einschlägigen lautlichen Kriterium des jüngeren Aktes der Zweiten Lautverschiebung von d > t ergeben würde. Vielmehr liegt nahe, dass der GewN bereits den Germanen bekannt war und er wie die beiden Städtenamen den Baiern tradiert wurde. Dasselbe ist für die Ipf -Bäche und für Lorch anzunehmen, wenn ihr lautliches Kriterium des älteren Aktes der Zweiten Lautverschiebung auch erst in die Zeit von rund 600-650 fällt. Verbleibt die 82 Vgl. Reitinger (1982), bes. S. 343 ff. 83 Vgl. Kloiber (1951) und Abbildungen von Kämmen bei Reitinger (1982). 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 81 11.09.2019 09: 46: 50 82 4. Die Integrierung der antik-romanischen Gewässer- und Siedlungsnamen Enns , an der Lorch liegt und deren Primärumlaut von a > e erst in die 2. Hälfte des 8. Jhs. fällt, doch lässt sich schwer vorstellen, dass der Fluss den Germanen entgangen sein sollte. Was die (9) Donau betrifft, so erfolgte auf Grund von ā > ō ihr germanisches Aufgreifen bereits im 1. Jh. n. Chr., aber dies wohl kaum auf der oberösterreichischen Seite mit dem dicht bewaldeten Mühlviertel als Durchgangsraum nach Norden bzw. Süden, sondern vielmehr wohl im verkehrsoffenen niederbayerisch-oberpfälzischen oder mittleren niederösterreichischen Raum. Somit ergibt die Kombination der sprachlichen Daten mit historischen und archäologischen Erkenntnissen, dass die Integration antik-rom. Gewässer- und Siedlungsnamen sich in diesem Kleinraum, wenn nicht schon im 1. Jh., so mindestens im 3. Jh. n. Chr. vollzogen hat. Dass damit aber hier die romanische Sprache nicht erloschen ist, liegt auf der Hand, denn Lorch bestand als romanische Stadt bis zum Ende der Römerherrschaft 476 und dem Abzug eines Teiles der romanischen Bevölkerung nach Italien 488 weiter, wenn sich dann wie in Wels und Linz auch zunehmend Germanen eingesiedelt haben, so dass diese Namen schließlich ins Bairische tradiert wurden. Auf ein vorübergehendes Miteinander von Restromanen und Baiern weisen in diesem Raum die rom.-dt. Mischnamen (M 61) Ansfelden (798-814 Albinsuelt ) und der historische Gegendname Walafeld (876 Uualahofeld , Walavelth ) hin. Aus ihnen kann man ein Fortleben von Restromanen, der Walchen , wie sie die Baiern nannten, bis mindestens in die 2. Hälfte des 7. Jhs. folgern, als im PN Albīnus noch eine Gleichsetzung von rom. ƀ / v mit dem unverschobenem bair.-frühahd. b möglich war. 84 Aber die Restromanen und ihre romanische Sprache werden sich wohl kaum viel länger als noch 1-2 Generationen gehalten haben, so dass man mit ihrem Ende in den Anfangsjahrzehnten des 8. Jhs. rechnen kann. Ein Problem bildet in diesem Kleinraum die Krems (791 Chremisa ) 85 , die sich unterhalb von Kremsdorf nach der Josephinischen Landesaufnahme von ca. 1775 zu den vielen Armen der unteren Traun hinzu gesellt, aber flussaufwärts dann gegen Kremsmünster ein klares Flusstal bildet. Ins Bair.-Ahd. wurde sie frühestens gegen Ende des 7. Jhs. integriert, denn ihr e ist vor i erhalten und nicht mehr dem älteren i -Umlaut unterzogen worden. Es handelt sich hier um den Grenzraum zwischen unterer Traun und Enns, wo eine romanische Restbevölkerung, die Baiern und die von Osten und Süden kommenden Slawen im 7. Jh. auf einander trafen. Die slawischen ON erfüllen das Gebiet der oberen Krems südwärts ab Pettenbach - Nussdorf und der Steyr und Enns bis knapp nördlich der Stadt Steyr, 86 doch verbleibt das weitere Gebiet bis zur Donau ohne slawische Ortsnamen. Zwar haben sich die Baiern, wie die frühen Integrierungen zeigen, in den antiken Orten niedergelassen, scheinen aber ebenfalls den unmittelbaren Grenzraum als Pufferzone siedlungsfrei gehalten zu haben, denn hier gibt es auch keine echten ing -Namen. Nur wenige treten nach Pucking an der Traun (1120 Bůchingin mit PN Pucko ) und dem isolierten Hof Misching bei Ritzlhof (1272 Muschingen mit PN Musko ) erst in dem verbleibenden kleinen Gebiet ab etwa Neuhofen a. d. Krems nach Süden auf. Zu nennen sind hier links der Krems Haisching (1299 Haischingen mit PN Heisko ), Allhaming (1299 Alhaiming mit PN Adalhalm ) und der Hof Hanninger bei Neuhofen a. d. Krems (1325 Heining 84 Der Versuch von Haubrichs (2006), S. 454, die (M 65-67) Parzham -Orte als weitere rom.-dt. Mischnamen zu erklären, muss als gescheitert gelten, wenn sie in der Zusammenstellung auch angeführt werden. 85 Zu den Krems -Namen vgl. Wiesinger (1995). 86 Vgl. OÖONB 7 (2001). 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 82 11.09.2019 09: 46: 50 4.3. Zum anfänglichen Siedlungsraum im Donau- und Voralpenraum 83 mit PN Hein(o) ? ) sowie rechts der Krems Freiling (13. Jh. Friling mit PN Frīlo < Fridilo ). 87 Die bairische Besiedlung war hier sichtlich sehr dünn. Der einzige heim -Ort dieses Gebietes ist Zeitlham (1120 ad Cidilhaim mit verkürztem mhd. zīdelære ‚Imker‘). Aus diesen Verhältnissen kann man folgern, dass die Baiern erst im 8. Jh. und nur zögernd in diesen Grenzraum vorgedrungen sind, und damals baute sich um 700 auch die Ennsgrenze gegen die Slawen in Niederösterreich auf. Das aber macht verständlich, dass der Name Krems erst um diese Zeit ins Bair.-Frühahd. integriert wurde. Und 777 gründete hier am Fluss Herzog Tassilo III. das Benediktinerstift Kremsmünster zur Christianisierung der Slawen. Grundsätzlich ist zu den vorgetragenen sprachlichen Daten zu sagen, dass sie jeweils den terminus ante quem bzw . den terminus post quem non angeben, also den Zeitpunkt oder den kürzeren Zeitraum, bis zu welchem oder in dem spätestens der betreffende Lautwandel sich vollzog, so dass der jeweils davon betroffene Name bis dahin, aber nicht danach übernommen wurde. Ob die davor liegende Zeit, in der die Integrierung des Namens erfolgte, so dass er dem betreffenden Lautwandel unterlag, eine nur kurze war, oder ob die Integrierung innerhalb eines längeren, davor liegenden Zeitraumes stattfand, lässt sich unmittelbar nicht sagen. Aus rein sprachlicher Sicht ist dies nur möglich, wenn ein Name sowohl einen älteren als auch einen jüngeren Lautwandel aufweist. So war z. B. am obgenannten GewN Ipf zu ersehen, dass der ältere Akt der Zweiten Lautverschiebung von p - > pf der 1. Hälfte des 7. Jhs. hier jünger ist als die Vokalhebung bzw. der ältere i -Umlaut von e - > i des 2.-7. Jhs., so dass der Name Ipf schon ab dem 2. Jh. ins Germanische integriert worden ist und dann erst der Zweiten Lautverschiebung unterlag. Meistens erlaubt die Kombination mit weiteren sprachlichen Daten im Kleinraum und mit außersprachlichen, oft historischen Daten die ungefähre Bestimmung einer vor dem sprachlichen terminus ante quem liegenden anzunehmenden Integrationszeit. 4.3. Zum anfänglichen Siedlungsraum im Donau- und Voralpenraum Im Vergleich zum heute relativ dicht besiedelten Donau- und Voralpenraum zwischen Lech und Enns zeigt die historische Geographie, dass dieser Raum einerseits stark von Wäldern überzogen war und dass es an den Flüssen ebenso siedlungsfeindliche Moore (bair. Moos ) gegeben hat, von denen das Erdinger Moos links der Isar von etwa München bis Moosburg, das Dachauer Moos links der Amper etwa von Fürstenfeldbruck bis gegen Freising und das Donaumoos ewa von Pöttmes bis Weichering westlich der Paar die ausgedehntesten waren. Zahlreiche kleinere Moore befinden sich im Süden im Voralpenraum. Im oberösterreichischen Donauraum waren es die waldigen Berglandschaften des Weilharts im südlichen Innviertel, des großen Berglandes des Kobernaußerwaldes und des Hausrucks im östlichen Inn- und südlichen Hausruckviertel und des Esternberges im nördlichen Innviertel gegen die Donau. Dadurch war der anfängliche Siedlungsraum sowohl der keltischen und römischen Bevölkerung als auch dann der bairischen eingeschränkt und wesentlich geringer als in späteren Jahrhunderten durch den ständigen Landesausbau. Sowohl die ältesten Ortsnamen als auch Funde zeigen, dass die Besiedlung in Gunstlandschaften und zunächst an den Römerstraßen 87 Vgl. dazu Schwarz (1926), Pol. Bez. Linz, S. 1-30 und Kouril (1950). Eine weitere Anzahl hier auftretender, doch nicht genannter ing -Namen erweist sich als unecht. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 83 11.09.2019 09: 46: 50 84 4. Die Integrierung der antik-romanischen Gewässer- und Siedlungsnamen und in deren Umfeld erfolgte, ehe durch Umbrüche von Wiesen und Niederwald ständig das Acker- und Wohnland ausgeweitet und bei Zunahme der Bevölkerung neue Siedlungen entstanden. Im bereits bergigen bis gebirgigen Voralpenraum lassen nur die Tallandschaften eine Besiedlung zu, so dass der Siedlungsraum im Vergleich zum relativ ebenen Gelände der nördlicheren Landschaften gegen die Donau eingeengt ist. Wie sich dieser Landesausbau vom 7./ 8. bis ins 13. Jh. mit ständiger Ausweitung des Wirtschafts- und Siedlungsraumes etwa in Oberösterreich vollzog, konnte von der Namenkunde anhand der Abfolge der ahd. und mhd. Siedlungsnamentypen aufgezeigt werden. 88 4.4. Germanen und Romanen im bayerischen Nordwesten um Altmühl und Donau Die ersten Kontakte zwischen Germanen und Römern (oder noch Kelten? ) vollzogen sich noch deutlicher, als dies oben am Beispiel von Oberösterreich dargestellt werden konnte, im niederbayerisch-oberpfälzischen Donauraum am römisch-germanischen Limes an der Donau ab Eining flussabwärts und westlich davon südlich und nördlich der Altmühl ab Pfünz. Dass die um Chr. Geb. von Norden vorgedrungenen Elbgermanen hier, sei es noch von Kelten oder schon von den ab 15-13 v. Chr. auftretenden Römern, die damals, geführt von Drusus und Tiberius, Raetien und Noricum erobert und dem Imperium romanum eingliedert hatten, den Namen der (9) Donau aufnahmen, wurde schon oben ausgeführt. Am nördlichsten Punkt des Limes westlich von Regensburg mündet, wie Karte 1 zeigt, von Norden die (24) Naab in die Donau. Ihre bair.-ahd. Form 883 Napa weist den ältesten, um Chr. Geb. vollzogenen germ. Lautwandel von o > a auf, so dass der GewN bereits damals von den Germanen übernommen wurde, sei es wieder von den Kelten oder erst von den Römern. Wenn hier die (32) Sulz als 900 Solanza < * Solanta den a -Umlaut der Zeit des 2.-7. Jhs. von zugrunde liegendem * Sulanta aufweist, so erfolgte ihre Integrierung gewiss bereits vor dem älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung von t > z der 1. Hälfte des 7. Jhs. und dies wahrscheinlich schon sehr früh. Dasselbe gilt auch für den (22) Lech als 790 Lecha < Lica mit a -Umlaut von i > e des 2.-7. Jhs. vor dem älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung von inlautendem < c >[ k ] > [ χχ ]. So weisen die GewN Naab , Sulz und Lech darauf hin, dass hier im westlichen Limesbereich bereits vom Beginn der Römerzeit an, Germanen anwesend waren. Die GewN (8) Kelsbach und (2) Altmühl zeigen erst den jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von anlautendem < c >/ [ k ] > < ch>/ [ kχ ] der 2. Hälfte des 8. Jhs. Etwas früher, doch ebenfalls in die 2. Hälfte des 8. Jhs. fällt die Zweite Lautverschiebung von b > p in den GwN (1) Abens als 847 Apansa < Abusina und den (25, 26) Paar -Bächen als 11. Jh. Parra < kelt. * Barros , während in den (17-20) Laaber -Bächen als 790 Lapara < * Labara die Wiedergabe von rom. ƀ / v als bair.-frühahd. b bereits der 2. Hälfte des 7. Jhs. angehört, so dass dessen jüngere Zweite Lautverschiebung zu bair.-ahd. p sich erst in der 2. Hälfte des 8. Jhs. anschließt. Die Lautmerkmale derselben Zeit zeigen hier nach Karte 2 auch die integrierten ON (105) Pfünz als 889 Phuncina < * Pontina mit Tonerhöhung von o > u vor Nasal + Konsonant des 2.-7. Jhs. sicherlich vor dem älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung der 1. Hälfte des 7. Jhs. von p > pf sowie (100) Ober- und Nieder stimm < * Steniānum mit älterem i -Umlaut von e > i 88 Vgl. Wiesinger (1980). 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 84 11.09.2019 09: 46: 50 4.4. Germanen und Romanen im bayerischen Nordwesten um Altmühl und Donau 85 des 2.-7. Jhs. Der ältere Akt der Zweiten Lautverschiebung der 1. Hälfte des 7. Jhs. findet sich ferner von t > z in (94) Marzill als 1173 Morzul < * Mortulu und von inlautendem c- > [χχ- ] in (77) Alburg als 863 Alaha < * Alācum . Dagegen ist das älteste Lautmerkmal der ON (87) Kareth als 1150 Chærrine < * Carrīna und (88) Kasing als 1147 Charse < * Carsiānum der jüngere Akt der Zweiten Lautverschiebung von anlautendem c- > [ kχ- ] der 2. Hälfte des 8. Jhs. Man kann durchaus annehmen, dass alle diese GewN und ON schon sehr früh und vor der Zeit der sie enthaltenden ältesten bair.-frühahd. Lautmerkmale ins Germanische integriert worden sind. Das liegt sachlich bei (105) Pfünz (889 Phuncina < lat. * Pontina ‚Brückenort‘) besonders nahe, das zumindest für den Handelsverkehr der Kaufleute von und nach Germanien Bedeutung hatte. Fasst man die Lautmerkmale der ins Germanische bzw. ins Bair.-Ahd. integrierten Gewässer- und Siedlungnamen lat./ rom. Herkunft im Nordwesten im Raum von Altmühl und Donau zwischen dem unteren Lech und Straubing zusammen, so beginnen die ältesten lautlichen Merkmale der Integrierungen um Chr. Geb. und reichen die jüngeren bis in die 2. Hälfte des 8. Jhs. Sie betreffen fast sämtliche 13 Gewässernamen und alle 6 Siedlungsnamen. Trotz der teilweise erst im 8. Jh. aufscheinenden ältesten Lautmerkmale einzelner Namen und der durch einen langen Zeitraum aktiven Umlautungen darf man für den gesamten Nordwesten jedoch annehmen, dass die Integration der Namen mit den ersten Kontakten der Elbgermanen mit den Römern (oder noch mit Kelten) im 1. Jh. n. Chr. an der Donau und wohl nördlich davon begann und sich vor allem ab dem 2. Jh. im Bereich südlich von Donau und Altmühl fortsetzte. Es waren wohl zunächst Kontakte von Händlern und Kaufleuten, die nach beiden Seiten zogen und Waren transportierten, wofür (105) Pfünz spricht, das ein Brückenort über die Altmühl war. Ferner gab es germanische Söldner im römischen Heer, die dann als Föderaten angesiedelt wurden, wie überhaupt eingewanderte Germanen, die vom römischen Reichtum und bequemeren Leben angezogen waren, als es ihnen das gewiss ärmlichere germanische Leben jenseits des Limes bot. Die Tradierung und Integrierung rom. ON setzt jedenfalls eine germanischsprachige Einwohnerschaft voraus, die den jeweiligen ON in ihre Sprache überführte und ihn weiterentwickelnd von Generation zu Generation weitergab, während die Übernahme der GewN auf Verkehrskontakten beruhen kann. Zu den wenigen tradierten und früh integrierten ON antik-romanischer Herkunft des Regensburger Raumes südlich von Altmühl und Donau kommt nach Karte 4 eine auffällig größere Anzahl von rom.-dt. Mischnamen, die sich unmittelbar um Regensburg als Mittelpunkt häufen. Es sind um die Stadt 7 Orte und im weiteren Umkreis 8 Orte. Zwar weist nur (M 53) Thalmassing das älteste Lautmerkmal der Gegend als den älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung von t - > zz von 600 bis längstens 650 auf und zeigen die benachbarten Orte (M 47) Sanding und (M 56) Traubling den rund 100 Jahre jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von d > t , aber man darf für alle drei Orte annehmen, dass sie früh entstanden sind, denn sie führen mit Dalmat(i)us einen frühen und seltenen Heiligennamen und mit Samutos und Droubidos sogar noch keltische Personennamen. Außerdem weisen diese drei Orte sowie die weiteren drei Orte (M 3) Barbing , (M 31) Massing und (M 44) Prüfening unmittelbar um Regensburg sowie (M 29) Kösching , (M 33) Mehring , (M 17) Irsching , (M 42) Piering und vielleicht der nördlichste Ort (M 52) Steffing der weiteren Umgebung die älteste Ortnamenbildung als ing -Ableitungen auf. Sie sind zwar erst seit dem ausgehenden 9. und dem 10. Jh. urkundlich überliefert, aber ihr Lautstand weist sie als wesentlich älter aus. So verfügt (M 33-36) Mehring über die ahd. Monophthongierung von au > ō der 1. Hälfte des 8. Jhs. und (M 29) Kösching über 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 85 11.09.2019 09: 46: 50 86 4. Die Integrierung der antik-romanischen Gewässer- und Siedlungsnamen den jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von k > [ kχ ] der 2. Hälfte des 8. Jhs. Da sich aber zumindest ab dem 7. Jh. der bairische Herzogshof der Agilolfinger in Regensburg befand, wird man annehmen dürfen, dass sich um die Stadt eine größere Anzahl von Baiern angesiedelt hatte und die restlichen Romanen in der Minderzahl waren, so dass die Baiern nicht nur eine größere Anzahl von Orten selber anlegten, wie aus den zahlreichen ing -Namen als den ältesten Bildungen hervorgeht, sondern dass sie in gleicher Weise auch die relativ wenigen Orte mit romanischen Dorfältesten benannten, was zu den rom.-dt. Mischnamen führte. Eine späte Integrierung des rom. ON mit entsprechend längerer Fortdauer des Romanischen war hier (M 44) Prüfening . Sein anlautendes p des rom. PN Probinu(s) wurde nicht verschoben und mit bair.-ahd. p gleichgesetzt, so dass der ON erst in der 2. Hälfte des 8. Jhs. integriert wurde, nachdem zu dieser Zeit bair.-ahd. p durch den jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung entstanden war. Damals wurde auch das inlautende rom. b / v noch mit stimmlosem f substituiert, das erst am Ende des 8. Jhs. als [ v ] Stimmhaftigkeit erlangte. Wahrscheinlich aber war Prüfening nicht nur eine späte Ortsgründung, sondern dementsprechend auch eine sich bis in den Anfang des 9. Jhs. haltende romanische Sprachinsel, denn ansonsten scheint das Romanische im Regensburger Raum schon im Lauf des 8. Jhs. erloschen zu sein. 4.5. Baiern und Romanen in der bayerischen Mitte um Freising Eine weitere Häufung mehrerer rom.-dt. Mischnamen findet sich um die mittlere Isar im Umkreis der Bischofsstadt Freising, während es hier nur sehr wenige integrierte antik-rom. GewN und ON gibt. Zwar kreuzten sich hier die römischen Fernstraßen von Augusta Vindelicorum/ Augsburg nach Juvavum/ Salzburg und vom Brenner durch das Inntal nach Castra Regina/ Regensburg, aber eine römische Siedlung konnte bisher nicht entdeckt werden. Vielmehr ist Freising ein bair.-ahd. ON (744 Frigisinga ) mit dem PN Frigis und dann kontrahiert zu Frīs . Als der bairische Herzog Theodo II. 715 das Herzogtum unter seinen vier Söhnen aufteilte, erhielt Grimoald II. Freising als Sitz. Wohl zur selben Zeit, sicher aber ab 724 trat auf diesem neuen Agilolfingersitz der fränkische Wanderbischof Korbinian († 730) auf, ehe Bonifatius 739 das Bistum errichtete. Jedoch schon früher wohl mit der bairischen Entstehung von Freising erfolgte in seinem Umkreis die Integrierung der antik-rom. GewN und ON ins Bair.-Frühahd. So wurden die beiden GewN (27, 28) Pfettrach (755 Pfeterahha ), die auf lat. * Patriācum zurückgehen, wegen der enthaltenen älteren Akte der Zweiten Lautverschiebung von p > pf und < c >/ [ k ] > < hh >/ [ χχ ] etwa in der Zeit von 600-650 ins Bair.-Frühahd. integriert. Erst den jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von b > p der 2. Hälfte des 8. Jhs. weisen die GewN (4) Amper (775 Ambre , 1305 iuxta Amperam ) aus lat. * Ambrae und (31) Sempt (788 ad Samitun ) aus rom. * Samida / lat. * Sameta auf. Dasselbe Verhalten kehrt in den beiden ON (86) Jarzt (1138 Jorze ) aus rom. * Iortanu mit dem älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung von t - > z etwa der Zeit von 600-650 und (108) Pretzen (991 Pretzun ) als lat. * Brakiu / * Bratsu mit dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von b > p der 2. Hälfte des 8. Jhs. wieder. Aber alle diese Gewässernamen werden spätestens in der 1. Hälfte des 7. Jhs. ins Bair.-Frühahd. integriert worden sein. Was aber im Freisinger Raum neben einer Menge von bairischen ing -Namen als ältester bair.-ahd. Siedlungsnamentypus auftritt, sind wieder einige rom.-dt. Mischnamen, darunter 5 ing -Ableitungen. Obwohl hier Mischnamen mit nur jüngeren Akten der Zweiten Lautver- 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 86 11.09.2019 09: 46: 50 4.6. Baiern und Romanen im Salzburger Raum 87 schiebung vorliegen, so d > t der 1. Hälfte des 8. Jhs. in (M 8) Deuting (1177 Thebiting ) mit dem biblischen PN David / Tebit , (M 11) Figlsdorf (850 Fitalesdorf ) mit dem rom. PN Vidal < lat. Vitalis und (M 54) Tölzkirchen (837 Tenileschirhun ) mit dem biblischen PN * Danil/ Tenil < lat. Daniel sowie b > p der 2. Hälfte des 8. Jhs. in (M 10) Eugenbach (822 Yupinbach ) mit dem rom. PN * Iubo < lat. Iovīnus , müssen sie deswegen nicht erst dem 8. Jh. angehören. Dasselbe gilt für den i -Umlaut von a > e der 2. Hälfte des 8. Jhs. in (M 38) Mirskofen (1133 Mersinchoven ). Aber (M 57) Tüntenhausen (994 Tintinhusa ) mit rom. * Tintu < lat. Tinctus zeigt wegen des fehlenden älteren Aktes der Zweiten Lautverschiebung, dass die Ortsentstehung erst nach 650 erfolgt ist. Trotz der frühen Integrierungen von sehr wenigen antik-rom. GewN und ON und der bair.-frühahd. Entstehung von Freising selber dürften die Mischnamen tatsächlich erst im Zusammenhang mit dem neuen Herzogssitz ab 715 und der Niederlassung eines Bischofs entstanden sein, wofür Tüntenhausen sprechen könnte. In diese Richtung weist auch die hier auffällig hohe Zahl von 9 Heiligennamen gegenüber nur 4 profanen Personennamen, die durchaus mit dem Wirken eines Bischofs zu tun haben können. Aber die beteiligten Romanen waren gegenüber den vorherrschenden Baiern sichtlich in der Minderzahl und dürften ihr Idiom kaum mehr weitergegeben haben. Sie werden sich kaum über die Mitte des 8. Jhs. hinaus gehalten haben. 4.6. Baiern und Romanen im Salzburger Raum Beim Salzburger Raum muss man unterscheiden zwischen dem engeren Bereich im Salzachtal um die Stadt selber vom Paß Lueg im Süden bis Muntigl - Bergheim im Norden mit dem westlich anschließenden oberbayerischen Rupertiwinkel um den Königssee und dem Berchtesgadener Land, die bis 1803/ 16 zum Fürsterzbistum Salzburg gehörten, und dem Gebiet der Erzdiözese Salzburg, das sich bis zum Inn nach Westen erstreckte und auch noch das Tiroler Unterland und das Zillertal einschloss. Aus ihm wurde 1216 die Diözese Chiemsee herausgelöst, die im Bayerischen Konkordat 1817 mit den verbliebenen weiteren oberbayerischen Gebieten der Erzdiözese Salzburg an die bayerische Erzdiözese München-Freising gelangten. In namenkundlicher Sicht bildet das Salzachtal vom Paß Lueg bis Muntigl - Bergheim mit dem angrenzenden oberbayerischen Berchtesgadener Land westlich der österreichisch-bayerischen Staatsgrenze von 1816 bis zur Saalach, wie Karte 3 zeigt, einen Bereich mit zahlreichen tradierten ON und ein paar GewN romanischer Herkunft und im nördlich anschließenden Flachgau auch von rom.-dt. Mischnamen. Im Gegensatz zu dieser Fülle und Dichte wurden im weiteren oberbayerischen Raum bis zum Inn nur sehr wenige antik-rom. GewN und ON tradiert. Damit ist aber nicht gesagt, dass es dort nur wenige romanische Zusammenhänge gegeben hätte, denn um Traunwalchen liegen mehrere auf Romanen verweisende, deutsch gebildete Walchen -Orte, wenn auch ein Teil von ihnen erst jünger ist und nichts mehr unmittelbar mit Romanen zu tun hat. Die Integrierung der ON und wenigen GewN im engeren Raum des Salzachtales erstreckt sich auf Grund der Lauterscheinungen über den überraschend langen und ungewöhnlichen Zeitraum von rund 500 Jahren vom ausgehenden 6. bis zum beginnenden 12. Jh. und erfolgte zunächst ins Bair.-Ahd. und dann ab der 2. Hälfte des 11. Jhs. ins Bair.-Frühmhd. Er umfasst somit rund 15 Generationen, die, wenn wohl auch mit der Zeit abnehmend, an ihrem angestammten Romanisch festhielten und zum Teil wohl auch zweisprachig waren, indem sie 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 87 11.09.2019 09: 46: 50 88 4. Die Integrierung der antik-romanischen Gewässer- und Siedlungsnamen die deutsche Sprache der neben ihnen siedelnden gebürtigen Baiern annahmen. Anhand der integrierten ON lässt sich ablesen, dass sich die romanischen Zusammenhänge mit zunehmender Zeit lockerten, so dass allmählich romanische Sprachinseln im Bairisch werdenden Raum entstanden, ehe das Romanische schließlich zur Gänze dem Deutschen wich. Die Baiern sind sicher schon im ausgehenden 6. Jh. in den Salzburger Raum vorgedrungen und haben sich im unteren Bereich in (146) Grödig (788 ad Crethica - 1077 Greticha ) niedergelassen und im oberen Talbereich bei Hallein den strategisch wichtigen Berg von (149) Kuchl (788 in loco Cucullos - 930 ad Chuchulam ) eingenommen. Beide ON wurden mit dem älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung zunächst als bair.-frühahd. * Gretihha und * Kuhhula bis spätestens 650 integriert, ehe sich in der 2. Hälfte des 8. Jhs. die jüngeren Akte der Zweiten Lautverschiebung mit der Affrizierung von k > < ch >/ [ kχ ] und der Fortisierung von g > < c >/ [ k ] anschlossen. Zur selben Zeit erfolgte im oberbayerischen Raum die Integrierung des GewN (3) Alz (785 Alzus ) aus rom * Altus(i)a mit dem vorrömischen Reliktwort * palta ‚Sumpf ‘ als kelt. * alta mit p -Schwund. Zwar war der antike Name von Salzburg lat. Iuvavum (rom. Iuvao ) um 870, als die „Conversio Bagoariorum et Carantanorum“ entstand, noch bekannt, aber wohl schon zur Zeit ihrer auf das 8. Jh. zurückgehenden Quellen abgekommen, denn bereits 744 ist Salzburgensis ecclesię bezeugt. Der ON Salzburg ist eine Klammerform Salz ( ach ) burg ‚Burg = Stadt an der Salzach‘ und wird wohl im ausgehenden 7. Jh. entstanden sein, wie man aus dem rom. Übersetzungsnamen * Padina von lat. patina ‚(Salz)pfanne‘ schließen kann, der in der 1. Hälfte des 8. Jhs. mit dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von d > t und dann in der 2. Hälfte des 8. Jhs. mit i -Umlaut von a > e zu 793 Pętena weiterentwickelt wurde und als Synonym schließlich ausstarb. So wird es um 700 zum Aufblühen der nur noch um den Nonnberg von Restromanen besiedelten Stadt gekommen sein, als sich dort 696 der fränkische Wanderbischof Hrōdberht/ Rupert niederließ und sich die Stadt vom bairischen Herzog überschreiben ließ, was wohl auch eine stärkere Ansiedlung von Baiern in der Stadt und im Umland zur Folge hatte. So kam es in der 1. Hälfte des 8. Jhs. zum jüngeren Akt der 2. Lautverschiebung von d > t auch in (114) Türk (1114 Tŏrigi ) und in (130) Adnet (708 ad Atanate ) sowie in Oberbayern im GewN (34) Traun (790 Trůn ). Den nächstjüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung mit dem Wandel von b > p in der 2. Hälfte des 8. Jhs. weisen auf (66) Alm (980 ad Albinam ) und (67) Almbach (798 Albîn ). Aber damit ist nicht besagt, dass die Integrierung ins Bair.-Ahd. nicht schon früher erfolgt sein kann und sich die Lautverschiebung erst anschloss, denn in der Nähe von Alm liegt (146) Grödig und am Almbach befindet sich (130) Adnet. Erst in das letzte Viertel des 8. Jhs. fällt der jüngste Akt der Zweiten Lautverschiebung von g > k , der in (69) Glanbach (798 Glana mit kelt. * glan ‚klar, heiter‘), (70) Glasbach (798 Clasā mit kelt. * glas ‚grün, blau‘) und (154, 155) Muntigl (963 ad Muntegilin < rom. * Montig(u)lu von lat. monticulus ‚kleiner Berg‘ eintrat. Dagegen erfolgte die Integrierung bereits mit Gleichsetzung von rom. < c >/ [ k ] mit bair.-ahd. k ab dem 9. Jh. in (138, 139) Gitzen (1169 Guts < rom. * Cucino ), in (153) Morzg (798 Marciaogo , 930 ad Morzagam < lat. * Morciācum ) und in den (142-145) Gois / Gols -Orten (1060 de Collis von lat. collis ‚Hügel‘). Späte Integrierungen sind jene, die den romanischen Paenultimaakzent bewahren und keine germanisch-deutsche Vorverlegung des Akzents mehr auf die 1. Silbe, die Stammsilbe, vollziehen. Das ist erst bei Integrierungen seit dem Ende der althochdeutschen Zeit im Frühmittelhochdeutschen ab etwa 1050 der Fall. Es betrifft von Nord nach Süd den einstigen (71) 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 88 11.09.2019 09: 46: 50 4.6. Baiern und Romanen im Salzburger Raum 89 Gniglerbach (788 rom. rivulum Glanícle - 1271 in fluvio Gnigel < rom. * Glanícla ‚kleine Glan‘) mit dem danach benannten Salzburger Stadtteil Gnigl ; den Stadtteil (141) Gneis (1212 Gnals < lat. canālis ‚Wassergraben‘); (140) Gizóll (1500 Gutzull < rom. * Cazzale mit rom. * cazza < lat. * captia ‚Jagdgebiet‘); (137) Gfalls (1350 Gevals < rom. * Cavalls von lat. ad caballōs ‚bei den Pferden‘); (95) Marzóll (790 ad Marciolas mit PN lat. * Martiōlus ); (172) Rosítten (< rom. * rosetto ‚rötlich‘ zu lat. russus ‚rot‘); (164) Vigáun (788 ad Figunas , 798 ad Figûn < rom. * Vigone ‚großes Dorf ‘); (136) Garnéi (1212 Gurnei < lat. * Cornīa zu cornus ‚Hartriegel, Kornelkirsche‘); (75) Torrénerbach (1139 Torenne < rom. * Torrente(m) zu lat. torrens ‚wild, reißend‘). Sind von diesen insgesamt 9 Namen (95) Marzóll und (164) Vigáun die einzigen ursprünglichen Siedlungsnamen, so beziehen sich (71) Gnigl , (141) Gneis und (75) Torrén ursprünglich oder heute noch auf Bäche und Wasserflächen, nehmen Garnéi und (172) Rosítten auf das Gelände Bezug - Garnéi ist die an Vigaun südlich anschließende, heute besiedelte, einst jedoch mit Buschwerk bewachsene Talebene an der Salzach -, und fungieren (140) Gizóll und (137) Gfalls als Bezeichnungen von landwirtschaftlich genutzten Gebieten im Salzachtal oder in der Nähe von Siedlungen. Bei den folgenden weiteren 12 Namen handelt es sich wahrscheinlich nur bei (159, 160) Planítschen (1459 Paul Planitzer zu lat. plānitia ‚Ebene‘) wie heute noch um Einzelhöfe im ebenen Gelände, während (107) Planítsch im Berchtegadener Land zum Marktort angewachsen ist. Ursprünglich unbewohnt war das Gebiet des (134) † Flatschergutes (1350 Flatschaer < rom. * Vallacia ‚hohes, wildes Tal‘) und sind es heute noch die Täler (171) Ramáigraben und (74) Rigáusbach , denen der Bergname (168) Gitschenwand anzuschließen ist. Im Berchtesgadener Land befindet sich der (21) Larosbach (1258 Ladusen von lat. lūtum ‚Kot, Lehm‘). Dazu kommen die 4 Almen (175) Zisterberg , (169) Gugelán und (165, 166) Apígl . Diese in rund 1200 bis 1400 m Seehöhe gelegenen Almen sind keine Dauersiedlungen und werden nur im Sommer bewirtschaftet, was wohl auch schon im Mittelalter so war. Da die Almwirtschaft ursprünglich nur von Romanen betrieben wurde, wird man dies auch für das Salzburger Gebiet annehmen dürfen. Wahrscheinlich haben sie sich auf Einzelhöfe in den bewohnbaren Tälern der Taugl und der Lammer sowie in dazwischen liegenden Tälern kleinerer Bäche oder auf Anhöhen zurückgezogen, deren heutige kleine Siedlungen durchwegs erst seit dem 16. Jh. urkundlich bezeugt sind, 89 und konnten sich so bis ins 11./ 12. Jh. halten, ehe diese kleinen Ansiedlungen mit dem Vordringen der deutschen Bevölkerung in diese Täler im Hochmittelalter in neuen Orten aufgingen, ohne dass sie jemals Eingang in Aufzeichnungen gefunden hätten. Nachdem in der 2. Hälfte des 11. Jhs. eine noch verbliebene Anzahl von romanischen Ortsnamen ins Frühmittelhochdeutsche integriert worden war, wich wahrscheinlich das noch verbliebene restliche Romanische wohl um 1100 bis auf wenige Inseln weitestgehend dem Deutschen, da es die Kinder offenbar nicht mehr erlernt hatten. Letzte Zeugnisse an Ortsnamen, die auf Grund ihres lautlichen Befundes über 1120 hinaus romanisch verblieben, indem sie nicht an der damals eintretenden sogenannten „neuhochdeutschen“ Diphthongierung von mhd. ī - ū - ǖ zunächst zu [ ei ] - [ ou ] - [ öü ] teilnahmen, sind in Salzburg die Siedlungsnamen (161) Rif (1194 Riue ; 1250, 1304, 1575 Rif ) und (M 69) Flurnsbach (1195 zu 1040 Flurelsbach / Flurnespach , 1176 Flurnsbach ) sowie im Berchtesgadener Land der Gewässername (21) Larosbach (790 Ladusa , 1258 Ladusen , 1385 Ladosen ). In den abseits gelegenen Einschichten Rif 89 So sind nach HELSON 2 z. B. Brückl erst 1577 als Prügglen und Sommerau 1560 als Sumerau bezeugt, während es für mehrere Orte vor dem 19. Jh. keine urkundlichen Zeugnisse gibt. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 89 11.09.2019 09: 46: 50 90 4. Die Integrierung der antik-romanischen Gewässer- und Siedlungsnamen und Flurnsbach, wie es Rif bis weit ins 19. Jh. war und Flurnsbach heute noch ist, werden sich Romanen durchaus länger als sonst gehalten haben, wenn Flurnsbach auch mit der auch heute geltenden dialektalen Lautung des PN Florian als Flurl identifiziert worden sein sollte, wie es der eine Schreiber des urkundlichen Beleges in seiner Abschrift in der 2. Hälfte des 14. Jhs. vornimmt. Larosbach ist nur Gewässername in einem unbesiedelten Tal, wenn sich dort heute auch zwei Gaststätten befinden. Im Gegensatz zu den anderen bairischen Zentren Regensburg und Freising mit rom.-dt. Mischnamen ist im Salzburger Flachgau auffällig, dass die Mischnamen und die ältesten bair.ahd. Siedlungsnamentypen auf ing und heim mit den rom. Siedlungsnamen insofern in Beziehung stehen, als die einen dort einsetzen, wo die anderen enden und umgekehrt. Es scheint also im 6./ 7. Jh. eine Trennung der Ethnien gegeben zu haben. Die Salzburger rom.-dt. Mischnamen wurden auf Grund ihres Lautstandes schon früh gebildet. Der älteste Mischname ist die Bezeichnung des (M 73) Wallersees (788 Uualarseo ) und des daran gelegenen † Wallerdorf (788 Walardorf ), das ab 987 als Seekirchen (987 Sechirchen ) bezeichnet wird und wo um 690 Hrōdberht/ Rupert sein Wirken begann. Zugrunde liegt rom. * Vallaria ‚Talgut, Talhof ‘, das bei Gleichsetzung von rom. v und bilabialem bair.-frühahd. w spätestens am Beginn der 2. Hälfte des 7. Jhs. ins Bair.-Frühahd. integriert wurde. Wahrscheinlich im Lauf der 2. Hälfte des 7. Jhs. erfolgte die Bildung von (M 68) Eugendorf (788 ad Iubindorf , 930 ad Iupindorf ), denn das v des rom. PN * Iuvinu von lat. Iovīnus wurde noch mit frikativischem stimmhaftem [ ƀ ] wiedergegeben, das dann über den Plosiv [ b ] in der 2. Hälfte des 8. Jhs. dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung zu bair.-ahd. p unterlag, so dass Iupindorf entstand. Den jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung der 2. Hälfte des 8. Jhs. weist (M 71) Köstendorf (748 Chessindorf ) mit dem rom. PN * Cassiu von lat. Cassius auf. Zwar gehören sowohl die Affrikata als auch der Primärumlaut von a > e erst dieser Zeit an, doch wird die Bildung bereits wesentlich früher erfolgt sein. Gegenüber diesen anzunehmenden älteren Bildungen erweist sich das unmittelbar am Nordrand der Stadt Salzburg gelegene (M 72) Liefering (788 in loco … Liueringe ) mit dem rom. PN * Liver(i)u von lat. Libērius insofern jünger, als sein rom. v im 8. Jh. mit der stimmlosen Lenis bair.-frühahd. f substituiert wurde, die erst ab dem Ende des 8. Jhs. Stimmhaftigkeit als bair.-ahd. v erlangte. Diesen Salzburger Mischnamen des Flachgaues angeschlossen werden können im Osten der Name (M 60) Abersee für den Wolfgangsee (788 Abriani lacum , 798 Aparnse , 829 Aparinesseo ) und vielleicht der Name des in diesen mündenden (M 62) Di(e)tlbaches (788 Tinilbach ). Nach neuerer Interpretation liegt dem Seenamen rom. * Abrianu vom lat. Gentilnamen * Abrianus zugrunde, der dann in der 2. Hälfte des 8. Jhs. Zweite Lautverschiebung von b > p erfuhr. Wenn der Di(e)tlbach auf dem rom. PN Tinnulo von lat. Tinnus basieren sollte, dann erfolgte seine Integrierung ab der 1. Hälfte des 8. Jhs. mit der Gleichsetzung von anlautendem rom. t und neuem bair.-ahd. t , das durch die Zweite Lautverschiebung aus d entstanden war. Von den weiteren rom.-dt. Mischnamen im ehemaligen Salzburger Raum Oberbayerns bis zum Inn könnte (M 55) Tötzham (924 Tevitesheimon ) eine frühe Bildung spätestens in der 1. Hälfte des 8. Jhs. sein, wenn noch der biblische PN David zugrunde läge und nicht schon integriertes Tevit ab der 2. Hälfte des 8. Jhs. Eine ähnliche Frage stellt sich bei (M 34, 36) Mehring (790 Moringa ). Wurden diese ing -Ableitungen noch mit diphthongischem rom. Mauru von lat. Maurus als * Mauringa vor der 2. Hälfte des 8. Jhs. gebildet und zu bair.-ahd. Mōringa monophthongiert, oder erfolgte ihre Bildung erst danach mit dem bereits ins Bair.-Ahd. integrier- 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 90 11.09.2019 09: 46: 50 4.7. Baiern und Romanen im südlichen Oberbayern 91 ten PN Mōr , wie Albrecht Greule annimmt, so dass es sich dann nur um Pseudomischnamen handeln würde? Ebensowenig erlauben die weiteren Mischnamen dieses Raumes mangels charakteristischer Lauterscheinungen Schlüsse auf ihre Integrierungszeiten. Man wird allerdings wahrscheinlich nicht fehlgehen, wenn man auf Grund der Verhältnisse im Salzburger Flachgau, wo es übrigens ebenfalls weitere Mischnamen ohne lautliche Charakteristika gibt, annimmt, dass auch im weiteren Raum die Integrierungen spätestens im 7./ 8. Jh. erfolgten. Dafür sprechen bereits die dort mit den älteren Akten der Zweiten Lautverschiebung bis längstens 650 integrierten Gewässer- und Siedlungsnamen (3) Alz , (106) Pfunzen und (113) Taching sowie das schon jenseits des Inns gelegene (76) Albaching . Über siedlunggeschichtliche Aspekte der am Südrand von Oberbayern über Salzburg bis Oberösterreich auftretenden, auf Romanen Bezug nehmenden deutschen Walchen - und Parschalken -Namen war bereits oben anlässlich ihrer Bildung und Bedeutung in 3.2. und 3.3 ausführlich die Rede. 4.7. Baiern und Romanen im südlichen Oberbayern Wenn man Karte 2 betrachtet, so enden die integrierten antik-rom. Siedlungsnamen am Beginn des Voralpengebietes etwa an der Linie Starnbergersee (Würmsee) - Rosenheim/ Inn - Chiemsee, südlich welcher das Bergland des Ammergebirges, der Kocheler Berge, der Tegernseer und Schlierseer Berge und der Chiemgauer Alpen anfängt. Die Baiern haben in der Frühzeit diese südlichen Gebiete mit ihren Tälern sichtlich gemieden, denn dort fehlen anfänglich die ing - und heim -Namen als frühe bairische Siedlungszeugnisse. Sie entstanden erst mit der 1. Welle der Ausbausiedlung durch die ab der Mitte des 8. Jhs. zur Kultivierung des Landes von der Huosi-Familie gegründeten Klöster Benediktbeuren am Moorgebiet der Loisach 746 und Tegernsee ebenfalls um 740, denen um 770 Schliersee und das auf Herzog Tassilo III. zurückgehende Doppelkloster auf der Insel Frauenchiemsee folgten. So enden hier die vorgelagerten ing - und heim -Namen heute südlich des Starnbergersees am Staffelsee mit Aidling (Mitte 11. Jh. zu 8. Jh. Otilinga mit PN Ōtilo ), bei Bad Tölz mit Greiling (1042 Cruwilingun mit PN * Grūwilo ), südlich von Bad Feilnbach mit Altofing (1193-95 predium quoddam Altolfingen mit PN Altolf ) und Kutterling (1193-95 predium suum Chůternellingen , 1500 Chuternelling wohl mit PN Allo / Ello und unklarem Beiwort) 90 , südlich von Rosenheim mit Raubling am Inn, (778 Rupilinga mit PN * Rūpilo ) und südlich des Chiemsees mit Schlechting (1122 Slehingin mit PN * Sleho ). 91 An der genannten Linie enden nach Karte 2 aber auch die integrierten antik-rom. Siedlungsnamen (101) Pähl , (97) Nodern , 92 (93) Laus , (106) Langen- und Leonhardspfunzen , (109) Prien und (78) Almau . Auf Grund ihres Lautstandes wurden Pähl , Nodern und Prien mit den jüngeren Akten der Zweiten Lautverschiebung von d > t in der 1. und von b > p in der 90 Das südlich von Bad Feilnbach gelegene Stipfing entstand erst im 16. Jh. und ist benannt nach 1538 Hans und Erhart Stipfinger (freundliche Mitteilung von Wolfgang Janka, 21. Dezember 2018). 91 Die urkundlichen Angaben zu Aidling , Altofing und Kutterling nach dankenswerter Mitteilung von Wolfgang Janka aus den Sammlungen an der Kommission für bayerische Landesgeschichte an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München, alle weiteren nach Reitzenstein (2006). 92 Das in der geographischen Abfolge stehende (116) Valléy fügt sich nicht in die Lautverhältnisse der Umgebung, so dass sich die Annahme, es handele sich um hochmittelalterliche Übertragung des Burgennamens aus Frankreich, bestätigt. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 91 11.09.2019 09: 46: 50 92 5. Baiern und Romanen - ein abschließendes Essay 2. Hälfte des 8. Jhs. ins Bair.-Ahd. aufgenommen, während die die ältesten Akte der Zweiten Lautverschiebung p - > pf - und t - > z bis längstens 650 aufweisenden beiden (106) Pfunzen am Inn und damit an der alten Römerstraße als Handelsweg und wechselseitige Süd-Nordverbindung nicht überraschen können. Ebenso enden in dieser Grenzzone nach Karte 4 die rom.-dt. Mischnamen, die aus dem Kontakt der Baiern mit den Romanen hervorgegangen sind. Es sind dies (M 28) Königsdorf , (M 24) Jasberg , (M 32) Maxlrain , (M 1) Aising und (M 27) Jolling . Unmittelbar auf hier siedelnde Romanen verweisen die deutschen Walchen -Namen im Bereich der oberen Isar, so nördlicher (W 11) Walchstadt am Wörthsee und (W 10) Walchstadt bei Wolfratshausen östlich des Starnbergersees. Wesentlich südlicher befindet sich der (W 9) Walchensee und der hier auf ein größeres, von Romanen bewohntes Gebiet verweisende ON (W 12) Wallgau , von dem es 763 heißt, es sei dies ein pagus desertus , ein unkultiviertes und daher wohl nur ein sehr dünn besiedeltes Gebiet. Südwestlich davon liegt hier der einzige integrierte antik-rom. ON (Garmisch-) Partenkirchen im Werdenfelserland. Wenn der bereits antik als Partano überlieferte ON auch umstritten ist, so steht jedenfalls fest, dass hier die längstens bis 650 wirksamen älteren Akte der Zweiten Lautverschiebung nicht eingetreten sind, aber wegen des Initialakzents die Integrierung während der ahd. Zeit erfolgt ist. Das wird schon spätestens in der 2. Hälfte des 8. Jhs. geschehen sein, denn der frühere, mit Partenkirchen zusammengewachsene Nachbarort Garmisch , der 1935 mit Partenkirchen zum Markt vereinigt wurde, ist bereits 802 als in Germareskauue urkundlich überliefert. Dass die Baiern aber spätestens zu Beginn des 8. Jhs. in diese Gebiete vorgedrungen sind, geht auch aus den frühen urkundlichen Erstbezeugungen im ausgehenden 8. und frühen 9. Jh. mit einer Zeitverschiebung von rund einem dreiviertel bis einem Jahrhundert hervor wie (W 12) Wallgau 763, Kochel am See 11. Jh. zu 739, Tegernsee 804, Schliersee 779 und Raubling am Inn 778-83. Auch die rom.-dt. Mischnamen werden zur selben Zeit erstmals urkundlich genannt, so (M 28) Königsdorf 776-80, (M 1) Aising 778-83 und (M 32) Maxlrain 832. Aber sowohl die Walchen als auch die Mischnamen zeigen, dass es in diesem südwestlichen oberbayerischen Raum ein frühes Miteinander von wenigen Romanen und überwiegenden Baiern gegeben hat. Wahrscheinlich hat sich der Sprachwechsel der Romanen in diesem Gebiet im 8./ 9. Jh. vollzogen. 5. Baiern und Romanen - ein abschließendes Essay Es ist merkwürdig, dass man an der Herkunft der Deutschen von den germanischen Stämmen der Alemannen, Franken, Hessen, Thüringer und Sachsen keine Zweifel hegt, offenbar weil diese seit der Römerzeit des 1./ 2. Jhs. n. Chr. als historische Größen im antiken Schrifttum überliefert sind. Nicht so bei den Baiern. Sie sind ein Neustamm vom Ende der Völkerwanderungzeit, deren Name erstmals 550 auftaucht. Die Sprachgeschichte hat schon im frühen 19. Jh. mit Hilfe der germanischen und deutschen Lautgesetze verbindlich nachgewiesen, dass sowohl im Namen der Baiern als auch in dem bereits am Ende des 1. Jhs. n. Chr. überlieferten Landesnamen Böhmen derselbe Wortstamm enthalten ist. Daraus hat sie einen Zusammenhang in der Weise gefolgert, dass die germanischen Baiern aus dem ehemaligen Land der keltischen Boier nach Süden in das einst von den Römern 15-13 v. Chr. eroberte Gebiet der 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 92 11.09.2019 09: 46: 50 5. Baiern und Romanen - ein abschließendes Essay 93 Raetia secunda und von Noricum, also das heutige Bayern und Österreich südlich der Donau, eingewandert sind. Die Archäologie konnte seit etwa der Mitte des 20. Jhs. in ähnlicher Weise aufzeigen, dass in der Beigabensitte der Reihengräber in Südböhmen und in Bayern nördlich der Donau enge Zusammenhänge in Form handgefertigter Tonschalen vom Typ Přest’ovice - Friedenhain bestehen. So erfuhr um 1980 die Annahme böhmischer Herkunft zumindest der namengebenden Gruppe der Baiern ihre archäologische Bestätigung, wozu auch die Geschichtwissenschaft aus ihrer Sicht beitrug. Diese von drei Wissenschaftsdisziplinen jeweils aus ihrer Sicht überzeugend argumentierten Erkenntnisse über die Herkunft der Baiern werden aber seit dem beginnenden 21. Jh. vor allem durch junge Archäologen erschüttert. Sie sehen im Gegensatz zur Generation ihrer Lehrer statt böhmisch-bayerischen Zusammenhängen vielmehr deutliche Unterschiede in den Bestattungs- und Beigabensitten und finden die bislang als spezifisch erachtete Keramik, wenn auch in Variation über Bayern und Südböhmen hinaus weit verbreitet. Wie die Archäologen zweifeln aber auch vor allem Laien und Vertreter anderer Sprachwissenschaften an den nach germanistischer Ansicht nicht zu trennenden sprachlichen Zusammenhängen von Boiern und Baiern , gleichgültig ob das Bindeglied das seit dem frühen 19. Jh. angenommene Böhmen sein muss. Da die Archäologen für die Herkunftsbestimmung und die Datierung ihrer Objekte Ereignisabläufe und Zeitenfolgen der Geschichtswissenschaft heranziehen, so geschieht es auch bezüglich der Frühgeschichte der Baiern. Die Geschichtswissenschaft sieht die Stammesbildung der Baiern im 5. Jh. als Amalgamierung verschiedener in den voralpinen Donauraum im Lauf des 4./ 5. Jhs zugezogener germanischer Gruppen, wobei der Name Baiern einer bestimmenden, aus Böhmen kommenden Germanengruppe zu verdanken ist, wie es die germanistische Sprachwissenschaft erkannt hat. Daraus folgert nun die Archäologie, dass das Land südlich der Donau an sich das Entstehungsland der Baiern ist, das bis 476 Römerland war. Obwohl die Römerherrschaft durch ständige germanische Überfälle ihr Ende fand und 476 auch das Reich zu bestehen aufhörte, betraf der historisch verbürgte Rückzug der romanischen Bevölkerung nach Italien, angeführt von den Schülern und Begleitern des 482 verstorbenen Mönches Severin, zwar Noricum und damit das heutige Nieder- und Oberösterreich, aber wohl kaum das heutige Bayern der Raetia secunda westlich des Inns. Wer aber lebte nach Ansicht der Archäologen dort? Antwort: Romanen. Schlussfolgerung: Die ab 550 genannten Baiern müssen in diesem Raum daher aus den dort ansässigen Romanen hervorgegangen sein, denn von irgendwelchen Einwanderungen wissen die Geschichtsquellen nicht zu berichten. (Gibt es überhaupt solche Geschichtsquellen? ) Lässt sich das beweisen? Ja: der Name der Baiern ist romanischer Herkunft. Man glaubt ihn in lat. baiulare ‚Lasten tragen‘ gefunden zu haben, so dass die Baiern baiularii ‚Lastenträger‘ seien, die in beiden Richtungen Lasten und Waren über die Alpen tragen. (Lautgesetze der Sprachwissenschaft gehören ja nicht zu den Arbeitsmitteln der Archäologen! ) Ferner müssen die zu Baiern gewordenen bodenständigen Romanen auch ihre Kultur tradiert haben, und das zumindest in den Namen ihrer Siedlungen, die dann das Land als ein romanisches ausweisen müssen. Ist das denn möglich? Ja: das Land Bayern südlich der Donau ist voll von Orts- und Gewässernamen antik-romanischer Herkunft. Besonders zeichnet sich der Übergang der Romanen zu den Baiern in den rom.-dt. Mischnamen ab, die den gesamten Raum in großer Zahl erfüllen. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 93 11.09.2019 09: 46: 50 Aber was die Archäologen als nicht zu ihrem Gegenstand gehörend gänzlich ausblenden, ist die naheliegende Frage: Wie werden Romanen zu germanischen Baiern und sprechen nicht ein romanisches Idiom, sondern germanisch-deutsch? Vergleichen kann man Italiener, Franzosen und Spanier und fragen: Warum reden sie eine romanische Sprache und nicht eine germanische, waren doch ihre Länder in der Spätantike und und im Frühmittelalter ebenfalls von germanischen Völkern beherrscht und regiert, so Italien von Ostgoten und dann bis 774 von Langobarden, Frankreich immerfort von Franken und Spanien bis 711 von Westgoten? Man sieht, dass die Archäologen ihre Ansätze dort enden lassen, wo ihre Disziplin endet: bei stummen Objekten, die aus dem Boden gewonnen werden. Angesichts der von den Archäologen heraufbeschworenen unbefriedigenden Situation ist an die Geschichtswissenschaft zu erinnern, die vor allem für Kleinräume zeigt, dass einerseits ständig Germanen in die nördlichen römischen Provinzen aufgenommen wurden und andererseits auch immer wieder plündernd und kriegerisch eingefallen sind, so dass die Römer gezwungen waren, einen Limes als Schutzwall zu errichten und die Grenzen zu verteidigen, um die Bewohnerschaft zu schützen. Ebenso wird gezeigt, wie sich im Lauf von rund 500 Jahren von der Gewinnung des keltischen Königreiches Noricum und der Eroberung Raetiens durch Drusus und Tiberius 15-13 v. Chr. bis zum Ende der Römerherrschaft 476 n. Chr. das Verhältnis von römischer Bewohnerschaft und Germanen entwickelt hat und verlaufen ist. Nicht nur dass es in Friedenszeiten Handel über die Grenzen hinweg geben hat, wurden Germanen auch ständig in das römische Heer aufgenommen und stationiert und ihre Angehörigen als Föderaten angesiedelt, zu denen sie sich selber nach Beendigung ihres Militärdienstes begaben und im römischen Gebiet verblieben. Ferner wurden, um Überfälle und Raubzüge zu verhindern, dauernd germanische Kleingruppen aus den Nachbargebieten als Föderaten in Grenzgebieten angesiedelt. Das führt, wie man in der Gegenwart bei angesiedelten Gastarbeiterfamilien und schon früh aufgenommenen und integrierten Zuwanderern beobachten kann, zu einer Situation der Mehrsprachigkeit, indem diese Gruppen und Leute in ihren privaten Umkreisen, also in Familien, unter Verwandten und in Freundes- und Bekanntenkreisen sowie in ihren Vereinen und religiösen Zentren ihre mitgebrachte Sprache reden und nur nach außen ein mehr oder minder gutes oder gebrochenes Deutsch gebrauchen. So darf man sich auch die Sprachverhältnisse von Römern und Germanen in den Provinzen und besonders im Donau- und Voralpenraum vorstellen, die eine romanisch-germanische Zweisprachigkeit waren. Bevor wir uns den Auswirkungen dieser Zweisprachigkeit auf die Namen zuwenden, seien einerseits kurz die germanischen Sprachverhältnisse geklärt, die die Germanistik bereits in den 1940er und 1950er Jahren erarbeitet hat, und andererseits die sprachlichen Kriterien aufgezeigt, die Datierungen der Integration der antik-rom. Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche ermöglichen. Das Germanische, mit dem die Römer bzw. die Romanen im Donauraum in Kontakt kamen, war das Elbgermanische als Teil des Westgermanischen. In der Zeit um Chr. Geb. waren zwar einzelne germanische Gruppen bis an die Donau nach Süden vorgedrungen, aber die Hauptsiedlungsgebiete der Germanen erstreckten sich von den Niederlanden im Westen bis an die Weichsel nach Osten. Träger des Westgermanischen waren die drei Verbände der westlichen Weser-Rhein-Germanen von etwa der Weser bis zum Niederrhein und in die westlichen Niederlande, aus denen die verschiedenen Stämme der Franken hervorgingen, die mittlere Gruppe der Elbgermanen etwa von der unteren Elbe bis zur Oder und die nördliche Gruppe 94 5. Baiern und Romanen - ein abschließendes Essay 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 94 11.09.2019 09: 46: 50 der Nordseegermanen von nördlich der Unterelbe bis in die mittlere jütische Halbinsel mit den Friesen, den Sachsen, den Angeln und den Jüten, von denen die nördlichen Teile um 450 n. Chr. auf die britische Insel abwanderten. Im Norden der jütischen Halbinsel, in Schweden und auf den Ostseeinseln befanden sich die Nordgermanen. Von ihnen wanderten schon seit etwa 500 v. Chr. ständig Gruppen über die Ostsee in das Gebiet zwischen Oder und Weichsel ab, und die um Chr. Geb. sich an der unteren Weichsel ansiedelnden Goten zogen dann bis ans Schwarze Meer nach Südosten weiter, ehe sie von dort im 4. Jh. auf der Balkanhalbinsel ins Römerreich eindrangen. Aus den westgermanischen Elbgermanen, die sich nach Süden ausbreiteten, gingen allmählich die Alemannen im Westen, die Baiern in der Mitte und die Langobarden im Osten hervor, über denen sich in Mitteldeutschland die Thüringer befanden, die mit der Auflösung ihres Reiches 531 aus der Geschichte ausschieden. Die Langobarden drangen im ausgehenden 5. Jh. in Pannonien ein und zogen 568 nach Italien weiter, wo ihr Reich bis 768 Bestand hatte. Die sprachlich eng miteinander verwandten Alemannen im Südwesten und die Baiern im Südosten bilden schließlich das oberdeutsche Althochdeutsche, das seit der 2. Hälfte des 8. Jhs. schriftlich überliefert ist. Die germanistische Sprachwissenschaft hat im Bereich der historischen Lautlehre anhand der Integrierungen der antik-rom. Gewässer- und Siedlungsnamen und der Lehnwörter sowie seit der 2. Hälfte des 8. Jhs. mit Hilfe der schriftlichen Überlieferung die Datierungen von frühen Lautwandlungen erarbeitet. Hier seien nur die Zeiträume der Wirksamkeit dieser Lautwandlungen kurz genannt, die es ermöglichen annähernd festzulegen, wann die einzelnen anstehenden Gewässer- und Siedlungsnamen ins Bair.-(Früh)ahd. integriert wurden. Dabei waren die einzelnen Lautwandlungen unterschiedlich lange wirksam, aber jeder Lautwandel weist drei Zeitphasen auf: das Anlaufen, die Hauptwirksamkeit und das Auslaufen. Einzelne Lautwandlungen können sich mit Beginn und Ende durchaus überschneiden oder auch gleichzeitig velaufen. Im Konsonantismus erstreckt sich die in vier Phasen ablaufende Zweite Lautverschiebung über rund 200 Jahre. So erfolgt die Verschiebung der Plosive t , p , k zu Affrikaten z und pf im Anlaut und in der Gemination und aller drei Plosive zu Frikativgeminaten < zz >/ [ ßß ], ff und < hh >/ [ χχ ] im intervokalischen Inlaut und postvokalischen Auslaut von etwa vom ausgehenden 6. Jh. bis längstens 650. Die Verschiebung von d > t in allen Positionen vollzieht sich etwa von 700-760 und von b > p ebenfalls in allen Positionen von etwa 740-780. Etwa von 760-780 wird anlautendes, postkonsonantisches und geminiertes k zur Affrikata < ch >/ [ kχ ] verschoben. Mit dem Wandel von g > k etwa von 760-800 endet die Zweite Lautverschiebung. In zeitlicher Abfolge unterschiedlich wird lat. v im Bair.-Ahd. wiedergegeben: vom ausgehenden 6. Jh. bis über 650 als w , von etwa 660/ 70 bis 700 als ƀ / b , das dann zu p wird, im 8. Jh. als stimmloses f , das dann zu v stimmhaft wird und als solches schließlich von 800-1150 eintritt. Im Vokalismus wird um Chr. Geb. lat. o > a und im 1. Jh. ā > ō . In der langen Zeitspanne von etwa 150 bis längstens 700 vollziehen sich der ältere i -Umlaut von e > i und parallel dazu die Hebung von o > u , dieselbe Hebung von e > i vor u , ū und der a -Umlaut von i > e und u > o . Bereits in die frühahd. schriftliche Zeit fallen von etwa 750-790 der jüngere i -Umlaut von a > e sowie ab 750 die fallenden Diphthongierungen von ē 2 > ea und von ō > oa mit sich dann anschließender Hebung zu ie und uo . Während der ahd. Zeit wird rom. < c >/ [ tß , tß ] vor i und e bis zum Ende der ahd. Zeit um 1050 mit bair.-ahd. < z >/ [ tß ] wiedergegeben und danach im Bair.-Frühmhd. mit < tsch >/ [ t]. Ebenso wird ab etwa 1050 der rom. Paenultimaakzent beibehalten, der zuvor auf die erste Silbe vorverlagert worden war. ˊ 5. Baiern und Romanen - ein abschließendes Essay 95 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 95 11.09.2019 09: 46: 50 Der jüngste bair.-mhd. Lautwandel, der ab ca. 1120 eintritt und nur im Salzburger Raum in drei Fällen unterbleibt, ist die sogenannte „neuhochdeutsche“ Diphthongierung von mhd. ī - ū zunächst zu ei - ou mit anschließender Senkung zu ai - au , was für sehr späte Integrierung spricht. Mit all diesen Lautwandlungen und Lautsubstitutionen kann die germanistische Sprachwissenschaft die Integrierungen der antik-rom. Gewässer- und Siedlungsnamen sowie der rom.-dt. Mischnamen annähernd datieren. Kehren wir zur vorhin angesprochenen romanisch-germanischen Zweisprachigkeit zurück. Sie führte dazu, dass bei Siedlungskontinuität die Umwelt im Lebensraum beider Gruppen ihre Namen behielt. Sie umfasst einerseits als bodenständige feste Gegebenheiten die Flüsse und die markanten Berge, die beide Orientierungshilfen im Raum boten. Es ist deshalb kein Zufall, dass gerade die antik-romanischen Namen der Flüsse des Donau- und Voralpenraumes tradiert wurden und schließlich ins Deutsche gelangten. Demgegenüber sind Siedlungen allergrößten Teils temporär, indem sie aus verschiedenen Gründen aufgegeben und nicht mehr wieder errichtet werden, so etwa wenn sie abbrennen, bei kriegerischen Überfällen zerstört und nicht mehr wiederaufgebaut werden, von Naturkatastrophen wie etwa Überschwemmungen heimgesucht werden oder wenn die Einwohner aus Sicherheitsgründen wegziehen und ein Ort verfällt. Damit aber geht auch ihr Name unter und verschwindet. Tradierung von Siedlungsnamen, seien es solche von größeren Städten, Dörfern, kleinen Weilern oder bloß von Einzelhhäusern, ist nur möglich bei kontinuierlichem Siedlungsfortbestand von einer Generation zur nächsten. Das verwundert nicht bei größeren Siedlungseinheiten, erstaunt aber vor allem bei Einzelhäusern, wofür es jedoch genug Beispiele seit dem Mittelalter, aber auch einige aus den Anfangszeiten gibt. Oft handelt es sich dabei um größere Bauernhöfe, auf denen offenbar Großfamilien mit ihren Dienstleuten lebten. Die Zahl der im einst römischen Territorium des bairischen Raumes südlich der Donau tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen ist bereits an sich sehr gering und erst recht, wenn man sie im Vergleich zu den ältesten althochdeutschen Namentypen der ing - und der heim - Namen sieht, die in räumlich unterschiedlicher Dichte den bairischen Donau- und Voralpenraum erfüllen. Für Oberösterreich gibt es nicht nur Verbreitungskarten, sondern auch Zahlenangaben; 93 leider fehlt beides für Altbayern. So können nach kritischer sprachwissenschaftlicher Beurteilung von urkundlicher Überlieferung und Etymologie 312 ing -Namen als sicher echte Bildungen und 275 ing -Namen als wahrscheinlich echte Bildungen jeweils mit altdeutschen Personennamen und geringfügig mit Standes- und Stammesnamen bei Scheidung der urkundlichen Erstnennung bis 1200 und dann bis 1300 gelten. Das sind zusammen 587 Siedlungsnamen, die wahrscheinlich von den Anfängen im 7. Jh. bis zum Ende der althochdeutschen Zeit um 1050 und damit dem Auslaufen dieses Siedlungsnamentyps entstanden sind. Als etwas jünger gelten die heim -Namen, die in Oberösterreich 308 ausmachen. Davon sind 215 mit einem altdeutschen Personennamen und geringfügig wieder mit einem Standes- und Stammesnamen gebildet und 70 sind Lagenamen. Dazu kommen noch 9 ingheim -Bildungen und 14 Artnamen. Zusammengenommen sind es 895, also rund 900 Siedlungsnamen, die als alt und in der ahd. Zeit entstanden gelten können, wozu freilich noch weitere Siedlungsnamen hinzukommen, die andere Bildungsweisen aufweisen, zahlenmäßig aber sehr zurücktreten. Gegenüber diesen 895 ahd. Siedlunsgsnamen wurden bloß 11 antik-romanische Siedlungsnamen, 1 Waldname und 93 Vgl. zum Folgenden Kouril (1950) und Musil (1953) sowie Wiesinger (1977) mit Auflistung der in den Ortsnamen enthaltenen bair.-ahd. Personennamen. 96 5. Baiern und Romanen - ein abschließendes Essay 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 96 11.09.2019 09: 46: 50 26 Gewässernamen (ohne danach benannte Orte) tradiert. Daraus ergibt sich ein Verhältnis von 895 Siedlungszu 38 Gewässernamen, was sich auf 96 : 4 % beläuft und deutlich zeigt, wie verschwindend gering die Tradierung und damit die Kontinuität aus der romanischen Antike in die germanisch-deutsche Zeit war. Obwohl es für Altbayern keine Zahlen und Berechnungen gibt, und solche zumindest aus den Angaben von Gertrud Diepolder für die Zeit bis 800 erarbeitet werden könnten, wird sich das Zahlenverhältnis nicht wesentlich verändern. Neuerlich wird zwar immer wieder behauptet, Bayern = Raetia secunda sei im Vergleich zu Noricum = Oberösterreich ein Land romanischer Tradition, doch scheint hier eher der Wunsch der Vater des Gedankens zu sein, wenn sich das Zahlenverhältnis auch ein wenig zugunsten geringfügig stärkerer antik-romanischer Traditionen, aber nicht grundsätzlich verschieben sollte. Gerade zum Beweis der letzteren Behauptung dienen die romanisch-deutschen Mischnamen und weiters die auf Romanen Bezug nehmenden Walchen - und Parschalken -Namen. Es kann nicht nachdrücklich genug betont werden, dass es sich bei diesen drei Namengruppen um deutsche Bildungen handelt, die von der Althochdeutsch sprechenden Bevölkerung den betreffenden Siedlungen und einigen wenigen Bächen gegeben wurden, seien es althochdeutsche Benennungen von anfänglich einem romanischen Grundherren unterstehenden deutschen Einwohnern oder seien es Benennungen aus der deutschen Umgebung. Sie fügen sich als Ableitungen und Komposita der ahd. Zeit nicht nur gänzlich in die Arten der ahd. Namenbildung völlig ein, sondern zeigen auch dieselben Laut- und Bildungsmerkmale wie die integrierten antik-romanischen Gewässer- und Siedlungsnamen. Sie sind also wie jene ab dem 7. Jh. entstanden. Wenn betont wird, dass die in Klöstern überlieferten rom. Personennamen zahlreich sind, so ist darauf hinzuweisen, dass ein Großteil dieser Personennamen in seinen Schreibungen die bair.-ahd. Merkmale der Zeit aufweist. Damit stellt sich die nicht beantwortbare Frage, ob ihre Träger wirklich noch Romanen waren und Romanisch sprachen, oder ob es sich vielmehr um Taufnamen handelt, zumal der größere Teil Hagionyme und biblische Namen sind, wie dies auch in den rom.-dt. Mischnamen der Fall ist. Die Romanen waren auf jeden Fall getaufte Christen, und auch die Baiern können nach neueren Anschauungen als Christen gelten, wenn dies auch nicht im Sinne eines tiefen Glaubens zu verstehen ist, den erst die Missionare des 7./ 8. Jhs. zu vermitteln versuchten. 94 Es ist auffällig, dass die rom.-dt. Mischnamen gehäuft um die Bischofssitze Regensburg, Freising und Salzburg des 7./ 8. Jhs. und da mit Hagionymen auftreten, so dass zumindest ein größerer Teil von ihnen offenbar im Zusammenhang mit diesen Bischofssitzen entstanden sein wird. Diesen Eindruck erweckt besonders Freising ohne ältere christliche Traditionen, so dass um die junge Kirche verdiente Leute Grund und Boden erhalten haben können. Möglicherweise trugen sie christliche Taufnamen und müssen deswegen nicht Romanen gewesen sein. Sollte es sich bei diesen Leuten aber tatsächlich um Romanen gehandelt haben, werden sie sich wohl nicht lange über die Gründungszeit 730/ 40 hinaus gehalten haben. Schon die bair.-dt. Umgebung legt das nahe, auf die ja die deutsche Bildung der Mischnamen zurückgeht. Deshalb lehnen wir auch die falsche Assoziationen auslösende neuere Fachbezeichnung „Hybridname“ ab. Sie setzt nämlich die nicht zu beweisende Annahme voraus, dass ursprünglich ein romanischer Ortsname bestand, der dann mit Zunahme der deutschsprachigen Bevölkerung frei ins Bair.-Ahd. übersetzt worden wäre, so dass diese bair.-ahd. Übersetzung sekundär und in Bezug auf die angenommene romanische Ausgangsbasis „hybrid“ sei. 94 Vgl. dazu Later (2012/ 14) und Deutinger (2012/ 14). 5. Baiern und Romanen - ein abschließendes Essay 97 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 97 11.09.2019 09: 46: 50 Einen Sonderfall romanischer Tradition und Langlebigkeit bildet im bairischen Sprachraum die Umgebung der Stadt Salzburg. Dort erlaubt die Beobachtung von Eintritt oder Unterbleiben der relevanten konsonantischen und vokalischen Lautentwicklungen des Bair.-Ahd. und des Bair.-Frühmhd. die Feststellung, wann ein romanischer Siedlungsname übernommen und integriert wurde. Kann man mit diesen einzelnen Datierungen zwar nicht das Ende des Romanischen an den jeweiligen Orten ansetzen, so zeigt ein solcher Zeitpunkt zumindest annähernd an, wann dort das Deutsche überhand nahm, entweder weil ein größerer Teil der romanischsprachigen Bevölkerung den Sprachwechesel zum Deutschen vollzogen hat, oder weil durch ständigen Zuzug deutschsprachiger Baiern das Deutsche überhand genommen und damit das Romanische zurückgedrängt hat. Wahrscheinlich ist dann mit dem Auslaufen des Romanischen in den nächsten beiden Generationen zu rechnen. Die beiden ältesten Salzburger Orte, in denen sich auf Grund der lautlichen Kriterien der Durchführung der ältesten Akte der Zweiten Lautverschiebung die Baiern niederließen, waren (146) Grödig (930 ad Gretticham ) und (149) Kuchl (930 ad Chuchulam ), die bis spätestens 650 integriert wurden. Letzte Romanen konnten sich inselhaft bis gegen die Mitte des 12. Jhs. halten in den Rückzugsorten (161) Rif (1194 Riue ) am Südwestrand der Stadt und in der Einschicht (M 69) Flurnsbach (1195 Flurnespach ) im nordwestlichen Flachgau. Dazu kommt das Bergtal (21) Larosbach (1258 Ladusen ) im Berchtesgadener Land. Zwischen diesen frühesten und spätesten Übernahmen erfolgte nach den lautlichen Kriterien eine rund 500 jährige sukzessive Integrierung der rom. Siedlungsnamen ins Bair.-Ahd. und Bair.-Frühmhd., so dass das Romanische andauernd zurückwich und spätestens um 1150 sein Ende fand. Wie es heute Spannungen und Ressentiments zwischen einer Mehrheit von deutschsprachigen Einheimischen und einer Minderheit von angesiedelten fremdsprachigen Zugezogenen gibt, so waren wohl auch im Frühmittelalter bei den mehrheitlichen Baiern die an Zahl zurücktretenden, wenn auch bodenständigen Romanen nicht immer beliebt. Ein Zeugnis dafür liefern die sogenannten „Kasseler Glossen“ in einer aus dem Kloster Fulda stammenden Handschrift in der Hessischen Landesbibliothek in Kassel (Cod. theol. 4 o 24). Sie enthält ein zweisprachiges lateinisch-bair.-ahd. Gesprächsbüchlein aus dem beginnenden 9. Jh. für einen das Latein beherrschenden Romanen, der ins bairische Land reist und sich dort zurechtfinden soll. So bietet es Wortschatz, Fragen und mögliche Antworten und Phrasen aus dem Alltagsleben. Einen Abschnitt mit psychologischen Begriffen eröffnet das Gebiet des Intellekts mit sapiens homo - spāher man ‚kluger Mensch‘ und stultus - toler ‚einfältig‘. Dann kann sich der Verfasser das Urteil nicht verkneifen: 95 Stulti sunt romani, sapienti sunt Paioari; modica est sapientia in Romana, plus habent stultitia quam sapientia. Tole sint Uualhā, spāhe sint Peigira; luzīc ist spāhi in Uualhum, mēra hapēnt tolaheitī denne spāhī. Einfältig sind die Romanen, klug sind die Baiern; gering ist die Klugheit bei den Romanen, viele haben mehr Einfalt als Klugheit. 95 Nach Althochdeutsches Lesebuch, zusammengestellt von Wilhelm Braune, 17. Aufl. bearb. von Ernst A. Ebbinghaus. Tübingen 1994, S. 9. 98 5. Baiern und Romanen - ein abschließendes Essay 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 98 11.09.2019 09: 46: 51 B. Antik-romanische Namentraditionen im Donau- und Voralpenraum zwischen Lech und Enns 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen (Karte 1) 1.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) Von Albrecht Greule (1) Abens, im Mündungsgebiet der Abens, die von rechts in die Donau fließt, lag die römische Straßenstation † Abusina, jetzt Kastell Eining , Stadt Neustadt a. d. Donau, Lkr. Kelheim, Niederbayern. Am Oberlauf der Abens liegt der Kirchort Abens, Gem. Au i. d. Hallertau, Lkr. Freising, Oberbayern. Den GewN enthält auch der ON Abensberg, Stadt, Lkr. Kelheim, benannt nach der im 12. Jh. errichteten Burg. U: Antik: 3. Jh. (cop. 7./ 8. Jh.) Abusina (Itinerarium Antonini), ca. 375 (cop. 12. JhE) Arusena (Tabula Peutingeriana; lies * Abusena ), 425-430 (cop. 15./ 16. Jh.) Abusina (Notitia dignitatum). GewN: 847-63 Apansa , ca. 1000 Abensa , 1285 Abens ON Abens: 759 (cop. 824-48) in loco qui dicitur Abunsna , 790-94 (cop. 824-48) Traditio … comitis de Abusna, in eo villa Abunsa , 806 (cop. 824-48 ) in loco… Abunsna , 860-975 (cop.) in loco…Apansna ON Abensberg: 1143 Abensberch D: ǭmsd (aus Reichertshausen/ Lkr. Pfaffenhofen a. d. Ilm) E: Wie die ältesten Belege in den Quellen des 8. und 9. Jhs. zeigen, wird der Name der römischen Straßenstation Abúsina in der gekürzten Form rom. Abúsna in die Urkunden übernommen. Der Name Abusina muss vor dem 8. Jh. vom Kastell Eining auf den ganzen Fluss Abens übertragen worden sein, so dass nach ihm im 8. Jh. eine Siedlung an seinem Oberlauf benannt werden konnte. Die Belege Abunsa neben der Übergangsschreibung Abunsna sind Zeugnisse für den außergewöhnlichen Vorgang, dass die Endung -usna zu -unsa mit „Nasalumsprung“ geändert wurde. Ins Bair.-Ahd. integriert erscheint der Name ebenfalls mit „Nasalumsprung“ und mit b - > pals Apansa und Apansna . Den gleichen Vorgang mit Umformung der Endung -asna zu ahd. -ansa zeigt auch ahd. sëgansa ‚Sense‘ < * sëgasna und altsächs. segisna . Die Integrierung des Namens erfolgte bereits ins Bair.-Frühahd. wohl spätestens am Ende des 7. Jhs. als rom. ᵬ/ v noch mit bair.-frühahd. ᵬ/ b gleichgesetzt wurde und dann im 3. Viertel des 8. Jhs. dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung zu bair.ahd. p unterlag (vgl. oben Apansa ). Der ON rom. Abúsina dürfte mit dem Suffix -ina von dem GewN * Abusa abgeleitet sein, vgl. den GewN und ON Ebbs in Tirol < * Abisa . Da idg .*ab- ‚Wasser‘ in den keltischen Sprachen 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 99 11.09.2019 09: 46: 51 100 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen gut vertreten ist, vgl. air. ab ‚Fluss‘, schott.-gäl. abhach ‚mouth of the stream‘, dürfte * Abusa ein kelt. Name sein und sich auf die von den Römern als Therme genutzten Warmwasservorkommen in Bad Gögging an der Abens bezogen haben. L: Greule (2010), S. 20 f.; Greule (2014), S. 22 f.; Greule (2015), S. 337. (2) † Alkimoennís / Ἀλκιμοεννίς ist die in der „Geographie“ des Ptolemaios (2. Jh. n. Chr.) genannte, an der Donau gelegene „polis“, die auf Grund von etymologischen Rückschlüssen mit der latènezeitlichen Anlage auf dem Michelsberg bei Kelheim, Lkr. Kelheim, Niederbayern, wo der Fluss Altmühl links in die Donau mündet, identifiziert wird. U: Der Fluss Altmühl wird mehrfach in den Annalen des 8./ 9. Jhs. erwähnt, die berichten, dass Karl der Große 793 einen Kanal ausheben ließ, um Donau und Rhein miteinander zu verbinden ( fossa Carolina ). In den kopial überlieferten Annalen des 8. - 13. Jhs. und in anderen historiographischen Werken wird die Altmühl in diesem Zusammenhang u. a. wie folgt genannt: Alcmona, Alcmana, Alchmona, Altmona, Alhmonem ; in Urkunden: 895 Alcmona , 918 Alimonia , 975-80 Alchmona , 1000 Altmuna , 1271 Altmul , 1293 Altml , 1329 Altmül (die umfangreiche Belegreihe bei von Reitzenstein, BONF 25, 1983, S. 2-11) D: 'åldˌmīl E: Rom./ vorahd. Alcmona . Die Identifikation des Namens Alkimoennís mit Alcmona / Altmühl setzt voraus, dass die Schreibung 2. Jh. (cop. 11. Jh.) Ἀλκιμοεννίς bei Ptolemaios mit dem Namen des Mains , der beim römischen Geographen Pomponius Mela Moenis lautet, vermischt wurde. Ferner dürfte die überlieferte vorahd. Form Alcmona aus älterem * Alkimona , * Alkimonia gekürzt sein und der Name der Polis auf dem Michelsberg * Alkimónis im lat. lokativischen Ablativ Plural gelautet haben. Dieser auf den Fluss Altmühl übertragene Name der Polis * Alkimónis ist ursprünglich ein Bergname als Kompositum * Alki-monijo- ‚Abwehrberg’ mit dem Grundwort kelt. * monijo- ‚Berg‘ und dem Bestimmungswort vom Verbstamm idg. * alk- ‚abwehren‘. Die chronikalen und urkundlichen Belege des 10./ 11. Jhs. lassen die Schwierigkeiten erkennen, die man mit der Integrierung des Namens in den lat. Kontext mit der Lautgruppe -lkm- hatte: Auf die Erleichterung der Aussprache deutet der Beleg 1000 Altmuna (lies * Altmun(i)a ) hin, indem -lkmzu ltm vereinfacht wurde. Die im 13. Jh. einsetzende volkssprachliche Überlieferung setzt bair.-mhd. * Altmün(e) < bair.-ahd. * Alkmuni voraus. Unter dem Einfluss von mhd. mül(e) ‚Mühle‘ entstand im 13. Jh. die heutige Gestalt des GewN Altmül . L: Bergmann (2011), S. 29-44; Greule (2010), S. 19; Greule (2014), S. 34; Greule (2015), S. 338; Reith (2017), S. 21*-23*. Altmühl siehe Alkimoennís (3) Alz, Fluss, Ausfluss des Chiemsees bei Seebruck, mündet bei Marktl, Lkr. Altötting, Oberbayern, rechts in den Inn. U: 785-98 (cop. 1004) iuxta fluvium Alzus , 815 (cop. 13. Jh.) Alezussa , 832 Alzissa , ca. 1140 de Alzussa , 12. Jh. (cop. 1203-07) fluuui Alzusse , 1245 ex altera parte Altisone , 1246 fluvi … Altusana , 1254 ultra Altsam , 1303 dishalb der Alss , 1308 pi der Altz (die umfangreiche Belegreihe bei von Reitzenstein, BONF 17, 1980, S. 24-25) D: ǭįds 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 100 11.09.2019 09: 46: 51 1.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) 101 E: Rom. * Altus(i)a ist wegen der geographischen Gegebenheiten wahrscheinlich mit s -Suffix abgeleitet von dem vorrömischen Reliktwort * palta ‚Schlamm, Sumpf ‘, dem kelt. * alta entspricht. Integriert wurde der GewN als bair.-ahd. Alzussa (mit Suffixvariante ahd. Alzissa ) mit den älteren Akten der Zweiten Lautverschiebung von t - > z bis spätestens zur Mitte des 7. Jhs. Bair.-mhd. * Alzesse , * Alze(s)s wird zu Alz synkopiert. Belege wie Altisone , Altusana sind klosterlateinische Neubildungen. L: Greule (2010), S. 22 f.; Greule (2014), S. 34; Greule (2015), S. 338. (4) † Ambre, römische Straßenstation, die bei Würmmühle, Stadt Dachau, Lkr. Dachau, Oberbayern, wo die Würm in die Amper mündet, vermutet wird. Die Amper, die in Moosburg, Lkr. Freising, Oberbayern, von links in die Isar mündet, heißt im Oberlauf bis zur Einmündung in den Ammersee Ammer. U: Antik: 3. Jh. (cop. 7./ 8. Jh.) Ambre (Itinerarium Antonini) 775 (cop. 824) Ambre confluentis , 823 Ampre , 1107 Ambare , 1158 Ambersê , 1300 Ambre , 1305 iuxta Amperam , 14. Jh. Amper , 1424 Amer D: 'åmpɒ , 'åmǝr E: Rom. * Ambra > bair.-ahd. * Ampra mit den jüngeren Akten der Zweiten Lautverschiebung. Die Schreibung im Itinerarium Antonini gibt den Lokativ lat.* Ambrae ‚in Ambra‘ wieder. Der GewN ist vor dem in der 2. Hälfte des 8. Jhs. (ca.750-780) erfolgten Lautverschiebungsakt b > p ins Bair.-Ahd. übernommen worden. Die Namensform Ammer ist durch die - im Bairischen seltene, etwa ab 1300 - auftretende Assimilation mb -/ mp - > mm entstanden. Der GewN Ambra existiert im einst keltischen Sprachgebiet mehrfach. Er dürfte mit r -Suffix von kelt. * amb- ‚Fluss‘ abgeleitet sein. L: Greule (2010), S. 21; Greule (2014), S. 36; Greule (2015), S. 338. Ammer/ Amper siehe Ambre (5) Attel, Fluss, links zum Inn bei Attel, Gem. Wasserburg a. Inn, Lkr. Rosenheim, Oberbayern. U: 1323 pei der Aetel ON: 808 (cop. 824) Hatile…Atulla , 885 (cop.12. Jh.) Atilla , ca. 935 Atila , 1137 Aetila , Ende 12. Jh. Attel D: ādl E: Rom. * Adula , ins Bair.-Ahd. integriert als ahd. Atula , das zu Atila abgeschwächt wird und dessen i Sekundärumlaut zu mhd. * Ätele (1137 Aetila ) auslöst. Da die Verschiebung von inlautendem -d- > -tin der 1. Hälfte des 8. Jhs. stattfand, erfolgte die Integration ins Bair.- Ahd. bereits im 7. Jh. Die Etymologie des GewN ist ungeklärt. Vergleichbar sind Ἀδούλας ὃρος / Adula mons , der antike Name des St. Gotthard (Schweiz), Adula , Nebenfluss der Tirza (Lettland) und (85) Atter -see (Oberösterreich). Eine Verbindung mit aind.-ved. adhvan- , altav. aduuan ‚Weg‘ (vgl. LIV, S. 249) ist denkbar. L: Greule (2014), S. 43; Greule (2015), S. 338. (6) Bogen, Stadt, Lkr. Straubing-Bogen, Niederbayern, am Bogenbach, links zur Donau. Östlich von Bogen liegt der Bogenberg, im Bereich des (ehemaligen) Oberlaufs des Bogenbachs die Orte Inderbogen und Bogenwies; 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 101 11.09.2019 09: 46: 51 102 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen (7) † Bogen wurde früher auch der bei Deggendorf, Niederbayern, links in die Donau mündende Kollbach genannt, an dem der Ort Endbogen, Lkr. Deggendorf, Niederbayern liegt. Dieser nördliche Bogenbach nimmt in Deggendorf den südlichen Bogenbach, jetzt Höllbach genannt, auf. U: ON Bogen: ca. 790 (cop. 1254) In uilla Pogana…ad Bogana , 864 Bogana , ca. 1094/ 1104 (cop. ca. 1100) ęcclesiam Bogana , 1108 de Bogen (ausführliche Belegreihe bei Michael Prinz, Regensburg - Straubing - Bogen, 2007, S. 159-161) Die Bogenbäche bei Deggendorf: 882 de fonte orientalis Bogana, in fonte occidentalis Bogana D: ´ bōŋ , 'bō(g)ŋ E: Rom. * Bogna könnte einen kelt. GewN * Bognā fortsetzen, der mit n -Suffix von * bog- (idg. * bhog- ‚fließendes Wasser‘) abgeleitet ist. Obwohl die beiden Bogen-Bäche linke Nebenflüsse der Donau sind, wurden sie wegen der Erhaltung des o später integriert als die (24) Naab, wo das o zu germ. a gewandelt wurde. Der GewN wurde ins Bair.-Ahd. als Bogana mit Sprossvokal a vor n integriert und mit ahd. bogo , Genitiv bogin ‚Bogen‘ umgedeutet als ‚Gebogene‘. Wegen des um die Mitte des 8. Jhs. einsetzenden jüngeren Aktes der Zweiten Lautverschiebung von anlautendem b- > p- (vgl. ca. 790, cop. 1254, Pogana ) lässt sich die Übernahme des GewN ins Bair.-Ahd. auf die Zeit vor der Mitte des 8. Jhs. datieren. Bair.-ahd. Pogana entwickelte sich zu mhd. Pogene, Bogen . L: Prinz (2007), S. 158-164, Greule (2014), S. 67; Greule (2015), S. 339. (8) † Celeuso, Reiterkastell nördlich von Pförring, Lkr. Eichstätt, Oberbayern, wonach Kelsbach, links zur Donau, und Kelsgau, Gebiet im Umfeld des Lkr. Kelheim, Niederbayern, benannt sein sollen. U: Antik: ca. 375 (cop. 12. JhE) Celeuso (Tabula Peutingeriana) GewN: 1580 Kels rivus Gau: 844 Chelasgaue , [nach 893] (cop. 10. Jh.) Chelesgowe , 1040 Chelsgowe D: 'khēįsbåx E: Die Etymologie von Celeuso ist ungeklärt. Der rom. ON, der auf das Gewässer und den Gau übertragen wurde, ist vielleicht mit gall. celicnon ‚Turm’ verwandt und könnte zur idg. Wurzel * kelH- ‚aufragen, hochragen‘ (LIV, S. 349) gehören. ‒ Buchmüller / Haubrichs / Spang (1986/ 7), S. 86 f., vergleichen Kels (-bach) mit dem ON Kelsen , Gem. Merzkirchen, Lkr. Trier-Saarburg, Rheinland-Pfalz, 1328 Kelse , und mit Kelze , Stadt Hofgeismar, Lkr. Kassel, Hessen, 1027 Keleso , 1143 Kelse , wozu noch Kelz , Gem. Vettweiß, Lkr. Düren, Nordrhein-Westfalen, 931, 1159 Kelse , 1027 Kelese , gestellt werden könnten. Sie führen den ON Kelsen allerdings auf einen GewN idg. * Kalisā zurück, der jedoch mit rom. Celeuso nicht in Einklang zu bringen ist. Lat . Celeuso wurde noch ohne Sibilierung von lat. < c >/ [ k ] vor Palatalvokal mit Plosiv als vorbair.* Kel integriert und erst im Bair.-Ahd. der 2. Hälfte des 8. Jhs. mit dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von [ k ] > bair.-ahd. < ch >/ [ kχ ] gewandelt. Unklar bleibt, wie die zweite Silbe, rom. eu , integriert wurde. Die letzte Silbe wird im Vorgang der Komposition synkopiert. Eine Möglichkeit der Eklärung besteht darin, dass rom. * Keleuso über * Kelaso als Ableitung mit s -Suffix von bair.-ahd. chëla ‚Kehle, Schlund, Rachen‘ verstanden wurde, vgl. den Namen von Kelheim , 863-885 Cheleheim . L: Greule (2014), S. 266; Greule (2015), S. 339. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 102 11.09.2019 09: 46: 51 1.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) 103 (9) Donau, Fluss zum Schwarzen Meer. U: Bei römerzeitlichen Autoren und im Mittelalter Dānubius seit Sallust oder Dānuvius zuerst bei Ovid, 790 zu 700 (cop. 12. Jh.) Tonahgaoe ‚Donaugau‘, ca. 1070 (cop. 12. Jh.) Tůnowa , mhd. Tuonouwe (ausführliche Belegliste bei Hausner / Schuster, Altdeutsches Namenbuch I, S. 257-265). D: 'dǭɒnnɒ , 'dōunɒ E: Dem kelt. Name der Donau * Dānoṷos/ -ā liegt idg. * Dāneṷos/ -ā zugrunde, was als onymisierende Ableitung von idg. * dānu- ‚Fluss, Flüssigkeit‘ erklärt wird. Er wurde früh (durch Vermittlung der Römer? ) von den Germanen wohl aus kelt. * Dānoṷos/ -ā als germ. * Dōnawjō entlehnt. Trotz des jüngeren Akts der Zweiten Lautverschiebung von d - > t der 1. Hälfte des 8. Jhs. als bair.-ahd. * Tōnauwa ist der GewN nicht erst kurz davor ins Bair.-Ahd. integriert worden, sondern wegen des germ. Wandels von ā > ō schon im 1. Jh. n. Chr. als germ. * Dōnauwā. Der Vokal ō wurde im Bair.-Ahd. erst in der 1. Hälfte des 9. Jhs. zu oa diphthongiert und dann zu uo gehoben. Das neuerliche anlautende D geht auf die bair.-frühnhd. Konsonantenschwächung des 14. Jhs. zurück. L: Reitzenstein (2006), S. 59 f.; Greule (2014), S. 100; Wiesinger (2014), S. 670-673; Greule (2015), S. 340; Wiesinger (2017a), S. 73 f. (10) Glonn, Fluss links zur Mangfall (zum Inn) in Bad Aibling, Lkr. Rosenheim, Oberbayern. An dieser Glonn liegt der Markt Glonn, Lkr. Ebersberg, Oberbayern. U: GewN: 774 (cop. 824) Clana ON: 859-64 Glana , ca. 1010-20 Glana , 1042-46 Clana , 1127-47 Glane , 1244 Chlan , 1315 Glan , 1582 Glon D: glōn (11) Glonn, Fluss links zur Amper (zur Isar) bei Allershausen, Lkr. Freising, Oberbayern. An dieser Glonn liegt Glonn, Markt Indersdorf, Lkr. Dachau, Oberbayern. U: GewN: antik 1. Jh. n. Chr. Κλάνις 1 770 (cop. 824) ripa fluminis Clana, ripa Clanis fluminis , 1524 (cop. 1518) an der Glann ON: 1092-1113 Glana D: glōn E: Rom. Glana . Der GewN kelt. Glana < * Glanā ist das Femininum des kelt. Adjektivs * glano-s , air. glan ‚rein, klar, glänzend‘. Ins Bair.-Ahd. wird er als Clana spätestens in der 2. Hälfte des 8. Jhs, mit dem letzten Akt der Zweiten Lautverschiebung von g - >bair.-ahd. < c >/ [ k ] integriert. Sie wird später wieder zu bair.-spätahd. Glana rückgängig gemacht. Mhd. Glane , mit Apokope Glan , erfährt dann Hebung von a > o zu Glon . Die Schreibung mit < nn > entspricht der frühnhd. Gewohnheit, Konsonanten funktionslos zu verdoppeln. L: Reitzenstein (2006), S. 97 und 209; Greule (2010), S. 23; Greule (2014), S. 181 f.; Greule (2015), S. 341. 1 Vgl. Reitzenstein in Blätter f. oberdt. Namenforschung 51 (2014), S. 224 f. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 103 11.09.2019 09: 46: 51 104 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen (12) ? Ilm, Fluss, der ursprünglich rechts in die Donau mündete, jetzt aber links zur Abens bei Bad Gögging, Stadt Neustadt a. d. Donau, Lkr. Kelheim, Niederbayern, fließt. An der Ilm liegt Ilmmünster, Lkr. Pfaffenhofen a. d. Ilm, Oberbayern. U: GewN: 820/ 21 (cop. 11. Jh.) Ilma , 887-95 ad Ilminam , 1322 Ilm ON: 765-67 (cop. 824) in locis… Ilmina , 912-32 (cop. 11. Jh.) ad monasterium Ilmina , 1177 Ilmnster . D: ēįm (aus Ilmmünster, Lkr. Pfaffenhofen a. d. Ilm) E: Fraglich ist die bisherige Herleitung des GewN als rom. * Elmina > bair.-ahd. Ilmina aus kelt. * Elmenā vom kelt. Verbstamm * el- ‚treiben; gehen‘ (LIV, S. 235). Einsichtiger ist die Erklärung als germ. GewN * Ëlmina ‚Ulmenbach‘, mit n -Suffix abgeleitet von ahd. ëlm ‚Ulme‘, dem der völlig germ./ ahd. GewN Ilm als linker Nebenfluss der Thüringischen Saale (968 Ilmena , 1186 Ilmina ) entspricht. In beiden Fällen liegt der bis ins 5. Jh. n. Chr. geltende frühgerm. Lautwandel germ. ë > i vor i vor. L: Reitzenstein (2006), S. 122; Greule (2014), S. 240; Greule (2015), S. 341; LIV, S. 235. (13) Inn, Fluss links zur Donau in Passau, Niederbayern; † A ponte Aeni, römische Siedlung am Übergang der Straße Augusta Vindelicum - Iuvavum, jetzt Pfaffenhofen am Inn, Gem. Schechen, Lkr. Rosenheim, Oberbayern. U: Antik: ca. 105-09 (cop. 11. Jh.) ripam Aeni fluminis (Tacitus, Historien), 2. Jh. (cop. 11. Jh.) τοῦ Αἶνου ποταμοῦ (Ptolemaios), 2. Jh. (cop. 11. Jh.) Ἔνος (Arrian); 3. Jh. (cop. 7./ 8. Jh.) a ponte Aeni (Itinerarium Antonini) Ca. 780 (zu 743, cop. 9./ 10. Jh.) ultra Igne fluvium , 790 (cop. 12. Jh.) ripam Eni , 904 Eni fluminis , 1025 Hin , ca. 1050 inter Inum et Isinam , 1060 In , kurz vor 1300 in daz In , 1338 Wasser , 1381-87 enhalb des Inns (ausführliche Belegliste bei Hausner/ Schuster, Altdeutsches Namenbuch I, S. 553-555). D: In Oberösterreich neutral s ī n , in Nieder- und Oberbayern mask. dɒ 'īn E: Rom. * Enu wird ins Bair.-Ahd. als Neutrum * Inu , mhd. In(e) (mundartlich s īn ) mit Hebung des e vor u der Folgesilbe übernommen. Da diese Tonhebung früh erfolgte, wird die Integrierung bis spätestens Anfang des 6. Jhs. wohl im Mündungsgebiet in Passau / lat. Batava , Batavis geschehen sein, das damals als * Bazzawa mit dem älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung ins Bair.-Frühahd. integriert wurde. Rom. * Enu beruht auf lat. Enu-s . Mit Enus übernahmen die Römer den von der einheimischen Bevölkerung, zumindest im Mündungsgebiet des Inns, gebrauchten Namen * Enos , hielten ihn aber für vulgärlateinisch und übertrugen ihn teilweise hypokorrekt als Aenus ins klassische Latein. Die weitere Etymologie ist unklar. Da mittelir. en ‚Wasser‘ deonymisch vom Namen des Inns auf das Inselkeltische übertragen worden sein kann, erscheint dieses Appellativ (mittelir. en ) als Etymon des GewN fraglich, vgl. jedoch die etymologischen Ausführungen zum GewN (50) Innbach, Oberösterreich. L: Greule (2010), S. 21; Greule (2014), S. 243; Wiesinger (2014), S. 679-681; Greule (2015), S. 341. (14) Isar, Fluss rechts zur Donau, der bei Plattling, Lkr. Deggendorf, Niederbayern, mündet; † Iovisura, römische Straßenstation bei Landshut, Niederbayern, vermutlich an der Stelle, wo die Römerstraße Regensburg ‒ Pfaffenhofen a. Inn die Isar quert. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 104 11.09.2019 09: 46: 51 1.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) 105 U: Antik: 3. Jh. (cop. 7./ 8. Jh.) Iovisura (Itinerarium Antonini) 736-48 (cop. 9. Jh.) Isara , 755 (cop. 824) Isura , 776-78 (cop. 12. Jh.) iuxta fluenta Isure , 819 (cop. 824) Isara , 1226 Iser , 1628 Isar D: 'īsɒ E: Rom. * Isura/ Isara entspricht idg. * Isərā , dem Femininum des Verbaladjektivs idg. * isəró-s ‚antreibend‘. Der ON Iovisura ist haplologisch gekürzt aus * Iovis Isura ‚Isarübergang des Juppiter’. Für eine frühe Entlehnung des Flussnamens ins Althochdeutsche spricht, dass der Wandel des vorromanischen i > e , der seit dem 3. Jh. n. Chr. bezeugt ist (vgl. lat. pice > ital. pece , ahd. pëh ‚Pech‘), in Isura/ Isara nicht vorliegt, so dass die Ausgangsform * Isura war. Die heutige Schreibung und Lautung Isar ist eine historische Reminiszenz. Die Dehnung des kurzen mhd. i > ī in offener Tonsilbe (1226 Iser > ´ īsɒ ) begann im Bair. im 13./ 14.Jh. L: Reitzenstein (2006), S. 125; Reitzenstein (2001/ 2002), S. 43-46; Greule (2014), S. 244 f.; Greule (2015), S. 341. (15) Ischl Kirchdorf, Gem. Seeon-Seebruck, Lkr. Traunstein, Oberbayern, das an der Ischler Achen liegt, kurz bevor sie von links in die Alz (z. Inn) mündet. U: ON: 925 (cop. ca. 935) loca … Iscala , ca. 1120 ad Istcl (sic! ), ca. 1195 de Isele (frdl. Hinweise von Wolfgang Janka, 9.3.2017). D: ´įߡl˳ E: Rom. GewN * Iskula und auf das Kirchdorf übertragen. Zu erklären wie der GewN Ischl , l. z. Traun, an der Bad Ischl , Oberösterreich, liegt. Die GewN * Iskula werden als kelt. Namen mit * isko- (air. íasc ) ‚Fisch‘ (vgl. germ. * fiska- , lat. piscis ) in Verbindung gebracht, bedeuten also einfach ‚Fischbach‘. Das im Anlaut bewahrte i setzt trotz des a der Folgesilbe in der ältesten schriftlichen Überlieferung ein ursprüngliches u voraus, denn sonst wäre i zu ë gesenkt worden. L: Rettner (2004), S. 326 f. (ohne Belege); Greule (2014), S. 245. (16) Isen, Fluss, der bei Winhöring, Lkr. Altötting, Oberbayern, von links in den Inn mündet; im oberen Isental liegt der Markt Isen, Lkr. Erding, Oberbayern. Nach dem Fluss ist der Isengau benannt. U: GewN: 748-60 (cop. 824) infra flumine que dicitur Isana ON: 769 (cop. 824) Isana , 1025 Isona , ca. 1152 Isene , ca. 1157 Isen GauN: 790 Isanagaoe D: 'īsn E: Rom. * Isuna entspricht dem femininen Adjektiv idg. * isənó-s/ -ā . Der GewN Isuna ist in seiner Etymologie, Struktur und Lautentwicklung dem GewN (14) Isar vergleichbar. Das im Anlaut bewahrte i setzt trotz des a der Folgesilbe in der ältesten schriftlichen Überlieferung ein ursprüngliches u voraus, denn sonst wäre i zu ë gesenkt worden, vgl. (14) Isar und (15) Ischl .- Der ON † Isinisco/ Isunisco (Itinerarium Antonini, Tabula Peutingeriana), Namen der Station an der Via Julia (Augsburg ‒ Salzburg), heute vielleicht Groß-/ Kleinhelfendorf, Gem. Aying, Lkr. München, Oberbayern, ist vermutlich mit dem Suffix -isco von einem GewN * Isina / * Isuna abgeleitet. Diese * Isina / * Isuna könnte der alte Name der Mangfall (z. Inn) gewesen sein, deren Lauf unweit von Großhelfendorf nach Süden abbiegt. L: Greule (2014), S. 246; Greule (2015), S. 341. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 105 11.09.2019 09: 46: 51 106 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen Kelsbach siehe † Celeuso (17) Große Laaber Fluss links zur Donau bei Straubing, woran die Orte Laaber und Laaberberg, Markt Rohr, Lkr. Kelheim, Niederbayern, liegen; (18) Kleine Laaber, rechts zur Großen Laaber, woran Laber, Gem. Hohenthann, Lkr. Landshut, Niederbayern, und Laberweinting, Lkr. Straubing-Bogen, Niederbayern, liegen; (19) Weiße Laaber, links zur Altmühl bei Dietfurt, Lkr. Neumarkt i. d. Oberpfalz; (20) Schwarze Laaber, links zur Donau bei Sinzing, Lkr. Regensburg, Oberpfalz, mit den Orten Laaber, Gem. Pilsach, Lkr. Neumarkt i. d. Oberpfalz, und Markt Laaber, Lkr. Regensburg, Oberpfalz. U: (1) Große Laaber: ca. 790 (cop. 1254) Lapara ON: 12. Jh. de Labere (2) ON Laberweinting: 1292 Laberweimpting (3) Schwarze Laaber: ca. 1150 (cop. 14. Jh.) Labere ON Markt Laaber: ca. 1040 Labere D: 'lǭwɒ (für die Laaber / Lkr. Neumarkt i. d. Oberpfalz und Laaber / Lkr. Regensburg) E: Der GewN rom. * Labara wird verglichen mit den in England und Schottland vorkommenden GewN, die urkelt. * lab(a)ro- (air. labar ) ‚geschwätzig‘ fortsetzen. Da die Laaber-Flüsse im Raum um Regensburg aber durch schwaches bzw. nicht vorhandenes Gefälle ausgezeichnet sind, verbindet man ihren Namen besser mit idg. *lēb- / * lāb- ‚schlaff sein‘ (IEW, S. 655 f.) als Adjektiv * ləb-ró- > * labro- . Rom. * Labara wurde bereits ins Bair.-Frühahd. wohl spätestens am Ende des 7. Jhs. integriert, als rom. ᵬ/ v noch mit bair.-frühahd. ᵬ/ b gleichgesetzt wurde und dann im 3. Viertel des 8. Jhs. dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung zu bair.-ahd. p unterlag, vgl. ca. 790 (cop. 1254) Lapara . L: Reitzenstein (2006), S. 148; Greule (2010), S. 25; Greule (2014), S. 293; Greule (2015), S. 343. (21) Larosbach, Fluss, der von der Buchenhöhe in Berchtesgaden, Oberbayern, herabfließt und an der Laroswacht, einer Gaststätte, rechts in die Berchtesgadener oder Königsseer Ache (/ Alm; z. Salzach) mündet. Im Tal des Larosbaches liegt die weitere Gaststätte Laroshäusl. Wohl an der Stelle der heutigen Ahornalm ist bereits Ende des 8. Jhs. eine Alm mit Schafweide bezeugt, die Laros geheißen haben könnte. Nicht genau lokalisiert ist eine seit 1387 bezeugte Örtlichkeit In der Ladosen . U: 1258 a riuo qui dicitur Ladusen , 1566/ 67 Ladosenpach , 1628 Larospach Alm: ca. 790 (cop. 12. Jh.) duos alpes…Gauzo et Ladusa , 1385 (cop. 1690) die Albm auf der Ladosen , 1505 (cop. 1690) Albm Ladosn , 1538 Alpis Lodosen , 18. Jh. Larosen Käser Örtlichkeit unbekannter Lage: 1387 (cop. 1690) in der Ladosen , 1455 in der Lodosen , 1538 an der Lodosn , 1602 Ladosen , 1652 in der Larosen . D: ( 'lārosˌbåx : Die Aussprache erfolgt nach der Schreibung, eine Dialektaussprache gibt es nicht mehr.) E: Rom. * Lodósa < lat. * Lutōsa ‚die Kotige, Lehmige‘ von lat. lūtus ‚Kot, Lehm‘. * Lodósa zeigt die typische rom. Inlautlenierung von lat. -t- > rom. -d- . Dieses wurde zwar ohne Zweite 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 106 11.09.2019 09: 46: 51 1.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) 107 Lautverschiebung von rom. -derst nach der Mitte des 8. Jhs . ins Bair.-Ahd. integriert, aber mit Ersatz der während der ganzen ahd. Periode üblichen Substitution des rom. geschlossenen ō durch bair.-ahd. ū als Ladūsa , weil es im Bair.-Ahd. nur offenes ǭ gab. Da hier ū jedoch im 12. Jh. nicht der „neuhochdeutschen“ Diphthongierung zu au unterzogen wurde, erfolgte die Integrierung erst ab dem späteren 12. Jh., vgl. (161) Rif in Salzburg. Der Bachname des unbesiedelten Tales mit bloß zwei Gaststätten wird heute nach der Schreibung und in deutscher Weise mit Initialakzent ausgesprochen. Anzunehmen ist jedoch, dass die ursprüngliche Dialektaussprache den rom. Paenultimaakzent beibehalten hatte. Im 17. Jh. wird dann in der Schrift der mundartliche Rhotazismus von stimmhaftem s - > r fassbar. Die heutige Form Larosbach ist außerdem aus Larosenbach synkopiert. L: Reitzenstein (1991), S. 89 f.; Greule (2014), S. 299; Greule (2015), S. 343. (22) Lech, Fluss rechts zur Donau östlich von Donauwörth, Bayerisch Schwaben. U: Antik: Ptolemaios (2. Jh., cop. 11. Jh.) überliefert sowohl den maskulinen Genitiv τοῦ Λικίου ποταμοῦ als auch den femininen Akkusativ παρά τὴν Λικίαν ποταμóν ; ca. 570 (cop. 9. Jh.) Licca (Venantius Fortunatus). Das Tropaeum alpium bezeugt 8/ 7 v. Chr. den Stammesname Licates ‚Lech-Anwohner‘. ca. 790 (cop. 9. Jh.) Lecha (Paulus Diaconus), 8. Jh. (cop. 10. Jh.) Lech , ca. 1260 an daz Lech , überz Lech , 1276 der Lech . D: bair. lęx , schwäb. lęɒx E: Rom. *Licius/ *Licus m. , * Lica f., bis spätestens gegen Mitte des 7. Jhs. mit Senkung von i > ë vor a und Zweiter Lautverschiebung von inlautendem < c >/ [ k ] > bair.-ahd. < hh >/ [ χ χ ] ins Bair.-Ahd. als Lëch m./ n. und Lëcha f. integriert, später latinisiert als Licus , Lichus . Etymologisch wird rom. * Licus/ *Lica über kelt. * Likos/ -ā < * wlikos/ -ā auf idg. * wlikwó-s ‚Befeuchter’ zu idg. * wleikw- ‚befeuchten’ zurückgeführt. L: Greule (2014), S. 304; Wiesinger (2014), S. 681-683., Greule (2015), S. 343. (23) ? † Munituna abgegangener Name eines Sees und Ortes zwischen Regensburg und Straubing. U: 878/ 85 (cop. 10. Jh.) iuxta lacum Munituna, ad Munituna . E: Vielleicht Kompositum vorbair./ rom. * Muni-dūna , das kelt. * dūnon ‚Burg‘ und einen GewN * Muno- / * Mūno- zu idg. * meu- ‚unreine Flüssigkeit‘ enthält und spätestens in der 1. Hälfte des 8. Jhs. mit dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von d - > t ins Bair.-Ahd. integriert wurde. L: Prinz (2007), S. 289 f. (24) Naab, Fluss links zur Donau, der bei Regensburg am nördlichsten Punkt der Donau mündet. Zu beiden Seiten der Naab liegt die Stadt Nabburg, Lkr. Schwandorf, Oberpfalz. U: 883-87 Napa , ca. 1006 Naba , 1199 Nabe , 1245 Nab , 1546 Naab ON: 929 Nabepurg , 1115-26 Nappurch , 1576 Nabburg D: 'nō , 'nō ̩būrx E: Lat. * Noba/ Nova ? Da der GewN Naab etymologisch auf das Nomen loci * nobhā ‚wo es feucht wird‘ zu idg. * nebh- ‚feucht werden, bewölkt werden‘ zurückgeführt wird, reflektiert er nicht nur den frühen germ. Lautwandel der Zeit um Chr. Geb. von lat. o > germ. a , son- 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 107 11.09.2019 09: 46: 51 108 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen dern rom. ᵬ/ v wurde mit bair.-frühahd. ᵬ/ b gleichgesetzt und dann im 3. Viertel des 8. Jhs. dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung zu bair.-ahd. p unterzogen (vgl. 883-87 Napa ). L: Greule (2014), S. 367; Greule (2015), S. 344. (25) Paar, Fluss rechts zur Donau, der gegenüber von Großmehring, Lkr. Eichstätt, Oberbayern, mündet, mit den Orten Baar-Ebenhausen, Lkr. Pfaffenhofen an der Ilm, Oberbayern, Parr-Harthausen, Stadt Friedberg, Lkr. Aichach-Friedberg, Schwaben, und Parr, Markt Kühbach, Lkr. Aichach-Friedberg. An der ursprünglichen Mündung lag in der späten Latènezeit das Oppidum Manching, der Hauptort der keltischen Vindeliker. (26) Kleine Paar, Fluss rechts zur Friedberger Ach (zur Donau), mit dem Ort Baar, Lkr. Aichach-Friedberg, Schwaben. U: 1171-1203 (cop. 13. Jh.) apud Parram , ca. 1279-84 aput fluvium Parram , 1310 ze iener seiten der Parre , 1451 an der Paar ON Barr-Ebenhausen: 11. Jh. Parra , 1277 Barre ON Parr-Harthausen: ca. 1100 (cop. 12. Jh.) de Parra ON Parr, Markt Kühbach: 11. Jh. (cop. 16. Jh.) Parra Kleine Paar: 1832 Paar ON Baar: 13. Jh. in Barre D: båˉr E: Rom. * Barru . Wie im Fall von (2) Alkimoennís/ Altmühl dürfte der Name des Oppidums Manching, kelt. * Barros (? ), urkelt. * barro - ‚Spitze, Kopf, Anhöhe‘, auf den hier mündenden Fluss übertragen worden sein. Ins Bair.-Ahd. wird der GewN über die als Dativ interpretierte Form ( in ) * Barru , die als Nominativ Parra weitergeführt wurde, integriert worden sein. Die Integrierung erfolgte wegen des jüngeren Aktes der Zweiten Lautverschiebung b- > pvor der Mitte des 8. Jhs. L: Greule (2010), S. 22; Greule (2014), S. 397; Greule (2015), S. 344. (27) ? Pfettrach, Fluss links zur Isar, woran Pfettrach, Markt Altdorf, Lkr. Landshut, Niederbayern, liegt; (28) Im Entstehungsgebiet des Mauernerbachs , links zur Amper (zur Isar), liegt Pfettrach, Gem. Attenkirchen, Lkr. Freising, Oberbayern. U: ca. 1563 ad Pfetrach rivum ON (Markt Altdorf ): ca. 790 (cop. 11. Jh.) in uilla Phetarah , 889-91 (cop. 11. Jh .) ad Fetarah , 901 (cop. 11. Jh.) in loco Phetarahc Mauernerbach: 755 Pfetarahha flumen ; 815, 818 iuxta fluvium … Phetarach , 850-51 prope rivolum Phetarach , 975-72 iuxta ripam aquae Phetarah ON (Gem. Attenkirchen): 764 in loco … Phetarach , 773 Feteraha , 773 Phetaraha , 776 Phetaraha , 776, Phetarah, Phetaracho ; 9. Jh. Phetarach, Phetaraha . D: 'bfēdrɒ E: Der GewN ist vermutlich von einem ON rom. * Patriácu übertragen worden. Wo das römische Praedium lat. * Patriācum lag, ist unbekannt. Infrage kommen wegen des Namens das 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 108 11.09.2019 09: 46: 51 1.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) 109 Pfarrdorf Mauern, Lkr. Freising, am Mauernerbach, 899 Murun , und Pfettrach unweit Altdorf bei Freising. Der ON dürfte auf den heute Mauernerbach genannten Fluss übertragen worden sein, haftet aber heute nur noch an Pfettrach bei Attenkirchen am Oberlauf. Der gleiche Vorgang könnte beim ON Pfettrach (bei Altdorf) vorliegen, mit dem Unterschied, dass hier der Name Pfettrach für den Fluss (zur Isar) erst spät bezeugt ist. Die Datierung der Integrierung des Namens in das Bair.-Ahd. stützt sich auf die älteren Akte der Zweiten Lautverschiebung p- > pf- und k > <-ch-> / [ χχ ] , die nach 565 bis längstens Mitte 7. Jh. erfolgten. Der Umlaut von a > geschlossenem e vor j, das danach schwindet (bair.-frühahd. * Pfátrjach > Pfétrach ) trat in der 2. Hälfte des 8. Jhs. ein. Voll integriert ist der Name als bair.-ahd. Pfetarah mit Sprossvokal a in der dritten Silbe und wird zum GewN Pfetar-aha umgedeutet. L: Buchmüller-Pfaff (1990), S. 387; Greule (2014), S. 403; Greule (2015), S. 345. (29) Regen, Fluss links zur Donau, danach das gegenüber der Mündung gelegene römische Legionslager † Regino. An der Mündung liegt die Stadt Regensburg, oberhalb der Mündung befindet sich am Regen der Regensburger Stadtteil Reinhausen. U: Antik: 3. Jh. (cop. 7./ 8. Jh.) Regino (Itinerarium Antonini), ca. 375 (cop. 12. JhE) Regino (Tabula Peutingeriana), 425-30 (cop. 15./ 16. Jh) castra Regina (Notitia dignitatum) ca. 700 (cop. 13./ 14. Jh.) Reganum , 819 (cop. 9. Jh.) Regan , 1029 Regin 772 (cop. 9.Jh.) Reganespurch , 794 civitatis nostrae Reganisburgensium , ca. 890 zu 791 (cop. 12. Jh.) rediens … Reginum quam Reganesburg nunc vocitat , kurz vor 900 Regnesburh ON Reinhausen: 1007 Reginhusen D: reŋ , 'rē(g)ŋ ; 'reŋˌšbuɒg E: Lat . GewN Réginus , danach das gegenüber der Mündung liegende römische Militärlager im lokativischen Ablativ Régino , später Regensburg . Der GewN geht auf kelt. * Reginos zurück und ist gebildet wie urkelt. * regini - ‚gedehnt‘, ein mit n -Suffix vom Verbum urkelt. reg-o -‚sich dehnen, ausbreiten‘ abgeleitetes Adjektiv. Die Benennung im Sinne von „ausgedehnter Fluss“ bezog sich wahrscheinlich auf das weite Mündungsgebiet und auf die Länge des Flusses. Der GwN wird - unter Aussparung der lat. Endung -us/ -o - einerseits mit Synkope als * Regn ins Bair.-Ahd. übernommen, mit Sprossvokal > Regan , andererseits als Regin , kontrahiert zu bair.-mhd. * Rein . Regensburg , bair.-ahd. Reganes-burg , ist Lehnübersetzung von rom. Regino castra . L: Reitzenstein (2006), S. 224-227; Greule (2014), S. 429; Greule (2015), S. 346. (30) Saalach, Fluss, der am Saalachspitz (Salzburg/ Freilassing) links in die Salzach (zum Inn) mündet, danach Saaldorf, Lkr. Berchtesgadener Land, Oberbayern. Der Unterlauf der Saalach bildet die deutsch-österreichische Grenze. U: 788 (cop. 12. Jh.) iuxta fluvium Sala , 1025 Sála , 1147-67 Engilpreth de Sale , 1219 flumen Sâl , ca. 1334 (cop. 14. JhII) parte aque que vocatur Sal , 1526 (cop. 16. Jh.) Sallach , 1797 Saal D: 'sǭlǫx ON Saaldorf: 'sōlįˌdv E: Rom. Sála , was auf idg. * Salā ‚Salzfluss‘ zurückgeführt wird (IEW, S. 878 f.). Nach der Integrierung des GewN ins Bair.-Ahd. ohne lautliche Veränderungen und nach bair-mhd. Abschwächung des auslautenden -a > -e wurde der erste Vokal in offener Tonsilbe im 13./ 14. Jh. zu [ sālǝ ] gedehnt. Durch die Apokope entstand ein einsilbiger Name mit langem a -Vokal 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 109 11.09.2019 09: 46: 51 110 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen (1219 Sâl ), der um Verwechslungen mit dem Appellativ der Saal vorzubeugen, um das Flussnamengrundwort Ach zu Saal-ach erweitert wurde (1526 Sallach ). L: Reitzenstein (2006), S. 239; Greule (2014), 455; Greule (2015), S. 346; HELSON 1 (2105), S. 107f. (30a) ? Schutter, Fluss links zur Donau, der bei Ingolstadt mündet. Mit den im 2. Jh. n. Chr. inschriftlich genannten vik[ani] Scutt[arenses] sind die Bewohner von vicus und Kastell Nassenfels, Lkr. Eichstätt, Oberbayern, gemeint. U: 918 Scutara , 1002 Scutura , 1392 an der Schutter . D: 'šutɒ E: rom.? * Scutra , ins Bair.-Ahd. integriert mit Sprossvokal in der 2. Silbe als Scutara . Der Name der bayerischen Schutter kann nicht vom Namen der badischen Schutter im Ortenaukreis, Baden-Württemberg, getrennt werden. Trotz der römischen inschriftlichen Überlieferung sind beide Namen aus dem germ. Adjektiv * skut-ra- ‚schnell fließend‘ erklärbar. L: Czysz (1995), S. 485; Greule (2014), S. 483; Reith (2017), S. 23*f.] (31) Sempt, Fluss, der nach 46 km bei Haselfurth, Gem. Eching, Lkr. Freising, Oberbayern, von rechts in die Isar mündet. Nach dem Fluss sind benannt der Ortsteil Sempt, Gem. Forstinning, Lkr. Ebersberg, Oberbayern, und der Gasthof Sempt, Stadt Moosburg an der Isar, Lkr. Freising. U: vor 788 (cop. 9. Jh.) ad Samitun , 811 (cop. 824) super fluvio qui dicitur Semita , 817 (cop. 824) prope fluvio Semita , 821 (cop. 824) ad Semitum, Semitun , 891 in ripa fluvii … Semita , 934 ad Semitaha , ca. 1000 iuxta ripam que dicitur Semita , 1138/ 47 in loco qui Sempte dicitur , 1315 Sempde , 1352 Semt , 1578 Sempt . D: semt (HONB Ebersberg, S. 109, Nr. 355) E: Rom. * Samida , mit aus -t leniertem -dwahrscheinlich aus lat./ kelt. * Sameta entstanden. Der Name ist mit -t- Suffix (vgl. GewN Oichten < * Ogeta/ Ogata ) vom Verbalstamm kelt. * sem- ‚gießen‘ (idg. * semH -, griech. ἅμη ‚Wassereimer‘) in der Bedeutung ‚Gießbach‘ abgeleitet. Vermutlich unter der Einwirkung von Joseph’s rule (frühurkelt. * semH-to- > * semato- > * samato- ; vgl. LIV, S. 531) erscheint er als lat. * Samata bzw. * Sameta , rom. * Samida , vgl. GewN Samina (Vorarlberg) und ON Samaro-briva , jetzt Amiens (Frankreich). Ins Bairische wurde rom.* Samida integriert mit dem späten Akt der Zweiten Lautverschiebung von rom. -dzu ahd. -tder 1. Hälfte des 8. Jhs. und mit Primärumlaut von rom. a > bair. e der 2. Hälfte des 8. Jhs. (der im ältesten Beleg noch nicht schriftlich durchgeführt ist). In der Form Semita werden die unbetonten Vokale zu mhd. * Semete abgeschwächt und der Mittelsilbenvokal synkopiert zu * Semte , mit Sprosskonsonant Sempte . Die Apokope des auslautenden Vokals führt zur heutigen Form Sempt . L: Schwarz (1970), S. 892 f.; Greule (2014), S. 495. (32) Sulz, Fluss links zur Altmühl (zur Donau), der in Beilngries, Lkr. Eichstätt, Oberbayern, mündet. Am Oberlauf liegen die ehemalige Höhenburg Obersulzbürg und der Markt Sulzbürg, Gem. Mühlhausen, Lkr. Neumarkt i. d. Oberpfalz, Oberpfalz. U: 900 Solanza , 1080 (cop. 11. Jh.) Solenze , 1517 Sultz ON Sulzbürg: 1230 Solzpurch , 1247 Sulzburg , 1333 Soltzprg , 1820 Sulzbürg . D: sultß 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 110 11.09.2019 09: 46: 51 1.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) 111 E: Rom. *Sulanta , mit dem Suffix -ant(i)a abgeleitet von kelt. * sul- ‚Schlamm‘ in der Bedeutung ‚viel Schlamm führend‘. Der GewN ist wegen der Senkung des rom. u > o vor a der Folgesilbe schon vor dem 6. Jh. ins Bair.-Frühahd. integriert worden. Erst dann erfolgte nach 565 der ältere Akt der Zweiten Lautverschiebung von -t- > Affrikata -z- . Bair.-ahd. Solanza wird über mhd. Solenze mit Synkope zu * Solnze , * Solze verkürzt und mit ahd. sulza ‚Salzwasser, Sumpf ‘ identifiziert. Der ON Sulzbürg enthält im Grundwort -bürg den umgelauteten Dativ von ahd./ mhd. burg (ahd . zi burgi > mhd. ze bürge , -bürg ). L: Reitzenstein (2006), S. 268; Greule (2014), S. 524; Greule (2015), S. 347. (33) Sur, Fluss links zur Salzach, der bei Surberg, Lkr. Traunstein, Oberbayern, entspringt, Saaldorf-Surheim, Lkr. Berchtesgadener Land, passiert und bei Laufen, Lkr. Berchtesgadener Land, Oberbayern, mündet. U: ca. 790 (cop. 12. Jh.) super rivolum Surâ , 814? (cop. 9. Jh.) fluvius Sura , 825 (cop. 9. Jh.) ad Sura , 1048 in fluvium Sura, ca. 1193 Sur, Anfang 13. Jh . Sûr , nach 1242 Sůre ON Surberg: ca. 790 (cop. 12. Jh.) Sureberch , 1122-1147 Surberg ON Surheim: 854 (cop. 9. Jh.) villa nuncupata Sura , 1124 (cop. 13. Jh. und 19. Jh.) Suriheim , 1134 Surheim D: sūɒ E: Rom. Súra wird mit rom. Kürzung des langen -ūauf den idg. GewN * Sūrā zurückgeführt, der dem Femininum des mit dem Suffix *-ró- von idg. * seṷh 1 - (ablautend * sū- ) ‚antreiben‘ abgeleiteten Adjektivs entspricht. Ohne lautliche Veränderungen und damit ohne germ. Senkung von u vor a wurde Sura frühestens ab dem endenden 7. Jh. ins Bair.-Ahd. integriert. Das kurze uwurde in der offenen Tonsilbe im Bairischen gedehnt, der auslautende Vokal a > e abgeschwächt und synkopiert. L: Reitzenstein (2006), S. 239 f., 268 f.; Greule (2014), S. 524; Greule (2015), S. 347. (34) Traun, Fluss rechts zur Alz (zum Inn) im Lkr. Traunstein; danach sind benannt die Stadt Traunreut und die Stadt Traunstein, beide Lkr. Traunstein, Oberbayern. U: ca. 790 (cop. 12. Jh.) Trůn , 790 (cop. 12. Jh.) Druna , 959 Truna , nach 1025 fluminis Trûne , 1285 in di Trovn , ca. 1435 bei der Trawn , 1442 in das Wasser Traun ON Traunstein: 1110-1130 Truna , 1130-1135 Trūne , 12. Jh. Trůn , 1245 Trawnstein , nach 1245 Traunstein . D: drāųn E: Rom. * Drūna entspricht dem idg. femininen Adjektiv * drūnā ‚(Wasser-)lauf ’, das mit n -Suffix von der Schwundstufe * druH- > * drū- des Verbstamms idg. * dreṷH- ‚schädigen‘ in der Bedeutung ‚schädigend‘ abgeleitet ist. Vgl. (63) Traun , Oberösterreich. Es wurde mit dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung des anlautenden d- > tvor der Mitte des 8. Jhs. als * Trūna ins Bair.-Ahd. integriert. Die weitere Entwicklung umfasst die Abschwächung des auslautenden -a > bair.-mhd. e und dann seine Apokope sowie die „neuhochdeutsche“ Diphthongierung von ū im Lauf des 12. Jhs. L: Reitzenstein (2006), S. 277 f.; Greule (2014), S. 542; Greule (2015), S. 347. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 111 11.09.2019 09: 46: 51 112 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen (35) Türkenbach, Fluss, der von links bei Stammham, Lkr. Altötting, Oberbayern, in den Inn mündet. Am Mittellauf liegt Obertürken, Gem. Zeilarn, Lkr. Rottal-Inn, am Unterlauf Untertürken, Gem. Julbach, Lkr. Rottal-Inn, Niederbayern; (36) † Türken, vielleicht der abgegangene Name für die Kleine Laaber, an der Türkenfeld ‚Feld an der Türken‘, Gem. Hohenthann, Lkr. Landshut, Niederbayern, liegt. U: 1180 in Turtenaha , ca. 1579 Türcknpach ON Obertürken: 790 (cop. 12. Jh.) ad Turtin , ca. 1130 (cop. 13. Jh.) Chŏnrat de Tŏrtin , Gotescalch de Turtin , ca. 1140 Magens de Tiurten , 1551 zu Turcken ON Untertürken: 1413 nider Turten , 1435 in der Türten , 1507 auß der Turckhn (umfangreiche Belegliste bei Wiesinger, Die Ortsnamen Türk und Türken in Bayern, in: BONF 46, 2009, S. 64-75) ON Türkenfeld: ca. 1020-1028 Turtinueld . D: 'dįɒkŋ˳ ̩ bǭ E: Entweder liegt rom. * Dordínu , der ursprünglich kelt. GewN * Dordinos , vor, der als bair.-frühahd. * Durdina mit der bis längstens ins auslaufende 7. Jh. wirksamen Hebung von o - > u vor i der Folgesilbe integriert und dann in der 1. Hälfte des 8. Jhs. die jüngere Zweite Lautverschiebung von d > t als Turtin erfuhr und schließlich zu mhd. Türten umgelautet wurde. Oder es ist auszugehen vom rom. Praediennamen * Dordiánu < lat. *Dordiānum , das zu * Dordín gekürzt und in gleicher Weise zu bair.-ahd. Túrtin weiter entwickelt wurde. Zur Entwicklung des Suffixes rom. -ianu > bair.-ahd. -in vgl. die ON Gerzen, Kasing, Künzing . Im zweiten Fall wurde der ON Turtin auf den Fluss übertragen und dieser zur Verdeutlichung mit dem Grundwort ahd. aha erweitert: 1180 Turtenaha . Mhd. Türten wurde durch Dissimilation von / t-…-t- / > / t-…-k- / zu Türken umgestaltet. L: Wiesinger (2009), S. 69-72; Greule (2010a); Greule (2014), S. 547 f.; Greule (2015), S. 348. (37) Würm, Abfluss des heutigen Starnberger Sees, einst † Würmsee , der bei Herbertshausen, Lkr. Dachau, Oberbayern, rechts in die Amper (zur Isar) mündet. U: 772 (cop. 824) Uuirma , 956/ 57 Vuirama , 1056 ripa fluminis Wirmine , 1310 Wirm , 1674 Würm † Würmsee: 9. Jh . Uuirmseo , 1396 auz dem Wirmsee . D: wɒm E: Rom. * Vermia , ins Bair.-Ahd. integriert als Wirma . Aufgrund der seit dem 2. Jh. n. Chr. wirksamen Hebung des -e- > -i- vor -i- der Folgesilbe und der bis längstens um 650 erfolgenden Gleichsetzung von lat. v mit bair.-frühahd. w wird der GewN bis spätestens um 600 ins Bair.-Frühahd. integriert worden sein. Erst später trat Abschwächung des auslautenden -a > -e zu bair.-mhd. Wirme , Apokope des -e und Rundung des -ivor Labial m > Würm ein. Die Etymologie des GewN (idg.? ) * Ṷermiā ist unsicher; er kann als Ableitung mit dem Suffix -mozum Verb idg. * h 2 ṷer- ‚feucht sein‘ gestellt werden. L: Reitzenstein (2006), S. 310; Greule (2014), S. 603 f.; Greule (2015), S. 348. Anm.: Auszuscheidende angeblich antik-romanische Gewässernamen in Altbayern siehe Kapitel C. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 112 11.09.2019 09: 46: 51 1.2. Oberösterreich 113 1.2. Oberösterreich Von Peter Wiesinger (38) Ager, Ausfluss des Attersees, links zur Traun bei Lambach, PB Vöcklabruck und Wels- Land, teilweise auch Reiche Ager genannt; (39) Dürre Ager, rechts zur Vöckla bei Timelkam, PB Vöcklabruck. Danach der Ort Ader, Weiler von Ader-Siedlung, Gem. Timelkam, PB Vöcklabruck. U: (Reiche) Ager: ca. 810 (cop. 9. Jh E) duo mulina ad flumen Agre , 823 (cop. 9. JhE) Agra , 1139-46 iuxta fluvium Eger , F 12. JhM für 1103 in Ægre piscationem , 1342 in der Eger , 1362 in der Ager , 1441 zwischen des gemaynn vorst und der Ager , 1728 die reiche Äger ; ca. 1775, ca. 1815, 1857 Ager Dürre Ager: 1462 Äger , 1570 die thüer Ager , ca. 1775 Dire Ager , ca. 1815 Düre Ager , 1857 Düȓe Ager Ader: ca 810 (cop. 9. JhE) in loco nuncupante Agira , 9. JhE de Agira ; 1455, 1480 Atter , 1580 Ätter , 1663 Ader , ca. 1775 Ada ; ca. 1815, 1857 Ader D: 'āgɒ ON: 'ādɒ E: Entweder schon idg.-vspr. oder erst kelt. von idg. * aĝ - (uridg. * h 2 eg- ) ‚treiben, in Bewegung setzen‘ in lat. agō ‚treiben, führen‘, air. ad-aig (< * aget ) ‚herantreiben’ (IEW, S. 4) im Sinne von „(durch starkes Gefälle) rasch fließender Fluss“. Auf Grund der unterschiedlichen ahd. Schreibformen werden auch unterschiedliche Ansätze getroffen. Während Albrecht Greule von einem vorahd. * Agria ausgeht, dessen Konsonantengruppe nur Sekundärumlaut zu mhd. Ägre zulässt, legt Peter Wiesinger vorahd. * Agara zugrunde, dessen unbetonte Mittelsilbe im Lauf des 9. Jhs. zu ahd. Agira abgeschwächt wird und Sekundärumlaut zu mhd. Äger bewirkt (vgl. 55 Mattig). Dabei wird die jeweils andere Schreibform als ungenaue Wiedergabe aufgefasst. Die ahd. Lautung erlaubt zwar keine Ausagen über die Integration, da aber die Ager der Ausfluss des Attersees ist, kann in Verbindung mit diesem die Übernahme aus dem Romanischen spätestestens gegen die Mitte des 8. Jhs. erfolgt sein (siehe 44 Attersee). Obwohl die Ager als Ausfluss aus dem Attersee ihre ursprüngliche Benennung bewahrt, wurde zur Unterscheidung auf die gleichnamige Ager bei Timelkam volkstümlich zunächst der Name des Attersees übertragen, den der ON Ader festhält, während kanzlistisch für den Fluss wegen geringerer Wasserführung schließlich Dürre Ager eingeführt wurde. Lautlich ist Ader mit hellem [ ā ] eine Kontamination von 'ǭdɒ [ s]/ Atter[see] + 'āgɒ / Ager = 'ādɒ / Ader. L: Wiesinger (1980), S. 148; Wiesinger (1980a), S. 268; Wiesinger (1990), S. 272; OÖONB 4 (1997), S. 187f.; ANB I (1999), S. 12; Greule (2014), S. 25. (40) Aist, links zur Donau bei Naarn im Machland, PB Freistadt und Perg; Quellflüsse Feldaist und Waldaist, die sich bei Hohensteg vereinigen; Weiße Aist und Schwarze Aist, Quellbäche der Waldaist, die bei Weitersfelden zusammenfließen; Harbe Aist, rechts zur Schwarzen Aist bei Harrachstal, PB Freistadt. Danach die Orte: Aist, Zerstr. Häuser; Aisttal, Haus von Hagenberg im Mühlkreis, Gem. Pregarten, PB Freistadt; Aist, Dorf, Gem. Naarn im Machland; 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 113 11.09.2019 09: 46: 51 114 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen Aisting, Rotte, Gem. Schwerdtberg; Aisthofen, Dorf, Gem. Perg; Altaist, Rotte; Aistbergthal, Rotte, Gem. Ried in der Riedmark; alle PB Perg. U: 853 proprietatem … infra duo flumina id est inter Agastam et Nardinam , 853 circa Agasta , 1125 inter duo flumina Agast , 1125 usque dum influat Agist , 1131 (cop. nach 1356) in flumen Waldaigst , 1649 Feldeist , Waldeist , ca. 1775 Feld, Wald, Weise, Schwarze, Harb Aust (ständig verschrieben für Ayst ); 1857 Feld-Aist B [ ach ], Wald-Aist B [ ach ] Altaist (ehem. Burg): 1125-47 Perhte de Âgast , ca. 1145 (cop. 12. JhE) Dietmarus de Agest , 12. Jh. H. de Aist , F nach 1240 für 1143 Dietmar de Aist , 1378 auf der Alten Ayst , ca. 1775 Alten Aist , 1857 Altaist D: ǫɒßt E: Obwohl die verzweigte Aist aus dem Mühlviertel kommend von Norden in die Donau mündet, war sie sicherlich den Römern bekannt, denn im Bereich der westlichen Feldaist verlief in beiden Richtungen der Handelsweg über Böhmen zur Ostsee. Während Albrecht Greule den Namen als erst keltische Bildung anspricht, rechnen ihn Hans Krahe und Peter Wiesinger wegen der weiten Verbreitung des Lexems zur „alteuropäischen Hydronymie“, so dass er bereits eine idg.-vspr. Bildung verkörpert. Grundlage bildet wie in (38) Ager idg. aĝ - (< uridg. * h 2 ég-e -) ‚treiben, in Bewegung setzen‘ mit dem Suffix st -, das in mehreren idg. Sprachen den Superlativ ausdrückt. So bedeutet der anzusetzende und unverändert ins Bair.-Ahd. integrierte und überlieferte GewN Agasta „die sehr schnell Fließende“ mit Bezug auf das starke Gefälle besonders im Süden zur Donau. Dazu passt auch die Bezeichnung Harbe Aist eines rechten Quellbaches der Schwarzen Aist mit mhd. häre , wes ‚herb, scharf, böse‘, was sich ebenfalls auf das starke Gefälle bezieht. Nur ein bair.-ahd. Agasta konnte zu frühmhd. Agest abgeschwächt und zu bair.-mhd. Aist kontrahiert werden. Eine nähere Datierung der Integrierung ins Bair.-Ahd. lässt sich anhand der Lautverhältnisse nicht gewinnen. Von der abgegangenen Burg Aist auf dem Aistberg über dem Fluss bei Altaist, die der Ansitz des mittelalterlichen Geschlechts der Herren von Aist war, aus dem der bekannte Minnesänger Dietmar von Aist stammte, ist nur mehr die Erdsubstruktion erkennbar. L: Krahe (1964), S. 54; Wiesinger (1980), S. 148 f.; Wiesinger (1980a), S. 275 f.; Wiesinger (1994), S. 60; ANB I (1999), S. 20; OÖONB 11 (2003), S. 16 f.; Greule (2014), S. 28. (41) Alm, Ausfluss des Almsees, rechts zur Traun bei Bad Wimsbach; PB Gmunden, Kirchdorf a. d. Krems, Wels-Land. Danach die Orte: Almegg, Rotte von Mühldorf, Gem. Scharnstein, PB Gmunden; Almau, Weiler von Steinfelden; Almburg, Rotte von Mitterndorf, Gem. Pettenbach; alle PB Kirchdorf a. d. Krems; Almegg, Rotte, Gem. Steinerkirchen a. d. Traun, PB Vöcklabruck. U: 791 (cop. 12. JhM) usque ad fluuium quod dicitur Albina , 10. JhII für 777 (cop. 13. Jh.) usque ad flumen-… Albina , 992-93 (cop. 11. JhE) in parte Alpana , F 11. JhII für 1061 in Albanaa , ca. 1160 (cop. 1302) a fluuio Alben , 1160 iuxta fluuium Albana , 1287 influit Albe fluuio , 1467 pey der Alm ; ca. 1815, 1857 Alm. Almsee: F 10. Jh. für 789 lacum Albinae adiacentesque alpes , 992-93 (cop. 11. JhE) ad Alpanase navim concessit unam , 992-93 (cop. 1302) naviculam unam et piscationem Albensee ; 1245, 1287 Albense , ca. 1775 Alben See ; ca. 1815, 1857 Alm See D: ǭįm , veraltend ām 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 114 11.09.2019 09: 46: 52 1.2. Oberösterreich 115 E: Angesichts der ältesten originalen urkundlichen Überlieferung als ahd. Alpana / Albana liegt dem GewN rom. * Albana zugrunde. Damit erweist sich das in Abschriften bezeugte Albina als spätahd. Abschwächung. Obwohl ahd. l + Konsonant umlauthindernd wirkt, ist aber spätahd. Umlautung des abgeschwächten Albina zu bair.-frühmhd./ mhd. Älbina / Älben , das sich zu dialektalem [ ām ] weiterentwickelt, durchaus möglich, eine Aussprache, die anlässlich der Aufnahmen zum „Sprachatlas von Oberösterrreich“ um 1985 bei alten Gewährsleuten noch erhoben werden konnte. Ob daneben verbreitetes unumgelautetes [ ǭįm ] fortbestand oder ob es sich dabei um eine der tradierten Schreibform < Alben > entsprechende Aussprache handelt, muss offen bleiben. Es ist eine idg.-vspr. Bildung mit idg. * albh -‚weiß‘ in gr. ἀλφόσ ‚weißer Ausschlag‘, lat. albus ‚weiß‘, kymr. elfydd (< * albio -) ‚Erde, Welt‘ (< „Licht“), ahd. albiz / elbiz ‚Schwan‘, anord. alf ‚weiße Nebelgestalt‘ (IEW, S. 30 f.) und dem Suffix ana in der allgemeinen Bedeutung „Fluss“ und gehört zum weitverbreiteten Typus der „alteuropäischen Hydronymie“. Wegen der Zweiten Lautverschiebung von * Albana zu Alpana wäre die Integrierung zwar noch im dritten Viertel des 8. Jhs. möglich, aber angesichts der d -Verschiebung im Namen der Traun , deren Nebenfluss die Alm ist, ergibt sich als späteste Integrierungszeit die auslaufende 1. Hälfte des 8. Jhs. mit erst danach sich anschließendem Eintritt der Lautverschiebung von b > p . L: Krahe (1964), S. 52 f.; Wiesinger (1980), S. 148; Wiesinger (1980a), S. 270; OÖONB 6 (1999), S. 119; ANB I (1999), S. 16; Wiesinger (1990), S. 273; Wiesinger (2004), S. 59; Greule (2014), S. 31 f. (42) Antiesen, rechts zum Inn bei St. Marienkirchen bei Schärding, PB Schärding und Ried im Innkreis. Danach die Orte: Antiesen, Weiler, Gem. Eberschwang; Antiesen, Hof von Stocket, Gem. St. Marienkirchen am Hausruck; Antiesen, Rotte, Gem. Utzenaich; Antiesenhofen, Dorf und Gem.; alle PB Ried im Innkreis; Andiesen, Rotte, Gem. St. Marienkirchen bei Schärding, PB Schärding. U: 788-804 ad Antesnam fluminam , 805 iuxta flumine … Antesna , 12. JhII zu 1084 predia … ad Antesen , ca. 1150 pratum prope fluuium Antesin , 1200-04 prope aquam Antesin , 1438 Antesen , ca. 1775 Antissen Bach , 1815 Antisen F [ luß ], 1857 Antiesen ON Antiesenhofen: ahd. 788-804 (cop. 9. JhE) in loco Antesana , 788-800 in villa Antesna , 1096-1109 decimam ęcclesię quę Antesin uocatur , 1110 Bertholdus de Anteshouen , 1220-40 parrochia Antesenhoven , 1489 Antesnhofen , 1510 Antisenhofen , ca. 1775 Andiesenhofen ; ca. 1815, 1857 Antiesenhofen D: älter ' n tɒsn , jünger 'åntīsn ; ˌåntɒs'hōvm E: Der GewN, der später auf Siedlungen übertragen wurde, ist eine keltische doppelsuffikale Bildung * Andésanā mit den Suffixen -s-an- , deren Wurzel auf idg. * andho - ‚blind, dunkel‘ zurückgeht und in gall. andabata ‚Gladiator, der mit einem Helm ohne Öffnungen kämpft‘ enthalten ist (IEW, S. 41). Damit wird Bezug genommen auf die dunkle Farbe des Wassers, was bei der Einmündung in den hellen, grünlichen Inn deutlich sichtbar wird. Da der Akzent auf dem e der zweiten Silbe lag, konnte im Romanischen Synkope zu * Andésna eintreten. Dieses wurde mit Zweiter Lautverschiebung von d > t und mit Initialakzent spätestens in der 1. Hälfte des 8. Jhs. ins Bair.-Ahd. integriert. L: Wiesinger (1980), S. 151; Wiesinger (1980a), S. 261; Wiesinger (1990), S. 268 f.; OÖONB 2 (1991), S. 38 f.; 3 (1994), S. 1; Wiesinger (1994), S. 61; ANB I (1999), S. 32 f.; Wiesinger (2004), S. 54; Greule (2014), S. 38. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 115 11.09.2019 09: 46: 52 116 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen (43) † Antlang, jetzt Leithenbach , links zur Aschach bei Kollerbichl, PB Schärding und Grieskirchen. Danach die Orte: Oberantlang, Dorf; Antlangkirchen, Rotte, Gem. St. Willibald, PB Schärding; Andling, Rotte, Gem. Heiligenberg, PB Grieskirchen. U: 776 loco Ellinpoga, hoc est in ripa uocante Aschaha tendente usque ad fluenta Antalanga ; 1522-32 Item mer Zu dem obern Dinst hat er noch ein ort am Antlangpach , 1589 Antlang p [ agus ] , supra hunc ad septentrionalem rivus scaturit ; ca. 1775, ca. 1815 Leit(h)enbach ; 1857 Leitenb [ ach ] Oberantlang: 1220-40 Wernhardus de Antlange ; 1343, 1433, 1532 Antlang ; ca. 1775, ca. 1815, 1857 Oberantlang Antlangkirchen: ca. 1230 Antlangechirchen ; 1433, 1454, 1580, ca. 1775, ca. 1815, 1857 Antlangkirchen D: Oberantlang, Andling: 'ndliŋ E: Antlang war bis ins 17. Jh. der Name des dann nach der auffälligen Talenge der Leithen bezeichneten Leithenbaches , eines Baches, der bei Oberau/ Enzenkirchen, PB Schärding entspringt und bei Kollerbichl in die Aschach mündet. Der Name ist ein mehrdeutiges Kompositum. Sein Grundwort könnte ein in Ortsnamen Südfrankreichs, Oberitaliens und der Schweiz auftretendes idg.-vspr. * lankā < lonkā in der Bedeutung ‚Einsenkung, Flussbett‘ sein (IEW, S. 676 f.), das sich hier auf die auffällige Talenge bezieht, in der der Bach auf einer Länge von 3 km einen rund 100 m aufsteigenden Bergriegel durchbricht. Das könnte umso mehr der Fall sein, als idg. * lonkā (von * lenk -/ lonk - ‚biegen‘) ‚Biegung‘ bedeutet und die Talenge der Leithen einen auffälligen, nach Norden ausbiegenden, gekrümmten Verlauf nimmt. Sollte diese Talenge nicht unmittelbar motivierend gewesen sein, so bietet sich als weitere mögliche Grundlage idg. *( d)longho-s ‚lang‘ in lat. longus und ahd. lang an (IEW, S. 197), wozu es in Schottland und in der Schweiz idg.-vspr. bzw. kelt. Namen gibt. In beiden Fällen wird das Bestimmungswort wohl das kelt. Intensivpräfix gall. ande ‚sehr‘ sein, so dass sich als Grundlage der Integrierung lat./ rom. * Andalanca / * Andalanga ergibt. Während sich als Motivation Ersteres unmittelbar auf die Talenge der Leithen noch dazu mit ihrer nördlichen Ausbiegung im Sinne von „die sehr tief Eingesenkte (und sich Biegende)“ beziehen würde, beträfe die zweite Möglichkeit den durch die Teilung der Talenge entstehenden langen, sich verlierenden Oberlauf des Baches im Sinne von „die sehr Lange“ gegenüber dem überschaubaren, wesentlich kürzeren Unterlauf. Hinsichtlich der Integrierung würden sich mit Zweiter Lautverschiebung zwar bair.-ahd. * Antalancha / * Antalanga ergeben, doch mag im ersten Fall durchaus ‚lang‘ volksetymologisch hereingespielt haben, so dass nur Antalanga verblieb . Aus der Verschiebung von d > t ergibt sich als späteste Zeit der Übernahme die 1. Hälfte des 8. Jhs. L: ANB I (1999), S. 35; Wiesinger (2004), S. 54 ff.; Wiesinger (2005), S. 205 f.; Wiesinger (2016/ 17), S. 22 ff.; OÖONB 5 (2017), S. 166 f. (44) Attersee, größter Salzkammergutsee; Danach: Attersee, Dorf und Gem., PB Vöcklabruck; † Attergau (8. - 15. Jh.). U: 798-814 (cop. 12. JhE) super lacum Atersê , 829 (cop. 12. JhM nach Cop. um 890) usque ad Uuizinpah ubi et ipse in Atarseo vadit , F 10. JhE für 885 piscationem in lacu Âtarseo , ca. 1000 in Aterseo , 1185-95 in Aterse , 1259 apud Aterse , ca. 1775 Atter See ; ca 1815, 1857 Attersee 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 116 11.09.2019 09: 46: 52 1.2. Oberösterreich 117 ON Attersee: 885 (cop. 12. Jh.) de Atarnhofa , F 10. JhII für 885 ad Âtarhof , 1057 ad Atarhof , 1178 ad Aterhof , 1229 Atirhoven , 1257 Alramus de Atersee , 1278 Chunradus Cizeman officialis in Aterse , ca. 1380 dacz Aterse , 1386 ze Attersee , 1857 Attersee † Attergau: 748 (cop. 9. JhE) intra Atargauui , 803 (cop. 9. JhE) in pago Atargauue , vor 1035 in Atargouve , ca. 1140 Atirgŏe ; 1278, 1354 Atergeu , 1492 provincia Atergau D: 'ǭdɒˌs 2 E: Der Name des Attersee wird bisher nach Hans Krahe u. a. mit idg.-vspr. Herkunft erklärt und zur „alteuropäischen Hydronymie“ gestellt. Danach liegt idg. * ad(u)- in avest. ađu ‚Wasserlauf, Bach‘ mit Erweiterung -ro- zugrunde (IEW, S. 4), was idg. * Adarā ergibt. Die Bedeutung solcher Bildungen ist einerseits ‚Wasserlauf ‘ und andererseits ‚Wasserfläche‘, wie noch aus dem zu dieser Gruppe gehörenden Namen der Adria hervorgeht. Da aber neuerdings avest. ađu mit aind.-ved. ádhvam ‚Weg‘ in Verbindung gebracht wird, erscheint die bisherige Erklärung zweifelhaft. Albrecht Greule sieht daher in Verbindung mit der (38) Ager als Ausfluss des Attersees (siehe dort) und dem mit dem Attersee verbundenen, bair.-ahd. benannten Mondsee (748-84 Maninseo ) ein ursprüngliches idg. Gewässer- und Benennungssysstem, indem der Mondsee zunächst * Adrā geheißen habe und zwar mit idg. * ped - ‚treten; fallen, sinken’ mit r- Erweiterung im Verbaladjektiv * pedró-s ‚fallend, sinkend‘ als kelt. * adros . Mit der bair.-ahd. Benennung des Mondsees sei insofern eine Benennungsverschiebung eingetreten, als der idg. Name * Adrā des Mondsees auf den Attersee und dessen Name auf seinen Ausfluss, die Ager , übertragen worden sei. Jedenfalls unterlag antik-rom. * Ad(a)ra den jüngeren Akten der Zweiten Lautverschiebung mit d > t , so dass die Integrierung ins Bair.-Ahd. spätestens in der 1. Hälfte des 8. Jhs. erfolgte. Der Name Attergau stammt aus der karolingischen Gaueinteilung und lebte bis ins 15. Jh. als Verwaltungsbezeichnung fort. Neuzeitlich wird er hier mehrfach auftretenden Ortsnamen zur Unterscheidung amtlich hinzugefügt, wie Strass , Berg , St. Georgen im Attergau . L: Krahe (1964), S. 41; Wiesinger (1980), S. 148; Wiesinger (1980a), S. 268; Wiesinger (1990), S. 271 f.; OÖONB 4 (1997), S. 87 f.; ANB I (1999), S. 49 f.; Wiesinger (2004), S. 56; Greule (2014), S. 43 f. (45) Breitsach, links zur Antiesen bei Ried im Innkreis. Danach die Orte: Breitsach, Weiler, Gem. Hohenzell; Mitterbreitsach, Dorf; Oberbreitsach, Rotte, Gem. Eberschwang; alle PB Ried im Innkreis. U: 1542 der Praitsagpach , ca. 1815 Braitsach Bach , 1857 Breitsachb [ ach ] ON: 13. Jh. Praitsahe 2 curie , 1399 Wernhardten … von Praitsach , 1470 Praitsach , 1518 Praitsag , 1732 Nider Braidtsee ; ca. 1775, ca. 1815 Nied [ er ], Mitt [ er ], Ob [ er ] Braidsach / Braitsach ; 1857 Breitsach , Mitter -, Oberbreitsach D: 'brǭɒdsɒ 2 Die von Schiffmann (1922), S. 164 angegebene und teilweise übernommene Dialektaussprache mit Sekundärumlaut als 'ādɒs  entspricht weder der urkundlichen Überlieferung ohne jegliche Schreibungen mit < ä , æ , e > noch den Erhebungen für das OÖONB. Vielmehr handelt es sich bei 'atɒsē mit hellem a um die umgangs- und standardsprachliche Aussprache nach der Schreibung, aus der Schiffmann wohl seine Angabe abgeleitet und dialektisiert hat. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 117 11.09.2019 09: 46: 52 118 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen E: Die beiden Quellbäche der Breitsach, deren stärkerer linker bei Walling südlich von Mitterbreitsach entspringt und von Souvent 1857 Schwarzenbach genannt wird 3 , und deren schwächerer bei Oberbreitsach seinen Anfang nimmt und die sich bei Greifenedt zur Breitsach vereinigen, lässt sich trotz erst später urkundlicher Erstbezeugung auf eine keltische Bildung zurückführen. Sie basiert auf kelt. * brag -/ * brac zu idg. * merĝ -/ * merk - ‚faul, morsch‘ über * mrag -/ * mrak zu gall. * bracu - ‚Morast‘(< idg. * mrǝku ), kymr. bragwellt ‚Sumpfgras‘, braen ‚faul, morsch‘, und gall. bracis ‚eingeweichtes Getreide zur Malzbereitung‘, mittelir. braich ‚Malz‘ (IEW, S. 739 f.). Ferner liegt das Wort vor in antiken ON wie Bragodunum in Rätien, und zahlreichen Bragum > Brai / Bray in Frankreich sowie in Prags im Südtiroler Pustertal (965 Pragas ), die sich auf sumpfige Gegenden beziehen. Da für Oberösterreich keine bair.-ahd. Form überliefert ist, ergeben sich zwei mögliche Ansätze als antike Vorstufen: * Bragotisa oder * Bragitisa . Während Erstere mit rom. Inlautlenierung als rom. * Bragodisa / Bragadisa mit Zweiter Lautverschiebung zu bair.-ahd. * Pragotisa / Pragatisa führt und über abgeschwächtes * Pragetisa erst frühmhd. zu * Prait(i)sa kontrahiert wird, ergab die zweite Form bereits rom. kontrahiertes * Braidisa und somit bair.-ahd. * Praitisa . Die Endung mag bald als kontrahiertes ahd. aha / mhd. ahe ‚Gewässer, Ache‘ aufgefasst und verschriftlicht worden sein. Die Integrierung ins Bair.-Ahd. ist wie die der Antiesen wegen der Zweiten Lautverschiebung von d > t spätestens in der 1. Hälfte des 8. Jhs. erfolgt. Dass der Bach im Sinne von „sumpfiger, kotiger Bach“ aufzufassen ist, bestätigt nicht nur das früher moosige Umland von Ried, sondern auch dessen auf mhd. riet ‚Sumpfgras, Schilf ‘ zurückgehender Name. Sollte Souvents Bezeichnung des linken Oberlaufes als Schwarzenbach einst volkstümlich gewesen sein, so bezeichnet ein solcher Name ebenfalls Bäche mit sumpfigem, kotigem Wasser. L: OÖONB 2 (1991), S. 40 f.; Wiesinger (2004), S. 54; Greule (2014), S. 72. (46) Enns, Ursprung bei Flachau, Salzburg, nach Durchquerung der Obersteiermark rechts zur Donau bei Enns, PB Steyr-Land und Linz-Land. Danach die Orte: Enns, Stadt; † Ennsburg (wohl Georgenberg in Enns), PB Linz-Land; Ennsdorf Stadtteil von Steyr, PB Steyr-Stadt; Ennsdorf, Dorf und Gem., PB Amstetten, Niederösterreich; Ennstal, Tal zwischen Mandlingpass und Gesäuse, Steiermark, PB Liezen. U: antik: ca. 375 (cop. 12. JhE) Anisus (Tabula Peutingeriana), 4. - 6. Jh. (cop. 9. Jh.) in flumen Anisum (Martyriologium Hieronymianum), 6. - 8. Jh. (cop. 9. Jh.) ad fluvium Anesum (Passio Floriani) 772 (cop. 9. Jh.) circa Anisam fluvius , 9. JhA zu 783 (cop. 11. JhA) ad Enisam , 9. JhA zu 791 ad Enisam … fluvium , 834 prope fluvium Enisa , 1049 (cop. 12./ 13. Jh.) in comitatu marchionis Austriae trans fluvium Ensa , ca. 1140 ubi influit Enesus in Danubium , ca. 1155-58 omnia predia infra Ense , 1381 auf der Ens , 1445 enhalb der Enns ; ca. 1775, ca. 1815 Enns Fluß ; 1857 Enns Enns, Stadt: 791 ad Enisa , ca. 1140-50 Meribot et Sigbot de Ense , 13. Jh. Ens , 1456 Enns ; ca. 1775, ca. 1815 Enns Fluß ; 1857 Enns 3 Da an einem westlicheren Bach, der bei Gonetsreith von links in die Breitsach mündet, der Ort Schwarzenbach liegt und dieser Bach zumindest früher diesen Namen getragen hat, könnte Souvent eine Verwechslung unterlaufen sein, sollte der sachlich naheliegende Name nicht zweimal verwendet worden sein. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 118 11.09.2019 09: 46: 52 1.2. Oberösterreich 119 † Ennsburg: 977 praedium Anesapurhc , 1034 de Ensinburc , nach 1151 in loco qui dicitur Ensinburc Ennsdorf, PB Amstetten: 1028 de Ensdorf ; 1250-60 Ensdorf , 1361 Enstorf ; 1570 Ennstorff , ca. 1775 Ensdorf ; ca. 1815, 1857 Ennsdorf Ennstal, Obersteiermark. 1006 in pago Ensitala , 1104-16 predium … apud Enstal D: ęns E: Der durch das ganze Mittelalter in lateinischen Texten in antiker Form als Anisa / Anesus / Anesis tradierte GewN tritt urkundlich nur selten in der bair.-ahd. Form Enisa auf, die zu mhd. Ense / nhd. En(n)s weiterentwickelt wurde. Er ist keltischen Ursprungs und basiert auf gall. anam ‚Moor, Sumpf ‘ von idg. * pen -/ pon -/ p- ‚Moor, Sumpf, Wasser‘ (IEW, S. 807) mit kelt. p -Verlust. Damit kann die Benennung nur vom Oberlauf in der Steiermark vom Mandlingpass bis zum Engtal des Gesäuses (siehe Ennstal ) motiviert sein, wo der Talboden sumpfig ist bzw. war. Darauf weist auch die bei Selzthal von rechts einmündende, slawisch benannte Palten hin (< urslaw. * bolto , slaw. blato ‚Sumpf ‘; 1090-1101 in Palta ). Die Integrierung von Anisa ins Bair.-Ahd. erfolgte auf Grund des Primärumlautes zu Enisa zwar spätestens in der 2. Hälfte des 8. Jhs., aber angesichts der frühen, schon germ. Integrierungen im Dreieck von Lorch ‒ Linz ‒ Wels (siehe dort) wird der antike Name den Germanen schon im 3./ 4. Jh. im germanisch-römischen Grenzgebiet am Limes bekannt geworden und dann ins Bair.-Ahd. tradiert worden sein. L: Wiesinger (1980a), S. 272 f.; Wiesinger (1990), S. 274 f.; ANB I (1999), S. 323 ff.; OÖONB 7 (2001), S. 210 f.; Wiesinger (2004), S. 63; Greule (2014), S. 128 f. (47) † Etnisch, jetzt Wilde(r) Inn , die als linker Seitenbach des Innbaches bei Zwiesel gilt. Danach die Orte: Niederetnisch, Weiler, Oberetnisch, Einschicht, Etnischberg, Weiler, Gem. Meggenhofen, PB Grieskirchen. U: 13. Jh. iuxta aquam Otnisch , ca. 1775 Wilde Ihnbach Nieder-, Oberetnisch: 1347 hof ze Ötnüsch , 1349 hof dazů Obern Otnihs in Mechenhover pfarr , 1697 zu Etnisch , 1690 zu Mitterednisch ; ca. 1775 Unt [ er ], Ob [ er ] Enisch ; ca. 1815, 1857 Nieder , Ober Ednisch D: 'nįš ; ˌnįš'brį E: Aus den erst frühnhd. urkundlichen Belegen ergibt sich mhd. * Œtnisch und ahd. * Ōtaniska / Ōtiniska , wobei das Zugehörigkeit und Charakteristisches ausdrückende Suffix ahd. isk eine elliptische Namenbildung anzeigt, die um ahd. aha ‚Wasser, Wasserlauf, Fluss‘ zu ergänzen ist. Zwar wird der GewN volksetymologisch nach ahd. ōt ‚Reichtum‘, ōtag ‚reich‘ im Sinne von „die sich durch Wasserreichtum Auszeichnende“ aufgefasst worden sein, aber gegen eine erst ahd. Bildung spricht das inlautende an -/ in -. Vielmehr wird bereits ein antik-rom. GewN zugrunde liegen und erst ahd. mit dem Suffix isk integriert worden sein. Er wird rom. * Audena gelautet haben, dessen d der Zweiten Lautverschiebung zu t unterlag. Einen solchen GewN Audena idg.-vspr. Herkunft nennt Livius, Ab urbe condita libri XLI, 19/ 1 in Ligurien. Zugrunde liegt idg. * oudh - ‚Glück, Besitz, Reichtum‘ im gall. Götternamen Olloudios , kymr. udd ‚Herr‘ (= „der Reiche“), anord. auđr ‚Reichtum‘, asächs. ōd ‚Beute, Wohlstand‘ 4 . Diese Etymologie unterstützen die Wasserverhältnisse. Denn von 4 Während Krahe (1964), S. 57 f. auf Grund mehrerer idg.-vspr. GewN idg. * oudh ansetzt, gibt Pokorny im IEW, S. 80 * audh an. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 119 11.09.2019 09: 46: 52 120 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen den beiden sich bei Zwiesel vereinigenden Quellbächen der Inn führt der linke ‒ die Etnisch ‒ mehr Wasser und überflutet bei starken Regenfällen und bei der Schneeschmelze oftmals das Wiesengelände im Mündungsbereich. Das kann jünger zur Bezeichnung Wilde Inn geführt haben, wie der Bach zumindest ab 1775 bezeichnet wird. Was die Integrierung ins Ahd. betrifft, ist nicht nur die Zweite Lautverschiebung von d > t zu beachten, sondern auch der Vokalismus mit ahd. ō vor dem Dental t , der aus lat./ rom. au hervorgegangen ist. Dieser Diphthong bestand im Vulgärlateinischen vielfach weiter und wurde erst einzelsprachlich zu offenem ǭ monphthongiert. So lebt er im größten Teil des Rätoromanischen diphthongisch als au weiter, und wurde erst jünger nur im Engadinischen zu ǭ monophthongiert. Auch für die bairische Romania submersa ist der Fortbestand des Diphthonges au anzunehmen. Wie in Teilen des Romanischen erfolgte auch im Ahd. eine derartige, allerdings auf die Positionen vor h und Dentalen einschließlich der Liquide r und l beschränkte Monophthongierung zu offenem ǭ . Zwar wird in den älteren bair.-ahd. Glossaren und in Personennamen < ao > geschrieben, doch ist dieser Digraph nicht als Diphthong mit assimilierten Komponenten zu interpretieren, sondern als Wiedergabe des offenen Monopthonges ǭ , der sich vom zunächst noch erhaltenen geschlossenen Monophthong ō unterschied, der in der 2. Hälfte des 8. Jhs. zu oa diphthongiert und dann gegen die Mitte des 9. Jhs. zu bair.-ahd. uo gehoben wurde. Diese Monophthongierung von au vollzog sich gegen die Mitte des 8. Jhs. Bis dahin integrierte rom. Namen erfuhren daher in den betreffenden Positionen ahd. Monophthongierung, während in erst ab der zweiten Hälfte des 9. Jhs. übernommenen Namen der Diphthong erhalten blieb und als ahd. ou weiterentwickelt wurde. Das zeigt sich sehr schön im Südtiroler Pustertal, wo die Baiern bereits am Ende des 6. Jhs. auftraten und es zu Kämpfen mit den benachbarten Slawen kam. Während im Haupttal der ON Olang (965 Olaga ) aus lat. * Aulaca / rom. *Aulaga mit dem kelt. PN Aulos / lat . Aulus Monophthongierung aufweist, unterbleibt sie im Namen des Seitentales Ahrntal aus rom. * Aurina (1048 Aurina vallis ) zu idg. * a-er- (< uridg. * h 2 eu-ro- ) ‚Wasser, Regen, Fluss‘ im gr. GewN Αὔρας in Thrakien und gr. ἄναυρος ‚wasserlos‘ (IEW, S. 80). Die ahd. Integrierung von Etnisch wird daher spätestens gegen die Mitte des 8. Jhs. erfolgt sein. L: Wiesinger (2016/ 17), S. 10 ff.; OÖONB 5 (2017), S. 64 f. (48) Gurtenbach, rechts zum Inn bei Obernberg. Danach die Orte: Gurten, Dorf und Gem., Gurtenhof, Zerstr. Häuser von Hub, Gem. St. Georgen bei Obernberg am Inn; alle PB Ried im Innkreis. U: 788 locellum … qui adiacet secus fluenta nominis Gurduna , ca. 1160 quatuor prediolum fundis et molendino iuxta fluuium Gurtan , ca. 1140 iuxta flumen Gurtin , 13. Jh. Prunne bi der Gurten , ca. 1775 Gurten Pach , 1857 Gurten B [ ach ] Gurten: 763 portionem nostram in pago Rotahgauue in villa quae dicitur Curtana iuxta Fruen fluminis sic nuncupante ita ob consuetudine villa ita appellari , 786 in loco nuncupante Curtina , 805 (cop. 9. Jh.) rés proprietas … sitas in pago Matahgauue in loco nuncupante Gurtina , 903 (cop. 12. Jh.) beneficium … Gurtana , 1110-30 Rŏdperti de Curtina , 1137 in villa Gurtin , ca. 1140 Rŏpreht de Gurten ; ca. 1775, ca 1815, 1857 Gurten ON Gurtenhof: 1526 Gurtnhof , ca. 1775 Gurten ; ca. 1815, 1857 Gurtenhof D: älter 'gųɒχŋ oder 'gųɒχtn , jünger 'gųɒtn 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 120 11.09.2019 09: 46: 52 1.2. Oberösterreich 121 E: Die Gurten , wie sie volkstümlich gegenüber der amtlichen Bezeichnung Gurtenbach genannt wird, hat dreierlei Erklärungen erfahren, wobei die dritte und jüngste gegenüber den bisherigen antik-romanischen Herleitungen von erst ahd. Entstehung des Namens ausgeht. Nicht immer beachtet wird, dass der urkundliche Erstbeleg von 763 in den Freisinger Traditionen trotz seiner umständlichen Ausdruckweise klar macht, dass der im altbairischen Rottachgau gelegene Ort den Namen Gurten führt und am Fluss Fruen liegt. 5 Da der nächst jüngere Beleg von 788 in den Passauer Traditionen von „einem kleinen Ort …, der nahe dem Fluss mit Namen Gurten liegt“ spricht, fand eine Übertragung des Ortsnamens auf den früher Fruen genannten Fluss statt. Diese urkundlichen Aussagen erlauben daher nicht die von Ernst Schwarz und vom „Altdeutschen Namenbuch“ gegebenen Erklärungen, der GewN sei primär und basiere als idg.-vspr. Bildung * ktana oder * ktuna auf idg. * k-tó in lat. curtus ,verkürzt, verstümmelt’ im Sinne von „kurzer Fluss“, wobei Schwarz darauf verweist, dass die Gurten hier im mittleren Innviertel der kürzeste rechte Seitenfluss des Inns sei, oder von idg. * (s)kto - ,krumm, gebogen’ im Sinne von „Fluss mit Biegungen“. Vielmehr ist angesichts der von den meisten Interpreten angenommenen Namenübertragung vom Ortsnamen auszugehen. Dieser wird als rom. * curtina ,kleiner Hof ’ von lat. curtis ,Hof ’ mit dem Diminutivsuffix īna betrachtet. Seine ahd. Integrierung erfolgte mit Gleichsetzung von lat./ rom. c als Fortisplosiv [ k ] mit lautverschobenem g > k als dem jüngsten und letzten Akt der Zweiten Lautverschiebung im letzten Drittel des 8. Jhs., das nur im ausgehenden 8. Jh. als < c > geschrieben und dann als < g > wiedergegeben wird, als bair.-frühahd. * Curtina . Da der Mittelsilbenvokal durch die ahd. Verlagerung des Akzents auf die erste Silbe unbetont war, wird er variabel verschriftlicht. Demgegenüber schlägt nun Albrecht Greule eine erst ahd. Bildung mit westfränk. * gurda in lat. gordus / gordum und normannisch-franz. gord ,Fischzaun’ als * Gurdina / una in gleichbedeutendem altfranz. gourdaine vor, das dem Innviertler GewN unmittelbar entspricht. Diese Erklärung ist allerdings wenig wahrscheinlich, da sich von diesem germanisch-westfränkischen Wort keinerlei Spuren im Hochdeutschen finden, wenn die germ. Wurzel auch in Gurt , Gürtel , gürten enthalten ist. L: Schiffmann III (1940), S. 61; Schwarz (1970), S. 901; Wiesinger (1980), S. 154; Wiesinger (1980a), S. 261 ff.; Wiesinger (1990), S. 268; OÖONB 2 (1991), S. 128 und 146; Wiesinger (1994), S. 63, ANB I (1999), S. 433 f.; Wiesinger (2004), S. 61; Wiesinger (2005), S. 196 ff.; Greule (2014), S. 198. (49) Ibmer Moos, Moorgebiet, Heratinger oder Ibmer See, Gem. Eggelsberg. Danach die Orte: Ibm, Dorf, Gem. Eggelsberg; Dorfibm, Dorf, Gem. Franking; alle PB Braunau am Inn. U: Ibm: ca. 1070 (cop. 17. Jh. / Dr. 18. Jh.) Wichart de Idina , 1120-40 (cop. 13. Jh.) Pabo de Idine , ca. 1150 Megenhardvs de Yden , 1379 Haws und Vest Yben , 1382 zu Ybm , ca. 1775 Hofmarkt Ibem ; 1815, 1857 Ibm Dorfibm: ca. 1240, ca. 1313 Dorfiden ; 1342 Dorfydem , 1606 zu Dorf Ibm , ca. 1775 Dorf Ibm , 1815 Ibm , 1857 Dorfibm D: älter 'ī(b)m , jünger 'ī(d)n 5 Zu Fruen vgl. Wiesinger (2005), S. 197. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 121 11.09.2019 09: 46: 52 122 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen E: Das Ibm , wie es volkstümlich heißt, ist ein großes Moorgebiet von ca 2.000 ha, von dem ca. 100 ha seit 1973 als Naturschutzgebiet mit seltener Flora und Fauna erhalten sind, während große Teile seit 1880/ 90 trocken gelegt und hauptsächlich als Weidegebiete sowie zum Torfabbau genutzt wurden. Es wird von der Moosach entwässert, die hauptsächlich vom größeren Heratinger oder Ibmer See und vom kleineren Seeleitner See gespeist wird, der 1815 Idner See genannt wurde. Die mittelalterliche Burg der Herren von Ibm, auf die sich die älteren urkundlichen Belege beziehen, lag auf einem Bergkegel beim Ort Ibm am Ostrand des Moores. Ihre Ruine wurde nach dem Ersten Weltkrieg zum Abbruch für Baumaterial verkauft, so dass nur mehr wenige Mauerzüge bestehen. Aus der bair.-ahd. Namensform ergibt sich als Grundlage der Integrierung rom. * Idina . Es kann entweder auf gleichlautendem antik-lateinischem * Idina oder auf * Itina mit dann rom. Inlautlenierung basieren. * Idina lässt sich am einfachsten auf die Schwundstufe von idg.* oid -/ id - (uridg. * h 2 ed -) ,schwellen’ in gr. οἴδαω ,schwellen’ und slaw. isto ,Hoden = das Geschwollene’ (< * id s to ) (IEW, S. 774) mit Bezug auf das Anschwellen des Moorwassers bei starken Regenfällen und bei der Schneeschmelze zurückführen. * Itina stellt sich als Schwundstufe mit Dentalerweiterung zu idg. * ei-t-/ i-t- (zu uridg. * h 1 e-) ,gehen’ in aind. ityá ,Gang’; lat. itiō ,das Gehen’, iter / ineris , ,Weg’, itus / ūs ,Gang’, air. ethae ,ist gegangen’, toch. A ytār ,Weg’ (IEW, S. 294 f.) und betrifft die gangartigen Wassergräben im Moor. Wegen der bair.-ahd. Erhaltung von rom. d erfolgte die bair.-ahd. Integrierung erst nach der Wirksamkeit des jüngeren Aktes der Zweiten Lautverschiebung ab der 2. Hälfte des 8. Jhs. L: Wiesinger (1980), S. 151 f.; Wiesinger (1980a), S. 264 f.; OÖONB 1 (1989), S. 11 und 27 f.; Wiesinger (1990), S. 269 f.; Wiesinger (2004), S. 61 f.; Greule (2014), S. 235 f. (50) Innbach, rechts zur Donau bei Fall, Gem. Wilhering; PB Grieskirchen, Eferding, Linz- Land. Danach die Orte: Inn, Weiler, Gem. Meggenhofen, PB Grieskirchen; Inn, Dorf, Gem. Fraham, PB Eferding. U: ca. 785 in alio loco … Inone aqua , ca. 1160 iuxta fluuium Innam , 1290 bi der Inne , 1332 ze Herstorff bey der Inn , ca. 1400 ain Hoff Im Holz pey der Inn ; ca. 1775 Ihn Bach , Wilde Ihn ; 1815 Inn Bach , 1957 Innbach Inn/ Meggenhofen: 1383 Örtel Chirichmayr daz Inn , 1679/ 80 auf dem Grubmayrguet zu Ihn ; ca. 1775 Ihn ; ca. 1815, 1857 Inn Inn/ Fraham: 1110-20 vineam ad Inna , 1130-40 Uuerinhart de Inna , 1147-67 Ascwinus de Inne , 1324 de curia in In , ca. 1775 Ihn ; ca. 1815, 1857 Inn D: GewN: de 'in, ON: ( ds ) in E: Der volkstümlich nur die Inn genannte Fluss rekrutiert sich aus zwei Quellbächen, die sich bei Zwiesl/ Meggenhofen vereinigen und deren linker heute Wilde(r) Inn , aber früher Etnisch hieß (siehe dort). Während der Fluss bis ins ausgehende 19. Jh. schon bei Oberschaden/ Pupping einen rechten Seitenarm der Donau erreichte, wurde er bei der Donauregulierung ein Stück nach Osten bis gegen Fall weitergeführt. Der Name der Inn geht wie der Name des großen Inn , der volkstümlich das Inn [ s ī n ] lautet, auf die gleiche Wurzel idg. * pen - ‚Schlamm, Sumpf, Wasser‘ zurück (siehe dort). Hier ist allerdings erst kelt. Bildung mit * en in mittelir. en ‚Wasser‘, enach ‚Sumpf ‘ und englas ‚wässrige Milch‘ (IEW, S. 807) insofern nahe liegend, als die Ableitung ona als * Enonā für das Keltische charakteristisch ist. Es wurde dann zu lat. * Enōna mit Paenultimaakzent 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 122 11.09.2019 09: 46: 52 1.2. Oberösterreich 123 umgewandelt und als frühahd. * Inūna mit Tonhebung und Initialakzent integriert. Da diese Tonhebung früh erfolgte und der Initialakzent Kürzung zu bair.-ahd. * Inuna bewirkte, wird die Integrierung bis spätestens Anfang des 7. Jhs. geschehen sein. Abschwächung zu frühmhd. * Inene und Vokalsynkope ergaben schließlich mhd. Inne . L: Schwarz (1969), S. 420; Wiesinger (1980a), S. 246 f.; Wiesinger (1990), S. 271; ANB I (1999), S. 555; Wiesinger (2004), S. 50; Greule (2014), S. 243; OÖONB 5 (2017), S. 67 und 233 f. (51) Ipfbach, rechts zur Donau bei Kronau, PB Linz-Land; (52) Kristeinerbach, rechts zur Donau bei Enghagen; daran Ipfdorf, Dorf, Gem. Asten; PB Linz-Land. U: 791 (cop. 12. Jh.) inter duo flumina quę vocatur Ipphas , 10. JhII für 777 (cop. 13. Jh.) inter utrasque Iphas , 1002 iuxta ripas fluminis … Íppha , ca. 1120 (cop. 12JhE) predium … iuxta Iphe situm , 1323 auf der Ipf ; ca. 1775 Ipf Bach ; Folkersdorfer Bach ; ca. 1815, 1857 Ipf Bach ; Folkersdorfer , Kristeiner Bach Ipfdorf: 12. JhII für 777 (cop. 13. Jh. ) in loco … uocatur Ipfa , 1092-1121 Hiltiperht de Ipphe , ca. 1125 Geroch de Iph , 1170 in Iphe uilla , ca. 1815, 1857 Ipfdorf D: ipf ON: 'ipf ˌ dǭɒv E: Die Ipf , wie sie volkstümlich heißt, erreichte bis zur Donauregulierung im ausgehenden 19. Jh. bei Ipfdorf einen Arm der Donau, ehe sie dann über einen südlichen Flussarm nach Osten zur Donau bei Kronau weitergeführt wurde. In diesen Flussarm mündete bei Kronau der 1775 nur Folkersdorfer Bach und 1815 im Oberlauf Folkersdorfer und im Unterlauf Kristeiner Bach genannte, volkstümlich namenlose, ursprünglich ebenfalls Ipf bezeichnete Bach, der dann selbständig zur Donau bei Enghagen geführt wurde. Der GewN kann zurückgeführt werden auf kelt. * Epiā zu kelt. * epos ‚Pferd‘ in gall. Epona , eine Pferdegöttin, aus idg. * eṷo-s ‚Pferd‘ (IEW, S. 301) im Sinne von „Rossbach“, was wohl so zu verstehen ist, dass der Bach selbst bei höherem Wasserstand noch mit dem Pferd durchritten werden kann. Aus antik-lat. * Epia entstand bereits im Vulgärlateinischen durch Gemination vlat./ rom. * Eppia . Wie im Umkreis die ON Wels , Linz und Lorch (siehe dort) wurde in dieser römisch-germanischen Kontaktzone an der Donau auch der Name der Ipf bereits früh ins Germanische übernommen, was aus dem älteren i -Umlaut als Hebung von e - > i vor -der Folgesilbe hervorgeht. Das so entstandene germ. * Ippa wurde dann bis spätestens gegen die Mitte des 7. Jhs. mit Zweiter Lautverschiebung zu Ip(p)fa ins Bair.-Ahd. integriert, wobei die Affrikata [ pf ] im Bair.-Ahd. und Mhd. meistens als < ph > verschriftlicht wurde. L: Schwarz (1969), S. 420 f.; Wiesinger (1980a), S. 272; Wiesinger (1990), S. 273 f.; ANB I (1999), S. 559; Wiesinger (2004), S. 49, Greule (2014), S. 244. (53) Krems, rechts zur Traun bei Ebelsberg, PB Kirchdorf a. d. Krems und Linz-Land. Danach die Orte: Kremsdorf, Dorf, In der Krems, Rotte, Gem. Micheldorf in Oberösterreich; Krems, Dorf, Gem. Inzersdorf im Kremstal; Kremsmünster Markt, Kremsegg, Dorf, Gem. Kremsmünster; alle PB Kirchdorf a. d. Krems; Kremsdorf, Siedl., Gem. Ansfelden, PB Linz-Land. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 123 11.09.2019 09: 46: 52 124 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen U: 888 (cop. 12. Jh.) in pago Trungouue ad monasterium Chremisa a flumine eiusdem nominis ibidem fluentis sic dictum , 903 (cop. 10JhII) piscationibus in Chremisa , ca. 1150 secus fluuium Chremisam , ca. 1325 an der Chrems , 1581 die Crembs ; ca. 1775, ca. 1815, 1857 Krems Kremsmünster: 791 (cop. 12JhM) monasterium … qui dicitur Chremisa , 975 (cop. 12. Jh.) abbaciam Chremisa , 993 abbaciam … Chrémisemunistiure , 1173 abbatiam in Chremsmunstûre , 1189 in Chremsmunster , 1467 zu Krembsmunster , 1587 Krembsmünster ; ca. 1775, ca. 1815, 1857 Kremsmünster Kremsdorf/ Ansfelden: 1190-1204 Chadeloc de Chremisdorph , 13. Jh. Wolvelinus de Chremstorf ; ca.1775, ca. 1815, 1857 Kremsdorf D: gręms ON: Kremsmünster: älter grę'minstɒ , jünger nur ugs. Kremsdorf/ Ansfelden: 'gręmšˌdǭɒv E: Die Krems-Flüsse von Kärnten über die Steiermark, Ober- und Niederösterreich bis Böhmen durchfließen enge, in die Landschaft eingeschnittene Täler. Bei der oberösterreichischen Krems, die bei Micheldorf entspringt und durch wechselnde Landschaften fließt, entsteht zwischen Wartenberg und Kremsmünster, dem 777 von Herzog Tassilo III. zur Missionierung der Slawen gegründeten Benediktinerstift, eine gewisse Enge, indem sich die Anhöhen an den Fluss heranschieben. Diese stets ähnlichen Geländeverhältnisse, die auch das oberbayerische Krems aufweist, legen unter mehreren vorgetragenen Erklärungsmöglichkeiten jene nahe, die bedeutungsmäßig im Sinne von „eingeschnittener Fluss“ auf diese Bezug nimmt. Dann ist eine idg.-vspr. oder auch erst kelt. Bildung mit idg. *(s)krē-m- / (s)krǝ-m- mit m -Erweiterung von * (s)ker- ‚schneiden‘ wie in kymr. cramen ‚Schorf ‘, mhd. schramme ‚Schwertwunde‘, mhd. schramm ‚Felsspalt‘ und lit. kriṁsti ‚nagen‘ als * Kremisā am wahrscheinlichsten. Obwohl die Integrierung von antik-rom. * Cremisa die Zweite Lautverschiebung von < c >/ [ k ] zur Affrikata bair.-ahd. < ch >/ [ kχ ] des 3. Viertels des 8. Jhs. aufweist, wird der GewN den Baiern nicht erst zu der in diese Zeit fallenden Gründung des Stiftes Kremsmünster bekannt geworden sein. Da er aber das e vor i der Folgesilbe bewahrt und dieses nicht mehr dem älteren i -Umlaut zu i unterliegt, kann die Integrierung erst ab dem auslaufenden 7. Jh. erfolgt sein, so dass sich der jüngere Akt der Zweiten Lautverschiebung am bereits integrierten Namen vollzog. L: Wiesinger (1980a), S. 270 ff.; Wiesinger (1990), S. 273; Wiesinger (1995); ANB I (1999), S. 621 ff.; Wiesinger (2004), S. 60; Greule (2014), S. 283. (54) † Marlupp, jetzt St. Veiter Bach , links zur Mettmach bei Schwaig. Danach der Ort Marlupp, Rotte, Gem. St. Veit im Innkreis, PB Braunau am Inn. U: 904 prope hostium aquae que dicitur Marhluppa , 1055 iuxta Marchluppam fluvium , 1249 ultra flumen Marichluppe , ca. 1313 zwo Marchluppe , ca. 1775 Hehnhardt B [ ach ], ca. 1815 Henharter Bach , 1857 St. Veiter Bach Marlupp: 748-829 (cop. 9. JhII) in villa nuncupante Marhluppa , 771 (cop. 9. JhII) de substancia que mihi princeps prefatus concessit ad Marcluppa , 925 locum ad Marhluppa , 1020-46 Ainwic de Marchluppe , 1041-60 proprietatem … in locis Marchluppa , 13. Jh. Marichlupp , 1521 Marchlupp ; 1521, 1531 Mairlupp ; ca. 1775, ca 1815, 1857 Marlupp D: ˌmǭɒ'lup 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 124 11.09.2019 09: 46: 52 1.2. Oberösterreich 125 E: Die Namengebung der Bäche ist hier nach den einschlägigen Landkarten in den letzten 200 Jahren verwirrend. Seit Souvent 1857 heißt der einst Marlupp genannte Bach St. Veiter Bach , den die Josephinische Landesaufnahme von ca. 1775 und die Franzisceische von ca. 1815 Hehnhardt / Henharter Bach nennen und der volkstümlich keinen Namen trägt. Er mündet nach den Angaben von 1857 bei Schwaig in den Leithenbach , der sich dann bei Wagham mit dem Pollinger Bach oder auch Waldzeller Ach genannten Bach vereinigt, der dann flussabwärts seit ca. 1775 nur mehr als Ach bezeichnet wird. In den Leithenbach, der ca. 1815 Mühlgrabenbach heißt, mündet bei Morau der Altbach ein, den die Josephinische Landesaufnahme von 1775 als Graben oder Ald Bach bezeichnet und der dann ab 1815 bis zur Vereinigung mit dem Pollinger Bach bzw. der Waldzeller Ach bis Wagham den neuen Namen Mettmach erhält. Grund für diese ständig wechselnden Bachbezeichnungen durch die Kartographen ist die volkstümliche Namenlosigkeit dieser Bäche. Im bair.-ahd. Kompositum Marhluppa ist das Bestimmungswort insofern doppeldeutig, als es sich dabei einerseits um bair.-ahd. mar(a)ha ‚Grenze‘ und andererseits um bair.-ahd. * mar(a)h ‚Ross‘ (mhd. marh ‚Streitross‘) in bair.-ahd. mar(a)hscalh ‚Stallmeister (= „Rossknecht“) handeln kann, was historisch nicht geklärt ist. Aus namenkundlicher Sicht liegt die zweite Bedeutung insofern näher, als der westlich parallel fließende Bach Rossbach heißt (ca. 1140 predium … ad Rospach ). Das Grundwort erweist sich als ein in Europa mehrfach auftretender GewN wie die Lippe in Westfalen oder die Lecce in Apulien, beide antik Lupia , so dass eine idg.-vspr. Bildung vorliegt. Bei nicht eindeutiger Klärung dürfte idg. * l- ‚Schmutz, beschmutzen‘ (IEW, S. 681) mit appellativisch nicht belegter p -Ableitung als idg. * Lupā zugrunde liegen. Antik-lat. * Lupia erfuhr vulgärlat. Gemination zu * Luppia , das dann ohne die älteren Akte der Zweiten Lautverschiebung frühestens ab der Mitte des 7. Jhs. ins Bair.-Ahd. integriert wurde. Die Labialgeminata verhinderte dann auch den Umlaut. L: Krahe (1964), S. 99 f.; OÖONB 1 (1989), S. 149; Wiesinger (1990), S. 270; ANB I (1999), S. 713; Wiesinger (2004), S. 61; Greule (2014), S. 339. (55) Mattig, rechts zum Inn bei Braunau am Inn; Mattsee, See und Markt, PB Salzburg-Land; † Mattiggau. Danach der Ort Mattighofen, Markt, PB Braunau am Inn. U: Fluss: 796 super fluvio Matucha , vor 1151 predium … iuxta fluviolum Matcha situm , vor 1195 für 1040 (Dr. 1764) deinde flumen Maeticha , 13. Jh. Maetich , 1312 Madich ; 1486, 1533 Mätich ; ca. 1775, ca. 1815, 1857 Mattig † Mattiggau: 736/ 37-48 intra Matahgouui , 788 in pago Matahgouue , 1014 in pago Matihgowe , 1164 mancipio de Matkowe Mattsee: 817 (Dr. 1629) monasterium Mathaseo ; 993 Matahse , 11. JhA für 898 monasterium sancti Michaelis iuxta lacum Matheseo ; 1052,1063 Matiseo , 1070-1110 Gebehart de Matse , 1465 in Lacum Matsee , 1606 Schloss Mattsee , ca. 1775 Mattse ; ca 1815, 1857 Mattsee Mattighofen: 759 in villa nuncupante Matahcauui , 823 (cop. 9. JhII) in loco qui dicitur Maticha , 862 actum Matahhova villa regia , 1007 locum Matughof dictum , 1185-95 Gundakar, Eberhardus de Matechouen , 1356 ze Matichouen , 1368 gein Matichhofen , 1532 Mätighoven , ca. 1775 Matighofen ; ca. 1815, 1857 Mattighofen D: Fluss: älter 'mārįg oder 'mādįg , jünger nur ugs. Mattsee: Markt: 'mǫtˌs. See: 'nīdɒˌs Mattighofen: älter ˌ mārįg'hōvm oder ˌ mādįg'hōvm , jünger nur ugs. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 125 11.09.2019 09: 46: 52 126 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen E: Die Mattig ist zunächst der Ausfluss des Obertrumersees, der volkstümlich dialektal wie noch in der Josephinischen Landesaufnahme von ca. 1775 Obersee heißt, und durchquert den Grabensee, ehe sie den in der Karolingerzeit danach benannten Mattiggau durchfließt und östlich Braunau in den Inn mündet. Mittelpunkt des Mattiggaues war der Königshof in Mattighofen, dessen ahd. hofen -Name erstmals 862 urkundlich belegt ist. Das bereits zu Salzburg gehörende Kollegiatstift Mattsee, das sich auf der Landenge zwischen dem Obertrumersee und dem volkstümlich-dialektal wie noch in der Josephinischen Landesaufnahme von ca. 1775 Niedersee genannten heutigen Mattsee befindet, geht wahrscheinlich auf den letzten Baiernherzog Tassilo III. zurück und wird 817 als königliche (= karolingische) Abtei bezeichnet. Der Ort wurde 1935 zum Markt erhoben. Der GewN Mattig ist eine idg.-vspr. Bildung mit idg. * mad - ‚nass, triefen‘ in gr. μαδάω ‚zerfließen‘, μαδαρός ‚feucht‘, lat. madeō , ēre ‚nass sein, triefen‘, air. maidim ‚in Stücke gehen‘ = „zerfließen“ (IEW, S. 694 f.) als antik-lat. * Maduca . Dieses wurde mit den älteren Akten der Zweiten Lautverschiebung von k - > hh als frühahd. * Maduhha bis spätestens in der 1. Hälfte des 7. Jhs. integriert und dann in der 1. Hälfte des 8. Jhs. mit den jüngeren Akten der Zweiten Lautverschiebung von d - > -t zu Matuhha weiterentwickelt. Die Abschwächung des Mittelsilbenvokals über a zu i löste den vom 9. Jh. bis die spätahd. Zeit des 11. Jhs. wirksamen Sekundärumlaut von a zu spätahd. Mätich aus. Im ON Mattsee als ahd. Matahsêo wurde hingegen die Lautfolge hs zu ss assimiliert, so dass spätahd. Mate(s)sêo entstand, dessen Mittelsilbenvokal dann zu frühmhd. Matsê synkopiert wurde. Dadurch weist der ON Mattsee gegenüber dem GewN Mattig keinen Umlaut auf, was sich in den verschiedenen Dialektaussprachen deutlich spiegelt. L: Wiesinger (1980a), S. 263; OÖONB 1 (1989), S. 75 f.; Wiesinger (1990), S. 267 f.; ANB I (1999), S. 715 ff.; Wiesinger (2004), S. 53; Greule (2014), S. 340; HELSON 1 (2015), S. 78 f. (56) Oichtenbach, rechts zur Salzach in Oberndorf, PB Braunau am Inn und Salzburg-Umgebung. Danach der Ort Oichten, Dorf, Gem. Feldkirchen bei Mattighofen, PB Braunau am Inn. U: vor 1023 iuxta fluvium qui Ogata vocatur , ca. 1150 (cop. 13. JhM) pratum quoddam iuxta Oiten , F vor 1195 für 1040 (cop. 12. JhE/ 13. JhA, Dr. 1764) usque ad flumen quod dicitur Ogete ; 1585 ein Pach, die Oitten genannt ; ca. 1815, 1857 Oichten Bach Oichten: 1199-1231 Heinr [ icus ] de Oyten faber , 1363 Oytten , 1532 Oitt(e)n , 1580 Oitn ; ca. 1775, ca. 1815, 1857 Oichten D: 'oiχtn E: Die Oichten , wie sie volkstümlich heißt, entspringt bei Gietzing/ Feldkirchen bei Mattighofen im südlichen oberösterreichischen Innviertel, wo auch das Dorf Oichten liegt, und durchfließt den Salzburger Flachgau, ehe sie in Oberndorf in die Salzach mündet. Nach bisheriger Erklärung ist der GewN eine idg.-vspr. Bildung mit idg. * ṷegṷ- / ugṷ- ‚benetzen, feucht‘ in gr. ὑγρός ‚feucht‘, lat. ūvidus ‚feucht, nass‘ (IEW, S. 1118) als idg. * ugṷ-ota , das bei Übernahme ins Keltische Senkung von u > o vor a zu kelt. * Ogatā erfuhr. Demgegenüber liegt nach Albrecht Greule vielmehr eine kelt. Bildung * Ogetā zu idg. * aĝ - (uridg. * h 2 eg- ) ‚treiben, in Bewegung setzen’ mit idg. o -Ablaut (vgl. gr. όγμος ‚Ackerfurche‘) vor (IEW, S. 4 f.). Antik-lat. * Ógata / Ógeta unterlag wie mehrere Namen im Umkreis von Salzburg der rom. Inlautlenierung von t > d zu rom. * Ógada / Ógeda . Die Integrierung ins Bair.-Ahd. erfolgte mit den jüngeren Akten der Zweiten Lautverschiebung von d > t spätestens gegen die Mitte des 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 126 11.09.2019 09: 46: 52 1.2. Oberösterreich 127 8. Jhs. zu * Ogata . Da keine schriftliche Überlieferung aus dem Ende des 8. Jhs. vorliegt, fehlt auch ein Beleg für die anzunehmende Verschiebung von g > < c >/ [ k ] im ausgehenden 8. Jh. Die bair.-spätahd. zu oge abgeschwächte Lautfolge wurde im 11./ 12. Jh. zu bair.-frühmhd. oi kontrahiert, so dass frühmhd./ mhd. Oiten entstand. Da dialektal in der Lautfolge mhd. ht - / [ χt ] der Velar geschwunden war, z. B. mhd. knëht ‚Knecht‘ zu [ gnd ], konnte im 18. Jh. bei dessen Restituierung hyperkorrektes Oichten entstehen, wie etwa auch der PN Veit zu dialektalem Feicht(l) wurde. L: Wiesinger (1980), S. 151 f.; Wiesinger (1980a), S. 265 f.; OÖONB 1 (1989), S. 63 f.; Wiesinger (1990), S. 270; ANB I (1999), S. 808; Lindner (2002), S. 547; Greule (2014), S. 390; HELSON 1 (2015), S. 92 f. (57) Polsenz, links zum Innbach südl. Breitenaich. Danach der Ort Polsenz, Rotte, Gem. St. Marienkirchen a. d. Polsenz, PB Eferding; (58) Polsenz, Rotte, Gem. Hinzenbach, PB Eferding. U: F ca. 1200 für 1151 ecclesiam sanctae Mariae iuxta riuulum qui dicitur Palsentze , 1249 Vlricus plebanus Sancte Marie secus fluuium Palsenz , 1399 Sand Mareinkirchen pei der Pallsentz , ca. 1815 Sommerainer B [ ach ], 1857 St. Marienb [ ach ] Polsenz/ St. Marienkirchen a. d. Polsenz: 991-1023 equalem mensuram in loco qui dicitur Palasenza , 1092-1121 Růdpertus et Hugo de Palsenzi , 1108 Rŏpert de Balsenz , 1371 ze Palsentz, ca. 1480 Item Hoff Zw Polsentz , ca. 1775 Polsentz , 1857 Polsenz Polsenz/ Hinzenbach: 1371 Lehen ze Palsentz , 1441 Smidlgut in der Palsentz , 1522-32 Nider Hoff Zu Polsentz , ca. 1775 Polsentz , 1857 Polsenz D: 'bōisęntß E: Sowohl die Führungen als auch die Benennungen der anstehenden Bäche haben sich zum Teil in Verbindung mit den Regulierungen am Ende des 19. Jhs. stark geändert. Während die Josephinische Landesaufnahme von ca. 1775 die heutige Polsenz zwar nicht bezeichnet, war damals zumindest am Unterlauf ihr Name volkstümlich wohl noch bekannt, denn bei Unterfreundorf befand sich der Mahr in der Polsentz. Hingegen bezeichnet die Franzisceische Landesaufnahme von ca. 1815 den Bach bereits nach dem Hauptort, der dialektal und auf der Josephinischen Landesaufnahme Sommerein heißt, als Sommerainer B [ ach ], was Souvent 1857 in St. Marienb [ ach ] verschriftsprachlicht. Auch die Franzisco-Josephinische Landesaufnahme von ca. 1870 spricht noch vom Sommereiner Bach , ehe die Kartographie im 20. Jh. zur volkstümlichen Bezeichnung Polsenz zurückkehrt. Noch schwieriger steht es um die Bäche und ihre Namen um Polsenz bei Hinzenbach. Heute liegt der Ort an einem kleinen namenlosen Bach, der von Kappelding kommend in Eferding in den Sandbach einmündet und mit diesem zum Aschach Arm bei Wörth fließt. Der heutige Sandbach aber wird auf den Landesaufnahmen von ca.1815 und 1870 am Unterlauf noch Hinzenbach und am Oberlauf 1815 Grabenbach und 1870 Altbach genannt, während Souvent 1857 den gesamten Bach als Aubach bezeichnet. Nach der Franzisceischen Landesaufnahme von 1815 aber heißt der heute namenlose Bach noch Polsenz . Dabei handelt es sich nicht nur auf dieser, sondern auch noch 1857 bei Souvent um jenen Bach, der von Obergallsbach kommt und selbständig in den Aschach Arm bei Waschpoint einmündet und von Souvent insgesamt Gallspachb [ ach ] bezeichnet wird. Bei den Regulierungen am Ende des 19. Jhs. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 127 11.09.2019 09: 46: 52 128 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen wurde er jedoch bereits bei Hörstorf in den Innbach geführt und wird seither als Dachsberger Bach bezeichnet. Bei Polsenz handelt es sich also um zwei verschiedene Bäche, wenn auch in landschaftlicher Nähe. Schon Konrad Schiffmann (1922) erwog ein kelt. * Balsantiā . Nach Hans Krahe (1964) ist jedoch bereits mit einer idg.-vspr. Bildung im Rahmen der „alteuropäischen Hydronymie“ mit idg. * bhel -/ bhol - ‚glänzend, weiß‘ in illyr. * balta ‚Sumpf ‘ und gleichbedeutendem lit. balà und akslaw. blato (IEW, S. 118 f.) als * bal-smit s -Erweiterung zu rechnen, wobei idg. o wie in Pram wieder als a auftritt und die Ableitung ntiā auch noch im Keltischen produktiv war. Das ahd. Binnena in der Lautfolge ls von 981 Palasenza ist als Sproßvokal zu werten. Dieser Etymologie entsprechen die landschaftlichen Gegebenheiten beider Flüsse. Während bei der heutigen Polsenz das Mündungsgebiet in den Innbach ein feuchtes Wiesengelände ist, war das ebene Gebiet der ehemaligen Polsenz und des benachbarten Innbaches sumpfig und wurde trocken gelegt. Dort erinnert der ON Ober- , Unterhillinglah / Fraham (ca. 1400 bey dem Hullinglauch ) mit mhd. hülwe ‚Pfütze, Sumpflache‘ im Sinne von „Buschwald im sumpfigen Gebiet“ noch an die einstigen Landschaftsverhältnisse. Bezüglich der Integrierung ins Bair.-Ahd. ist davon auszugehen, dass das antik-lat. * Balsantia zu vlat. * Balsancia sibiliert wurde und < c >/ [ tß ] mit der in den älteren Akten der Zweiten Lautverschiebung bis längstens um 650 entstandenen Affrikata < z >[ tß ] als * Balsanzia wiedergegeben wurde, wobei der lat. Paenultimaakzent zum Initialakzent gewandelt wurde. Dann aber erfolgte der jüngere Akt der Zweiten Lauverschiebung mit b > p und der i -Umlaut von a > e der Nebensilbe zu bair.-ahd. Palsenza in der 2. Hälfte des 8. Jhs. bereits innerhalb des Bair.-Ahd. L: Schiffmann (1922), S. 203; Krahe (1964), S. 54; Wiesinger (1980), S. 148; Wiesinger (1980 a), S. 276; Wiesinger (1990), S. 271; ANB I (1999), S. 129; Wiesinger (2004), S. 53; OÖONB 5 (2017), S. 211f. und 250; Greule (2014), S. 411f. (59) Pram, rechts zum Inn bei Schärding, PB Schärding, Ried im Innkreis, Grieskirchen. Danach die Orte: Pram, Dorf und Gem.; ? Pramberg, Weiler, Gem. Pram; Pramwald, Rotte, Gem. Haag am Hausruck; alle PB Grieskirchen; Pramerdorf, Dorf, Gem. Geiersberg, PB Ried im Innkreis; Pram, Rotte von Wildhag, Gem. Zell a. d. Pram; Pramerdorf, Einschicht von Jebling, Gem. Zell a. d. Pram; Pram, Dorf, Gem. Andorf; Pramhof, Dorf, Pramerdorf, Dorf, Gem. St. Florian am Inn; Pram, Dorf, Gem. Taufkirchen a. d. Pram; alle PB Schärding; Pramauerbach, links zur Pram östl. Taufkirchen a. d. Pram. Danach die Orte Ober-, Unterpramau, Gem. Taufkirchen a. d. Pram; alle PB Schärding; ? Prambach, links zur Raab und mit dieser rechts zur Pram bei Großschörgern, danach Großprambach, Zerstr. Häuser, Gem. Raab, PB Schärding. U: 819 de flumine qui dicitur Braama , ca. 1140 iuxta flumine qui dicitur Prama , ca. 1150 iuxta flumen Brame , 1374 bey der Pram , 1510-20 auf der Pramb ; ca. 1775 Bram B [ ach ], Broma B [ ach ]; ca. 1815 Bram B [ ach ], 1857 Pram Fl [ uß ] ON Pram: 792 in locis quę dicitur Prama , 819 in loco qui uocatur Braama , 1120 Wilbirga de Prama , 1120-40 Helmher de Prame , ca. 1160 Haituolc de Pram , 1371 auf zwo wiz ze Pram ; ca. 1775, ca. 1815 Bram ; 1857 Pram 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 128 11.09.2019 09: 46: 53 1.2. Oberösterreich 129 Pramerdorf/ St. Florian am Inn: 1110-30 in loco Bramedorf , 1126 (Dr. 19. Jh.) Pramardorff dimidium mansum , ca. 1160 Livpoldus de Prammerdorf , 1220-40 Gertrudis de Pramerdorf , 1348 den hof ze Pramerdorf , ca. 1775 Bramendorf , ca. 1815 Bramedorf , 1857 Bramadorf Ober-, Unterpramau: 1126 (Dr. 19. Jh.) Pramovva secundum dimidium mansum , 1180-1221 Gozwinus de Pramowe , vor 1238 in loco qui uulgo Pramowe dicitur et uocatur In der Ouwe Toufchirchen ; ca. 1775, ca. 1815, 1857 Ober , Unter Bramau ? Großprambach: 788-800 omnia substancia nostra quę habuit ad Prampah et ad Futuruna , 1090-1120 unum mansum … iuxta Prampach situm , 1120-40 Marquart de Prambach , ca. 1200 in Prampah , ca. 1775 Gr [ oß ] Brambach , ca. 1815 Prambach , 1857 Gr [ oß ] Brambach D: br n m ON: 'br n ˌbrį , ˌ br n 'wǭid , 'br n mɒˌd¯ ɔ˓v , 'br n mˌhōv , ˌbrå n 'māų , 'brųnˌbǭ E: Die Pram ist mit 57 km der längste Nebenfluss des Inns in Oberösterreich. Sie entspringt westlich von Haag im Hausruck und mündet nördlich von Schärding und hat mehrere Seitenbäche, darunter den Prambach . Der linke Seitenbach bei Taufkirchen, an dem die Orte Unter - und Oberpramau liegen, heißt heute zwar amtlich Pramauerbach , ist volkstümlich jedoch namenlos, könnte aber nach dem von ihm durchflossenen, früher wesentlich größeren Augebiet vielleicht Aubach geheißen haben. Obwohl es seit dem 8. Jh. urkundliche Ortsnamenbelege für Pram gibt, lassen sich diese bis ins Hochmittelalter den verschiedenen Pram -Orten kaum sicher zuordnen. Der GewN Pram ist seit Ernst Förstemann (1913) als ahd. Bildung mit bair.-ahd. prāma ‚Dorngestrüpp, Brombeerstaude‘ im Sinne von „Bach, an dessen Ufern Dorngestrüpp wächst“ erklärt worden. Auch der Schreiber von 819 hat mit Braama den Namen schon so aufgefasst. Solche Grundlagen haben sicher Komposita wie Prambach als rechter Seitenbach der Aschach, Pol. Bez. Eferding (1210 Prampah ), der kollektive ON Pramet , Pol. Bez. Ried im Innkreis (1365 im Pramach ) aus bair.-mhd. prāmach sowie mehrere ober- und niederösterreichische ON Pram -/ Bromberg . Wahrscheinlich ist in diesem Sinn auch der Prambach als linker Seitenbach der Raab mit dem danach benannten Ort Großprambach zu verstehen und nicht im Sinn von „der zur Pram gehörende (Seiten)bach“. Da außerdem unwahrscheinlich ist, dass ein Substantiv im Ahd. durch Anfügung von a zu einem GewN wird, hat man den GewN Pram auch als Kompositum * Prāmaha betrachtet, dessen Grundwort ahd. aha ‚fließendes Gewässer‘ zu ā kontrahiert worden sei, wofür es aber im 8. und 9. Jh. keine Hinweise gibt. Man wird daher für den GewN Pram vordeutsche Grundlagen suchen müssen. Das ist umso wahrscheinlicher, als der Inn einen vordeutschen Namen trägt und die Pram an seinem Unterlauf der längste rechte Nebenfluss ist. Als solche kommt in Frage die schon von Konrad Schiffmann (1922) erwogene Anknüpfung an idg. * bherem - (mit Anlautvariante * brem - < uridg. ? * gṷrem -) ‚brummen, summen, surren‘ mit o -Ablaut in lat. fremō , ēre ‚brüllen, tosen, brummen‘, gr. βρέμω ‚brausen, toben, laut tönen‘, βρόμος ‚Geräusch‘, βροντή ‚Donner‘ (< * βρομ-τᾱ ), ahd. brëman / bram ‚brüllen‘, mnd. brammen ‚brummen, lärmen‘ (IEW, S. 144 f.) als idg.-vspr. * Bramā mit idg . o > a wie etwa im Mühlviertler GewN Naarn (zu idg. * ner -/ nor - ‚eindringen, untertauchen‘). Wenn Albrecht Greule (2014) an erst ahd. Bildung mit brëman / bram denkt, so stellt sich dasselbe Wortbildungsproblem wie mit bair.-ahd. prāma ein. Eine solche Erklärung der Pram im Sinne von „rauschender, tosender Bach“ steht aber sachlich im Widerspruch zum Erscheinungsbild des Flusses, der träge und mäandrierend (vor der Regulierung von 1938 noch viel 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 129 11.09.2019 09: 46: 53 130 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen mehr als jetzt) durch weite Teile der Landschaft zieht. Allerdings gibt es am Unterlauf bei Allerding einen kurzen, sehr auffälligen unwegsamen Abschnitt von etwa 2 km, wo der Fluss den Allerdinger Riegel, einen Ausläufer des nördlichen Sauwaldes, in einer schluchtartigen Enge durchbricht. Dort ist das Flussbett auf einer Strecke von einigen hundert Metern mit einer Fülle von abgeschliffenen, 1-2 m hohen Granitkugeln und Felsbrocken bedeckt, die als Gesteinet (dial. 'gšdǭɒ n nɒd ) bezeichnet wird. Es verursacht je nach Wasserführung stärkeres oder schwächeres Rauschen, wonach der Fluss benannt sein wird. Die Grundlage der bair. ahd. Integrierung wird antik-lat. * Brama gewesen sein. Da der Name des Inns auf Grund seiner Lautung und seines Genus bereits früh noch von Germanen wahrscheinlich im Bereich seiner Mündung in die Donau in Passau übernommen und dann ins Bair.-Ahd. tradiert wurde, liegt die Vermutung nahe, dass auch der Name der Pram früh integriert worden sein wird. Die Zweite Lautverschiebung des Anlautes von b > p in den ersten Jahrzehnten der 2. Hälfte des 8. Jhs. wird daher der schon früher als germ.* Brama integrierte und ins Bair.-Ahd. tradierte GewN vollzogen haben. L: Förstemann (1913), Sp. 563; Schiffmann (1922), S. 40; Wiesinger (1980), S. 151, Wiesinger (1980 a), S. 259 f.; OÖONB 3 (1994), S. 27 und 110; 5 (2017), S. 142 f.; ANB I (1999), S. 142 f.; Wiesinger (2004), S. 57; Wiesinger (2005), S. 298 f.; Greule (2014), S. 413. (60) Raab, rechts zur Pram bei Großschörgern; danach der Ort Raab, Markt, PB Schärding. U: 1120-38 dimidium iuxta Rurippe , ca. 1150 mansum … dimidium ad Riurippe , ca. 1150 predium … situm iuxta Rrippe , ca. 1210-30 iuxta Riurippe , 1247 apud ripam Rurippe , 1345 an der Rauchripp , 1357 an der Ræripp , ca. 1580 Räb pagus ad rivum eiusdem nominis ; ca. 1775, 1815 Raab Bach ; 1857 Raaber Bach Raab: 1070-1100 in manu cuiusdam viri nobilis Hartwici Riurippe , 1110-30 Rumolt de Rurippe , 1130-50 Eigil de Rŏrippe , ca. 1150 nobilis uiri nomine Růtberti de Rhrippe , ca. 1150 in uilla que dicitur Růrippe , 1170-90 quidam parrochianus de Reurippe nomine Herebertus , 1175-1200 mancipia illa de Revripe , ca. 1230 ecclesia Revrip , 1235 Vlricus de Reurip , 1382 daz ist … Räp , 1394 in Repper Pharr , 1489 Räb , 1595 Rääb , 1771 Schloß und HoffMarch Raab ; ca. 1775, ca. 1815, 1857 Raab D: rāb E: Auf Grund einzelner urkundlicher Belege mit h / ch wurde der ON seit Konrad Schiffmann III (1940) als Kompositum mhd. Rǖrippe mit dem Gundwort mhd. rippe ‚Rippe‘ und dem Bestimmungswort mhd. rūh ‚rauh, struppig‘ mit i -Umlaut durch das Grundwort im Sinne von „bewaldeter Bergkamm“ erklärt und auf die Anhöhen bezogen, die das schmale Tal der Raab auf beiden Seiten begleiten, und auf den kurzen Fluss übertragen. Er entspringt nördlich des Marktes Raab bei Bründl und mündet nach nur etwa 6 km bei Großschörgern in die Pram, nachdem er kurz vorher den Pramauerbach aufgenommen hat. Aber auch die zahlreichen ohne h / ch geschriebenen urkundlichen Belege können so aufgefasst werden, denn wie ahd. wī(h)rouch / mhd. wīrouch ‚Weihrauch‘ zeigt, schwand in der anlautenden wie inlautenden Lautfolge ahd. hr der Spirant schon früh. Gegenüber dieser mittelalterlichen Volksetymologie bringt die Neuzeit den Namen mit einem Raben in Verbindung, der seit der Markterhebung 1813 auch das Ortswappen ziert. In Wirklichkeit aber handelt es sich bei bair.-ahd. * Rūrippa um einen GewN idg.-vspr. Herkunft mit der Wurzel idg. * reu -/ r- (uridg. * reṷH -/ ruH -) ‚aufreißen, graben, aufwühlen‘ in aind. rutá - ‚zerschlagen‘, lat. ruō , 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 130 11.09.2019 09: 46: 53 1.2. Oberösterreich 131 ere ‚aufreißen‘, slaw. ryti ‚graben‘ (IEW, S. 868), die zahlreichen GewN zugrunde liegt, und dem seltenen Suffix iba / ub()a . Rechnet man mit dem häufigeren Suffix iba , so war die antik-rom. Grundlage der bair.-ahd. Integrierung * Rūriba und erfolgte mit dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung b > p spätestens in den ersten Jahrzehnten der 2. Hälfte des 8. Jhs. als bair.-ahd. * Rūripa . Dann aber wird das ständig überlieferte pp wie das Erstglied des als Kompositum erscheinenden Namens ebenfalls volksetymologisch umgedeutet und als ahd. rippa / mhd. rippe ‚Rippe‘ aufgefasst worden sein. Gegen die Annahme von Albrecht Greule (2014), zugrunde läge antikes * Rūribia , das dann romanische Gemination zu * Rūribbia erfahren habe, sprechen die vergleichbaren GewN mit iba . Ebenso scheidet die bereits spätgerman. Konsonantengemination zuibba aus, denn das abseitige Gebiet der Raab am Oberlauf der Pram war kein frühes germanisches Siedlungsgebiet. L: Schiffmann III (1940), S. 360; OÖONB 3 (1994), S. 114 f.; Wiesinger (2004), S. 58 f.; ANB II (2014), S. 360; Greule (2014), S. 421. (61) Steyr, links zur Enns in Steyr, PB Kirchdorf a. d. Krems, Steyr-Land und Steyr-Stadt. Danach die Orte: Steyr, Statutarstadt; Steyrdorf, Stadtteil, PB Steyr-Stadt; Steyregg, Stadt, PB Urfahr-Umgebung. U: 1092-1121 (cop. 12 . JhE) infra fluuium Anesum et fluuium Styram, F 1256-69 für 1178 in Styer fluvium … terminum , ca. 1450 enhalb Steyr , 1492 enhalb der Steir ; ca. 1775, ca. 1815 Steyr Fluß Steyr: 983-91 Stirapurch , ca. 1140-60 Arbo de Stire , 1174 Gundakerius de Stiria , 1200 Richer de Stire , 1217 Gundaker de Styr , 1240 Gundacharus et Ditmarus de Steir , 1252 in castro Steyr , 1291 ze Steyre , 1316 datz Steyr ; ca. 1775, ca. 1815, 1857 Steyr Steyregg: vor M12. Jh. (cop. 13. Jh.) Steyrheke castrum , 1287 decani de Steyrekk , 1374 ze Steyreckh , 1488 Steiregk , 1638 so gehen Steyregg gehörig , ca. 1775 Schloß Steüreck , ca. 1815 Steuereck , 1857 Steyregg D: älter šdāį , jünger 'šdāį-ɒ E: Die Steyr mündet in der gleichnamigen Stadt in die Enns und endet somit im Grenzbereich der frühmittelalterlichen westlich bairisch-deutschen und südlich slawischen Namenlandschaften. Es ist daher anzunehmen, dass, wenn nicht schon den Germanen, so zumindest den Baiern mit dem Namen der Enns auch der Name der Steyr früh bekannt wurde. Aber ihr gesamter Flussbereich vom Ursprung südlich von Hinterstoder bis zur Mündung war im Frühmittelalter seit dem 7./ 8. Jh. slawisch besiedelt. Obwohl der linke Seitenbach der Steyr bei Preisegg Steyerling (1160 uersus Stirnich ) heißt und eine Slawisierung als slaw. * Stirьnika im Sinne von „Kleine Steyr“ ist, kann man annehmen, dass die Baiern den GewN noch von restlichen Romanen übernommen haben, denn im Umkreis von Steyr finden sich Ortsnamen, die auf romanische Grundlagen hindeuten. Ob der GewN Steyr schon idg.-vspr. oder erst keltisch ist, muss offen bleiben, denn der keltische Stamm der Stiriates , der hier lebte, kann trotz keltischer Bildung bereits einen älteren Namen übernommen haben. Es ist die Tabula Peutingeriana des 4. Jhs. (cop. 12. JhE), die ihn allerdings nicht im Flussgebiet der Steyr, sondern südlicher im obersteirischen Ennstal ansiedelt, was aus namenkundlicher Sicht eine unzutreffende Lokalisierung darstellt. Dem antiken GewN * Stīra oder * Stīria liegt zugrunde idg. * stī-ro - ‚dicht‘ (uridg. * stiH-ro -) in lat. stīria ‚gefrorener Tropfen, Eiszapfen‘ (= „das Verdichtete“) und lit. stỹrti ‚erstarren‘ und statt mit r mit a -Erweiterung aind. stíya 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 131 11.09.2019 09: 46: 53 132 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen ‚träges, stehendes Wasser‘ (IEW, S. 1010). Diese Bezeichnung nimmt Bezug auf die Gewässerverhältnisse im Mündungsgebiet des Flusses in der Stadt Steyr, indem bei Hochwasser durch die rascher dahin fließende Enns die einmündende Steyr zurückgestaut wird und überschwemmt. So kann der GewN als „die Aufstauende“ verstanden werden. Die Lautverhältnisse erlauben zwar keine nähere Datierung der Integrierung, doch kann die Zeit, wie bereits eingangs erläutert, aus den geographischen und historischen Gegebenheiten erschlossen werden. Die nördlich der Donau östlich von Linz auf einer Rückfallkuppe gelegene Burg Steyregg wurde von den Markgrafen von Steyr/ Steiermark in der 1. Hälfte des 12. Jhs. wohl zum Schutz des wichtigen Donauüberganges westlich der Traunmündung angelegt. Sie war bis in die Neuzeit Lehen des Bistums Passau. L: Wiesinger (1980a), S. 273 f.; Wiesinger (1990), S. 275; OÖONB 7 (2001), S. 214 f.; 10 (2006), S. 10 ff.; Wiesinger (2002), S. 819 ff.; ANB II (2014), S. 1043 f.; Greule (2014), S. 514. (62) † Suben, jetzt Etzelshof(en)er Bach , rechts zum Inn in Suben. Danach: Suben, Dorf, PB Schärding. U: vor 1097 ex altera parte in qua Subenensis fluuiolus Enum innabat ; 1857 Etzelshofer B [ ach ] Suben: vor 1097 ex altera parte in qua Subenensis monasterium constructum , vor 1097 ęcclesię S. Lamberti quę est Subene , 1110-44 Altmannus de Subene , 1158-63 Chuno prepositus de Subne , ca. 1236 in Subin , 1301 ze Suben in daz Haus , 1363 daz capitel dez gottshauses ze Subn , 1721 Stüfft vnd Closter Suben ; ca 1775, ca. 1815, 1857 Suben D: 'sū(b)m E: Der kurze, heutige Etzelshof(en)er Bach , der früher Suben hieß, entspringt bei Oberfucking und mündet im Dorf Suben in den Inn, wobei er im ebenen Gelände zwischen St. Marienkirchen und Etzelshofen mäandriert und ein früher sumpfiges Wiesen- und Augebiet durchfließt. Am erhöhten südlichen Spitz zwischen den beiden Flüssen erhebt sich das 1784 aufgehobene Stift, das Mitte des 11. Jhs. von Tuta von Formbach als Kollegiatstift gegründet wurde und das ihr Enkel Altmann, Bischof von Trient, seit 1125 erneuerte und in ein Augustinerchorherrenstift umwandelte. Die erst frühmhd. urkundlichen Belege erschweren die etymologische Herleitung und Erklärung des GewN, setzen aber ein bair.-ahd. * Sup voraus, dessen inlautendes p im Spätahd. zu b leniert wurde. So kann die volle Namensform bair.-ahd. * Supuna , * Supina oder * Supūna jeweils mit Initialakzent gelautet haben. Während im Fall von * Supina der Labial den i -Umlaut verhinderte, trat bei möglichem * Supūna durch den Initialakzent Kürzung ein, so dass erst dadurch entstandenes oder schon ursprüngliches * Supuna zusammenfielen. Geht man wie Peter Wiesinger davon aus, dass von den Bächen die südlichere Antiesen keltischen und die nördlichere Pram wahrscheinlich idg.-vspr. Ursprungs sind, dann ist eine dieser beiden Möglichkeiten auch für die dazwischen liegende Suben wahrscheinlich. Ihr liegt dann zugrunde idg. * seu- / s- ‚Saft, Feuchtes; rinnen’ mit p -Erweiterung in aind. spa- ‚Brühe, Suppe‘, aksl. sysati ‚saugen‘ (< * sup-sa- ) und mit b -Erweiterung in aengl. sūpan , ahd. sūfan ‚saufen‘, got. supōn ‚würzen = in Brühe eintauchen‘ (IEW, S. 912 f.). Somit lässt sich die Suben als Gewässer im feuchten, sumpfigen Gelände im Sinne von „Kot-, Schmutzwasser“ verstehen. Die antike Form wird daher * Subuna / Subina / Subōna oder * Supuna / Supina / Supōna gelautet haben, wobei dann das p der letzteren Form der Inlautlenierung zu rom. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 132 11.09.2019 09: 46: 53 1.2. Oberösterreich 133 b / v unterlag. Der Labial von rom. * Subuna / Suvuna usw. wurde bis spätestens gegen Ende des 7. Jhs. noch als ᵬ/ b integriert und unterlag dann im 3. Viertel des 8. Jhs. der Zweiten Lautverschiebung zu bair-ahd. p . Dagegen nimmt Albrecht Greule erst ahd. Bildung mit germ. * sub im Ablaut zu germ. * sweb in ahd. swëbōn ‚schweben, wogen‘ und swëbēn ‚branden, wogen, schweben’ mit n -Erweiterung an, doch hat ein derartiges germ. * subim Deutschen appellativisch keine Spuren hinterlassen. Da außerdem die Bedeutungen nicht zum Erscheinungsbild der Suben passen, überlegt Greule mögliche Verwandtschaft mit germ. * swamba- ‚Schwamm‘ und rechnet mit schwammiger, sumpfiger Bodenbeschaffenheit im Mündungsgebiet. L: Wiesinger (1980a), S. 260 f.; Wiesinger (1990), S. 269; OÖONB 3 (1994), S. 17 f.; Wiesinger (2004), S. 57; ANB II (2014), S. 1059 f.; Greule (2014), S. 520. (63) Traun, rechts zur Donau östlich Linz; PB Liezen/ Steiermark, Gmunden, Vöcklabruck, Wels-Land, Linz-Land, Linz-Stadt; danach Kainischtraun, PB Liezen/ Steiermark; Traunsee, PB Gmunden; † Traungau. Danach die Orte: Obertraun, Dorf und Gem.; Trauneck, Dorf, Gem. Ebensee; Traunkirchen, Dorf und Gem.; Traunstein, Traundorf, Traunleiten, Stadtteile von Gmunden; Traunfeld, Rotte von Oberweis, Gem. Laakirchen; Traunfall, Rotte von Roitham, Gem. Roitham; alle PB Gmunden; Traunwang, Rotte, Gem. Desselbrunn, PB Vöcklabruck; Traun, Rotte, Gem. Bad Wimsbach-Neydharting; Traun, Weiler von Eggenberg, Gem. Fischlham; Traun Markt, Gem. Stadl-Paura; Traunleiten, Zerstr. Häuser, Gem. Steinhaus; alle PB Wels-Land; Traun, Stadt, PB Linz-Land; Traunau, Traundorf, Stadtteile von Linz, PB Linz-Stadt. U: 798-814 (cop. 12. JhE) in Trungŏ … super Trůnam cadit , 10. JhE bellum Baioariorum ad Trunam cum Ungariis , 1145 oblationes rusticorum inter duos fluuios Trunam et Anasum , 12. JhM (cop. 12. JhE) ein wazzer haizet Trune , 1298 bei der Traun , 1649 Traun Fl [ uß ]; ca 1775, ca. 1815, 1857 Traun Fluß Traunsee: 909 Trûnseo ; 1649, ca. 1775, ca. 1815, 1857 Traun See † Traungau: 788-90 (cop. 12. JhM) in pago … Drungaoe , 798-814 (cop. 12. JhM) in Trungŏ , 808 (cop. 9. JhE) in pago Trungouue , 822 (cop. 9. JhE) in pago Trungauue , 12. JhII (cop. 12. JhE/ 13. Jh) in Trungou , 1416 Traungæ , 1492 Trängau Traunkirchen: 1060-65 monachi … de Trunchirch , 1228 Heinricus plebanus de Trunchirch , 1247 abbatissa in Trnchirichen , 13. Jh. aput ecclesie Trawnchirichen , 1315 herr Fridreich pharrherr ze Traunkirchen , ca. 1500 von Trawnkirchen , 1649 Draun Kirch ; ca. 1775, ca 1815 Traun Kirchen , 1857 Traunkirchen Traun, Linz-Land: 819 oder 824 domum ad Truna , 1110-30 Chadolt de Truna , 1140 (cop. 12. Jh.) Pernhard de Trŏne , 1186 Heinricus de Trun ; ca. 1775, ca. 1815, 1857 Traun D: drāų n , 'drāų n ˌs ON: ˌdrāų n 'khīɒrɒ E: Die Traun mit rund 130 km Länge ist der Ausfluss des Grundlsees im obersteirischen Ausseerland und erhält durch die aus der Kainisch kommende Kainischtraun unterhalb von Bad Aussee sogleich starken Zufluss. Durch die Koppenschlucht an der Grenze erreicht sie das Salzkammergut in Oberösterreich und mündet bei Obertraun in den Hallstättersee. Dann fließt sie durch das Ischlland, ehe sie in Ebensee zum Traunsee gelangt. Als markanter Ort ragt auf der Westseite des Traunsees ein Felssporn mit Traunkirchen in den See, auf 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 133 11.09.2019 09: 46: 53 134 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen dem nach 1022 ein bis 1572 bestehendes Nonnenkloster errichtet wurde, dem dann von 1622 bis 1773 die Jesuiten folgten, die nach einem Großbrand von 1632 bis 1652 die heute noch bestehende barocke Anlage von Kloster und Kirche neu erbauten. Auf der Ostseite des Sees erhebt sich der mächtige kahle Traunstein , an dessen Fuß die gleichnamige kleine Siedlung liegt. In Gmunden verlässt die Traun wieder den See und durchquert im Alpenvorland in Richtung Donau das nach ihr benannte Traunviertel , das in karolingischer Zeit den Traungau bildete und dessen Name bis ins ausgehende Mittelalter lebendig blieb. Vorbei an Lambach mit seinem auf einem Bergrücken gelegenen, 1056 gegründeten Benediktinerstift erreicht die Traun bei Wels das ebene Gelände, wo sie sich in einem Augebiet von rund 25 km in zahlreiche Arme aufspaltete, ehe im 19. Jh. sukzessive Regulierungen sie auf einen Haupt- und wenige Seitenenarme eindämmten und sie östlich von Linz in die Donau mündet. Als bedeutender Fluss im östlichen Oberösterreich, auf dem jahrhundertelang die Traunschiffer Salz aus dem Salzkammergut zur Donau und weiter besonders in Richtung Böhmen beförderten und die Flößer Holz als Baumaterial flussabwärts brachten, trägt die Traun einen idg.-vspr. Namen, der nach Hans Krahe zur „alteuropäischen Hydronymie“ gehört. Obwohl bair.-ahd. Trūna auf Grund seines langen ū auf die Tiefstufe * drū von idg. * dreu -/ drou - ‚laufen, eilen‘ zurückgeführt wird (IEW, S. 204), was auch für die oberbayerische (34) Traun (ca. 790 Truna [cop. 12. Jh.]) gilt, basieren mehrere weitere derartige GewN auf erwartbarem kurzen idg. * dru wie etwa die Drôme in Frankreich (4. Jh. Druna ) und die Drujà in Litauen, so dass für langes * drū nun eine andere Erklärung gesucht wird. Albrecht Greule (vgl. 34 Traun) sieht sie in der Schwundstufe uridg. * druH- > *drūvon *dreH- ‚zerreißen, (das Land) umbrechen, aufreißen‘ mit adjektivischer Erweiterung * druH-nó - > * drū-no als * Drūnā im Sinne von „die (das Land) Aufreißende, Schädigende“, so dass die Traun nicht mehr unspezifisch als „die Laufende, Eilende“ zu verstehen ist. Damit aber könnte sich ihr Name auf den Unterlauf von Wels bis zur Donau mit der Aufspaltung des Flusses in zahlreiche größere und kleinere Arme beziehen, die „das Land aufeißen“. Obwohl aus lautlicher Sicht als späteste Zeit der Integrierung von antik-rom. * Drūna ins Bair.-Ahd. wegen des jüngeren Aktes der Zweiten Lautverschiebung von d > t die 1. Hälfte des 8. Jhs. in Frage käme, ist zu bedenken, dass die untere Traun im Bereich von Wels ‒ Linz fließt, deren Namen bereits in der Römerzeit von den Germanen übernommen wurden. Man wird daher mit schon germanischer Integrierung des GewN und Tradierung ins Bair.-Ahd. zu rechnen haben. L: Schiffmann III (1940), S. 118; Krahe (1964), S. 55; Schwarz (1969), S. 445; Wiesinger (1980), S. 148; Wiesinger (1980a), S. 269; Wiesinger (1990), S. 272; Wiesinger (1994), S. 60; OÖONB 4 (1997), S. 227; ANB I (1999), S. 276 ff.; Wiesinger (2004), S. 56; Greule (2014), S. 542. (64) † Witraun, jetzt Hackingerbach , links zum Pfudabach bei Angsüß (und mit diesem rechts zur Pram bei Leoprechting). Danach die Orte: Straßwitraun, Weiler, Mühlwitraun, Dorf, Gem. Enzenkirchen, PB Schärding; (65) † Wietraun, jetzt Flohleitenbach , links zur Pram bei Friedwang. Danach die Orte: Ober-, Unterwietraun, Weiler, Gem. Taiskirchen im Innkreis, PB Ried im Innkreis; 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 134 11.09.2019 09: 46: 53 1.2. Oberösterreich 135 Witraun Haus (ehem. Mühle) von Einburg, Gem. Raab, PB Schärding. U: Hackingerbach: 788-800 omnia substancia … quę habuimus ad Prampah et ad Futuruna et Aninsezza [Angsüß], 1110-40 predium ad Witerune , ca. 1150 curtem ad Witerune , 1568 Wietram Fluß , ca. 1580 Wietramus fluvius , 1832 Enzenkirchen … am Bache Wietram Straßwitraun: 1110-30 in loco qui dicitur Witerun , 1110-30 Helimbertus sacerdos de Wieterun , 1110-30 Helmbertus clericus de Witerun , 1120-45 Adelrammus de Witerune , 1130-44 militi … Helmberto de Witerûn , 1130-60 Adelmannus de Phutrun , 1140 Adelmannus de Phutrunen , 1145 Adelmannus de Witerune , ca. 1150 Eberhardus de Witrun , 1170-90 UVipoto et Engilscalcus frater eius de Witroven , 1175-1200 Vlricus de Witrun , ca. 1580 Straswietram , ca. 1775 Straßwiederaun , ca. 1815 Straßwietram , 1857 Straßwitram Mühlwitraun: ca 1510-20 Nidergut ze dendietraun , ca. 1580 Ödnwitraun , ca. 1775 Mühlwiederaun , ca. 1815 Mühlwietraun , 1857 Mühlwitram Ober-, Unterwietraun: ca. 1580 Wietrama ; ca. 1775, ca. 1815 Ob [ er ], Unt [ er ] Witraun , 1857 Unt [ er ] Witraun Haus Witraun: ca. 1775 Widraun M [ ühle ], ca. 1815 Widraun , 1857 Wiertrau M [ ühle ] D: variabel ' šdrōswī(ɒ)dɒrɒ , mǖ'wī(ɒ)d(ɒ)rɒ ; 'wīdɒrāų n , 'wīɒdɒrāų n E: Bei Witraun handelt es sich auf Grund der allerdings nur wenigen urkundlichen Belege eindeutig um den ursprünglichen Namen des heutigen Hackinger Baches , den Souvent 1857 Enzenkirchner Bach nannte, beides neuzeitliche Topographennamen für den volkstümlich namenlosen Bach nach daran liegenden größeren Orten. Was den Sitz der mittelalterlichen Herren von Witraun betrifft, konnte Johann Evangelist Lamprecht um 1880 nachweisen, dass er sich im Ortsteil Jagern von Straßwitraun befand. Dort bestanden bis gegen 1840 die überwachsene Erdsubstruktion und Mauerreste einer kleinen Burg, die eingeebnet und mit deren Erdreich der umgebende Ringweiher und drei kleine Fischteiche zugeschüttet wurden. 6 Daher sind nach Norbert Grabherr (1975, S. 125) zumindest die entsprechenden urkundlichen Personennamen und jener des Klerikers Helmbert auf Straßwitraun zu beziehen. Damit sind aber die Verwirrung stiftenden Angaben des ANB II (2014, S. 1048 f.), Witraun sei unermittelt und es sei fraglich, worauf die Ortsnennungen zu beziehen seien, hinfällig, zumal sich in den anderen Witraun -Orten auch keinerlei archäologische Hinweise auf Adelssitze haben erbringen lassen. Dass in einem Kleinraum von rund 15 km derselbe Name zwei verschiedene Bäche bezeichnen kann, ist nicht ungewönlich und betrifft auch die (57) Polsenz, die (51) Ipf und die Raming-Bäche an der Enns. Wahrscheinlich erfolgte Namenübertragung durch Zuzug aus dem ursprünglichen Witraun -Gebiet.Volkstümlich ist auch dort der Bach heute namenlos, der 1857 von Souvent Jebinger Bach und heute Flohleitenbach nach daran gelegenen Orten genannt wird. Sicherlich erst jünger ist der Name Witraun der an der Pram gelegenen ehemaligen Mühle von Einburg. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um eine Rückbildung des in Oberösterreich vorkommenden Familiennamens Witrauner (auch Wiederer ) als Herkunftsname von einem der ursprünglichen Witraun -Orte. Der wegen seines Suffixes mhd. ūne < ahd. ūna schon von Konrad Schiffmann III (1940, S. 491) als vordeutsch erkannte GewN erfuhr mehrere Interpretationen, doch konnten nicht 6 Das Manuskript von J. E. Lamprecht: Archäologische Streifzüge und Untersuchungen verschiedener Umwallungsorte des unteren Innviertels von ca. 1880 befindet sich im Oberösterreichischen Landesmuseum in Linz. Der entsprechende Auszug ist zugänglich im Internet: https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Burgstall_ Stra%C3%9Fwitraun. Zugriff 15.1.2017. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 135 11.09.2019 09: 46: 53 136 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen alle überzeugen. Er basiert wohl auf idg. * ṷeid -/ ṷid - ‚biegen, drehen‘ in gr.-hom. ἰδνόομαι (< * ϝιδ-νός ‚gebogen‘), wovon mit verschiedenen Erweiterungen und darunter auch r zahlreiche GewN gebildet werden wie ein Οὐίδρος ποταμός in den Niederlanden (Ptolemaios II, 11, 1). Für Witraun ist mit kelt. * Vidrona mit dem typisch kelt. GewN-Suffix ona zu rechnen, das vom sich windenden, mäandrierenden Unterlauf des Baches zwischen Großheitzing und Angsüß motiviert sein wird. Da das ahd. Suffix ūna lat./ rom. ōna voraussetzt, ist es möglich, dass die vermittelnden Restromanen den GewN volksetymologisch als Gegendbezeichnung mit rom. * vetrōna / vedrōna in friulanisch vieri ‚unbebautes Land, Brachfeld‘ im Sinne von „Weideland“ zu lat. vetus , eris ‚alt‘ in Verbindung gebracht haben (OÖONB 3, S. 135; Wiesinger [1990], S. 277f.). Gleichgültig ob lat./ rom. * Vidrōna oder rom. * Vedrōna mit rom. Inlautlenierung die Grundlage bildet, so erfolgte die Integrierung zu bair.-ahd. * Witrūna wegen der Gleichsetzung von anlautendem rom. v mit bair.-ahd. w bis spätestens gegen die Mitte des 7. Jhs. und vollzog sich der Wandel von d > t in der Zweiten Lautverschiebung bis spätestens in der 1. Hälfte des 8. Jhs. im bereits integrierten Namen. In den variablen Dialektaussprachen führte die teilweise fallende Gleitlautbildung vor dem Dental zum Diphthong iɒ . Ein besonderes Problem bildet das in Verbindung mit mhd. Witerun im 12. Jh. auch selbständig überlieferte Phutrun , dem 788-800 Futuruna voraus geht, wobei im Fall von Adelmann beide ähnlichen Namensformen gleichgesetzt werden, also austauschbar waren. Es wird neuerdings auf den volkstümlich als die Pfuda bezeichneten amtlichen Pfudabach bezogen, in den die Witraun / Hackingerbach bei Angsüß einmündet. Diese Schreibung wurde 1857 von Alois Souvent eingeführt und folgt der Dialektaussprache als [ 'bvūdɒ ], der die älteren Verschriftlichungen als 1580 Pfuter Fluß , ca. 1775 und ca.1815 Pfutter Bach durchaus entsprechen. Während Albrecht Greule (2014) an die von ihm als deutsch erklärte Pram anschließt, hält Peter Wiesinger (2005) in Verbindung mit der Witraun alle drei GewN für vordeutsch und damit letzlich romanischer Herkunft. Nach Albrecht Greule ist Phutrūn / Pfuda eine bair.-ahd. Bildung vom verbreiteten deutschen Dialektwort pfudeln / pudeln ‚im Wasser plätschern‘ und Pfudel / Pudel ‚Pfütze, Mistlache, Jauche‘ mit westgerm. * pud von idg. * beu -/ bu -‚aufblasen, schwellen’ mit d -Erweiterung (IEW, S. 98 f.), das vom oberdeutsch-alemannischen Elsass über den westmitteldeutsch-fränkischen Bereich bis ins Niederdeutsche verbreitet ist und in GewN wie Puderbach bei Selters im Westerwald auftritt. 7 Auch im Stadtgebiet von Vilshofen in Niederbayern gibt es eine der Donau zufließende Pfudrach . So mag die oberösterreichische Pfuda ursprünglich bair.-ahd. * Pfuta oder * Pfutura geheißen haben und sich auf den stark mäandrierenden Unterlauf von Thal bis zur Mündung in die Pram bei Leoprechting wohl mit der Bildung von Wasserlachen in der Ebene bezogen haben. Aber schon in der frühahd. Zeit des ausgehenden 8. Jhs. wird es wegen der lautlichen Ähnlichkeit und des Zusammenhangs der beiden Bäche zur Kontamination von Pfutura + Witurūna = Pfuturūna gekommen sein, wobei die Affrikata [ pf ] selten als < f >, normalerweise aber als < ph > wiedergegeben wird. Bedenkt man mit Peter Wiesinger (2005) jedoch, dass nicht nur die Witraun , sondern auch die Raab und wahrscheinlich auch die Pram idg.-vspr. Namen tragen, so ist die Annahme 7 Das Wort pfudeln kommt nach Aussage der Dialektwörterbücher und der Wörterbuchsammlungen im Bairischen von Bayern und Österreich nicht vor. Vereinzeltes lautlich nicht passendes pudeln ‚sich wälzen‘, besonders als einpudeln ‚wälzen der Hühner im Sand‘ scheint jüngeren Datums zu sein. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 136 11.09.2019 09: 46: 53 1.3. Salzburg (Stadt, Flachgau und Tennengau) 137 einer erst westgerm./ bair.-ahd. Benennung der Pfuda , in die ja die Witraun mündet, wenig wahrscheinlich. Im Fall einer zunächst gemeinsamen Benennung von Witraun und Pfuda als rom. * Vedrōna wäre auch jüngere romanische Vokalharmonisierung zu * Vodrōna mit bereits stimmhaftem labiodentalem [ v ] seit der 2. Hälfte des 7. Jhs. möglich. Bei dieser erst jüngeren Übernahme des romanisch weiterentwickelten GewN ins Bair.-Frühahd. in der Zeit vom Ende des 7. bis gegen die Mitte des 8. Jhs. wurde sein [ v ] mangels einer unmittelbaren Lautentsprechung mit der stimmlosen Lenis [ f ] aus westgerm. f substituiert, denn die nächst ähnlichen Laute waren in dieser Zeit der Halbvokal w / [ ṷ ] und der stimmlose Lenisplosiv b . Gleichzeitig unterlag der Dental d der Zweiten Lautverschiebung zu t , so dass das bezeugte Futurūna mit Sproßvokal u in der Lautfolge tr entstand. Noch vor der Stimmhaftwerdung von bair.-frühahd. f > v am Ende des 8. Jhs. erhielt das stimmlose f ein stützendes p , wie es gelegentlich vorkommt, was schließlich zum bair.-mhd. bezeugten Phutrūn mit Synkope des Sproßvokals führte. Beide im 12. Jh. urkundlich gleichwertig auftretenden Namensformen Witrūn und Phutrūn wurden schließlich auf den Oberlauf und den Unterlauf der miteinander verbundenen Bäche aufgeteilt. L: Schiffmann III (1940), S. 491, Wiesinger (1980a), S. 281 ff.; Wiesinger (1990), S. 277f.; OÖ- ONB 2 (1991), S. 119 f.; 3 (1994), S. 134 f.; Wiesinger (2004), S. 56 f.; Wiesinger (2005), S. 200 ff.; ANB II (2014), S. 1148 f.; Greule (2014), S. 405. 1.3. Salzburg (Stadt, Flachgau und Tennengau) (Karte 3) Von Peter Wiesinger Anm.: Wenn Ortsnamen nicht anfangsbetont sind, wird die Betonung mit Akut über dem betreffenden Monophthong oder Diphthong bezeichnet. (66) Alm, links zur Salzach bei Rif/ Taxach = Königseeache oder Berchtesgadener Ache im Lkr. Berchtesgadener Land/ Oberbayern, Alm im PB Hallein/ Östereich. Danach der Ort: Niederalm, Dorf, Gem. Anif, PB Salzburg-Umgebung. Almkanal, links zur Salzach in der Stadt Salzburg; (67) Almbach, rechts zur Salzach in Hallein. Danach die Orte: Alm, Weiler, Gem. Faistenau, PB Salzburg-Umgebung; Oberalm, Markt; Neualm, Siedlung von Hallein, PB Hallein. U: F vor 1196 für 1123 salinam inter fluvios Salzah et Albam inferior , 1211 fluvii qui dicitur Alba , 1338 aream sitam super ripam que vocatur Albe , 1445 auf der Alben , 1615 Bach, die Albm genant ; ca. 1808 Alben , Albenbach , Nieder Almerbach Niederalm: 930 ad Albinam inferiorem , 1348-1400 in Nyder Alben , 1610-12 Vogtey zu Niedern Allm , ca. 1808 Nieder Alm Oberalm: 798-814 (cop. 12. Jh.) in villa Albîn , 1147-67 Marquardus de Albin , 1192 duos mansus ad Alben superiori , 1246 apud Obern Alben , 1604 Ober Albm raumen , ca. 1808 Oberalm D : 'ǭį(b)m 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 137 11.09.2019 09: 46: 53 138 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen E: Bei Alm handelt es sich um drei Bäche: 1. den Ausfluss des Königsees, der jetzt nur auf seinem kurzen österreichischen Unterlauf Alm heißt und an dem Niederalm liegt, der aber 1815 auch noch auf bayerischer Seite Alben hieß und jetzt als Königsseeache , doch auch als Berchtesgadener Ache bezeichnet wird; 2. den bei St. Leonhard von der Alm abgezweigten, durch die Stadt Salzburg fließenden Almkanal , der urkundlich bereits kurz nach 1151 bezeugt ist; 3. den Almbach , der volkstümlich meist nur Alm heißt, der Ausfluss des Hintersees ist und an dem bei Hallein Oberalm liegt. Der GewN idg.-vspr. Herkunft gehört zur „alteuropäischen Hydronymie“. Ob die Alm als linker Nebenfluss der Salzach anfänglich nur Alba hieß oder dies eine spätere urkundliche Rückverkürzung aus sonstigem Albina ist, lässt sich nicht entscheiden. Zur Etymologie siehe (41) Alm / Oberösterreich. L: Reiffenstein (1991), S. 59; Lindner (1998), S. 117; ANB I (1999), S. 26; Lindner (2002), S. 539 f.; Lindner (2007), S. 114 f.; Lindner (2008), S. 32; Lindner (2014), S. 328; Greule (2014), S. 32; HELSON 1 (2015), 5 f. und 87; 2 (2017), S. 5 und 52. (68) Fuschlsee; Fuschler Ache; Fuschl am See, Dorf, PB Salzburg-Umgebung. U: ca. 788-90 (cop. 12. JhM) stagnum qui nominatur Lacusculus , ca. 788-90 ad lacum qui vocatur Labusculo ; 1141, 1144, 1146 Fusculse ; 1341 pey dem Fuschelsee in Talgaver gericht ; 1624, ca. 1815 Fuschlsee ; ca. 1808 Fuschel D: 'vulˌs, ON: vul E: Am oberen östlichen Ende des Fuschlsees liegt der Ort Fuschl. Die Fuschler Ache ist der Ausfluss des Fuschlsees und fließt in nördlichem Bogen über Thalgau zum Attersee bei St. Lorenz. Zugrunde liegt spätlat. lavusculus ,kleiner See‘, Diminutiv zu lat. lacus ,See’ als rom. *Lagusculo , * Lavusculo . Integriert wurde der GewN mit Abtrennung von la entweder wegen Vortonigkeit oder als vermeintlicher Artikel erst nach dem Auslaufen der Zweiten Lautverschiebung von rom. -ᵬ/ v zu bair.-ahd. p als bair.-ahd. * Vuscul(a) seit Ende des 8. Jhs. mit der Gleichsetzung von stimmhaftem rom. ᵬ/ v mit um diese Zeit stimmhaft gewordenem frühahd. f zu bair.-ahd. v . Vgl. (125) Anif. L: Schwarz (1970), S. 876; Reiffenstein (1991), S. 49; ANB I (1999), S. 390; Lindner (2007), S. 118; Lindner (2008), S. 25; Greule (2014), S. 159; HELSON 1 (2015), S. 32. (69) Glanbach, links zur Salzach in der Stadt Salzburg. Danach die Orte: Glanegg, Dorf, Gem. Grödig; Glansiedlung, Siedl. von Viehausen, Gem. Wals-Siezenheim, alle PB Salzburg-Umgebung; Glanhofen, Maxglan, Stadtteile von Salzburg. U: 798-814 (cop. 12. JhE) super rivulum Glane , nach 923 iuxta fluviolum Glana , 1623 die vischwaid in der Glon , ca. 1808 Glon Bach Glanegg: 1353 Glanekk , 1449 gen Glanegk , 1544 zu Glaneck , 1620 zu Glanegg , ca. 1808 Glaneck Glanhofen: 798-814 (cop. 12. JhE) in villa qui dicitur Glana , 987 ad Glana , 1147-67 Rahwin de Glana , 1207 Meingoz de Glane , 1224 apud Glanhouen silva , 1251 Chunradus de Glanhoven , 1441 lanndtrichter zu Glan , 1499 Glanhofen , 1522 zu Glan bey der kirchen , 1628 in Glan , ca. 1808 Glanhofen 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 138 11.09.2019 09: 46: 53 1.3. Salzburg (Stadt, Flachgau und Tennengau) 139 Maxglan: 1461 Capellam Sancti Maximiliani ; 1566, 1666 Maxlon , 1732 Maxlaner Undertanen , 1798 zu Maxglan , ca. 1808 Maxglan D: nur mehr ugs. glān ON: nur mehr ugs. gla'nek , ˌglān'hōvm ; veraltend dialektal ˌmaks'lǭ n , sonst ugs. ˌmaks'glān E: Am kurzen, westlich von Grödig entspringenden Glanbach , volkstümlich Glan genannt, liegen die danach benannten Orte Glanegg und die junge Glansiedlung sowie die Salzburger Stadtteile Glanhofen und Maxglan , das im 17. Jh. aus dem Namen der an der Glan befindlichen spätmittelalterlichen Kapelle zum hl. Maximilian hervorgegangen ist. Die anzusetzende Dialektaussprache * glǭ n ist durch die der Schreibung folgende ugs. Aussprache verdrängt worden. Der GewN ist keltischer Herkunft von kelt. * glan - ‚klar, lauter’ in air. glan ‚rein, klar, glänzend‘ als kelt. * Glanā in gall. GewN und ON Glana , Glanum und franz. Gland / Glain / Glane ; er kommt mehrfach auch im deutschen Sprachraum vor, z. B. Glan in Kärnten und (10, 11) Glonn in Oberbayern (siehe dort). Die bair.-ahd. Integration von antik-rom. * Glana wird im Stadtbereich von Salzburg früh erfolgt sein, so dass gegen Ende des 8. Jhs. noch der letzte Akt der Zweiten Lautverschiebung von g zu bair.-ahd. < c >/ [ k ] zu * Clana eingetreten sein wird, der im Lauf des 9. Jhs. wieder rückgängig gemacht wurde (vgl. 70 Glasbach) L: ANB I (1999), S. 50; Lindner (2002), S. 540 f.; Greule (2014), S. 176 f.; HELSON 1 (2015), S. 37 f. (70) Glasbach, rechts zur Salzach in Glas/ Salzburg. Danach die Orte: Glas, Stadtteil von Salzburg; Glasenbach, Dorf, Gem. Elsbethen, PB Salzburg-Umgebung. U: Glas: 798-814 (cop. 12. JhE) villam cum tributalibus viris super Salzaha quę dicitur Clasâ , 931 ad Glasam , 991-1023 mensuram prope rivulum qui fluit iuxta locum qui dicitur Glasa , 1124-30 Uvolmar de Glâse , 1144 Glæse , 1334 vnser vogtay … ze Glæs , 1487 zu Gläs , ca. 1880 Glaß Glasenbach: 1207 ubi duo alvei Stadilbach et Glaserbach in unum confluunt , 1212-1312 der Gláserpach , 1375 Hainrich von Gläserpach , 1491 Lienhart Getzenpacher aus dem Gläserpach D: glās ; 'glāsnbǭx E: Während der Salzburger Stadtteil Glas an dem vorbeifließenden Glasbach liegt, der hier von rechts in die Salzach mündet, fließt an dem etwas südlicheren Glasenbach der aus der Glasenbachklamm kommende Klausbach vorbei, der früher Glasenbach hieß und hier ebenfalls in die Salzach mündet. Sein Name Klausbach geht auf eine am Oberlauf befindliche Klause zum Holztriften zurück, wo der Klausbauer bzw. das Klausgut liegt (1653 Klaushüterhäusel ). Der GewN Glas kommt von kelt. * glas in ir. glass ,grün, blau, grau’, breton. glaz ,grün’ , kymr. glas ,blau’ (IEW, S. 432) als kelt. * Glasā , lat./ rom. * Glasa und nimmt auf die Farbe des Wassers Bezug. Er wurde entweder schon spätestens gegen Ende des 8. Jhs. mit dem jüngsten Akt der Zweiten Lautverschiebung von g zu bair.-ahd. < c >/ [ k ] als bair.-ahd. Clasa integriert, oder es diente erst im 9. Jh. das bair.-ahd. < c >/ [ k ] mangels eines anlautenden g als Substitutionslaut. Merkwürdig ist der seit dem Mhd. und in der Dialektaussprache deutlich vorliegende Umlaut von a . Während Ingo Reiffenstein (Helson) eine neutrale ja -Ableitung bair.-frühahd. * Glasia für möglich hält, denkt Albrecht Greule an volksetymologische Einwirkung von ahd. glās ,Bernstein’ (< germ. * glēs in lat glēsum , dazu anord. glǣr ,hell, klar’) 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 139 11.09.2019 09: 46: 53 140 1. Die tradierten antik-romanischen Gewässernamen als j -Ableitung * Glās(i)a zur Bezeichnung einer Stelle im Sinne von „Stelle an einem Gewässer, das klar wie Bernstein ist“. Glasenbach ist entweder eine schon spätahd. oder erst mhd. adjektivische ira / er -Ableitung vom GewN bair.-spätahd. Glāsa / mhd. Glæse mit dem Grundwort Bach als spätahd. * Glāsirapah / mhd. Glæserpach . L: ANB I (1999), S. 416; Lindner (2002), S. 543; Greule (2014), S. 178; HELSON 1 (2015), S. 38. (71) † Gniglerbach, heute Alterbach , rechts zur Salzach bei Maria Plain. Danach die Orte: Gniglerbauern, Weiler von Guggental, Gem. Koppl, PB Salzburg-Umgebung; Gnigl, Stadtteil von Salzburg. U: 788-814 (cop. 12. JhE) in Salzburggowe super rivulum qui dicitur Glanicle , 1271 in fluvio Gnigel dicto , 1282 super flumen Genigelam , 1415-1501 Mayr in der Gnigl , ca. 1808 Unt [ er ]-, Ober Gnigl D: 'gŋīgl E: Der am Fuß des Heubergs bei Koppl entspringende Alterbach hieß früher Gnigl , woran noch die im Quellbereich liegenden Gniglerbauern ebenso erinnern wie der Flurname In der Gnigel am Unterlauf. Da gegenüber dem Alterbach der Glanbach in die Salzach mündet, konnte auf Grund der unterschiedlichen Wasserführung der Alterbach im Gegensatz zur „groß” eingeschätzten Glan als „ kleine Glan ”, lat. * Glanicula , bezeichnet werden (siehe Glanbach). Die Integration erfolgte ausgehend von rom. * Glanícla mit Beibehaltung des lat. Paenultimaakzents und Synkope des folgenden Vokals und dann bei Abschwächung des unbetonten a > e wohl als spätahd. * Gleníkel . Es wurde wahrscheinlich zu * Geníkel gewandelt und dann die anlautende Silbe * Ge wie das gleichlautende Präfix empfunden und sein Vokal synkopiert, so dass mit bair.-frühnhd. Konsonantenschwächung Gnígel/ Gnígl entstand. Da der rom. Paenultimaakzent beibehalten wurde, dürfte die Integration erst in spätahd. Zeit um die Jahrtausendwende erfolgt sein. L: Schwarz (1970), S. 900; ANB I (1999), S. 415; Lindner (2002), S. 543; Lindner (2008), S. 26; Greule (2014), S. 182; HELSON 1 (2015), S. 39 f. (72) † Ivarus, Unterlauf der Salzach, links zum Inn bei Überackern, PB Hallein, Salzburg-Umgebung, Braunau am Inn/ Oberösterreich. U: antik: ca. 375 (cop. 12. JhE) Ivaro (Tabula Peutingeriana) 746-47 oder 74 (cop. 12. Jh. nach cop. nach 870) iuxta fluvium Ivarum , 788 (cop. 12. JhE) ad fluvium Ivarum qui alio nomine dicitur Salzaha , 984 sursum ex utraque parte fluminis Iuaris E: Die am Gerlospass bei Krimml entspringende Salzach durchfließt am Oberlauf bis zum Gasteiner Tal den Pinzgau und am Mittellauf bis Bischofshofen den Pongau, wo nach dem Pass Lueg der Unterlauf beginnt und sie über Hallein und Salzburg zugleich als österreichischer Grenzfluss gegen Bayern schließlich bei Überackern in den Inn mündet. Die Tabula Peutingeriana des 4. Jhs. und die Conversio Bagoariorum et Carantanorum des 8./ 9. Jhs. überliefern die lat. Bezeichnung Ivarus für den Unterlauf der Salzach, während der weitere Name Igonta als Verschreibung für Isonta auf den Oberlauf zu beziehen ist. Da die Stadt Salzburg antik-lat. * Iuvavum / rom. Iuvao hieß, ist der GewN als * Iuvarus anzusetzen. Im 10. Jh. wurde der alte Name antikisierend teilweise neu aufgegriffen. Siehe (142) Iuvavum/ Iuvao. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 140 11.09.2019 09: 46: 53 1.3. Salzburg (Stadt, Flachgau und Tennengau) 141 L: Reiffenstein (1990); Reiffenstein (1991) S. 51 f.; Lindner (2000); Lindner (2002), S. 544; ANB II (2014), S. 904; Lindner (2014), S. 329; Greule (2014), S. 248; HELSON 1 (2015), S. 108 ff. (73) Lammer, rechts zur Salzach südlich Golling, PB St. Johann im Pongau und Hallein. Danach die Orte: Lammertal, Zerstr. Häuser, Gem. St. Martin am Tennengebirge, PB St. Johann im Pongau; Lammerer, Rotte von Lindental, Gem. Abtenau; Lammerrain, Einschicht von Erlfeld, Gem. Abtenau; † Lammerstegen, ehem. ON von Engelhardt, Gem. Scheffau a. d. Lammer; Lammeröfen, Gasthaus, Gem. Scheffau a. d. Lammer; alle PB Hallein U: 1124 iuxta fluvium qui vocatur Lâmara, Lamere ; ca. 1130-35 (cop. 13. JhM) usque ad exortum fluminis Lamere , 1149 (cop. 14. JhA) iuxta flumen Lamer dictum , 1249/ 50 rivulo Rotenpach in Lameram defluente , 1299 bei der Lamer , ca. 1808 Lammer Lammertal: 1207 decimam ad Lamertal , ca. 1808 LammerThal Lammerer: 1243 curtem apud fluvium Lamere que nominata est Zer Lamere , Lammerrain: 1272 Lammerrain , ca. 1808 Lammerran (sic! ) † Lammerstegen: 788-900 (cop. 12. JhM) usque ad pontes que nunc vocantur Stega , 1144-47 de Lamerestege D: 'lǫmɒ E: Die Lammer entspringt am Südostabfall des Tennengebirges unweit des nach ihr benannten oberen Tales und Ortes Lammertal und umrundet in östlichem und nördlichem Bogen das Tennengebirge. Nachdem sie die Klamm der Lammeröfen durchquert hat, fließt sie ab Oberscheffau mit wenig Gefälle etwa 8 km lang im ebenen Scheffautal und mündet oberhalb von Golling im Obergäu in die Salzach. Das idg. r - Suffix spricht für einen idg.-vspr. GewN * Lamarā , doch dürfte die Wurzel nicht idg. Herkunft sein, sondern es handelt sich nach Albrecht Greule wahrscheinlich um das vorrömische Alpenwort * lamā in alem.-schweizerdt. Lamm(e) ‚von Wasser durchströmte, ausgehöhlte Felsenkluft; enger Durchgang eines Baches; Talabhang zu einem Gewässer’ und in südbair.-tirolerisch Lammer ‚Geröllhalde im Hochgebirge‘. Demnach dürfte sich der GewN von der Klamm der Lammeröfen herleiten, die nach dem Talboden am Unterlauf den Zugang zum weiteren Flussverlauf erschwert bzw. versperrt. Möglich ist aber nach Thomas Lindner und Ingo Reiffenstein auch eine rein idg.-vspr. Bildung entweder mit der Verbalwurzel idg. * lem -/ lam - ‚zerbrechen‘ in altbulg. lomiti ‚brechen‘ oder der gleichlautenden Substantivwurzel in gr. λάμοϛ ‚Schlund‘, λάμια (Pl.) ‚Erdschlund‘ und russ. lom ‚Bruch‘ (IEW, S. 674 f.). Im Sinn von „aufgebrochener Boden“ hat sich im Slawischen mit * lomъ die Bedeutung ‚Sumpf ‘ entwickelt, worauf im ehemals slawischen Ost- und Südösterreich auch mehrere ON zurückgehen. In dieser Bedeutung verstehen zwar Lindner und Reiffenstein auch die Lammer , wobei der untere ebenen Talboden früher wahrscheinlich sumpfig war, doch verbietet das r -Suffix slawische Herleitung, obwohl beide Golling als slawische Bildung ansprechen. L: ANB I (1999), S. 642; Lindner (2002), S. 545; Greule (2014), S. 296 f.; HELSON 2, (2017), S. 44 ff. (74) Rigáusbach, rechts zur Lammer bei Tanzberg. Danach die Orte. Rigáus, Katastralort; Rigáusssaag, Rotte von Rigaus, Gem. Abtenau, PB Hallein. U: 1514 meinen wald, pach vnd werchstat … in der Abtenau genant in der Riglaus [sic! ], 1562 riet zwischen Lienpach vnd Rigauss , ca. 1808 Rigaus Graben 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 141 11.09.2019 09: 46: 53 142 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen D: ri'gāųs E: Unterhalb der Mündung der von Nordosten aus dem Rigáusgraben kommenden Rigáus in die Lammer erstrecken sich im Tal die Orte des Katastralortes Rigáus und nördlich oberhalb am Berg von Rigáussaag. Der GewN geht zurück auf rom. ( aqua ) rigōsa von lat. riguus ‚bewässernd‘. Die Integrierung erfolgte wegen der Beibehaltung des rom. Paenultimaakzentes nach der Jahrtausendwende ins Bair.-Spätahd./ Frühmhd. bei Ersatz von geschlossenem rom. ō durch bair.-ahd./ mhd. ū , doch wegen dessen „neuhochdeutscher“ Diphthongierung vor 1100 als bair.-spätahd./ frühmhd. * Rigsa . L: Lindner (2008), S. 40; HELSON 2 (2017), S. 40. (75) Torréner Bach, links zur Salzach gegenüber Golling. Danach: Torrén, zusammenfassender Name für 21 Ortsteile der Gem. Golling, PB Hallein. U: 1139 silvulam quandam superius Cuchili [Kuchl] Torenne [Ort] dictam quam disterminant ab utroque latere torrentes duo, unus eiusdem vocabuli Torenne, alter Suwarzinbach [Schwarzenbach, links zur Salzach bei Lacher/ Golling], 1299 den walt in der Dorenne , ca.1304 den wald in der Tarenn , 1486 Gut Edt in Torren , ca. 1808 [Hof] Tarener D: to'ręn E: Der kurze Torrénbach von etwa 5 km Länge, volkstümlich nur die Torrén genannt ‒ sie sollte besser < Torenn > geschrieben werden ‒, entspringt am Bärenloch mit dem Bluntauwasserfall und dem Höllbach und kommt als Wildbach aus dem unbesiedelten Bluntautal. Entsprechend bedeutet der Name rom. torrénte [ m ] ‚Wildbach, Gießbach‘ von lat. torrens , entis ‚wild, reißend; Wildbach‘. Wegen der Beibehaltung des lat./ rom. Paenultimaakzentes wird die Integrierung erst am Ende der ahd. Zeit um die Mitte des 11. Jhs. erfolgt sein. L: Schwarz (1970), S. 901; Reiffenstein (1991), S. 47; ANB I (1999), S. 267 f.; Lindner (2008), S. 31; Greule (2014); S. 540. 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen (Karte 2) 2.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) Von Albrecht Greule (76) Albaching, Gemeinde, Lkr. Rosenheim, Oberbayern, am Nasenbach (rechts zum Inn) gelegen. U: 808 (cop. 824) Alpicha , 818 (cop. 824) Alpihha , 1162-72 Albichingen , 12. Jh. Alchingen , nach 1224-40 Albichinge , 1361 Albichen , 1406 Albeching , 1415 Albaching D: 'ǭį̩ ̩bɒxįŋ E: Rom. *Albica, mit dem Suffix kelt. -ika abgeleitet vom GewN kelt. *Albā ‚Weißwasser’, jetzt Nasenbach (rechts zum Inn) . Das ins Bair.-Ahd. integrierte rom. * Albica unterliegt zwei Akten der Lautverschiebung: 1. Der älteren Verschiebung k - > < hh >/ [ χχ ] und 2. der jünge- 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 142 11.09.2019 09: 46: 53 2.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) 143 ren Verschiebung b > p , was bair.-ahd. Alpihha ergibt. Die Integrierung erfolgte demnach in der ersten Hälfte des 6. Jhs. Die Lautfolge lp verhinderte den Umlaut von aim Anlaut. Ausgehend von der flektierten Form bair.-mhd. Albichen wird der ON hyperkorrekt zu Albiching , Albeching und Albaching umgestaltet und erscheint heute als unechter -ing -Name, vgl. (92) Künzing. L: Reitzenstein (2006), S. 10 f.; Greule (2015), S. 337. (77) Alburg, Ortsteil von Straubing (mit ehemals römischem Gutshof) und GewN Alachbach, fließt durch die Stadt Straubing, Niederbayern, und mündet dort rechts in die Donau. U: 777 Albpurch , 877 Alburch , 1411 zu Alburg Alachbach: ca. 863-885 iuxta laticem quae Alaha vocatur , 1364 auf die Alach , 1404 auf der Alach D: 'ǭį ˌbūɒg E: Der Praedienname lat. * Alācum / rom. * Alácum dürfte als kelt. Name von dem GewN kelt. (? ) * Alā abgeleitet sein, dessen Etymologie unklar ist. Wenn* Alācum der römische Name des Praediums war, in dessen Nähe der Straubinger Römerschatz gefunden wurde, so wurde er - nach Wegfall der lat./ rom. Endung -u(m) wegen der Lautverschiebung von -k > <hh >[ χχ ] vor Mitte des 6. Jhs. als * Álahha ins Bair.-Ahd. übernommen und auf den heute Allachbach genannten Fluss übertragen. Die dort entstehende bairische Siedlung bekam dann den Namen bair.-ahd. * Alach-burg , mit dem auf römische Siedlungsreste hindeutenden Grundwort -burg (vgl. Regens-burg ). * Al [ ach ] burg wird als Klammerform zu Alburg gekürzt. L: Greule (2014), S. 31 und S. 206; Greule (2015), S. 337. (78) Almau, Gem. Übersee, Lkr. Traunstein, Oberbayern, an der Tiroler Ache gelegen. U: ca. 1147-1167 de Albenowe Tiroler Ache: 925 ad Albinam D: oi'māų E: Almau ist ein Mischname, und zwar ein Kompositum mit dem Grundwort ahd. ouwa / mhd. ouwe ‚Land am Wasser‘ und dem rom. GewN * Albina > Alben- (= Tiroler Ache ) als Bestimmungswort. Wenn man vom bair.-spätahd. urkundl. Erstbeleg von 925 ausgeht, wird Almau im Unterschied zu (76) Albaching ohne Lautverschiebung -b- > -p- , die um 780 abgeschlossen war, erst im 9. Jh. ins Bair.-Ahd. integriert worden sein. L: Greule (2016), S. 32; Rettner (2012/ 14), S. 304. (79) Andechs, Kloster („Heiliger Berg“) und Gemeinde, Lkr. Starnberg, Oberbayern. U: 1068 Ortwin de Anadehsa , 1104-22 Perichtoldus de Anedehse , 1143 Anadesse , 1147 Andehs , 1155-75 Andechs , 1452 auf dem hailligen perg ze Andechs , 1467 abbas Montis Sancti alias Andezz nuncupati D: 'åndekß E: Rom. * Andácsa , ursprünglich BergN kelt. * And-ákso-s/ -ā mit dem Intensivpräfix kelt. * ande- ‚sehr‘ und kelt. * aks- ‚Fels, Berg‘ im Sinne von „schroffer, steiler Berg“. Die Integrierung ins Bair.-Ahd. erfolgte mit Angleichung der rom. Lautgruppe cs an die ahd. hs - > * Ándahsa ; die erwartbare Zweite Lautverschiebung von -nd- > -ntdes 8. Jhs. ist in den erst spätahd./ frühmhd. einsetzenden Belegen bereits rückgängig gemacht. Die weitere Entwick- 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 143 11.09.2019 09: 46: 53 144 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen lung des ON weist Sprossvokal (bair.-ahd. * Ánatahsa ) und Abschwächung der unbetonten Vokale > mhd. Anedehse auf. Die Assimilation -hs- > -ss- (1143 Anadesse , 1467 Andezz ) setzte sich - im Unterschied zur Synkope ( Andechs ) - nicht durch. L: Reitzenstein (2006), S. 18 f.; Greule (2010), S. 24; Greule (2013), S. 77-86; Greule (2015), S. 337. (80) Beiderwies, alter Ortsteil von Passau-Innstadt am Beiderwiesbach, auch Boiterbach genannt, der im Oberlauf Erlenbach heißt, durch das Lindental fließt und beim Severinstor, Passau-Innstadt, rechts in den Inn mündet. U: Antikes Kastell: 2. Jh. (cop. 11. Jh.) Boιόδουρον (Ptolemaios), 3. Jh. (cop. 7./ 8.Jh.) und 425-30 (cop. 15./ 16. Jh.) Boiodoro (Intinerarium Antonini und Notia dignitatum), 511 (cop. 10./ 11. Jh.) Boiotro (Vita Severini) GewN: 1067 (cop. 13. Jh.) in ripa … Peutra , ca. 1342 in der Pewter , 1733 Auff der Beide Wiessen , 1819 Boiterbach . D: ˌbāįdɒ´wīs E: Der kelt. Name des Kastells Boióduron (Passau) ist ein Kompositum mit dem kelt. PN Boios und kelt. * duro- ‚Tal-, Flussenge’. Er wurde auf das im 3. Jh. n. Chr. Inn-aufwärts im Mündungsgebiet des Beiderwiesbachs errichtete Kleinkastell, Boiotro in der Vita Severini, übertragen. Der dort in den Inn mündende Bach wurde ebenfalls nach dem Kleinkastell benannt. Bis zur Integration ins Bair.-Ahd. durchlief der Name mehrere Kürzungen: Boióduron > Boiódoro > * Boiódro > * Bóidro . Synkopiertes * Boidro/ -a wurde mit den jüngeren Akten der Zweiten Lautverschiebung -d- > -t- und b- > p- als Poitra/ Peutra vor dem 8. Jh. ins Bair.- Ahd. integriert. Wesentlich später wurde der Diphthong eu / oi entrundet und der Auslaut > Beider(e) abgeschwächt. Die 1803 geschaffene Gemeinde, die das gesamte Gebiet außerhalb der Stadtmauern rechts des Inns umfasste, erhielt den Namen Beiderwies , ein Kompositum mit dem Grundwort mhd. wise ‚Wiese‘ und dem GewN Beider als Bestimmungswort. Der Name 1819 Beyderwiese war ursprünglich der Name des Tals des Boiterbachs. L: Reitzenstein (2008), S. 216; Reitzenstein (2010), S. 126; Greule (2010), S. 18; Greule (2014), S. 67; Greule (2015), S. 339. (81) ? Chieming, Gemeinde, Lkr. Traunstein, Oberbayern, am Ostufer des Chiemsees und zur Römerzeit an der Straße Augsburg-Salzburg gelegen. U: 804 (cop. 12. Jh.) Chiemingen , 885 (cop. 12. Jh.) de Chieminchhoue , ca. 1125-36 (cop. 12. Jh.) Chimigen , 12. Jh. Chemigin , 1245 Chieming Chiemsee: 790 (cop. 12. Jh.) stagnum…Chiminsaeo, iuxta lacum Chieminge , 891 Chiemincseo, 1025-41 Chemisseo , 1213 Chimse , 1796 Chiemsee Chiemgau: 790 in pago Chimingaoe, in pago Chiemingen . D: 'khēɒ n mįŋ E: Praedienname lat. * Cēmiānum / rom. * Cēmiánu (? ), dem vielleicht der römische PN * Coemus , vlat. * Cēmus , zugrundeliegt. Er wurde noch ohne Sibilierung von lat./ rom.< c >/ [ k ] vor Palatalvokal als vorbair. * Kēm- integriert (vgl. 8 Celeuso ) und erst im Bair.-Ahd. in der 2. Hälfte des 8. Jhs. mit Zweiter Lautverschiebung von anlautendem [ k ] zur Affrikata <ch >/ [ kχ ] zu* Chēmin gewandelt . Das -ē- wurde in der 1. Hälfte des 9. Jhs. zu -eafallend diphthongiert und zu -iagehoben und schließlich zu -ieabgeschwächt, während das rom. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 144 11.09.2019 09: 46: 54 2.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) 145 Suffix -ianu durch das geläufige bair.-ahd. ON-Suffix -ing ersetzt wurde, so dass Chieming entstand (vgl. * Quintianu > [92] Künzing ). Mit dem ON Chieming sind die Namen Chiemsee (< * Chiemin[g]-sēo ) und Chiemgau (< * Chiemin[g]-gouwe ) als Komposita gebildet. L: Reitzenstein (2006), S. 55; Greule (2011), S. 253; Greule (2014), S. 82; Greule (2015), S. 340. (82) Epfach, Gem. Denklingen, Lkr. Landsberg am Lech, Oberbayern, frühkaiserzeitliche Militärstation auf dem Lorenzberg in einer Lech-Schleife, Vicus und spätantike Befestigung. U: Antik: 2. Jh. (cop. 11. Jh.) Ἀβουδιακόν (Ptolemaios), 3. Jh. (cop. 7./ 8. Jh.) Abuzaco (Itinerarium Antonini), ca. 375 (cop. 12. JhE) Abodiaco (Tabula Peutingeriana) ca. 895 (cop. 10. Jh.) locus Ephtaticus , ca. 1148-54 (cop. 1521) Ephach , 1286 Ephach , 1347 Eppfach , vor 1600 Epfach D: 'epfɒ E: Lat. * Abudiācum , rom. im Lokativ * Abudiáco/ Abodiáco , ist mit dem Suffix lat. ācum / rom. -aco abgeleitet vom PN kelt. Abudios / lat . Abudius . Die Belegreihe ( Abodiaco , Abuzaco , lies [ abudjáko ], Ephtaticus, lies [ éptach ]? , Epphach usw.) gibt die rom. Senkung u > o zu erkennen. Die bair.-ahd. Form des Namens geht von der bereits synkopierten Form * Abdjákaus. Sie weist die älteren Akte der Zweiten Lautverschiebung vor der Mitte des 7. Jhs. auf: 1. k > hh und 2. ( b > ) p > pf sowie Primärumlaut der 2. Hälfte des 8. Jhs. a > e vor j mit dem Ergebnis * Abdiaka , das zu * Appiaka assimiliert und zu * Apfiahha verschoben und schließlich zu * Ephahha umgelautet wurde. L: Reitzenstein (2006), S. 72; Greule (2015), S. 340. (83) ? Fontasch, unbekannte Lage, bei Schliersee, Lkr. Miesbach, Oberbayern. U: ‒ E: Rom. * Font(an)asca (? ), abgeleitet von lat. fontana ‚Brunnen, Quelle‘, integriert ohne Zweite Lautverschiebung, ohne Hebung von o > u vor nt , und mit sch für rom. sc , was für Übernahme erst in frühmhd. Zeit ab der Mitte des 11. Jhs. spricht (vgl. 105 Pfünz, 106 Pfunzen und 68 Fuschlsee). L: Rettner (2004), S. 282 (nach Gruber 1908, 356: rom. * fondazza ). (84) ? Gars am Inn, Markt, Lkr. Mühldorf am Inn, Oberbayern. U: 790 (cop. 12. Jh.) Garoz ; 807 (cop. 824) Karoz, Caroz ; 881 Garazze D: gāš E: Der ON ist schwerlich erklärbar aus kelt. * gortos ‚Zaun, Gehege, Pferch‘; je nach der Zeit der Übernahme des Namens * Gort(os) wäre bair.-ahd. * Gorz/ *Korz zu erwarten, vgl. (48) Jarzt < rom. * Jort- . Eher lassen sich die historischen Nennungen Garoz, Karoz, Garazze usw. unter germ. * garota- vereinigen, ein Name mit t- Suffix, abgeleitet von germ. * gar (altengl. gear ) ‚zaunartige Sperre in einem Fluss, Wehr‘ mit Bezug auf den Inn. L: Reitzenstein (2006), S. 93; Rettner (2012/ 14), S. 302; Greule (2007), S. 619; Greule (2015), S. 340. (85) Gerzen, Gemeinde, Lkr. Landshut, Niederbayern, an der Vils gelegen. U: 889-91 Jorcin , ca. 1140-55 Gorzen , ca. 1187-1200 Gerzen D: 'gęɒtßn 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 145 11.09.2019 09: 46: 54 146 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen E: Bair.-ahd. * Jórzin geht entweder auf einen Praediennamen lat. * Iorciānum / rom. * Iorciánu oder auf einen GewN kelt. * Iorkin- als Abschnittsname der Vils oder als Name des bei Gerzen mündenden Baches zurück. In beiden Fällen liegt gall. iorkos ‚Rehbock’ als lat. PN * Iorcius zugrunde. Rom. < ci > wurde als Affrikata < z >/ [ ts ] ins Bair.-Ahd. übernommen. Nach der Umlautung des o > ö (* Jorzin > * Jörzen ) entwickelte sich der Anlaut jvor Palatalen zu g - (mhd. * Görzen ‒ vgl. mhd . jësen > Germ und [167] Genneralm , Salzburg) und der Umlaut wurde zu e entrundet (> Gerzen ). L: Reitzenstein (2006), S. 96; Greule (2007), S. 618; Greule (2015), S. 341. (86) Jarzt, Ortsteil der Gem. Fahrenzhausen, Lkr. Freising, Oberbayern, mit Pfarrkirche, die erhöht auf dem Kirchberghang oberhalb des Ampertals steht. U: 1138-1147 Hailica de Iorze , ca. 1138-1147 Baltwin de Gorzi , 1168 Rihheri de Iorzen , ca. 1167-1171 Hainricus de Iorze , 1166-1172 Hainricus de Iorcen , 1166-1172 Lutoldus de Iorz , ca. 1170 - ca. 1175 Richere de Iorcen , 1172-1180 Hainricus de Iorze , 1174-1180 Heinricus de Iorze , 1174-1180 Pernhardus de Iorce … Otto Walch de Iorze , ca. 1180 Richerus de Jorze, 13. Jh. predium de Iorc, 1403 in barrochia Iarcz (Belege dank freundlicher Mitteilung von Wolfgang Janka, 30. 4. 2018, und A. Huber: Die Ortsnamen des Landkreises Freising, 1962). D: 'jds E: Lat. * Iurattānum / rom. * Iortánu . Ins Bair.-Ahd. mit dem älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung von -tnach -k- > Affrikata z vor der Mitte des 7. Jhs. integriert als * Jórzen ; später apokopiert > Jorz. In Jorz wurde < or >/ [ år ] mundartlich gesenkt und der Vokal unter Ausfall des r zu  gedehnt. Dem lat. ON * Iorattānum liegt gall. * jurattu ‚kleiner Wald‘ zugrunde, das seinerseits von gall. juris ‚Bergwald‘ (im Franz. der Westschweiz jour f. ‚Wald‘) abgeleitet ist. Die von E. Schwarz nach J. Schnetz zitierte Verbindung des ON mit lat. dīvortium ‚Wegscheide‘ ist nicht akzeptabel. L: FEW 5 (1950), S. 82 f.; Schwarz (1970), S. 874; Greule (2015), S. 342. (87) Kareth, Ortsteil des Marktes Lappersdorf, Lkr. Regensburg, Oberpfalz, an einer Altstraße gelegen. U: ca. 1150/ 60 (cop. 1175/ 77) uineas sitas Chærrine , ca. 1168 vineas in Karrina , 1186 in Chairrin , 12. Jh. (cop. 1175/ 77) ad Charrine , 1213 Kærrin , 1260 Chærrin , 1348 Chrrein , 1470 Krrenn , 1835 Karra (ausführliche Belegreihe bei Prinz, Regensburg - Straubing - Bogen, 2007, S. 244-245) D: 'khārɒ E: StraßenN rom. * carrīna ( via ) ‚Steinweg‘, ins Bair.-Ahd. integriert mit dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung < c >/ [ k ] > Affrikata [ kχ ] spätestens in der 2. Hälfte des 8. Jhs. als ON * Charrīna . Das -ī- der Endung bewirkte vor rr nur Sekundärumlaut und unterlag im 12. Jh. der „neuhochdeutschen“ Diphthongierung (vgl. 1348 Chrrein ). Im Frühnhd. wird die Lautverschiebung im Anlaut zurückgenommen, die Endsilbe abgeschwächt (> -en , 1470 Krrenn ) und die Endung schließlich in der Mundart zu [ ɒ ] reduziert. L: Prinz (2007), S. 244-247; Greule (2010), S. 24 f.; Greule (2015), S. 342. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 146 11.09.2019 09: 46: 54 2.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) 147 (88) Kasing, Ortsteil des Marktes Kösching, Lkr. Eichstätt, Oberbayern. U: vor 1147 Charse , ca. 1147-56 (cop. 1189/ 90) Karsen , 1162-72 Kerrse , 1168/ 69 (cop. 1189/ 90) Karsin , 1319 Kaersen , 1403 Krsen , 1413-17 Kasen, Käsen , 1612 Käsing , 1703 Kasing D: 'khāsįn E: Praedienname lat. * Carsiānum / rom. * Carsiánu vom lat. PN Car(i)sius / rom. Car(i)siu . Die Übernahme des Namens ins Bair.-Ahd. erfolgte über vorbair. * Kársin ; zum Ersatz des rom. Suffixes -ianu durch bair.-ahd. -in vgl. (81) Chieming . Erst in der 2. Hälfte des 8. Jhs. schloss sich der späte Akt der Zweiten Lautverschiebung k > <ch> / [ kχ ] an und führte zu * Chársin (vgl. [87] Kareth ). Das i der Endung -in bewirkte wegen der vorangehenden Konsonantenverbindung rs nur Sekundärumlaut (1319 Kaersen ), die Konsonantenverbindung rs wurde im Spätmhd. unter Dehnung des Vokals vereinfacht (1413-1417 Kasen ); erst spät erfolgte die Angleichung der abgeschwächten Endung -įn an die Namen benachbarter Orte mit der Endung -ing (1612 Käsing ). L: Reitzenstein (2006), S. 131; Greule (2011), S. 251-253; Greule (2015), S. 342. (89) Kasten, Ortsteil der Stadt Osterhofen, Lkr. Deggendorf, Niederbayern. U: 1146-48 Kassen , 1148 Chassen , 1349 Chassen , 1464 Kasten D: khåßtn E: Praedienname lat. * Cassiānum / rom. * Cassiánu -, abgeleitet von lat. PN Cassius / rom. Cassiu . Die Integrierung ins Bair.-Ahd. erfolgte wegen des späten Aktes der Zweiten Lautverschiebung von < c >([ k ] > <ch >/ [ kχ ] vor der Mitte des 8. Jhs., und zwar über bair.-ahd. * Chassan (nicht über * Chassin/ *Chessin ), da die Mundartform nichtumgelautetes å aufweist. Die weitere Entwicklung ging über die Abschwächung der Endsilbe (> Chassen / Kassen ) und über die Anlehnung des Namens an mhd. kaste ‚Kornspeicher‘ > Kasten . L: Reitzenstein (1975/ 77), S. 9; Greule (2015), S. 342. (90) Kollmünz, Weiler, Ortsteil der Gem. Marktl, Lkr. Altötting, Oberbayern. U: ca. 1435 PN Cholminczer , 1454 Kollmütz D: ˌkhoį'mįntß E: Für die auf rom. *Calmontia zurückgeführten Namen wird als Benennungsmotiv eine Höhensiedlung erwogen, vgl. Kallmünz , Lkr. Regensburg, 1140-1160 (cop. 13. Jh.) Chalmvnze . Wegen des späten Aktes der Zweiten Lautverschiebung von anlautendem < c >/ [ k ] > < ch >/ [ kχ ] - wurde der Name vor der Mitte des 8. Jhs. als * Chalmunze ins Bair.-Ahd. integriert und erfuhr dann i -Umlaut zu * Chalmünze . Im 14./ 15. Jh. entstand mit Vereinfachung der Affrikata kχ > k , mundartlicher Hebung des a > o und Umlautentrundung die heutige Namensform Kollmünz . L: Freundliche Mitteilung von Josef Egginger (2. 3. 2017). Rettner (2004), S. 28; Reitzenstein (2006), S. 130. (91) Kröning, Gemeinde, Lkr. Landshut, Niederbayern; Am Kröning, Höhenzug rechts der Isar von Landshut nach Niederviehbach, Lkr. Dingolfing-Landau, Niederbayern. U: 13. Jh. silua…Kroninch , 1284 Chroenich , 1428 (cop. 15. Jh.) auf dem Kronig D: ‒ 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 147 11.09.2019 09: 46: 54 148 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen E: Praedienname lat. * Crōniācum / rom. * Croniácu mit dem lat. PN Crōnius / rom. Croniu ; eine Entsprechung zeigt der ON Gronig , Gem. Oberthal, Lkr. St. Wendel, Saarland: 1335, 1361 Grunech . Wegen des späten Aktes der Zweiten Lautverschiebung von an- und auslautendem rom. < c >/ [ k ] >Affrikata < ch >/ [ kχ ] wurde der rom. ON in der Form * Crōnic spätestens in der 2. Hälfte des 8. Jhs. ins Bair.-Ahd. integriert, wobei das lange ō wohl unter volksetymologischem Einfluss von lat./ ahd. corōna ‚Krone‘ beibehalten wurde. Mit i -Umlaut entstand so bair.-ahd. * Chrōnich / mhd. Chroenich (vgl. 1284 Chroenich ; die Namensform 13. Jh. Kroninch dürfte verschrieben sein). Erst neuzeitlich erfolgte Angleichung des Suffixes an die häufigen bair. ON mit ing . Der ON wurde auf den Höhenzug, der heute Kröning heißt, übertragen. L: Belege nach Johann Schober (Adlkofen) brieflich vom 20. 8. 2015. Buchmüller-Pfaff (1990), S. 231; Greule (2015), S. 342 f. (92) Künzing, Gemeinde, Lkr. Deggendorf, Niederbayern, mit römischem Kastell, Vicus und Amphitheater. U: Antik: 3. Jh. (cop. 7./ 8. Jh.) Quintianis (Itinerarium Antonini), 425-30 (cop. 15./ 16. Jh.) und 511 (cop. 10./ 11. Jh.) Quintanis (Notia dignitatum und Vita Severini) 1002-04 Quincina ,1004 Cunzina , 1250 Chuentzen , 1349 Chirichenchnczen , 1574 Khüntzing Landschaftsname: 736-47 (cop. 9. Jh.) Quinzingauue , 748-84 (cop. 9. Jh.) Quuinzingauue , 890 Quinzingouue D: 'khįntßįn E: Praedienname lat. Quint(i)ānum / rom. * Quint(i)ánu , überliefert als lokativischer Ablativ Plural Quintānis vom lat. PN Quintius , ins Bair.-Ahd. integriert als * Chúnzin- mit dem Reflex des oberdeutschen Lautwandels kwi- > ku- . Die Integrierung erfolgte zunächst mit dem älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung von postkonsonantischem inlautenden -t- > Affrikata zspätestens gegen die Mitte des 7. Jhs. als bair.-frühahd. * Kunzin -, ehe sich in der 2. Hälfte des 8. Jhs. der späte Akt der Zweiten Lautverschiebung von anlautendem bair.-frühahd. k - > Affrikata < ch >/ [ kχ ] als bair.-ahd. * Chunzin- anschloss. Dieses wurde zu * Chünzen umgelautet (1250 Chuentzen ) und schließlich die Endung an die häufigen bairischen ON auf -ing angeglichen (1574 Khüntzing ). L: Reitzenstein (2006), S. 146 f.; Greule (2011), S. 250 f.; Greule (2015), S. 346. (93) Laus, Ober-, Unter-, Gem. Feldkirchen-Westerham, Lkr. Rosenheim, Oberbayern. U: 812 Luges D: lāųs E: Rom. ON * Lūgu- , mit bair.-ahd. Genitiv des Bereichs * Lūges , kontrahiert > mhd. * Lūs und mit „neuhochdeutscher“ Diphthongierung des 12. Jhs. zu bair.-mhd. Laus . Der ON rom. * Lūgu- , entspricht mit rom. Inlautlenierung lat. lūcus ‚Gehölz, Wald‘, vgl. 1423 der hof ze Laugen , St. Pankraz im Ultental, Südtirol. Wahrscheinlich erfolgte die Intergrierung ins Bair.-Ahd. spätestens in der 2. Hälfte des 8. Jhs. mit dem spätesten Akt der Zweiten Lautverschiebung von rom. g zu bair.-ahd. < c >/ [ k ] als * Lūkes , das aber bereits im frühen 9. Jh. nur mehr teilweise geschrieben wurde, daher 812 Luges . L: Haubrichs (2006), S. 436; Kühebacher III (2000), S. 161. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 148 11.09.2019 09: 46: 54 2.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) 149 (94) Marzill, Weiler mit Kirche, Gem. Oberempfenbach, Lkr. Kelheim, Niederbayern. U: ca. 1173-77 (cop. 1189/ 90) de Morzul , 1186/ 88-89 (cop. 1189/ 90) de Morthul , 1223 PN Berthold Mortzvoler , 1254 (cop. 13. Jh.) de Morzugel , ca. 1263 feodum in Mortzuegel , 1273 de Mortshvl , Ende 13. Jh. feodum in Mortzovgel , 1305 ze Mrtschol , 1318? von Marczsl , 1323 der Martzhlaer D: 'mǭɒdsïl E: Rom. (kirchenlat.? ) * mortúlu- , vielleicht in der Bedeutung ‚Begräbnisstätte‘, vgl. lat. mortualia (Plural) ‚Bestattung‘. Der Name wurde bei der Übernahme ins Bair.-Ahd. bis spätestens gegen die Mitte des 7. Jhs. mit den ältesten Akten der Zweiten Lautverschiebung von -t- > -z- als * Mórzulu zunächst wie ein ahd. u -Stamm als lokativischer Dativ bair.-ahd. * za/ in Morzuli behandelt, so dass i -Umlaut als bair.-mhd. * Morzüle eintreten konnte . Die folgenden Lautwandlungen sind dialektal: Vokalsenkung -or- > -ar- (* Marzül ; vgl. [86] Jarzt ) und Umlautentrundung von ü > i (1551 Martzill ). Drei Belege aus dem 13. Jh. (1254, 1263, Ende 13. Jh.) als Morzugel usw. repräsentieren eine nur geschriebene Nebenform des Namens als mhd. * Morzügel , in der mhd. Morzül als vermeintliche Kontraktion von mhd. zügel ‚Zügel‘ teilweise resemantisiert wurde. L: Belege nach Johann Auer (Dünzling) brieflich am 21. 5. 2015. Reitzenstein (1995/ 1996), S. 78; Greule (2015), S. 343. (95) Marzóll, zweitgrößter Ortsteil von Bad Reichenhall, Lkr. Berchtesgadener Land, Oberbayern. 8 U: 790 (cop. 12. Jh.) ad Marciolas D: mår'dsol E: Zum vulgärlat. PN * Marciólus aus lat . *Mārtiolus . Da der rom. Akzent bewahrt bleibt, erfolgte die Integrierung ins Bair.-Spätahd. erst nach 1000, doch wegen der Wiedergabe der rom. Affrikata < c >/ [ ts ] als bair.-spätahd. < z >/ [ ts ] noch vor der Mitte des 11. Jhs. L: Lindner (2008), S. 29; Greule (2015), S. 343. (96) Mittich, Gemeinde Neuhaus am Inn, Lkr. Passau, Niederbayern, und Name eines Baches, der ursprünglich bei Weihmörting, Gem. Neuhaus a. Inn, Lkr. Passau, in die Rott mündete. U: 1065-1091 (Druck 1620) Mittich , 1095-1100 (cop. vor 1127) Adalhart de Metichi , 1096-1108 (cop. vor 1127) Aschuinus de Miticha , 1110-30 (cop. 12. Jh.) Aerbo de Mitticha GewN: Ende 12. Jh. Mitichurspringen , 1416 in der Mitich (zahlreiche Belege bei J. Egginger, Griesbach im Rottal, S. 282f.) D: ' mīdį E: Der rom. GewN * Medicā ist mit k -Suffix abgeleitet von kelt. * medjo- ‚mittlerer (Fluss)’ mit Bezug auf die Lage zwischen Inn und Rott. Er wurde auf die in der Nähe der Mündung des Baches liegende Siedlung übertragen. Mit der seit dem 2. Jh. n. Chr. wirksamen Hebung von evor i- der Folgesilbe wird der Name bereits vor dem 6. Jh. n. Chr. ins Germanische als * Midikā integriert worden sein, so dass er dann dem älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung von inlautendem k- > < -ch- >/ [ χχ ] > * Midicha bis längstens um die Mitte 7. Jhs. 8 Bei endbetonten Siedlungsnamen wird der Akzent mit Akut über dem Vokal angezeigt. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 149 11.09.2019 09: 46: 54 150 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen unterlag. Erst in der 1. Hälfte des 8. Jhs. vollzog sich der jüngere Akt der Zweiten Lautverschiebung von d- > tzu bair.-ahd. Miticha . L: Egginger (2011), S. 282 f.; Greule (2015), S. 343. (97) ? Nodern, Hof, Gem. Wackersberg, Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen, Oberbayern. U: ‒ D: dɒ 'nǭudɒrɒ E: HofN der Noderer . Vielleicht rom.* nodar- , mit r -Suffix abgeleitet von gall. (? ) nauda ‚Sumpfgegend‘. Anzunehmen ist dann Integrierung als bair.-ahd. * Nōtar mit dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von d > t und der Monophthongierung von au zu bair.ahd. < ao >/ [ ǭ ] spätestens in der 1. Hälfte des 8. Jhs. L: Rettner (2004), S. 282, nach Gruber (1908), S. 362; Grzęga (2001), S. 214 f. (98) ? Noderhäusl am Arzbach (l. z. Isar) bei Bad Tölz, Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen, Oberbayern. U: ‒ D: ‒ E: Vielleicht Namenübertragung von (97) Nodern und zu beurteilen wie dieses. L: Rettner (2004), S. 285, nach Gruber (1908), S. 350. (99) Nonn an der Saalach, mit Nonner Au und Nonner Unterland, Stadt Bad Reichenhall, Lkr. Berchtesgadener Land, Oberbayern. U: 788-90 (cop. 12. JhM) in Nana D: nōn E: Rom. * Nana , vielleicht Abschnittsname oder Name einer Stelle an der Saalach, aus * Nānā oder * Nanā von idg. * nā-no- oder * nә-nó -, Verbaladjektiv zu idg. *(s)nā- ‚baden, schwimmen‘, vgl. den GewN Nuhne , links z. Eder (z. Fulda z. Weser) in Hessen, 1453 die None < germ. * Nōnō < idg . Nānā . L: Greule (2014), S. 381. (100) Oberstimm, Pfarrdorf und Ortsteil des Marktes Manching, Lkr. Pfaffenhofen a. d. Ilm, Oberbayern, mit römischem Kohortenkastell; Niederstimm, Markt Manching. U: 1086 Stinno , 1155-66 (cop. 1189/ 90) Stinne , ca. 1220 (cop. 15. Jh.) Stimme , 1270 Stimen , 1310 Stynn , 1457 Stimm D: šdįm E: Praedienname lat. * Steniānum / rom. * Steniánuvom lat. PN Stenius . Sowohl die Akzentverlagerung als auch die Hebung des e- > ivor j der Folgesilbe zu * Stínjan , dessen j dann Gemination des -n- > -nn- zu bair.-frühahd. * Stinnan bewirkte, deuten auf die Integration des Namens bereits ins Germanische spätestesn im 6. Jh. hin. Der ON wird im 13. Jh. volksetymologisch nach mhd. stimme ‚Stimme‘ zu Stimme(n) umgedeutet. L: Reitzenstein (2006), S. 196; Reitzenstein (1978), S. 272-277; Greule (2015), S. 344. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 150 11.09.2019 09: 46: 54 2.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) 151 (101) Pähl, Gemeinde, Lkr. Weilheim-Schongau, Oberbayern. U: 960-1127 (cop. 1521) Poule , 1096-1133 Boile , 1126/ 27 Pŏle , 1143 Powele , 1231-34 Paevl , 1330 Pl , 1347 Pael , 1469 Pähl . D: bį E: Rom. * Bovíle < lat. bovīle ‚Rinder-, Ochsenstall’, ins Bair.-Ahd. integriert mit Akzentverlagerung auf die erste Silbe und dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung des anlautenden b- > p- > * Póvile spätestens im 3. Viertel des 8. Jhs. Zur selben Zeit unterlag der ON dem i -Umlaut von o > ö und dann der Abschwächung der unbetonten Mittelsilbe zu frühmhd. * Pövele , das zu mhd. Pöule kontrahiert wurde, ehe Monophthongierung von öu > , geschrieben < äh > als Pähl , und dessen mundartliche leichte Rundung vor l zu  eintraten. L: Reitzenstein (2006), S. 203; Greule (2015), S. 344. (102) † Partano, römische Straßenstation; jetzt Garmisch-Partenkirchen, Lkr. Garmisch-Partenkirchen, Oberbayern. GewN Partnach, rechts zur Loisach (zur Isar, zur Donau). U: Antik: 3. Jh. (cop. 7./ 8. Jh.) Partano (Itinerarium Antonini), 511 (cop.10./ 11. Jh.), Tarteno (Tabula Peutingeriana, verschrieben) Partenkirchen: 1156/ 57 (cop. 1521) Barthinchirche , ca. 1180 Partinchirchen , 1204 Barthenchirchen , 1406 Partenkirchen Partnach: 1476 Partnachen D: 'bādɒˌkχrχ E: Etymologie und Lautentwicklung von Partenkirchen sind umstritten. Auszugehen ist vom überlieferten Praediennamen der römischen Straßenstation (Wirtshaus? ) lat * Partānum / rom. Partáno mit dem lat. PN Partus . Anneliese Stein-Meintker nimmt an, dass nach der Straßenstation zuerst der Bach, bair.-ahd. * Partanaha , und dann nach diesem der Ort als bair. ahd. * Partanchirihha benannt worden sei. Wolf-Armin von Reitzenstein sieht keinen Grund, warum nicht unabhängig vom Bach dem tradierten rom. ON ‚Kirche‘ hinzugefügt worden sein kann. Beiden Ansichten liegt aber unausgesprochen die Annahme zugrunde, dass der antik-rom. ON ohne die ältesten Akte der Zweiten Lautverschiebung, aber mit Akzentvorverlagerung ins Bair.-Ahd. gelangt sei, was dann frühestens ab der Mitte des 7. Jhs. erfolgt sein kann, denn davor wäre rom. Partano zu bair.-frühahd. * Pfarzan verschoben worden. Demgegenüber nimmt Albrecht Greule frühe volksetymologische Umdeutung an, indem rom. Partano mit der bair.-ahd. Kurzform * Parto vom Apostelnamen Bartholomäus verbunden wurde und damit bair.-ahd. * Partinchirihha und mit Sekundärumlaut bair.-mhd. Pärtinchirchen entstand. Aber auch in diesem Fall setzt die volksetymologische Umdeutung nichtlautverschobenes rom. Partano voraus. Die Nähe einer lautverschobenen Namensform * Pfarzen zu mhd. varzen ‚furzen‘ ist vielleicht - zumal bei einem Kirchen -ON - für die Umdeutung verantwortlich. L: Stein-Meintker (2001), S. 105; Reitzenstein (2006), S. 92 f.; Greule (2014), S. 399; Greule (2015), S. 344; Bergmann (2016), S. 50. (103) Passau, Stadt am Zusammenfluss von Inn, Ilz und Donau, Niederbayern; römisches Kastell an der Stelle des heutigen Domes. U: Antik: 156/ 157 n. Chr. cohors VIIII Batavorum (CIL 16,183), 425-430 (cop. 15./ 16. Jh.) Batavis (Notitia dignitatum), 511 zum 5. Jh. (cop. 10./ 11. Jh.) Batavis oppidum (Vita Severini) 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 151 11.09.2019 09: 46: 54 152 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen 754 (cop. 9. Jh.) Bazzauua , 764-788 (cop. 9. Jh .) Pazauuua , 764-790 (cop. 9. Jh.) in Batabis civitate , Pazzauua ; 786 (cop. 9. Jh.) in civitate Pazzauge , ca. 1020 (cop. 12. Jh.) Bazŏwe , 1329 Pazzau , 1381 Passau D: 'båßɒ E: Rom. * Batava , benannt nach der in spätrömischer Zeit im Kastell Passau-Altstadt stationierten Bataverkohorte ( Cohors Batavorum ). Aus rom. * Batava entwickelte sich bair.-ahd. Pazzawa/ Pazzauwa . Der Wandel von rom. -t- > bair.-ahd. -zz- setzte als älterer Akt der Zweiten Lautverschiebung nach 565 n. Chr. ein, so dass die Integrierung des Namens ins Bair.-Ahd. vor diesem Zeitpunkt begann. Rom. -v- wird bis zur Mitte des 7. Jhs. mit bair.ahd. -w wiedergegeben. Pazzawa wurde als Kompositum * Pazz-ouwe mit dem Grundwort bair.-ahd. ouwe ‚Land am Wasser‘ umgedeutet. Ab dem 14. Jh. wechseln < zz > und < ss > in der Schreibung des Namens funktionslos, weil sie lautlich zusammengefallen sind. L: Reitzenstein (2006), S. 204 f.; Greule (2015), S. 344; Bergmann (2016), S. 46 f. (104) Peiß, Teil der Gem. Aying, Lkr. München, Oberbayern, an der Römerstraße Augsburg-Salzburg gelegen. U: ca. 1130 Pizze , 1173/ 75 de Bizzen , 1173/ 80 Pízze , 1183/ 89 de Pizze , 1185/ 87 de Bizze , 1402 gen Peizz , 1435 hintz Peys , ca. 1583 Peiss D: bāįs E: Praedienname lat. *Bitiānum / rom. * Bitiánu mit dem röm. Gentilnamen Bītius . Über * Bīt(i) an mit den älteren und jüngeren Akten der Zweiten Lautverschiebung als * Pīzzan ins Bair.- Ahd. integriert: 1. inlautendes -t- > ahd.-bair. Frikativ -zz- , ein Lautwandel, der von nach 565 bis längstens in die Mitte des 7. Jhs. wirksam war; 2. anlautendes b- > bair.-ahd. p zwischen 740-780. Ahd.-bair. * Pīzzan entwickelte sich zum lokativischen mhd. Dativ * ze Pīzzen vom geneuerten Nominativ * Pīzze aus und wurde dann im 12. Jh. > Peizz(e) diphthongiert. L: Reitzenstein (1978), S. 272-277; Greule (2015), S. 344. (105) Pfünz, Gem. Walting, Lkr. Eichstätt, Oberbayern; in der Nähe befand sich über dem Altmühltal ein römisches Kohortenkastell auf dem Kirchberg zwischen Altmühl und Pfünzer Bach ( Kastell Pfünz ). Überliefert ist hier eine Straßenstation Vetonianis (Tabula Peutingeriana). U: 889 Phuncina , 1180 Phnze , 1186 Phunze , 1189 Phunzen , 1197 Phnze , 1282 Pfnzen , 1351 Pfntz ; 1832 Pfinz, Pfünz . D: bfintß E: Rom. * Pontína ‚Brückenort’ ist mit dem Suffix -ina von lat. pons , pontis ‚Brücke‘ abgeleitet. Der ON wurde mit früher Hebung von -o- vor -i- der Folgesilbe > u als * Puntina integriert und dann bis spätestens gegen 650 den älteren Akten der Zweiten Lautverschiebung von p- > pf- und von -nt- > -nzzu bair.-frühahd. * Pfunzina unterzogen. Erst im Bair.-Mhd. wird der Umlaut von -u- vor -i- > -ü- geschrieben (1197 Phnze ) und die Endung über -en bis zum völligen Verlust abgeschwächt: mhd. Pfünzen , Pfünze , Pfünz . Der rom. ON * Pontína , findet sich wieder in Baden als GewN die Pfinz bei Karlsruhe und historisch als Gauname 769 (cop. 12. Jh.) Phuntzingouue im Sinne von „Gau um den Fluss mit Brücken“, weil zwei Römerstraßen den Fluss überquerten. L: Reitzenstein (2006), S. 211; Greule (2015), S. 345; Reith (2017), S. 28* f., 162-164, 205 f. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 152 11.09.2019 09: 46: 54 2.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) 153 (106) Pfunzen in den ON Langenpfunzen, Stadt Rosenheim und Leonhardspfunzen, Gem. Stephanskirchen, Lkr. Rosenheim, Oberbayern. Beide Orte liegen zu beiden Seiten des Inns einander gegenüber. U: 790 (cop. 12. Jh.) Pontena , ca. 925 Phunzina , vor 1145 Phuncin , nach 1204-1223 Phunzen , 14. Jh. (cop. 15. Jh .) Pffuntzen , 1424 Leonhardspfuntzen D: 'bfuntßn E: Rom . *Pontína ‚Brückenort‘, vgl. (105) Pfünz . Zwar wird der ON wie Pfünz entwickelt, aber die Lautkombination -nz verhinderte hier den i- Umlaut von u - > -ü-. L: Reitzenstein (2006), S. 154; Bergmann (2016), S. 48 f. (107) Planítsch, Markt Berchtesgaden, Lkr. Berchtesgadener Land, Oberbayern, ursprünglich Wald in der Gnotschaft Maria Gern. „Den gleichen Namen hat eine Örtlichkeit nördlich des Berges Hundstod“ (Reitzenstein) in den Berchtesgadener Alpen. U: 1454 abm Planitsch , 1652 am Plänitsch , 1706 durch ein Wäldtl hindurch so die Plantisch genannt wirdt Ortschaft nördlich vom Hundstod: 1622 (cop. 1625) auf den Planitsch , 1706 herab auf den Plänitsch D: bla'nit E: Rom. Planítsch setzt ‒ über * Planítze ‒ lat. planítie(m) ‚ebenes Gelände‘ fort, vgl. ON Oberplanitzing , Fraktion der Gemeinde Kaltern, Südtirol (1240 Planicie ) sowie (159, 160) Planitschen , Salzburg. Der ON wurde erst ins Bair.-Mhd. mit Beibehaltung von rom. < tie > als [ te ] und des rom. Paenultimaakzents nach der Mitte des 11. Jhs. integriert, als die frühmhd. Lautfolge [ t] entwickelt worden war, sowie mit dem vom Ende des 9. bis ins 12. Jh. wirksamen Sekundärumlaut (1652 Plänitsch ). L: Reitzenstein (1991), S. 90; Kühebacher I (1995), S. 291. (108) Pretzen, Kirchdorf, Stadt Erding, Lkr. Erding, Oberbayern, liegt rechts am Fluss Sempt. U: ca. 1000 in loco…Prezza , 994/ 1005 locus Prezzun ; 991/ 1023 in villa Pretzun, in loco qui dicitur Prezzun ; ca.1301 Pretzen , 1315 Bretzern , Mitte 14. Jh. Pretzen , 1392 Pretzen ; 1463 Pretzen , Görg Pretzner ; 1504 Pretzen D: brętsn (umgangssprachlich) E: Rom. * brakiu/ bratziu von lat. bracchium ‚Unterarm, Arm‘, übertragen auch ‚Querdamm bei Belagerungs- oder Befestigungswerken, Seitendamm eines Hafens‘. Da südlich von Pretzen angeblich zwei Römerstraßen kreuzten (Bauer 2007, S. 45-47), könnte der Name Pretzen sich auf die „Verzweigung“ der Straßen beziehen; vielleicht kommt als Benennungsmotiv auch die Lage des Ortes an einem Seiten arm der Sempt infrage. ‒ Nach Ansicht mehrerer Forscher, zuletzt Bauer (2007), habe sich der auf der Tabula Peutingeriana verzeichnete römische Stationsname Bratananio zum heutigen ON Pretzen entwickelt, was aber aus sprachwissenschaftlichen Gründen nicht möglich ist, denn aus Bratananio hätte bair.-ahd. * Prazzan mit geminiertem < zz >/ [ ßß ] entstehen müssen. Andere Forscher identifizieren Bratananio mit Gauting (Oberbayern), wobei aber kein Namenzusammenhang besteht. Ob der Name des Gehöfts Bretzen , aufgegangen in Piusheim, Gem. Baiern, Lkr. Ebersberg, Oberbayern, 12. Jh. Prezten, Brezten, Preciten u. ä., der auf bair.-ahd. * Prezitun zurückgeführt wird, ebenfalls romanisch ist und zu lat. bracchium gestellt werden kann, ist fraglich. Dieses 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 153 11.09.2019 09: 46: 54 154 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen bair.-ahd. * Prezitun könnte auf lat. bracchiatus ‚verzweigt‘, rom. * brakiadu / * bratsidu zurückgehen, vgl. ahd . brezzita sw.f. ‚Gebäck in Form verschlungener Arme‘; auch Bretzen liegt mit einer Mühle an einem Fluss, der Glonn. ‒ Pretzen basiert auf rom. * Braciu und wurde mit rom. Palatalisierung/ Assibilierung zu rom.* Bratsiu weiterentwickelt. Die Wiedergabe der inlautenden rom. Affrikata erfolgte bei der Integrierung ins Bair.-Ahd. mit der aus der Zweiten Lauverschiebung entstandenen bair.-ahd. Affrikata < zz / tz >/ [ tß ], dem späten Akt der Zweiten Lautverschiebung von anlautendem B zu bair.-ahd. P - und schließlich mit i -Umlaut von a zu e als Femininum Nominativ * Pretza , Dativ zi Pretzūn . Die weitere Lautentwicklung verläuft genauso wie bei * brachiatellus , spätlat. bracidelli ‚Gebäck, Backwaren‘, ahd. prezzitella , nhd. Brezel . L: Baumann, Cornelia: Altlandkreis Erding. München 1989, S. 152 f.; Bauer, Hans: Die römischen Fernstraßen zwischen Iller und Salzach nach dem Itinerarium Antonini und der Tabula Peutingeriana. München, 2007, S. 44-51; Bergmann (2016), S. 51. (109) Prien am Chiemsee, Markt, Lkr. Rosenheim, Oberbayern. Bei Prien mündet der Fluss Prien in den Chiemsee. U: 1177ca.1200 de Priene , 1180-95 Prine , 1184-1200 Prienne , vor 1189 Priene , ca. 1196-1226 Prien , ca. 1200 Brienne , 1952 Prien a. Chiemsee GewN: ca. 1130ca.1150 iuxta Briennam riuolum , 1198 super fluvium Priena D: brɒ n n E: Rom. GewN * Brigéna , auf den Ort an der Mündung des Flusses übertragen. Er ist vereinfacht aus * Brigenna entstanden, das als Name der Prien ursprünglich kelt. GewN * Brigesnā ‚Bergbach’ und mit n -Suffix Ableitung von kelt. * brig-es- ‚Berg, Hügel‘ ist. Die verwandten Nord- und Südtiroler ON Brixen basieren auf kelt. * Brig-s-enā mit umgekehrter Inlautfolge. Die Lautfolge rom. ige wurde entweder nach der Übernahme des Namens ins Bair.-Ahd. mit dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von anlautendem b- > p- in der Zeit ca.740-780 und der Vorverlagerung des Akzents auf die Erstsilbe > * Prígena und dann zu mhd. Priene kontrahiert, oder der Name wurde bereits mit spirantisiertem rom. -g- > -jals * Brijena übernommen und die Lautfolge -ije fiel mit spätahd./ frühmhd. -ie- zusammen. Möglich ist auch, dass * Brigéna über rom. * Bregéna zu rom. * Brēna kontrahiert und wie lat. tēgula > ahd. ziagal , ziegel in der 1. Hälfte des 9. Jhs. zu * Preana diphthongiert und dann zu * Priena gehoben wurde. Die gleiche Lautentwicklung wird beim nordbairischen ON Premberg , 961 Priemperch < germ. * Brēn (< * Bregen- ) berg , vermutet. L: Reitzenstein (2006), S. 218; Greule (2010), S. 23 f., Greule (2014), S. 414; Greule (2015), S. 345; Greule/ Janka (2016), S. 97-101. (109a) Prienbach, Gem. Stubenberg, Lkr. Rottal-Inn, Niederbayern, an der Einmündung des Prienbachs in den Inn gelegen. U: 748-788 (cop. 9. Jh.) ad Preonpah , 1074/ 88 Priempach , ca. 1130 Priempach , 13. Jh. hintz Prympach , 1374 Prienpach , 1743 Prienbach GewN: 1339 in dem Prienbach , 1563 Prienbach rivus D: 'brɒ n wɒ E: Rom. * Bre(i)óna geht auf den kelt. GewN * Brigón(a) ‚Bergbach‘ (vgl. den ON Stubenberg im Oberlauf) zurück und weist in der ersten Silbe die Senkung des i > vulgärlat./ rom. e auf. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 154 11.09.2019 09: 46: 54 2.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) 155 Ins Bair.-Ahd. integriert wurde der Name wie Prien (siehe oben) mit dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von b- > pder Zeit ca. 740-780 als * Préon und durch Anfügung von bair.-ahd. -pach ‚Bach‘ als GewN verdeutlicht. In der Folgezeit wurde Preonzu * Priongehoben und der GewN schließlich zu bair.-spätahd. Priempach abgeschwächt, wobei der Nasal n an den folgenden Labial als m assimiliert wurde. L: Greule (2014), S. 414. (110) Pürten, Gem. Waldkraiburg, Lkr. Mühldorf a. Inn, Oberbayern, mit Wallfahrtskirche Maria Himmelfahrt. U: ca. 1050 Burtina , 1133 Burtine , ca. 1135-1146 Purten , 1260 (cop. 1376) Pürten D: 'bīɒdn E: Rom. * Burdina ( stabula ) ‚Maultierställe’, mit dem Suffix -ina- von lat. burdo ‚Maultier‘ abgeleitet, vgl. (87) Kareth (< * carrina ), (105,106) Pfünz/ Pfunzen (< * pontina ). In den ersten urkundlichen Belegen wird der später in der Schrift erscheinende, in der Zeit von ca. 740- 780 wirksame jüngere Akt der Zweiten Lautverschiebung von b- > p- nicht verschriftlicht im Unterschied zu der in allen Belegen aufscheinenden Verschiebungvon d - > t der 1. Hälfte des 8. Jhs. Die Integrierung des Namens ins Bair.-Ahd. erfolgte demnach spätestens zu Beginn des 8. Jhs. Ferner wurde -u- > -üumgelautet: mhd. * Pürtene , und das auslautende e apokopiert: Pürten . L: Reitzenstein (2006), S. 219f.; Greule (2015), S. 345. (111) ? Radaspona, literarischer und kirchlateinischer Name für Regensburg. U: Überliefert in einer Traditionsurkunde von 772 und in der Lebensbeschreibung des hl. Emmeram aus dem frühen 9. Jh., vielfach variiert als Ratisbona, Radespona, Ratispona u. ä. E: Rom. Herkunft von Ratisbona als ursprünglich kelt. ON mit dem Grundwort -bona , vgl. Vindobona / Wien, ist sehr fraglich. Denkbar ist ein für das Regensburger Kloster St. Emmeram, vielleicht von Arbeo von Freising (723-784) geschaffener Kunstname, der zum kirchenlateinischen Namen Regensburgs wurde. L: Reitzenstein (2006), S. 224-227; Greule (2010), S. 25 f.; Greule (2015), S. 346; Greule, A.: Konstruktion und Rekonstruktion von Geschichte durch Namen, in: Stadtgeschichten (2017), S. 36 f. (112) Saal a. d. Donau, Gemeinde, Lkr. Kelheim, Oberbayern, mit den Ortsteilen Herrn-, Ober- und Untersaal, an der Mündung des Feckinger Bachs links in die Donau; in Untersaal ein spätrömischer Burgus. U: ca. 790 (cop. 1254) in loco ad Salla , (cop. 11. Jh.) ad Salle , 1002 Salla , ca.1142-58 Salle , 1363 Sall , 1444 zu Sall, zu den drein Sallen , 1797 Saal GewN Feckinger Bach: ca. 1580 ad Salaa D: sl E: Rom. * Sálna, der ursprüngliche Name des Feckingerbaches, der auf die Siedlung an der Mündung des Baches in die Donau übertragen wurde. Er ist die synkopierte Fortsetzung des kelt. GewN * Sálonā . Bei dem in Mitteleuropa mehrfach vorkommenden GewN * Sálonā oder * Salónā handelt es sich um eine Ableitung mit n -Suffix von idg. * sal- ‚Salz‘, vgl. GewN (30) Saalach . Die Lautgruppe -ln- wurde bei der Integration des Namens ins Bair.-Ahd. zu 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 155 11.09.2019 09: 46: 54 156 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen llassimiliert. Nach Abschwächung und Apokope des auslautenden Vokals (1363 Sall ) entstand ein einsilbiger Name, dessen Vokal gedehnt und < aa > geschrieben wurde. L: Reitzenstein (2006), S. 239; Greule (2014), S. 459; Greule (2015), S. 346. (113) ? Taching a. See mit Ober- und Untertaching, Gemeinde, Lkr. Traunstein, Oberbayern. U: 987-1025 Tachinga , 1125-47 Tachingin , ca. 1132 (cop. 13. Jh.) Taeching , 1139 Tachingen , 12. Jh. Taechingen , 1319 Taching Seename: 12. Jh. Tachinse , Tachensȇ D: 'dā-įŋ E: Entweder Praedienname lat. * Dac(i)ānum / rom.* Dac(i)ánu > bair.-ahd. * Táchina mit Umwandlung des Suffixes zu bair.-ahd. inga oder rom.-ahd. Mischname * Dāk-inga mit dem rom. PN Dācius bzw. Dācus ‚der Dakier’ und Ableitung mit dem bair. ahd. Suffix inga . In beiden Fällen liegt der Integrierung ins Bair.-Ahd. lat. * Dacānum bzw. Dācus zugrunde, dessen < c >/ [ k ] durch den älteren Akt der Zweiten Lautverschiebung zu < hh >/ [ χχ ] gewandelt wurde. Erst in der 1. Hälfte des 8. Jhs. erfolgte der jüngere Akt der Zweiten Lautverschiebung von anlautendem d - > t - und seit dem Ende des 8. Jhs. Sekundärumlaut von a > [ ä ], der aber nicht bezeichnet wird. L: Reitzenstein (2006), S. 270; Rettner (2012/ 14), S. 305 („fraglich“). (114) Türk, Ortsteil der Stadt Bad Reichenhall, Lkr. Berchtesgadener Land, Oberbayern. U: 1025-41 ad Duringa, in Durigo , vor 1147 prediolum ad Tŏrigi , Ende 12. Jh. de Durge , 1369 Turig , 1409 Dürig, Düring , 1475 Türing , 1484 ze Türg , 1820 Türk D: älter dīɒg , heute dįɒk E: Entweder nach Peter Wiesinger Prädienname lat. * Duriācum / rom. * Duriágo mit dem PN Durius , oder nach Albrecht Greule wahrscheinlicher rom. * Durígo < lat. * Durico mit dem Suffix kelt. -iko- , abgeleitet vom einstigen Namen des sehr kleinen, heute namenlosen Gewässers, das am Südwestrand von Türk vorbeifließt und von rechts in die Saalach mündet: 987-991 (13. Jh.) ad Turia < kelt. * duria ‚Flusslauf ‘. Der rom. Name wurde ins Bair.-Ahd. integriert mit dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von anlautendem d- > t der 1. Hälfte des 8. Jhs. und mit i -Umlaut des -u- > -ü- . Die Endung rom. -igo wird teilweise durch die geläufige Endung bair.-ahd. -inga ersetzt. In der Namensform * Türigo , abgeschwächt zu *Türige und * Türege , wurde zuerst der mittlere Vokal synkopiert und dann das auslautende -e > Türg apokopiert und schließlich mit Auslautverhärtung Türk geschrieben. L: Wiesinger (2009), S. 64, 67-69; Greule (2014), S. 535 f. (115) ? † Vager, abgegangene Höhenburg südlich von Kirchberg, Bad Reichenhall, Lkr. Berchtesgadener Land, Oberbayern. U: 12. Jh. Vagir , Uagra , Vagre , Uagre ; 1449 auf dem Vager , von der Vager ; 1706 auf die Fager oder Kager D: ‒ E: Vgl. (133) Fager , Gem. Elsbethen, Salzburg. Vielleicht ist der Name der Salzburger Siedlung (ca. 1136 Vagra ) auf die neue Burg übertragen worden. Neben der für Fager (siehe dort) erwogenen romanischen Etymologie kann in dem Burgennamen auch das Adjektiv ahd. fagar (mhd. fager ) ‚schön, lieblich, prächtig aussehend‘ vorliegen. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 156 11.09.2019 09: 46: 54 2.2. Oberösterreich 157 L: Reitzenstein (1991), S. 90 f. (116) ? Valléy, Gemeinde, Lkr. Miesbach, Oberbayern; Ruinen einer Burg auf dem Burgberg. U: 1127-47 Ualeie , ca. 1130 Ualêi , 1138-47 Valaia ; 1140 Valȇge , castri Valaie ; nach 1156 de Falagi ; 1165-70 Ualeige , Valage ; 12. Jh. castrum Valegium , 1222 Valai ; 1424 Valaj , sloß Valej ; 1685 Falley , vor 1817 Valley D: vå'lāį E: Rom. * Valágia , abgeleitet entweder von lat. vallum ‚Pfahlwerk‘ oder von lat. vallis ‚Tal‘. Der Name dürfte aber auf hochmittelalterliche Namenübertragung aus Frankreich zurückgehen. Läge ein antik-romanischer Name vor, so wäre zwar rom. anlautendes v vom Ende des 7. bis Ende des 8. Jhs. durch bair.-frühahd. f- , nicht aber der bair.-ahd. Initialakzent eingeführt worden. Das Suffix hätte sich von *-ágia über -éje > mhd. -ei entwickelt. L: Reitzenstein (2006), S. 286; Haubrichs (2006), S. 436; Greule (2007), S. 617. 2.2. Oberösterreich Von Peter Wiesinger 2.2.1. Siedlungsnamen (117) † Fonalva, wahrscheinlich im Innviertel zwischen Gurten - Aurolzmünster - Lambrechten - Andorf - Taufkirchen a. d. Pram. U: ca. 750 Actum in vico Fonaluae E: Den ersten Teil des ältesten Passauer Traditionskodex, dessen erstes Quaternion die Schenkungen und Besitzungen im Rottachgau verzeichnet und das wahrscheinlich unter Bischof Hartwig (840-66) von einem einzigen Schreiber angelegt wurde, eröffnen zwei angeklebte Blätter jeweils einer anderen Hand, deren zweites Blatt als sogenanntes „Rottachgau-Fragment“ bezeichnet wird. Es ist das Bruchstück einer Urkunde über den Verkauf eines Stückes gerodeten Landes mit Ausstellungsvermerk und Nennung von vier Romanen als Zeugen. In vorkarolingischem Vulgärlatein abgefasst, verkörpert es einen veralteten Urkundentypus der Zeit um 750 und dürfte entstanden sein, nachdem Bonifatius 739 das kanonische Bistum Passau errichtet hatte und man die Zusammenstellung der Besitzungen begann. Der rom. ON Fonalva geht auf lat. * Fontalba zurück. Er ist ein Kompositum mit lat. fons , tis ‚Quelle‘, das im Vulgärtlatein und in den rom. Sprachen vom Maskulinum zum Femininum ital. fonte , friul. font , span. fuente ‚Quelle‘ gewandelt wurde und mit dem Suffix ana in ital. fontana , friul. fontan , franz. fontaine ‚Brunnen‘ bedeutet. Mit lat. alba bzw. vulgärlat. alva ‚weiß, klar‘ als Bestimmungswort bedeutet der ON ‚helle, klare Quelle‘. Die Untersuchung des Vorkommens von deutschen brunn -Orten im ehemaligen Rottachgau, das ist das Gebiet beiderseits des unteren Inns von nördlich Simbach - Braunau bis zur Donau, zeigt, dass der gesuchte Ort nur im östlichen oberösterreichischen Teil gelegen sein kann. Die unmittelbaren deutschen Namenentsprechungen Lauterbrunn(en) und Weißbrunn treten zwar zwischen Aurolzmünster und Münzkirchen auf, wahrscheinlich ist aber der obgenannte 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 157 11.09.2019 09: 46: 54 158 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen Bereich nur bis Taufkirchen a. d. Pram. Dort werden sich Restromanen bis in den Beginn des 9. Jhs. gehalten haben, wofür die GewN (48) Gurten und (64, 65) Witraun mit der Pfuda (siehe oben) sprechen. L: Wiesinger (2017). (118) Fürling, Hof, Gem. Scharten, PB. Eferding. U: ? 1277 in Viting , ca. 1342 de curia Fitring , 1489 Virdling , 1532 Vierling , ca. 1775 Fierling , ca. 1815 Fürlinge D: HofN dɒ 'vīɒlįŋɒ E: Siehe (127) Vitta L: OÖONB 5 (2017), S. 228; Wiesinger (2017b). (119) Gampern, Dorf und Gem., PB Vöcklabruck. U: 770-80 (cop. 9. Jh.) in uilla … Campara , de Camparon ; 1361 Camporn , ca. 1380 ze Gamparn , 1480 Gamp(p)ern(n) , ca. 1550 Gamp(p)ern(n) , Gamp(p)arn(n ); 1570, ca. 1775, ca. 1815, 1857 Gampern D: 'gåmpɒn E: Der ON ist ein Einwohnername mit lat. campus / rom. campu ‚Feld‘ und dem Suffix lat. ārius bzw. ahd. āri als lokativischer Dativ Plural bair.-ahd. za [ dēn ] Camparon ‚bei den Feldbewohnern‘. Da bei der Integration in das Bair.-Ahd. das lat./ rom. p unverschoben auftritt und das lat./ rom. c mit dem durch die Zweite Lautverschiebung entstandenen bair.ahd. c [ k ] aus g gleichgesetzt wurde, erfolgte die Übernahme erst nach der Affrizierung von bair.-frühahd. k zu ch [ kχ ] frühestens ab dem Ende des 8. Jhs. L: Schwarz (1970), S. 900; Wiesinger (1980a), S. 280 f.; Wiesinger (1990), S. 276; OÖONB 4 (1997), S. 183 f.; ANB I (1999), S. 396; Wiesinger (2004), S. 60 f. Gurten siehe (48) Gurtenbach (120) ? Kampern Dorf, Gem. Feldkirch bei Mattighofen, PB Braunau am Inn. U: 1363 (15. Jh.) Kampporn , 1439 in Kampern , 1551 zu Campern ; 1580, ca. 1775, ca. 1815, 1857 Kampern D: 'khåmpɒn E: Da es in Oberösterreich den vom ON (119) Gampern (siehe dort) abgeleiteten Familiennamen Gamper / Kamper gibt, der ON Kampern aber seit dem älteren Frühnhd. nur mit anlautendem K belegt ist, während Gampern zur selben Zeit nur G -Schreibungen aufweist, und weil beide ON auch dialektal mit unterschiedlichen Anlauten gesprochen werden, wird er wahrscheinlich nicht in die ahd. Zeit zurückreichen, sondern erst eine Ableitung des 13./ 14. Jhs. vom Familiennamen Kamper als Dativ Plural mhd. * ze [ den ] Kampern sein. L: Schwarz (1970), S. 900; Wiesinger (1980a), S. 280 f.; Wiesinger (1990), S. 276; OÖONB 1 (1989), S. 63 f.; Wiesinger (2004), S. 60 f. (121) Lambach, Marktgemeinde, PB Wels-Land. U: 798-800 (cop. 12. Jh.) in Lambach , 821(cop. 9. JhE) ad Lampah , ca. 1050 (cop. 11. JhE) Enziwib … ad altare sancte et immaculate uirginis Marie genitricis dei in loco qui dicitur Lambahc , 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 158 11.09.2019 09: 46: 54 2.2. Oberösterreich 159 ca. 1136 prope cenobium Lampach , 1186 in cla [ u ] stris subter nominatus … Lambach , 1414 Lambach , ca. 1775 Marck Lambach ; ca 1814, 1857 Lambach D: † 'lǭmɒ , jetzt 'lǫmˌbǭx E: Lambach wird dominiert vom Benediktinerstift auf einem nach Süden, Norden und Osten rund 20 m steil abfallenden Sporn am linken Ufer der Traun. Der ursprüngliche Marktort liegt am nördlichen Fuß des Berges bis zum Mühlbzw. Schwaigbach und gegen den zur Mündung der Ager in die Traun nach Westen hinunterführenden allmählichen Abfall. Den volkstümlich namenlosen, von links in die Traun mündenden heutigen Mühlbach nennt 1857 Souvent Schwaigbach nach den daran liegenden Orten Nieder- und Oberschwaig. Dem Stift ging eine römerzeitliche Besiedlung voraus, von der eine Grabanlage unter der Krypta, der Grabstein des Publius Aelius Flavius aus der Zeit Kaiser Caracallas (211-17 n. Chr.) sowie mehrere Fragmente aus der Zeit des 2. - 3. Jhs. n. Chr. gefunden wurden. Ende des 8. Jhs. fasste hier Salzburg unter Erzbischof Arn Fuß, ehe in der 2. Hälfte des 10. Jhs. die Grafen von Wels-Lambach auf dem Sporn ihre Burg errichteten. Einer hier bereits bestehenden Marienkirche unterstellte sich um 1050 eine Freie. In diesem Jahr ereignete sich für das Grafengeschlecht eine bittere Katastrophe, indem nicht nur Gottfried von Wels-Lambach, der Markgraf der karantanischen [Steier]mark, von seinen Feinden ermordet wurde, sondern kurz davor schon seine Verwandten. Nachdem bereits zuvor mangels Nachkommen die Umwandlung der Burg in ein Kloster beschlossen worden war, vollzog dies der einzige Überlebende des Geschlechts, Adalbero, der 1045 Bischof von Würzburg geworden war, und berief 1056 Benediktinermönche aus Münsterschwarzach in Unterfranken. Im Investiturstreit vertrieben 1085 die Königstreuen den auf Seiten des Papstes stehenden Bischof aus Würzburg, und Adalbero starb 1090 in seiner Gründung. Trotz wechselvoller Schicksale lebt das Stift bis heute. Dem Ort verlieh 1365 Herzog Rudolf IV. der Stifter das Marktrecht. Der Name Lambach ist noch nicht überzeugend geklärt worden. Das ältere, bis 1850 gebräuchliche Marktwappen zeigte ein über Bachwellen stehendes Lamm, doch dürfte es sich dabei um Volksetymologie handeln. Denn häufig werden zwar Bäche nach Rössern, Rindern und Geißen/ Ziegen als Rossbach , Rindbach , Geißbach benannt, doch kaum nach Kälbern, Schafen und Lämmern, wenn es auch vereinzelt pluralische Kälber - und Lämmerbäche gibt (9. Jh. Lembirbach , 1009 Kelbirbach ). Dann müsste hier der Mühl-/ Schwaigbach früher so geheißen haben, aber den Tiernamen im Singular aufweisen. An einen bach -Namen denkt auch das ANB, verbindet ihn jedoch mit idg. * lāmā ‚Pfütze, Sumpf ‘, das lett. lāma ‚Pfütze, Grube‘ zugrunde liegt und als lat. lāma ‚Pfütze, Sumpf ‘ wohl Entlehnung ist, denn es kommt besonders in südeuropäischen Sprachen und ON vor und könnte somit aus dem Venetisch-Illyrischen stammen (IEW, S. 653 f.). In beiden Fällen würde jedoch die markante Lage des Ortes auf dem Sporn mit dem beiderseitigen Steilabfall unberücksichtigt bleiben und wäre das jeweilige Kompositum erst eine bair.-ahd. Bildung. Im letzteren Fall wäre zunächst eine antik-lat. Bildung * Lāma als Simplex vorauszusetzen, die sich in der Bedeutung „Grube“ auf das zwischen dem Sporn und den gegenüberliegenden Anhöhen mit der Mariahilf-Kapelle und dem Kalvarienberg oder als „Sumpf “ auf das Mündungsgebiet des Mühl-/ Schwaigbaches in die Traun beziehen könnte. Denkt man wie schon Konrad Schiffmann an eine rein antike Bildung, könnte das Zweitglied auf lat. ācum / āco zurückgehen wie in (123) Lorch (siehe dort), und der Name wäre mit den älteren Akten der Zweiten Lautverschiebung bis spätestens gegen die Mitte des 7. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 159 11.09.2019 09: 46: 55 160 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen Jhs. als bair.-frühahd. ahha integriert worden. Angesichts der hier zusammentreffenden drei Bäche wäre wegen der lautlichen Ähnlichkeit durchaus früher volksetymologischer Anschluss an bair.-ahd. pah ‚Bach‘ denkbar. Aber es ist nicht leicht, einen für eine ācum - Bildung erforderlichen lat. PN als Basis zu finden, denn ein PN * Lambus ist nicht unmittelbar belegt. Durchaus möglich wären Ableitungen von seltenem Lamberus , Lambiscus in südfranzösischen ON und Lambicus in Italien. Angesichts all dieser Schwierigkeiten schlägt Albrecht Greule daher idg.-vspr. * Lambako mit idg. * lemb(h)- ‚schlaff herabhängen‘ (uridg. * lembH -) in aind. lambate ‚hängt herab‘ und lat. limbus ‚Saum am Kleid‘ (IEW, S. 656 f.) mit dem seltenen Suffix idg. ko -/ ka vor. Das zugehörige Substantiv könnte als Geländename metaphorisch auf die Landschaftsform im Sinne von „Abhang“ und damit auf das abfallende Gelände des Sporns in Richtung Zusammenfluss von Ager und Traun bezogen worden sein. Wegen der älteren Akte der Zweiten Lautverschiebung würde der ON lat. * Lambacus bis spätestens in die Mitte des 7. Jhs. ins Bair.-Frühahd. integriert worden sein. Eine weitere Deutungsmöglichkeit besteht m. E., wenn man berücksichtigt, dass nach Karten und Bildern des 18. und 19. Jhs. das schmale Gelände an der Traun unmittelbar am südlichen Steilabfall des Bergsporns mit dem Kloster unbesiedelt war und sich der Markt nördlich des Steilabfalles im talartigen Gelände bis zum Mühl-/ Schwaigbach und vom Kloster aus ein Stück nach Westen erstreckte. Das aber erlaubt Anknüpfung an das vorrömische Alpenwort * lamā in alemann.-schweizerdt. Lamm(e) , das nicht nur ‚vom Wasser durchströmt, ausgehöhlte Felsenkluft, enger Durchgang eines Baches‘, sondern auch ‚Talabhang zu einem Gewässer‘ bedeutet und im Bairischen in Tirol als Lammer ‚Geröllhalde im Gebirge‘ und in Salzburg im GewN (73) Lammer vorkommt (siehe dort). So könnte mit antik-lat./ rom. * Lama hier der nach Süden und Norden stark abfallende Bergsporn bezeichnet worden sein und der Name später als GewN bair.-ahd. Lampah auf den Mühl-/ Schwaigbach im Sinne von „Bach am Bergabhang“ ausgedehnt worden sein, wo die anfängliche Siedlung liegt. L: Schiffmann III (1940), S. 300; ANB I (1999), S. 641 f. (122) Linz, Statutarstadt. U: antik: 425-30 (cop. 15./ 16. Jh.) Lentiae (Notitia dignitatum) 799 in loco cui vocabulum est Linzę super magno flumine Danubio , 821 actum est … in loco nuncupante ad Linza , 827 ad Linza , ca. 1125 Walcher de Linz , 1147 Megenhart de Linze , 1220- 40 Vlricus de Lintze , 1382 ze Lyntz , 1399 ze Lintz ; ca. 1775, ca.1815, 1857 Linz D: lintß E: Die an der Donau gelegene Landeshauptstadt Oberösterreichs geht auf Grund archäologischer Ausgrabungen auf ein keltisches Oppidum auf dem Freinberg zurück. Auf dem Martinsfeld bestand eine spätkeltische Handwerkersiedlung, die im 1. Jh. n. Chr. den Übergang in die 15. n. Chr. beginnende Römerzeit vollzog. Am Ende des 1. Jhs. n. Chr. errichteten die Römer im heutigen Altstadtbereich ein Kastell, und militärische Präsenz ist bis ins 5. Jh. n. Chr. nachgewiesen. Auf Grund von Gräbern und Skelettfunden gab es bereits zur Römerzeit seit dem 3. Jh. einen germanischen Bevölkerungsanteil. Der ON Linz geht auf kelt. * Lentā von idg. * lento -‚biegsam‘ in kymr. llethr (< * lent-rā ) ‚Abhang‘ (= Geländekrümmung) und breton. lint (< * lent-ro ) ‚glatt, glänzend‘(= geschmeidig) zurück (IEW, S. 677). Es bezieht sich wohl auf die große, nach Norden ausgreifende Biegung 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 160 11.09.2019 09: 46: 55 2.2. Oberösterreich 161 der Donau, die die Altstadt umschließt. Die Übernahme von antik-lat. Lentia erfolgte bereits früh ins Germanische. Dabei wurde e vor Nasal + Konsonant zu i zu * Lintia gehoben, ein gemeingermanischer Umlautungsvorgang, der in der Zeit vom 2. bis 7. Jh. n. Chr. aktiv war. Sollte die Lautfolge lat. tia bereits zu vulgärlat. cia sibiliert gewesen sein, so hatte sie im Germanischen keine Entsprechung und wurde wohl mit t substituiert, das dann bei Tradierung erst der vom ausgehenden 6. Jh. bis längstens um die Mitte des 7. Jhs. wirksamen Zweiten Lautverschiebung zur Affrikata z unterlag und zu bair.-frühahd. * Linzia führte. Urkundliches bair.-ahd. Linzę und Linza sind reguläre Weiterentwicklungen des 8./ 9. Jhs. als femininer jō -Stamm. Über frühmhd. Linze entstand dann im 12. Jh. durch e -Apokope fortan bleibendes Linz . L: Wiesinger (1980), S. 153; Wiesinger (1980a), S. 283 f.; Wiesinger (1990), S. 279; Wiesinger (1994), S. 62; ANB I (1999), S. 677 f.; Wiesinger (2004), S. 49. (123) Lorch, Stadtteil von Enns, PB Linz-Land. U: antik: 3. Jh. (cop. 7./ 8. Jh.) Lauriaco (Itinerarium Antonini), 4. Jh. milites auxiliares Lauriacenses (Burgusbauinschrift); 425-30 (cop. 15./ 16. Jh.) Lauriaco , classis Lauriacensis (Notitia dignitatum); 511 (cop. 10./ 11. Jh.) ex oppido Lauriaco , ad oppidum Lauriacum , de Lauriaco (Eugippius, Vita Severini); 6. - 8. Jh. (cop. 8. JhE) loco Lauriaco (Martyriologium Hieronymiani) 791 in loci quae dicitur Lorahha , 977 (cop. 12. Jh.) in vico visci nostri Loracho nuncupanto , 1282 Lorich , 1325 molendino in inferiori Larch , 1404 molendino in Lorich , 1445 in Larch , ca. 1775 Lohr ; ca. 1815, 1857 Lorch D: veraltet lǭɒ , jetzt lǭɒx E: Nahe der Donau bestand an der Enns bereits eine keltische Siedlung, deren Name in die 13. v. Chr. beginnende Römerzeit überging. Um die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. errichteten die Römer ein Erdkastell und eine Lagersiedlung, die wahrscheinlich in den Markomannenkriegen um 170 n. Chr. untergingen. Mit der Stationierung der Legio II Italica Ende des 2. Jhs. wurden ein castrum , ein Hafen an der Ennsmündung in die Donau und eine Zivilstadt angelegt, die unter Kaiser Caracalla (211-17) zum municipium erhoben wurde und zum Mittelpunkt Ufernorikums aufstieg, ehe Kaiser Diocletian (284-305) diese Funktion Wels/ Ovilavis übertrug. Gegen Ende seiner Regierung fand die letzte Christenverfolgung statt, in der der hohe römische Beamte Florian aus Cetium/ St. Pölten das Maryrium erlitt, indem er in die Enns gestürzt und ertränkt wurde. Ständige Germaneneinfälle im 5. Jh. erschwerten in der Zeit des Mönches Severin zunehmend das Leben, so dass man sich sechs Jahre nach Severins Tod 488 entschloss, mit dem größten Teil der romanischen Bevölkerung nach Italien abzuziehen, womit die Römerherrschaft in Norikum ihr Ende fand. Nicht nur archäologisch, sondern auch an der Namenkontinuität zeigt sich, dass ein örtliches Fortleben in die frühe germanische Baiernzeit bestand. Der mehrfach überlieferte lat. ON Lauriācum mit dem Gentilnamen kelt. Laurios / lat. Laurius und dem besitzanzeigenden Suffix kelt. -ākom / lat. ācum , wurde im lokativischen Ablativ Lauriācō im Sinne von „bei den Leuten des Laurius“ gebraucht. Seine Übernahme ins Germanische erfolgte im römisch-germanischen Kontaktraum am Donaulimes schon früh, so dass das Morphem lat.ō in germ. a überging und mit den bis längstens um die Mitte des 7. Jhs. wirkenden älteren Akten der Zweiten Lautverschiebung * Laurahha entstand, dessen 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 161 11.09.2019 09: 46: 55 162 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen au dann in der 1. Hälfte des 8. Jhs. zu bair.-ahd. Lōrahha mit offenem [ ǭ ] monophthongiert wurde. Während die lat. Urkundenschreibung wie in mehreren Fällen antiker Namentradierung lange an den lat. Namenformen festhielt, entstand in der gesprochenen Sprache im 11. Jh. mhd. Lōrich , dessen abgeschwächter Binnenvokal wohl als Sproßvokal aufgefasst und schließlich synkopiert wurde. Obwohl der auslautende Frikativ ch in der gesprochenen Sprache schon im 13./ 14. Jh. schwand, hielt ihn das Kanzleiwesen als Lorch / Larch weiterhin fest, so dass er schriftlich erst 1775 als Lohr auftaucht. Heute ist diese in der 1. Hälfte des 20. Jhs. veraltende Dialektaussprache abgekommen. L: Wiesinger (1980), S. 62; Wiesinger (1980a), S. 284; Wiesinger (1990), S. 279; Wiesinger (1994), S. 153; ANB I (1999), S. 685 ff.; Wiesinger (2004), S. 51. (124) Plain, Weiler, Gem. Pöndorf, PB Vöcklabruck; (125) Edenplain, Weiler, Gem. Lochen, PB Braunau am Inn; (126) Flörlplain, Dorf , Gem. Lengau, PB Braunau am Inn. U: Plain: 1363 Plain ; 1480 an der Plan , 1532 Plain ; 1561-70 Pluemb , Plaimb ; ca. 1775, ca 1815, 1857 Plain Edenplain: 1324 Plain ; ca. 1775, ca. 1815, 1857 Edenplain Flörlplain: ca. 1350 Plain , 1532 Florian in Nider Plain ; ca. 1775, ca. 1815, 1857 Flörlplain D: blǭɒ n ; ˌ(d)n'blǭɒ n ; ˌvl(d)l'blǭɒ n E: Der ON Plain basiert auf mittellat. plagia ‚Feld, Abhang‘ als Ableitung von lat. plaga ‚Fläche, Gefilde, Feld‘ mit Erweiterung zu * plagina , das zu rom. * plaina kontrahiert wurde und mit gleichbedeutendem ahd. wang ‚Abhang‘ korrespondiert. Die Integrierung als bair.frühahd. * Plaina erfolgte nach Abschluss der älteren Akte der Zweiten Lautverschiebung frühestens ab der 2. Hälfte des 7. Jhs. mit der Beibehaltung von rom. p . Wegen der nicht weit von einander entfernten ursprünglichen Höfe wurden erst spät die Zusätze Eden von mhd. oede ‚öde, unbewohnt, abgelegen‘ und Flörl -, Diminutiv des PN Florian , zur Unterscheidung hinzugefügt. Die Schreibung 1561-70 Pluemb versucht die Dialektaussprache festzuhalten, wobei mhd. ei und mhd. uo vor Nasal in [ ǭɒ n ] zusammenfallen und für mhd. uo regulär die Schreibung < ue > üblich ist. L: Wiesinger (1980), S. 154; Wiesinger (1980a), S. 280; OÖONB 1 (1989), S. 41f. und 47 f.; 4 (1997), S. 107; Wiesinger (1990), S. 276; Wiesinger 2004), S. 60. (127) Vitta, Dorf, Gem. Scharten, PB Eferding. U: ca. 1342 de bono in Viter , 1371 datz Vittern vier huser , 1398 widem ze Vitter , 1497 Vitter , 1526 Viter , 1584 zu Fitter , 1640 zu Vitter , ca. 1775 Fida , 1787 Fidach ; ca. 1815, 1857 Vitta D: 'vitɒ E: Im beginnenden Bergland der Scharten liegen beiderseits des Tales auf den Anhöhen einander gegenüber Vitta und (118) Fürling. Bestand Vitta vom ausgehenden 18. Jh. bis über die Mitte des 19. Jhs. nur aus drei kleinen Vierkanthöfen, so ist Fürling bis heute ein einziger sehr großer Vierkanthof geblieben, der volkstümlich der Fürlinger heißt, während in Vitta weitere sieben Häuser hinzu gebaut wurden, so dass es nun als Dorf eingestuft wird. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 162 11.09.2019 09: 46: 55 2.2. Oberösterreich 163 Was Gewässer betrifft, so vereinigen sich unterhalb von Vitta ein von links kommendes unscheinbares kleines namenloses Bächlein und von rechts von Rexham her ein etwas mehr Wasser führender, doch ebenfalls unauffälliger namenloser Bach zum Planbach , der hauptsächlich von aus in der Ebene austretenden Quellen gespeist wird und noch 1857 nach dem daran gelegenen Ort Simbach (1114 [cop. 14. Jh, 1692] ad Sibinpach ) hieß. 9 Beide ON Vitta und Fürling gehören wohl zusammen. Zwar entspricht das doppelte < tt > frühnhd. Schreibgewohnheit, doch erweist sich das seltene einfache < t > von Viter als ursprünglich, das in der Weiterentwicklung um 1300 zu [ d ] leniert wurde und das die Schreibungen 1775 Fida und hyperkorrekt 1787 Fidach nach der Dialektaussprache festhalten. Dagegen folgt die aktuelle Dialektaussprache der traditionellen Schreibung. Das dem ON somit zugrundliegende mhd. * Viter geht daher auf ahd. * Vitira zurück. Das zur selben Zeit wie Vitta 1342 sicher urkundlich bezeugte Fitring für Fürling, 10 das schon damals nur ein einziger Hof war, dürfte dementsprechend eine Rückverkürzung des für HofN charakteristischen Suffixes inger zu ing sein. Dieser HofN wurde dann über 1489 Virdling mit l -Erweiterung aus * Virdlinger volksetymologisch zu 1532 Vierling ,Viertelhof ’ (auf Grund von Erbteilungen) umgedeutet. Als seine Grundlage ergibt sich somit mhd. * Vitrin , das aus ahd. * Vitirina hervorgegangen ist. Zwischen den beiden Ausgangformen ahd. * Vitira und * Vitirina besteht daher ein enger Zusammenhang, wobei das Letztere als Diminutiv zu verstehen ist, so dass das Namenpaar im Sinne von „Groß- und Kleinvitta“ aufzufassen ist. Etymologisch liegt beiden ON antik-rom. * vid zugrunde. Es kann mehrfach gedeutet werden, wobei wohl angesichts der gänzlich unauffälligen Gewässerverhältnisse und der Höhenlage beider Orte ein GewN auszuschließen ist. Berücksichtigt man, dass die Scharten heute noch ein großes Waldgebiet ist, durch das zur Römerzeit eine Nebenstraße von Wels/ Ovilavis über Buchkirchen zur Limesstraße bei Eferding/ (Ad Mauros) führte, so wird eine Bildung mit kelt. * vidu in altir. fid , kymr. gwŷdd , altkorn. guida ‚Baum, Holz, Wald‘ (IEW, S. 1177) am wahrscheinlichsten sein. Es ist in mehreren ON und GewN keltischer Herkunft in Frankreich enthalten, so z. B. im antiken gallischen Stammesnamen Viducasses (Plinius d. Ä., Nat. Hist. IV, 107), im ON Vion (Dep. Sarthe) nördlich von Angers (813 Vidomnus < * Vidu-ó-magos ) und im GewN Vonne (Dep. Vienne), die in Vivonne (857 in condito Vicovedonense < lat. vicus ,Dorf ’ + kelt. * Vidunā ) südlich von Poitiers in die Clain mündet. So ergibt sich für Vitta als Ansatz kelt. * Vidurā im Sinne von „Waldort“, das als antik-rom. * Vidura die Basis der Integrierung ins Bair.-Ahd. bildet. Lautlich ist dabei zu berücksichtigen, dass das anlautende lat./ rom. v im Bair.-Ahd. anfänglich als stimmloses [ f ] auftritt, das erst ab dem Ende des 8. Jhs. zu [ v ] stimmhaft wurde. Da das zunächst halbvokalische bis bilabiale lat./ rom. v / [ ṷ / β ] sich etwa ab der Mitte des 7. Jhs. zu labiodentalem [ v ] wandelte und im Bair.-Frühahd. das stimmhafte [ᵬ/ b ] in der 2. Hälfte des 7. Jhs. zu stimmlosem [ b ] wurde, aber sein w weiterhin Halbvokal [ ṷ ] blieb, stand zu dieser Zeit kein dem rom. [ v ] entsprechender Laut zur Verfügung, so dass Substitution mit dem stimmlosen Lenisfrikativ [ f ] aus westgerm. f als bair.-frühahd. * Fídura mit Initialakzent erfolgte. Erst diese integrierte Form erfuhr bis spätestestens gegen 9 Souvent schreibt irrtümlich Simtbach . 10 Das von Schiffmann als Vitring interpretierte urkundliche Viting von 1277 wird nun vom Herausgeber der Garstener Traditionen Siegfried Haider zu Vitzing emendiert und auf den Ort Vitzing , Gem. Gunskirchen, PB Wels-Land bezogen. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 163 11.09.2019 09: 46: 55 164 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen die Mitte des 8. Jhs. Zweite Lautverschiebung von d > t zu bair.-ahd. * Fitura , dessen Anlaut dann um 800 Stimmhaftigkeit zu * Vitura erlangte. Sollte nicht schon im Romanischen Vokalharmonie zu * Vidira eingetreten sein, so entstand zumindest im Spätahd. Abschwächung zu * Vitira . Zwar könnte Fürling bereits eine keltische Bildung * Vidurinā sein, denn das Suffix kelt. inā drückt einerseits Zugehörigkeit aus und dient andererseits zur Diminutivbildung, so dass der ON „zu Vitta gehörend“ oder „das kleine Vitta“ bedeutet, doch erscheint ein so hohes Alter angesichts nur eines einzigen, obwohl langjährigen Hofes fraglich. Eher wird man erst mit späterer Entstehung und daher mit rom. ina zu rechnen haben, das ebenfalls zur Diminutivbildung verwendet wird. Eine erst ahd. ing -Ableitung scheidet aber insofern aus, als Ortsnamen nicht die Basis für solche Ableitungen bilden. L: OÖONB 5 (2017), S. 226 ff.; Wiesinger (2017b). (128) Wels, Statutarstadt. U: antik: 3. Jh. (cop. 7./ 8. Jh. ) Ovilavis , Ovilatus (Itinerarium Antonini); ca. 375 (cop. 12. JhE) Ouilia (Tabula Peutingeriana); 2. - 3. Jh. Ovilavis , Ovil(avis) , Ovilab(is) (Röm. Grabsteine) 776 in castro quae nuncupatur Uueles , 885 (cop. 12. Jh.) id est de Vueles , ca. 1073 zu 943 (cop. 16. Jh.) in Weles , ca. 1120 (cop. 12. JhE) uersus Welse , 1147-67 Walchun de Welse , 1185 (cop. 13. JhM) Husrukke et Uvels , 1218-21 Dietmarus de Welse , 1220-40 Fridericus de Wels , ca. 1775 Wel(l)s ; ca. 1815, 1857 Wels D: ws E: Obwohl die Stadt Wels aus archäologischer Sicht erst als eine römische Gründung gilt, muss es hier aus namenkundlicher Sicht eine ältere Vorgängersiedlung gegeben haben, wofür die Etymologie ihres Namens spricht. Jedenfalls errichteten die Römer die Stadt in der 2. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. am linken Ufer der Traun. Hier kreuzten sich die Ost-West verlaufende Straße von Lentia/ Linz nach Juvavum/ Salzburg und die Süd-Nordstraße von Italien her über Virunum/ Mariasaal und den Pyhrnpass nach Eferding/ (Ad Mauros). Die sich rasch entwickelnde Stadt erhob bereits Kaiser Hadrian (117-38) zum municipium , und im 2./ 3.Jh. wurde sie auch befestigt. Nachdem ihr Kaiser Caracalla (211-17) den Titel einer colōnia verliehen hatte, machte sie Kaiser Diocletian (284 -305) zur Hauptstadt der neu gegründeten Provinz Ufernorikum, so dass sie Lauriacum/ Lorch den Rang ablief. Nach dem Untergang der Römerherrschaft 488 ließen sich hier die Baiern nieder. Der antik-lat. überlieferte ON Ovilavis ist ein lokativischer Ablativ Plural zum Nominativ * Ovilava . Als idg.-vspr. Bildung liegt ihm wohl idg. * ṷei -/ ṷi - ‚drehen, biegen‘ mit l -Erweiterung in lit. vielà ‚Draht (= das Gedrehte)‘ und ap-vilti ‚lügen (= etwas umbiegen)‘ (IEW, S. 1120 f.) mit dem vor allem aus dem Illyrischen bekannten Flussnamensuffix ava / avus zugrunde, so dass sich * Vilavā ergibt. Sollte das dem ON vorangesetzte O auf die damit verbundene Präposition lat. ob ‚gegen … hin‘ zurückgehen, so bedeutet Wels die Siedlung ‚an den Windungen‘ der Traun. Das trifft tatsächlich zu, denn bis zu den Regulierungen im 19. Jh. teilte sich der Fluss bis zu seiner Mündung in die Donau bei Linz in zahlreiche größere und kleinere Arme auf (siehe 63 Traun). In der römisch-germanischen Kontaktzone im Limesbereich von Lorch ‒ Linz ‒ Wels haben die Germanen den auf der zweiten Silbe betonten Stadtnamen Ovílavis bereits früh kennen gelernt und mit Weglassung von unbetontem O als * Wilas übernommen. Sein i erfuhr vor 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 164 11.09.2019 09: 46: 55 2.2. Oberösterreich 165 a der Folgesilbe a -Umlaut bzw. Brechung zu ë , ein gemeingermanischer Lautwandel, der in der Zeit vom 2. bis längstens ins auslaufende 7. Jh. wirksam war und zu germ. * Wëlas führte, das ins Bair.-Ahd. tradiert wurde und mit Abschwächung der Nebensilbe Wëles ergab. L: Wiesinger (1980), S. 152 f.; Wiesinger (1980a), S. 283; Wiesinger (1990), S. 278, Wiesinger (1994), S. 60; Wiesinger (2004), S. 51; ANB II (2014), S. 1112. 2.2.2. Waldname (129) Kobernaußerwald, Waldgebiet im südöstlichen Innviertel, PB Ried im Innkreis und Vöcklabruck. Danach der Ort Kobernaußen, Rotte, Gem. Lohnsburg am Kobernaußerwald, PB Ried im Innkreis. U: 1414 Kobernaus , 1532 Kobernauß , 1576 Kobernausen , 1580 Kobernaussen villa ; ca. 1775, ca. 1815 Kobernausen , Kobernauser Wald ; 1857 Kobernausen , Kobernausser Wald D: ON ˌkhōwɒ'naųßn E: Der Kobernaußerwald im südöstlichen Innviertel ist eine bewaldete bergige Schotterplatte mit zahlreichen Tälern und Gräben, die sich auf einer Fläche von etwa 25 mal 12 km zwischen Mattighofen im Westen und Frankenburg im Osten und Frankenmarkt im Süden und St. Johann am Walde und Waldzell im Norden erstreckt. Das Waldgebiet erhebt sich durchschnittlich 150 bis 200 m über das Umland und erreicht am Nordrand am Steiglberg mit 767 m seine höchste Höhe. Nur in seinen Ausläufern im Osten und Norden wurde es besiedelt, während sein allergrößter Teil unbewohnt ist. Teilweise treten auch Schotterkonglomerate und ausgehöhlte Gesteinsformationen auf. Ausgangspunkt des Namens ist wohl kaum die unbedeutende Rotte am Nordrand gegen Lohnsburg, sondern wohl das große Waldgebiet selber. Er geht zurück auf das seit Plinius belegte Adjektv lat. cavernōsus ‚mit Höhlen versehen‘ zu caverna ‚Höhle‘, das dann im Mittellatein zu cavernōsa via und cavernōsus iter ‚Hohlweg‘ verbunden wird und auch im Rätoromanischen Graubündens als ON begegnet. Damit nimmt es sowohl Bezug auf die besonders am Nordrand in das Waldgebiet hineinführenden engen, stark eingeschnittenen Gräben als auch auf Gesteinsbildungen, so dass eine Bezeichnung wie * Cavernōsa silva denkbar erscheint. Dieses rom. * Cavernōsa wurde in der 2. Hälfte des 7. Jhs. mit der Gleichsetzung von stimmhaftem, labiodental gewordenem rom. v mit noch stimmhaftem, leicht frikativischem frühahd. ᵬ, das dann seit dem Jahrhundertende zum stimmlosen Plosiv b wurde, und der Substitution von ō mit ū als bair.-frühahd. * Ka ᵬernūsa integriert. Es unterlag dann in der 2. Hälfte des 8. Jhs. den späten Akten der Zweiten Lautverschiebung mit k > ch [ kχ ] und b > p zu bair.-ahd. * Chapernūsa . Die Vokallänge seiner 3. Silbe blieb erhalten, weil der viersilbige Name wie ein Kompositum mit je zwei Wörtern mit Haupt- und Nebenakzent behandelt wurde, wobei im 12. Jh. Diphthongierung von ū > au erfolgte. Wenn der Name heute endbetont wird, so wirkt hier keinesfalls die lat./ rom. Paenultimaakzentuierung nach, sondern statt der ursprünglichen, mit der Integrierung verbundenen Initialbetonung die Angleichung an die heute meist auf dem Zweitglied betonten Ortsnamenkomposita auf hausen , hofen -, stetten . Obwohl Schreibungen mit < ss > und < ß > erst vereinzelt in der 2. Hälfte des 19. Jhs. auftreten und sich dann im 20. Jh. amtlich durchsetzen, sind sie lautlich nicht gerechtfertigt. Diesen Schreibungen aber folgt die aktuelle Dialektaussprache. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 165 11.09.2019 09: 46: 55 166 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen L: Wiesinger (1980), S. 154; Wiesinger (1980a), S. 281; Wiesinger (1990), 280 f.; OÖONB 2 (1991), S. 11; Wiesinger (2004), 59 f. 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) (Karte 3) Von Peter Wiesinger 2.3.1. Siedlungsnamen (130) Adnet, Dorf und Gem., PB Hallein; Adneter Riedl, Adneter Gries, Siedl. von Hallein, PB Hallein. U: 708-814 (cop. 12. JhE) ad Atanate…ecclesiam , 1122 Sigiboto de Atanath , 1151-67 Vlrich de Atanat , 1184 Vlrich de Atenat , 1245 officiali nostro in Atnat , 1444 Steffan zu Adnaten , ca. 1808 Adnet D: älter 'ǭnət , jünger 'ǭdnət E: Der Name des am Rand der Niederung zwischen dem Spumbach und dem Almbach gelegenen Ortes geht auf kelt. * at-an-ate zurück mit gall. anam ‚Sumpf ‘, der Präposition gall. at(e) ‚über … hinaus‘ (IEW, S. 807, 70) und dem Suffix ate im Sinne von „Siedlung jenseits des Sumpfes = am Sumpf “. Diese Etymologie bestätigt das benachbarte, an der Mündung des Spumbaches in den Almbach gelegene Dorf Sulzenbach mit mhd. sulze ‚Salzwasser, Brühe, Sumpf ‘. 11 Das antik-lat. * Atanate erfuhr rom. Inlautschwächung von t zu * Adanade . Es wurde bei Eindeutschung mit Zweiter Lautverschiebung von d zu t in der 1. Hälfte des 8. Jhs. zu bair.-ahd. Atanate mit Initialakzent. Sein ahd./ mhd. t unterlag dann im 13./ 14. Jh. der mittelbairischen Konsonantenschwächung zu neuerlichem d -, das vorkonsonantisch geschwunden ist, was die ältere Dialektaussprache bewahrt, während die jüngere das d nach der Schreibung restituiert. L: Schwarz, (1970), S. 897; Hörburger (1982), S. 57; ANB I (1999), S. 10 f.; Lindner (2002), S. 539; HELSON 2 (2017), S. 3 f. (131) Anif, Dorf und Gem., PB Salzburg-Umgebung; Neuanif, Siedl. von Anif. U: 788-790 (cop. 12. JhM) ad Anua , 930 ad Anauam , nach 1023 ad Anaua , 1194 Aneua , 1177- 1216 (cop. um 1250) in officio Anif , 1365-69 decima in Gredich et Anif , ca. 1808 Anif D: 'ǭnįf E: Der Ort liegt in der Niederung unmittelbar westlich der Salzach bei einem kleinen See, dem Anifer Schloßweiher, dessen Ausfluss der sehr kurze, kleine Anifer Alterbach ist, der nördlich des Ortes von links in die Salzach mündet. Der ON geht zurück auf kelt. * an-apa mit kelt. * anos ‚Fluss‘ zu idg. * pen -/ pon -/ p- ‚Schlamm, Sumpf, Wasser‘ in mittelir. an ‚Wasser, Urin‘ und *apa zu idg. * ap - ‚Wasser‘ (IEW, S. 807 f., 51 f.) im Sinne von „Sumpfwasser“. Dabei bleibt fraglich, ob sich der Name ursprünglich, wie Albrecht Greule meint, auf den 11 Wahrscheinlich hieß der Unterlauf des Spumbaches ursprünglich Sulz(en)bach . 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 166 11.09.2019 09: 46: 55 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) 167 unscheinbaren Anifer Alterbach bezog, oder überhaupt auf die einst sumpfige Gegend mit wahrscheinlich mehreren Wassergräben. Noch die Franzisko-Josephinische Landesaufnahme von ca. 1875 zeigt die unregulierte Salzach mit mehreren linken Seitenarmen und im Umkreis von Anif sumpfige Gebiete. Hinsichtlich der Lautentwicklung erfuhr das antik-lat. * Anapa rom. Inlautschwächung von p zu -ᵬ/ v -, so dass * Anava entstand. In Verbindung mit dem gegenüberliegenden (132) † Campanif / Elsbethen wurde es wahrscheinlich erst ab dem Ende des 8. Jhs. mit der Gleichsetzung des rom. Lautes mit dem um diese Zeit stimmhaft gewordenen frühahd. f zu bair.ahd. v als bair.-ahd. Anava integriert. Vgl. (68) Fuschlsee. L: Schwarz (1970), S. 904; Hörburger (1982), S. 57; ANB I (1999), S. 34; Lindner (2002), S. 540 f.; Lindner (2014), S. 328; Greule (2014), S. 37 f.; HELSON 1 (2015), S. 7 f. (132) † Campanif, jetzt Elsbethen, Dorf und Gem., PB Salzburg-Umgebung. U: 930 ad Campanauam , 1197 (cop. 13. Jh.) Ŏdalricus de Campanneve , 1271 Vlricus de Campanif , 1348 officium Campanif , 1418 gütlein daz gelegen ist zu Conponiff ; 1453, 1469 Gampaniff , 1497 zw Sannd Elsbeten gotzhaus in Hälinger pfarr , 1536 den Mayerhof zu Khapaniff , 1635 Gut Campanif zu Elsbethen D: ‒ E: Das am rechten Salzachufer Anif gegenüberliegende heutige Elsbethen hieß bis ins endende 15. Jh. Campanif , das letzmalig, nun eingeschränkt als Hofbezeichnung, 1635 belegt ist. Es wurde seit 1497 abgelöst vom Kirchenpatrozinium der hl. Elisabeth. Das Erstglied des Kompositums ist rom. campu ,Feld, Ebene’ von lat. campus ,Ebene’ zur Bezeichnung des ebenen Geländes an der Salzach. Wie Anif erfolgte die Integrierung ins Bair.-Ahd. erst ab dem Ende des 8. Jhs. nach der um 780 auslaufenden Zweiten Lautverschiebung von frühahd. k zu < ch >/ [ kχ ], indem nun der rom. Plosiv < c >/ [ k ] mit dem durch die etwa 760 beginnende Zweite Lautverschiebung von frühahd. g entstandenen bair.-ahd. Plosiv k gleichgesetzt wurde. L: Schwarz (1970), S. 905; Hörburger (1982), S. 57 und 97; ANB I (1999), S. 316 f.; Lindner (2008), S. 23 f.; HELSON 1 (2015), S. 23 f. (133) ? Fager, Weiler von Taugl, Gem. St. Koloman, PB Hallein; Vorderfager, Siedl.; Fagergut, Hof von Vorderfager; Fagerreit, Hof von Vorderfager; Fageralm, Alpengasthaus von Gfalls; alle Gem. Elsbethen, PB Salzburg-Umgebung. U: ca. 1136 beneficia ad Haselpach et Vagra , 1141 beneficium Etichonis de Glase super Uagara , 1365-69 Ramsaw auff der Vager , 1414 zway zehenthäwser die gelegen sind auf der Vager , 1477 auf der vordern Vager , 1536 denn zehent ann der Vager , 1610 -12 vogtey Glasz vnd Fager , ca. 1808 Foger . Fagerreit: ca. 1808 Fagerreith D: 'vǭgɒ E: Der ON Fager betrifft drei voneinander völlig getrennte Örtlichkeiten unterschiedlicher Zugehörigkeiten und verschiedenen Alters im Bergland östlich des Salzachtales, wobei die urkundliche Überlieferung auf die Taugler Fager als dem Ausgangsort bezogen wird. Vorderfager hat sich erst seit Beginn des 20. Jhs. um den älteren Hof Fagerreit und den jüngeren Fagergut entwickelt. Die Fageralm gehört zur Taugler Fager. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 167 11.09.2019 09: 46: 55 168 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen Der ON Fager wir teils auf romanische und teils auf deutsche Herkunft zurückgeführt. Im ersten Fall würde vulgärlat. fagora ,Buchenbestand’ zu lat. fāgus ,Buche’ zugrunde liegen, im andern Fall ahd. fagāri ,Schönheit, Lieblichkeit’, wobei auf die offene, waldfreie Lage der Taugler Fager hingewiesen wird. Sollte der Name rom. Herkunft sein, so lässt sich die Integrierung sprachlich nicht näher datieren. L: Hörburger (1982), S. 131; ANB I (1999), S, 339; Lindner (2008), S. 24; HELSON 1 (2015), S. 26; 2 (2017), S. 20. (134) † Flatschergut, Hof von Spumberg, Gem. Adnet, PB. Hallein. U: 1350 Flatschaer , 1393 datz Flätzner , 1400 Flatschenberg D: ‒ E: Der auf den Hof übertragene FlN * Flatschen basiert auf rom. * Vallacia ,hohes , wildes Tal’ und geht zurück auf lat. vallis ,Tal’ + acea und wurde mit rom. < cia >/ [ tša ] erst ab der 2. Hälfte des 11. Jhs. ins Bair.-Frühmhd. integriert, als sich diese Lautfolge entwickelte. Damals trat auch noch Sekundärumlaut von a > ä ein. L: HELSON 2 (2017), S. 21. (135) Gamp, Rotte von Hallein, PB Hallein. U: 788-90 (cop. 12. JhM) villula nuncupante Campus , Romanos cum mansos tributales ; 798- 800 (cop. 12. JhE) villam nuncupante Campus , 1090-1104 De Campa , ca. 1167-93 (cop. 13. JhM) Chunradus de Gampe , 1325 Chunrat daz Gamp , 1425 Thomas de Gamp , 1567 auf Gampp , ca. 1808 Gamp D: gǫmp E: Gamp liegt in der kleinen ebenen Bucht, die vom aufsteigenden Dürrnberg im Westen und von der nach Osten ausbiegenden Salzach gebildet wird. Zu dem von lat. campus ,Feld, Ebene’ abgeleiteten ON vgl. (132) Campanif. L: Schwarz (1970), S. 900; Hörburger (1982), S. 44; Reiffenstein (1991), S. 47; ANB I (1999), S. 396; Lindner (2008), S. 25; HELSON 2 (2017), S. 23. (136) Garnéi, Katastralort, Gem. Kuchl, PB Hallein. U: 1212-1312 (cop. 14. JhII) 1334 guet auf der Gurnei , 1334 (cop. 14. JhII) pellifex de Gurnei , 1459 ain guetl auf der Gurnei … gelegen in dem Kuchltal , ca. 1880 Garnei D: guɒ'naį E: Der Gegendname Garnéi betrifft heute als Sammelbezeichnung Siedlungen im Knie zwischen der Salzach und dem unteren Tauglbach. Da diese Siedlungen erst jung überlieferte Namen tragen, ist anzunehmen, dass das ebene und ursprünglich mit Buschwerk bewachsene Gelände im Mittelalter unbesiedelt und Garnéi ein Flurname war. Der heutige ON wird allgemein zurückgeführt auf rom. cornale als Ableitung von lat. cornus ‚Hartriegel, Kornelkirsche‘. Dabei wird angenommen, dass der endbetonte Diphthong < ei >/ [ aį ] auf die Lautfolgen mhd. æl / äl als Umlautung von lat. * cornālis mit dialektaler Vokalisierung zurückgeht. Dass entspricht jedoch nicht der urkundlichen Überlieferung des 13./ 14. Jhs., denn zu dieser Zeit tritt schriftlich noch keine heutige l -Vokalisierung auf, wie auch die urkundlichen Schreibungen von (137) Gfalls und (142-144) Gols / Gois zeigen. Wahrscheinlicher ist daher m. E. eine Ableitung von rom. * cornīa als Gegendname. Wegen der Beibehaltung des 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 168 11.09.2019 09: 46: 55 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) 169 Paenultimaakzentes geschah die Übernahme erst um die Mitte des 11. Jhs., so dass dann in der 2. Hälfte des 11. Jhs. die frühmhd. Hiatusdiphthongierung von ī eintreten konnnte. L: Hörburger (1982), S. 44; Reiffenstein (1991), S. 59; Lindner (2008), S. 27 f.; HELSON 2 (2017), S. 23. (137) Gfalls, Zerstr. Häuser, Gem. Elsbethen, PB Salzburg-Umgebung. U: ca. 1350 Geuals D: gvǭis E: Der Name bezeichnet als Gegendname ein Weidegebiet im Bergland östlich von Elsbethen, das volkstümlich Elsbether Berg genannt wird. Er leitet sich vom Plural rom. * cavalls von lat. ad caballos ‚bei den Pferden‘ ab. Diese Etymologie bestätigt der westlich sich erhebende bedeutungsentsprechende Hengstberg , so dass ein rom./ dt. Namenpaar vorliegt. Die Integrierung erfolgte wegen der Beibehaltung des lat./ rom. Paenultimaakzents erst ab der Mitte des 11. Jhs. L: Hörburger (1982), S. 42; Reiffenstein (1991), S. 46; Lindner (2008), S. 26; HELSON 1 (2015), S. 36. (138) Gitzen: Berg Hochgitzen. Danach die Orte: Hintergitzen, Siedl. von Voggenberg; Schwabgitzen, Weiler von Voggenberg; Hausergitzen, Weiler von Lengfeld; Dexgitzen, Weiler von Lengfeld; alle Gem. Bergheim; (139) Berg Berggitzen. Danach die Orte: Gitzen, Siedl., Gem. Hof bei Salzburg; Gitzen, Zerstr. Häuser von Vorderschroffenau, Gem. Ebenau; alle PB Salzburg-Umgebung. U: 1169 cum vinea in loco qui dicitur Guts , 1169-70 vineam in loco qui dicitur Gutse ; 1298 Gute auf dem Gützen ; 1485 Gut genannt am Gützen das gelegen ist in Perckhaimer pharr ; 1485 Connrad Hertzog gesessen an dem Gützen in Perckheimer pharr ; ca. 1808 Gitzen (Berg), Hinter Gitzen , Texgitzen D: 'gitsn E: Gitzen ist der Name zweier Berge: des Hochgitzen in der Gem. Bergheim und des Gitzenberges in der Gem. Hof bei Salzburg, volkstümlich jeweils nur Gitzen . Während der Hochgitzen mit 676 m kegelförmig aufragt und nach allen Seiten abfällt, erstreckt sich der Berggitzen mit 918 m als ein Höhenrücken von etwa 1000 m Länge. Am Südfuß des Hochgitzen liegen die nach ihm benannten Orte Hintergitzen , Schwabgitzen , Hausergitzen und Dexgitzen . Dagegen befinden sich die beiden Orte Gitzen an der West- und an der Ostseite des Gitzenberges. Die urkundlichen Formen lassen einen lat./ rom. Bergnamen * Cucino (lok. Ablativ zu us / um ) erschließen mit dem lat. Diminutivsuffix ĭnus und einem in Bergnamen auftretenden kelt. * kuk wie auch in Cuculle / Kuchl. Es wurde ins Bair.-Ahd. nach Abschluss der k -Verschiebung und mit Gleichsetzung von anlautendem rom. < c >/ [ k ] mit bair.-ahd. [ k ] aus g , dem letzten Akt der Zweiten Lautverschiebung, ab dem auslaufenden 8. Jh. übernommen, denn dieser Fortisplosiv galt auch im 9. Jh. Dagegen war das inlautende lat./ rom. < c > vor i bereits zu [ ts ] oder [ tś / tš ] sibilliert, so dass es mit der bair.-ahd. Affrikata z der Zweiten Lautverschiebung wiedergegeben wurde. So entstand im 9. Jh. bair.-ahd. * Kutzina , dessen i den Umlaut von u auslöste. Sein anlautendes k wurde dann spätahd. wieder zu g abgeschwächt, wie die mhd. Schreibungen zeigen. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 169 11.09.2019 09: 46: 55 170 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen L: ANB I (1999), S. 413 f.; Lindner (2008), S. 34; HELSON 1 (2015), S. 36 f. (140) Gizóll, Hof von Vorderfager, Gem. Elsbethen, PB Salzburg-Umgebung. U: ca. 1500 Gutzull , ca. 1808 Gudzol D: gi'dzōi E: Wahrscheinlich auf den Hof übertragener FlN unsicherer Etymologie. Möglich erscheint auf Grund der dialektalen Aussprache rom. * Cazzle als Ableitung von rom. * cazza aus lat. * captia ‚Jagdgebiet‘ von lat. capiō , -ere ‚ergreifen, fassen, fangen, erbeuten‘. Wegen der Beibehaltung des rom. Paenultimaakzentes erfolgte die Integrierung ins Bair.-Frühmhd. erst ab der Mitte des 11. Jhs. L: Lindner (2008), S. 34; HELSON 1 (2015), S. 37. (141) Gneis, Stadtteil von Salzburg. U: 1212-13 (cop. 14. Jh.) Obern-Gnáls , 1314 supra Gneuls , nach 1337 Jacoben ab dem Gnäls , 1400 Item supra Gnäs , 1435 Hannsen ab dem Obern Gnäls , 1522 Hans Ramler aufm Gnals , 1533 fur den weiher auf dem Gneis , 1562 am obern Gneiß , 1778 Neumayr guet am Gneiß D: gŋāįs E: Gneis liegt in der Ebene südwestlich der Salzburger Altstadt am Ostrand des Leopoldskroner Mooses, das heute noch von Wassergräben durchzogen ist, deren größere der Wildmoosgraben und der Fiebingergraben sind. Obwohl lat. canālis , das Basiswort des ON, ursprünglich wie das dt. Lehnwort Kanal ,Röhre, Rinne, Kanal’ bedeutet, erfuhr es schon im Mittellateinischen Bedeutungserweiterung und bezeichnete wie etwa it. canale jede Art von Wassergraben. Es ist daher nicht nowendig, den am Ostrand von Gneis vorbeiziehenden Almkanal, der 1137-43 vom Salzburger Domkapitel und dem Stift St. Peter angelegt und durch den Mönchsberg getrieben wurde, als Ausgang des Namens anzusehen, wie es Ingo Reiffenstein (HELSON 1) annimmt. Aus der erst mhd. überlieferten Form Gnäls mit i -Umlaut von ā , der ab dem Ende des 8. Jhs. aufkam und während der ganzen ahd. Zeit wirksam war, und dem auslautenden s , das wohl wie im Rätoromanischen auf den Nominativ/ Akkusativ Plural der konsonantischen Deklination und damit auf lat. canalēs zurückgeht, 12 ergibt sich bedeutungsmäßig vielmehr der Bezug auf die Wassergräben des Leopolskroner Mooses, die vor über 1000 Jahren sicher zahlreicher waren als in der heute teilweise trocken gelegten und kultivierten Stadtlandschaft. Die bair.-ahd. Basis lautete daher * Canālis mit Bewahrung des lat./ rom. Paenultimaakzentes, so dass die Integrierung erst ab der Mitte des 11. Jhs. erfolgte. Die Gleichsetzung von anlautendem lat./ rom. c mit bair.-ahd. < c >/ [ k ] kann entweder auf den damals teilweise noch fortbestehenden Laut, der durch den jüngsten Akt der Zweiten Lautverschiebung aus g entstanden war, zurückgehen, oder es handelt sich dabei um die in der 2. Hälfte des 10. Jhs. einsetzende Auswirkung des Notkerschen Anlautgesetzes, durch das jede anlautende Lenis fortisiert wurde. 13 Dass, wie Ingo Reiffenstein annimmt, die Integrierung erst im Mhd. des 12. Jhs. erfolgt sei, weil damals der Almkanal errichtet wurde, hat bereits Franz Hörburger bezweifelt und zurückgewiesen. Die im 16. Jh. aufkommende Form Gneis ist phonetische Direktanzeige mit der dialektalen Vokalisierung der Lautfolge mhd. ǣl zu āį . 12 Vgl. Lausberg III (1972), S. 216 ff. 13 Vgl. Wiesinger ( 2011), S. 216 ff. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 170 11.09.2019 09: 46: 55 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) 171 L: Hörburger (1982), S. 41; Reiffenstein (1991), S. 47 und 59; Lindner (2008), S. 26, HELSON 1 (2015), S. 39. (142) Gois, Dorf, Gem. Wals-Siezenheim, PB Salzburg-Umgebung. U: nach 1060 Hizila de Collis , 1125-47 Altman et Kraft frater eius de Collis , 1127 Walchun de Colle , 1151-67 Otto de Golse , 1199-1231 Otto de Golse , 1242-59 Heinrico necnon Ottone de Gols , ca. 1400 Item in Gols feuda duo , 1159 Jörigen de Golß , ca. 1808 Gols D: gōis E: Gois und sein Nachbarort Walserberg (1025-41 in Uuabusariberc : bair.-ahd, perg mit walahwīsari ,Bewohner von Wals’) liegen auf der Anhöhe über den Mooswiesen mit dem Moosbach am Westrand des Salzburger Beckens und bilden ein romanisch/ deutsches Namenpaar. Denn Gois leitet sich von lat. collis ,Hügel’ ab, das im Salzburger Raum noch in Gols und in mehreren Flurnamen vorkommt, so u. a. in Aigen und Anif. Die Integrierung ins Bair.-Ahd. erfolgte ab dem Ende des 8. Jhs. mit der Gleichsetzung von rom. < c >/ [ k ] mit dem aus g durch den jüngsten Akt der Zweiten Lautverschiebung entstandenen bair.-ahd. < c >/ [ k ], wobei das geminierte ll den Umlaut verhinderte. Die heutige Schreibung Gois ist phonetische Direktanzeige. Erklärungsschwierigkeiten bereitet das von lat. collis bewahrte auslautende s . Liegt bei (141) Gneis wahrscheinlich der Nominativ/ Akkusativ Plural von lat./ rom. canālēs vor, so ergibt sich hier das Problem, dass im Vergleich zum Rätoromanischen der Singular dort colle lautet, der auf den Akkusativ lat. collem zurückgeht, und nur der Plural das Morphem s aus lat. collēs aufweist, der hier aber semantisch wenig wahrscheinlich ist. Wie Eberhard Kranzmayer gezeigt hat, 14 wechseln in der Romania submersa und im Rätoromanischen und Friulanischen ON mit und ohne s , und öfters stehen im Romanischen geltende Namenformen ohne s ihren Eindeutschungen mit s und umgekehrt gegenüber. Daraus ist zu folgern, dass im Alpenromanischen gebietsweise und das wohl spätestens bis ins 11. Jh. im Singular noch die beiden Casus Nominativ auf s und Akkusativ auf e(m) fortbestanden, ehe sich im Singular der Akkusativ auf e durchsetzte, so dass es zur klaren Unterscheidung von Singular und Plural mit den einander gegenüberstehenden Morphemen e : s kam. L: Schwarz (1970), S. 901; Hörburger (1982), S. 41; Reiffenstein (1991), S. 46 und 59; ANB I (1999), S. 424; Lindner (2008), S. 26 f.; HELSON 1 (2015), S. 40. (143) † Gols, ältere Bezeichnung des Montforthofes bei Morzg, Stadtteil von Salzburg. U: 1212-1312 (co. 14. Jh.) hueb ze Gols , 1286 montem qui dicitur Golse , 1324 Niclo von Golls , 1453 Vlreich Golsser zu Gols , 1550 Golser oder Geierhof zu Morzg , ca. 1808 Montforter Hof D: ‒ E: Siehe (142) Gois. L: HELSON 1 (2015), S. 40 f. (144) Gols, Häusergr., Hochgols, Haus von St. Jakob am Thurn, Gem. Puch bei Hallein; (145) Gols, Rotte von Vorderwiestal, Gem. Oberalm; alle PB Hallein. 14 Vgl. Kranzmayer, Eberhard: Zur Ortsnamenforschung im Grenzland. In: Zeitschrift für Ortsnamenforschung 10 (1934). Wiederabdruck in: Eberhard Kranzmayer: Kleine namenkundlichen Schriften (1929‒1972), anläßlich seines 100. Geburtstages am 15. Mai 1997 hrsg. von Maria Hornung. Wien 1997 (Schriften zur diachronen Sprachwissenschaft 5), S. 58-90, hier S. 80 ff. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 171 11.09.2019 09: 46: 55 172 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen U: ‒ D: gōis E: Wahrscheinlich erst Ende des 19. Jhs. auf ursprünglichen Fluren angelegt, da keine Eintragung in der Franziszeischen und in der Franzisko-Josephinischen Landesaufnahme erfolgt ist. Siehe (142) Gois. L: HELSON 2 (2017), S. 27. (146) Grödig, Markt und Gem., PB Salzburg-Umgebung U: 788-90 (cop. 12. JhE) ad Crethica ecclesia , 930 ad Gretticham , 987 Cretthica cum decima , 1007 Gotascalch de Crettich , 1077-90 Marchwarth de Greticha , 1125-47 predium … apud Cretich , 1270-88 in Gretich situm , 1286 Pilgrimus de Gretiche , ca. 1334 in Gredich , 1459 Cristan Saler Ramler von Gredig , 1559 Daniel Gadt zu Gredig ; 1691, 1778 zu Grödig ; 1803 gleich ober Grödig , ca. 1808 Gredig D: 'grēdįg E: Der Markt Grödig liegt am Südwestrand des Salzburger Beckens am Fuß der Ausläufer des Untersberges. Sein Name wird von Franz Hörburger, Thomas Lindner und Ingo Reiffenstein (HELSON) zurückgeführt auf rom. * crepita in it. cretto ,Spalte’, venez. creto ,Fels’ und friul. cret ,Fels, Bergspitze’ von vlat. crepitāre ,platzen, rissig werden’, wobei semantisch an Bergrisse des Untersberges gedacht wird. Die seit dem 10. Jh. urkundlich bezeugte, ins Bair.-Ahd. integrierte Form war * Cretihha mit geschlossenem e durch das i der Folgesilbe, aus der sich über mhd. Gretich(e) durch die mittelbairische Konsonantenschwächung in der 2. Hälfte des 13. Jhs. das bis heute geltende Gredich regulär entwickelte, dessen Endung ab dem 15. Jh. wegen seiner gleichen Aussprache [ įx ] dann < ig > geschrieben wurde. Die rom. Ansatzform bereitet jedoch im Vergleich zur integrierten bair.-ahd. Form lautlich insofern Probleme, als das inlautende rom.<c- >/ [ k ] bis längstens 650 zu bair.-ahd. <hh- >/ [ χχ ] verschoben wäre, während das anlautende < c- >/ [ k ] und das inlautende <t -> unverschoben geblieben wären. Diese lautliche Ungleichheit lässt sich auch dann nicht lösen, wenn man rom. Konsonantenschwächung von t zu d - und dessen Lautverschiebung annimmt, denn dann müsste auch c zu g geschwächt worden sein. Eberhard Kranzmayer und Ernst Schwarz und zunächst auch Ingo Reiffenstein (1991) nehmen daher als Grundlage rom. * Gradica an, das bis längstens 650 zu frühahd. * Gradihha mit den älteren Akten der Zweiten Lautverschiebung und dann im 8. Jh. mit den jüngeren Akten über * Gratihha und umgelautetes * Gretihha mit Primärumlaut schließlich gegen 800 zu überliefertem Cretihha regulär weiterentwickelt wurde. Bezüglich der Bildung und Bedeutung wird dabei auf die französischen ON Gray und Gray-la-Ville , beide Haut Sâone (910 Gradiacus , ca. 1060 Gradicum castellum / 951 Gradiacus villa , 1049 Gradicus villa ) und Gray-et-Charnay im Jura ( Gradaca ) als Ableitungen vom lat. PN Grat(i)us mit den Suffixen ācum bzw. āca verwiesen. 15 L: Kranzmayer (1957/ 1997), S. 358; Schwarz (1970), S. 886; Hörburger (1982), S. 41 f.; Reiffenstein (1991), S. 47 und 59; ANB I (1999), S. 452; Lindner (2008), S. 27, HELSON 1 (2015), S. 43. 15 Vgl. Dauzat, Albert / Rostaing, Charles: Dictionaire étymologique des noms de lieux en France, Paris 1963, S. 331. Négre, Ernest: Toponymie générale de la France, vol. I er , Genève 1990, Nr. 6584. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 172 11.09.2019 09: 46: 55 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) 173 (147) ? Großgmain, Dorf und Gem., PB Salzburg-Land, [Bayerisch Gmain, Dorf, Lkr. Berchtesgadener Land, Oberbayern]. U: 788-90 (cop. 12. JhM) in Nana et Mona , 798-814 (cop. 12. JhM) in Salinis et in Muen , 931 (cop.) ad Muonam in Salzpurggouue , vor 1023 (cop.) proprietatem … in loco Walahuuis et Muona , 1139 super montem Mŏna , 1144 capellam S. Marie Můna , 1342 daz guet auf dem puhel Muener Pfarr , 1344 vnser guett datz Muen pei der chirichen , 1453 vnnser lieben frawen Kirchen auf der Gmain , 1575 4 Urbarsgüter auf der Gmain , 1778 auf der Gmain , 1796 Pfarrvikar auf der Gmein ; 1824 an der Obern Gemeinde , auf der Untern Gemeinde D: älter auf dɒ 'gmǭɒ n , gmǭɒ n , jünger (grōs)'gmǭɒn E: Großgmain und Bayerisch Gmain liegen zu beiden Seiten des die Grenze bildenden Weißbaches auf österreichischer und bayerischer Seite an den westlichen Ausläufern des Untersberges bzw. den nördlichen des Lattengebirges gegen das Tal der Saalach. Bis 1816, ehe am Wiener Kongress das bis dahin einheitliche Territorium des Fürsterzbistums Salzburg zwischen Österreich und Bayern aufgeteilt wurde, bildete das Gebiet der Gmain eine Einheit, deren nördliche Hälfte nun zu Österreich und deren Süden zu Bayern kam. Es war ‒ volkstümlich Auf der Gmain genannt ‒ bis weit ins 19. Jh. bäuerliche Streusiedlung mit zahlreichen Höfen, ehe sich in der 2. Hälfte des 19. Jhs. um die ins 12. Jh. zurückgehende Wallfahrtskirche ein stetig anwachsender Dorfkern bildete. Nachdem nach der Gebietsteilung zunächst die Bezeichnungen Obere und Untere Gemeinde aufgekommen waren, entstand mit der Dorfwerdung der Name Großgmain , um den Ort von dem nun Kleingmain genannten, am linken Salzachufer gelegenen Salzburger Stadtteil zu unterscheiden. Dessen Name (1596 auf der Gmain bei Freisaal ) wird jedoch auf den Flurnamen mhd. gemeine ‚Gemeinschaftsbesitz‘ zurückgeführt und unterscheidet sich somit vom ursprünglichen Namen von Großmain. Landschaftlich auffälliges Kennzeichen von Großgmain ist der im Norden aufragende, nach allen Seiten steil abfallende Berg mit der Burg(ruine) Plain (siehe 157 Plain). Die Entwicklung des ON geht von bair.-frühahd. Mōna aus, das in der 1. Hälfte des 9. Jhs. zu * Moana fallend diphthongiert und zu bair.-ahd. Muona gehoben wird. Wegen der dialektalen lautlichen Identität von mhd. uo und bair.-mhd. ai vor Nasal als [ ǭɒ n ] kam es im 15. Jh. zur volksetymologischen Umdeutung des ON [ mǭɒ n ] zu [ gmǭɒ n ] nach mhd. gemeine ‚Gemeindebesitz‘. Während Ernst Schwarz romanische Herkunft des ON von idg. * mōnio- ‚Gebirge’ zu idg. * men -/ mon - ‚emporragen’ annahm (IEW, S. 762), wies Thomas Lindner zwar darauf hin, dass im Keltischen nur Kurzvokale belegt sind, wie altbret. monid , umgelautet kymr. mynydd und korn. meneth ‚Gebirge‘, doch setzt das HELSON ein idg. langes * mōna ‚Berg‘ an, das so nicht nachweisbar ist. Abgesehen davon, dass idg. * mōna im Keltischen * māna lauten würde, betont nun Albrecht Greule, dass bloß im Germanischen langvokalisches * mōn in altnord. mœna ‚emporragen‘ (< * mōnjan ) und mœnir ‚Dachfirst‘ (< * mōnjaz ) auftritt. Da sich in Großgmain als landschaftlich auffallend nur der Burgberg mit der heutigen Ruine Plain befindet, sieht Greule in den Namen Gmain und Plain ein deutsch-romanisches Namenpaar, so dass der ON (Groß) gmain nicht romanischen, sondern bair.-ahd. Ursprungs ist, was auch seine Lautentwicklung problemlos erklärt. L: Schwarz (1970), S. 918; Lindner (2002), S. 543; Reitzenstein (2006), S. 33 f.; HELSON 1 (2015), S. 43 f.; Greule (2018) S. 364. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 173 11.09.2019 09: 46: 55 174 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen (148) † Iuvavum/ Iuvao, antiker und romanischer Name der Stadt Salzburg. U: ca. 77 n. Chr. oppida eorum (= Noricorum ) … Iuvaum (Plinius d. Ä., Naturalis Historia), 3. Jh. (cop. 7./ 8. Jh.) Iovavi (Itinerarium Antonini), ca. 375 (cop. 12E) Iuavo (Tabula Peutingeriana), 511 (cop. 12. JhE) oppidum …Iuvao (Vita Severini) 746-47 oder 74 (cop. 12. JhE nach cop. nach 870) locum iuxta fluvium Ivarum antiquo vocabulo Iuvavensium vocatum , 798-800 (cop.12. JhE) in loco qui dicitur Iuuauo quod uuulgo dicitur Salzburg ; ad Iuuauensem sedem ; 799 (cop. 9. JhII) fratribus Iuvavensis ecclesiae , 816 Arno Iuuauensis ecclesiae archiepiscopus necnon Salzburgensium , ca 825/ 26 (cop. 10./ 11. Jh.) Iuvavum quae et Salzburc , ca. 831 concessimus sanctae Iuuauensis ecclesiae , 984 ad prefatum monasterium Iuuauense , 1066-88 in episcopio Iuuauensi D: ‒ E: Der Name der Stadt Salzburg war antik-lat. Iuvavum und rom. Iuvao , der sich von GewN antik-lat. Ivarus herleitet, wie es auch 746 bezeugt ist. Wahrscheinlich war der Name bei den Romanen noch bis ins 9. Jh. bekannt, während urkundlich jüngere Nennungen bis in die 2. Hälfte des 11. Jhs. als literarisch anzusehen sind. Von den Baiern wurde der antik-rom. ON in Verbindung mit dem frühen Beginn der Salzgewinnung und des Salzhandels schon im 7. Jh. durch den neuen Namen Salzaha / Salzach als GewN (746-47 [oder 74] iuxta fluvium Ivarum , 798-800 [cop. 12. JhE] ad fluvium Iuarum qui alio nomine dicitur Salzaha ) und Salzburg als ON abgelöst, so dass im Gegensatz zu anderen ON des Gebietes hier ein Kontinuitätsbruch vorliegt. Der antik-lat. GewN wird von Thomas Lindner als Júvarus gelesen und war die Bezeichnung des Unterlaufes der Salzach, wovon sich der ON der daran gelegenen Stadt Salzburg als Júvavum ableitet. Als idg.-vspr. Bildung liegt zugrunde idg. *eu -/ u- ,vermengen’ in aind. yuti , yuváti ,vermengt’, lett. jàut ,Teig einrühren, mischen’, alban.-geg. gjanë ,Schmutz, Teich, Schwemme’ und ablautend gallorom. iutta aus gall. *u-tā ,Brühe’ in mkymr. iwt und abret. und akorn. iot ,Brei’ (IEW, S. 507), so dass sich als Basis idg. *-ṷa im Sinne von „mit Sand oder degleichen vermischt“ ergibt, wobei der GewN mit ro- und und der Stadtname mit ṷoabgeleitet wird, so dass sich *-ṷa-robzw . *-ṷa-ṷoim Sinne von „mit Sand oder dergleichen vermischt“ ergibt. Das könnte sich auf die Sandbänke an der Salzach besonders unterhalb der Altstadt beziehen, wie sie noch die Franziszeische Landesaufnahme um 1808 zeigt und wie sie teilweise noch heute auftreten. Eine andere Erklärung des GewN Ivarus bietet Albrecht Greule, indem er nach der schriftlichen Überlieferung Ívarus liest. Entsprechend schließt er an urkelt. * iṷo- ‚Eibe‛ mit r- Suffix an und versteht den GewN im Sinne von „Fluss, an dessen Ufern Eiben wachsen“. L: Schwarz 1969), S. 424 f.; Reiffenstein (1990); Lindner (2000); ANB II (2014), S, 905 ff.; Lindner (2014), Greule (2014), S. 248; S. 329; HELSON 1 (2015), S. 109 f. (149) Kuchl, Markt; Kuchlbach, Rotte von Georgenberg, Gem. Kuchl, beide PB Hallein. U: ca. 375 (cop. 12. JhE) Cuculle (Tabula Peutingeriana), 511 (cop. 10./ 11. Jh.) castellum … Cucullis vocabulum (Vita Severini) 788-90 (cop. 12. JhE) in loco qui dicitur Cucullos in supradicto Salzburchgaoe , 798-814 (cop. 12. JhE) ad Cucullas ; 930 ad Chuchulam , 991-1023 VIIII iugera in pratis quę sunt sita iuxta pagum Chuchula dictum , 1139 (cop. 13. JhM) silvulam … superius Chuchili , ca. 1170 Adelmannus de Chuchel , 1177-1216 (cop. 13. JhM) in Chuchen est curtis , 1197 mansum Chuchel iuxta flumen 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 174 11.09.2019 09: 46: 55 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) 175 Lamer , 1243 mansum dimidium sub monte sancti Georgii iuxta Chuchel , 1299 daz gericht in dem Chucheltal , 1457 Gotshaus zu Kuchel , 1487 im Kucheltal gelegen , ca. 1808 Kuchel D: 'khuχį E: Der Markt Kuchl liegt am rechten Ufer der Salzach im Golling-Halleiner Becken, das sich zu beiden Seiten des Flusses von der unteren Lammer im Süden bis zum Tragelbach im Norden auf ca. 9 km Länge erstreckt. Auffallendstes landschaftliches Kennzeichen ist der sich rund 60 m über dem Beckenboden erhebende, 1000 m lange, tafelartige, 528 m hohe Georgenberg östlich des Ortes, dessen heutiger Name sich von einer 1243 erstmals genannten Kapelle herleitet. Das Becken hieß vom 10. bis 13. Jh. pagus Chuchula („Kuchelgau“) und vom 13. bis 15./ 16. Jh. Kuchltal . Dieser Name steht im Zusammenhang mit dem Kuchelbach , der bei Dornach entspringt, östlich am Georgenberg vorbei fließt und bei Speckbach in die Salzach mündet. Ihn hält außerdem eine zu Georgenberg gehörende Rotte fest. Der ON Kuchl leitet sich von keltolat. cucullus ‚Kapuze‘ zur Bezeichnung des auffälligen Georgenberges als lat. Nominativ Plural Cucullae bzw. lokativischer Ablativ Plural Cucullis ab, wobei diese Bezeichnung geographisch im Sinne von „Bergkuppe“ verstanden wurde. Der Berg war, wie Ausgrabungen zeigen, seit der Jungsteinzeit besiedelt und trug ein keltisches Oppidum. Die Integration des ON ins Bair.-Frühahd. erfolgte bis spätestens gegen die Mitte des 7. Jhs. mit den ältesten Akten der Zweiten Lautverschiebung, der Tenuesverschiebung von inlautendem < c >/ [ k ] zur velaren Frikativgeminata < hh >/ [ χχ ], und mit Vorverlagerung des lat. Paenultimaakzentes auf die erste Silbe als * Cuhhuli , ehe dann in der 2. Hälfte des 8. Jhs. mit den letzten Akten der Zweiten Lautverschiebung der Anlaut zur velaren Affrikata < ch >/ [ kχ ] und damit zu bair.-ahd. * Chuhhuli verschoben wurde. Im 12./ 13. Jh. wurde der ON vorübergehend volksetymologisch mit bair.-mhd. chuchel ‚Küche‘ assoziiert, was sich schriftlich in der mehrfach bezeugten, sonst im Mhd. üblichen Form kuchen / küchen schriftlich ausdrückt. L: Schwarz (1970), S. 886; Hörburger (1982 ), S. 42; Reiffenstein (1991), S. 47 und 60; ANB I (1999), S. 629 f.; Lindner (2002), S. 545; Lindner (2008), S. 37; HELSON 2 (2017), S. 43. (150) Latéin, Rotte, Gem. Straßwalchen, PB Salzburg-Umgebung. U: 1591, 1696-1803 In der Latein ; ca. 1880 Latein D: in , av dɒ lǫ'dāį n E: Der Name wird als FlN für die rund 50 m über der feuchten Niederung des Hainbaches gelegene Anhöhe mit der Rotte gebraucht. Ingo Reiffenstein setzt ihn zwar als rom. * Lutīna zu lat. lutum ‚Kot, Lehm‘ im Sinne von „kotiger Boden“ an, doch ist im Vergleich zu anderen Salzburger rom. ON mit rom. * Ludīna mit rom. Inlautschwächung zu rechnen. Seine Integrierung erfolgte wegen Beibehaltung des rom. Paenultimaakzentes ab der Mitte des 11. Jhs. und wegen der „neuhochdeutschen“ Diphthongierung von ī vor 1100 und damit im Frühmhd. Damit ist mit bair.-mhd. * Lüdéin zu rechnen, das nach der Umlautentrundung volksetymologisch zu Latéin umgedeutet worden sein wird. Eine unmittelbare Rückführung auf lat. *( Villa ) Latīna , wie sie Thomas Lindner vornimmt, ist unwahrscheinlich. L: Reiffenstein (2004), S. 463 f.; Lindner (2008), S. 29; HELSON 1 (2015), S. 72. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 175 11.09.2019 09: 46: 56 176 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen (151) Lidáun, Katastralort, Gem. Faistenau; Lidáun, Zerstr. Häuser, Gem. Ebenau, beide PB Salzburg-Umgebung. U: ca. 1808 Lidaun Berg ; ca. 1880 Lidaun , Lidaunberg D: li'dāų n E: Mit Lidáun wird das ansteigende Hochgelände von durchschnittlich 700 m Höhe zwischen dem Lettengraben im Süden und dem Lidáunberg mit 1237 m Höhe im Norden bezeichnet. Auf ihm liegen Weiler, die zur Gemeinde Faistenau im Osten gehören, und Zerstreute Häuser der Gemeinde Ebenau im Westen. Der FlN geht zurück auf rom. * Lidōne von lat. lītus ‚Fluss-, Seeufer; Strand’ ‒ vgl. ital. lido ‚Ufer, Gestade‘ ‒ mit rom. Inlautschwächung und mit dem Augmentativsuffix ōne im Sinne von „großer Abhang“. Wegen der Beibehaltung des lat./ rom. Paenultimaakzentes bei Ersatz von geschlossenem rom. ō durch bair.-ahd./ mhd. ū (vgl. 164 Vigaun) erfolgte die Integrierung zwischen der Jahrtausendwende und dem Beginn der „neuhochdeutschen“ Diphthongierung um 1100 als spätahd./ frühmhd. * Lidne . 16 Der Name des Hochgeländes wurde auf den Berg übertragen. L: Hörburger (1982), S. 39 f., Lindner (2008), S. 28; HELSON 1 (2015), S. 75. (152) Loig, Weiler von Himmelreich, Gem. Wals-Siezenheim, PB Salzburg-Umgebung. U: vor 1147 off(iciu)m in Levge , 13. Jh. Megingoz de Levge , nach 1293 Albero de Levge ; 1778 an dem Loigerzaun , bei dem Loiger Ester , Loigerfelder ; ca. 1808 Loig D: lōig E: Der Weiler Loig liegt in der Ebene unmittelbar östlich des Dorfes Himmelreich , zu dem er gehört. Nach der Franziszeischen Landesaufnahme von ca. 1808 befand sich unmittelbar östlich von Loig der inzwischen bis auf Reste abgeholzte Eichelwald . Der Ort Himmelreich, der einen ursprünglichen Flurnamen mit der Bedeutung ‚lichtes, waldfreies Gebiet‘ trägt, entstand erst im Lauf des 19. Jhs. Der ON Loig wird von Thomas Lindner und nach ihm von Ingo Reiffenstein (HELSON) als idg.-vspr. Bildung * Leugā zurückgeführt auf idg. * leu-g- ‚schwärzlich; Sumpf ‘ in lit. liũgas ‚Morast‘ (IEW, S. 686). Danach würde es sich um einen am Sumpf oder an einem sumpfigen Gewässer (Wasserlachen? ) gelegenen Ort handeln, wofür sich jedoch im landschaftlichen Erscheinungsbild keinerlei Anzeichen (mehr? ) finden. Beide Namenforscher bedenken jedoch nicht, dass ein inlautendes mhd. < g > nicht unbedingt auf ein unverändert tradiertes [ g ] seit dem Idg. zurückgehen muss. Berücksichtigt man jedoch die Lage des Ortes und die ON seiner unmittelbaren Umgebung und damit die Zusammenhänge mit dem benachbarten Himmelreich im Westen und dem früheren Eichelwald im Osten und ursprünglich vielleicht ein noch größeres umgebendes Waldgebiet, so ist m. E. nicht unwahrscheinlich, dass der Ort antik-lat. * Leuca von idg. * leuk - ‚leuchten, licht‘ in griech. λευκός ‚licht, glänzend, weiß‘, illyr. PN Λεύκαρος , lat. lūmen (< * leuk-s-men ) ‚Licht‘, gall. * leuxos ‚hell‘, gall. PN Leucetius (Beiname für den Mars), got. liuhaþ ‚Licht‘ (IEW, S. 687 16 Der Versuch von Hörburger (1982), S. 39 f. Lidáun mit 1209 amne qui vocatur Lintovvesbach zu verbinden, lässt sich weder etymologisch noch lautlich aufrecht erhalten, denn dieser Name bedeutet deutlich erkennbar „Lindaubach“ mit mhd. linte ‚Linde‘ und ouwe ‚Au‘, wobei nicht nur dieser Name auch sonst vorkommt, sondern Linden an den weniger feuchten Außenrändern von Auen auftreten. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 176 11.09.2019 09: 46: 56 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) 177 ff.) geheißen hat. 17 Dann aber bilden Loig und Himmelreich bedeutungsmäßig ein Namenpaar aus den gleichen geographischen Gegebenheiten, nämlich lichtem, waldfreiem Gebiet. In diesem Fall unterlag lat. * Leuca der romanischen Inlautschwächung zu rom. * Leuga . Es konnte entweder zunächst als solches spätestens gegen die Mitte des 8. Jhs. ins Bair.-Ahd. integriert und gegen Ende des 8. Jhs. mit dem jüngsten Akt der Zweiten Lautverschiebung zu * Leuka weiterentwickelt und dann im Lauf des 10. Jhs. wieder zu * Liuga leniert worden sein, nachdem der Diphthong in der ersten Hälfte des 9. Jhs. zu iu gehoben worden war. Oder es wurde erst im Lauf des 10. Jhs. übernommen, wobei dann der rom. Diphthong eu durch bair.-ahd. iu ersetzt wurde. Dass der Ort Loig bereits in der Antike bestand, erweisen die 1815 auf dem heute überbauten Loigerfeld ausgegrabenen Reste einer großen römischen Villa, deren bedeutendster Fund das im Kunsthistorischen Museum in Wien verwahrte Theseusmosaik ist. L: Lindner (2002), S. 546; HELSON 1 (2015), S. 76. (153) Morzg, Stadtteil von Salzburg. U: 798-814 (cop. 12. JhE) villa … super Salzaha que dicitur Clasâ et alliam Marciago , 930 (cop.) ad Morzagam , 1117 cum viculis suis Glaese, Morzige ; ca. 1144 (cop. 12. Jh.) Morzige cum decimationibus suis , F 1168 für 1139 de ecclesia Morzig , 1214 Marquardus de Morzigen , 1318 Hainrich der mulnaer von Martzich , ca. 1334 in Motzich curia villicolis , 1394 Seiboten dem schuester zu Martzk , 1415-1501 Item in Mortzk , 1497 Mortzk ; 1499, 1592, 1694 Mortzg , ca. 1808 Morzich D: älter mǫɒtsk , jünger muɒtsk E: Das ehemalige Kirchdorf und der heutige Stadtteil von Salzburg Morzg liegt links der Salzach und südlich des Nonnberges, zu dessen Benediktinerinnenstift der Ort von 798 bis 1848 gehörte. Der Ortsname ist ein keltolat. Prädienname (lat. praedium ‚Besitztum, Gut‘) mit dem Suffix kelt. ākom / lat. ācum und einem PN, der verschieden angesetzt wird. Das ANB und Ingo Reiffenstein (HELSON) rechnen mit lat. Martius . Das aber ist insofern unwahrscheinlich, als die urkundlichen Belege des 10. bis 12. Jhs. < o >-Schreibungen aufweisen, und zu dieser frühen Zeit ahd./ mhd. a noch nicht zu offenem bair. [ å / ǫ ] gehoben bzw. verdumpft worden war, was erst ab etwa der Mitte des 13. Jhs. geschah. Deswegen schlagen Franz Hörburger und Thomas Lindner (2002, 2008) * Mortios vor. Da dieser PN von lat. mors , tis ‚Tod‘ abgeleitet wäre und auch nicht belegt ist, setzt Ernst Schwarz Morcios an und kann einerseits darauf verweisen, dass der PN Morcos im Illyrischen 168 v. Chr. für einen Gesandten des Königs Genthius am Balkan und auch im Messapischen in Italien nachgewiesen ist 18 und andererseits PN neben os / us variativ auch ios / ius aufweisen. Man wird daher von einem keltolat. * Morciācum auszugehen haben, das rom. Inlautschwächung zu rom. Morciago erfuhr. Die älteste Überlieferung als < Marciago > mag entweder Schreibfehler des 12. Jhs. oder schon um 800 Wiedergabe eines vor r sehr offen gesprochenen [ å / ǫ ]-Lautes 17 In Niederösterreich tritt der GewN Loich (1307 Levch ) auf, der ebenfalls auf antik-lat. * Leuca (< idg. * Leukā ) zurückgeht, aber bereits früh mit den ältesten Akten der Zweiten Lautverschiebung von lat. < c >/ [ k ] zu bair.-frühahd. < hh >/ [ χχ ] integriert wurde. 18 Vgl. dazu Krahe, Hans: Lexikon altillyrischer Personennamen, Heidelberg 1929, S. 77 und 151. Die Belege lauten Morcus bei Livius, Ab urbe condita, XLIV 23, 4 und Μόρκος bei Polybios, Historia XXIX 3, 9 und 11, sowie inschriftlich. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 177 11.09.2019 09: 46: 56 178 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen mit < a > sein. Obwohl es keine näheren lautchronologischen Anhaltspunkte für die zeitliche Festlegung der Integration ins Bair.-Ahd. gibt und der urkundliche Erstbeleg um 800 die rom. Form festhält, geschah dies mit Vorverlegung des lat./ rom. Paenultimaakzentes auf die erste Silbe zu bair.-ahd. Mórzaga wohl schon im Lauf des 9. Jhs., nachdem das Gut von Herzog Theodebert dem Salzburger Benediktinerinnenstift Nonnberg geschenkt worden war. Im Frühmhd. erfolgte durch den Initialakzent Abschwächung der Nebensilben zu mhd. Morzige , ehe nach e -Apokope im 13. Jh. Auslautverhärtung der Endsilbe ig zu < ich >/ [ ikχ ] eintrat. Obwohl in der 2. Hälfte des 14. Jhs. schriftlich der Endungsvokal synkopiert wurde und dadurch eine schwer sprechbare Konsonantenhäufung entstand, scheint die Endung in der gesprochenen Sprache wie die Endsilbe ig behandelt worden und als [ į / įχ ] realisiert worden zu sein. Damit würde es sich bei den vokallosen Überlieferungen seit Ende des 14. Jhs. um tradierte Schreibformen handeln, während der Beleg von ca. 1808 auf die damals gesprochene Dialektaussprache mit Vokal zurückgreift. Die heutige ältere Aussprache folgt der Schreibung, die jüngere ist von der auch in Salzburg aufgegriffenen, von Wien ausgegangenen stadtdialektalen Aussprache von o vor r als [ uɒ ] bestimmt. L: Schwarz (1970), S. 873; Hörburger (1982), S. 56; Reiffenstein (1991), S. 60; ANB I, (1999), S. 759; Lindner (2002), S. 546; Lindner (2008), S. 38; HELSON 1 (2015), S. 83. (154) Muntigl, Dorf, Gem. Bergheim, PB Salzburg-Umgebung; (155) † Muntigl, heute Adneter Riedl, Siedl. von Hallein, PB Hallein. U: 788-90 (cop. 12. JhE) in loco nuncupante Monticulus super fluvio Salzaha , ca. 963 (cop.) in beneficium … ad Muntegilin , 1122-47 Ekkehart de Monticulo , ca. 1127 Ekkehart de Montiglin , 1130 Ekkehart de Montigil , 1144-47 Ekkehardus de Montigel , nach 1146 Ekkehart de Muntigilen , 1285 Montigl , 1444 Anna des Chern tochter von Münttigel , 1459 Muntigel ; 1463, 1493 ain mul zu Muntig(e)l ; 1520-ca. 1590 Item de Muntigel ; ca. 1808 Montigel Adneter Riedl: 1350-60 Rudbertus de Muntigel , ca. 1880 Ridl D: 'muntigl E: Das kleine Dorf Muntigl liegt nördlich der Stadt Salzburg 2 km entfernt vom Gemeindeort Bergheim rechts der Salzach am Fuß der Anhöhen des Hochgitzen (siehe 138 Gitzen). Grundlage des rom. ON ist das Diminutiv lat. monticulus ‚kleiner Berg‘, das zu rom. * montig(u)lu mit rom. Inlautschwächung leniert wurde. Seine Integrierung ins Bair.-Ahd. erfolgte bei regulärem Ersatz von lat./ rom. o vor Nasal + Konsonant durch bair.-ahd. u entweder schon gegen Ende des 8. Jhs. mit Vorverlagerung des lat./ rom. Paenultimaakzents auf die erste Silbe und mit dem jüngsten Akt der Zweiten Lautverschiebung von inlautendem g zu bair.-ahd. < c >/ [ k ], das dann im 10. Jh. wieder zu [ g ] leniert wurde, oder weniger wahrscheinlich erst zu dieser Zeit mit der Gleichsetzung beider Lenisplosive, aber wegen des Initialakzents jedenfalls vor der Mitte des 11. Jhs. Die immer wieder auftretenden < o >-Schreibungen sind von lat. monticulus beeinflusst. Mit bedeutungsverwandtem Bergheim bildet Muntigl ein dt./ rom. Namenpaar. Der früher ebenfalls Muntigl genannte Abhang des Heuberges nordöstlich von Hallein gegen Adnet, heute Adneter Riedl (von bair. Riedl ‚leichte Erhebung, Bergrücken‘), war ursprünglich Flurname, wie noch die Franzisko-Josephinische Landesaufnahme von ca. 1880 zeigt. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 178 11.09.2019 09: 46: 56 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) 179 L: Schwarz (1970), S. 899; Hörburger (1982), S. 38; Reiffenstein (1991), S. 49 f. und 60; Reiffenstein (2004), S. 462; ANB I (1999), S. 769; Lindner (2008), S. 30; HELSON 1 (2015), S. 85 f.; 2 (2017), S. 4. (156) † Petena, historische Bezeichnung von Salzburg. U: 793 (cop. 13. Jh.) venerabilis vir Arno Petenensis urbis episcopus, que nunc appellatur Salzburch ; 798 (cop. 870-77) fratri Arnôni archiepiscopo ęcclesiae Iuvauensium, quę et Pętena nuncupatur D: ‒ E: Nur 2 Urkunden des endenden 8. Jhs. von Papst Leo III. nennen die Stadt Salzburg Petena . Obwohl von historischer Seite vermutet wird, dass dieser ON in Rom durch ein Missverständnis vom Bistum Pedena / Pićan in Istrien auf Salzburg übertragen worden sein könnte, 19 so erscheint aus namenkundlicher Sicht durchaus eine bei den örtlichen Romanen gebräuchliche freie Übersetzung von sinngleichem Salzburg wahrscheinlich, denn rom. padina von lat. patina ‚Pfanne, Schüssel‘ bedeutet ‚Salzpfanne‘. Die überlieferte Lautform zeigt jedenfalls Übernahme ins Bair.-Ahd. mit den jüngeren Akten der Zweiten Lautverschiebung von d zu t -, so dass die Integrierung nach 650 in der Zeit vom ausgehenden 7. bis gegen die Mitte des 8. Jhs. erfolgte und sich dann in der 2. Hälfte des 8. Jhs. der Primärumlaut von a > e anschloss. Dieser ON war also sichtlich durchaus als eine gesprochene Alternativbenennung von Salzburg im 7./ 8. Jh. gebräuchlich und ist keine Erfindung der päpstlichen Kanzlei. L: Reiffenstein (1990), S. 199; Lindner (2008), S. 30; ANB II (2014), S. 905 und 937; HELSON 1, (2015), S 109 f. (157) Plain, Burgruine, Gem. Großgmain; (158) Berg: Plainberg mit Wallfahrtskirche Maria Plain, Gem. Bergheim; Plain-Kemating, Dorf, Gem. Bergheim; alle PB Salzburg-Umgebung. U: Plain: 1108 comes Werigandus de Blainn , 1120-32 Levtold de Pleigen , 1142-51 Perhtoldus de Plagio et Rudolfus frater eius de Plagio , 1147 Liutoldus de Pleigin , 1207 comes Conradus de Plain , 1244 comes Chunradus de Plæin , 1249 Livtoldi comitis de Plæien , 1285 de Plain comites , 1491 in demselben gericht zw Plain , 1796 das Schloß Plain , ca. 1808 Schl [ oß ] Plain Plainberg: 1349 … vnder dem Playn , 1803 Plainberg ; Maria Plain: 1760-71 Maria Plain , ca. 1808 M [ aria ] Plain Plain-Kemating: 1348-ca. 1400 officii in Playn , 1349 zway güeter vnder dem Playn , 1441 Conrat Ascherman abm Playn D: blǭɒ n E: Der Name Plain geht zurück einerseits auf die seit 1108 bezeugten Grafen von Plain und deren auf einer Anhöhe in (147) Großgmain errichteten Burg, die von 1744-96 seit dem Österreichischen Erbfolgekrieg von bayerischen Truppen besetzt war und dann rasch zur Ruine verfiel, und andererseits auf den Plainberg bei Bergheim. Während an dessen südlichem Fuß das Dorf Plain-Kemating liegt, wo sich ein römischer Gutshof befand, erhebt sich auf dessen Anhöhe die weithin sichtbare, von Fürsterzbischof Gandolf von Kuenburg 1671-74 19 Vgl. Dopsch, Heinz: Hohensalzburg im Mittelalter. In: Zwik, Eberhard (Hrsg.): 900 Jahre Festung Hohensalzburg, Salzburg 1977, S. 96. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 179 11.09.2019 09: 46: 56 180 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen errichtete Wallfahrstkirche Maria Plain. Fällt die isolierte stattliche Anhöhe der Burg(ruine) Plain nach allen Seiten stark ab, so steigt ein breiter Hang von der Ebene, wo Kemating liegt, zur Wallfahrtskirche Maria Plain auf dem Plainberg kontinuierlich in die Höhe. Auf diese deutlichen Abhänge bezieht sich der ON rom.* Plágina (mit Initialakzent) als Ableitung von mittellat. plagia ‚Feld, Abhang‘ von lat. plaga ‚Fläche, Gefilde; Landschaft‘ mit dem Suffix rom. ĭna , der bereits zu rom. * Plaina kontrahiert war. Bezüglich seiner Integrierung ins Bairische lässt sich mangels der älteren Akte der Zweiten Lautverschiebung nur sagen, dass diese frühestens seit der Mitte des 7. Jhs., aber wahrscheinlich erst erfolgt ist, als sich hier Baiern niederließen und spätestens im Lauf des 8. Jhs. den Burgberg Mōna benannten (siehe 147 Großgmain). L: Schwarz (1970), S. 876; Hörburger (1982), S. 38; ANB I (1999), S. 113 ff.; Reiffenstein (1991), S. 49 und 60; Reiffenstein (2004), S. 462; Lindner (2008), S. 30; HELSON 1 (2015), S. 97. (159) Planítschen, Hof von Kellau, Gem. Kuchl; (160) † Planítschen, Hof von Riedl, Gem. Vigaun; alle PB Hallein. U: 1459 Pauln Planitzer , 1721 Konrad Schorn auf der Planitschen , ca. 1808 Blanitze D: bla'nitšn E: Der FlN Planítschn wurde jeweils auf den dort gelegenen Hof übertragen. Er geht wie (107) Planítsch im Berchtesgadener Land zurück auf rom. * planicia von lat. plānitia ‚Ebene, Fläche‘ und wurde unter Beibehaltung des lat./ rom. Paenultimaakzentes mit rom. < cia >/ [ tša ] erst nach der Mitte des 11. Jhs. ins Bair.-Frühmhd. integriert, als sich im Bairischen diese Lautfolge entwickelte, sowie mit dem 9.-12. Jh. wirksamen Sekundärumlaut von a > ä . L: Lindner (2008), S. 39, HELSON 2, (2017), S. 56. (161) Rif, Siedlung und Schloss, Gem. Taxach, PB Hallein. U: 1194 salina qui est inter Toffal et locum qui dicitur Riue , 1250 nobis predium Rif dicitur , 1304 zway (güeter) under dem haus zu Gůtrat und ains haizzet Rif , 1575 Schloß Rif , 1599 zu Rif , ca. 1808 Riefer Hof , Riefer Au D: rīv E: Die heutige Siedlung Rif liegt abseits im Winkel zwischen der Königseeache/ Alm und der Salzach an deren linkem Ufer, das nach der Franziszeischen Landesaufnahme von ca. 1808 zur Gänze von Niederwald überzogen war. Ein Stück landeinwärts erwarb im waldfreien Gelände der Salzburger Fürsterzbischof Johann Jakob von Kuen-Belasy 1560 den 1539 errichteten Adelssitz und erbaute ein großes Lustschloss im Renaissancestil mit einer Garten- und Wasseranlage. Nach seinem Tod 1586 wurde es nur mehr als Gestüthof und Meierei genützt, so dass es langsam verfiel und nur mehr Teile davon erhalten blieben. Die Franziszeische Landesaufnahme von ca. 1808 bezeichnet sie als Riefener Hof . Der ON basiert auf lat. rīpa / rom. rīva ‚Ufer, Abhang’ und war ursprünglich FlN. Während das südöstlich davon rechts der Salzach gelegene, nach der Jahrtausendwende integrierte (164) Vigaun die „neuhochdeutsche“ Diphthongierung von mhd. ū zu [ aų ] aufweist (siehe dort), fehlt in Rif die parallele Diphthongierung von mhd. ī zu < ei >/ [ aį ]. Da rom. Vokalkürzung unwahrscheinlich ist und derselbe ON am Gardasee it. Riva / dt. Reif die Diphthongierung aufweist, wird sie hier unterblieben sein. Das aber spricht in diesem ver- 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 180 11.09.2019 09: 46: 56 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) 181 kehrsabgelegenen Winkel für eine bis in die Anfangsjahrzehnte des 12. Jhs. fortbestehende resthafte Romanität, denn ab 1125 treten im Mittelbairischen bereits die ersten urkundlich nachgewiesenen Diphthongschreibungen auf, so dass der Lautwandel mündlich zu Beginn des 12. Jhs. eingetreten sein wird. 20 L: Hörburger (1982), S. 44; Reiffenstein (1991), S. 61; Lindner (2008), S. 30 f.; ANB II (2014), S. 44; HELSON 2 (2017), S. 63. (162) ? Rott, Rotte, Gem. Wals-Siezenheim, PB Salzburg-Umgebung; Rott, Stadtteil von Salzburg. U: ca. 1808 Roth D: rōd E: Das Gebiet von Rott an der Saalach im Norden von Siezenheim, das am Anfang des 19. Jhs. aus nur wenigen Häusern bestand, und im anschließenden Nordwesten von Salzburg bildet heute als ausgebautes Siedlungsgebiet eine räumliche Einheit. Ob sich urkundliche Belege des 12. Jhs. von Adeligen als Rte , Rŏte , Rote darauf beziehen lassen, ist sehr fraglich, zumal es hier keine Burg gab und das Gelände an der Saalach, wo die ursprügliche Rotte liegt, Augebiet war. Deswegen aber den Namen als bair.-mhd. Rodungsnamen anzusprechen, verbieten sowohl diese urkundlichen Formen als auch die ursprügliche Bezeichnung der Bewohner als di 'rōdiŋɒ , die für ein mhd. o spricht, während die bair. Rodungsbezeichungen mhd. riut , riet , rǖte lauten und im Mittelbairisch-Salzburgischen heute als roid , röd , ried , reit(h) auftreten. 21 An die Dialektaussprachen anknüpfend, wird als Etymologie rom. * Rotta aus lat. rupta ‚unterbrochen‘ vorgeschlagen, das als mittellat. ( via ) rupta ‚unterbrochener Weg, Straße‘ bedeutet und worauf ital. rotaia ‚Geleise‘ und rotta ‚Spur, Weg‘ zurückgehen. Als Bezug wäre die Römerstraße von Juvavum/ Salzburg nach Augusta Vindelicorum/ Augsburg denkbar, wenn sie auch 1,5 km entfernt vorbeizog. Ferner kann bezüglich rom. Herkunft auf den östlichen Nachbarort (M 72) Liefering verwiesen werden, der zwar ein echter bair.-ahd. ing -Name, aber mit einem rom. PN ist (siehe dort). L: Hörburger (1982), S. 36, Lindner (2008), S. 31; HELSON 1 (2015), S. 36. (163) † Tuval, historische Salzabbaustelle am Gutratsberg, Gem. Taxach, PB Hallein. U: 1191 super salina in loco Toual , nach 1191 (cop.12./ 13. Jh.) salina in loco qui vulgo Toual dicitur , 1194 salina qui est inter Toffal et locum qui dicitur Riue , F 1195-96 für 1123 salinam inter fluvios Salzah et Albam inferiorem in montibus Tuŭal vulgari nomine sitam , 1197 Salina Tuual dicta , 1198 Tuuál , 1199 de salina nostra in Tuval , 1250 vacarum Tuval D: ‒ E: Um 1190 legte das Stift Berchtesgaden am Ostfuß des Höhenrückens, der heute Gutratsberg heißt, gegen Rif einen oberflächennahen Salzabbau an und leitete Sole zur Saline in Niederalm. Beides bestand nur kurze Zeit. 22 Dem ON liegt rom. tuvāle von vlat. tuvālis zu lat. tubus ‚Röhre, Gerinne‘ zugrunde, dessen u zu spätrom. o gesenkt wurde. Während die älteren urkundlichen Belege das spätrom. Tovl mit Bewahrung der Vokalsenkung und 20 Vgl. Reiffenstein (2000). 21 Vgl. HELSON 1 (2015), S. 148. 22 Vgl. Koller, Heinrich: Hallein im frühen und hohen Mittelalter. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 116 (1976), S. 1-116, hier S. 24 ff. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 181 11.09.2019 09: 46: 56 182 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen dem Paenultimaakzent aufweisen, spiegeln die jüngeren als Tuvl die mhd. Integrierung mit Ersatz des geschlossenen rom. o durch mhd. u -, weil bair.-mhd. o offenes [ ǫ ] war. Damit wird die Integrierung ins Mittelhochdeutsche erst zur Zeit der Anlegung des Salzabbaues und der Saline sowie der Überlieferung am Ende des 12. Jhs. erfolgt sein. L: Schwarz (1970), S. 901; Hörburger (1982), S. 43; ANB I (1999), S. 297 f.; Lindner (2008), S. 35; HELSON 2, (2017), S. 84. (164) Vigáun, seit 2002 Bad Vigaun, Dorf und Gemeinde, PB Hallein. U: 788-90 (cop. 12. JhM) ad Fuginas [verschrieben für Figunas ] eccles. tantum , 798-800 (cop. 12. JhE) ad Figûn , 798-814 (cop. 12. JhE) dedit … quidquid proprietatis habuit in Vico Romanisco et ad Figun , 1197 Figûn cum viculis suis , 1212-1312 ampt von Vigaún , 1334 vogtay ze Vigavn , 1405 ze Vigawn , 1548 zu Vigaun , ca. 1808 Figaun D: vi'gāų n E: Der Ort Vigáun liegt rechts der Salzach und wird auf Grund der als Heilquelle anerkannten Barbaraquelle seit 2002 amtlich Bad Vigáun genannt. Sein Name basiert auf vulgärlat. vicōne mit lat. vicus ‚Dorf ‘ und dem Augmentativsuffix ōne , so dass der ON ‚Großdorf ‘ bedeutet, und wurde zu rom. * Vigōne mit Inlautschwächung weiterentwickelt. Schwierigkeiten betstehen bezüglich der bair.-ahd. Integrierung. Die Beibehaltung des lat./ rom. Paenultimaakzentes spricht für Integrierung erst ab der Mitte des 11. Jhs. ins Bair.- Frühmhd., doch vor 1100, als die „neuhochdeutsche“ Diphthongierung der Hochzungenvokalreihe einsetzte. Dieser Datierung scheinen aber die urkundlichen Belege aus der Zeit um 800 zu widersprechen, vor allem weil sie mit < u > die reguläre Substituierung von geschlossenem rom. ō durch bair. ahd. < u >/ [ ū ] aufweisen. Da die Überlieferung dieser Belege jedoch kopial erst ab der Mitte des 12. Jhs. erfolgt ist und weder das Bair.-Ahd. noch das Bair.-Mhd. ein geschlossenes [ ō ], sondern nur ein offenes [ ǭ ] aufwiesen, kam es nicht nur mündlich auch nach 1000 noch zum Lautersatz, sondern dieser wurde m. E. offenbar auch bei den Urkundenabschriften des 12. Jhs. durchgeführt. Dagegen rechnen Ernst Schwarz und Franz Hörburger mit einer Ausnahme, indem schon am Ende des 8. Jhs. gegen sonstiges Vorgehen hier der rom. Paenultimaakzent beibehalten worden wäre. Wahrscheinlicher aber ist m. E. eine Kontamination von im 8. Jh. integriertem anfangsbetontem bair.-ahd. * Fícūna mit noch anlautendem stimmlosem f und zunächst auch lautverschobenem rom. g zu bair-ahd. k , dessen f dann am Beginn des 9. Jhs. zu v stimmhaft wurde, und weiterhin geltendem paenultimabetontem rom. Vigṓne zur bair.-ahd. paenultimabetonten Mischform Vigne nach 1000. L: Schwarz (1970), S. 879; Hörburger (1982), S. 40 f.; Reiffenstein (1991), S. 61; Lindner (2008), S. 31 f.; HELSON 2 (2017), S. 85 f. 2.3.2. Alm-, Berg- und Flurnamen (165) Alpígl, Jagdhütte von Pichl; Alpíglalm, Alm von Pichl, Gem. Abtenau, PB Hallein; (166) Alpígl, Alm von Gschwendt, Gem. Strobl, PB Salzburg-Umgebung. U: Abtenau: 788-90 (cop. 12. JhM) alpes … Cuudicus et Cuculane , Alpicula et Lacuana ; 10. Jh. (cop. 12. Jh.) inde Cinkenpah , inde Alpigilin , inde ad Chuningesperc ; ca. 1808 Alt Büchel A [ lm ] 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 182 11.09.2019 09: 46: 56 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) 183 Strobl: ca. 1000 ad Alpigilin , ca. 1000 (cop. 12. Jh.) ad Alplingon , F 12 JhII für 748 ad Alblingon , ca. 1808 Altbüchel D: ǭį'bīgl ( ǭįm ) E: Von den beiden Almen liegt die eine nördlich des Abtenauer Ortsteiles Pichl, an deren Südwestrand sich die Jagdhütte befindet, und die andere südlich des Strobler Ortsteiles Gschwendt. Der Name rom. Alpícula ist eine Ableitung von lat. alpis ‚Alpe‘ mit dem Diminutivsuffix lat. ĭcula im Sinne von „Kleine Alm“. Wegen der Beibehaltung des lat./ rom. Paenultimaakzentes erfolgte die Integrierung nach der Mitte des 11. Jhs. ins Bair.-Frühmhd. Der unverstandene Name wurde schon bald danach teilweise volksetymologisch umgedeutet und angepasst, so mit dem ahd./ mhd. Diminutivsuffix līn oder als ing -Name mit dem Suffix ingon im Dativ Plural. Im 19. Jh. erfolgte Umdeutung zu Altbüchel mit alt und bair. Pichl ‚Hügel‘, was die „Österreichische Karte 1 : 50.000“ bis zur Ausgabe von 1980 als Altpichel beibehalten hat. L: Schwarz (1970), S. 900; Hörburger (1982), S. 43; Lindner (2008), S. 23; HELSON 1 (2015), S. 6; 2 (2017), S. 5 f. (167) ? Genneralm, Alm von Wegscheid, Gem. Abtenau, PB Hallein; Schutzhaus von Lämmerbach, Gem. Hintersee, PB Salzburg-Umgebung. U: ca. 1808 Genner Horn , Genner A [ lm ], ca. 1880 Genner Horn , Genner Alpe D: 'gęnɒˌǭįm E: Die südlich von Hintersee in 1295 m Seehöhe am Fuß des Gennerhorns mit 1735 m gelegene Genneralm gehört allergrößtenteils zum ca. 13 km entfernten Wegscheid im Süden, während der Nordrand der Alm mit dem Schutzhaus von Hintersee verwaltet wird. Den Namen stellt Ingo Reiffenstein (HELSON) zu lat. iānua ‚Öffnung, Zugang, Tür‘, wozu noch lat. iānus ‚Durchgang’ zu nennen ist. Wegen der Zugehörigkeit des Almgebietes zu beiden Gemeinden wäre die Bedeutung des Namens im Sinne von „Durchgang“ durchaus vorstellbar. Zu der von Reiffenstein offen gelassenen rom. Lautform des Namens ist allerdings aus dialektaler Sicht zu sagen, dass das offene ę vor Nasal entweder auf mhd. Primärumlauts e oder auf mhd. ë und das anlautende g vor Palatalvokal auf mhd. j zurückgeht (vgl. Germ zu mhd. jësen ‚gähren‘), so dass sich als Basis bair.-ahd./ mhd. * jen -/ jënergibt. Das aber spricht m. E. für den in Österreich und Bayern vokommenden Familiennamen Jenner / Genner vom mittellat. PN Jenarius von lat. Jānuārius und somit für keinen Namen romanischer, sondern erst (früh)neuzeitlicher deutscher Herkunft. L: HELSON 1 (2017), S. 35. (168) Gitschenwand, Berg, Gem. St. Koloman, PB Hallein. U: ca. 1808 Gitschen , ca. 1880 Gitschenwand D: 'gitšnwǫnd E: Die Gitschenwand im Tennengebirge östlich von St. Koloman mit 1527 m Seehöhe bildet den südlichen Steilabfall nach Seewald. Der Bergname basiert wie (138) Gitzen (siehe dort) auf rom. * Cucino mit dem lat. Diminutivsuffix ĭnus . Während in Gitzen das inlautende rom. c vor i noch mit älterem [ ts ] substituiert worden ist, wird es hier bereits mit jüngerem [ tš ] wiedergegeben, so dass mit der Integrierung erst nach der Mitte des 11. Jhs. ins Bair.-Mhd. als [ gütšen ] zu rechnen ist. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 183 11.09.2019 09: 46: 56 184 2. Die tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen L: Lindner (2008), S. 34; HELSON 2 (2017), S. 25. (169) Gugelán, Alm von Tauglboden, Gem. St. Koloman, PB Hallein. U: 788-90 (cop. 12. JhM) alpes … Cuudicus et Cuculane , Alpicula et Lacuana ; ca. 1808 Gugelan A [ lm ] D: gug'lǭ n ( ǭįm ) E: Die Gugelánalm liegt in 1236 m Seehöhe am Fuß des Gugelánbrettes nordöstlich von Taugelboden. Der Name basiert auf dem Adjektiv lat. *( alpis ) cucul(l)āna von keltolat. * cucullus wie (149) Kuchl (siehe dort). Wegen der Bewahrung des lat./ rom. Paenultimaakzentes von rom. * Cugulāne vom lokativischen Dativ Plural vulgärlat. is mit rom. Inlautschwächung von c > g erfolgte die Integrierung erst ab der Mitte des 11. Jhs. als bair.-spätahd./ frühmhd. * C / Gugelne entweder mit im Bergland noch fortbestehendem anlautendem < c >/ [ k ] des jüngsten Aktes der Zweiten Lautverschiebung oder bereits mit [ g ] als Substitutionslaut. L: Schwarz (1970), S. 899; Hörburger (1982), S. 42 f.; Reiffenstein (1991), S. 46 ff.; Lindner (2008), S. 37; HELSON 1 (2015), S. 37; 2 (2017), S. 30. (170) Hoher Götschen, Berg an der Staatsgrenze westlich von Kaltenhausen, Gem. Hallein, PB Hallein. U: 1449 perg genannt der Götschen , 1706 zu den Hohen Götschen oder Götschen Kopf , ca. 1880 Hohe Getsch D: 'getšn E: Der Name des Hohen Götschen mit 930 m an der Staatsgrenze westlich von Kaltenhausen nördlich von Hallein lässt sich zurückführen auf rom. * coccinu ‚rot‘ von lat. coccinu(e)us ‚rot‘ als Ableitung von der Farbbezeichnung lat. coccum ‚Scharlachrot‘. Die Integrierung ins Bair. erfolgte wegen der Wiedergabe der Lautfolge rom. < ci >/ [ tši ] mit gleichartigem [ tš ] erst im Frühmhd. ab der Mitte des 11. Jhs. (vgl. 168 Gitschenwand). Auch damals war noch der i -Umlaut von rom. o zu bair. ö möglich, das dann spätmhd. zu e entrundet wurde. L: Lindner (2008), S. 27; HELSON 2 (2017), S. 27. (171) Ramáigraben, linker Seitengraben zum Tauglbach bei Tauglboden, Gem. St. Koloman, PB Hallein. U: 1439 Raimeinpach , 1443 Rameinpach , 1486 Remeyspach , 1489 Ramespach ; Rameibach , Rameigraben D: rǫ'māįˌgrǭ(b)m E: Der von Südosten vom Trattberg auf das Tal des Tauglbaches stoßende Ramáigraben ist unbewohnt und als FlN zu werten. Er geht wohl als Adjektiv lat. rāmālis von lat. rāmus ‚Ast, Zweig’ auf rom. * Ramāle zurück, womit metaphorisch durchaus das Seitental im Verhältnis zum Haupttal bezeichnet werden kann. Wegen der Beibehaltung des lat./ rom. Paenultimaakzentes erfolgte die Integrierung ins Bair.- Frühmhd. erst ab der Mitte des 11. Jhs. In der Weiterentwicklung trat im 13./ 14. Jh. e -Apokope und im 14./ 15. Jh. Vokalisierung des auslautenden l zu * Ramái ein. Die urkundlichen Belege des 15. Jhs. erklären den auslautenden Diphthong als Adjektivendung ein aus mhd. īne . L: HELSON 2 (2017), S. 39. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 184 11.09.2019 09: 46: 56 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) 185 (172) Rosítten, Berggegend südwestlich von Grödig, PB Salzburg-Umgebung. U: ca. 1808 Rositten Kopf , Rositten Thal ; ca. 1880 W [ irts ] H [ aus ] Rositten D: ro'sitn E: Die Bezeichnung der Berggegend gegen den Untersberg südwestlich von Grödig als Rosítten , genauer Unter- und Oberrosítten , ist als FlN einzustufen. Zugrunde liegt rom. rossetto ‚rötlich’ von lat. russus ‚rot’ mit dem rom. Suffix etto aus lat. -ittus mit Bezug auf die rötliche Gesteinsfarbe des Untersberges. Wegen der Beibehaltung des lat./ rom. Paenultimaakzentes erfolgte die Integrierung ins Bairische erst nach der Mitte des 11. Jhs. L: Hörburger (1982), S. 59; Lindner (2002), S. 549; Lindner (2008), S. 31; HELSON 1 (2015), S. 106. (173) Zifánken, Berg, Gem. Henndorf, PB Salzburg-Umgebung. U: F 970-77 für 885 de rivolo Tinnilbach usque in summitatem montis Ciruancus nominati ; 984 (cop. 13. JhE), 1051, 1057, F 11. Jh. für 977 … montis Ciruencus nominati ; 1199 usque in summitatem montis Ciruencus , ca. 1808 Ziefangen B [ erg ], ca. 1880 Zifanken D: dsi'vǫŋkŋ E: Der am Westrand eines bewaldeten Bergzuges knapp 350 m aufragende Zifánken mit 897 m Seehöhe südwestlich von Henndorf im Flachgau führt einen Namen idg.-vspr. Herkunft. Thomas Lindner (ANB) leitet ihn ab von idg. * ḱer - ‚Horn, Gipfel‘ als u -Stamm * ḱeruenko / ḱerṷenko im Sinne von „spitz aufragender Berg“ und vergleicht ihn mit dem Namen der Karawanken in Kärnten. Ausgangsform der Integrierung ist rom. * Cirvanco mit Sibilierung des Anlautes zu [ ts ] oder [ tś , tš ]. Obwohl alle urkundlichen Belege des 10. ‒ 12. Jhs. latinisiert sind, darf man daraus und aus der Dialektlautung schließen, dass der Bergname bair.-ahd. * Zirvancho mit älterer Wiedergabe des rom. Anlautes als ahd. < z >/ [ ts ] und mit affriziertem < ch >/ [ kχ ] der Zweiten Lautverschiebung lautete, so dass er bis um die Mitte des 8. Jhs. integriert worden ist. Dem aber widerspricht die Beibehaltung des rom. Paenultimaakzentes, die erst nach der Mitte des 11. Jhs. begann. Da sich nicht weit westlich entfernt (M 68) Eugendorf (788-90 [cop. 12. JhM] Iubindorf ) als rom./ ahd. Mischname mit dem rom. PN Iubi(ā)no befindet, wird man in dieser Gegend für das 8. Jh. mit einer romanisch/ deutschen Mischbevölkerung zu rechnen haben, so dass der integrierte Name zunächst durchaus bair.-ahd. * Zírvancho mit Initialakzent gelautet haben wird. Das aber führte mit dem bei der romanischen Restbevölkerung geltenden Cirvánco mit Paenultimaakzent schließlich zur Kontamination bair.-ahd. * Zirváncho . Vgl. (164) Vigaun. L: ANB II (2014), S. 1173; HELSON 1 (2014), S. 145. (174) Zistelalm; Zistel, Alpengasthof von Gaisberg, Stadtteil von Salzburg. U: 1276 in der Cistel , 1414 zway zehenthäuser di gelegen sind auf der Vager ze nachst an den Cistlär , 1691 Köstlbrünnl herunter der Cistlerfelder , ca. 1808 Zistl… ? D: 'dsistlˌǭįm E: Östlich unterhalb des zur Stadt Salzburg gehörenden Gaisberges mit 1287 m Seehöhe liegt die Zistelalm mit dem 1855-57 errichteten Alpengasthof, der zum Hotel Zistel ausgebaut worden ist. Der Name geht zurück auf das Diminutiv lat. cistula von lat. cista ‚Korb, Kiste, Kasten’ als metaphorische Bezeichnung des leicht eingetieften Geländes. Ob es sich beim Namen schon um das lat. Lehnwort bair.-ahd. * zistula , zistila ‚Korb‘ oder noch um einen 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 185 11.09.2019 09: 46: 56 186 3. Romanisch-deutsche Mischnamen integrierten rom. ON * Cistella handelt, der dann unter Einwirkung des Lehnwortes umgestaltet wurde, lässt sich nicht entscheiden. 23 Im letzteren Fall erfolgte die Integrierung noch vor der Jahrtausendwende mit bair.-ahd. < z >/ [ ts ] für rom. c vor i als sibiliertes [ ts ] oder [ tś ] (siehe 138 Gitzen). L: Hörburger (1982), S. 35, Lindner (2008), S. 32; HELSON 1 (2015), S. 146. (175) Zisterberg, Alm von Gaißau, Gem. Krispl, PB Hallein. U: 1245 super alpem Cyssenperge , ca. 1808 Zistlberg A [ lm ], ca. 1880 Zistel D: 'dsistɒˌbɒg ( ǭįm ) E: Oberhalb des Talschlusses von Gaißau liegt die Zisterbergalm. Ihr Name, der heute nach der Schreibung gesprochen wird, entspricht jenem von (174) Zistelalm (siehe dort) und bezieht sich metaphorisch auf das korbähnliche Gelände. L: HELSON 2 (2017), S. 92. 3. Romanisch-deutsche Mischnamen (Karte 4) 3.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) Von Albrecht Greule (M 1) Aising, Stadtteil von Stadt Rosenheim, Oberbayern. U: 778/ 83 Agusing E: ing -Ableitung bair.-ahd. * Agusinga vom rom. PN Agusiu von lat. Agusius , über bair.-spätahd. * Agesing kontrahiert zu bair.-mhd. Aising . L: Puchner (1972), S. 62; Rettner (2004), S. 284. (M 2) Amering, Weiler, Gem. Mettenheim, Lkr. Mühldorf a. Inn, Oberbayern. U: 1251 Avramingen E: ing -Ableitung vom Biblionym Abraham / Abram . Sein rom. ƀ / v wird seit dem ausgehenden 8. Jh. als bair.-ahd. v integriert. L: Puchner (1972), S. 62; Rettner (2004), S. 284; Haubrichs (2006), S. 463; Haubrichs (2015), S. 418; Greule (2015), S. 360. (M 3) Barbing, Pfarrdorf und Gem., Lkr. Regensburg, Oberpfalz. U: 901 ad…Parpingvn E: ing -Ableitung vom rom. PN Barbu von lat. Barbus mit Zweiter Lautverschiebung von b > p der 2. Hälfte des 8. Jhs. und mit Sekundärumlaut durch die Lautgruppe rb. 23 In seiner Bearbeitung von Hörburger (1982), S. 35, Anm. 1 entscheidet sich Ingo Reiffenstein für das Lehnwort, im HELSON aber für davon unabhängige Integration. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 186 11.09.2019 09: 46: 56 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) 187 L: Rettner (2004), S. 284; Haubrichs (2006), S. 428; Prinz (2007), S. 156-158; Greule (2015), S. 355. (M 4) Benetsham, Dorf, Stadt Trostberg, Lkr. Traunstein, Oberbayern. U: 12. Jh. Benedicteshaim , Beneditisheim E: Gefügtes heim -Kompositum mit dem Genitiv des rom. PN Beneditu aus lat. Benedictus (Hagionym), sprechsprachlich verkürzt zu * Benetsheim . Es ist anzunehmen, dass die Namenbildung spätestens in der 2. Hälfte des 8. Jhs. erfolgte und Zweite Lautverschiebung von b > p erfuhr, denn eine anlautende Lenis b gab es im Bair.-Ahd. seither nicht. L: Puchner (1972), S. 63; Haubrichs (2006), S. 428, 462; Greule (2015), S. 355. (M 5) Bina, Fluss links zur Rott (zum Inn) in den Lkr. Landshut und Rottal-Inn, Niederbayern. U: 790 Boninaha E: Gefügtes Kompositum mit ahd. aha ‚Fließgewässer‘ und dem Genitiv des rom. PN Bonu aus lat. Bonus und trotz der Schreibung des urkundlichen Erstbelegs mit Zweiter Lautverschiebung von b > p , weil es im bair.-ahd. Lautinventar keine Lenis b gibt. Damit erfolgte die Integrierung spätestens in der 2. Hälfte des 8. Jhs. L: Greule (2015), S. 355. (M 6) ? Delling, Landgut, Gem. Seefeld, Lkr. Starnberg, Oberbayern. U: 12. Jh. Telingen E: ing -Ableitung vom rom. PN Tello, der entweder aus Donatéllo gekürzt ist, oder abgeleitet vom bair.-ahd. PN Talo (< germ.* dala- ‚Tal‘) mit Primärumlaut von a > e der 2. Hälfte des 8. Jhs. Im Fall rom. Herkunft integriert mit Gleichsetzung von rom. t mit bair.-ahd. t nach der Zweiten Lautverschiebung von bair.-frühahd. d > t ab der Mitte des 8. Jhs. L: Puchner (1972), S. 66; Haubrichs (2006), S. 428, 461; Greule (2015), S. 356. (M 7) ? Dellnhausen, Ortsteil des Marktes Au i. d. Hallertau, Lkr. Freising, Oberbayern. U: 826 Tellinhusir E: Gefügtes Kompositum bair.-ahd. * Tellin-hūsa ‚Häuser des Tello‘, entweder mit dem Genitiv des rom. PN Tello , gekürzt aus Donatéllo , oder abgeleitet vom bair.-ahd. PN Talo (< germ.* dala- ‚Tal‘) mit Primärumlaut von a > e der 2. Hälfte des 8. Jhs. Im Fall rom. Herkunft integriert mit Gleichsetzung von rom. t mit bair.-ahd. t nach der Zweiten Lautverschiebung von bair.-frühahd. d > t ab der Mitte des 8. Jhs. L: Puchner (1972), S. 66; Haubrichs (2006), S. 428; Greule (2015), S. 356. (M 8) Deuting, Einöde, Gem. Steinkirchen, Lkr. Erding, Oberbayern. U: 1177 Thebiting E: ing -Ableitung vom wohl schon integrierten PN Tevit aus David (Biblionym) mit Zweiter Lautverschiebung von d > t der 1. Hälfte des 8. Jhs. und dann Primärumlaut von a > e der 2. Hälfte des 8. Jhs. In mhd. Zeit wurde ebi zu eu / iu kontrahiert. L: Haubrichs (2006), S. 425, 463; Haubrichs (2015), S. 418; Greule (2015), S. 361. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 187 11.09.2019 09: 46: 56 188 3. Romanisch-deutsche Mischnamen (M 9) Eisenstorf, Weiler, Gem. Ötzing, Lkr. Deggendorf, Niederbayern. U: 1207, 1254 in , de Ysacsdorf ; ca. 1270 De Eysachstorf , 1270-72 Aeisachstorf , 1394 von Eysenstorff , 1400 von Eysenstorf E: Ursprünglich gefügtes Kompositum mit dem Genitiv des PN *Īsa(a)k (Biblionym), später angeglichen an den PN ahd. * Īsan > * Īsensdorf > Eisenstorf . L: Puchner (1972), S. 63; Rettner (2004), S. 284; Haubrichs (2006), S. 464; Haubrichs (2015), S. 419; Greule (2015), S. 361. Belege nach frdl. Mitteilung von Wolfgang Janka, 20. 11. 2018. (M 10) Eugenbach, Pfarrdorf, Markt Altdorf, Lkr. Landshut, Niederbayern. U: 822 Yupinbach E: Gefügtes Kompositum bair.-ahd. Iupin-bach mit dem bair.-ahd. Genitiv in des rom. PN Iubu , das Umlaut von iu zu [ ǖ ] bewirkte. Der rom. PN Iubu geht als Kurzform auf lat. Iovīnus zurück. Wolfgang Haubrichs möchte ihn auf mehrfach belegtes Iubeānus , iānus und verkürzt rom. Iuvan zurückführen. Iubu wurde mit dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung der 2. Hälfte des 8. Jhs. von b > p als Iupo ins Bair.-Ahd. integriert, vgl. (68) Eugendorf in Salzburg. Er unterlag dann im 12. Jh. der „neuhochdeutschen“ Diphthongierung zu * Eubenbach . Der PN wurde später zu Eugenbach umgedeutet. L: Puchner (1972), S. 64; Rettner (2004), S. 284; Haubrichs (2006), S. 453; Greule (2015), S. 356. (M 11) Figlsdorf, Kirchdorf, Markt Nandlstadt, Lkr. Freising, Oberbayern. U: 850 Fitalesdorf , 857/ 64 Fidalesdorf E: Gefügtes Kompositum bair.-ahd. * Vitales-dorf mit Genitiv des rom. PN *Vidal aus lat. Vitalis (Hagionym). Wahrscheinlich erfolgte die Integrierung bereits in der 1. Hälfte des 8. Jhs. mit Zweiter Lautverschiebung von rom. d > bair.-ahd. t , so dass dann der zunächst stimmlose Anlaut von *Fitalisdorf am Ende des 8. Jhs. zu bair.-ahd. Vitalisdorf stimmhaft wurde. Stimmhaftes bair.-ahd. v kann alternativ auch < f > geschrieben werden. Außerdem ist die Senkung von i zu e vor a der Folgesilbe unterblieben, die bis längstens ins auslaufende 7. Jh. aktiv war. L: Puchner (1972), S. 66; Rettner 2004, 284; Haubrichs (2006), S. 422, 460; Greule (2015), S. 356. (M 12) ? Gufflham, Dorf, Burgkirchen a. d. Alz, Lkr. Altötting, Oberbayern. U: 8. Jh. Gufflham [? ] E: Gefügtes Kompositum ahd. * Cuffolenheim mit dem Genitiv des rom. PN * Cuffolu aus lat. Cuffulus . Das jetzt auftretende anlautende < g> ‒ die Schreibung Gufflham ist wohl jüngere Rückprojektion der nhd. Namensform ‒ geht zurück auf Gleichsetzung von rom. < c >/ [ k ] mit dem gleichen bair.-ahd. Laut, der im jüngsten Akt der Zweiten Lautverschiebung aus bair.-frühahd. g entstanden ist, so dass die Integrierung spätestens im letzten Viertel des 8. Jhs. erfolgte. L: Puchner (1972), S. 63; Rettner (2004), S. 284; Haubrichs (2006), S. 453; Greule (2015), S. 356; Kaufmann (1968), S. 87. (M 13) Irschenbach, Gem. Haibach, Lkr. Straubing-Bogen, Niederbayern; U: 1021-39 Ursinpach 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 188 11.09.2019 09: 46: 56 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) 189 (M 14) Irschenberg, Dorf und Gem., Lkr. Miesbach, Oberbayern; (M 15) Irschenham, Einöde, Stadt Trostberg, Lkr. Traunstein, Oberbayern; (M 16) Irschenhausen, Kirchdorf, Gem. Icking, Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen, Oberbayern; (M 17) Irsching, Dorf, Stadt Vohburg, Lkr. Pfaffenhofen, Oberbayern; (M 18) Irsing, Weiler, Gem. Traunreut, Lkr. Traunstein, Oberbayern. E: Irsching und Irsing sind Ableitungen mit dem Suffix -ing vom rom. PN Urso aus lat. Ursus (auch Hagionym hl. Ursus † ca. 303), das Umlaut von [ u ] > [ ü ] auslöste. Alle weiteren ON sind gefügte Komposita mit dem Genitiv des PN als bair.-ahd. Ursin , dessen Flexiv Umlaut von [ u ] > [ ü ] bewirkte. Im Nhd. erfolgte Umlautentrundung zu < i / >[ i ]. L: Puchner (1972), S. 66; Rettner (2004), S. 284; Haubrichs (2006), S. 456; Greule (2015), S. 357 f. (M 19) Jacking, Ober-, Einöde, Unter-, Dorf, Gem. Tiefenbach, Lkr. Passau, Niederbayern. U: ca.1150 Jachingin, Jakkingen E: -ing -Ableitung vom rom. PN * Jacu / Jaccu als Kurzform von lat. Jacobus (Hagionym). Die bair.-ahd. Bildung könnte zweifach erfolgt sein. Eine ältere Bildung könnte noch im 3. Viertel des 8. Jhs. mit Zweiter Lautverschiebung von rom < c >/ [ k ] zu bair.-ahd. < ch >/ [ kχ ] eingetreten sein, während eine jüngere Entstehung erst danach mit Gleichsetzung von rom. < c >/ [ k ] seit dem ausgehenden 8. Jh. mit lautverschobenem bair.-ahd. [ k ] aus [ g ] möglich erscheint. Die urkundlichen Überlieferungen aus der Mitte des 12. Jhs. erlauben beide Interpretationen. L: Puchner (1972), S. 64; Rettner (2004), S. 284; Haubrichs (2006), S. 463; Greule (2015), S. 361. (M 20) Jägersdorf, Kirchdorf, Gem. Wolfersdorf, Lkr. Freising, Oberbayern. U: 957 Johanesdorf E: Gefügtes Kompositum mit dem PN Johan aus lat. Johannes (Hagionym), kontrahiert zu mhd. * Jansdorf und volksetymologisch umgedeutet zu Jägersdorf . L: Puchner (1972), S. 64; Rettner (2004), S. 284; Haubrichs (2006), S. 464; Haubrichs (2015), S. 419; Greule (2015), S. 361. (M 21) Jahrstorf, Einöde, Gem. Eichendorf, Lkr. Dingolfing-Landau, Niederbayern. U: 1138/ 47 Jahenstorf E: Gefügtes Kompositum bair.-ahd. * Johánesdorf mit dem PN Johan aus lat. Johannes (Hagionym), kontrahiert zu mhd. * Jansdorf . Da die Nasalierung wohl nicht deutlich war und r nach a im Nhd. nicht artikuliert wird, kommt es zur hyperkorrekten Schreibung Jahrstorf . L: Puchner (1972), S. 64; Rettner (2004), S. 284; Haubrichs (2006), S. 464; Haubrichs (2015), S. 419; Greule (2015), S. 361. (M 22) Jaibing, Weiler, Stadt Dorfen, Lkr. Erding, Oberbayern. U: 981/ 94 Jagobinga 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 189 11.09.2019 09: 46: 56 190 3. Romanisch-deutsche Mischnamen E: ing -Ableitung vom rom. PN Jagobu aus lat. Jacobus (Hagionym). Ob die Integrierung ins Bair.-Ahd. noch am Ende des 9. Jhs. mit dem jüngsten Akt der Zweiten Lautverschiebung von g zu < c >/ [ k ] oder erst im Lauf des 9. Jhs. mit wieder rückgebildetem bair.-ahd. g erfolgte, lässt sich anhand des urkundlichen Erstbelegs aus dem Ende des 10. Jhs. nicht mehr entscheiden. L: Rettner (2004), S. 284 („fraglich“); Haubrichs (2006), S. 425, 463; Haubrichs (2015), S. 419; Greule (2015), S. 361. (M 23) Jaibling, Weiler, Stadt Freising, Oberbayern. E: Ahd. * Jagobilinga , mit zusammengesetztem Suffix il-inga abgeleitet von rom. PN Jagobu aus lat. Jacobus (Hagionym). Zur Frage der Integrierung vgl. (22) Jaibing. L: Rettner (2004), S. 284; Haubrichs (2006), S. 425, 463; Haubrichs (2015), S. 419; Greule (2015), S. 361. (M 24) Jasberg, Weiler, Gem. Dietramszell, Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen, Oberbayern. U: 1092/ 1113 Jaubesperg E: Gefügtes Kompositum mit dem Genitiv des rom. PN * Jagobu aus lat. Jacobus (Hagionym), der bereits im Rom. zu * Jaubu kontrahiert worden war, und mit bair.-ahd. perg . Es ist anzunehmen, dass ursprünglich Zweite Lautverschiebung von b > p vorlag und die Integrierung spätestens in der 2. Hälfte des 8. Jhs. erfolgte, denn die Lenierung von in- und auslautendem p > b trat erst am Ende der spätahd. Zeit im 11. Jh. ein. Im Nhd. wurde der Diphthong von mhd. * Jousperg zu dialektalem ā monophthongiert. L: Puchner (1972), S. 64; Rettner (2004), S. 284; Haubrichs (2006), S. 425, 463; Haubrichs (2015), S. 419; Greule (2015), S. 361. (M 25) † Jaubing, wüst, bei Altötting, Oberbayern. U: 12. Jh. Joubingen, Jobingen E: ing -Ableitung vom rom. PN Jagobu aus lat. Jacobus (Hagionym), der bereits im Rom. zu * Jaub kontrahiert worden war, und dessen Diphthong im Nhd. schriftlich erhalten blieb. Zur Frage der Integrierung vgl. (24) Jasberg. L: Puchner (1972), S. 64; Rettner (2004) S. 284; Haubrichs (2006), S. 425, 463; Haubrichs (2015), S. 419. (M 26) Jechling, Dorf, Gem. Anger, Lkr. Berchtesgadener Land, Oberbayern. U: ca.1140 Joningin E: ing- Ableitung vom PN Johan von lat. Johannes (Hagionym) als Dativ Plural bair.-ahd. * Johaningon , kontrahiert > * Joningon und umgelautet zu mhd. Jöningen . Wegen seiner mehrfachen Nasale wurde es bei Umlautentrundung zu Jechling dissimiliert. L: Puchner (1972), S. 64; Rettner (2004), S. 284. (M 27) Jolling, Dorf, Markt Bad Endorf, Lkr. Rosenheim, Oberbayern. U: 12. Jh. Jollingen E: ing -Ableitung vom rom. PN * Jollu , gekürzt aus lat. Maiólus , dessen verdoppeltes ll im Bair.-Ahd. Umlaut verhinderte. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 190 11.09.2019 09: 46: 56 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) 191 L: Puchner (1972), S. 64; Rettner (2004), S. 284; Haubrichs (2006), S. 459; Greule (2015), S. 357. (M 28) Königsdorf, Pfarrdorf und Gem., Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen, Oberbayern. U: 776-788 (cop. 12. Jh.) Chumiztorf , ca. 1179 Chunitztorf , 1199 Chunsdorf , 1427 Chunigsdorf , 1518 Chonigstarff , 1557 Koenigsdorf E: Bair.-ahd. * Chumit(e)sdorf , gefügtes Kompositum mit dem Genitiv des rom. PN * Comitu- aus lat. Comitius . Die Integrierung erfolgte spätestens im 3. Viertel des 8. Jhs. mit Zweiter Lautverschiebung von anlautendem rom. < c >/ [ k ] zu bair.-ahd. < ch >/ [ kχ ]. Über mhd. * Chüntzdorf volksetymologisch umgedeutet zu frühnhd. Kunigsdorf , nhd. Königsdorf . L: Rettner (2004), S. 284; Reitzenstein (2006), S. 139. (M 29) Kösching, Markt, Lkr. Eichstätt, Oberbayern. U: 996-1000 Cheskinga , 1021 Cheskinge n, 1187-1189 Cheschingen , 1231-1234 Keschingen , 1326 Chesching , 1557 Koesching E: ing -Ableitung bair.-frühahd. * Kaskinga von rom. PN Cascu aus lat. Cascus . Die Integrierung erfolgte spätestens im 3. Viertel des 8. Jhs. mit Zweiter Lautverschiebung von anlautendem rom. < c >/ [ k ] zu bair.-ahd. < ch >/ [ kχ ] und sich anschließendem Primärumlaut von a > e , der später hyperkorrekt < ö > geschrieben wurde. L: Rettner (2004), S. 284; Reitzenstein (2006), S. 140 f.; Greule (2015), S. 357. (M 30) Marzling, Pfarrdorf und Gem., Lkr. Freising, Oberbayern. U: 804-807 (cop. 824) Marzilinga , 1143-1152 Marcellingen , 1315 Märtzling , 1811 Marzling E: ing -Ableitung vom rom. PN * Marcellu aus lat. Marcellus (Hagionym). Der Ortsname wurde wegen der Lautfolge rz nur mit Sekundärumlaut (mhd. * Märzelingen ) ins Bair.-Ahd. integriert. L: Puchner (1972), S. 64; Rettner (2004), S. 285; Reitzenstein (2006), S. 163; Haubrichs, (2006), S. 453; Greule (2015), S. 357. (M 31) Massing, Ober-, Unter-, Einöde, Gem. Thalmassing, Lkr. Regensburg, Oberpfalz. U: 10. Jh. Marsinga , vor 1089 Marsing , 1187 de Marsingen , 1312 Maersing , 1315 de Mrssing , Mærsing , ca. 1385/ 87 Maessing , 1444 von Obern Massing , ca. 1600 Mässing , 1785 Massing E: -ing -Ableitung vom rom. PN * Marsu aus lat. Mars(i)us. Das i des Suffixes bewirkte wegen der Lautfolge rs nur Sekundärumlaut (spätmhd. 1312 Maersing ), die dann zu ss assimiliert wurde (1385/ 87 Maessing ). L: Puchner (1972), S. 64; Rettner (2004), S. 285; Haubrichs (2006) S. 454; Prinz (2007), S. 269 f.; Greule (2015), S. 357. (M 32) Maxlrain, Kirchdorf und Gem. Tuntenhausen, Lkr. Rosenheim, Oberbayern. U: 813 Mahsminreini E: Gefügtes Kompositum mit dem Genitiv des rom. PN * Max(i)mu von lat. Maximus (Hagionym) als bair.-ahd. * Mahsmo , dessen Lautfolge < hs >/ [ χs ] nur Sekundärumlaut zuließ. L: Puchner (1972), S. 64 f.; Rettner (2004), S. 285; Haubrichs (2006), S. 454; Greule (2015), S. 357. , 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 191 11.09.2019 09: 46: 56 192 3. Romanisch-deutsche Mischnamen (M 33) Mehring, Gross-, Pfarrdorf, Lkr. Eichstätt, Oberbayern; U: 1133-1135 Moringin (M 34) Mehring, Pfarrdorf, Lkr. Altötting, Oberbayern; U: ca.790 (cop.12. Jh.) Moringen (M 35) Mehring, Recht-, Pfarrdorf, Gipf-, Weiler, Frei-, Kirchdorf, Lkr. Mühldorf a. Inn, Oberbayern; U: 803 (cop. 9. Jh.) Moringa (M 36) Mehring, Kirchdorf, Gem. Teisendorf, Lkr. Berchtesgadener Land, Oberbayern. E: ing -Ableitungen vom PN ahd. * Mōr aus rom. Maurus (Hagionym), bair.-ahd. * Mōringa über mhd. * Mœringe(n) , entrundet zu * Mēring , Mehring . L: Puchner (1972), S. 64; Rettner (2004), S. 285; Reitzenstein (2006), S. 103f., 165, 223. (M 37) † Minginhusin, wüst, jetzt Berghausen, Gem. Aiglsbach, Lkr. Kelheim, Niederbayern. U: 1092-1095 de Minginhusin E: Kompositum bair.-ahd. * Mingenhūsen mit dem Genitiv des rom. PN Mingu , gekürzt aus lat. Domínicus . Ob die Integrierung ins Bair.-Ahd. noch in der 2. Hälfte des 8. Jhs. mit Zweiter Lautverschiebung von g > k erfolgte oder erst mit Gleichsetzung von g erst im Lauf des 9. Jhs., lässt sich mangels urkundlicher Belege nicht mehr entscheiden. L: Puchner (1972), S. 63; Haubrichs (2006), S. 461; Greule (2015), S. 358. (M 38) Mirskofen, Pfarrdorf, Markt Essenbach, Lkr. Landshut, Niederbayern. U: 1133/ 46 Mersinchouen . E: Ableitung mit kombiniertem Suffix inghofen vom rom. PN Marsu aus lat. Mars(i)us , über primärumgelautetes * Mersinkofen mit dialektaler Hebung von e zu i vor rs zu Mirskofen , so dass die Integrierung spätestens um die Mitte des 8. Jhs. erfolgte. L: Rettner (2004), S. 285; Greule (2015), S. 358. (M 39) Parnham, Dorf, Gem. Tettenweis, Lkr. Passau, Niederbayern. U: 1112-1121 (cop.12. Jh.) Porrenheim E: Gefügtes Kompositum mit dem Genitiv des rom. PN * Borro aus lat. * Burrus mit Zweiter Lautverschiebung von b > p der 2. Hälfte des 8. Jhs. Das doppelte rr verhinderte den Umlaut durch das Genitivflexiv -in . L: Greule (2015), S. 358. (M 40) ? Parzham, Kirchdorf, Stadt Griesbach i. Rotttal, Lkr. Passau, Niederbayern. U: 1144 predium … in loco qui dicitur Porcihem , 1147-50 Sigboto de Portsheim , ca. 1150 dimidium ad Porcisheim , 1140-60 Mathildis de Portesheim , 13. JhI Portshem , 1277 datz Portzhaim E: Nach dem urkundlichen Erstbeleg gereihtes Kompositum mit bair. Porz ‚bewachsene Bodenerhebung, kleiner Baum, verkrüppeltes Holz‘ aus bair.-ahd./ mhd. * porz(e) (vgl. Schmeller I, Sp. 285; BWB 2, Sp. 1703 f.; WBÖ 3, Sp. 645 f.), wobei das inlautende i abgeschwächter Bindevokal ist. Weniger wahrscheinlich ist ein gefügtes heim -Kompositum mit dem be- 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 192 11.09.2019 09: 46: 56 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) 193 legten rom. PN Porci aus lat. * Portius , wie Wolfgang Haubrichs annimmt. Die Schreibungen 1150 Porcisheim , 1140-60 Portesheim sowie 1147 Portsheim und 13. JhI Portshem sind hyperkorrekte Auflösungen von Portzhaim als vermeintlichem PN * Port mit und ohne Vokal des Genitivs -( e ) s. Siehe (M 65-67) Parzham, Oberösterreich. L: Haubrichs (2006), S. 454; Egginger (2011), S. 308; Greule (2015), S. 358. (M 41) Perbing, Kirchdorf, Gem. Eichendorf, Lkr. Dingolfing-Landau, Niederbayern. U: 900 loco cui nomen est Perhpuopinga (Tr. Regensburg, Nr. 178) und 1011 in villa vulgo dicta Berhcbuobingon (MGH DD Heinrich II., Nr. 232); 1180-1190 Alberti de Berbubingen (Tr. Raitenhaslach, Nr. 35), 1220-40 Perbing E: Echte ing -Ableitung vom ahd. PN * Berhtbuobo . Da im 13. Jh. das Mittelglied zu Perbing synkopiert wurde, kam es wegen der Heranziehung bloß des urkundlichen Beleges von 1220-40 von Ernst Schwarz und Arno Rettner zur falschen Annahme eines zugrundeliegenden antik-rom. * Barbicum . L: Schwarz, (1970), S. 896 (antik! ); Rettner (2004), S. 285 (rom.! ). Belege nach frdl. Mitteilung von Wolfgang Janka, 26. 6. 2018. (M 42) ? Piering, Dorf, Gem. Salching, Lkr. Straubing-Bogen, Niederbayern. U: 889/ 91 (cop. 10.Jh.) Purringa E: Michael Prinz diskutiert vier Deutungsmöglichkeiten, darunter eine von Wolfgang Haubrichs vorgeschlagene als ing -Ableitung von dem röm. Cognomen Burr(i)us und dann mit Zweiter Lautverschiebung von b > p der 2. Hälfte des 8. Jhs. L: Haubrichs (2006), S. 412; Prinz (2007), S. 302 f.; Rettner (2014), S. 307; Greule (2015), S. 359. (M 43) ? Pocking, Gem., Lkr. Passau, Niederbayern. U: 820 (cop. 9.Jh.) ad Pochingas . E: ing -Ableitung entweder vom rom. PN * Bocco von lat. Boccus/ Buccus mit Zweiter Lautverschiebung von b > p der 2. Hälfte des 8. Jhs. oder vom bair.-ahd. PN * Pokko zu bair.-ahd. pok ‚Geißbock‘. L: Greule (2015), S. 358 f. (M 44) Prüfening, Groß-, Stadt Regensburg, Oberpfalz; Klein-, Dorf, Gem. Sinzing, Oberpfalz. U: 1000 in villa Bruueningun , 1109/ 40 de Bruuiningin , um 1120/ 40 Pruuiningen , 1121 Pruueningen , 1253 Prfninge , 13. Jh. monasterium in Prufninge , 1325 hintz Prfling , 1642 Prifening , 1723/ 24 Prifling (umfangreiche Belegliste bei Prinz) E: -ing- Ableitung bair.-ahd. * Pruvininga vom rom. PN * Provinu von lat. Probinus . Während die Lautverschiebung von p > pf unterblieb und Gleichsetzung von rom. p und bair.-ahd. p erfolgte, so dass die Integrierung in der 2. Hälfte des 8. Jhs. erfolgte, trat noch Hebung von o zu u vor -i der Folgesilbe ein, das dann zu -ü umgelautet und schließlich dialektal zu -i entrundet wurde. Zeitlich stimmt zu dieser Integrierung auch der Ersatz von stimmhaftem rom. v durch stimmloses frühahd. f , das erst am Ende des 8. Jhs. zu bair.-ahd. v stimmhaft wurde. Durch Synkope und Apokope entstand mhd. Prüfning und später mit teilweiser vorübergehender Dissimilation der beiden n Prüfling , das sich aber nicht durchsetzen konnte. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 193 11.09.2019 09: 46: 56 194 3. Romanisch-deutsche Mischnamen L: Haubrichs (2006), S. 459; Prinz (2007), S. 313 ff.; Greule (2015), S. 359. (M 45) Rumeltshausen, Kirchdorf, Gem. Schwabhausen, Lkr. Dachau, Oberbayern. U: 857-864 in villa quę dicitur Rumaneshusir , 907-926 in loco qui dicitur Rumaneshusun , 926- 937 ad Rumaneshusun , 957-972 in loco Rumaneshusa dicto , 957-972 ad … Rumenhusun (Tr. Freising, Nr. 791, 1044, 1067, 1167, 1169), 1110-1119 (cop. 1209-1210) in Růmelshusen (Tr. Scheyern, Nr. 12), kurz vor 1171/ 82 (cop. 1209-1210) Albert de Rumǒlshusen , 1209-1210 in Růmelshusen … in Rumshusen (Urb. Scheyern, Nr. 8) E: hausen -Kompositum mit dem Genitiv des rom. PN * Rumánu aus lat. Romanus (Hagionym). Der rom. Name wird später durch den ahd. PN * Ruomol ersetzt, mhd. * Ruomeleshūsen . L: Gruber (1908), S. 336; Rettner (2004), 285. Urkundl. Belege nach frdl. Mitteilung von Wolfgang Janka, 26. 6. 2018. (M 46) ? Safferstetten, Kirchdorf, Gem. Bad Füssing, Lkr. Passau, Niederbayern. U: ca.790 (cop.12. Jh.) zu ca. 728-736 villa…Sauerstedi E: Gefügtes Kompositum mit ahd. stat (Dativ steti ) und dem Genitiv des bair.-ahd. PN * Saver (? ) vom rom. PN * Savaru (? ) aus lat. * Savarius als bair.-ahd. * Saveresstat , steti . Die Integrierung des rom. PN wird im Lauf des 7./ 8. Jhs. erfolgt sein, als die stimmhafte Lenis rom. v mit stimmlosem bair.-frühahd. f wiedergegeben wurde und die Stimmhaftigkeit erst am Ende des 8. Jhs. einzutreten begann. L: Greule (2015), S. 359. (M 47) Sanding, Ober-, Unter-, Kirchdörfer, Gde. Thalmassing, Lkr. Regensburg, Oberpfalz. U: 883/ 87 Samotinga E: ing -Ableitung vom bair.-ahd. PN * Samut aus dem gallo-rom. PN * Samudos , der in der 1. Hälfte des 8. Jhs. Zweite Lautverschiebung von d > t erfuhr. L: Haubrichs (2006), S. 455; Prinz (2007), S. 355 f.; Rettner (2014), S. 307; Greule (2015), S. 359. (M 48) Sandsbach, Pfarrdorf, Gem. Herrngiersdorf, Lkr. Kelheim, Niederbayern. U: 878 Samutesbach E: Gefügtes bach -Kompositum mit dem bair.-ahd. PN * Samut vom gallo-rom. PN * Samudos . Siehe (47) Sanding. L: Haubrichs (2006), S. 455; Prinz (2007), S. 355 f.; Rettner (2014), S. 307; Greule (2015), S. 359. (M 49) Seppenhausen, Einöde, Gem. Pfatter, Lkr. Regensburg, Oberpfalz. U: 748-903 Seppenhausen E: Gefügtes Kompositum mit dem Genitiv des bair.-ahd. PN Seppo von rom . ( Jo)séppu , Kurzform des Hagionyms lat. Josephus . Die Bildung des ON erfolgte wohl erst ab der 2. Hälfte des 8. Jhs., als es durch den jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung von b > p auch die bair.-ahd. Geminata pp gab, mit der Gleichsetzung erfolgte. L: Puchner (1972), S. 65; Rettner (2004), S. 285. (M 50) Steffing, Einöde, Gem. Tiefenbach, Lkr. Landshut, Niederbayern. U: ca. 1132/ 55 Stefningen . 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 194 11.09.2019 09: 46: 56 2.3. Salzburg (Stadt, Flachgau, Tennengau) 195 E: ing -Ableitung vom biblisch-lat. PN Stephanus (Hagionym), mhd. * Steveningen , dann mit Synkope der Mittelsilbe. Da lat. < ph >/ [ f ] mit bair.-frühahd. f gleichgesetzt wurde, erfolgte die Integrierung im Lauf des 8. Jhs. Erst an dessen Ende trat Stimmhaftwerdung zu bair.ahd. v ein. L: Greule (2015), S. 361. (M 51) Stefling, Unter-, Ober-, Weiler, Gem. Waging a. See, Lkr. Traunstein, Oberbayern; U: ca.1000 Stephaninga (M 52) Stefling, Dorf, Stadt Nittenau, Lkr. Schwandorf, Oberpfalz. U: 996 Steueninga E: ing -Ableitung vom biblisch-lat. PN Stephanus (Hagionym), mhd. * Stevening , mit Synkope * Stefning und Dissimilation des n zu Stefling . Zur Integrierung vgl. (M 50) Steffing. L: Puchner (1972), S. 65; Rettner (2004), S. 285; Haubrichs (2006), S. 462; Greule (2015), S. 361. (M 53) Thalmassing, Pfarrdorf, Lkr. Regensburg, Oberpfalz. U: 791-808 (cop. 824-48) in loco qui dicitur Thalamassinga , 1100-06 Tiemo de Talmazingen , 1170-77 Ekkebertus de Talmezzingen , 1186-90 Eccebertus de Talmaezingen , 1312 Talmazzing E: ing -Ableitung vom bair.-ahd. PN * Talamazzo (? ) aus rom. * Dalmatu vom lat. PN Dalmatius (Hagionym) mit dem älteren Akt der Zweiten Lauverschiebung von inlautendem t zu zz - und dem jüngeren von anlautendem d zu t -, so dass die Integrierung des PN bis spätestens 650 erfolgt ist. Aber auch die Bildung des ON mag wegen des lautverschobenen zz bereits vor 650 erfolgt sein, denn der Sekundärumlaut und nicht Primärumlaut des ON als bair.-ahd. mazzing / bair. mhd. mäzzing , den die Dialektaussprache dǭl'maßiŋ bestätigt, findet sich erst in der unbetonten dritten Silbe und ist frühestens Ende des 8. Jhs. eingetreten. L: Prinz (2007), S. 402-408; Rettner (2014), S. 307; Greule (2015), S. 359. (M 54) Tölzkirchen, Weiler, Markt Nandlstad, Lkr. Freising, Oberbayern. U: 837 Tenileschirihun E: Gefügtes Kompositum mit dem GW bair.-ahd. chirihhha ‚Kirche‘ und als BW dem Genitiv des wohl schon integrierten bair.-ahd. PN Tenil aus dem lat. Biblionym Daniel mit Zweiter Lautverschiebung von d > t der 1. Hälfte des 8. Jhs. und Primärumlaut von a > e der 2. Hälfte des 8. Jhs., mhd. * Tenelskirchen mit Synkope zu * Tenlskirchen und dann Vereinfachung der Dreierkonsonanz zu * Telskirchen bei Rundung des e vor l zu Tölzkirchen . L: Puchner (1972), 63; Rettner (2004), S. 285; Haubrichs (2006), S. 425, 463; Haubrichs (2015), S. 418; Greule (2015), S. 361. (M 55) Tötzham, Kirchdorf, Gem. Babensham, Lkr. Rosenheim, Oberbayern. U: 924 Tevitesheimon E: Gefügtes heim -Kompositum mit dem Genitiv des wohl schon integrierten bair.-ahd. PN Tevit aus dem lat. Biblionym David ; mhd. * Tevetsheim , gekürzt zu * Tetzham , schriftlich hyperkorrekt gerundet zu Tötzham . L: Haubrichs (2006), S. 463; Puchner (1972), S. 53; Rettner (2004), S. 285; Haubrichs (2015), S. 418; Greule (2015), S. 361. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 195 11.09.2019 09: 46: 57 196 3. Romanisch-deutsche Mischnamen (M 56) Traubling, Ober-, Nieder-, Kirchdorf; Neutraubling, Stadt, Lkr. Regensburg, Oberpfalz. U: 826/ 40 Traubidinga , 10./ 11. Jh. Trŏbidinga , ca. 1140/ 50 de Trubelingen , 1175 Trŏbelingen , 1213 Trubling(en ), 1244 Trawblinge , 1297-1316 Travbling E: -ing -Ableitung vom rom./ kelt. PN * Droubid aus kelt. Drougobitmit bereits kelt. Schwund von -gmit den jüngeren Akten der Zweiten Lautverschiebung von d > t und b > p als bair.ahd. * Troupitinga , so dass die Integrierung spätestens in der 1. Hälfte des 8. Jhs. erfolgte. Dann dissimiliert zu mhd. * Traubelingen und nhd . synkopiert und apokopiert zu Traubling . L: Puchner (1972), S. 66; Rettner (2004), S. 285; Haubrichs (2006), S. 420; Prinz (2007), S. 409 ff.; Greule (2015), S. 360. (M 57) Tüntenhausen, Kirchdorf, Stadt Freising, Oberbayern. U: 994-1005 Tintinhusa E: Gefügtes hausen -Kompositum mit dem Genitiv des rom. PN * Tintu aus lat. *Tinctus , mhd . *Tintenhūsen , dann schriftlich gerundet zu nhd. Tüntenhausen . Wegen der Gleichsetzung von rom. t mit bair.-ahd. t erfolgte die Integrierung frühestens im Lauf der 1. Hälfte des 8. Jhs. L: Puchner (1972), S. 66; Rettner (2004), S. 285; Haubrichs (2006), S. 461; Greule (2015), S. 360. (M 58) Ursbach, Weiler, Markt Rohr, Lkr. Kehlheim, Niederbayern. U: 1247-1248 in Vrspach E: Gefügtes Kompositum mit dem Genitiv des bair.-ahd. PN * Urs vom lat. PN (Hagionym) Ursus als bair.-ahd. * Ursespah mit mhd. Synkope. L: Haubrichs (2006), S. 456; Greule (2015), S. 360. (M 59) Zellhausen, Weiler, Stadt Freising, Oberbayern. U: 948/ 57 Zellinhusa E: Gefügtes hausen- Kompositum mit dem Genitiv des bair.-ahd. PN Zello vom rom. PN * Cellu aus lat. Marcéllus (Hagionym), vgl. ON (M 30) Marzling, mit Synkope der Mittelsilbe mhd. * Zellnhūsen zu nhd. Zellhausen . L: Puchner (1972), S. 64; Rettner (2004), S. 285; Haubrichs (2006), S. 454; Rettner (2014), S. 307; Greule (2015), S. 360. Anm.: Auszuscheidende angebliche romanisch-deutsche Mischnamen in Altbayern siehe Kapitel C. 3.2. Oberösterreich Von Peter Wiesinger (M 60) Abersee oder Wolfgangsee, im Südwesten des Salzkammergutes gelegener, teils zu Oberösterreich und teils zu Salzburg gehörender See. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 196 11.09.2019 09: 46: 57 3.2. Oberösterreich 197 U: 788 (cop. 12. JhM) Abriani lacum , 798-814 (cop. 12. JhE) in Parnsê , 798-814 (cop. 12. JhE) locus … Aparnse , 829 (cop. 12. JhE nach cop. 890) lacum … Aparinesseo , 1141 ad Aberse , 1183 ecclesiam Abersse , 1230 Aberse , 1272 Äberse , ca. 1313 berse , 1492 circa Äbersee ; 1565 Wolfganger See , S. Wolfgang See ; 1599 Aber-, jetzt gewnlich St. Wolfgangsee D: dɒ 'wōįvgåŋˌs E: Der seit dem ausgehenden 16. Jh. Wolfgangsee genannte Salzkammergutsee trägt seinen Namen nach dem hl. Wolfgang, der von 971-94 Bischof von Regensburg war. Er starb 994 in Pupping an der Donau bei Eferding auf der Reise nach Pöchlarn. Nach der Legende soll er sich 976 vom Kloster Mondsee an den benachbarten Abersee begeben und dort eine Kapelle bzw. ein Kirchlein errichtet haben. Man ist jedoch der Anschauung, dass die Johannes dem Täufer geweihte Kirche von St. Wolfgang erst im 12. Jh. erbaut worden ist. Der Name Abersee galt bislang entweder als ungeklärt, oder er wurde mit dem ahd. PN * Aber(w)in erklärt. Auf Grund des ältesten urkundlichen Beleges sieht Wolfgang Haubrichs nun darin einen kelt. bzw. lat. Gentilnamen lat. * Abrianus , rom. Abrianu als ahd. Abaro , was zu bair.-ahd. Aparinsēo führt, dessen Flexiv der 3. Silbe dann nur Sekundärumlaut auslöste (bair.-mhd. Äbersē ). Wegen der Zweiten Lautverschiebung von b > p erfolgte die Integrierung ins Bair.-Ahd. spätestens im 3. Viertel des 8. Jhs. Die urkundlich in Abschriften des 12. Jhs. mehrfach überlieferte Salzburger Form Parnsê scheint eine hyperkorrekte Schreibform zu sein, bei der im lat. Kontext das anlautende A in Verbindung mit dem Labial als lat. Präposition ab ‚an, in‘ aufgefasst wurde. L: Schiffmann III (1940), S. 11; ANB I (1999), S. 1; OÖONB 6 (1999), S. 40 f.; Haubrichs (2006), S. 451. (M 61) Ansfelden, Dorf und Gemeinde, PB Linz-Land. U: 798-814 (cop. 12. JhE) proprietas … ad Albinsuelt in Trungŏ , 815-21 ad prefato basilicę in loco nuncupante Alpunesfeld in pago Trungouue , 10. JhII für 777 ad campo Alboni piscatores duos , F 12. Jh. für 1111 Albinisuelth … tota villa , F ca. 1200 für 1113 Almvelt villa tota , 1248 Almsveld , 1275 Alsvelt , 1324 Ansveld , 1339 Ansvelden , 1378 Ansveld ; 1614, 1620 Ansfeldt ; ca. 1775 Amsfelden ; ca. 1815, ca. 1880 Ansfelden 876 in comitatu Arbonis in loco qui dicitur Uualahofeld , 876 (cop. 12. Jh.) Walauelth D: älter ǫm'bv, jünger ǫns'v E: Ansfelden liegt südwestlich von Linz am Nordrand der fruchtbaren Welser Heide, eines Gebietes, das um 870 von einem bairischen Grafen Arbo (‚Erbe‘) verwaltet und als Walahofeld mit ahd. walah ‚Romane‘, also als „Feld der Romanen“ bezeichnet wurde, wenn diese Bezeichnung auch unmittelbar auf einen bestimmten Ort ( loco ) bezogen ist. Dieser Ort und Gebietsmittelpunkt war sichtlich Ansfelden , ein im Genitiv gefügter ON mit dem Grundwort bair.-ahd. vëlt ‚Feld, Fläche, Ebene‘ im Dativ Plural und dem rom. PN Albinu vom lat. PN bzw. Hagionym Albinus . Der hl. Albinus von Angers wirkte im 6. Jh. in Gallien/ Frankreich und war 529 Bischof dieser Stadt geworden war, in der er um 554 starb. Im ON verhinderte die Lautfolge lb den i -Umlaut. Die seit Ende des 8. Jhs. bezeugte Mischbildung wird spätestens in der 2. Hälfte des 7. Jhs. entstanden sein, als rom. ƀ / v noch mit demselben bair.-frühahd. Laut gleichgesetzt werden konnte, der dann in der 2. Hälfte des 8. Jhs. der Zweiten Lautverschiebung zu bair.-ahd. p unterlag. Zur selben Zeit wird auch die Gegendbezeichnung Walahofeld entstanden sein, die bis ins 9. Jh. tradiert wurde. Trotzdem werden 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 197 11.09.2019 09: 46: 57 198 3. Romanisch-deutsche Mischnamen im 9. Jh. hier wohl keine Romanen mehr gelebt haben, denn der Schreiber der Passauer Traditionen ändert bereits 815/ 21 den rom. PN zum bair.-ahd. PN Alpūni aus Albwini ab. Die ältere Dialektaussprache bezeichnet als „am Feld“ trotz Ortsbezug eigentlich die Gegend, und auch die jüngere kehrt das „Feld“, also die Ebene hervor. L: Wiesinger (1990), S. 317 f.; Haubrichs (2006), S. 460. (M 62) ? Di(e)tlbach, Bach zum Wolfgangsee in St. Wolfgang im Salzkammergut, PB Gmunden U: ca. 788 (cop. 12. JhE) ad Tinilbach , 829 (cop. 12. JhE nach cop. 890) Aparinesseo … ubi Tinnilipah in eundem lacum fluit , 1051 de rivulo Tinnilipach , 1416 Tintelpach , 1529 Tindlpach , ca. 1775 Dittlbach , ca. 1815 Didlbach, Dientlbach M (ühle), ca. 1875 Dittelbach D: 'dīdlˌbǭ E: Der am Fuß des Schafberges entspringende und in St. Wolfgang in den ursprünglich Abersee mit einem rom.-dt. Mischnamen benannten See einmündende Ditl - oder Dietlbach ist ein gefügtes Kompositum mit dem GewN bach und einem PN mit geschwundenem Genitivflexiv n nach l zur Sprecherleichterung, wobei das verbliebene i als Sproßvokal fungiert. Bisher wurde der PN als Koseform bzw. Diminutiv Tintilo / Tindilo mit Assimilierung Tinnilo zum ahd. PN Tinto gestellt. Dagegen nimmt nun Wolfgang Haubrichs einen belegten rom. PN Tinnulo von lat. Tinnus an, wobei dann bei der Integrierung Gleichsetzung von rom. t mit bair.-ahd. t ab der 2. Hälfte des 8. Jhs. erfolgt ist. Die heutige Schreibform und Aussprache geht auf einst nasaliertes [ 'dī n (d)lˌbǭ] mit Nasalierungsschwund zurück. Aufgrund der Schreibform des Mühlennamens von 1815 dürfte dafür ursprünglich jedoch diphthongisches [ 'dęɒ n (d)lˌbǭ] üblich gewesen sein. Romanische Herkunft des PN ist insofern nicht unwahrscheinlich, als auch der See einen romanischen Mischnamen aufweist. L: ANB I, S. 250; Haubrichs (2006), S. 455. (M 63) Irrsee oder Zeller See, westlichster der Salzkammergutseen südlich von Oberhofen am Irrsee. U: ca. 1000 (cop.) illi duo Maninseo et Urisesseo , ca. 1313 Uersê ; 1416, 1492 medium locum Ürsee , 1500 Ursee , 1552 Vrsee ; 1605, 1611 Irrsee ; 1664 Irschsee ; ca. 1775, ca. 1815 Irr- oder Zeller See D: nur s E: Der kleine Irrsee ist der westlichste der Salzkammergutseen. Verwaltungsmäßig gehört sein Süden zur Gemeinde Tiefgraben, die Mitte zur Gemeinde Zell am Moos und der Norden zur Gemeinde Oberhofen am Irrsee. Das hat seit dem 18. Jh. dazu geführt, dass er als Irr - oder Zellersee bezeichnet wird. Irrseee ist eine im Genitiv gefügte Mischbildung mit dem Grundwort bair.-ahd. sēo ‚See‘ und dem rom. PN und Hagionym Ursus als bair.-ahd. Uris mit dem Sprossvokal i -, der i -Umlaut zu [ ü ] auslöste und dann im 13./ 14. Jh. zu i entrundet wurde. Falls ein Hagionym zugrunde liegen sollte, so handelt es sich um den hl. Ursus als Angehörigen der Thebaischen Legion, der um 303 mit dem hl. Victor als weiterem Legionsangehörigen in Solothurn in der Schweiz das Martyrium erlitt. L: Wiesinger (1980), S. 156; Wiesinger (1990), S. 317 f.; OÖONB 4 (1997), S. 7; Haubrichs (2006), S. 456. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 198 11.09.2019 09: 46: 57 3.2. Oberösterreich 199 (M 64) Irrsberg, Einschicht von Keuschen, Gem. St. Lorenz, PB Vöcklabruck. U: 1416 Hænnsel am Ürsperg , 1435 (1506) Gast am Ürsperig , 1443 Ursperg ; 1462, 1552 Irsperg ; 1529 Gast am Ürsperig , 1553 Yrsperg ; 1664, ca. 1815 Gastberg , ca. 1880 Irrsberg D: 'īɒˌžbɒg E: Irrsberg war lange Zeit nur ein Hof am 634 m hohen Berg, der bis 1969 als selbständiger Teil des nordwestlichsten Ortsteiles Keuschen der Gemeinde St. Lorenz am Mondsee geführt und dann amtlich aufgelassen wurde. Erst mit der Gebietsneuregelung von 2007 wird das vergrößerte Irrsberg wieder als Ortsteil von Keuschen amtlich geführt. Der ON ist wie (M 63) Irrsee (siehe dort) ein gefügter dorf -Name mit dem rom. PN oder Hagionym Ursus als bair.-ahd. Uris , wobei das auslautende Genitiv s vor dem anlautenden p des Grundwortes mit diesem zu < sp >/ [ žb ] verbunden wird. Nach dem 1435 urkundlich bezeugten Besitzer des Hofes Gast wird der Berg bis ins 19. Jh. alternativ auch Gastberg genannt. L: Wiesinger (1980), S. 156; Wiesinger (1990), S. 317 f.; OÖONB 4 (1997), S. 60; Haubrichs (2006), S. 456. (M 65) ? Parzham, Rotte, Gem. Wallern an der Trattnach, PB Grieskirchen; U: 1090-1104 de Porcinheim , 12. Jh. Friderich Porzheim , 13. Jh. Porceheim , 1371 datz Portzhaim , 1518 zu Partzhaim ; ca. 1775, ca. 1815, 1857 Parzham (M 66) ? Parzham, Rotte, Gem. Waizenkirchen, PB Grieskirchen; U: 1151 Eberannus de Borzheim / Borsheim ; 1313 dacz Porczhaymen bei der Aschach , 1455 Parczhaim ; ca. 1775, ca. 1815, 1857 Parzham (M 67) ? Parzham, Weiler, Gem. Pennewang, PB Wels-Land; U: ca. 1230 Porzheim , ca. 1380 Porczhaim , 1455 Porczhaim ; ca. 1775, ca. 1825 Parzham D: 'bęǫχtßåm E: Der singuläre urkundliche Erstbeleg von (M 65) Parzham/ Wallern veranlasst Wolfgang Haubrichs einen im Genitiv gefügten heim -Besitznamen mit dem belegten rom. PN Porci von lat. * Portius anzunehmen, dessen Nominativ dann bair.-ahd. * Porzo gelautet haben müsste. Dagegen zeigt der urkundliche Beleg 13. Jh. Porcehem eindeutig einen gereihten heim -Lagenamen mit bair.-mhd. * porz ‚bewachsene Bodenerhebung, kleiner Baum, verkrüppeltes Holz‘ (Schmeller I, Sp. 285; WBÖ 3, Sp. 645 f.), das auch von 1144 Porcihem für (M 40) Parzham/ Stadt Griesbach im Rottal, Niederbayern jeweils mit Bindevokal bestätigt wird. Da einerseits zahlreiche ON als Simplex Parz auftreten und andererseits in den südbairischen Sprachinseln Zahre und Gottschee sowie in den sehr konservativen südbairischen Tiroler Hochtälern das schwache Appellativ Singular Porze - Plural Porzen gilt, wird man sowohl mit einem maskulinen starken bair.-ahd./ mhd. * porz als auch mit einem schwachen bair.-ahd. * porzo / mhd. * porze zu rechnen haben. Dazu stimmt jeweils ein bair.-ahd. Bindevokal a -, der mhd. zu e / iabgeschwächt wird. Die zahlreichen Simplizia und die gereihte Bildungsweise als Lagenamen lassen einen völlig singulären angeblichen Besitznamen 1090 Porcinheim fraglich erscheinen. Vielmehr ist auch dieser Beleg als gereihter Lagename verstehbar, allerdings mit dem bereits frühmhd. abgeschwächten Nominativ Plural bair.-ahd. * porzun zu bair.-mhd. * porzen / porzin . L: Haubrichs (2006), S. 454; OÖONB 5 (2017), S. 103 und 171. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 199 11.09.2019 09: 46: 57 200 3. Romanisch-deutsche Mischnamen 3.3. Salzburg (Stadt, Flachgau) Von Peter Wiesinger (M 68) Eugendorf, Dorf und Gem., PB Salzburg-Umgebung. U: 788-90 (cop. 12. Jh.) ad Iubindorf ecclesia cum manso , 930 (cop.) ad Iupindorf , 1041-60 proprietatem … in loco Hiupandorf , 1189 Volrich de Ivbindorf , 1191 Ŏdalrichus de Iubendorf , 1326 daz gericht ze Eugendorf , 1407 zu Ewgendorf ; 1615, ca. 1815 Eugendorf D: veraltet 'ōiŋˌdǭɒv , jetzt 'āįŋˌdǭɒv E: Der ON Eugendorf , das im südlichen Flachgau liegt, ist wie (M 10) Eugenbach bei Landshut nach Albrecht Greule ein im Genitiv gefügter dorf -Name mit dem rom. PN * Iuvinu von lat. Iovīnus als bair.-ahd. * Iupino oder verkürzt * Iupo , so dass der ON anfänglich * Iupinindorf und mit Haplologie Iupindorf lautete, oder er wurde bereits mit verkürztem * Iupo so gebildet. Die Integrierung des rom. PN wäre dann bald nach 650 erfolgt, als rom. ƀ noch mit bair.-frühahd. ƀ gleichgesetzt wurde und dann in der 2. Hälfte des 8. Jhs. dem jüngeren Akt der Zweiten Lautverschiebung zu p unterlag. Dagegen rechnen Franz Hörburger, Ingo Reiffenstein, Thomas Lindner und Wolfgang Haubrichs mit dem rom. PN Iubianu von lat. Ioviānus und berufen sich auf die im Salzburger Verbrüderungsbuch genannten Namensformen Iubeanus , Iubianus und verkürzt Iuvan . Das inlautende p verhinderte den i -Umlaut, was die veraltete Dialektaussprache mit der Wiedergabe von bair.-ahd./ mhd. iu als [ oi ] deutlich ausdrückt. L: Schwarz (1970), S. 907; Hörburger (1982), S. 87 f.; Haubrichs (2006), S. 453; Reiffenstein (1991), S. 47 und 59; Lindner (2008), S. 24; HELSON 1 (2015), S. 26. (M 69) Flurnsbach, Bach und Einschicht von Berndorf, Gem. Berndorf bei Salzburg, PB Salzburg-Umgebung. U: vor 1195 zu 1040 (cop. 14. JhII) de Flurelspach usque in Granse , dass. (Dr. 1764) de Flurnespach usque in Grabense ; ca. 1176-93 (cop. 13. Jh.) ta de Flurnspach D: 'vlūɒnsˌbǭx E: Die abseits im Hügelland gelegene Einschicht am unscheinbaren kleinen gleichnamigen Bach westlich des Grabensees, die heute noch nur auf Karrenwegen von Berndorf und Manglberg aus erreichbar ist, trägt einen im Genitiv gefügten bach -Namen mit dem rom. PN und Hagionym * Florin(u) von lat. Flōrīnus . Sein rom./ lat. geschlossenes ō wurde, da das Bair.-Ahd. seit der 2. Hälfte des 8. Jhs. nur offenes ǭ aufwies, mit ū substituiert und der PN als ahd. Flūrin stark flektiert. Wegen der Einführung von bair.-ahd. Initialakzent statt rom./ lat. Paenultimaakzent und der Wiedergabe von lat./ rom. f mit bair.-ahd. f / v des PN erfolgte die Ortsnamenbildung zwischen dem 8. Jh. und vor der Jahrtausendwende. Wenn das ANB und das HELSON den rom. PN als Florianu von lat. Flōriānus angeben, so entspricht dies nicht der urkundlichen Überlieferung. In der Weiterentwicklung unterblieb die „neuhochdeutsche“ Diphthongierung von ū zu au des 12. Jhs., die etwa in Flaurling im Inntal in Tirol (763 Flurininga , 1300 Flawrling ) mit demselben PN eingetreten ist. 24 Allerdings besteht die Möglichkeit, dass 24 Vgl. Anreiter, Peter, u. a.: Die Gemeindenamen Tirols. Herkunft und Bedeutung. Innsbruck 2009, S. 109 ff. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 200 11.09.2019 09: 46: 57 3.3. Salzburg (Stadt, Flachgau) 201 der PN volkstümlich mit häufigerem Florian identifiziert wurde, wie es in der Abschrift der 2. Hälfte des 14 Jhs. der Fall ist, der dialektal heute noch ohne Diphthongierung Flurl lautet. Im Falle eines Hagionyms liegt der Name des Südtiroler und Graubündener Lokalheiligen Florinus von Matsch oder Remüs / Ramosch zugrunde, der in den Diözesen Brixen, Chur, aber auch Regensburg verehrt wird. Er lebte im 7. Jh., wurde in Matsch im Vinschgau geboren und wirkte als Priester in Remüs/ Ramosch im Unterengadin. L: Lindner (2008), S. 24; ANB II (2014), s. 1239 f.; HELSON 1 (2015), s. 30. (M 70) Irrsberg, Berg, Gem. Neumarkt am Wallersee; Irrsdorf, Dorf, Gem. Straßwalchen, PB Salzburg-Umgebung. U: Irrsberg: 817-29 (cop. 9. Jh.) substantiam partem Ursesperge , ca. 1000 mons ille qui dicitur Urisesperc , ca. 1808 Irsch Berg , ca. 1880 Irrsberg Irrsdorf: 748-84 (cop. 9. JhE) in Ursisdorf , 798-800 (cop. 12. JhE) proprietatem … ad Urisesdorf , 824 (cop. 9. JhE) actum in loco Ursesdorf , 972-94 (cop. 10. JhE) decimationem … in Ursesdorf , 1107 usque ad uillam Vrstorf , 1338 gen Versdorf , 1462 Michel Hetzel von Vrstarf , 1600-17 Thoman in Pirach zů Vrsdorf , ca. 1808 Irschdorf , ca. 1880 Irrsdorf D: 'īɒˌžbɒg ; 'īɒˌždǭɒv E: Am nördlichen Fuß des 644 m hohen Irrsberges nordöstlich des Wallersees mit einem ebenfalls romanisch-deutschen Mischnamen liegt Irrsdorf. Siehe (M 63) Irrsee und (M 64) Irrsberg, Oberösterreich. Wie über die Wortgrenzen hinweg in Irrsberg mhd. s und p zu sp verbunden wurden, so auch in Irrsdorf mhd. s und d zu st , so dass sie nun [ žb ] und [ žd ] lautet. L: Schwarz (1970), S. 913; Hörburger (1982), S. 86 und 123; Reiffenstein (1991), S. 60; ANB I (1999), S. 561; Lindner (2008), S. 28; HELSON 1 (2015), S. 58 f. (M 71) Köstendorf, Dorf und Gem.; Kleinköstendorf, Dorf, Gem. Köstendorf, PB Salzburg-Umgebung. U: 748-829 (cop. 9. JhII) in Chessindorf , 798-814 (cop.12. JhE) in villa que dicitur Chessindorf , 820 (cop. 9. JhII) in loco qui dicitur Chessindorf , 1166 de Chessendorf , 1331 daz gericht ze Chessendoriff , 1338 Liebharden dem pfarrer ze Kessendorf , 1415-1501 Primo de Chessendorf , 1443 … pfarrer in Kestendorf ; 1476, 1525, 1566 Kestendorf ; ca. 1808 Kestendorf , Kleinkestendorf D: 'khestnˌdǭɒv E: Köstendorf und sein östlicher Nachbarort Kleinköstendorf liegen unmittelbar westlich von Neumarkt am (M 73) Wallersee, dessen Name ebenfalls ein romanisch-deutscher Mischname ist. Der dorf -Name Köstendorf ist im Genitiv gefügt mit dem rom. PN und Hagionym Cass(i)u aus lat. Cassius als bair.-ahd. * Chasso mit den jüngeren Akten der Zweiten Lautverschiebung, so dass der ON spätestens um die Mitte des 8. Jhs. entstand und dann durch das i des Genitivflexives Primärumlaut von a zu e eintrat. Obwohl im Althochdeutschen aus ON der PN * Kasso , entstanden aus * Kad-so , erschlossen werden kann, ist hier gegen das ANB der rom. PN anzunehmen, der auch im Salzburger Verbrüderungsbuch des 8. Jhs. aus St. Peter als Cassio bezeugt ist. 25 Im 15. Jh. wurde zur Verdeutlichung des nebensilbigen n ein t eingeschoben. 25 Vgl. Kaufmann (1968), S. 70. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 201 11.09.2019 09: 46: 57 202 3. Romanisch-deutsche Mischnamen Falls der Name des hl. Cassius zugrunde liegen sollte, so war dieser ein Angehöriger der Thebaischen Legion, der Anfang des 4. Jhs. mit Gefährten, darunter der hl. Gereon, ins Rheinland kam und in Bonn das Martyrium erlitt. Ihm ist auch das Bonner Münster geweiht. Er wird in den Diözesen Köln und Münster, aber auch Meissen und Salzburg verehrt. L: Hörburger (1982), S. 88; Reiffenstein (1991), S. 47 und 60; ANB I (1999), S. 612; Lindner (2008), S. 28, HELSON 1 (2015), S. 67 f. (M 72) Liefering, Stadtteil von Salzburg. U: 788-790 (cop. 12. JhM) in loco in pago Salzburggaoe qui dicitur Liueringe , 790-814 (cop. 12. JhE) in villa Liuaringa , ca. 1077 in loco qui dicitur Liuiringŏn , 1147-67 Perhtolt de Liueringe , 1274 officia in … Liveringen , 1348-1400 molendino in Lyfring , 1444 Hainreich Dawnawer von Liffring , 1629 Ludwig Griming zu Niedernrhain, Lifering ; 1778 Bäbingergut zu Liefering , ca. 1808 Liefening (verschrieben, vgl. Lieferinger Aue ) D: 'līvɒrįŋ E: Das links der Salzach gelegene ehem. Dorf Liefering war das südlichste des Flachgaues unmittelbar vor der Altstadt Salzburg und wurde 1939 eingemeindet. Der ON ist ein echter ing -Besitzname mit dem bair.-ahd. Suffix inga im Nominativ und ingun im lokativischen Dativ Plural, das Zugehörigkeit im Sinne von „die Leute des …“ bzw. „die dem … angehörenden Leute“ ausdrückt. Hier ist es ein Romane, dessen PN in der gesamten bisherigen Literatur als Liver(i)u vom lat. PN und Hagionym Libēr(i)us angegeben wird. Da aber die älteste Überlieferung erst in die mhd. Zeit zurückgeht und die Salzburger Dokumente sprachlich meist der Zeit angepasst wurden, ist angesichts der Akzentverlagerung auf die erste Silbe im ON mit Abschwächung der einst betonten lat./ rom. Mittelsilbe des PN als < a , e , i > auch der rom. PN und das Hagionym Livor(i)u von lat. Libōrius mit jeweils mit rom. [ᵬ/ v ] möglich, mit dem Wolfgang Haubrichs rechnet. Da bei der Integration der rom. Labial nicht den jüngeren Akten der Zweiten Lautverschiebung der 2. Hälfte des 8. Jhs. unterlag, ist anzunehmen, dass die Bildung des ON schon in der 1. Hälfte des 8. Jhs. mit noch stimmlosem bair.-frühahd. f als Substitutionslaut für stimmhaftes rom. v erfolgte, das erst am Ende des 8. Jhs. Stimmhaftigkeit erlangte, wofür der urkundliche Erstbeleg spricht. Der hl. Liborius war in der 2. Hälfte des 4. Jhs. Bischof von Le Mans in Gallien/ Frankreich und mit dem hl. Martin von Tours befreundet. Sollte der ON auf seinen Namen zurückgehen, so war der von Paderborn seit 836 ausgehende Kult, nachdem seine Reliquien dorthin übertragen worden waren, für die Salzburger Ortsnamenbildung bedeutungslos. Kaum in Frage kommen dürfte der hl. Liberius, der im 2. Jahrhundert einer der ersten Bischöfe von Ravenna war und dessen Verehrung keine größere Verbreitung erfuhr. L: Schwarz (1970), S. 907; Hörburger (1982), S. 69; Reiffenstein (1991), S. 47 und 60; Haubrichs (2006), S. 453; Lindner (2008), S. 29; HELSON 1 (2015), S. 75. (73) Wallersee, See im südlichen Flachgau; danach † Wallerdorf, heute Seekirchen am Wallersee , und die jungen Siedlungen Wallersee-Ostbucht von Bayerham, Stadt Seekirchen am Wallersee und Wallersee-Zell von Neumarkt am Wallersee, PB Salzburg-Umgebung. U: Wallersee: 788-90 (cop. 12. JhM) secus stagnum Walarsaeo , 798-800 (cop. 12. JhE) iuxta lacum vocabulo Walarsê ubi exit Fiscahâ de eodem lacu , 1010-1120 Uualarseo , 1074 (cop. 12. JhM) Uualrse , 12. Jh. (? 1121-22) piscatoris de Uualrse , 1519-40, Wallersee , ca. 1808 Waller See 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 202 11.09.2019 09: 46: 57 4.1. Bayern (Oberbayern) 203 Seekirchen: ca. 788-98 (cop. 1004) ad ecclesiam sancti Petri iuxta lacum Uualarseo , 788 (cop. 12. JhE) loco nuncupante … in Walardorf , 788-90 (cop. 12. JhM) in … pago Salzburggaoe loca nuncupantes in Wangiu et in Walardorf , 987 ad Uualarse aecclesia sancti Petri ; ęcclesiam ad Sechirchen ; 1110 Ŏdalrich de Sechirchin , 1226 Heinrici de Sechirchin , ca. 1808 Seekirchen D: Wallersee: nur umgangssprachlich, Seekirchen: ˌs'khīrɒ E: Der Name des im südwestlichen Flachgau gelegenen Wallersees geht aus vom heutigen Ort Seekirchen , der im Tal der Fischach, dem Ausfluss des Sees, liegt, wo man schon früh eine dem Schutzpatron der Fischer geweihte Peterskirche errichtet hat. Dieser Ort hieß bei der romanischen Bevölkerung rom. * Vallaria ‚Talgut, Talhof ‘ von lat. vallis ‚Tal‘ + Suffix aria . Es wurde dann Bestimmungswort des gereihten ON Walardorf , ehe im 10. Jh. der Ort als Seekirchen bezeichnet wurde. Schon anfänglich wurde der ON als Klammerform bair.ahd. Walar [ dorf ] sēo auf den See ausgedehnt. Die Bildung der bair.-ahd. ON mit dem rom. Erstglied erfolgte spätestens in der 2. Hälfte des 7. Jhs., als rom. v noch bilabial war und mit bilabialem bair.-ahd. w gleichgesetzt wurde. L: Lindner (2008), S. 32; ANB II (2014), S 1002 f. und 1088; HELSON 1 (2015), S. 118 und 134 f. 4. Walchen-Namen (Karte 5) 4.1. Bayern (Oberbayern) Von Albrecht Greule (W 1) Katzwalchen, Dorf, Gem. Palling, Lkr. Traunstein, Oberbayern. U: ? 1151-67 Walchen , 1338 Chatzwalhen E: Ursprünglich wohl Simplex, dann im 13. Jh. zum Kompositum gefügt mit dem PN Katz wohl als bair.-mhd. * Chatzeswalhen , dessen Genitivflexiv dann im 14. Jh. synkopiert wurde. L: Gruber (1908), S. 336; Rettner (2004), S. 283; Reitzenstein (2004), S. 201. (W 2) Litzlwalchen, Dorf, Gem. Nussdorf, Lkr. Traunstein, Oberbayern. U: vor 1300 (cop. 14. Jh.) Litzlbalchen , 1334 Lutzelwalichen , 1644 Litzl Walchen E: Gereihtes Kompositum mit dem BW mhd . lützel ‚klein‘, vielleicht mit Bezug auf das ca. 2 km entfernte größere (W 5) Traunwalchen. L: Gruber (1908), S. 336; Rettner (2004), S. 283; Reitzenstein (2004), S. 200 f. (W 3) Oberwalchen, Dorf, Stadt Traunreut, Lkr. Traunstein, Oberbayern. U: 1171-73 Oberwalhen , 1397 de Obern Walhen E: Gereihtes Kompositum mit dem Adverb mhd. ober ‚oberhalb (gelegen)‘ mit Bezug auf das niedriger gelegene benachbarte (W 1) Katzwalchen. L: Gruber (1908), S. 336; Rettner (2004). S. 283, Jochum-Godglück (2012/ 14), S. 204; Reitzen stein, BONF 51 (2014), S. 223. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 203 11.09.2019 09: 46: 57 204 4. Walchen -Namen (W 4) Roitwalchen, Weiler, Stadt Traunstein, Oberbayern. U: ca. 1300 Reutwolhen E: Gereihtes Kompositum mit dem BW mhd. riute ‚Rodung‘. L: Rettner (2004), S. 283; Jochum-Godglück (2012/ 14), S. 204. (W 5) Traunwalchen, Pfarrdorf, Stadt Traunreut, Lkr. Traunstein, Oberbayern. U: ca. 790 (cop. 12. Jh.) iuxta Trůn quoque fluvium in eodem pago Trunwalha dedit qui dicuntur Romanos tributales , 12. Jh. Trunwalhen , 1245 Trauwenwalhen , 1334 Traůnwalichen , 1338 Traunwalhen ca. 1583 Traunwalhen E: Gereihtes Kompositum mit dem GewN (34) Traun (siehe dort) mit Bezug auf die Lage. L: Gruber (1908), S. 336; Rettner (2004), S. 84; Reitzenstein (2004), S. 200. (W 6) Walchen, Weiler, Gem. Petting, Lkr. Traunstein, Oberbayern. U: 1383 Gut auf dem Walhen , 1409 ze Walhen , 1415 zü Walhen gelegen in Pettinger pharr E: Mhd. *[ ze den ] Walhen ‚bei den Romanen‘. L: Die urkdl. Belege nach Mitteilung von Wolfgang Janka, München. (W 7) Walchen, Einschicht, Stadt Tittmoning, Lkr. Traunstein, Oberbayern. U: 1107-10 Gunzeperc , 1495 Hans Walher E: Die Einschicht hieß ursprünglich Gunzenperc , ein gefügtes Kompositum mit dem ahd. PN Gunzo . Ende des 15. Jh. erfolgte Neubenennung nach dem Hofbesitzer Hans Walher . L: Rettner (2004) S. 284. Dankenswerte Mitteilung von Wolfgang Janka, München. (W 8) Walchenberg, Weiler, Stadt Traunreut, Lkr. Traunstein, Oberbayern. U: 1553 Wolfgang Walhenperger besitzt ein Lehen vom Mulner von Traunwalhen , 1599 Wolf Walhenperger besitzt das Walhenperger Guet, 1601 Walhenperg … Hannß vnnd Wolf beede daselbst , 1689 zu Walchenberg E: Da es vor 1500 keine urkundlichen Belege gibt, 26 entstand der bei Traunwalchen auf der Anhöhe gelegene Weiler wahrscheinlich erst in der Neuzeit von jenem aus. Der Name ist ein gefügtes Kompositum mit dem GW Berg . U: Jochum-Godglück (2012/ 14), S. 204. Dankenswerte Mitteilung von Wolfgang Janka, München. (W 9) Walchensee, See und Pfarrdorf, Gem. Kochel a. See, Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen, Oberbayern. U: See: 11. Jh. (cop. 13. Jh.) Walhense , 12. Jh. Walihinse ; 1305 Walhense , Wallense 26 Nach dankenswerter Mitteilung von Wolfgang Janka, München, mit e-mail vom 28. September 2018 ist der von Irmtraut Heitmeier auf Walchenberg bezogene und mitgeteilte, von Jochum-Godglück (2012/ 14), S. 204 zitierte Beleg 12. Jh. Walhesberch (Tr. Au) falsch zugeordnet. Er bezieht sich wie predium … Walhesperch (Tr. Berchtesgaden) auf Grund der weiteren genannten Orte auf Waldsberg , Lkr. Mühldorf a. Inn und ist in der „Förstemann-Kartei“ richtig zugeordnet. Die von Wolfgang Janka erhobenen und mit e-mail vom 9. Oktober 2018 mitgeteilten urkundliche Belege von 1553, 1599 und 1601 stammen aus dem BayH- StA Kurbayern, Geheimes Landesarchiv 1208, f. 67v, 186v und 297v. Der Beleg von 1689 befindet sich in BayHStA Kurbayern, Geheimes Landesarchiv 1209, f. 75v. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 204 11.09.2019 09: 46: 57 4.2. Oberösterreich 205 Pfarrdorf: 1294 Walhense , 1441 Walchensee , 1698 Wallersee E: Gefügtes Kompositum mit dem GW mhd. sê ‚See‘ und als BW dem Genitiv Plural von mhd. walh ‚Romane‘. L: Rettner (2004), S. 284; Reitzenstein (2004), S. 201; Reitzenstein (2006), S. 293. (W 10) Walchstadt, Kirchdorf, Gem. Icking, Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen, Oberbayern. U: 780-800 (cop. 12. Jh.) Walchsteti , 801-13 (cop. 12. Jh.) in loco nuncupante Walchsteti … servos vel ancillas quorum nomina … Walhin , 821 (cop. 12. Jh.) ego Genia tradidi omnia que habui in villa nuncupante Walchstete … testes Walcho E: Wohl gefügtes Kompositum mit dem GW bair.-ahd. stat ‚ lokativischer Dativ steti ‚Stelle, Ort‘ und als BW entweder dem maskulinen PN Walh als bair.-ahd. * Walhessteti ‚Ort, wo Walch wohnt‘ oder wahrscheinlicher mit dem Genitiv Plural vom Appellativ bair.-ahd. walh ‚Romane‘ als bair. -ahd. * Walhosteti ‚Ort, wo Romanen wohnen‘, dessen Flexiv in der Überlieferung des 12. Jhs. bereits synkopiert ist. L: Gruber (1908), S. 336; Rettner (2004), S. 284; Reitzenstein (2004), S. 201 f. (W 11) Walchstadt, Kirchdorf, Gem. Wörthsee, Lkr. Starnberg, Oberbayern U: ‒ E: Wahrscheinlich wie (W 10) Walchstadt zu beurteilen. L: Gruber (1908), S. 336; Rettner (2004), S. 284. (W 12) Wallgau, Pfarrdorf, Lkr. Garmisch-Partenkirchen, Oberbayern. U: 763 (cop. 824) pagum desertum quem Uualhogoi appellamus , 11. Jh. (zu 8. Jh.) Walagouwa , nach 1293 Walgowe , 1332 Walgaw , 1560 Walgau E: Ursprünglich Raumname ahd. * Walhogouwi , ein gefügtes Kompositum mit dem GW bair.-ahd. gouwi ‚Gau, Land‘ und dem Genitiv Plural von bair.-ahd. walh ‚Romane‘ im Sinn von ‚Gebiet, wo Romanen wohnen‘. Nach dem urkundlichen Beleg von 763 war allerdings wohl schon damals, gewiss aber 824 zur Zeit der Abschrift das Gebiet bevölkerungsleer und daher kaum oder nur mehr sehr gering von Romanen bewohnt. L: Schwarz (1970) S. 915; Reitzenstein (2006), S. 296. 4.2. Oberösterreich Von Peter Wiesinger (W 13) ? Ainwalchen, Dorf, Gem. Seewalchen am Attersee, PB Vöcklabruck. U: 807 (cop. 9. JhE) in Atargauwe in loco nuncupante Einwalhesdorf , 823-38 (cop. 9. JhE) de Einwalhesdorf , 14. Jh. Ainwalihen ; 1416, 1492, 2. H. 16. Jh. Ainwalhen , ca. 1775 Einwalchen D: 'ǭɒ n ˌwǭįɒ E: Die urkundliche Überlieferung des 9. Jhs. bezeugt einen gefügten dorf -Besitznamen mit bair.-ahd. Einwalh , der doppeldeutig ist. Entweder handelt es sich um einen sonst nicht bezeugten PN * Einwalh , oder es ist ein Kompositum mit ahd. ein ‚einzig, allein‘, so dass der ON ‚Gut des Einwalh‘ oder ‚Gut eines einzelnen Romanen‘ im Gegensatz zum benachbarten 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 205 11.09.2019 09: 46: 57 Siedlungsort (W 15) Seewalchen mit mehreren Romanen bedeutet. Wohl in Analogie zu Seewalchen wurde der ON später um das Grundwort zu Ainwalchen verkürzt. L: Wiesinger (1987/ 88), S. 113; Wiesinger (1990), S. 314; Wiesinger (1994), S. 65; OÖONB 4 (1996), S. 158. (W 14) Ehwalchen, Weiler, Gem. Zell am Pettenfirst, PB Vöcklabruck. U: 1371 Ebalhen , ca. 1550 Ewalichen , 2. H. 16. Jh. Ewalchen , Eewalchen ; ca. 1775 Ehwalcken (sic! ), ca. 1815 Ewalchen D: 'ˌwǭįɒ E: Der Name des im südlichen Hausruck gelegenen Ortes geht zurück auf mhd. * ēwalh(e) ‚Romane mit einem bestimmten Gewohnheitsrecht‘ als gereihtes Kompositum mit dem Bestimmungswort mhd. ē(we) ‚Gewohnheitsrecht, Gesetz‘, womit wahrscheinlich ein Romane mit Parschalkenrecht gemeint ist. L: Wiesinger (1987/ 88), S. 113; Wiesinger (1990), S. 314; Wiesinger (1994), S. 65; OÖONB 4 (1996), S. 218. (W 15) Seewalchen am Attersee, Markt, PB Vöcklabruck. U: 1135 parrochie Sewalhin , 1166 aput Sewalhen , 1260 (cop.) ecclesia in Seewalchen , ca. 1325 Sebalhen , 1380 in Sewalicher pharr , ca. 1550 Seewalchn , ca. 1775 See-Walchen D: ' sˌwǭįɒ E: Der mit mhd. sē ‚See‘ gereihte ON weist auf die am Nordufer des Attersees siedelnden Romanen hin. Man nimmt an, dass die Romanen frühe Christen waren, während die am Nordostufer siedelnden Baiern in Schörfling (748-828 [cop. 9. JhE] Skerolfinga mit PN Skerolf ), wenn wohl nicht Heiden, so zumindest ein nur schwach ausgeprägtes Christentum hatten. So konnte Seewalchen eine Urpfarre bilden. Aus dem seltenen Kirchenpatrozinium des hl. Gallus in Schörfling wird geschlossen, dass im 7./ 8. Jh. aus dem Südwesten kommende alemannische oder iroschottische Missionare hier die Intensivierung des Christentums bei den Baiern betrieben. L: Ferihumer (1956), S. 368 f. und 382 f.; Wiesinger (1987/ 88), S. 113; Wiesinger (1990), S. 314; Wiesinger (1994), S. 65; OÖONB 4 (1996), S. 162. (W 16) Walchen, Dorf; Schloß Walchen, Gem. Vöcklamarkt, PB Vöcklabruck. U: 1235 Chunradus de Walhen , 1371 Walhern , 1380 Vlreich von Walihen ca. 1380 ain gut ze Walhen in der pharre ze Vekchelsdorff ; 1480, ca. 1550, ca. 1775 Walchen D: 'wǭįɒ E : Während sich von der mittelalterlichen Burg lediglich ein Rundturm mit Unter- und Obergeschoß aus zwei Bauperioden ‒ wahrscheinlich des 12. Jhs. ‒ erhalten hat, geht das heutige Renaissanceschloss auf Christoph Geymann zurück, der 1583 den Besitz erwarb und es ab 1590 erbauen ließ. Obwohl das Geschlecht der Walchen als Ministerialen der Herren von Kammer in das Jahr 1040 zurückgeführt wird, sind einzelne Angehörige erst seit dem 13. Jh. sicher bezeugt. Der ON ist als lokativischer Dativ Plural mhd. ze [ den ] walhen zu verstehen. L: Grabherr (1976), S. 375 ff.; Wiesinger (1987/ 88), S. 113; Wiesinger (1990), S. 314; Wiesinger (1994), S. 65; OÖONB 4 (1996), S. 125. 206 4. Walchen -Namen 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 206 11.09.2019 09: 46: 57 4.3. Salzburg (Stadt, Flachgau) 207 4.3. Salzburg (Stadt, Flachgau) Von Peter Wiesinger (W 17) Roidwalchen, Weiler, Gem. Straßwalchen, PB Salzburg-Umgebung. U: ca. 1880 Roitwalchen D: ˌroid'wǭįɒ E: Der mit bair.-mhd. riut ‚Rodung‘ und in Anlehnung an (19) Straßwalchen gebildete ON betrifft eine Anfang des 19. Jhs. von Holzfällern am Rand des Enhartinger Waldes westlich von Straßwalchen angelegte Niederlassung, von wo aus im Wald geschlägert wurde. L: Hörburger (1982), S. 38; Reiffenstein (1991), S. 60; Lindner (2008), S. 41; HELSON 1 (2015), S. 106. (W 18) Seewalchen, Dorf, Stadt Seekirchen, PB Salzburg-Umgebung. D: ˌsę'wǭįɒ U: 1151 Reginboto de Sewalchen , 1158 Gerboto de Sewalehen ministerialis ecclesie ; 12. Jh., 1211-18 Sewalhen ; 16./ 17.Jh. damit den von Seewalchen durch ir vich nit schaden geschehe E: Der Ort liegt am Südwestrand des Wallersees, der ein Mischname mit rom. * Vallāria ‚Talgut, Talhof ‘ ist (siehe M 73 Wallersee). Seewalchen ist ein gereihtes Kompositum mit dem BW mhd. sē ‚See‘. L: Hörburger (1982), S. 38; Reiffenstein (1991), S. 61; HELSON 1 (2015), S. 118 f. (W 19) Straßwalchen, Markt, PB Salzburg-Umgebung. U: 799 (cop. 9. JhII) in loco qui dicitur Strazuualaha , 837 (cop. 9. JhII) ad Strazuualahon , 1104 (cop. 15. JhM) parrochia ad Straswalhen , 1219 Straswalhein , 1250 locum in Strazwalhen ; 1615, ca. 1815 Straßwalchen D: ˌ šdrǫ s 'wǭįɒ E: Der mit bair.-ahd. strāzza ‚Straße‘ gebildete ON bezieht sich auf die Lage des Ortes an der Römerstraße von Ovilava/ Wels nach Iuvavum/ Salzburg. Sein hohes Alter bezeugt auch das Patrozinium der bis 1808 dem Kloster Mondsee unterstehenden Kirche zum hl. Martin von Tours. L: Hörburger (1982), S. 38; Reiffenstein (1991), S. 50 und 61; Wiesinger (1994), S. 65; Lindner (2008), S. 41; ANB II (2014), S. 1051; HELSON 1 (2015), S. 124 f. (W 20) Wals, Dorf, Gem. Wals-Siezenheim, PB Salzburg-Umgebung. U: 788-90 (cop. 12. JhE), 798-814 (cop. 12. JhE) Vico Romanisco in pago Salzpurcgaoe iuxta fluvio Sala , 788-90 (12. JhM) Ad Ualahouuis ecclesia cum mansis II , 798-814 (cop. 12. JhE) in villa que uulgo dicitur Walchwis , 987 (cop. 13. Jh.) ecclesiam ad Walwes , vor 1023 in locis nominatis Walauuis , 1023 (cop.) in loco Walahuuis , 1090-1104 De Uualaues , 1124-25 usque Waliwes , 1146 ecclesiam ad Walwes , 1163 curtem videlicet in loco Walwis , 1242-59 predium quoddam apvd Walvs , 1291 Chunradus de Wales ; 1304, 1308, 1336 Walis ; 1405, 1415-1501 Wals ; 1517, 1520 Walls ; 1522 zu Walß D: wǭįs 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 207 11.09.2019 09: 46: 57 208 5. Parschalken -Namen E: Im Genitiv Plural gefügtes Kompositum mit dem BW bair.-ahd. wal(a)h ‚Welscher, Romane‘ und dem GW bair.-ahd. wīs ‚Dorf ‘ im Sinne von „Dorf, in dem Romanen wohnen“. Die Bildung ist bair.-ahd. und der urkundliche Erstbeleg lateinische Übersetzung und nicht umgekehrt, wobei wīs im Bairischen hauptsächlich in Randbereichen von einstigen Romanensiedlungen auftritt und gleichbedeutendem got. weihs entspricht. In der weiteren Entwicklung wurde das unbetonte lange ī gekürzt, abgeschwächt und schließlich synkopiert. Der Ort schloss sich 1948 mit dem Nachbarort zur Gemeinde Wals-Siezenheim zusammen. L: Schwarz (1970), S. 914; Hörburger (1982), S. 40 f.; Reiffenstein (1991), S. 61; Lindner (2008), S. 42; HELSON 1 (2015), S. 135. 5. Parschalken-Namen (Karte 5) 5.1. Bayern (Oberbayern, Niederbayern) Von Albrecht Greule (P 1) Parschall, Weiler, Gem. Waging a. See, Lkr. Traunstein, Oberbayern. U: 1562 Parschalhen , Parschalchen ; 1614 Parschalchen 27 E: Nach den ältesten urkundlichen Belegen lokativischer Dativ Plural bair.-mhd. * ze [ den ] parschalhen . L: Rettner (2014), S. 306. (P 2) Parschalling, Weiler, Gem. Dorfen, Lkr. Erding, Oberbayern. U: 1267 Parscholhing , 1466 Parschaling , 1840 Barschalling E: Echte ing -Ableitung. L: Rettner (2014), S. 306. (P 3) Parschalling, Dorf, Gem. Ortenburg, Lkr. Passau, Niederbayern. U: ca. 1170 Parscalchingin , ca. 1185 Parscalchingen , 1840 Barschalling , Parschalling E: Echte ing -Ableitung. Der katholische Ort gehörte ehemals zur katholischen Pfarrei Rainding, Gem. Haarbach, Lkr. Passau, da Ortenburg protestantisch ist. L: Rettner (2014), S. 306. (P 4) † Parscalheshoba [Parschalkshube], Flurname bei Hohenkammer, Lkr. Freising, Oberbayern. U: ca. 1024-31 hŏbas censuales que vulgariter Parscalheshoba dicuntur 27 Sämtliche urkundliche Belege zu den Orten in Bayern, insbesondere die Richtigstellungen zu † Poscheltzried, sind Wolfgang Janka aus den Sammlungen des Instituts für bayerische Landesgeschichte, München, zu verdanken (e-mails vom 12. und 31. Juli 2018). 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 208 11.09.2019 09: 46: 57 5.2. Oberösterreich 209 E: Gefügtes Kompositum mit dem GW bair.-ahd. hōba ‚Hube, Stück Land, zinspflichtiger Bauernhof ‘. L: Reitzenstein, BONF 51 (2014), S. 225. (P 5) Parschenberg, Weiler, Gem. Dorfen, Lkr. Erding, Oberbayern. U: ca. 1250 Parscalcsperg E: Gefügtes Kompositum mit dem GW Berg . L: Reitzenstein, BONF 51 (2014), S. 225. (P 6) † Poscheltzried, seit 1715 Fürstenried, Stadtteil von München. U: 1194 (Vidimus 1428) Parschalchesriet , 14. Jh. Partschertzried , 15. Jh. Poschelczried , 1588 Poscheltzried E: Gefügtes Kompositum mit dem GW mhd. riet stn. ‚gerodetes Gebiet‘. Der Ort gehörte 1428 zum Kloster Polling, in dessen Aufzeichnungen er erstmals für 1194 aufscheint, und wurde 1715 von Kurfürst Emanuel erworben und in Fürstenried umbenannt. L: Nach e-mail-Mitteilung von Wolfgang Janka, München, vom 31. Juli 2018 und seinen Korrekturen der mehrfach fehlerhaften verschiedenen Angaben im Internet. (P 7) Poschetsried, Weiler, Stadtgem. Regen, Lkr. Regen, Niederbayern. U: 1254 Parschalchesride , 1270-72 Parschalsried E: Gefügtes Kompositum mit dem GW mhd. riet stn. ‚gerodetes Gebiet‘. L: Rettner (2014), S. 306. 5.2. Oberösterreich Von Peter Wiesinger (P 8) Parschallen, Dorf, Gem. Nußdorf am Attersee, PB Vöcklabruck. U: 1350 vier gut ze Parschalling , 1371 Parscholhing , ca. 1500 Parscholhen ; 1561 Parschalchen , Parschallen , Parschalen ; ca. 1775 Parschallen , ca. 1825 Parschall D: ˌbǫ'šǭįn E: Der Ort liegt unmittelbar am südlichen Westufer des Attersees. Die anfängliche urkundliche Überlieferung mit ing kann einerseits Analogiebildung zu den hier allerdings nicht auftretenden häufigen ing -Namen und andererseits oft vorkommende lautliche Umformung des Morphems en , hier des lokativischen Dativs Plural, zu ing sein. L: Wiesinger (1980), S. 155; Wiesinger (1987/ 88), S. 118 f.; Wiesinger (1990), S. 316; OÖONB 4 (1997), S. 75. (P 9) Parschallbauer, Hof von Badstuben, Gem. Frankenburg am Hausruck, PB Vöcklabruck. 28 U: 1462 an dem Parschalh , 1480 zu Parschalh , 1570 zu Parschalch , 1673 Parschalling , ca. 1825 Parschalchbauer 28 Schiffmann I (1935), S. 62 führt den Hof unter Parschall . 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 209 11.09.2019 09: 46: 57 D: dɒ 'bǭšeˌbāųɒ E: Der Hof mittlerer Größe, der amtlich nicht als Ortsteil geführt wird, liegt in einer Lichtung mit Äckern und Wiesen im Waldgebiet östlich von Badstuben. Die im 19. Jh. auftretende Komposition des HofN mit dem BW ‚Bauer‘ führte zur Abschwächung des GW, dessen ursprüngliche Bedeutung nicht mehr erkannt wird, so dass der Hof im Heimatschrifttum nach der Aussprache Boschibauer geschrieben wird. 29 L: Wiesinger (1980), S. 155; Wiesinger (1987/ 88), S. 118 f.; Wiesinger (1990), S. 316. (P 10) Parschalling, Weiler, Gem. Roßbach, PB Braunau am Inn. U: ca. 1278 in Parsholiching , 1471 Parschalling , 1532 Parsoling , ca. 1580 Parschalling ; ca. 1775, ca. 1825 Parschalling D: älter 'bǭšǫlįŋ , jünger 'bǭɒšǫlįŋ E: Der aus drei Höfen bestehende Weiler liegt abseits der Hauptstraße von Roßbach nach Altheim an der Seitenstraße nach Stern. Auf Grund der urkundlichen Überlieferung aus dem 13. Jh. ist hier eine echte ing -Ableitung anzunehmen. L: Wiesinger (1980), S. 155; Wiesinger (1987/ 88), S. 118 f.; Wiesinger (1990), S. 316; OÖONB 1 (1989), S. 145. (P 11) Bachschaller, Hof von Aigen, Gem. Ort im Innkreis, PB Ried im Innkreis. U: 1433 Parchschalch , ca. 1450 Parschalich , ca. 1470 Pauls Parschalch zu Parschalhen , 1730 Parschallen , ca. 1775 Bachscharlen , ca. 1825 Bachschaller D: dɒ 'bǭšǫlɒ E: Der Name des amtlich nicht geführten großen Hofes wird im Erstglied wegen des dialektalen Schwundes von auslautendem ch hyperkorrekt als ‚Bach‘ aufgefasst und seit der 2. Hälfte des 18. Jhs. auch so geschrieben. L: Wiesinger (1980), S. 155; Wiesinger (1987/ 88), S. 118 f.; Wiesinger (1990), S. 316. (P 12) Paschallern, Rotte, Gem. Grieskirchen, PB Grieskirchen. U: ca. 1380 in Parschalchen . 1455 2 Lehen zu Parschaller , 1518 dy Oberhueb zu Parschalhen , ca. 1640 Parschalling , ca. 1775 Barschalla , ca. 1825 Parschalern D: ˌbǫ'šǫlɒn E: Der ON der südwestlich von Grieskirchen am Steinbach gelegenen Rotte wurde, da sie mehrere Häuser umfasst, im 19. Jh. zum pluralischen ern -Namen als Einwohnername umgeformt. L: Wiesinger (1980), S. 155; Wiesinger (1987/ 88), S. 118 f.; Wiesinger (1990), S. 316; OÖONB 5 (2017), S. 90 f. (P 13) Paschlberg, Weiler, Gem. Offenhausen, PB Wels-Land. U: 1414 Parschalingsberg , ca. 1430 Paschesperg , 1463 Pascholczperg , ca. 1775 Paschlberg , ca. 1825 Paschelberg D: 'bǫšlˌbrį 29 Ausführliche Auskünfte verdanke ich dem Altbürgermeister von Frankenburg, Herrn Martin Kaiser. 210 5. Parschalken -Namen 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 210 11.09.2019 09: 46: 57 5.2. Oberösterreich 211 E: Der Name des auf der Anhöhe gelegenen Ortes ist ursprünglich ein Kompositum mit dem GW ‚Berg‘ und dem im Genitiv Singular gefügten BW. Im 18. Jh. wurde das Genitivs (bzw. ts ) der Konsonantenhäufung zur Sprecherleichterung beseitigt. L: Wiesinger (1980), S. 155; Wiesinger (1987/ 88), S. 118 f.; Wiesinger (1990), S. 316. (P 14) Pachersdorf, Rotte, Gem. Sankt Marien, PB Linz-Land. 30 U: 1257 Parschalichsdorff , 1378 Pascholtzdorf , 1621 Passelstorf ; ca. 1775, 1787 Bachsdorf , ca. 1825 Bachersdorf D: ‒ E: Die bis ins 19. Jh. aus drei Höfen bestehende Rotte verfügt heute nur über Hofnamen, während ein gemeinsamer ON volkstümlich unüblich ist. Das dürfte schon seit dem 17. Jh. so sein, wie die variablen Schreibformen vermuten lassen. Ursprünglich handelt es sich um ein Kompositum mit dem GW ‚Dorf ‘ und dem im Genitiv Singular gefügten BW. L: Wiesinger (1980), S. 155; Wiesinger (1987/ 88), S. 118 f.; Wiesinger (1990), S. 316. (P 15) Pachschallern, Weiler von Gründberg, Gem. Sierning, PB Steyr-Land. U: ca. 1150 (cop. 12. JhE) ad Parscalchin mansum , ca. 1313 Parschlich , 1384 daz halb gut ze Parschalichen , 1390 das gut genant ze Parschalchen , 1477 Parschallen , 1588 zu Parschalchen , 1610 diese Parschalchenpauren , 1613 zu Parschallern , ca. 1775 Bachschallern , 1857 Pachschallern D: 'bǭšǫlɒn E: Der Weiler liegt östlich von Gründberg am Fuß eines schmalen Höhenrückens nördlich der Steyr. Der Dativ Plural mhd. ze [ den ] parschalhen wurde im 17. Jh. zum Einwohnernamen auf ern umgeformt. L: Wiesinger (1980), S. 155; Wiesinger (1987/ 88), S. 118 f.; Wiesinger (1990), S. 316; OÖONB 7 (2001), S. 161 f. 30 Schiffmann I (1935), S. 64 schreibt Paschersdorf , weil er die tatsächliche Schreibung ohne erwartbares s offenbar für einen Fehler hält. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 211 11.09.2019 09: 46: 57 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 212 11.09.2019 09: 46: 57 C. Auszuscheidende angeblich antik-romanische Gewässernamen und romanisch-deutsche Mischnamen in Altbayern Nach den Listen von Karl Puchner (1972) und Arno Rettner (2004, 2012/ 14) Von Albrecht Greule Aiging, Gem. Nußdorf, Lkr. Traunstein: ca.1300 Ayng (Puchner 1972, S. 62, Rettner 2004, S. 284) < ahd. * Aginga / * Einga , ahd. PN Ago (Förstemann, PN, Sp.15). Ainau, Stadt Geisenfeld, Lkr. Pfaffenhofen a. d. Ilm: Rettner (2004), S. 284, ohne Belege (ahd. * Agin-ouwe > * Einouwe zu PN ahd. Ago ? ) Ainhofen, Markt Indersdorf, Lkr. Dachau: Rettner (2004), S. 284, 837 Eiinhofa (Schwarz 1970, S. 876) < ahd. * Aginhofa Kompositum mit ahd. PN Ago . † Antranga (8. Jh.), lies: 12. Jh. zu 8. Jh. cum prato Antfranga , 14. Jh. auf me Ampherang < ahd. * Ampfar-wang ‚mit Ampfer bewachsener Wang‘, eine Flur, auf der das Kloster Ettal entstand (Reitzenstein, 2006, S. 76). Aying, Gem., Lkr. München: Rettner (2004), S. 284; 791 (cop. 824) Eiinga (Reitzenstein 2006, S. 25), Ableitung von PN ahd. Eio (Rettner 2012/ 14, S. 303). Demling, Gem. Bach a. d. Donau, Lkr. Regensburg: Puchner (1972), S. 66; Rettner (2004), S. 284; 820/ 21 (cop. 11. Jh.) Tomalingun , Ableitung vom ahd. PN * Tomal(o) (Prinz 2007, S. 168 f.). Dösdorf, Gem. Frasdorf, Lkr. Rosenheim: Rettner (2004), S. 284; 12. Jh. Tebesdorf (Puchner 1972, S. 63) < * Tebenesdorf , Kompositum mit ahd. PN *Tebīn < germ. *Dabīn (Förstemann, PN, Sp. 386). Dösham, Gem. Haslbach, Lkr. Altötting: Rettner (2004), S. 284; 12. Jh. Teues-, Teves-, Tabiz-, Tebez-, Tebzheim (Puchner 1972, S. 63) < * Tebenesheim , ahd. PN *Tebīn < germ. *Dabīn. Dötzkirchen, Gem. Buchbach, Lkr. Mühldorf a. Inn: Rettner (2004), S. 284; 12. Jh. Tebezchirchin (Puchner 1972, S. 63) < * Tebeneskirchen , Kompositum mit ahd. PN *Tebīn < germ. *Dabīn. Eisenhofen, Gem. Erdweg, Lkr. Dachau: Rettner (2012/ 14), S. 306; 802, (cop. 824) Usinhusun , 1280 Evsenhoven , die Lautentwicklung verlangt den ahd. PN * Ūso ; der römische PN Usius kommt nicht infrage. Eresing, Gem., Lkr. Landsberg a. Lech: Rettner (2004), S. 282 (fraglich): 907-937 (cop.11. Jh.) Eringisingen (Reitzenstein 2006, S. 73), Ableitung von ahd. PN * Arin-gis. Gandorf, Gem. Mauer, Lkr. Freising: Rettner (2004), S. 284; 977/ 94 Cammindorf , 1130/ 35 Gammendorf (Puchner 1972, S. 63), Kompositum mit ahd. PN Gammo/ Cammo . Garatshausen, Gem. Feldafing, Lkr. Starnberg: Rettner (2004), S. 284, „fraglich“, nach Gruber (1908), S. 303 f.; 11. Jh. Kararshusa , 12. Jh. Karashusen , 1280 Garoltshusen , Kompositum mit ahd. PN Garard , bair. * Karard < Garehard , später Garolt (Förstemann, PN, Sp. 603). 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 213 11.09.2019 09: 46: 57 214 C. Auszuscheidende Gewässernamen und romanisch-deutsche Mischnamen in Altbayern Gendorf, Gem. Burgkirchen a. d. Alz, Lkr. Altötting: Rettner (2004), S. 284; [ca.1180] Gebendorf (frdl. Mitteilung von Josef Egginger, 2. 3. 2017), Kompositum mit ahd. PN Gëbo . Gmain, Bayerisch-, Lkr. Berchtesgadener Land, zum ON Großgmain (Salzburg), siehe Nr. 147 (fraglich). Grabenstätt, Gem., Lkr. Traunstein: 959 Grabanastat (Rettner 2012/ 14, S. 306), Zusammenrückung aus ahd. (gi)grabana stat ‚Grabstätte“ (? ) Großweil, Gem., Lkr. Garmisch-Partenkirchen: siehe Weil . Gruttau, Gem. Ruhpolding, Lkr. Traunstein: Rettner (2012/ 14), S. 306. Ohne historische Belege bleibt die Erklärung von Gruttmit vlat. crupta , mlat. grupta , ital. grotta unsicher. Guglberg, Gem. Ruhpolding, Lkr. Traunstein: Rettner (2012/ 14), S. 306. Ohne historische Belege bleibt die Erklärung von Gugl mit lat. cuculla ‚Kapuze‘ unsicher. Der Name Guggelberg , Gem. Hippach, PB Schwaz (Tirol), 12. Jh. Gvkunperch , enthält den ahd. PN Gukko/ Gugo . Hadern, Groß- (München): Rettner (2004), S. 282; 11. Jh. Haderun , zu ahd. hadara swf. ‚grobes Wolltuch, Lappen‘, * hade[rā]run ‚zu den Wolltuch-Herstellern‘. Inzell, Gem., Lkr. Traunstein: Rettner (2004), S. 282; 1177 Incelle < lat. in cella ‚Wirtschaftshof innerhalb (des Waldgebiets)‘ (Reitzenstein 2006, S. 124). Irschen, Gem. Bernau a. Chiemsee, Lkr. Rosenheim: Rettner (2012/ 14), S. 304; 12. Jh. Wrsen < ahd. * Ursin , Genitivischer Ortsname, ahd. PN Urso. † Jubindorf, jetzt Eugendorf, PB Salzburg-Umgebung: Rettner (2012/ 14), 307, siehe (M 68) Eugendorf. † Jupinpah, jetzt Eugenbach, Markt Altdorf, Lkr. Landshut: Rettner (2012/ 14), S. 307, siehe (M 10 ) Eugenbach. Kallmünz, Gem., Lkr. Regensburg: liegt jenseits des Limes. Kamm, Höhenburg, Gem. Ortenberg, Lkr. Passau: Rettner (2012/ 14), S. 304; 1194 de Champe < ahd. * zi champe , ahd. kamb stm. ‚Helmkamm, Helm, obere Einfassung‘. Kammer, Stadt Traunstein: Rettner 2004 (nach: Helga Furtmayr, Das frühmittelalterliche Gräberfeld bei München-Giesing, 1995) < ahd. kamara ‚Vorratskammer, Speicher‘. Karpfham, Gem. Bad Griesbach, Lkr. Passau: Rettner (2012/ 14), S. 307; 903 Chorpheim , Kompositum mit dem Bestimmungswort ahd. chorp ‚Fischreuse‘ oder ‚Korb-Hütte‘. Kappelsberg, Gem. Dietramszell, Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen: Rettner (2004), S. 284 (nach Gruber 1908, S. 337), früher Kapfelsberg , zu Kapf zu mhd. kapfen ‚schauen‘. Kasten, Stadt Osterhofen, Lkr. Deggendorf: Rettner (2004), S. 282; < ahd. kasto swm. ‚Speicher, Tenne‘. Kiefenholz, Stadt Wörth a. d. Donau, Lkr. Regensburg: Rettner (2012/ 14), S. 302 („sehr fraglich“); 1145 Chirphinholze , Kompositum mit dem Bestimmungswort ahd. * cherpfin entlehnt aus lat. carpinus ‚Hage-, Hainbuche‘, vgl. ON Kerpen (Rhein-Erft-Kreis und Kr. Vulkaneifel), DONB, S. 312. Klais, Gem. Krün, Lkr. Garmisch-Partenkirchen: Rettner (2004), S. 282 (nach Gruber 1908, S. 334), < ahd. * gileisi , mhd. geleise ‚Radspur‘ wegen der dort frei liegenden Römerstraße. Kochel a. See, Gem., Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen: Rettner (2004), S. 282 (nach Gruber 1908, S. 337); ahd. Chochalon < germ. * kukala- ‚Erdaufwurf ‘. Köln, Gem. Kiefersfelden, Lkr. Rosenheim: Rettner (2004), S. 282 (nach Gruber 1908, S. 334); ohne Belege, vermutlich zu ahd. kela ‚Geländeeinschnitt‘. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 214 11.09.2019 09: 46: 57 C. Auszuscheidende Gewässernamen und romanisch-deutsche Mischnamen in Altbayern 215 Krün, Gem., Lkr. Garmisch-Partenkirchen: Rettner (2004), S. 282 (nach Gruber 1908, S. 303, 334); ohne Belege, < mhd. gerüne ‚Menge umgehauener Baumstämme‘ (Reitzenstein 2006, S. 146). Kurthambach, Gem. Neumarkt-St.Veit, Lkr. Mühldorf a. Inn: Rettner (2004), S. 282 (nach Schwarz 1970, S. 901); der Beleg 763 Curtana villa gehört nicht hierher, sondern zu (89) Gurten(bach) (PB Ried im Innkreis), siehe dort. Laufing (Ober-, Unter-), Stadt Ebersberg: Rettner (2004), S. 284; 1030/ 40 Luvingen (Puchner 1972, S. 64), Ableitung vom ahd. PN * Lūfo (Rettner 2012/ 14, S. 303). Lobesau am Walchensee (wo? ): Rettner (2004), S. 284 (nach Gruber 1908, S. 339); ca. 1100 ouva in Loybinsbac ), Kompositum mit ahd. PN Liubwin . Madron, Berg bei Flintsbach a. Inn, Lkr. Rosenheim: Rettner (2004), S. 282; ohne Belege, unsichere Etymologie. Mailendorf, Markt Nandlstadt, Lkr. Freising; Mailing, Stadt Ingolstadt; Mailing, Gem. Tuntenhausen, Lkr. Rosenheim; Mailing, Stadt Ebersberg; Mailing, Gem. Gangkofen, Lkr. Rottal-Inn: Puchner (1972), S. 64; Rettner (2004), S. 285; Ableitungen und Kompositum vom bzw. mit dem ahd. PN. Mīlo (Rettner 2012/ 14, S. 303). Meilenhausen, Meilenhofen, Stadt Mainburg, Lkr. Kelheim; Meiling, Gem. Seefeld, Lkr. Starnberg; Meiling, Gem. Rott a. Inn. Lkr. Rosenheim: Puchner (1972), S. 64; Rettner (2004), S. 285; Ableitung und Komposita vom bzw. mit dem ahd. PN. Mīlo (Rettner 2012/ 14, 303). Mischenried, Gem. Wessling, Lkr. Starnberg: Rettner (2004), S. 285 (nach Gruber 1908, S. 350: urkundlich Mischenriet ) < ahd. * Muskīn-riet , Kompositum mit ahd. * muskīn , von germ. * muska- ‚Moos‘ abgeleitetes Adjektiv. Mörnsheim, Markt, Lkr. Eichstätt: Rettner (2004), S. 285; 918 Morinesheim , Kompositum mit dem ahd. PN * Mōrīn (Reitzenstein 2006, S. 168). Ad monte (a. 769, Trad. Freising) bei Germerswang/ Frauenberg (Gem. Maisach, Lkr. Fürstenfeldbruck): Rettner (2012/ 14), S. 305; Latinisierung von ahd. zi perge in der Urkunde. Motzing (Ober-/ Nieder-), Gem. Aholfing, Lkr. Straubing-Bogen: Rettner (2012/ 14), S. 307; 875/ 85 Mozinga , Ableitung vom altbair. PN Moz(z)o . † Nazareth, jetzt Jachenau (Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen): Rettner (2012/ 14), S. 305; biblionymischer Klostername. Pang, Stadt Rosenheim: Rettner (2004), S. 285; 752 Paingas , 1147/ 64 Pagingin (Haubrichs 2006, S. 420), Ableitung von PN * Bagzu ahd. bāga ‚Streit‘(? ) Penzberg, Stadt, Lkr. Weilheim-Schongau: Rettner (2004), S. 283; 1275 Pnnensperg , Kompositum mit ahd. PN * Bonnin (< * Bonwin ), Genitiv * Bonnines- (Reitzenstein 2006, S. 107). Petena (a.798), falscher Bezug auf Seebruck/ Bedaium. Petena bezieht sich auf Salzburg (HELSON 109 f.), siehe Nr. 156. Pfatter, Gem., Lkr. Regensburg: Rettner (2004), S. 283; Flussname ahd. * Pfatira (Greule 2014, S. 402). Pfistern, Gem. Gaissach, Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen: Rettner (2004), S. 283; < ahd. * pfistaron ‚bei den Bäckern‘. Polling, Gem., Lkr, Weilheim-Schongau: Rettner (2004), S. 285; Rettner (2012/ 14), S. 304, Ableitung vom ahd. PN Pollo . 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 215 11.09.2019 09: 46: 57 216 C. Auszuscheidende Gewässernamen und romanisch-deutsche Mischnamen in Altbayern Portenläng, Gem. Brunnthal, Lkr. München: Rettner (2004), S. 283 (nach Gruber 1908, S. 362: ohne Beleg < lat. prata longa ), unsichere Etymologie, zu ahd. borto / bair. porto swm. ‚Borte, Kante‘? Preisenberg, Gem. Kumhausen, Lkr. Landshut; Preisendorf, Gem. Forstern, Lkr. Erding; Langen-Preising, Lkr. Erding: Puchner (1972), S. 63; Rettner (2004), S. 285; Rettner (2012/ 14), S. 304; Komposita bzw. Ableitung mit/ vom ahd. PN * Prīso. Puitl, Weiler, Gem. Wessobrunn, Lkr. Weilheim-Schongau: Rettner (2004), S. 283 (nach Gruber 1908, S. 351), ohne Belege, < mhd. * biu(n)de + l -Suffix ‚kleine Beunde‘? Punding, Gem. Dietramszell, Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen: Rettner (2004), S. 285 (nach Gruber 1908, S. 336); 1175 Pontingen , Ableitung vom ahd. PN Bondo / bair. Ponto . Rausch, Gem. Herrsching a. Ammersee, Lkr. Starnberg: Rettner (2004), S. 283 (nach Gruber 1908, S. 349 f.); mhd. rūsch ‚Rauschen‘, Stellenbezeichnung ‚wo, es rauscht‘. † Reginuntum, a. 853? (Fälschung) Regenunto , Königshof bei Regensburg (Rettner 2012/ 14, S. 305), Ableitung oder Variante von Reginum / Regensburg, siehe Nr. 29. Reisch, Stadt Landsberg a. Lech: Rettner (2004), S. 283 (nach Gruber 1908, S. 350): „fraglich“, ohne Belege, vielleicht ahd. * rīsk ‚Binse‘, vgl. ON Reischach (Lkr. Altötting), 930 Rîskah (Reitzenstein 2006, S. 229). Rentschen, Gem. Wildsteig, Lkr. Weilheim-Schongau: Rettner (2004), S. 283 (nach Gruber 1908, S. 350), ohne Belege; Genitivischer Ortsname, PN Rentsche < ahd. Reginzo (Förstemann, PN, Sp. 1222). Rimslrain, Gem. Wackersberg, Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen: Rettner (2004), S. 285 (nach Gruber 1908, S. 336); 915 Riministinrain , Kompositum mit ahd. PN * Rimisto (Rettner 2012/ 14, S. 304). Rimsting, Gem., Lkr. Rosenheim: Rettner (2004), S. 285 (nach Gruber 1908, S. 336), vor 1189 Rimstingen (Reitzenstein 2006, S. 232), ahd. PN * Rimisto (Rettner 2012/ 14, S. 304). Rummelsburg bei Bad Tölz? : Rettner (2004), S. 285 (nach Gruber 1908, S. 336), ohne Belege, Kompositum mit ahd. PN Rumali . Sallern, Stadt Regensburg: Rettner (2004), S. 283; Rettner (2012/ 14), S. 302; Insassenname, abgeleitet vom Flussnamen Salla (siehe Nr. 74) mit Suffix ahd. -āri (Prinz 2007, S. 353 f.). Salmading, Gem. Reichertshausen, Lkr. Pfaffenhofen a. d. Ilm: Puchner (1972), S. 65; Rettner (2004), S. 285; 1184/ 1204 Salmanningen , Ableitung vom ahd. PN Salman . Salmannskirchen, Gem. Bockhorn, Lkr. Erding: Puchner (1972), S. 65; Rettner (2004), S. 285; 994/ 1005 Salamanneschiriha , Kompositum mit dem ahd. PN Sal(a)man . Schongau, Stadt, Lkr. Weilheim-Schongau: Rettner (2004), S. 283 (nach Gruber 1908, S. 332); 1227 Schonengov , Kompositum aus ahd. scōni ‚schön‘ und gouue ‚Gau, Land, Flur‘ (Reitzenstein 2006, S. 251 f.) Sendling, Stadt München: 779/ 806 Sentilinga ; Sendling, Gem. Ramersberg, Lkr. Rosenheim, 1329 Sentlingen (Rettner 2004, S. 285; Puchner 1972, S. 65), Ableitungen vom ahd. PN * Sentilo (got. Sandila ). Sensau, Gem. Steinhöring, Lkr. Ebersberg: Puchner (1972), S. 65; 807 Senatesauua, Kompositum mit ahd. PN * Senet , vgl. PN Sened-ricus (Kaufmann 1968, S. 309). Siferling, Gem. Söchtenau, Lkr. Rosenheim: Puchner (1972), S. 66; Rettner (2004), S. 285; 12. Jh. Suberlingen, Suverlingen , Ableitung vom ahd. PN * Subarilo/ *Sufarilo ? 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 216 11.09.2019 09: 46: 57 C. Auszuscheidende Gewässernamen und romanisch-deutsche Mischnamen in Altbayern 217 † Simplicho, Wüstung, Stadt Straubing: Rettner (2004), S. 283; 890 in loco Simplica < ahd. * sinblick(i) ‚beständig, überaus glänzend’ (Rettner 2012/ 14, S. 302, korrigiert nach Prinz 2007). Sölb, Gem. Raisting, Lkr. Weilheim-Schongau: Rettner (2004), S. 283 (nach Gruber 1908, S. 351), ca. 1122-1127 (cop. vor 1173) de Selwen < germ. * Salwina , Abschnittsname der Rott z. Ammersee (Greule 2014, S. 493). Sossau, Gem. Grabenstätt, Lkr. Traunstein: Rettner (2004), S. 285: „fraglich“ (nach Gruber 1908, S. 338), ohne Belege, vielleicht Kompositum mit mhd. sâze ‚Hinterhalt, Nachstellung‘ usw. Spielwang, Gem. Vachendorf, Lkr. Traunstein: Rettner (2012/ 14), S. 307; 12. Jh. Spinnelwanc , Kompositum mit mhd. wanc ‚Wang, Feld‘ und Bestimmungswort mhd. spinnel ‚Spindel‘ oder mhd. spinne swf. ‚Spinne‘. Staffelsee, Lkr. Garmisch-Partenkirchen: Rettner (2012/ 14), S. 305 („fraglich“); < ahd. * Staffalsēo , Kompositum mit ahd. staffal stm. ‚Sockel, Stufenabsatz‘ (Greule 2014, S. 511). Stillern, Gem. Penzing, Lkr. Landsberg a. Lech, und Gem. Raisting, Lkr. Weilheim-Schongau: Rettner (2004), S. 283 (nach Gruber 1908, S. 351), Handwerkerbezeichnung im Dativ Plural von ahd. stilāri ‚Stielmacher‘. Sufferloh, Gem. Holzkirchen, Lkr. Miesbach: Rettner (2004), S. 285 (nach Gruber 1908, S. 362); 915 Suffrinloh , 1180 Suberloh , Kompositum mit ahd. PN * Sufar ? Vgl. Siferling. Thauerhausen, Gem. Chieming, Lkr. Traunstein: Puchner (1972), S. 66; Rettner (2004), S. 285; Kompositum mit ahd. PN * Tūro zu mhd. tūren , dūren ‚dauern, Bestand haben, aushalten‘? Töllern(allee) in Weilheim: Rettner (2004), S. 283 („fraglich“; nach Gruber 1908, S. 351); 13. Jh. Toline zu ahd. dola , mhd. tole , bair. Dole ‚Abwasserkanal‘ (Schnetz 1997, S. 52). Bad Tölz: Rettner (2004), S. 283 („fraglich“; nach Gruber 1908, S. 358). Übertragung eines slawischen Namens (Reitzenstein 2006, S. 29f.). Tulling, Gem. Steinhöring, Lkr.Ebersberg: Rettner (2012/ 14), S. 307; ohne historische Belege unsichere Deutung; vielleicht abgeleitet vom ahd. PN * Tullī. Urschenthal, Gem. Waakirchen, Lkr. Miesbach: Rettner (2004), 285 (nach Gruber 1908, S. 340); ohne historische Belege unsichere Deutung; vielleicht Kompositum mit dem Genitiv des PN (Hagionyms) ahd. Urso . Urschlau, Gem. Ruhpolding, Lkr. Traunstein: Rettner (2012/ 14), S. 307; ohne historische Belege unsichere Deutung; vielleicht zu deuten wie Urschenthal als Kompositum mit dem Genitiv des PN (Hagionyms) ahd. Urso . Valepp, Rote -, Weiße-, Quellflüsse der Brandenberger Ache, die bei Kramsach (Tirol) in den Inn mündet; Valepp, Markt Schliersee, Lkr. Miesbach: mda. fåˈlep ; Voldöpp, Gem. Kramsach, PB Kufstein, Tirol: 1151-1167 Hof Wltepe (lies Vultepe ), vor 1196 predium…in Vulteppe ; wahrscheinlich rom. * Vult-apja (ANB I, S. 370; Anreiter 2005, S. 39 f.) - Die Benennung erfolgte von Tirol aus. † Vivarius (8. Jh.) bei Regensburg: Rettner (2012/ 14), 306: („fraglich“), latinisiert ahd. wīwāri ‚Weiher‘. Vötting, Stadt Freising: Puchner (1972), S. 66; Rettner (2004), S. 285; 972/ 76 Uettingun , Ableitung vom ahd. PN Fatto . 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 217 11.09.2019 09: 46: 58 218 C. Auszuscheidende Gewässernamen und romanisch-deutsche Mischnamen in Altbayern Weichs (mehrere Orte): Rettner (2004), S. 283; Rettner (2012/ 14), S. 302: korrigiert nach Prinz (2007), S. 421; ahd. * wīhs n. ‚Dorf ‘. Weil, zwei Orte: Rettner (2004), S. 283; Rettner (2012/ 14), S. 302; ahd. * wīla ‚Siedlung bei den Resten eines römischen Gutshofs‘ (Reitzenstein 2006, S. 300 f.) Weilheim i. Obb., Stadt, Lkr. Weilheim-Schongau; Weilkirchen, Gem. Zangberg, Lkr. Mühldorf a. Inn: Rettner (2004), S. 285 (nach Gruber 1908, S. 333); Komposita mit dem Bestimmungswort ahd. * wīla , entlehnt < lat. vīlla ‚Landgut‘. Wiechs (mehrfach) auch Noder-, Sonnen-, alle Lkr. Rosenheim: Rettner (2004), S. 283; ahd. * wīhs n. ‚Dorf ‘, mit besonderer Entwicklung von / īhs / > / -ihs / > bair.mhd. iehs . Wifling, Gem. Wörth, Lkr. Erding: Puchner (1972), S. 66; Rettner (2004), S. 285; 825 Uuiuiningas , Ableitung vom ahd. PN * Wifino , vgl. ahd. be-wifen ‚unglücklich, verdammt‘. Winzer (mehrere Orte): Rettner (2004), S. 283; Rettner (2012/ 14), S. 303; korrigiert nach Prinz (2007), S. 435-438: ahd. uuinzara ‚die Winzer‘. † Zellenhausen, jetzt Zellhausen (siehe Nr. M 40). † Zelling, ohne Lokalisierung und Datierung: Rettner (2012/ 14), S. 307. 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 218 11.09.2019 09: 46: 58 D. Karten 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 219 11.09.2019 09: 46: 58 Karte 1: Die Gewässernamen antik-romanischer Herkunft 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 220 11.09.2019 09: 46: 58 Karte 1: Die Gewässernamen antik-romanischer Herkunft 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 221 11.09.2019 09: 46: 58 222 D. Karten Karte 2: Die Siedlungsnamen antik-romanischer Herkunft 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 222 11.09.2019 09: 46: 58 Karte 3: Salzburg und Umgebung 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 223 11.09.2019 09: 46: 58 224 D. Karten Karte 4: Die romanisch-deutschen Mischnamen Karte 5: Die Walchen - und Parschalken -Namen 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 224 11.09.2019 09: 46: 59 D. Karten 225 Karte 5: Die Walchen - und Parschalken -Namen 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 225 11.09.2019 09: 46: 59 226 D. Karten Karte 6: Siedlungsnamen antik-romanischer Herkunft 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 226 11.09.2019 09: 47: 00 D. Karten 227 Karte 7: Siedlungsnamen slawischer Herkunft 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 227 11.09.2019 09: 47: 00 228 D. Karten Karte 8: Deutsche Siedlungsnamen auf -ing 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 228 11.09.2019 09: 47: 00 D. Karten 229 Karte 9: Deutsche Siedlungsnamen auf -heim 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 229 11.09.2019 09: 47: 00 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 230 11.09.2019 09: 47: 00 E. Verzeichnisse 1. Abkürzungen aengl. altenglisch ahd. althochdeutsch ai.-ved. altindisch-vedisch aind. altindisch air. altirisch aksl. altkirchenslawisch alban.-geg. albanisch-gegisch alemann. alemannisch altbret. altbretonisch altfranz. altfranzösisch altkorn. altkornisch asächs. altsächsisch avest. avestisch bair. bairisch bret. bretonisch cop. kopial FlurN Flurname franz. französisch friul. friulanisch frühahd. frühalthochdeutsch frühmhd. frühmittelhochdeutsch frühnhd. frühneuhochdeutsch gall. gallisch gallorom. galloromanisch germ. germanisch GewN Gewässername griech. griechisch gr.-hom. griechisch-homerisch HofN Hofname idg. indogermanisch idg.-vspr. indogermanisch-voreinzelsprachlich ital. italisch kelt. keltisch keltolat. keltolateinisch korn. kornisch kymr. kymrisch lat. lateinisch lett. lettisch lit. litauisch Lkr. Landkreis mittelbair. mittelbairisch mittelir. mittelirisch mnd. mittelniederdeutsch ON Ortsname PB Politischer Bezirk PN Personenname rom. romanisch schweizerdt. schweizerdeutsch spätahd. spätalthochdeutsch spätmhd. spätmittelhochdeutsch span. spanisch StraßenN Straßenname südbair. südbairisch toch. tocharisch uridg. urindogermanisch vorahd. voralthochdeutsch vorbair. vorbairisch vulgärlat. vulgärlateinisch 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 231 11.09.2019 09: 47: 00 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 232 11.09.2019 09: 47: 00 2. Literatur ANB I (1999), ANB II (2014) = Altdeutsches Namenbuch. Die Überlieferung der Ortsnamen Österreichs und Südtirols von den Anfängen bis 1200 (ANB). Bearb. von Isolde Hausner und Elisabeth Schuster. Bd. 1: A-- M . Wien 1999 (=1989-1999); Bd. 2: N-- Z . Wien 2014 (= 1999-2004, 2014). Anreiter (1997) = Anreiter, Peter: Breonen, Genaunen und Fokunaten. Vorrömisches Namengut in den Tiroler Alpen. Budapest 1997 (Archeolingua, Series Minor 9). 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Alphabetisches Verzeichnis der Gewässer-, Siedlungs-, Alp-, Berg-, Flur und Waldnamen antik-romanischer Herkunft, der romanisch-deutschen Mischnamen sowie der Walchen- und Parschalken-Namen Abens 59, 64, 84, 99 Abersee 28, 74-75, 90, 196-197 Adnet 64, 77, 88, 166 Ager, Dürre 69, 113 Aidling 91 Ainwalchen 205 Aising 28, 73, 92, 186 Aist 113-114 Albaching 58-59, 64, 142 Alburg 64, 85, 143 Allhaming 82 Alm 64, 77, 88, 114-115 Almau 143 Alm(bach) 69, 88, 137 Alpígl 89, 182-183 Altmühl 84, 100 Alz 63, 88, 91, 100-101 Amering 73, 75, 186 Ammer, -see 78, 101 Amper 64, 86, 101 Andechs 132 Anif 166-167 Ansfelden 74-75, 82, 197 Antiesen (Andiesen) 64, 115 Antlang 64, 116 Attel 64, 68-69, 101 Attersee 64, 116-117 Bachschaller 79, 210 Barbing 73, 75, 77, 85, 186 Bayerisch Gmain 173 Beiderwies(bach) 29, 58, 64, 144 Benetsham 73, 75, 187 Berggitzen 79, 169 Bina 74-75, 187 Bogen(bach) 64, 101 Bregenz 46 Breitsach 64, 117 Campanif 167 Chieming 56, 65-66, 144 Delling 73, 75, 187 Dellnhausen 73, 75, 187 Deuting 73, 75, 77, 87, 187 Di(e)tlbach 74-75, 90, 198 Donau 61, 64, 66, 70, 81, 103 Dürnitz 47 Ehwalchen 78, 206 Eisentorf 71, 74-75, 188 Empfing 36, 37 Ems 29 Engern 29 Enns 46, 69, 81-82, 118-119 Epfach 64, 69, 145 Erlauf 34 Etnisch 64, 66, 69, 119-120 Eugenbach 71, 74-75, 77, 87, 188 Eugendorf 58, 71, 74-75, 90, 200 Fager 167-168 Figlsdorf 28, 58, 63, 74-75, 77, 87, 188 Flatschergut 69-70, 89, 168 Flurnsbach 71, 74-75, 89-90, 98, 200-201 Fonalva 157 Fontasch 144 Freilimg 83 Freising 86 Fürling 158 Fuschlsee, Fuschler Ache 138 Gamp 65, 168 Gampern 65, 158 Garnéi 89, 168 Garmisch 92 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 247 11.09.2019 09: 47: 00 Gars 145 Genneralm 183 Gerzen 56, 69, 145-146 Gesteinet 130 Gfalls 89, 169 Gitschenwand 69-70, 183 Gitzen 65, 69-70, 77, 88, 169 Gizóll 89, 170 Glanbach 77, 88, 138-139 Glasbach 69, 77, 88, 139 Gneis 89, 170-171 Gniglerbach 88-89, 140 Glonn 103 Gois 77, 88, 171 Gols 65, 77, 88, 171 Greiling 91 Grödig 64-65, 69, 77, 88, 98, 172 Großgmain 66, 173 Gufflham 73, 75, 188 Gugelán 48, 56, 89, 184 Gunzenberg 78 Gurtenbach 65, 120-121 Haisching 82 Hanninger 82-83 Hösing 36-37 Hoher Götschen 69-70, 184 Ibm 121-122 Ilm 104 Inn 47, 62, 104 Innbach 62, 67, 122 Ipf(bach) 57, 62, 64, 81, 83, 123 Irrsberg 74, 199, 201 Irrsee 74, 198 Irschenbach 74, 188-189 Irschenberg 74, 189 Irschenham 73, 189 Irschenhausen 73, 189 Irsching 73, 85, 189 Irsing 73, 189 Isar 104-105 Ischl 105 Isen 105 Iuvavum 174 Ivarus 140 Jacking 73, 75, 189 Jägersdorf 74, 189 Jahrstorf 74, 189 Jaibing 28, 73, 189-190 Jaibling 28, 190 Jailing 28 Jarzt 63, 86, 146 Jasberg 28, 92, 190 Jaubing 73-75, 190 Jausberg 28 Jechling 73, 190 Jolling 73, 92, 190 Kampern 158 Kareth 65, 69, 85, 146 Kasing 65, 69, 85, 147 Kasten 65, 147 Katzwalchen 203 Kelsbach, -gau 56, 84, 102 Kobernaußerwald 58, 65, 67, 71, 165 Kochel am See 92 Königsdorf 28, 74-75, 92, 191 Kösching 73, 75, 85-86, 191 Kollmitzberg 35 Kollmünz 56, 62-63, 65, 69, 147 Köstendorf 74-75, 90, 201 Krems 63, 65, 82, 123-124 Kristeinerbach 123 Kröning 65, 69, 147-148 Kuchl 48, 55-56, 64-65, 77, 88, 98, 174-175 Künzing 63, 65, 69, 148 Laaber 64, 84, 106 Lambach 158-160 Lammer 141 Larosbach 67, 71, 89, 98, 106 Latéin 69, 71, 175 Laus, Ober-, Unter- 71, 148 Lech 62, 64, 84, 107 Lidáun 67, 71, 176 Liefering 59, 73, 75, 77, 90, 202 Linz 47, 56, 62, 64, 81, 160-161 Litzlwalchen 78, 203 Loich 35, 37, 47 Loig 65, 77, 176-177 Lorch 64, 66, 81, 161-162 248 E. Verzeichnisse 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 248 11.09.2019 09: 47: 01 3. Alphabetisches Verzeichnis der Gewässer-, Siedlungs-, Alp-, Berg-, Flur und Waldnamen 249 Marlupp 57, 124-125 Marzill 85, 149 Marzling 28, 64, 73, 191 Marzóll 70, 89, 149 Massing 73, 85, 191 Mattig 64, 68-89, 125-126 Maxlrain 92, 191 Mehring 73, 85, 90, 192 Mininghusin 73, 192 Mirskofen 73, 77, 87, 192 Misching 82 Mittich 62, 149 Morzg 57, 88, 177 Mühl(viertel) 49 Munituna 107 Muntigl 47, 62-63, 65, 77, 88, 178 Naab 59, 61, 64, 84, 107-108 Natters 47 Noderhäusl 150 Nodern 150 Nonn 150 Noricum 33, 39 Oberwalchen 203 Oichten(bach) 64, 126 Paar 64, 84, 108 Pachersdorf 79, 211 Pachschallern 79, 211 Pähl 64, 60, 151 Palten 52 Parnham 73, 75, 192 Parscalheshoba 208 Parschall 79, 208 Parschallbauer 78-79, 209 Parschallen 79, 209 Parschalling 79, 208, 210 Parschenberg 79, 209 Partenkirchen 92, 151 Partnach 151 Parzham 73, 192-193, 199 Paschallern 79, 210 Paschlberg 210 Passau 29, 47, 58, 63-64, 151-152 Peiß 63-64, 71, 152 Perbing 193 Petena 77, 88, 179 Pfettrach 64, 69, 86, 108 Pfünz 62, 64, 68-69, 84-85, 152 Pfunzen 56, 62, 64, 68, 91-92, 153 Pielach 47 Piering 73, 75, 85, 193 Plain 47, 57, 162, 179 Planitsch 57, 69-70, 89, 153 Planitschen 57, 69-70, 89, 180 Pocking 73, 193 Polsenz 63-64, 127 Poscheltzried 79, 209 Poschetsried 79, 209 Pram 128-130 Pretzen 56, 69, 86, 153 Prien 57, 64, 66, 154 Prienbach 57, 64, 154-155 Prüfening 59, 73, 75, 85-86, 193 Pucking 83 Pürten 64, 69, 155 Pulkau 49 Raab 64, 130 Radaspona 155 Ramáigraben 89, 184 Raubling 91-92 Regen 109 Rhein 46 Rif 71, 89-90, 98, 180 Rigáusbach 67, 71, 74, 89, 141-142 Roidwalchen 78, 207 Roitwalchen 78, 204 Rosítten 89, 185 Rott 181 Rumeltshausen 71, 73, 194 Saal 155 Saalach 109-110 Safferstetten 73, 75,194 Salzburg 88 Sanding 73, 75, 77, 85, 194 Sandsbach 74-75, 194 Schlechting 91 Schliersee 92 Schutter 110 Schwaz 44 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 249 11.09.2019 09: 47: 01 Seekirchen 90 Seewalchen 78, 207 Seewalchen am Attersee 206 Sempt 64, 69, 86, 110 Seppenhausen 73, 194 Sölling 36, 37 Steffing 73, 75, 85, 194-195 Stefling 73, 75, 195 Steyr 71, 82, 131-132 Stimm, Ober-, Unter- 62, 84-85, 150 Straßwalchen 78, 207 Suben 67, 132 Sulz 62-63, 84, 110-111 Sur 63, 111 Taching 64, 69, 91, 156 Tegernsee 92 Terfens 59 Thalmassing 73, 75, 85, 195 Thaya 49 Tölzkirchen 73, 75, 77, 87, 195 Tötzham 73, 75, 90, 195 Torréner Bach 89, 142 Traisen 35, 47 Traubling 73, 75, 77, 85, 196 Traun 64, 71, 78, 81, 88, 111, 133 Traunwalchen 78, 204 Tüntenhausen 73, 87, 196 Türk 69, 77, 88, 156 Türken(bach) 62, 64, 69, 112 Tuval 181 Ufernoricum 33 Url 35 Ursbach 196 Vager 156 Valléy 91, 157 Vigáun 47, 56, 67, 70-71, 89, 182 Vintl 58 Vitta 58,162-164 Walafeld 82 Walchen 78, 204, 206 Walchenberg 78, 204 Walchensee 78, 92, 204-205 Walchstadt 78, 92, 205 Wallersee 74-75, 78, 90, 202-203 Wallgau 77, 92, 205 Wals 207-208 Wattens 58 Wels 47, 58, 62, 81, 164 Wilten 44 Wipp(tal) 44 Witraun 58, 64, 67, 71, 134-137 Wolfgangsee 196-197 Würm, -see 58, 62, 112 Zaya 49 Zehnbach 34 Zeitlham 83 Zeller See 198 Zellhausen 73, 196 Zifánken 79, 185 Zistelalm 185 Zisterberg 70, 89, 186 250 E. Verzeichnisse 38659_Greule_Wiesinger_SL6.indd 250 11.09.2019 09: 47: 01 ISBN 978-3-7720-8659-5 Immer wieder wird versucht, die im 6. Jahrhundert auftretenden Baiern auf romanische Herkunft zurückzuführen, obwohl ihre Sprache und Dialekte germanischen Ursprungs sind. Als angebliche Zeugnisse dienen meistens die eingedeutschten Gewässer- und Ortsnamen antik-romanischer Herkunft. In dem bis 488 n. Chr. römischen Voralpenraum südlich der Donau vom Lech bis zur Enns in Bayern, Salzburg und Oberösterreich wurden gegenüber der Vielzahl rein deutscher Namen nur relativ wenige Namen antik-romanischen Ursprungs ins Bairisch- Althochdeutsche tradiert. Diese geringen Zeugnisse werden nach Etymologie und Eindeutschungszeit mit linguistischen Methoden analysiert und danach beurteilt, wann sie von den ersten germanisch-römischen Kontakten im 1./ 2. Jahrhundert an bis in die althochdeutsche Zeit längstens um die Mitte des 11. Jahrhunderts ins Althochdeutsche eingegliedert wurden. Daraus kann man schließen, dass das Romanische im Voralpenraum durchschnittlich und nur inselhaft bis ins beginnende 9. Jahrhundert und nur vereinzelt wie um die Stadt Salzburg auch noch bis gegen die Mitte des 11. Jahrhunderts fortlebte. Die Annahme angeblicher romanischer Herkunft der Baiern lässt sich weder mit Hilfe der Sprache noch der Namen erweisen und ist aufzugeben. Wiesinger / Greule Baiern und Romanen Baiern und Romanen Peter Wiesinger / Albrecht Greule Zum Verhältnis der frühmittelalterlichen Ethnien aus der Sicht der Sprachwissenschaft und Namenforschung 38659_Wiesinger_Greule_170_240.indd Alle Seiten 11.09.2019 09: 59: 58